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Gerade hat sich die Aufregung um den Tod des alten Pfarrers gelegt, da erschüttert ein neuer Todesfall die Menschen in Taldorf. Ein Landwirt wird von seinem eigenen Traktor überrollt. Was erst wie ein Unfall aussieht, erweist sich schnell als eiskalter Mord. Für zusätzliche Unruhe sorgen die Gerüchte um ein neues Baugebiet im Dorf. Erneut gehen Walter und seine Freunde auf Mörderjagd. Die Abende genießen sie bei reichlich Bier, Schnaps aus Sprudelgläsern und riesigen Vespertellern am Stammtisch bei der Goschamarie. Dort wird gefeiert, diskutiert und gelacht. Ein amüsanter Dorfkrimi mit neuen Geschichten von der Goschamarie.
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Seitenzahl: 504
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Goschamarie
Bauernsterben
Der zweite Taldorf-Krimi
Impressum
Texte: © Copyright by Stefan Mitrenga 2019Umschlaggestaltung: © Copyright by Stefan Mitrenga 2019Korrektur: Claudia Kufeld, Kierspe
Verlag:Stefan MitrengaBodenseestraße 1488213 [email protected]
Vorwort
Taldorf. Ein Ort wie viele andere in Oberschwaben - hätte es da nicht diese legendäre Wirtschaft gegeben. Der Gasthof „Zur Traube“ befand sich im sogenannten Hinterdorf und ist bis heute über zwanzig Jahre nach seiner Schließung weit über die Landkreisgrenzen hinaus bekannt. Doch nicht als Gasthof „Zur Traube“ sondern als Goschamarie. Berühmt für riesige Vesperteller und die einzigartige Wirtin, lockte das Lokal Gäste aus dem ganzen Umkreis an.Taldorf, einst Sommersitz der Weißenauer Mönche, wurde durch die Goschamarie zum Inbegriff für urige Geselligkeit.
Die Wirtschaft ist leider schon lange geschlossen, doch die Geschichten kursieren bis heute. Jeder, der dort war, hat seine eigenen Erinnerungen, von denen am Stammtisch bei einem kühlen Bier immer wieder gern erzählt wird.
Mein erster Taldorf-Krimi „Goschamarie – Alte Geschichten-neue Freunde“ hat die Legende „Goschamarie“ in die heutige Zeit mitgenommen.Kaum ein Tag vergeht, an dem Walter und seine Freunde nicht auf ein Bier vorbeischauen. Es wird gefestet, gegessen, getrunken, gelacht und gestritten – so wie es bei der Goschamarie schon immer war. Für das Rauchverbot interessiert sich niemand und bezahlt wird bar – wenn auch mittlerweile in Euro. Doch auch in dieser Idylle passieren schlimme Dinge.Im ersten Band hatte die kleine Gemeinde den Tod des alten Pfarrers zu verkraften. Walter und seine Freunde von der Polizei konnten den Fall gemeinsam aufklären. Ein neuer Todesfall stellt die Freunde diesmal vor eine schier unlösbare Aufgabe, während Marie ihre Liebe zur vegetarischen Küche entdeckt.
Also: kommt wieder mit! Es ist Zeit zum Einkehren!Marie winkt euch schon zu: „Kommet rei – i hon eich a Plätzle!“
Die nachfolgende Geschichte ist frei erfunden, auch die Personen und ihre Handlungen. Eventuelle Ähnlichkeiten zu lebenden Personen sind rein zufällig.
Vorspiel
Das kleine Haus am Waldrand stand so versteckt, dass die meisten Oberzeller es gar nicht kannten. In den 1920er Jahren als Alterswohnsitz eines Bauernehepaares erbaut, hatte es auf zwei Stockwerken verteilt Stube, Küche, Schlafzimmer und Haushaltsraum. Der weitläufige Garten bot genügend Fläche zur Selbstversorgung, doch Kartoffeln, Zwiebeln und Salat waren längst einigen dekorativen Rosenbüschen und einer kleinen Rasenfläche gewichen.Es war warm und ein kürzlich abgegangener Regenschauer sorgte für klebrige Schwüle. Das Schlafzimmerfenster des Hauses war weit geöffnet, so dass jeder die eindeutigen Geräusche hätte hören können. Doch niemand war da.Das rhythmische Aufeinanderprallen verschwitzter Körper wurde schneller und härter, begleitet von lustvollen Rufen und ungehemmtem Stöhnen. Dann Stille.„Du machst mich fertig, weißt du das?“„Natürlich. Ich wollte mein Bestes geben.“ Ein Schmunzeln.„Das hast du. Wirklich. Ich kann kaum glauben, wie stark du geworden bist.“„Das ganze Training muss sich ja auch irgendwann bemerkbar machen, aber ich denke, es ist jetzt genug. Ich bin bereit.“„Bist du ganz sicher? Wenn du nur an einem einzigen Punkt scheiterst, wird dein Plan nicht funktionieren.“„Ich bin bereit. Ganz sicher. Die Zeit ist reif.“
„Nun gut, es ist deine Entscheidung. Wann beginnt`s?“ Beide schwiegen, während sie nackt auf dem Bett lagen.„Es hat vor über fünfundzwanzig Jahren begonnen … es beginnt nicht … es endet! Endlich werden die, die mir das alles angetan haben, dafür bezahlen. Die haben es wahrscheinlich längst vergessen, aber mich quält es bis heute. Und schau mich an! Was ist aus mir geworden? Sie leben ihre spießigen kleinen Leben mit ihren Vorzeigefamilien und sind überall gern gesehen. Es hat ihnen nie etwas ausgemacht. Ich hingegen kämpfe mit mir selbst und dem, was sie mir angetan haben … mit dieser ekelhaften Seuche.“ Er verzog angewidert das Gesicht, als wollte er in die Ecke spucken.„Du weißt, dass Homosexualität keine Krankheit ist?“„Bei mir ist es eine. Ich bin nicht schwul. Die haben mich dazu gemacht. Ich hatte keine Wahl.“„Man hat immer eine Wahl. Und du scheinst immer noch auf mich zu stehen“, sagte der Ältere mit einem süffisanten Grinsen und deutete nach unten. „Da regt sich ja schon wieder was unter der Decke …“„Hmmm …. dann gehen wir mal in die zweite Runde …“„Vergiss es. Du hattest deinen Spaß. Jetzt bin ich dran.“Die beiden Männer tauschten die Positionen und ihr Liebesspiel begann von Neuem. Leidenschaftlich und hart, konzentriert auf den Gewinn maximaler Lust. Wieder hallten ihre Laute ungedämpft in den nahen Wald ohne gehört zu werden. Endlich kam lautstark der Höhepunkt und es folgte eine fast unnatürliche Stille.„Wer ist der Erste?“, fragte der Ältere.„Der Frosch. Er war damals der Erste, er wird jetzt der Erste sein.“
1
Ronronronron„Oh. Hmmm…“Ronronronronronron„Komm schon …“Ronronronronronronronronronron„Ja Scheißndreckn! Jetzt mach schon!“Ronronron„Scheiße!“Ronroronron„Scheiße! Shit!“Ronronrooooooon„Shit! Shit! Shit“Ronroooooonrooon„Scheiße! Shit! Shit! Scheißndrecken!“Roooooonroooooon …. Klick„Himmiherrgottsakramentefixhallelujamileckstamarschscheißglumpverreckts!!!“Klick … KlickWalter trommelte verzweifelt auf das Lenkrad seines alten Peugeot, doch der gab kein Lebenszeichen von sich. Natürlich hatte Walter bemerkt, dass sein Wagen in den letzten Wochen etwas schlechter angesprungen war, hatte sich aber keine echten Sorgen um das Gefährt gemacht, schließlich war es ein Peugeot. Und fast neu. Und gepflegt. Eigentlich ein super Auto, dachte Walter, also warum lief er jetzt nicht? Er machte einen letzten Versuch und drehte den Schlüssel im Zündschloss.Klick.Durch die vielen Startversuche war jetzt auch noch die Batterie leer. Walter ließ sich tief in den Fahrersitz sinken und überlegte, was er tun konnte. Er hätte nur ein paar Kleinigkeiten im Lidl in Neuhaus einkaufen wollen, aber das war nicht so wichtig. Er machte sich mehr Sorgen darum, wie er sein geliebtes Auto wieder zum Laufen bringen konnte.Bamm Bamm.Walter erschrak zu Tode, als jemand zweimal heftig mit der Hand auf die Heckklappe schlug.„Was soll denn der Scheiß? Wer demoliert hier mein Auto?“Schimpfend quälte Walter sich aus dem Wagen, was wegen der niedrigen Einstiegshöhe ein wenig an einen Limbotanz erinnerte.„Ich wollte nur sicher gehen, dass es Ihnen gut geht“, beteuerte ein grinsender Eugen Heesterkamp (Oberstudienrat AD, Fächer: Biologie und Sport).„Hab Sie bis auf die Straße vorne fluchen gehört. Was ist denn passiert?“Walter stellte sich neben Eugen und zeigte traurig auf seinen Wagen.„Er springt nicht an. In all den Jahren hat er das noch nie gemacht. Er war immer zuverlässig … bis heute.“„Ach, das wird schon nicht so schlimm sein“, versuchte Eugen seine „Das-Glas-ist-halb-voll“-Strategie. „Sie waren doch sicher immer beim Kundendienst? Dann kann das gar nicht so teuer werden!“Kundendienst. Natürlich hatte Walter den machen lassen. Meistens. Wann eigentlich das letzte Mal? Walter überlegte, wann er zuletzt seine Werkstatt aufgesucht hatte, bis ihm einfiel, dass er zu einer freien Werkstatt gewechselt hatte, die ein Freund in Alberskirch betrieb. Die Garantie war eh schon längst abgelaufen und dann konnte man in einer unabhängigen Werkstatt doch den ein oder anderen Euro sparen. Er würde gleich nachher seinen Freund anrufen und fragen, ob er Zeit hat. Aber erst mal musste er Eugen loswerden.„Wie läuft es denn mit Ihren Vorbereitungen für den Halbmarathon in Lindau?“, fragte Walter und wusste genau, dass er damit einen Nerv traf.„Ach, Sie wissen doch, dass ich wegen meiner Achillessehnenreizung zurzeit gar nicht trainieren kann. Es ist sogar fraglich, ob ich bis Oktober wieder fit bin.“ Während er erzählte, ließ Eugen den Kopf hängen wie ein kleines Kind, dem man sein liebstes Spielzeug weggenommen hat.„Das tut mir leid“, sagte Walter mitfühlend, „aber Sie werden das schon hinbekommen. Machen Sie nur immer schön Ihre Übungen, die Sie vom Arzt bekommen haben.“„Ich bin ja gerade dabei“, antwortete Eugen und zeigte auf seinen rechten Fuß. „In dem Schuh steckt die Einlage vom Orthopäden. Mit dem Ding soll ich jeden Tag eine halbe Stunde laufen. Deshalb komme ich ja hier vorbei. Jetzt bin ich dann aber froh, wenn ich wieder zu Hause bin, weil das Teil doch sehr unangenehm ist.“Schon halb im Gehen drehte sich Eugen noch einmal um.„Wohin wollten Sie eigentlich?“Walter war verwirrt. „Wohin wollte ich wann?“„Na, jetzt gerade, als ihr Auto nicht anspringen wollte.“„Nur ins Lidl nach Neuhaus. Ein paar Sachen einkaufen. Aber ist nicht so wichtig.“„Papperlapapp“, konterte Eugen. „Haben Sie einen Einkaufszettel?“Walter fingerte ein mehrfach gefaltetes Papier aus der Hosentasche und reichte es dem ehemaligen Lehrer. Der studierte die kurze Liste und steckte sie dann ein.„Ich wollte nachher selber noch ins Lidl. Dann bringe ich Ihnen Ihre Sachen mit und Sie können sich in Ruhe um Ihr Auto kümmern. Einverstanden?“Walter war etwas überrumpelt.„Ja – vielen Dank. Ich bin Ihnen etwas schuldig“, stammelte er.„Aber gerne doch“, erwiderte Eugen lachend. „Sie können mich ja mal zum Essen einladen. Das wäre bei uns beiden doch eh schon längst mal fällig, oder?“Eugen lief winkend vom Hof und ließ Walter vor seiner Garage stehen. „Ist das gerade wirklich passiert?“, grübelte er und suchte gedankenverloren nach seinem Handy. Er brauchte schleunigst einen Termin in der Werkstatt.
Als Walter zurück ins Haus kam, wurde er von Balu, seinem Wolfsspitz, so freudig begrüßt, als sei er tagelang weggewesen. Seit dem Tod von Walters Frau vor fast vier Jahren war der Hund Walters einziger Mitbewohner in dem kleinen Haus am Rande von Taldorf. Bis vor Kurzem hatten sie hier sehr abgeschieden gelebt, doch dann zog Liesl (eigentlich „Elisabeth“) in das leerstehende Nachbarhaus und brachte etwas Schwung in Walters Alltag. Zur gleichen Zeit war der ehemalige Pfarrer des Dorfes unter seltsamen Umständen gestorben und Walter hatte den Fall mit ein paar Freunden (überwiegend Polizisten) aufgeklärt. Der anschließende Medienrummel hatte Walter sehr angestrengt, doch nun hatte sich alles wieder beruhigt und er genoss sein ruhiges Leben als Zeitungsausträger in der Gemeinde.
An Liesl hatte er sich schnell gewöhnt. Sie hatte das Nachbarhaus von ihrer Tante geerbt und war deshalb von Frankfurt nach Taldorf gezogen. Sie verstanden sich prächtig und trafen sich oft auf ein Bier oder einen Kaffee auf der Terrasse. Sie waren sogar „per du“, seit Liesl Walter beim Abschlussfest geküsst hatte. Ein Kuss, der Walter bis heute verwirrte.Im Moment allerdings vermisste er seine Nachbarin. Sie war für eine Woche zurück nach Frankfurt gefahren, um sich mit ein paar Freundinnen zu treffen. Sie wollten wandern und ein Wellnesshotel besuchen.
Walter suchte noch immer nach seinem Handy, um endlich in der Werkstatt anzurufen und fand es auf der Kommode im Flur - mit leerem Akku. Walter hängte es mit einem Seufzer an das Ladegerät in der Küche. Er hatte das iPhone von seinen Freunden geschenkt bekommen und fand es wirklich fantastisch – nur war der Akku nach spätestens zwei Tagen leer. Walter verstand das nicht. Es lag doch nur rum! Sein altes Siemens S4 hatte zwei Wochen lang gehalten, wenn man nicht zu oft telefoniert hatte.Er nahm den Hörer seines Festnetztelefons ab und wartete auf das Freizeichen. Er wählte die Nummer der Werkstatt aus dem Kopf.„Faxes Garage, hallo?“, meldete sich eine Stimme nach dem dritten Klingeln.„Hey Faxe, Walter hier“, rief Walter etwas lauter, da er auf der anderen Seite laute Musik im Hintergrund hörte.„Ich brauche dringend deine Hilfe. Mein guter alter Peugeot will nicht mehr anspringen und ich habe keine Ahnung warum. Hat er noch nie gemacht!“Die Musik auf der Gegenseite wurde leiser gedreht und man hörte Werkzeuggeräusche.„Aber Benzin hast du schon drin, oder?“„Natürlich nicht“, empörte sich Walter, „es ist ja ein Diesel. Aber der Tank ist fast voll, falls du das meinst.“„Was passiert denn, wenn du ihn anlassen willst?“, hakte Faxe nach.„Jetzt gar nichts mehr. Ich glaube, ich habe die Batterie leergeorgelt. Hast du eine Ahnung, was das sein kann?“„Das kann ich dir so nicht sagen, Walter. Da gibt es viele Möglichkeiten und so ganz taufrisch ist dein 205er ja auch nicht mehr. Ich glaube, der ist Baujahr 93 … da kann alles Mögliche den Geist aufgeben. Am besten wir schleppen ihn ab zu mir in die Garage, dann kümmere ich mich darum. Einverstanden?“Walter schluckte trocken. Abschleppen, Werkstatt, Reparatur … das würde sicher einiges kosten, aber er sah keine andere Möglichkeit.„Also gut. Wann kommst du vorbei?“Faxe versprach innerhalb der nächsten Stunde da zu sein. Walter bedankte sich und legte auf. Er nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank und setzte sich auf die Terrasse. Das brauchte er jetzt.
2
Walter saß mit seinem Bier auf einem der neuen Gartenstühle, die er erst kürzlich gekauft hatte. Balu lag zu seinen Füßen und döste, als Kitty elegant um die Ecke schlenderte. Die schlanke Tigerkatze gehörte eigentlich zur Wirtschaft im Dorf, doch sie und Balu waren beste Freunde und verbrachten viel Zeit miteinander.„Oh, oh … Walter so früh schon mit einem Bier auf der Terrasse?“ Kitty kannte Walter gut genug, um zu wissen, dass etwas passiert war.„Ärger mit dem Auto“, klärte Balu sie auf. „Er springt nicht mehr an. Nachher kommt sein Freund Faxe und schleppt ihn ab. Ich hoffe nur, er findet den Fehler schnell und kann ihn günstig reparieren.“Kitty verstand, was Balu meinte. Walter war durch und durch ein Schwabe und daher so sparsam wie nur möglich. Eine teure Reparatur hätte seine Laune für Tage oder sogar Wochen ruiniert.„Ola Muchachos“, grüßte Eglon, der sich zwischen den Jostabüschen hindurchzwängte. Der Kater war noch nie schlank gewesen, doch seit er bei Liesl wohnte, hatte er nochmal deutlich zugelegt.„Walter schon beim Bier?“, fragte er besorgt.„Sein Auto springt nicht an“, erklärte Balu.„Oh, oh … hoffe es, ist nichts Schlimmes“, sagte Eglon und setzte sich ordentlich neben Balu.„Wie gefällt es dir ein ganzes Haus alleine zu bewohnen?“, fragte der Wolfsspitz, der natürlich wusste, dass Liesl verreist war.„Ist eigentlich prima. Walter sorgt ja für mein Futter, und dank der Katzenklappe kann ich kommen und gehen wie ich will. Leider hat Liesl die Schlafzimmertür zugemacht. Hätte gerne in ihrem Bett geschlafen, aber das Sofa ist auch ok. Sie hat mir da extra eine flauschige Decke hingelegt, so eine, die sich nicht elektrisch auflädt.“„Aber vermisst du deinen Menschen denn gar nicht?“, fragte Kitty ungläubig. „Ich brauche zwar nicht ständig einen Mensch um mich, aber hin und wieder lass ich mich schon gerne mal streicheln oder rolle mich auf ihnen ein. Fehlt dir das nicht?“Eglon schaute verlegen zur Seite und leckte beiläufig an einer Vorderpfote.„Naja, ein bisschen schon. Vor allem nachts ist es komisch allein im Haus. Wenn Liesl da ist, schlafe ich immer wie ein Stein und bekomme nichts mit. Jetzt wache ich bei jedem kleinsten Geräusch auf.“„Instinkte“, sagte Kitty, „die machen dich wachsam. Jetzt, wo du allein bist, musst du besser aufpassen. Aber hier passiert ja nichts.“„Das möchte ich hoffen. Aber so ganz sicher bin ich mir da nicht.“„Was meinst du damit?“, hakte die Tigerkatze nach.„Seltsame Geräusche mitten in der Nacht. Oft nur ganz leise, aber sie sind da!“ Während er das sagte, war Eglons Stimme leiser geworden, bis sie fast nur noch ein Flüstern war.Balu lief es eiskalt den Rücken hinunter.„Ach, hör doch auf solche Schauergeschichten zu erzählen. Du willst uns doch eh nur auf den Arm nehmen! Die einzigen Geräusche, die du hier mitten in der Nacht hörst, sind Walter und ich, wenn wir uns mit den Zeitungen auf den Weg machen.“Eglon schüttelte energisch den Kopf.„Quatsch. Ihr macht nachts keine Geräusche – ihr macht Lärm! Außerdem hab ich die Geräusche zu einer anderen Uhrzeit gehört. Ich weiß doch, wann Walter aufsteht. Glaubt mir: irgendwas schleicht hier nachts um die Häuser!“„Vielleicht irgendein Wildtier“, mutmaßte Kitty. „Wildschweine haben wir genug hier in den Wäldern. Ich habe gehört, dass sie in manchen Gegenden schon bis in die Städte vordringen.“„Das glaube ich nicht“, widersprach Balu. „Vor Jahren hatte sich tatsächlich mal ein Wildschwein in Walters Garten verirrt und das hast du deutlich gesehen. Alles war wie umgepflügt und gehört hast du das Vieh auch. Das würdest du nicht als Schleichen bezeichnen. Also war es sicher was anderes … etwas Eleganteres. Vielleicht ein Waschbär?“„Oder ein Wolf“, warf Kitty ein. „Walter hat neulich mit Liesl darüber gesprochen, dass in ganz Deutschland wieder Wölfe unterwegs sind.“Balu stellten sich alle Nackenhaare. Auch er hatte Gerüchte gehört, dass Wölfe in der Nähe seien. Zwar war er als Hund mit dem Wolf verwandt, jedoch so weitläufig, dass der ihn als Beutetier betrachten würde. Keine sehr angenehme Vorstellung. Er schüttelte den Gedanken weg.„Hört auf so einen Blödsinn zu reden. Friss einfach etwas weniger, Eglon, dann schläfst du auch besser und bildest dir nicht so einen Mist ein!“„Gar nichts bilde ich mir ein“, dementierte Eglon, „und das werde ich euch beweisen.“Er stand auf und reckte arrogant seinen buschigen roten Schwanz. „Wir können ja Wetten abschließen, wen der böse Wolf als Ersten holt“, sagte er leise über die Schulter hinweg und verschwand zwischen den Jostabüschen.
„Meinst du, er hat wirklich etwas gehört?“, fragte Balu, als er wieder alleine mit Kitty auf der Terrasse saß.„Warum nicht? Irgendwas ist da doch immer unterwegs, wenn man so nah am Wald wohnt. Ich würde mir aber keine Sorgen machen.“„Du hast gut reden“, entgegnete der Wolfsspitz, „du wohnst ja vorne mitten im Dorf. Da wird natürlich nie ein Wildtier rumschleichen, aber hier ist das was ganz anderes!“„Dann lass die Tür zu“, antwortete Kitty genervt. „Du kannst manchmal schon ein Weichei sein. Es ist doch bisher nichts passiert! Und du hast Schiss, weil Eglon vielleicht etwas gehört hat? Reiß dich bitte etwas zusammen, bevor es peinlich wird.“Kittys Ansprache zeigte Wirkung und Balu beruhigte sich. Sie saßen noch mehrere Minuten schweigend nebeneinander, bis sie auf der anderen Seite des Hauses ein Auto hörten. Die Tiere liefen nach vorne und beobachteten, wie Walter und Faxe den alten Peugeot erst auf die Straße schoben, und dann mit einer Abschleppstange mit Faxes M-Klasse verbanden. Kurz darauf rollten beide Fahrzeuge in gemächlichem Tempo vom Hof.
„Ich schaue auch mal wieder zu Hause vorbei“, sagte Kitty, während sie sich genussvoll streckte. „Kommt ihr heute Abend in die Wirtschaft?“„Ich bin mir nicht sicher“, überlegte Balu, „aber nach der Geschichte mit seinem Auto wird Walter sich wohl ein paar Bierchen gönnen.“Kitty rieb sich zum Abschied an seinem Hals und verschwand in Richtung Dorf. Balu ging zurück auf die Terrasse und legte sich ins weiche Gras. Egal was nachts passierte, im Moment schlich hier niemand herum.
3
Sein geliebter Peugeot 205 stand nun bei Faxe in der Werkstatt und wartete auf die Diagnose. Auch der KFZ-Meister hatte nicht auf Anhieb sagen können, woran es lag und Walter auf den nächsten Tag vertröstet, bevor er ihn nach Hause gefahren hatte.Dort erwartete ihn bereits Eugen, der ihm seinen Einkauf aus dem Lidl vor die Tür gestellt hatte. „Hab Ihre Sachen auf einen extra Zettel tippen lassen. Hier: macht siebzehn Euro und 28 Cent.“Der ehemalige Oberstudienrat reichte Walter den Kassenbon und wartete bis er seinen Geldbeutel geholt hatte. Walter nahm einen Zehneuroschein heraus, einen Fünfeuroschein, ein Zweieurostück und einen einzelnen Euro. Dann stutzte er und zog die Augenbrauen zusammen.„Moment“, sagte er und verschwand im Haus. Eugen hört ein leises Klimpern und Klappern, bevor Walter freudestrahlend wieder vor ihm stand. Er nahm ihm den Euro wieder aus der Hand und begann ihm exakt 28 Cent abzuzählen.„Sodele“, beendete Walter den Geldtransfer, „jetzt stimmt’s dann auch ganz genau. Wir wollen ja nicht, dass da einer schlecht dabei wegkommt, gell?“„Natürlich nicht“, entgegnete Eugen resigniert. „Ohne die 72 Cent hätten Sie demnächst wohl hungern müssen.“ Er war schon auf dem Weg zu seinem Auto, als ihm ihre Abmachung einfiel.„Aber hungern müssen Sie ja so oder so nicht … sie laden mich ja zum Essen ein – wie ausgemacht. Ich freue mich schon drauf!“Walter wurde kreidebleich und stammelte ein paar nicht zusammenhängende Worte, doch Eugen grinste nur und fuhr vom Hof.
Hatte Walter bis dahin noch Zweifel gehabt, so waren diese mit Eugen Heesterkamp verschwunden: er würde heute ganz bestimmt zur Goschamarie gehen. Nach so einem Tag halfen nur ein paar gute Freunde. Und Bier. Kurz überlegte er, ob er Liesl anrufen sollte, verwarf den Gedanken aber. Er wollte sie bei ihrem Ausflug nicht unnötig stören und es war ja nichts passiert, das einen Anruf erfordert hätte.Walter ging die Treppe nach oben in sein Schlafzimmer und zog sich bis auf die Unterwäsche aus. Ehrfürchtig öffnete er den Kleiderschrank. Neben seiner alten Lederhose hing eine wunderschöne neue. Zwar fehlte ihr noch etwas Patina, doch sie war ein echtes Schmuckstück. Vor zwei Wochen hatte er mit seinem Freund Manni einen Ausflug an den Chiemsee gemacht und dort, in einem der berühmtesten Trachtengeschäfte Bayerns, diese einzigartige Hose erstanden. Beim Bezahlen war ihm schwindelig geworden – vierhundertfünfzig Euro musste er hinblättern, obwohl der Preis schon heruntergesetzt war. Er strich andächtig über das helle Hirschleder und atmete den frischen Gerbgeruch ein. Ein wenig verschämt betrachtete er seine alte Hose, die verloren auf ihrem Bügel hing. Sie war noch vollkommen in Ordnung, aber inzwischen drei Nummern zu groß. Als er sie das letzte Mal getragen hatte, war sie ihm bei jeder Bewegung um die Hüften geschlackert. Doch er würde sie auf keinen Fall weggeben, obwohl er nicht vorhatte wieder zuzunehmen. Von den einstmals einundneunzig Kilo waren gerade mal achtundsiebzig geblieben und er fühlte sich so fit wie schon lange nicht mehr. Als er sich anzog, wusste er, dass er an diesem Abend kalorientechnisch eine Sünde begehen würde, doch das war Walter egal. Etwas Spaß muss schließlich sein, vor allem nach einem Tag wie diesem. Eine Viertelstunde später löschte er das Licht im Flur und machte sich auf den Weg zur Goschamarie.Balu hatte im Flur ungeduldig auf Walter gewartet und lief aufgeregt neben ihm her. Wie so oft wartete Kitty schon auf sie. Die Tigerkatze hatte die Beine unter ihren Körper geschoben und lag entspannt auf einem alten Heuballen. Ihre Augen waren soweit geschlossen, dass es aussah, als würde sie schlafen, doch tatsächlich war sie hell wach. Schon von weitem sah sie Balu und Walter kommen und setzte sich auf.„Da seid ihr ja endlich!“, rief sie erfreut. „Drinnen ist schon wieder gut was los.“ Balu begrüßte seine Freundin mit einem Nasenstupser, bevor sie Walter die Treppe hinauf folgten. Walter öffnete die Tür zur Gaststube und freute sich über die erstaunlich gute Luft im Raum. In den Wintermonaten sammelte sich der Zigarettenqualm unter der niedrigen Decke oft derart, dass einem das Atmen schwer fiel. Doch jetzt im Sommer waren alle Fenster weit geöffnet und der Rauchernebel konnte in die Nachbarschaft entweichen. Feinstaub mal anders.Max und Elmar saßen bereits am Stammtisch und auch die übrigen Tische waren belegt. Walter wunderte sich nicht, dass die meisten Gäste Fremde waren. Gerade in der warmen Jahreszeit kamen viele mit dem Fahrrad und legten bei der Goschamarie einen kleinen Zwischenstop ein. Nicht selten bestellten sie sich für den Heimweg ein Taxi, da sie sich nach ihrer Pause nicht mehr auf dem Fahrrad halten konnten.„Stimmt es, dass unsere zwei Kindsköpfe heute wiederkommen?“, fragte Walter, während er sich zu seinen Freunden setzte. Kitty und Balu verschwanden auf ihren Stammplatz unter der Eckbank.„Sie haben es mal angedroht“, raunte Max, „ich bin mir aber nicht sicher, ob es nicht noch zu früh ist. Als ich Theo gestern besucht habe, konnte er noch kaum laufen!“Theo und Peter wetteten ständig um irgendetwas, nur um am Ende den Wetteinsatz, in der Regel eine Kiste Bier, gemeinsam zu trinken. Doch diesmal war ihre Wette nicht so glimpflich verlaufen. Es hatte damit begonnen, dass Peter einen Routinetermin beim Urologen hatte, der ihm eine prächtige Verfassung in allen Belangen attestiert hatte. Damit hatte Peter am Stammtisch geprahlt, woraufhin Theo ihn zu einem Wettpinkeln herausgefordert hatte. Das Pinkelduell wurde dann kurzerhand auf einer nahen Viehweide ausgetragen. Es ging darum, den Strahl möglichst lange am Laufen zu halten. Wer zuerst eine bestimmte Markierung unterschritt, hatte verloren. Diese Markierung war ein Viehzaun. Keiner der beiden wusste, dass der Zaun noch unter Strom stand, und so war die Überraschung groß, als beiden zeitgleich der Saft ausging und ihr Urinstrahl den Draht berührte. Der Strom fuhr ihnen mit zigtausend Volt in den Unterleib und brachte ihre Hoden fast zum Leuchten. Beide lagen auf dem Boden und krümmten sich vor Schmerzen. Der Notarzt nahm sie mit ins Krankenhaus, wo sie unter anderem mit Antibiotika behandelt wurden, um eine Entzündung der Hoden zu vermeiden, die innerhalb kürzester Zeit auf die Größe von Orangen angeschwollen waren.„Griaß di Walter! Do hosch scho mol deine zwoi Bier“, begrüßte Marie Walter und stellte ihm zwei geöffnete Flaschen Bier auf den Tisch. „Wie sieht’s dänn mitm Hunger aus? Bischt ja grad doch alloi do hinda, seit d’Liesl futt isch.“Walter wunderte sich nicht, dass jeder über Liesls Abwesenheit Bescheid wusste – so war das nun mal in Taldorf: der Dorffunk funktionierte immer.„Ich nehme ein Vesper, wenn’s recht ist, Marie. Und … hast du vielleicht noch zwei hartgekochte Eier?“Marie verstand Walters Anspielung auf die zwei Wettkönige sofort.„Aber natierlich, gern. Oier sind scho äbbs richtig guats.“ Mit einem breiten Grinsen verschwand sie hinter dem Tresen, während - wie aufs Stichwort - Theo und Peter hereinkamen. Sie watschelten breitbeinig in die Gaststube, wie Cowboys nach einem harten Ritt und jeder hatte ein rundes Kissen unter dem Arm. Walter kannte diese Art von Kissen noch von seinem Onkel, der fürchterlich an Hämorrhoiden gelitten hatte. Durch das Loch in der Mitte ähnelte das Kissen einem riesigen Donut, brachte aber Menschen mit Schmerzen in einem ganz bestimmten Bereich Erleichterung.Alle beobachteten gebannt wie Theo und Peter sich vorsichtig - fast in Zeitlupe - auf ihre Kissen sinken ließen. „Na – ändlich sind meine zwoi Buaba wieder do“, begrüßte Marie die beiden Männer und klopfte ihnen von hinten kräftig auf die Schultern. Sie zuckten vor Schmerz zusammen und versuchten Maries grober Hand zu entkommen.„Bitte nicht, Marie. Hör auf!“, winselte Peter, dem die Luft wegblieb.„Wa isch los? Henders it räat?“, frotzelte Marie, während sie beide herzhaft umarmte und drückte. Peter und Theo stiegen vor Schmerz Tränen in die Augen, doch Marie war unbarmherzig.„Wie ka ma au blos so an Scheißdräck macha, hä?“Sie sah beiden streng in die Augen, dann ließ sie von ihnen ab und baute sich mit den Händen in den Hüften vor ihnen auf.„Was darfs denn jetzt sei, ihr Pinkelprofis? Mir hettet heit verlorene Oier, russische Oier, gkochte Oier, Spiegeloier, Rieroier … oder a ganz normals Veschper …“„Wir haben verstanden“, grummelte Theo.„Normales Vesper, ohne Eier!“, ergänzte Peter. „Und zwei Kästen Bier …. wir haben uns auf ein Unentschieden geeinigt und da zahlen nach unseren Regeln beide!“Marie schüttelte den Kopf, als sie in Richtung Tresen lief, um die zwei Kisten Bier zu holen. Die anderen jubelten und freuten sich über das Freibier.„Schön, dass ihr wieder da seid“, begrüßte Walter seine Freunde und gab jedem vorsichtig die Hand. „Ja, das war diesmal wirklich nicht clever von uns“, gestand Peter. „Aber wer konnte denn ahnen, dass auf dem rostigen Draht noch Strom drauf ist?“„Schlimme Sache … ei, ei, ei“, flachste Max und erntete dafür von Theo einen bösen Blick.„So, do hender dia Kischta!“, schnaufte Marie und wuchtete beide Kisten auf den Stammtisch.„Fier dia zwoi Herra it vielleicht doch an Oierlikör?“Wenn Blicke töten könnten, dachte Walter, als er beobachtete, wie Theo und Peter die Wirtin anstarrten.„Kommt jetzt“, beruhigte Walter die Szene, „hört mal auf mit der Schadenfreude. Ich glaube, die beiden haben schon genug gebüßt. Trinken wir lieber auf das großartige Unentschieden!“Walter nahm eine frische Flasche aus dem Kasten und öffnete sie mit Hilfe einer Zweiten. Dass er bereits zwei geöffnete Flaschen vor sich stehen hatte, war ihm egal. Er reckte sie in die Höhe und die anderen taten es ihm gleich.„Prost!!!“, tönte es fröhlich durch die Wirtschaft und lediglich die beiden hartgekochten Eier auf Walters Vesperteller, die mit einem Essiggürkchen in eindeutiger Pose angerichtet waren, sorgten noch einmal für böse Blicke.„Das tut jetzt richtig gut mit euch hier zu sein“, seufzte Walter, als er sein viertes Bier öffnete. „Hatte heute einen total beschissenen Tag.“„Was ist passiert?“, fragte Elmar und zündete sich genüsslich eine Zigarette an.„Mein Peugeot hat mich im Stich gelassen. Zum ersten Mal. Er wollte einfach nicht anspringen. Faxe hat ihn in seine Werkstatt geschleppt und kümmert sich drum. Hoffe mal, es wird nicht zu teuer.“„Ach was“, winkte Elmar ab, „du kennst doch Faxe. Der macht dir sicher den besten Preis, der möglich ist. Kannst ihn ja gleich selber fragen.“ Elmar zeigte zur Tür durch die Faxe gerade die Gaststube betrat.Während die meisten Männer im Raum ihm nur einen kurzen Blick zuwarfen, stierten ihn die wenigen Frauen unverhohlen an. Faxe war nicht nur ein begnadeter Automechaniker, er war auch der fleischgewordene Traum jeder Frau zwischen fünfzehn und fünfundvierzig. Er war einen Meter neunzig groß, hatte dunkle schulterlange Haare und das markante Gesicht einer römischen Statue. Seine fast schwarzen Augen lagen tief in den Höhlen und funkelten geheimnisvoll. Offenbar kam er direkt aus der Werkstatt, denn er trug noch seine Latzhose, darunter ein verschmiertes ärmelloses T-Shirt, das seinen muskulösen Oberkörper nur notdürftig bedeckte. Die Dreck- und Ölflecken auf seinen verschwitzten Armen zeugten von seiner harten Arbeit. Er schaute sich kurz um und kam direkt zum Stammtisch.„Dachte ich mir doch, dass ich dich hier finde“, sagte er zu Walter und setzte sich auf den Stuhl neben ihm. „Ich habe vorhin doch noch deinen Wagen auf die Bühne genommen.“Jetzt war Walter gespannt. Grundlos war Faxe sicher nicht nach Taldorf gekommen. „Und? Kriegst du ihn wieder hin?“Faxe deutete fragend auf die Bierkästen auf dem Tisch und Walter nickte ihm aufmunternd zu. „Alles halb so wild“, beruhigte er Walter, „diese kleinen Dieselmotoren sind nicht tot zu kriegen. Das Vorglührelais ist am Arsch. Deshalb startet er nicht. Das kann ich dir aber günstig reparieren.“ Er öffnete sein Bier am Rand des Bierkastens und trank mit dem ersten Zug die halbe Flasche leer.„Was verstehst du unter günstig?“, fragte Walter unsicher, da er keine Ahnung von Autoreparaturen hatte.„Hundert für das Teil und hundert für den Einbau. Für Zweihundert Euro ist alles wie neu.“Fast hätte Walter sein Bier über den Tisch geprustet, doch er konnte es gerade noch schlucken und rang jetzt nach Luft. Er wusste, dass das mit Sicherheit ein guter Preis war, trotzdem schmerzte ihn der Gedanke, so viel Geld für eine Reparatur auszugeben.„Aber da ist noch was“, sagte Faxe beiläufig und warf dabei seine Haare über die Schulter. Eine hübsche Blonde am Nachbartisch bekam Schnappatmung. „Du hast keinen TÜV mehr. Seit über einem Jahr.“„Aber ich war doch bei dir zum Kundendienst und da hast du den TÜV doch gleich mitgemacht“, erinnerte sich Walter.„Das war vor drei Jahren, Walter. Seitdem habe ich deinen Peugeot nicht mehr gesehen.“Autsch. Das hatte gesessen. „Und was machen wir da?“, erkundigte sich Walter vorsichtig.„Ich mache dir morgen das neue Relais rein, dann kannst du für Montag einen Termin beim GTÜ in der Weststadt machen.“„Krieg ich da keinen Ärger, wenn ich den Termin so überzogen habe?“„Nee. Du wirst ne kleine Strafgebühr zahlen müssen, aber das war es dann. Außer sie haben irgendwas zu beanstanden.“Walter verstand nicht. „Was sollten die zu beanstanden haben? Der Wagen ist doch gepflegt und auch wirklich noch nicht alt!“„Naja“, druckste Faxe herum und spielte unsicher mit einer langen Haarsträhne. „Also ich hatte ihn ja vorher auf der Hebebühne und da kam er mir an manchen Stellen ganz schön morsch vor.“„Du spinnst ja“, blaffte Walter, „der ist in allerbestem Zustand. Garagenwagen, nur Handwäsche … der ist garantiert in bestem Zustand. Die könnten mir die Prüfplakette eigentlich auch direkt mit der Post schicken.“Faxe hob abwehrend die Hände und versuchte Walter zu beruhigen. „Alles klar, Walter, alles klar. Wird schon alles in Ordnung sein … sonst meldest du dich einfach bei mir. Wie gesagt: ich hab gar nicht genau hingeschaut.“ Damit griff er nach seinem Bier und stieß erst mit Walter und dann mit den anderen an.Walter wusste, dass er mit solchen Dingen wie TÜV und Kundendienst nachlässig war, deshalb hatte sich früher immer seine Frau darum gekümmert. Seit sie nicht mehr lebte, hatte er viele wichtige Termine verpasst.„Ich nehme mir noch eins, wenn’s recht ist“, sagte Faxe und nahm die letzte Flasche aus dem ersten Kasten. Um Platz zu schaffen, stemmte er den leeren Kasten mit einem Arm hoch und trug ihn zum Tresen. Dabei spannten sich seine wohldefinierten Muskeln unter dem viel zu kleinen T-Shirt – eine dunkelhaarige Steuerfachangestellte zwei Tische weiter vergaß für zehn Sekunden zu atmen.„Bei meim Karra sottsch dänn au amol noch dia Brämsa gucke“, sagte Marie und stellte die Vesperteller für Theo und Peter auf den Tisch.„Kein Problem“, lächelte Faxe, „komm am Samstagnachmittag einfach kurz vorbei, dann schaue ich mir das an. Aber jetzt muss ich los. Marie, was bin ich schuldig?“„Nix. Des Bier war von dene zwoi Wettkönig. Und fiers nahocka gucksch du mir noch meim Karra.“Faxe war einverstanden und erhob sich, wobei er sofort wieder die Blicke aller anwesenden Frauen auf sich zog. Er warf die Haare zurück und verabschiedete sich in die Runde.„Macht weiter so. Viel Spaß noch!“Der Blonden am Nebentisch lief ein dünner Speichelfaden aus dem Mundwinkel und die dunkelhaarige Steuerfachangestellte vergaß erneut zu atmen, während ihre Freundin hysterisch applaudierte.Walter sah Faxe hinterher. „Geiler Hintern“, dachte er und wunderte sich im selben Moment über seinen Gedanken.„Warum ist der eigentlich immer noch Single?“, murmelte Max und knipste das hintere Ende seiner Zigarre ab. „Die Frauen drehen alle durch, wenn er in der Nähe ist.“„Zuuuu schee isch au it guat“, flötete Marie von hinten und räumte die halbleeren Vesperteller ab. Die Reste bekam jeder, in einer kleinen Tüte verpackt, mit nach Hause.„Ich zahle dann mal“, sagte Walter und holte seinen Geldbeutel heraus. Marie kassierte und brachte unaufgefordert eine Runde Schnaps. „Gaht aufs Haus! Nei demit!“Da Marie den Schnaps wie immer im Sprudelglas servierte, brauchte Walter noch eine viertel Stunde bis er es leer hatte, dann verließ er gemeinsam mit Elmar und einer Tüte mit dem übrigen Rauchfleisch darin die Wirtschaft. „Machets guat, ziernet nix, kommet wieder!“, rief ihnen Marie hinterher.
Beide schwankten etwas, als sie die Stufen vor der Wirtschaft hinuntergingen, aber Walter war ja zu Fuß da und Elmar hatte es nicht weit.Beide gingen zum Bach, um sich vor dem Nachhauseweg noch zu erleichtern.„Ich soll dich übrigens noch von Anne grüßen“, sagte Elmar über das Plätschern hinweg. „Sie rechnet am Samstag fest mit dir. Sie meinte, diesmal seien endlich mal wieder alle da.“Anne war das Küken ihrer kleinen Ermittlergruppe, die vor kurzem den Tod des Pfarrers aufgeklärt hatte. Außerdem war sie Elmars Freundin.„Danke! Grüß sie zurück. Ich werde kommen.“ Walter freute sich auf die kleine Runde, die sich immer samstags auf dem Ravensburger Wochenmarkt auf einen Kaffee traf. Leider hatte in den letzten Wochen immer jemand gefehlt, zuletzt Kripo-Hubert, dem der Blinddarm entfernt werden musste.Er verabschiedete sich von Elmar und machte sich in Schlagenlinien auf den Heimweg. Balu und Kitty hielten vorsichtshalber zwei Meter Abstand.
„Heute hat er aber ganz schön einen sitzen“, lästerte Kitty und ahmte Walters Torkeln nach.„Lass ihn doch“, lachte Balu, „er hatte einen strengen Tag. Wenigstens scheint das mit seinem Auto ja glimpflich abzulaufen. Das hätte deutlich schlimmer kommen können.“Dass es noch schlimmer kommen würde, konnte Balu in diesem Moment natürlich nicht wissen.
4
Das Schicksal der Welt lag in der Hand des Musikredakteurs von S4 Bodenseeradio. Ein gutes Lied kündigte einen tollen Tag an, ein schlechtes Lied war stets Vorbote von Katastrophen.Walter glaubte fest daran. Jeden Morgen war er ein paar Minuten vor seinem Radiowecker wach und wartete gespannt auf das musikalische Orakel. Endlich sprang die Zeitanzeige auf 2.30 Uhr und das kleine Gerät erwachte zum Leben. „Küss mich, halt mich, lieb mich“, trällerte Ella Endlich aus dem Plastiklautsprecher und entlockte Walter ein breites Grinsen. Er liebte dieses Lied, dessen Melodie aus dem alten Märchenfilm „Drei Nüsse für Aschenputtel“ stammte, außerdem war der Refrain seit kurzem Elmars Klingelton für Anrufe seiner neuen Flamme. Anne und Elmar hatten sich über Walter kennengelernt und waren seitdem unzertrennlich, was Walter sehr freute. Er liebte es, wenn Menschen glücklich waren und wenn er ehrlich war, war er seit einiger Zeit auch auf einem guten Weg. Seit Liesl neben ihm eingezogen war, verbrachten sie viel Zeit miteinander und vieles hatte sich für Walter zum Positiven gewandelt. Er freute sich wieder auf den nächsten Tag, genoss die Treffen mit seinen Freunden und machte zum ersten Mal seit langem wieder Pläne für die Zukunft. Liesl war stets Teil seiner Pläne, deshalb schmerzte es ihn umso mehr, dass sie bereits über eine halbe Woche weg war.Der Ausflug zu ihren Freundinnen nach Frankfurt hatte Walter überrascht, doch dass er sie so sehr vermissen würde, hätte er niemals erwartet.Walter schwang die Beine aus dem Bett und schlüpfte in seinen Morgenmantel. Angesichts der herrschenden Temperaturen hätte er ihn nicht gebraucht, aber er hasste es, sich nackt zu fühlen. Es ist schon Donnerstag, dachte Walter, und stellte zufrieden fest, dass Liesl bereits übermorgen wieder da sein würde. Trotz der Wärme feuerte er, wie jeden Tag, seinen kleinen Herd in der Küche an und stellte Kaffeewasser auf die Platte, bevor er für Balu die Gartentür öffnete und ein wenig Nassfutter in seine Futterschale gab. Als er fertig angezogen aus dem Bad kam, signalisierte ein leises Pfeifen, dass das Wasser kochte. Walter füllte es in seine französische Kaffeemaschine und öffnete die Haustür. Es vergingen nur wenige Sekunden bis Balu zweimal kurz bellte und Jussuf vor Walters Haus parkte.„Gute Morge Walter“, grüßte der Türke freundlich und nahm am Küchentisch Platz.„Du bist pünktlich wie ein Uhrwerk“, lobte Walter seinen Freund und goss ihm Kaffee ein.Die beiden kannten sich seit Walter den Job als Zeitungsausträger angenommen hatte. Jussuf transportierte die Zeitungen von der Druckerei zu den Austrägern und freute sich immer über ein frühmorgendliches Schwätzchen.„Isch Wahnsinn wie warm noch isch“, seufzte Jussuf und wedelte sich mit der Hand etwas Luft zu. „Und du machsch immer noch Feuer in Ofen.“„So schmeckt der Kaffee einfach am besten“, rechtfertigte sich Walter, verschwieg aber, dass er aus Sparsamkeit den Elektroherd nur ungern benutzte. „Aber sag mal Jussuf: geht heute nicht dein Deutschkurs los?“Jussuf hatte zu seinem letzten Geburtstag von seiner Frau einen Deutschkurs an der Volkhochschule geschenkt bekommen. Seit Jahren zog sie ihn damit auf, dass jedes Kleinkind besser deutsch sprechen könne als er, doch das hatte ihn nie gekümmert. Um den geschenkten Kurs kam er nun nicht herum, zumindest nicht ohne sich größeren Ärger mit seiner Frau einzuhandeln.„Ach hör auf, Walter. Wozu brauch isch Kurs? Alle verstehn misch, isch versteh disch … wozu?“Walter verstand seine Einstellung, aber etwas zu lernen konnte nie schlecht sein.„Jetzt warte es doch erst mal ab. Vielleicht macht es dir sogar Spaß.“Jussuf verzog das Gesicht. „Das glaub isch nisch. Aber gut: sind nur zehnmal – geht vorbei. Aber sag mal: wie is das bei dir? Wann is Liesls Urlaub vorbei?“„Morgen kommt sie wieder. Bin schon gespannt, wie es war. Seit sie weg ist, habe ich nichts von ihr gehört.“ Was ja eigentlich ein gutes Zeichen ist, dachte Walter, aber er hätte sich doch über ein paar kurze Nachrichten über Whatsapp gefreut. So gar nichts von Liesl zu hören, kam ihm komisch vor. „Ich muss dann, Walter“, sagte Jussuf und wischte sich den Schweiß von der Stirn, „sonst schmilzt noch der Gehirn!“„Das Gehirn …“, verbesserte Walter, doch Jussuf winkte nur ab.„Nach der Kurs weiß isch dann alles besser – wirscht sehn!“Beim Rausgehen zeigte Jussuf auf die leere Garage, deren Tor offen stand.„Wo isch dein Auto? Verkauft?“Walter erzählte ihm kurz, was passiert war und dass er es schon heute zurück bekommen würde.„Wenn doch nich mehr gut is, dann gehen wir zu Cousin Rafi, der besorgt dir Auto“, flüsterte Jussuf verschwörerisch.„Der Cousin, der bis vor kurzem im Gefängnis war?“, fragte Walter skeptisch.„Klar.“ Jussuf zuckte mit den Schultern. „Der weiß wenigstens, wie die Hase lauft.“„Wie der Hase läuft …“, verbesserte Walter.„Ja, dem auch.“Walter verzichtete auf weitere Korrekturen und verabschiedete sich von Jussuf, der kurz darauf winkend vom Hof rollte.
Walter genoss die Ruhe der Nacht, während er von Haus zu Haus fuhr und seine Zeitungen verteilte. Begonnen hatte er in Dürnast und Alberskirch und fuhr nun über die Höh nach Wernsreute. Obwohl sich sein Handkarren fast ohne Widerstand schieben ließ, kam Walter an der Steigung ins Schwitzen. Die Straße hieß nicht umsonst „Auf der Höh“. Den dreirädrigen Karren hatte er erst vor wenigen Wochen auf einem Flohmarkt gekauft. Er war ein echter Glücksgriff gewesen. Zwar stellte sich heraus, dass der Händler ihn über den Tisch gezogen hatte, doch das Gerät tat treu seinen Dienst und war für Walter ideal, da er so seinen Job als Zeitungsausträger gleichzeitig als Lauftraining nutzen konnte. Walter lief der Schweiß in die Augen, was weniger an der Anstrengung, als an den vorherrschenden Temperaturen lag. Seit Wochen kletterte das Thermometer jeden Tag über dreißig Grad, wodurch auch die Nächte immer wärmer wurden. Der letzte Regen war verdunstet, bevor er den Boden erreicht hatte und hatte für eine schier unerträgliche Schwüle gesorgt. Auch die Wälder waren staubtrocken und so war die Waldbrandgefahrenstufe auf das Maximum gesetzt worden.Während Walter sich weiter bergauf kämpfte, betrachtete er die Häuser, die hier in den letzten Jahren neu gebaut worden waren. Er musste zugeben, dass er nicht einen einzigen ihrer Bewohner kannte. Da sie keine Zeitung abonniert hatten, kannte er nicht mal ihre Namen. So sollte es auf dem Land eigentlich nicht sein, grübelte Walter. In der Stadt mit den Wohnblocks und den anonymen Betonbunkern war das normal, aber hier in der Gemeinde? Er nahm sich vor, in Zukunft etwas aufmerksamer zu sein und ein paar Erkundigungen über die neuen Gemeindemitglieder einzuholen.
Am Ende ihrer nächtlichen Tour erreichten sie Taldorf. Balu trottete locker voraus, während Walter die Zeitung bei Eugen Heesterkamp, der das alte Schulhaus bewohnte, in das dafür vorgesehene Rohr schob. Durch die Hecke hindurch hörte er Eugens Schildkröte in ihrer Kiste schnarchen. Sie hatten sich erst kürzlich kennengelernt und Balu besuchte Ulf, den Schildkröter regelmäßig. Genauso wie Bimbo, den Haflingerwallach, der wegen seiner schmerzhaften Arthrose in den meisten Nächten nicht schlafen konnte.„Hey Flohfänger“, bollerte Bimbo zu seiner Stalltür heraus, „heute seid ihr aber spät dran!“„Müsstest du diese Runde laufen, würdest du unterwegs verenden“, konterte Balu, der Bimbos Anspielung auf ihr langsameres Tempo natürlich verstanden hatte. „Sogar nachts ist es so warm … so was habe ich noch nicht erlebt.“„Da kann ich mich auch nicht dran erinnern“, bestätigte Bimbo, der stolz darauf war (fast) das älteste Tier im Dorf zu sein. Nur Eugens Schildkröter Ulf war älter.„Sie ernten überall schon den Winterweizen. Viel früher als sonst. Und der Mais macht vielerorts am Verdursten rum und wächst nicht mehr.“ Balu hatte das sich anbahnende Drama auf vielen Feldern gesehen und ahnte, dass es für manchen Landwirt nach diesem Sommer nicht leicht werden würde.„Jetzt wurde wegen der Wasserknappheit sogar das Abpumpen aus Bächen und Flüssen verboten“, wusste Bimbo. „Ich hab es neulich von Hermann gehört, als er mit seiner Frau geredet hat. Jetzt kann er seine Pflanzen mit Leitungswasser gießen, aber das kostet natürlich ein Schweinegeld. Und wenn das Wasser noch knapper wird, werden sie das auch noch verbieten. Es sind schon verrückte Zeiten!“Der korpulente Wallach schüttelte frustriert den Kopf.„Es wird schon nicht so schlimm werden“, beruhigte Balu das Pferd, und freute sich, dass Bimbo heute so handzahm war. Der Haflinger war chronisch schlecht gelaunt und beschimpfte lautstark alles und jeden. Doch nicht an diesem Tag.„Ich schau mal, dass ich nach Hause komme“, sagte Balu, als Walter aufgeholt hatte. „Da hinten dämmert es schon. Bis morgen, Bimbo!“Tatsächlich war bereits ein silberner Streif am östlichen Horizont über dem Hummelberg zu sehen, als Walter bei der Goschamarie den Schnaps vom Fenstersimsen nahm. Sogar der war warm, doch er leerte das kleine Glas in einem Zug. Glücklich aber erschöpft machten sie sich auf den kurzen Heimweg und freuten sich auf den Feierabend. Keiner der beiden bemerkte das Augenpaar, das sie aus Liesls Garten heraus beobachtete.
5
Der Freitag kam ohne Überraschungen aus. Eine angekündigte Gewitterfront verpuffte harmlos und brachte keinerlei Abkühlung oder gar Niederschlag. Walter war nach dem Aufstehen direkt duschen gegangen, doch bereits nach wenigen Minuten hatte sein frisches Hemd Schweißflecken.Am frühen Nachmittag hatte er seinen Peugeot in Faxes Werkstatt abgeholt, der jetzt wieder ohne zu zögern ansprang. Der Motor schnurrte wie am ersten Tag. Trotzdem ärgerten ihn die zweihundert Euro. Hinzu kamen am Montag noch die Kosten für den TÜV. Walter hatte tatsächlich noch einen kurzfristigen Termin bekommen. Nach Faxes Bedenken hatte er seinen 205er noch einmal gründlich untersucht, aber nichts gefunden, was ihn beunruhigt hätte – aber er war ja auch kein Mechaniker.
Am späten Nachmittag gab er den Pflanzen im Garten Wasser, die er dazu auserkoren hatte, zu überleben. Was nicht gegossen wurde, ging bei dieser Hitze jämmerlich ein. Auch bei Liesl kümmerte er sich um die wichtigsten Pflanzen. Sie hatte ihm dazu genau Anweisungen gegeben. Seinen Rasen hatte er schon längst aufgegeben - große Flächen waren bereits vertrocknet.Während Walter gefühlte hundert Mal mit der Gießkanne durch den Garten rannte, machten es sich die Tiere am Rand der Terrasse im Schatten gemütlich.„Wo steckt die Tigerlady?“, fragte Eglon und zog eine Pfote zurück, die in der Sonne lag.„Keine Ahnung“, nuschelte Balu, ohne sich zu bewegen. „Irgendwo im Schatten!“Ein Rascheln zwischen den Jostabüschen ließ beide Tiere aufblicken. Als sie den Besucher erkannten, war die Freude groß.„Seppi – da bist du ja wieder“, rief Balu und tänzelte um den kleinen Igel herum. Eglon begrüßte ihn mit einem Kopfnicken, blieb aber auf Abstand. Ihre Beziehung war etwas schwierig.„Hab doch gesagt, ich komme wieder. Ich wollte nur sicher gehen, dass Mandy und die Kinder gut im Osten ankommen.“Seppis Freundin Mandy hatte unter Liesls Grill vor ein paar Wochen vier kleine Igel zur Welt gebracht. Wie bei Igeln üblich, gingen nun alle ihre eigenen Wege. Mandy war den Kleinen dabei noch behilflich und hatte sie in ihre Heimatgegend im Osten des Tals gebracht. Seppi hatte sie auf diesem Weg begleitet. Seine schnelle Rückkehr bedeutete nichts Gutes.„Ich sag’s euch: es ist sooooo herrlich hier! Kein Gemecker, kein Geplärre einfach nur …“, er suchte das passende Wort, „ … Harmonie!“Eglon und Balu sahen sich ratlos an. Ihr stacheliger Freund war ihnen vor seiner Abreise mit seiner kleinen Familie ganz glücklich vorgekommen, dass er darunter gelitten hatte, war ihnen neu.Seppi schlenderte zum Katzenfutter und nahm andächtig ein paar Happen.„Alles für mich. In aller Ruhe. Ohne Streit.“ Bei jedem Bissen verdrehte er genießerisch die Augen.„Du erinnerst dich aber schon daran, dass das Katzenfutter eigentlich für Katzen da ist?“, stichelte Eglon, doch Seppi ignorierte ihn.„Nach allem was deine Mandy erzählt hat, soll es da im Osten doch so schön sein“, erinnerte sich Balu. „Warum warst du dann nur so kurz dort?“„Du hast keine Ahnung, wie es da aussieht“, sagte der kleine Igel und nahm noch einen Happen. „Mandy hat immer von dem tollen Zusammenhalt in der Familie erzählt und den blühenden Landschaften. Hey – ich dachte, ich lerne das Paradies kennen. Aber Pustekuchen!“ Seppi hatte sich in Rage geredet.„Wisst ihr, warum die da im Osten so zusammenhalten? Weil sie sonst nicht überleben würden. Die blühenden Landschaften? Büsche, Wald und magere Wiesen … such da mal dein Fressen zusammen. Das ist richtig mühselig. Nie wieder gehe ich dahin.“Irgendetwas schien den kleinen Igel plötzlich am Bauch zu jucken, denn er kratzte sich ausgiebig.„Und jetzt, liebe Freunde, gehe ich rüber unter den Grill und mache erst mal ein Nickerchen. Ohne gestört zu werden.“Seppi machte kehrt und verschwand unter einem der Jostabüsche. Zurück blieben ein verdutzter Hund und eine ratlose Katze. Igel waren nicht einfach zu verstehen.
6
Natürlich vertraute Walter Faxes Fähigkeiten als Automechaniker, trotzdem schickte er ein kurzes Stoßgebet gen Himmel, bevor er den Schlüssel im Zündschloss drehte.Brumm.Der Motor sprang sofort an und Walter steuerte ihn vorsichtig aus der Garage. Liebevoll tätschelte er das Armaturenbrett und strich über den Beifahrersitz.„Von wegen morsch, tsssss“, murmelte er und lächelte zufrieden, als er auf die Dorfstraße bog.Wie fast jeden Samstag fuhr er nach Ravensburg, um sich mit seinen Freunden auf dem Markt zu treffen. Gemeinsam hatten sie vor kurzem einen Mordfall gelöst. Bei ihrem Treffen auf dem Markt hatten sie immer die neuesten Informationen ausgetauscht. Nachdem alles vorbei war, hatten sie beschlossen sich weiterhin zu treffen.Er parkte seinen Peugeot wie immer im Bahnstadtparkhaus, da er das Parkhaus am Marienplatz nicht mochte. Es wurde entweder renoviert oder war komplett belegt. Walter benötigte zu Fuß nur zehn Minuten bis zu ihrem Treffpunkt und hatte unterwegs noch in einige Schaufenster geschaut. Ursprünglich trafen sie sich um neun Uhr, doch wegen der Hitze hatten sie den Termin um eine Stunde vorverlegt, bevor das Straßenpflaster sich aufheizen konnte. Manni und Streifenkollege Hans warteten schon an Francescos Kaffeestand und winkten freudig, als sie Walter zwischen den Marktbesuchern entdeckten. Sie begrüßten sich herzlich und Walter stellte sich an, um einen Kaffee zu holen.„Bring mir auch einen mit“, rief Anne, die sich einen Weg zu ihrem Tisch bahnte. Walter bestätigte mit einem Nicken und bestellte bei Francesco zwei Kaffee, als Kripo-Hubert ihm die Hand auf die Schulter legte.„Bestell mir doch auch noch einen. Ich helfe dir auch tragen“, sagte er und wartete bis Walter bezahlt hatte.Das wichtigste Gesprächsthema an diesem Morgen war Kripo-Huberts Blinddarmoperation. Er musste bis ins kleinste Detail schildern, wie die OP abgelaufen war. Zum Beweis zog er sein Hemd aus der Hose und Walter war überrascht, wie klein die Narbe war.„Habt ihr das von der Sailer gelesen?“, fragte Streifenkollege Hans, als Kripo-Hubert mit seiner Geschichte fertig war.Alle sahen ihn nur fragend an, also sprach er weiter.„Na, ihr erinnert euch doch an die Schwester von Pfarrer Sailer? Unser Fall?“Alle nickten.„Jetzt beginnt ihr Prozess. Steht heute in der Zeitung. Sogar im nationalen Teil. Sie hat es wohl nicht ganz so leicht, da ihr Firmenanwalt immer noch nicht gefunden wurde. Der ist mit dem ganzen Geld abgehauen und hat sie im Stich gelassen.“„Geschieht ihr recht“, sagte Manni mürrisch. „Ich habe noch niemanden kennengelernt, der mir auf Anhieb so unsympathisch war.“ Bei der Erinnerung an Pfarrer Sailers Schwester stellten sich ihm die Nackenhaare auf.„Aber ich finde, dass es am Ende doch gerecht ausgegangen ist“, sinnierte Anne. „Auch für Annemarie. Zwanzig Monate auf Bewährung wegen schwerer Körperverletzung – da kann sie sich nicht beschweren.“„Das hätte auch anders ausgehen können“, mischte sich Walter ein. „Hätte Dr. Vorn-Lang sich nicht eingemischt und betätigt, dass der Tod des Pfarrers nicht zwangsläufig von Annemaries Koffein verursacht sein musste, wäre es wohl zu einem anderen Urteil gekommen.“„Ja, schade um den Doktor“, trauerte Anne, die Dr. Vorn-Langs Assistentin gewesen war und nippte abwesend an ihrem Kaffee. Der Pathologe Dr. Vorn-Lang hatte sich erst vor kurzem von seiner Frau und seinem Doppelnamen getrennt und danach auch noch von seiner Arbeit. Er hatte die Pathologie aufgegeben und mit einem Schulfreund, der ebenfalls Arzt war, eine orthopädische Praxis eröffnet.„Wie macht sich denn die Neue?“, fragte Walter. Anne hatte bereits vor zwei Wochen von Dr. Langs Nachfolgerin erzählt.„Ich muss mich erst noch an sie gewöhnen. Sie ist supernett und fachlich absolut top, aber sie hat so einen schrägen Humor. Egal wen wir vor uns auf dem Tisch haben – und da sind manchmal wirklich sehr tragische Fälle dabei – sie hat immer einen Witz parat. Und dann stehst du da vor der Leiche und kannst dir fast das Lachen nicht verkneifen. Ich muss wegen ihres Namens eh schon immer grinsen.“„Was ist mit ihrem Namen?“, fragte Kripo-Hubert, der wegen seiner Blinddarm-OP Annes Erzählungen verpasst hatte.„Du weißt doch wie Annes alter Chef hieß?“, fragte Manni.„Dr. Lang“, antwortete Kripo-Hubert. „Und? Was ist daran komisch?“„Na, daran nichts“, gluckste Manni, „aber jetzt rate mal, wie die Neue heißt …“„KURZ … sie heißt Dr. Kurz“, platzte es aus Streifenkollege Hans heraus, und alle begannen laut zu lachen. Einem nach dem anderen kamen die Tränen und Walter musste nach Luft schnappen. Erst nach ein paar Minuten beruhigte die kleine Gruppe sich.„Das tut so gut mit euch“, sagte Walter und schnäuzte in sein Stofftaschentuch. „Eigentlich schade, dass wir uns zurzeit nicht öfter sehen.“„Das stimmt“, nickte Streifenkollege Hans, „das war eine aufregende und spannende Zeit damals. Der Alltag kommt mir jetzt im Vergleich gerade richtig langweilig vor.“„Hey – seid vorsichtig mit dem, was ihr sagt“, unterbrach Anne, „soll etwa nochmal jemand umgebracht werden, nur damit wir uns öfter sehen?“ „Natürlich nicht“, beschwichtigte Kripo-Hubert, „das hat doch niemand gesagt. Aber ich fand es damals auch aufregend. Wir haben uns so gut ergänzt … und es hat Spaß gemacht.“„Und das Abschlussfest war das Allerbeste“, lachte Manni und rieb sich zur Bestätigung über den Bauch. „Ich glaube, an dem Abend hab ich zwanzig von diesen genialen Grillsteaks gegessen. Dein Grillmeister hatte das perfekt im Griff.“ Walter dachte auch immer wieder an diesen perfekten Abend zurück. Und an den wunderschönen Moment mit Liesl, als sie ihm das „du“ angeboten und ihn geküsst hatte. Bis heute war er unsicher, ob es nur ein Freundschaftskuss gewesen war oder doch mehr bedeutete. Doch seit diesem Abend hatte Liesl keinen weiteren Versuch unternommen, sich ihm anzunähern oder gar zu küssen. Vielleicht erwartete sie ja auch, dass Walter jetzt die Initiative ergriff? Er war unsicher, was er tun sollte, denn eines wollte er auf keinen Fall: ihre wunderbare Freundschaft zerstören. Er hätte gerne mit jemand darüber gesprochen, doch der einzige, mit dem er sich ein solches Gespräch vorstellen konnte, war Liesl. Eine Zwickmühle. Walter seufzte.„Oh weh, was hast du Walter?“, fragte Anne besorgt und nahm ihn tröstend in den Arm. „Alles ist gut“, log Walter, ließ sich aber trotzdem noch ein bisschen von der hübschen jungen Frau umarmen. „Ich freue mich einfach, dass ich euch als Freunde habe. Und heute Nachmittag kommt Liesl auch schon wieder zurück.“„Stimmt, sie ist ja für eine Woche nach Frankfurt zurück, um sich mit Freundinnen zu treffen“, erinnerte sich Streifenkollege Hans. „Wie lief es denn? Hast du schon was gehört?“„Leider nein. Sie hat sich gar nicht gemeldet“, sagte Walter etwas niedergeschlagen. Keiner wollte darauf etwas sagen, bis Anne ihn nochmal fest an sich drückte und auf die Wange küsste.„Liesl hatte sicher so ein volles Programm, dass sie gar nicht dazu kam, sich bei dir zu melden. Außerdem war sie ja nur eine Woche weg – was soll da schon passieren?“Walter teilte Annes Meinung zwar nicht ganz, wollte aber gerne an ihre Version glauben.„Heute Nachmittag weiß ich dann mehr“, sagte Walter und begann sich einzeln von seinen Freunden zu verabschieden.„Heute hast du es aber eilig“, kritisierte ihn Manni mit einem Augenzwinkern.„Ich will auf dem Rückweg noch ins Frischeländle in Bavendorf“, erklärte Walter. „Ich habe Liesl versprochen vor ihrer Rückkehr ihren Kühlschrank aufzufüllen. Bisschen Wurst und Käse, ein paar Tomaten und ein leckeres Bauernbrot.“Auf dem Rückweg zum Parkhaus wurde es bereits unerträglich heiß und Walter versuchte möglichst im Schatten zu laufen. Sein Peugeot hatte im Parkhaus unter Dach gestanden und war schön kühl, doch schon nach wenigen hundert Metern auf der Straße schien der kleine Wagen zu kochen. Durch die weit geöffneten Fenster, die Klimaanlage des kleinen Mannes, wehte immer nur neue heiße Luft ins Wageninnere. Walter fühlte sich wie in einem Hochofen, während ihm der Schweiß in breiten Rinnsalen über den Körper lief und sein Hemd an seinen Oberkörper klebte. Zu allem Übel schaltete auch noch fast jede Ampel bei Walters Annäherung auf Rot, wobei der Luftstrom zwischen den Fenstern zum Stillstand kam. Walter drückte sich mit der Nase an das altersschwache Gebläse, dass auf höchster Stufe kaum mehr produzierte als ein laues Lüftchen. An einer weiteren roten Ampel in der Weststadt hielt neben ihm ein junges Mädchen. Sie hatte alle Fenster geschlossen und schaute amüsiert auf Walter, der fast auf dem Sitz lag, um möglichst viel vom Gebläse abzukriegen. Als sich ihre Blicke trafen, versuchte Walter ein gezwungenes Lächeln, doch der Schweiß brannte in seinen Augen und als er ihn mit dem Hemdärmel weggewischt hatte, hatte die Ampel auf Grün geschaltet und das Mädchen war davongebraust.
Nach drei weiteren roten Ampeln erreichte Walter endlich Bavendorf. Er bog zum Frischeländle ein und parkte direkt seitlich an der Straße, um so schnell wie möglich aus dem Auto zu kommen. Er ließ die Fenster offen und rettete sich ohne Abzuschließen in den Schatten des Vordachs. Mit seinem Stofftaschentuch wischte er den Schweiß aus dem Gesicht.„Hey – Ihr Auto!“, rief ein mürrisch dreinschauender Frührentner. Walter vermutete, dass ihm sein Parktstil nicht gefiel und grummelte nur ein kurzes „Bin ja gleich wieder weg.“Doch der Mann gab keine Ruhe. „Schauen Sie doch! Ihr Auto – es rollt weg!“Walter erstarrte erst und drehte sich dann panisch um. Er hatte vergessen die Handbremse anzuziehen und sein Peugeot machte sich nun selbstständig. Ganz langsam rollte er die leicht abschüssige Straße hinunter. Noch nicht einmal Schrittgeschwindigkeit. Da vor ihm kein weiteres Auto parkte, war das aber kein Problem und Walter glaubte schon an ein gutes Ende, als plötzlich die Räder ohne erkennbaren Grund einschlugen, und den 205er auf einen geparkten kleinen Geländewagen zusteuerten. Gleichzeitig wurde er aber durch den Richtungswechsel immer langsamer, bis er fast still stand. Fast. Mit einem kaum wahrnehmbaren Schubser berührte Walters Peugeot die Anhängerkupplung des SUV, der noch nicht mal wackelte.Walter atmete erleichtert aus. KRABAMMWalters komplette Frontverkleidung löste sich und fiel scheppernd zu Boden. Ungläubig starrte er auf den Schaden.„Das kann man sicher ganz leicht reparieren“, mischte sich der unfreundliche Frührentner ein, als mit einem weiteren Krachen die Fahrertür aus ihren Angeln brach und neben dem Peugeot auf die Straße knallte. „Jetzt wird es wohl doch etwas teurer“, mutmaßte der alte Mann und nippte genüsslich an seinem Cappuccino. „Ist das ihr Schrotthaufen da hinter meinem Auto?“, fragte ein junger Mann in Arbeitskleidung und zeigte vorwurfsvoll auf Walters Wagen. „Das kann man sicher ganz leicht reparieren“, stammelte Walter apathisch, als es erneut krachte. Doch diesmal fiel nichts ab. Die vorderen Stoßdämpfer brachen zeitgleich durch das morsche Blech, an dem sie befestigt waren und der gesamte Wagen sackte gute zehn Zentimeter nach unten. Die vorderen Radkästen standen nun auf den Rädern auf.„Er ist von uns gegangen“, murmelte der Frührentner mitfühlend. „Mein herzliches Beileid.“„Scheißndreckn“, antwortete Walter.
7
Walter stand vor Liesls Kühlschrank und räumte hektisch den Einkauf ein. Es war bereits kurz nach drei Uhr und Liesl konnte jeden Moment ankommen. Es hatte sich wie eine Ewigkeit angefühlt, bis der Abschleppwagen vom ADAC gekommen war. Der Fahrer hatte Walters Peugeot recht unsanft aufgeladen. Die Bitte, etwas vorsichtiger mit dem 205er umzugehen, hatte er mit einem verständnislosen Kopfschütteln zur Kenntnis genommen. Dann waren sie zu Faxes Garage gefahren und hatten den Peugeot etwas abseits abgeladen. Daneben hatte der ADAC-Mann einen hübschen Haufen mit den abgefallenen Autoteilen aufgestapelt. Der Anblick hatte Walter die Tränen in die Augen getrieben. Faxe, der an diesem Samstag ein Yoga-Seminar in Roggenbeuren besuchte, hatte ihm am Telefon versprochen, so bald wie möglich einen Blick auf den Peugeot zu werfen. Walter kannte sich nicht mit Autos aus, aber er befürchtete das Schlimmste.Eglon strich um Walters Füße und miaute süß, lieb und hungrig, bis Walter ihm ein Futterbeutelchen in seinen Napf drückte.„Eine Diät würde dir auch nicht schaden“, brummelte Walter und streichelte dem dicken roten Kater den Kopf.„Noch ein Wort und du blutest“, zischte Eglon, was Walter natürlich nicht verstand.Balu, den Walter im Garten gelassen hatte, bellte zweimal. Das eindeutige Zeichen für Besuch. Er ging zur Eingangstür und öffnete sie in dem Moment, in dem Liesl mit ihrem Toyota vor der Garage zum Stehen kam. Walter ging auf das Auto zu und versuchte, sich seine Aufregung nicht anmerken zu lassen.„Herzlich willkommen zu Hause“, begrüßte er sie, als Liesl die Fahrertür öffnete.Sie stieg aus und umarmte Walter herzlich.