Ovaron - Martin Amadeus Weber - E-Book
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Ovaron E-Book

Martin Amadeus Weber

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Beschreibung

In verschiedenen Berliner Kinderheimen aufwachsend, kämpft sich ein kleiner Junge mühsam durch sein junges Leben in den brutalen Heimen. Mobbing, Prügel und Missbrauch kennt er gut, sie sind an der Tagesordnung. Rolf, ein zwei Jahre älterer Junge schwingt sich endlich im letzten Moment zu seinem Beschützer und Freund auf. So beschirmt entdeckt er seine Liebe zur Musik und findet die Gitarre als sein Instrument. Als Jugendlicher spielt er in den Hinterhöfen seines Kiezes und wird, dank seines Könnens, langsam bekannt. In Alexandra, das Mädchen vom Blumenladen, hat er sich unsterblich verliebt, traut sich aber nicht sie anzusprechen, schmachten sie nur aus der Ferne an. Unverhofft verschwindet sie spurlos, aber er merkt, dass er irgendwie mit ihr verbunden ist und seine Musik ohne sie nicht funktioniert. Mit viel Energie schafft er den musikalischen Durchbruch. Ovaron wird geboren, ist bald in aller Munde und ein genialer Gitarrist. Steil geht die Karriere nach oben. aber er sucht immer noch nach seiner geliebten Alex und besingt sie in seinen Liedern. Keine andere Frau interessiert ihn, sehr zur Verzweiflung seiner zahlreichen weiblichen Fans. Rundfunk und Fernsehauftritte folgen. Er und seine Band werden immer genialer und bekannter. Dann endlich erscheint Alex mitten in einem Konzert und wird, unter dem Jubel der Fans, von Ovaron auf die Bühne gezogen, die Band explodiert. Alex ist seine Seelengefährtin und mental mit ihm verbunden. Ist so die Musik der Band zu erklären? Als Alex entführt wird, stürzt Ovaron in ein tiefes Loch, seine Musik ist weg. Eine verzweifelte Suche beginnt, Ovaron landet in seiner Verzweiflung verwahrlost in der Gosse, nur Alex kann ihn retten. Werden sie Alex finden? Wer hasst Ovaron so? Sind es Neider? Wo ist Alex?

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Inhaltsverzeichnis

Freitag, 27. Mai 2016

Montag 30. Mai 2016

Freitagvormittag Studio Radio 1

4. Juni 2016 Fernsehstudio Berliner Rundfunk

Eine Woche später Samstag Abend in der Hotelsuite.

Zwei Jahre später, Juni 2010

Sonntag Morgen, 16. Juni 2013

Montag 17. Juni 2013 Die neue Wohnung

Erste große Session

Wieder in der Gegenwart 28. Juni

Eine Woche später, 7.Juli 2016

Samstagnachmittag, Waldbühne 10, Juli 2016

Erste Augustwoche

Dritte Augustwoche

Dienstag 23. August 2016

Sonntag 28. August 2016

Sonntag, 4. September 2016 Hannover.

Drei Wochen später, Mittwoch, 28. September, Stuttgart.

Samstag 8. Oktober

15 Uhr Pressekonferenz

Konzert München 15.und 16.10. 2016

Sonntag Olympiastadion, 16, Oktober

Vier Tage später, Nürnberg, Donnerstag, 20. Oktober

Samstag 22. Oktober Alex ist weg.

20.⁰ November Berlin

Augsburg, 16, Februar 2017

Berlin, Freitag, 17. Februar 2017

Sonntag, 19. Februar 2017

Mittwoch, 22. Februar 2017

Berlin, Sonntag, Juni 2017

Montag, 26. 06. 2017, 10 Uhr Aufnahmestudio

Freitag, 14, Juli 2017

Samstag 15, Juli 2017 Olympiastadion

Dienstag, 18 Juli 2017

Pressekonferenz 21. Juli 2017

Fünf Wochen später, Freitag 25. August 2017

Samstag, 9. September 2017 Konzert im Olympiastadion

20. September 20120

Samstag, 23. September 2017, Waldbühne

Donnerstag, 28. 9. 2017

Sonntag 8. 10. 2017

Samstag 14.10.2017

3 Wochen später. 3. November 2917

Dienstag, 07. November 2017 Stuttgart Hotel International

Samstag, 11. November 2017

Sonntag, 12. November

Sonntag, 3. Dezember 2017 Berlin

Montag 4 Dezember 2017

24. Dezember 2017

Silvester 2017

3 Jahre später Weihnachten 2020

Silvester 2020 Berlin

Mai 2021 Berlin

Drei Wochen später, Sonntag, 17. Mai 2021

Freitag 21. Mai.

Montag, 24. Mai 2021

12. Juni 2021, Samstag

Freitag 18. Juni 2021.

Samstag, 19. Juni 2021 Terrassenkonzert

Impressum

Freitag, 27. Mai 2016

Schweißüberströmt saß er da und sah auf die begeistert tobende Menge hinunter. Die grell zuckenden Scheinwerfer waren erloschen. In seinem Kopf schwirrte und dröhnte es. Fassungslos presste er seine Gitarre an sich. Er hatte es getan. Er hatte es geschafft. Er war hinausgetreten auf die Bühne und die Welt um ihn war verschwunden. Nur seine geliebte Gitarre war für ihn noch existent gewesen. Er hatte sie gespielt und sie hatte mit ihm gespielt, hatte ihn mit ihren Klängen zu immer neuen, unglaublichen Höhen getrieben und ihn vollständig verzaubert. Alle seine Wünsche und Sehnsüchte hatte er sich von der Seele gestreift und das Instrument hatte ihm geantwortete, sich mit ihm verbunden, ihn gesteuert. Jetzt war er fertig und schaute wieder fassungslos auf seine Zuhörer, die frenetisch jubelten und begeistert eine Zugabe forderten. Zugabe? Von was denn, dachte er entsetzt. Ich weiß doch gar nicht was ich gespielt habe, was soll ich denn spielen? Ratlos sah er auf die Seite, wo Mario, einer seiner wenigen richtigen, wahren Freunde stand. Ovaron, Ovaron, gellten die Sprechchöre und forderten ihn auf weiter zu spielen. Ovaron, damit meinen sie mich, dachte er verwirrt. „Steh schon auf“, zischte Mario, „Spiel. Spiel einfach irgendwas, was dir gerade in den Kopf kommt. Es ist egal, was du spielst, Hauptsache du spielst. Los mach schon.“ Unschlüssig stand er auf und ging wieder in die Mitte der Bühne, von der er geflohen war. Er sah auf die rasende Menge unter sich, die von den Bühnenkräften mit Mühe zurückgehalten wurde. Plötzlich musste er an Alexandra denken. Seine Alex, seine heimliche, große Liebe, die er aus der Entfernung verehrt hatte, die aber anscheinend zu einem anderen gegangen war. Vermutlich war sie jetzt in fremden Armen glücklich. Er hatte offensichtlich seine Chance nicht genutzt, war zu feigen gewesen. Nur von einem einzigen roten Scheinwerfer angestrahlt begann er mit tränenden Augen leise zu spielen. Es entstand ein Liebeslied in das er all seinen Schmerz, seine Verzweiflung packte. Im Raum vor ihm war es totenstill. Ergriffen lauschte die vorher rasende Menge den wunderbaren Klängen der Gitarre, die seine leise, aber doch volltönende, immer dominanter werdende Stimme untermalte. Man hatte den Eindruck, mehrere Instrumente zu hören, so perfekt und professionell war sein Spiel, von dem er allerdings keine Ahnung hatte. Als er endete, sah er auf tränenfeuchte Augen hinunter, die ihn fassungslos ansahen. Ohrenbetäubend schwoll der Beifall auf, aber seine Fans hatten verstanden, dass er ihnen für heute alles gegeben hatte. Es würde nichts mehr kommen, er war ausgebrannt, leer. Mario empfing ihn und legte den Arm um ihn. „Mein lieber Mann, dass war das Beste, was ich je von dir gehört habe. Die Menge hat nur noch geheult. Wer ist Alex? Kenne ich sie? Wenn ich deine Musik richtig verstanden habe, dann liebst du sie und ich vermute, deine Fans haben es auch verstanden.“ „Habe ich denn Alex erwähnt?“ Mario nickte, „Du hast gesagt, dass dieses Lied deiner einzigen großen Liebe gewidmet ist, deiner Alex. Dann hast du dich hingesetzt und gespielt wie ein junger Gott. Man hatte manchmal den Eindruck, es wären zwei oder drei Gitarren am Werk, du warst sensationell. Du warst ergreifend schön und hast einem die Tränen in die Augen getrieben, selbst mir.“ Stunden später saß er allein in seinem Hotelzimmer mitten in Berlin. Seine Erinnerungen überwältigten ihn.

Er war wieder der kleine, ängstliche Bub, der sich vorsichtig durch die verborgene Lücke im Zaun des Waisenhauses schlich, dass seit mehreren Jahren sein Zuhause war. Mit zitternden ängstlichen Gefühlen schlich er leise durch den Garten, seine Beute, die er gefunden hatte, eng an sich drückend. Vorsichtig öffnete er die Türe des alten Schuppens. Immer wieder sah er sich ängstlich um. Als er die Türe weiter aufzog, knackte es hinter ihm im Gebüsch und er fuhr zu Tode erschrocken herum. Reglos lauschte er gebannt in die Dunkelheit, aber es war ganz still. Fast eine Minute lang rührte er sich nicht und horchte mit allen Sinnen, dann stieß er erleichtert die Luft aus, die er schreckensstarr angehalten hatte. Im Schuppen war es absolut finster, aber er wusste genau wo der Schrank stand, in dem er seine Beute, eine alte Gitarre, verstecken wollte. Er hatte sich schon immer eine Gitarre gewünscht und hatte seinem Glück kaum glauben wollen, als er sie im Sperrmüll entdeckte. Vorsichtig schloss er die Schuppentüre und huschte zum Haus und dort zum Kellerabgang, den er offengelassen hatte. Hoffentlich ist nicht zu, dachte er, während er reglos stand und lauschte. Wenig später war er bereits im ersten Stock und schlich in seinen Schlafsaal. Als er in sein Bett kriechen wollte, wurde er brutal zurück gerissen, bekam einen heftigen Schlag in den Bauch und eine Lampe wurde eingeschaltet. „Na du kleiner Wurm, wo warst du denn heute", zischte Roland, sein schlimmster Feind und schlug wieder auf ihn ein. Er krümmte sich vor Schmerzen und versuchte verzweifelt von ihm los zu kommen, aber Roland war ein Jahr älter, mindestens einen Kopf größer und furchtbar stark. So stark er ist, so dumm ist er auch, dachte Wolfgang und versuchte den Schlägen zu entgehen. Scheisse dachte er noch, warum jagt Roland mich? Was hat er denn gegen mich? Ich habe ihm doch nichts getan. Verzweifelt warf er sich auf den Boden und versuchte den wütenden Tritten zu entgehen, aber Rolands Helfer verhinderten sein Wegkriechen und schoben ihn immer wieder in die Reichweite seines Peinigers. Plötzlich aber hörten die Schläge auf und er hörte es einige Male laut klatschen. Roland stöhnte schmerzhaft auf und begann dann zu weinen. „So du kleines Arschloch“, hörte er eine wütende Stimme. „Jetzt flennst du nur noch. Los wehr dich, oder kannst du nur gegen Kleinere und Schwächere? Und ihr, verzieht euch sofort und lasst euch nicht mehr blicken, sonst kriegt ihr auch eine Tracht Prügel. Er hörte, wie sich die feigen Helfer schnell entfernten und in ihren Betten verschwanden. Es ist Rolf, dachte er unendlich erleichtert, Er hilft mir und er ist viel stärker und zwei Jahre älter. Rolf drosch Roland nochmal die Faust in den Magen. „Merk dir das, du Arschloch. Wolfi steht ab jetzt unter meinem Schutz. Wenn ich dich nochmal erwische wie du ihn schlägst, dann mache ich dich fertig, so wahr ich hier stehe. Du bist eine feige Sau, die sich nur gegen Schwächere wenden kann. Wenn Stärkere kommen, dann pisst du dir in die Hose, wie ich jetzt feststelle.“ Roland hatte sich tatsächlich eingenässt und weinte jetzt kläglich. „Verschwinde, zieh dir eine trockene Hose an und geh ins Bett. An alle hier, Wolfi ist mein Freund, wer ihn angreift, bekommt von mir Prügel.“ Dann half er Wolfgang ins Bett und blieb eine Weile bei ihm sitzen. „Keine Angst mein Kleiner, wir werden schon damit fertig. Morgen Nachmittag kommst du zu mir, ich nehme dich mit zum Training, du must trainieren und Sport machen, sonst hast du hier keine Chance.“ Mehrere Wochen vergingen und er lebte langsam auf. Alle hatten jetzt Respekt. Roland machte einen großen Bogen um ihm, aber ihm war bewusst, dass er unter Beobachtung stand. Drei Wochen später, er wollte wieder in den Schuppen und seine Gitarre vollends instand setzten, fand er nur noch ihre Trümmer. Jemand hatte sie gründlich zerstört und war anscheinend auch noch auf den Trümmern herumgetrampelt. Ihm war klar, wer das gewesen war, aber er konnte es nicht beweisen und musste Rolands hämische Blicke ohnmächtig ertragen.

Lautes Hupen und schrilles Reifenquitschen riss ihn aus seiner Erinnerung und er sah sich verwirrt um. Das Hotelzimmer, er war kein kleiner Junge mehr, sondern ein junger Mann von 22 Jahren. Taumelnd, immer noch in der Erinnerung gefangen stand er auf und sah in den bis zum Boden reichenden Spiegel. Er sah einen jungen, inzwischen kräftigen, durchtrainierten Mann. Eigentlich sehe ich ja gar nicht so schlecht aus, dachte er verblüfft und musterte sich weiter. Oh Gott, was ist denn gestern Abend passiert, habe ich wirklich auf der Waldbühne ein Konzert gegeben? Bin ich tatsächlich Ovaron? Lange saß er da und realisierte langsam, dass er anscheinend geschafft hatte, was er jahrelang geträumt hatte. Er hatte vor Tausenden von Leuten gespielt und es hatte ihnen anscheinend gefallen. Seine erste Single die vor einigen Monaten herausgekommen war und die Charts gestürmt hatte, war also keine Eintagsfliege. Erschüttert schüttelte er seinen Kopf. Langsam setzte er sich wieder auf das Bett und versank abermals in seinen Erinnerungen.

Zwei Jahre lang ging er mit Rolf zum Training und es zeigte Wirkung. Langsam wurde er immer kräftiger, bekam Muskeln, auch seine schmalen Schultern entwickelten sich und wurden immer breiter. In der Schule war er gut, bis sehr gut. Lernen fiel ihm leicht. Im Fach Musik war er besonders gut. Er konnte hervorragend singen und zeigte großes Interesse an der Musiktheorie und Harmonielehre. Herr Winckler, der Musiklehrer hatte seine Vorlieben bemerkt und förderte ihn, wo er konnte. Er durfte sogar die schuleigene Gitarre benutzen und zu Übungszwecken ausleihen. Etwa ein halbes Jahr später, seit dem Vorfall, bei dem ihm Rolf geholfen hatte waren fast zwei Jahre vergangen, fand er die Gitarre mit zerschnittenen Saiten auf seinem Bett liegend vor. Erschüttert nahm er sie in die Hand und sah sich dann langsam um. Sein Blick fiel auf den hämisch grinsenden Roland und er stand langsam auf. Roland sah sich um. Aber niemand gesellte sich zu ihm, seine Kumpels blieben vorsichtig sitzen. Roland stand auf und bemerkte, dass Wolfgang inzwischen genau so groß war wie er. Unsicher grinste er. „Sei vorsichtig, dein Beschützer ist nicht mehr da", meinte er großspurig und sah sich Beifall heischend um, aber niemand reagierte. „Ist dein Spielzeug kaputt gegangen, musst du jetzt weinen?“, spottete er weiter, wurde aber immer unsicherer. Dann stand Wolfgang vor ihm. „Warum hast du das getan?“ wollte er ruhig wissen. Roland stieß hervor. „Was getan, dein Spielzeug kaputt gemacht?“, er grinste gemein. „Und jetzt? Schlägst du mich jetzt?“, stieß er hämisch hervor und flog im nächsten Moment unter dem gewaltigen Schlag über zwei Betten hinweg. Vor Schmerzen wimmernd lag er auf dem Boden und sah seinen Widersacher auf sich zu komme. „Steh auf du Feigling und wehr dich“, forderte er ihn auf, aber die Memme blieb wieder in einer stinkenden Urinlache sitzen und sah ihn groß an. Alle seine Kumpels wandten sich jetzt ab und verließen den Raum. Wolfgang stand immer noch da, dann spuckte er vor ihm aus. „Du gehst jetzt sofort und suchst dir ein anderes Zimmer. Wenn ich dich nochmal hier in meinem Zimmer erwische, dann schlage ich dich krankenhausreif.“ Er packte ihn am Ohr. „Hast du das verstanden, Arschloch? Also verschwinde und lass dich nie wieder hier sehen. Nimm deine Sachen gleich mit und putz vorher die Sauerei, die du hier gemacht hast, auf.“ Er schüttelte ihn erneut am Ohr hin und her. „In zehn Minuten komm ich wieder, wenn du dann noch da bist, dann Gnade dir Gott", presste er immer noch wütend hervor und ging mit der beschädigten Gitarre hinaus.

Wieder fand er sich im Hotel auf dem Bett sitzend. Er erlebte seine Erinnerungen, als wenn er sich als Beobachter im Hintergrund aufhalten würde. Eine eigenartige, seltsame Erfahrung. Bisher hatte er über sich selbst kaum nachgedacht, jetzt flog ihm Frage um Frage in den Sinn, er wusste nicht, wo er anfangen sollte. Wehmütig dachte er an die Zeit im Heim zurück. Dachte an seinen Schmerz beim Anblick seines zerstörten Musiktraums. Diese Gitarre würde er mit Sicherheit nicht mehr bekommen und dabei hatte er inzwischen das Prinzip des Gitarrenspiels verstanden und es waren ihm schon einige Improvisationen gelungen. Mitten in seine verworrenen Erinnerungen platzte Mario, der schon mehrmals energisch geklopft hatte. „Wolfi komm, es ist schon 10 Uhr, du hast in einer Stunde eine Pressekonferenz, deine Fans warten auf dich. Du hast jetzt lange genug gepennt.“ Er sah sich um und fragte dann entsetzt. „Sag mal, hast du nicht geschlafen? Bist du die ganze Zeit auf dem Bett gesessen? Die ganze Nacht?“ Fassungslos und besorgt sah er ihn an und zog dann die schweren Vorhänge auf, die das Tageslicht abgehalten hatten. Grell flutete das Sonnenlicht in den Raum und Woga, so nannten ihn seine Freunde, musste die Augen zusammenkneifen. Verschwommen und noch immer in seiner Melancholie gefangen, sah er Mario stumm an und der bemerkte jetzt die traurige Stimmung seines Freundes, der eigentlich frohlocken und jubeln müsste. „Mensch wach auf, Berlin liegt dir zu Füßen. Du hast den Durchbruch geschafft. Sämtliche Radiosender spielen deine Songs, vor allem den letzten. Erinnerst du dich denn überhaupt noch an vorgestern Abend Wolfi?“ „Nenn mich ab jetzt bitte nicht mehr Wolfi. Nenne mich Woga, dass bin ich nun wohl, ein einsamer Woga, den nur wenige verstehen.“ „Egal", meinte Mario. „Jetzt komm erst mal runter. Marsch unter die Dusche, ich suche dir solange Klamotten raus, viel hast du ja wirklich nicht, wir müssen dringend Einkaufen gehen. Unten neben dem Hotel ist eine Boutique, Jenny soll dir ein Paar Jeans und Shirts kaufen, so kannst du nicht vor die Kameras treten.“ Mario hing sich an sein Handy. Eine halbe Stunde später, Woga saß nur mit einem Slip bekleidet auf dem Bett, rauschte Jenny herein und blieb wie angewurzelt stehen. Zum ersten Mal, seit er wieder da war, lachte er herzlich und meinte. „Komm ruhig herein, du hast doch sicher schon einen Mann in Unterhose gesehen und ich befürchte, es wird nicht das letzte Mal sein, wenn die Entwicklung so weiter geht. Jenny war früher seine erste heimliche Liebe gewesen, die er schmachtend angehimmelt hatte. Jenny war zierlich, hatte eine fantastische Figur und lange dunkelbraune wellige Haare, die ihr weit über die Schultern reichten. Sie hatte ein klassisch schönes Gesicht mit funkelnden hellbraunen Augen, in die er sich damals, als er sie zum ersten Mal sah, sofort verliebt hatte. Sie hatte seine Bewunderung natürlich bemerkt und war erschreckt zurückgezuckt, da sie Mario liebte und keine Komplikationen wollte. Mit der Zeit hatte er aber akzeptiert, dass sie Marios Freundin war und sie verband inzwischen eine herzliche Freundschaft, wie es sie zwischen Mann und Frau nur selten gab. Jenny war jetzt wie eine große Schwester für ihn, die er sich immer gewünscht hatte. Auch Mario hatte das inzwischen begriffen und seine Eifersucht abgelegt. Jetzt kam Jenny auf ihn zu und forderte ihn auf sich hinzustellen. Dann hielt sie probehalber mehrere Jeans an ihn und entschied sich dann für eine schwarze, schlichte Hose. Dazu wählte sie ein einfaches weißes Shirt mit einem roten Herz auf der Brust. Bereitwillig zog er sich an. Jenny wusste immer genau, was er in entsprechenden Situationen tragen musste, dass hatte er inzwischen begriffen und akzeptierte es widerspruchslos. Frauen haben einfach einen anderen Bezug zu einem Outfit als Männer, dachte er und besah sich im Spiegel. Wow, sie hat wieder mal recht, das ist genau das Richtige nach dem Konzert. Sie werden mich natürlich nach Alex fragen, aber ich werde mich in Schweigen hüllen, dass geht niemanden etwas an. Nicht mal Mario weiß von ihr, nur Rolf könnte sich eventuell etwas zusammenreimen. Wo ist der überhaupt? fragte er sich und sah Mario an. Der hatte sich in die Ecke zurückgezogen, denn er kannte seine Jenny. So zierlich und süß sie erschien, so energisch und energiegeladen war sie aber auch. Wenn sie agierte, dann stand man ihr besser nicht im Weg. Anerkennend musterte er seinen Freund, den er ob seiner musikalischen Fähigkeiten immer mehr bewunderte. Wer hätte das gedacht, dass Wolfi, er stutzte in Gedanken und verbesserte sich, dass Woga so gut werden würde. Der vorgestrige Abend war eine Sensation gewesen, Woga war jetzt ein Star. Was er ihm vorher gesagt hatte stimmte. Die ersten Songs waren bereits bei den Rundfunkanstalten. Rolf hat das alles zum Glück in der Hand. Rolf war der Manager. Er war inzwischen verdammt gut und würde für Woga und das ganze Team das Beste herausholen. Zum Glück hatte ihm Wolfgang schon vor einiger Zeit die Vollmacht erteilt, ihn zu managen und das tat er jetzt mit großem Erfolg. Das Konzert vor zwei Tagen, es waren wirklich schon zwei Tage vergangen. Den gestrigen Tag hatte Wolfgang wie in Trance verbracht, während er herumgewirbelt war und Kontakte klargemacht hatte. Auch das Konzert war nur durch Rolfs tatkräftige Wirken zustande gekommen. Jetzt rannten ihm diverse Veranstalter die Türen ein und wollten weitere Kontrakte und Konzerttermine. Den ganzen gestrigen Tag hatte er im Studio verbracht und die Produktion der CDs mit den sensationellen Songs überwacht. Einige hatte er für die Radiostationen freigegeben, darunter den Letzten, den Woga einfach „Alex" genannt hatte. Seitdem stand sein Telefon nicht mehr still. Alle Welt wollte von ihm wissen, wer Alex war, aber er wusste es nicht. Allerdings schwelte in seinem Gedächtnis ein Verdacht, aber darüber schwieg er aber natürlich und zuckte nur mit den Schultern, wenn er gefragt wurde. Jenny musterte Woga zufrieden und nickte. „OK, so kannst du gehen. Los Mario, schnappte ihn dir und bring ihn nach unten, bevor er wieder wegdämmert.“ Liebevoll strich sie ihm seine Haare zurecht und nahm so ihren Worten die Schärfe. „Deine Haare müssen wir auch mal wieder in Form bringen, aber für jetzt sind sie genau richtig.“ Sie zog sie hinten zusammen und machte ihm mit Hilfe eines Haargummis einen kleinen Zopf. Toll, dachte Mario, jetzt hat er einen richtig schmalen, edlen Kopf. Meine Jenny ist einfach ein Genie. Jetzt sieht er genau richtig aus. wie ein Künstler. Die Mädels werden ausflippen, wenn sie ihn so sehen. Schon auf dem Konzert sind einige hysterisch umgefallen und mussten versorgt werden. Nach dem letzten Song gab es fast ein Chaos mit scharenweise schluchzenden, fassungslosen Mädchen. Einer der Securities meinte später, so etwas habe er schon lange nicht mehr erlebt, nur bei einem Take That Konzert wäre es ähnlich, aber bei weitem nicht so schlimm gewesen. Mario lenkte Wolfgang zu Türe. „Auf, wir müssen los, die Pressekonferenz beginnt in fünf Minuten“, meinte Mario nervös. Wolfgang entwand sich ihm ruhig lächelnd. „Nun mal langsam. Die Konferenz beginnt, wenn ich da bin. Ich bestimme, wann es los geht. Die Journaille soll ruhig noch etwas warten. Wichtige Leute kommen immer zu spät. Einer meiner früheren Lehrer in der Schule hat mir mal klar gemacht, dass ein Lehrer nie zu spät kommen kann, da die Stunde erst beginnt, wenn er da ist, nicht vorher. Und ich muss sagen, er hatte recht und so will ich es jetzt auch halten. Die Konferenz beginnt, wenn ich da bin, nicht vorher.“ Jenny applaudierte begeistert und drückte ihm einen Kuss auf die Backe. Dann kuschelte sie sich an Mario und zeigte ihm den nach oben gerichteten Siegesdaumen.

Montag 30. Mai 2016

Als er den Konferenzraum betrat, wurde es ganz still. Plötzlich war seine Präsenz im ganzen Raum zu spüren, diese Aura, die ihn umgab, wenn er spielte und sang. Die Aura, die dann seine Zuhörer in ihren Bann schlug. Jetzt beherrschte er die Journalisten. Keiner wagte es, ihn in irgendeiner Form anzugreifen, was momentan auch niemand wollte. Alle waren begeistert und neugierig. Lächelnd nahm er das Mikrofon und schaute die vor ihm sitzenden an. Jede Angst oder Scheu war verschwunden, er war total locker und entspannt, bemerkte Mario wieder mal erstaunt. Wie macht er das nur? fragte er sich im Stillen. Ich würde mir vor Aufregung in die Hosen machen und er sitzt da, gelöst und vollkommen ruhig. Mit viel Charme und Witz beantwortete er die Fragen der Journalisten, nur zur Frage nach dieser geheimnisvollen Alex schüttelte er lächelnd den Kopf. „Warum ich diesen Song, der eigentlich nur mir gehört, gesungen habe, weiß ich nicht. Es ergab sich einfach aus der Situation. Ich bereue es nicht, aber ich möchte nicht weiter darüber sprechen, zu viel Schmerz ist für mich damit verbunden. Lassen sie es also bitte, wenn sie sich weiter mit mir unterhalten wollen", sagte er mit einem erzwungenen Lächeln und schwieg dann. Jenny, die mit Mario auf der Seite stand, sah ihren Freund fragend an, aber der schüttelte verneinend den Kopf. Auch er wusste nicht, wer Alex war. Der einzige, der es eventuell weiß ist Rolf und der schweigt wie ein Grab. Selbst mir hat er nichts gesagt, dachte Mario still für sich. Die Konferenz ging in einem Blitzlichtgewitter zu Ende und jetzt kam noch die Präsentation vor den Fans, die draußen schon ungeduldig warteten. Als Woga im ersten Stock auf den Balkon trat, ging ein Aufschrei durch die Menge, die Fans tobten begeistert. Woga sah Mario nur an und ging dann nach unten, mitten zwischen die Fans, die sich begeistert um ihn drängten, aber zum Erstaunen der Securities einen Abstand hielten. Niemand versuchte ihn zu berühren, es sei denn, er tat es selber. Wie viel begeistert weinende Mädchen er im Arm gehabt hatte, konnte er hinterher nicht sagen, aber es waren sehr viele gewesen. Unzählige Hände hatte er berührt. Langsam beruhigten sich die Securities, als sie merkten, dass ihm nichts geschah, ja die Menge hätte ihn vor jedem Angriff beschützt. Zwei Stunden später waren sie alle in seinem Hotelzimmer versammelt. Rolf war inzwischen gekommen und hatte den Freund lange umarmt. Dann berichtete er. „Als erstes, Junge du bist jetzt ein Star, alle wollen dich haben. In drei Wochen hast du ein zweites Konzert auf der Waldbühne mit Aufnahmen für eine weitere CD. Nächsten Samstag bist du abends zu der Musikshow „Ihre Hits“, eingeladen, du bist einer der Stargäste, Angelo und Claudine sind ebenfalls dabei.“ Angelo und Claudine waren zwei absolute Superstars, die bereits weltweit agierten und in den Charts vertreten waren. „Aus dem Mittschnitt von deinem letzten Konzert wird bereits eine CD gepresst. Du warst so sensationell gut, dass sie es so übernehmen können. Dein letzter Song, der von Alex steht bereits auf Platz eins der deutschen Charts, heute kommt er in England und USA heraus und ich vermute, dann bist du endgültig ein Weltstar. Vor allem die Amis stehen auf solche Lieder“, schloss Rolf seinen Bericht. „Ach ja, ich vergaß das Finanzielle. Du bist inzwischen fast schon Millionär und die Knete strömt nur so, du kannst uns jetzt alle bezahlen“, beendete er grinsend seine Ausführungen. Woga nahm ihn völlig ernst und nickte nur zustimmend. „Mit Geld bin ich ungeschickt, Jenny, du bist doch ein Finanzgenie, willst du meine Finanzmanagerin sein, du bist doch auch gelernte Steuerfachfrau. Bitte erbarme dich mir und sag ja", meinte er und sah sie bittend an. Jenny strahlte und nickte nach einem fragenden Blick zu Mario. „OK, super, ihr zwei teilt euch die Aufgaben auf. Rolf die Termine und sonstige Verhandlungen, Jenny ist Finanzministerin. Du Mario hast die Aufgabe, auf mich aufzupassen, dass ich keinen Scheiß baue. Du weißt, darin bin ich unschlagbar und du bist der Einzige, der dass verhindern kann. Du und deine Jenny", meinte er etwas kläglich und erntete herzliches Gelächter. Glücklich erkannte er, dass er zwischen Freunden stand, die für ihn da waren. „Jenny, sobald du meine, unsere, Finanzen überblickst. Ich will nicht dauernd im Hotel wohnen. Ich hätte gerne eine kleine Wohnung, am besten eine Dachwohnung hier in Berlin, am liebsten am Prenzlauer Berg. Wenn so etwas möglich ist, dann kauf sie, am besten sogar zwei nebeneinanderliegende, das wäre super. Aber keine Schulden machen, nur wenn es so möglich ist.“ Rolf begann zu lachen. „Hast du mir nicht zugehört? Du bist jetzt bereits fast Millionär und das Geld strömt munter weiter. Jenny komm nachher zu mir, ich übergebe dir die Finanzen. Ich bin froh, wenn ich sie los bin und ich glaube, Woga hat mit dir gut gewählt, ich bin sehr zufrieden. Wir vier werden ein super Team und wir werden die Szene aufmischen, jeder mit den Fähigkeiten die er hat. Woga, du kümmerst dich nur noch um deine Musik, Mario passt auf dich auf und wir zwei machen den Rest.“ Alle vier hatten sich an den Händen genommen und sahen sich nacheinander an, Woga rannen langsam die Tränen der Erleichterung über die Wangen, aber er schämte sich ihrer nicht. Allein saß er später am Fenster und starrte auf das vor Leben pulsierende Berlin, aber sein Blick war nach innen gerichtet. Er war wieder ein Junge, der im Heim wohnte. Als er 13 Jahre alt war, lernte er Mario und Jenny kennen. Mario war damals knapp 16 gewesen, Jenny ein Jahr jünger und er hatte sie sofort angehimmelt, was Mario überhaupt nicht gefiel, aber er mochte den kleinen Wolfi und sah darüber hinweg. Als ihm Jenny, die das natürlich bemerkte, dann klar machte, dass es sich hier um eine Kleinjungenschwärmerei handelte und sie Wolfi wie einen Bruder sah, war alles in Ordnung. In seiner Erinnerung musste er lächeln. Es hatte fast ein Jahr gedauert, bis er das erkannte und akzeptierte. Jenny war für ihn eine liebe Schwester, mehr nicht. Es hatte ihn viele schlaflose Nächte und Tränen gekostet, bis er es endgültig verstand, verinnerlichte und schweren Herzens akzeptierte. Zu der Zeit hatte er auch das wunderschöne Mädchen in dem Blumengeschäft gegenüber ihrem Fitnessstudio entdeckt und verliebte sich sofort in die blonde Schönheit. Sie mochte in seinem Alter sein, so um die 14, schlank, groß, schon jetzt eine super weibliche Figur, lange goldblonde Haar, große strahlend blaue Augen und ein wunderschönes, zartes Gesicht. Er war hin und weg. In dem Zeitraum erlosch sein männliches Interesse an Jenny endgültig. Er begann sie als Schwester anzusehen und sie spürte das sofort und war sichtlich erleichtert. Endlich konnte sie normal mit ihm umgehen und genoss das sehr, denn sie mochte ihn ebenfalls wie einen Bruder und als den nahm sie ihn jetzt an. Wieder purzelten seine Erinnerungen. Plötzlich stand die schöne Blonde mit den strahlend blauen Augen vor ihm und fragte ihn, warum er sie dauernd beobachten würde. Er hatte kein Wort herausgebracht, sie nur stammelnd angesehen und war knallrot geworden. Sie hatte ihn von oben bis unten gemustert, dann hatte sie gesagt, die Worte hallten noch in seinem Gedächtnis. „Ich finde dich nett. Wenn du wieder reden kannst, dann melde dich doch mal, ich heiße Alexandra, meine Freunde sagen Alex zu mir.“ Dann hatte sie sich umgedreht und war wieder in das Blumengeschäft gegangen. Zwei Wochen traute er sich nicht in das Blumengeschäft, aus Angst, das Mädchen könnte wieder auftauchen, was er sich eigentlich erträumte, andererseits aber schrecklich Angst davor hatte. In seinem Bauch zappelten die Schmetterlinge. Dann, nach drei Wochen fasste er sich ein Herz und ging in den Laden, aber Alex war nicht mehr da. Sie war mit ein paar Freunden abgereist, auf Tour gegangen. Die Blumenfrau, eine Tante der Angebeteten wusste nicht mehr. „Alex hat schon immer gemacht, was sie wollte, ich habe keine Ahnung wo sie hin ist. Ihr älterer Bruder ist bei ihr. Ihre Eltern sind beide Tot, der Bruder ist jetzt ihr Vormund und Freund.“ Mehr wusste sie nicht. Alle Nachforschungen waren vergeblich, Alex war verschwunden und er am Boden zerstört. Lange hatte er mit sich gehadert, sich einen elenden Feigling genannt, dann hatte er sich zu seiner Gitarre geflüchtet, die er vom Geld eines Ferienjobs gekauft hatte und begann Songs zu schreiben und komponieren. Wieder fand er sich allein im Hotelzimmer und nahm seine Gitarre. Mit geschlossenen Augen begann er zu spielen, der Liedtext entstand in Sekundenschnelle in seinem Kopf, die Musik drängte aus ihm heraus und überflutete ihn, es war wieder ein Song über seine geliebte Alex. Jenny, die leise hereingekommen war blieb wie gebannt stehen und lauschte fasziniert. Langsam begannen ihr Tränen über das Gesicht zu rinnen. Der Song war absolut fantastisch, die Melodie sensationell, ungeheuer einprägsam, der Text herzzerreißend und sehr gefühlvoll. Man konnte seine Liebe förmlich fühlen. Dann endete er mit einem fantastischen Flageolettlauf, wie sie ihn noch nie gehört hatte. Bewundernd beobachtete sie ihn. Wie er mit dieser speziellen 8 saitigen Gitarre umging, die er sich selber gebaut hatte und die nur er spielen konnte. Nach einiger Zeit bemerkte er sie und lächelte verlegen. „Hat es dir gefallen, oder ist es zu kitschig?“, wollte er wissen. „Du spinnst wohl", schimpfte sie empört. „Das war der absolute Hammer, noch viel besser als der Song vom letzten Konzert. Ich hoffe, du kannst ihn nochmal spielen. Er nickte lächelnd. „Du weißt doch, dass ich keinen Song, keine Melodie vergesse. Natürlich kann ich ihn wieder spielen", schmunzelte er und begann die Anfangsharmonien leise zu schlagen. Fasziniert beobachtete sie, wie er auf den beiden tiefen Saiten die Bassbegleitung erklingen ließ, dann kam der Begleitrhythmus dazu und am Schluss erklang auch noch die Melodie. Es war ihr schleierhaft, wie er das machte, aber er machte es, wie sie deutlich hören konnte. Es ist irre, wenn man bedenkt, dass er keine Noten kann und trotzdem stimmt jeder Ton. Ich verstehe es zwar nicht, aber er sagt, die Musik klingt in seinem Kopf, er hört sie und spielt sie einfach nach. Na ja, wie auch immer, es funktioniert perfekt, wie ich hören kann. Er hat den Song tatsächlich im Kopf, wir müssen ihn aufnehmen, dass gibt den nächsten Hit, dann können wir die Wohnungen kaufen, die ich im Sinn habe. Wer wohl diese Alex ist? Rolf weiß es wahrscheinlich, oder zumindestens ahnt er es, aber er lässt nichts raus, wenn ich ihn frage. Wenn er es dir sagen will, dann wird er es irgendwann tun, aber von mir erfährst du nichts, dass muss er selber entscheiden, hatte Rolf nur gemeint. Sie ging zu ihm und nahm ihn einfach in die Arme um seine Traurigkeit zu dämpfen. Sie wusste, dass er das genoss und brauchte, diese schwesterliche Umarmung und Nähe. Als Mario eintrat, winkte sie ihn sofort her und er nahm ihren Platz ein. Still lauschte er dem Song, den Ovaron nun ein drittes Mal perfekt spielte. Mario hatte vorher schnell das Aufnahmegerät eingeschaltet und sie versuchten, kein Geräusch zu machen um die Aufnahme nicht zu stören. Erst als er das Gerät wieder abschaltet, applaudierte er heftig. „Super, das ist great, dass müssen wir sofort auf den Markt bringen. Ist das für dich OK?“, er sah ihn fragend an. Woga nickte langsam. „Ich muss mich wohl daran gewöhnen, dass sich meine Kinder selbständig machen", nickte er zustimmend. Beide wussten, dass er jeden Song, jede Melodie, die er entwickelte als sein Kind betrachtete und es ihm teilweise schwerfiel, sie in die Öffentlichkeit zu entlassen. Für ihn war es anscheinend so, als wenn eine Mutter, oder ein Vater, sein Kind losließ, damit es weiterleben konnte. Als es klopfte zucken alle drei zusammen und erwachten aus der Verbundenheit in die sie das Lied versetzt hatte. Rolf kam herein und verbreitete sofort ein Klima der Geschäftigkeit. „Auf, ihr Faulbären, genug geträumt. Wir müssen zusammensitzen, es haben sich viele Dinge ereignet, die wir dringend besprechen müssen“, tönte er energiegeladen und sah grinsend in die gequälten Gesichter. „Ich kann es euch nicht ersparen, es muss einfach sein. Los Wolfi, ab unter die Dusche“, forderte er und störte sich nicht im geringsten an dem Zusammenzucken, das der Verwendung der verpönten Kosebezeichnung früherer Jahre folgte. Eine Stunde später saßen sie zusammen am Tisch und Rolf verkündete die nächsten Termine. „Heute Nachmittag sind wir im Studio und machen Aufnahmen der neuesten Songs. Das Album soll in den nächsten Tagen erscheinen. Wenn du die Wohnungen kaufen willst, die Jenny aufgetan hat, dann brauchen wir die Knete“, wiegelte er jeden Einwand ab. „Übermorgen Vormittag um 10 Uhr bist du bei Radio 3 zum Interview mit Musikvorstellung, anschließend kümmerst du dich um deine Fans, die mit Sicherheit zahlreich vor dem Gebäude warten werden. Ich habe mir überlegt, dass du 50 Fans zum nächsten Konzert einlädst, Jenny und Ich werden das managen, dass braucht dich nicht zu kümmern. Donnerstag 2. Juni, habe ich mit dem Wohnungsbesitzer einen Besichtigungstermin vereinbart, Jenny, du klärst das Finanzielle ab. Am Freitag Vormittag bist du in der Rundfunksendungsendung Stars und ihre Lieder beim Berliner Rundfunk Radio,1. Vorher werden Jenny und Mario interviewt, sie bringen dich als Überaschungsgast mit, die Moderatorin weiß davon nichts, es soll tatsächlich eine Überraschung sein, sie ist ein totaler Fan von dir, also, sei lieb zu ihr. Am 4. Juni, Samstagabend bist du in der Fernsehshow „Ihre Hits“, eine große Gala mit viel Prominenz, das brauchen wir wegen den Connections und um dich auch der restlichen Republik zu präsentieren. Wir brauchen ein Gesicht zu deinen Hits. Die weiteren Termine gebe ich später bekannt, konzentrier dich jetzt erst mal auf heute und Morgen.“ Rolf lehnte sich zurück und sah Woga Beifall heischend an. Woga lehnte sich aufseufzend zurück und nickte zustimmend. „Ich habe zu dem Theater zwar überhaupt keine Lust, aber ich sehe ein, dass es sein muss", meinte er gequält. „Wenn doch nur meine Muse da wäre, dann wäre alles viel leichter", er senkte missmutig den Kopf, schüttelte sich und gab sich dann einen Ruck. „Na gut, packen wir‘s an, es muss ja sein", sagte er und stand auf. Langsam kehrte seine Energie zurück und sie registrierten erleichtert, dass er sich gefangen hatte.

Freitagvormittag Studio Radio 1

Jenny und Mario wurden von der Moderatorin freundlich begrüßt und vorgestellt. „Das sind also die beiden Glücklichen, die ganz eng mit Ovaron zusammen sein dürfen. Du Jenny, bist die Finanzmanagerin und passt auf, dass das Geld immer reicht und du Mario, was ist eigentlich deine Aufgabe?“ Fragend sah sie Mario an. Der lachte amüsiert. „Genau genommen passe ich auf, dass Ovaron keinen Unsinn macht und an seinen Songs arbeitet. Ich bin Aufpasser, Betreuer, Beichtvater, Seelenpfleger und vor allem, dass ist das wichtigste, sein Freund, mit dem er immer reden kann. Er und ich, wir kennen uns schon sehr lange und er vertraut mir“, beendete Mario seine Ausführung. Aber bevor wir weitersprechen, wir haben noch einen Freund mitgebracht, dürfen wir ihn hereinholen?“ Verwirrt schaute Susanne, die Moderatorin ihn an. „Tja, ich weiß nicht so recht", fragend sah sie zum Regiefenster und der Chefredakteur gab das Daumen nach oben Zeichen. „Na gut", sagte sie. Man gibt mir ein zustimmendes Zeichen, wer ist es denn?“, wollte sie wissen, aber Mario war schon aufgestanden und auf dem Weg zur Türe, die sich jetzt öffnete, Eine Gestalt mit übergezogener Kapuze trat zu ihm und folgte ihm zu Susanne, die zu erkennen versuchte, wer der Unbekannte war. Dann nahm Ovaron seine Kapuze herunter und sie stieß einen freudigen Schrei aus, „Meine lieben Zuhörer, soeben hat Ovaron mein Studio betreten und ihr müsst mich einen Moment entschuldigen, aber dass muss ich ausnutzen", rief sie ins Mikrofon und sprang auf. Mario setzte sich grinsend ans Mikro und berichtete das Geschehen. „Hallo Freunde, ich bin Mario. Susanne ist gerade damit beschäftigt, Ovaron zu umarmen und so wie es aussieht auch zu küssen. Natürlich nur auf die Backe und ich habe den Eindruck Ovaron wehrt sich nicht sehr, sondern scheint es sogar zu genießen. So, jetzt muss ich aufhören, sie kommt zurück und strahlt richtig“. Grinsend ließ er sich vom Mikrofon verdrängen. „Das hat jetzt sein müssen, diese Gelegenheit konnte ich mir nicht entgehen lassen, meine lieben Freunde zuhause. Ich habe Ovaron umarmt und er hat mich geküsst. Na Mario, hast du alles richtig geschildert? Ich hoffe liebe Zuhörer, er hat nicht zu sehr übertrieben" meinte sie lachend. „Nun, diese Überraschung ist euch wirklich gelungen und wie ich es sehe, haben die grinsenden Kollegen da draußen genau gewusst, wer als Überaschungsgast kommt, das werde ich ihnen noch heimzahlen. Jetzt aber zu dir Ovaron, ich darf doch du sagen?“ Sie strahlte ihn an, als er lächelnd nickte Eine Weile ging ein munteres Geplaudere los, dann kam Susanne unweigerlich auf den Liebessong zu sprechen. „Ich weiß, ich darf dich nicht fragen, wer Alex ist, aber ich würde mich unheimlich freuen, wenn du den Song heute, hier und jetzt, nochmal für mich und meine Zuhörer Zuhause, spielen würdest.“ „Liebe Zuhörer, ihr könnt leider nicht sehen, wie sie ihn anschmachtet“, meinte Mario grinsend ins Mikrofon. Dann war wieder Ovaron zu hören. „Zufällig hat mein lieber Freund hier meine Gitarre mitgeschleppt und mir ist jetzt auch klar geworden, warum. Susanne, du bist nicht die Einzige, der man einiges verschwiegen hat. Eigentlich müsste ich sauer sein, aber ich hatte heute Morgen zusammen mit Jenny eine schwere Session. Es gibt seit heute Morgen einen neuen Love Song, nicht wahr Jenny?“ Susanne mischte sich ein. „Tja liebe Zuhörer, ihr könnt leider die begeistert strahlende Jenny nicht sehen. Ich vermute und hoffe, dass du uns jetzt diesen neuen Song vorspielt und singst? Also, er hat genickt und überprüft seine Gitarre, die ich zum ersten Mal aus der Nähe sehen darf. Sie hat tatsächlich 8 Saiten und ist anscheinend eine Kombination aus Bass und Schlaggitarre. Stimmt das?“, fragte sie ihn und Ovaron bestätigte es lächelnd. Sie macht es unheimlich geschickt, dachte er bei sich, sie entlockt mir so ganz nebenbei die Informationen, sie ist eben ein Profi. Dann begann er Akkorde zu spielen und der Sound der Gitarre wurde immer voller, aber nicht lauter. Ovaron spürte, wie das Lied an die Oberfläche drängte, ließ es zu und begann leise zu singen. Jenny hörte ihm gebannt zu und bemerkte erstaunt, dass tatsächlich jeder Ton genau wie heute Morgen klang, bei dem traurigen und sehnsuchtsvollen Text kamen ihr wieder die Tränen, auch wenn gegen Ende Hoffnung mitklang, Hoffnung auf ein Wiedersehen. Er spielte und streichelte seine Gitarre förmlich und entlockte ihr fantastische Akkorde und Klangfolgen. Als der letzte Flageoletton verklang war es im Studio mucksmäuschenstill. Alle lauschten dem Lied nach, dann begannen die Leute im und vor dem Studio zu klatschen. Susanne räusperte sich mehrmals. „Entschuldigt, liebe Freunde draußen, aber ich muss mich erst mal wieder fassen. Ich habe geheult wie ein Schlosshund Drei Taschentücher habe ich gebraucht, um mich wieder trocken zu legen. Ovaron, das war das schönste und ergreifendste Lied, dass ich je gehört habe und ich habe schon viele Songs gehört. Woher nimmst du diese Texte und Melodien? Du hast vorher gesagt, du hättest das Lied heute Morgen entwickelt. Jenny, du warst dabei, wie war das?“ Jenny sah Woga fragend an und der nickte zustimmend. „Man kann es in der Tat als eine Art Zwang beschreiben, denn der Song wollte aus ihn heraus, wie ein Kind aus dem Mutterleib. Ich hatte den Eindruck, dass er sich dagegen nicht wehren konnte, es musste einfach geschehen und ich bin unheimlich stolz, dass ich dabei sein durfte. Ich glaube meine Anwesenheit hat dir geholfen, stimmts?“ Ovaron nickte und brummte zustimmend, als ihm klar wurde, dass die Zuhörer draußen ihn ja nicht sehen konnten. „Um eines klar zu stellen, Ovaron ist mein Freund und Mario mein Geliebter. Ovaron ist einer der wenigen Männer, mit dem man als Frau befreundet sein kann, ohne dass Sex oder Liebe im Spiel sind", erläuterte Jenny sachlich. Gegen Alex hat sowieso, keine Frau eine Chance. Aber bevor du mich fragst, ich kenne sie nicht und bin sehr gespannt, ob ich sie einmal kennen lernen darf. Alex, wenn du da draußen bist dann komm zu uns, Ovaron leider so sehr", schloss sie und zupfte sich eine Träne aus den Augenwinkeln. Eine Weile herrschte Stille im Studio, dann übernahm Susanne wieder die Regie und plauderte munter weiter. Zukunftspläne und Konzerttermine wurden besprochene, dann reagierte Susanne auf ein Zeichen von draußen. „Ovaron, mir wird gerade mitgeteilt, dass dein neuer Song aufgezeichnet wurde und ich soll dich fragen, ob wir ihn spielen und weitergeben dürfen“, fragte sie ihn lächelnd. Ovaron begann zu grinsen. „Was würde denn passieren, wenn ich jetzt nein sage?“ wollte er wissen. Susanne sah ihn ernst an. „Ich denke, dann würde er gelöscht werden, dafür würde ich persönlich sorgen", meinte sie einfach. Ovaron nickte beeindruckt. „OK, ihr dürft ihn spielen und auch weitergeben, aber nicht verkaufen, dieser Song ist für alle meine Fans und vor allem für Alex, falls sie ihn hört“, meinte er sehr ernst und leise.Später im Hotel.Als sie mittags in der Suite saßen, hörten sie den Alex Song, wie er inzwischen hieß mindestens zum vierten oder fünften Mal. Praktisch jede Radiostation sendete den Song immer wieder. Am Abend war er bereits auf Platz eins der Sendercharts und würde sicher bald auch Platz eins in den echten Charts einnehmen. Wieder kahm der Song und Jenny kuschelte sich verliebt an Mario. „Ich kenne ja diese Alex nicht, aber wenn sie dieses Lied hört und sich nicht bei dir meldet, dann hat sie kein Herz“, meinte sie fast zornig. Woga sah sie unendlich traurig an, dann wandte er sich seiner Gitarre zu und begann zu klimpern. Jenny sah ihn betroffen an und musste sich zwingen, dass sie nicht laut losheulte, während sie die über der Gitarre zusammengesunken Gestalt musterte. Dann horchte sie auf, er begann richtig zu spielen und zwar eine Melodie, die sie noch nie gehört hatte, eine wunderschöne, einprägsame und doch auch fröhliche Melodie, die er jetzt weiter ausbaute und eine Bassbegleitung hinzufügte, der bald noch Rhythmusakkorde folgten. Er spielte jetzt seine volle Bandbreite aus, sie hatte wieder mal den Eindruck, drei Gitarren würden spielen. Er wiederholte das Stück mehrmals, änderte und verbesserte einige Stellen, dann war es perfekt und das Paar spendete begeistert Beifall. Sie hatten soeben die Geburt eines neuen Hits erlebt. Ovaron saß mit geschlossenen Augen da und die beiden wussten, dass er jetzt nach einem Text suchte. „Helft mir, mir fällt gerade nichts ein, ich brauche einen ernsten Text mit lustigen Stellen und happy end.“ Jenny und Mario, die schon bei so manchem Text mitgearbeitet hatten, nickten. „Wenn uns etwas einfällt, dann melden wir uns", meinte Mario, „aber wir sollten jetzt deinen Auftritt in der Fernsehshow „Ihre Hits" planen und absprechen. Du must dir darüber im Klaren sein, dass sie vor allem etwas über Alex herauskriegen wollen, du musst dir also ein Statement zurechtlegen und dir überlegen, was und wievielte du sagen willst. Du musst auch mindestens zwei Songs spielen, bei der Gage die du kriegst, ist dass das mindeste was man von dir erwarten kann. Super wäre es natürlich, wenn du diesen neuen Song spielen würdest, der ist sensationell. Damit würdest du alle an die Wand spielen und die blöden Kritiker wären endlich ruhig. Mir ist soeben ein Textthema für den neuen Song eingefallen. Sowas wie der Schimmelreiter, aber natürlich in moderner Fassung. Vater, Kind, Geliebte Frau und ein Motorrad und Jagt wegen Krankheit oder Verletzung.“, er sah Jenny an, die den Kopf schüttelte. „Keine Krankheit. Geburt mit Happy End, das gibt das Fröhliche und Lustige. Der Bruder kriegt ein Schwesterchen und ist glücklich.“ Woga sah die beiden sinnend an, in seinem Kopf formte sich bereits der Text. Jenny und Mario kannten ihn schon lange und wussten, dass er im Geist am Texten war. Dann begann er zu strahlen, nahm sie nacheinander in den Arm. „Wenn ich euch nicht hätte, super eure Idee, ich habe den Liedtext bereits fertig. Wollt ihr es hören?“, fragte er zufrieden grinsend und griff zur Gitarre, denn die Frage war rein rhetorisch gewesen, natürlich wollten sie. Beide waren begeistert. „Super, das spielst du am Samstag, dann zahlen sie dir deine Gage gerne. Übrigens können wir dann auch die beiden Wohnungen kaufen, die dir gestern so gut gefallen haben, die beiden Maisonettwohnungen am Prenzlauer Berg" meinte Jenny strahlend und registrierte zum ersten Mal seit langem ein fröhliches Gesicht bei Woga. Den restlichen Tag verbrachte er in tiefer Versunkenheit. Selbst Jenny wusste nicht wo er mit seinen Gedanken herumkreiste, nur dass er sehr weit weg war, das spürte sie.

4. Juni 2016 Fernsehstudio Berliner Rundfunk

Samstag Abend. Woga betrat das Studio und wurde sofort weiter gereicht. Jenny nahm ihn lachend am Arm und zog ihn mit. Komm, du hast eine eigene Garderobe wir müssen dich noch für die Aufnahmen zurecht machen. Seinen Protest erstickte sie im Ansatz und wandte sich fragend an ihn. „Was ist denn mit dir? Schon den ganzen Mittag bist du so eigenartig, hast du irgend etwas? Ist dir nicht gut? Was ist denn los, ich mache mir, langsam Sorgen." Sie sah ihn besorgt, fast ängstlich an. Woga schüttelte sich und sah sich dann erstaunt um. „Wo bin ich hier? Was tun wir hier?“, wollte er dann irritiert wissen. „Wir sind im Studio des Berliner Rundfunks, du nimmst jetzt an einer Galaveranstaltung als einer der Ehrengäste Teil. Du wirst dein neues Lied spielen und einige Fragen beantworten, das haben wir doch genau besprochen, erinnerst du dich denn nicht daran? Langsam sickerte es in sein Bewusstsein und die Erinnerungen waren wieder präsent. Entschuldigend lächelnd sah er sie an, umarmte sie dann spontan und drückte Marios Hand. Jetzt gehen wir in deine Garderobe und du wirst für die Kamera fit gemacht. Komm jetzt, stell dich nicht so an. Ich habe schon gemerkt, dass du irgendwo anders warst und anscheinend jetzt vollkommen überrascht bist. Vertrau mir einfach, ich passe auf dich auf und Mario ist ja auch noch da.“ Woga hatte seinen Widerstand aufgegeben und erinnerte sich tröpfchenweise wieder. Langsam ordneten sich seine Gedanken. Das Treffen mit Alex gerade war nur ein Traum gewesen, auch wenn er es so wirklichkeitsnah erlebt hatte, dass es ihm schwerfiel, es als Traum abzulegen, es war leider nicht real. Langsam fand er sich wieder in der Realität und folgte willig den Anweisungen der Maskenbildnerin, die ihn vorsichtig schminkte und für die Kamera tauglich machte. Im Studio wurde er herzlich begrüßt und saß dann zwischen Claudine, einer Schauspielerin, die er schon im Film gesehen hatte, Angelo, einem Sänger der seit Jahren in den oberen Rängen der Charts zu finden war und einer weiteren Sängerin, die er nicht kannte, die ihn aber anhimmelte. Von den beiden Moderatoren kannte er auch nur die Frau. Eine sehr beliebte Moderatorin, die ihm auf Anhieb gefiel. Den Mann sortierte er als Schwätzer schnell aus, vor allem als er merkte, dass sie sich offenbar um die männlichen Gäste und er um die weiblichen kümmerte, was ihm gerade recht war. Als Sonja, so hieß die Moderatorin, zu ihm kam, war er wieder voll da und lächelte sie mit diesem Lächeln an, dass Frauen dahinschmelzen ließ, wie Jenny einmal treffend bemerkt hatte. Nach einigem Geplaudere, sie hatte nichts Wesentliches aus ihm herausbekommen und musste zugeben, dass er ebenfalls ein Profi war, stand er auf und ging zusammen mit ihr zum Mikrofon auf der kleinen Bühne. Dort wartete an einen Stuhl gelehnt seine inzwischen berühmte Gitarre. „Das Lied, dass ich jetzt gerne hören würde, wirst du sicher nicht spielen", sagte sie mit einem betörenden Lächeln. „Aber Jenny hat mir eine Überraschung versprochen und so bin ich jetzt sehr gespannt.“ „Welchen Song willst du denn zuerst hören, der Zweite ist dann die Überraschung", fragte er mit einem leisen Lächeln. Sie ist wirklich eine verdammt schöne und anscheinend liebe Frau. Das sie schon über 40 ist und zwei Kinder hat, sieht man ihr wirklich nicht an, dachte er, während er auf ihren Wunsch wartete. Ihm war klar, welcher Wunsch das sein würde und er war bereit, das Lied für sie zu spielen und würde ihr das auch sagen. Sonja sah ihn bittend an und er begann zu grinsen. „OK, aber nur für dich" meinte er leise und sah ihr in die Augen. Schöne grüne Augen hat sie, dachte er noch, dann griff er zur Gitarre und die Welt um ihn herum versank als er die ersten Akkorde griff. Dann erfüllte der typische Ovaronsound die Halle und die Mädchen begannen zu kreischen, als der Love Song erklang. Die ganze Zeit über sah er Sonja an, der langsam die Tränen herunterliefen. Als der letzte Flageoletton verklang, war es totenstill im Saal, dann begannen die Zuschauer begeistert zu applaudieren. Sonja stand vor ihm und umarmte ihn einfach. „Danke, dass war wunderschön, vielen Dank. Nur wenige hatten mitgekriegt, dass er nicht für Alex, sondern für Sonja gesungen hatte und an der einzigen Stelle, an der ein Name auftauchte, ihren Namen genannt hatte. Das Lied hatte auch nicht so traurig, sondern fast heiter geklungen. Es war praktisch ein neues Lied gewesen. Sonja hatte es wohl verstanden und war entsprechend gerührt. Eine Stunde später stand er wieder auf der kleinen Bühne und stimmte den neuen Song an. Die Tonfolgen sprudelten und perlten nur so aus ihm heraus, während er mit den Zuhörern sprach. „Diesen Song spiele ich heute zum ersten Mal öffentlich, es ist also, eine Premiere“, sagte er, während er leise die Anfangsmelodie spielte. Dann versank wieder seine Welt und er legte mit seinem ganzen Können los. Der Saal stand Kopf, die Fans waren aufgesprungen und tanzten begeistert zu den ansteckenden Rhythmen und dem wummernden Bass. Auch hier wurde das Ende durch einen Flageolettlauf angekündigt und die Fans kreischten. Sonja war restlos begeistert. Ovaron hatte ihrer Show die Krone aufgesetzt und das wusste sie, es war jetzt ihre Show. Der zu Beginn dramatische, später fröhliche Text mit dem Happy End der gesunden Geburt setzte eine völlig neue Note. Ovaron war anscheinend von der Melancholie seiner früheren Texte abgewichen, eine neue Richtung deutete sich an.

Eine Woche später Samstag Abend in der Hotelsuite.

Ovaron saß zusammengekuschelt in dem wuchtigen Sessel, seinem liebsten Aufenthaltsort hier im Hotel und war gedanklich wieder einmal in der Vergangenheit versunken.

Erneut zogen in seiner Erinnerung die Bilder von Alex an ihm vorbei, einer Alex, wie sie heute sicher nicht mehr aussah. Sie musste inzwischen eine junge Frau sein, nicht dass schöne Mädchen aus seiner Erinnerung. Als er sie nicht mehr gefunden hatte, war er am Boden zerstört gewesen. Nicht einmal Jenny, sein ehemaliger Traum, konnte ihn aufheitern, ihn aus seinem zerstörerischen Leiden herausreißen. Tage später war er durch die Straßen Neu Kölns gelaufen, die Umgebung hatte er ,kaum wahrgenommen, den türkischen Gemüseladen, die vielen kleinen, teils exotischen Lädchen, bis er plötzlich vor einem Laden stehen blieb und die verschiedenen Musikinstrumente anstarrte. Seine alte Gitarre fiel ihm wieder ein, die irgendwo im Heim herumlag. Er hatte sie schon lange nicht mehr in der Hand gehabt. Langsam, wie in Trance betrat er den Laden. Der alte Mann hinter dem Ladentisch sah ihn an, nickte dann, reichte ihm schweigend die Hand und nahm ihn mit nach hinten in seine Werkstatt. Wie im Traum blieb er stehen und sah sich gebannt um. An der einen Wand hingen die unterschiedlichsten Instrumente. Sie hatten nur eines gemeinsam, es waren alles Saiteninstrumente. Er erkannte Geigen in unterschiedlichen Größen, mehrere Leiern und verschiedene Gitarren, eine Ukulele, Banjos und sogar eine Gambe. Es hingen auch Instrumente da, wie er sie noch nie gesehen hatte. Es roch intensiv nach Holz, Leim und verschiedenen Ölen. An der Stirnwand, am Fenster war eine große Werkbank auf der eine Gitarre im Rohzustand lag, an der der alte Instrumentenbauer wohl gerade arbeitete. Links von ihm stand ein großes Regal, in dem sich die unterschiedlichsten Werkzeuge befanden. Auch hier gab es Werkzeuge die er noch nie gesehen hatte und deren Verwendungszweck ihm unbekannt war. Der alte Holzdielenboden knarrte, als er zur Werkbank ging und die Gitarre betrachtete, die dort entstand. Als er den Alten fragend angesehen hatte, lächelte der nur und meinte. „Geh zu ihr, Sie wartet schon auf dich, sie wartet schon seit mehreren Wochen, baue sie fertig, es ist deine Bestimmung. Du darfst immer kommen, wenn du Zeit hast, aber lass sie nicht zu lange warten.“ Er hatte ungläubig genickt und war dann fast kopflos hinausgestürmt. Den ganzen Abend im Heim sah er nur seine Gitarre in seinem inneren Bild vor sich. Die Nacht verbrachte er schlaflos und plante im Geist die Gitarre. Er wollte sie anders bauen, nicht 6 Saiten, sondern 8 Saiten sollte sie haben. Zwei Basssaiten wollte er mit einfügen. Die gleiche Gitarre wollte er nochmal als E-Gitarre bauen, dann würden die Basssaiten noch besser zur Geltung kommen. In seinen Gedanken waren beide Gitarren schon fertig und er überlegte sich, wie er die Saitenstimmung wählen sollte. Er musste sicher von der Standartstimmung einer Gitarre abweichen. Monate vergingen, jede freie Minute verbrachte er in der kleinen Werkstatt, die langsam zu seinem Zuhause wurde. Jenny, Mario und Rolf hatte er oft mitgebracht und sie staunten alle über seine handwerklichen Fähigkeiten, die er sich unter der Anleitung von Samos, dem alten Instrumentenbauer angeeignet hatte. Oft saßen sie zu fünft in der kleinen Küche neben der Werkstatt und kochten gemeinsam. Sein Leben spielte sich momentan zwischen Heim, Fitness Studio und Werkstatt, ab.

Zwei Jahre später, Juni 2010

Er war inzwischen 16 Jahre alt und vom Heim in eine WG zusammen mit Mario, Jenny und Rolf gezogen. Rolf war bis zu seiner Volljährigkeit sein Vormund und so hatte er dem Heim aufatmend den Rücken gekehrt, obwohl die letzten beiden Jahre erträglich gewesen waren. Dank des Studios und der Verteidigungskampfsportart, die er lernte, wurde er von den Heimbewohnern respektiert und teilweise gefürchtet, nachdem er mehrere Quälgeister ordentlich verprügelt hatte. Ruckartig schreckte er aus seinen Erinnerungen hoch, als Jenny ins Zimmer platzte. „Entschuldigung, habe ich dich gestört?“, fragte sie leicht erschrocken, als sie seinen verwirrten Zustand bemerkte. Verdattert sah er sie an, dann schüttelte er lächelnd den Kopf. „Nein, ist schon OK, ich war nur in Gedanken, ich habe mich wieder an Samos erinnert und an die schöne Zeit in seiner Werkstatt“, meinte er und lächelte, immer noch in der Erinnerung gefangen. „Ich habe an meine erste selbstgebaute Gitarre gedacht. Wo sie wohl sein mag, ich kann mich nicht daran erinnern. Ich erinnere mich nur an die vielen Hinterhofsessions. Wo ich langsam das richtige Spielen gelernt habe. Mario, der hereingekommen war und sich zu Jenny gesetzt hatte, lächelte und nickte. „Das waren schöne Zeiten“, seufzte er und versank ebenfalls in Erinnerungen. Er sah den etwa 14-jährigen Wolff vor sich, wie er mir ungeheurer Energie seine alte Gitarre bearbeitete. Die Ausdauer war wirklich zu bewundern gewesen, aber er wusste, dass ein innerer Schmerz ihn trieb und vorwärts peitschte. „Komm, du hast für heute genug geübt, lass uns ins Studio gehen und ein bisschen trainieren, auch dein Körper braucht wieder Bewegung und Übung." Er sah den unwilligen, trotzigen Gesichtsausdruck noch deutlich vor sich, als er den Widerstrebenden hochgezogen hatte. „Heute Abend gehen wir in den Hof hinter dem Studio, dort soll eine Session stattfinden, sofern das Wetter sich hält. Dort kannst du vor Leuten spielen“, lockte er ihn, denn er wusste, dass der Junge gerne vor Publikum spielte. Seine Stimme hatte inzwischen den Stimmbruch überstanden und war klar, tief und volltönend. Er sang hervorragend und Ihm war es schleierhaft, woher er die tollen Texte hatte, die er zum immer besser werdenden Spiel seiner Gitarre sang. Bei dem alten Instrumentenbauer fühlte er sich wohl und baute dort unter dessen Anleitung weiter an seiner ganz speziellen Gitarre, einem Instrument mit 8 Saiten. Er saß oft mit Jenny und den beiden in der Küche hinter der Werkstatt und sie lauschten erstaunt den Plänen des Jungen. Jenny hatte ihm gesagt, dass hinter dem ganzen Wirbel, den der Bursche erzeugte, ein Mädchen stehen musste. Ein Mädchen, dass ihn offenbar verlassen, oder verschmäht hatte. Er hatte nur ungläubig den Kopf geschüttelt, denn Woga entwickelte sich immer mehr zu einem wirklich gutaussehenden jungen Mann, der durch sein Training im Studio einen ansehnlichen, sportlich durchtrainierten Körper besaß. Wenn sie abends irgendwo saßen und er spielte, dann himmelten ihn immer mehr Mädchen begeistert an, aber in seinem Kopf gab es anscheinend nur die Eine, die er offensichtlich nicht haben konnte. Mario schreckte aus seinen Erinnerungen hoch. Der Junge mit dem wilden Blick war verschwunden und Ovaron mit seinen halblangen dunkelbraunen Haaren und den leuchtenden, je nach Licht dunkelbraunen bis schwarzen Augen, sah ihn forschend an. „Dich überwältigen anscheinend ebenfalls die Erinnerungen an früher", sagte er lächelnd zu seinem Freund, der Jenny liebevoll in seine Arme gezogen hatte.

---ENDE DER LESEPROBE---