Grenzenlos - R.A. Salvatore - E-Book

Grenzenlos E-Book

R.A. Salvatore

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Beschreibung

Er gilt als unbesiegbar, doch er ist sterblich – seine Gegner nicht! Die Fortsetzung der Generationen-Trilogie mit dem berühmtesten Dunkelelf der Welt.

Der Dunkelelf Drizzt Do'Urden und seine Freunde kämpfen an allen Fronten, um das Zwergenkönigreich Gauntlgrym gegen die anrückenden Dämonenhorden zu verteidigen. Die Zwergenfestung ist stark, und König Bruenor kann auf schlagkräftige Verbündete zählen. Doch im Hintergrund zieht die Spinnengöttin Lolth selbst die Fäden. Ihre Dienerinnen hetzen zwei unbesiegbare und unsterbliche Kreaturen auf Drizzt und seinen Vater, um so König Bruenors beste Kämpfer zu beseitigen. Es ist ein Kampf, den nicht einmal der sagenumwobene Dunkelelf überleben kann …

Die Generationen-Trilogie bei Blanvalet:
1. Zeitenlos
2. Grenzenlos
3. in Vorbereitung

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MOBI

Seitenzahl: 554

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Buch

Der Dunkelelf Drizzt Do’Urden und seine Freunde kämpfen an allen Fronten, um das Zwergenkönigreich Gauntlgrym gegen die anrückenden Dämonenhorden zu verteidigen. Die Zwergenfestung ist stark, und König Bruenor kann auf schlagkräftige Verbündete zählen. Doch im Hintergrund zieht die Spinnengöttin Lolth selbst die Fäden. Ihre Dienerinnen hetzen zwei unbesiegbare und unsterbliche Kreaturen auf Drizzt und seinen Vater, um so König Bruenors beste Kämpfer zu beseitigen. Es ist ein Kampf, den nicht einmal der sagenumwobene Dunkelelf überleben kann …

Autor

R. A. Salvatore wurde 1959 in Massachusetts geboren, wo er auch heute noch lebt. Bereits sein erster Roman »Der gesprungene Kristall« machte ihn bekannt und legte den Grundstein zu seiner weltweit beliebten Romanserie um den Dunkelelf Drizzt Do’Urden. Die Fans lieben Salvatores Bücher vor allem wegen seiner plastischen Schilderungen von Kampfhandlungen und seiner farbigen Erzählweise.

Die Legende von Drizzt bei Blanvalet:

Menzoberranzan

Die Dunkelelfen · Die Rache der Dunkelelfen · Der Fluch der Dunkelelfen

Das Eiswindtal

Der gesprungene Kristall · Die silbernen Ströme · Der magische Stein

Das Vermächtnis des Dunkelelfen

Das Vermächtnis · Nacht ohne Sterne · Brüder des Dunkels · Die Küste der Schwerter

Pfade der Dunkelheit

Kristall der Finsternis · Schattenzeit · Die Rückkehr der Hoffnung

Die Söldner

Der schwarze Zauber · Der Hexenkönig · Die Drachen der Blutsteinlande

Die Klingen des Jägers

Die Invasion der Orks · Kampf der Kreaturen · Die zwei Schwerter

Übergänge

Der König der Orks · Der Piratenkönig · Der König der Geister

Niewinter

Gauntlgrym · Niewinter · Charons Klaue · Die letzte Grenze

The Sundering – Die Gefährten

Das Buch der Gefährten

Die Nacht des Jägers · Der Aufstieg des Königs · Die Vergeltung des Eisernen Zwerges

Die Heimkehr

Meister der Magie · Meister der Intrige · Meister des Kampfes

Generationen

Zeitenlos · Grenzenlos

Weitere Titel in Vorbereitung

Außerdem: Erzählungen vom Dunkelelf

Besuchen Sie uns auch auf www.instagram.com/blanvalet.verlag und www.facebook.com/blanvalet.

Roman

Deutsch von Imke Brodersen

Die Originalausgabe erschien 2019 unter dem Titel »Boundless

A Drizzt Novel (Generations 2)« bei Harper Voyager, New York.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright der Originalausgabe © 2019 by Wizards of the Coast LLC

Published by arrangement with Harper Voyager, an imprint of HarperCollins Publishers, LLC.

FORGOTTEN REALMS, NEVERWINTER, DUNGEONS & DRAGONS, D&D, WIZARDS OF THE COAST and their respective logos are trademarks of Wizards of the Coast LLC in the U.S.A. and other countries.

© 2019 Wizards of the Coast LLC. Licensed by Hasbro.

Published in the Federal Republic of Germany by Blanvalet Verlag, München

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2022 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkterstr. 28, 81673 München

Redaktion: Alexander Groß

Covergestaltung: Isabelle Hirtz, Inkcraft nach einer Originalvorlage von Harper Voyager

Coverdesign: Richard L. Aquan

Covermotiv: Aleksi Briclot

HK · Herstellung: sam

Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-641-26653-0V001

www.blanvalet.de

Für Diane. Und für Julian, Camillo, Dominic, Charlie und Owen, die nächste Generation, während die wunderbare Reise weitergeht.

Dramatis Personae

In der Vergangenheit … nur Drow

Haus Do’Urden

Oberin Malice Do’Urden: Die kampflustige, junge Anführerin von Haus Do’Urden, ehrgeizig und unersättlich. Fest entschlossen, eines Tages in der Hierarchie der knapp achtzig Häuser von Menzoberranzan so weit aufzusteigen, bis sie einen Sitz im Herrschenden Konzil erhält, der nur den acht führenden Häusern zusteht.

Zaknafein Do’Urden: Früher Waffenmeister von Haus Simfray. Bei der Schlacht, in der sein Haus unterging, wurde Zaknafein entführt und der unersättlichen, ehrgeizigen Oberin Malice übergeben. Er dient ihr als Waffenmeister und Liebhaber. Dank Zaknafein gilt Haus Do’Urden als echte Bedrohung für viele höherrangige Häuser.

Lehnsherr Rizzen Do’Urden: Der offizielle Gefährte von Malice. Vater von Nalfein. Die ehrgeizige Malice hält ihn für unglaublich mittelmäßig.

Nalfein Do’Urden: Ältester Sohn von Malice. Nalfein ist genau das, was von einem Vater wie Lehnsherr Rizzen zu erwarten ist.

Briza Do’Urden: Älteste Tochter von Malice. Ungewöhnlich groß und breit, sehr mächtig.

Haus Xorlarrin

Oberin Zeerith Xorlarrin: Mächtige Anführerin des Vierten Hauses der Stadt.

Horoodissomoth Xorlarrin: Hauszauberer und ehemaliger Lehrmeister von Sorcere, der Drow-Akademie für arkane Magie.

Kiriy Xorlarrin: Priesterin der Lolth, Tochter von Zeerith und Horoodissomoth.

Haus Simfray:

Oberin Divine Simfray: Herrscherin über ihr kleines Haus.

Haus Tr’arach

Oberin Hauzz Tr’arach: Verstorbene Oberin ihres kleinen Hauses.

Duvon Tr’arach: Sohn von Oberin Hauzz. Waffenmeister des Hauses. Will sich unbedingt bewähren.

Daungelina Tr’arach: Älteste Tochter von Oberin Hauzz und Erste Priesterin des Hauses.

Dab’nay Tr’arach: Tochter von Oberin Hauzz. Steht seit dem Fall ihres Hauses vorerst im Dienst von Jarlaxle.

Haus Baenre

Oberinmutter Yvonnel Baenre: Auch als Yvonnel die Ewige bekannt. Oberinmutter Baenre ist unangefochtenes Oberhaupt nicht nur des Ersten Hauses, sondern von ganz Menzoberranzan. Auch andere Familien können ihre Oberinnen zwar als Oberinmutter ansprechen, aber als »die Oberinmutter« der Stadt gilt Yvonnel Baenre. Sie ist die älteste lebende Drow und hat diese Machtposition schon länger inne, als sich jeder andere Bewohner der Stadt erinnern kann.

Gromph Baenre: Oberinmutter Baenres ältestes Kind. Erzmagier von Menzoberranzan, höchstrangiger Mann der Stadt und in den Augen vieler der mächtigste Zauberer im gesamten Unterreich.

Dantrag Baenre: Sohn von Oberinmutter Baenre. Waffenmeister ihres Hauses. Gilt als einer der größten Krieger der Stadt.

Triel, Quenthel und Sos’Umptu Baenre: Drei Töchter von Oberinmutter Baenre. Priesterinnen der Lolth.

Weitere wichtige Drow:

K’yorl Odran: Oberin von Haus Oblodra, das für seine Beherrschung der seltsamen Gedankenmagie, Psionik, bekannt ist.

Jarlaxle: Schurke ohne Haus und Gründer von Bregan D’aerthe, einer Söldnerbande, die unauffällig Dienste für diverse Drow-Häuser erledigt, vor allem aber auf den eigenen Vorteil bedacht ist.

Arathis Hune: Stellvertreter von Jarlaxle und herausragender Assassine. Wie viele andere Mitglieder von Bregan D’aerthe nach dem Zusammenbruch seines Hauses zur Bande gestoßen.

In der Gegenwart … viele Völker.

Drizzt Do’Urden: Geboren in Menzoberranzan, vor der Bosheit der Stadt geflohen. Drow-Krieger, Held des Nordens, einer der Gefährten der Halle.

Catti-brie: Menschenfrau, Frau von Drizzt. Auserwählte der Göttin Mielikki. In der arkanen und heiligen Magie bewandert. Gefährtin der Halle.

Regis alias Spinne Paraffin: Halbling. Mann von Donnola Topolino. Anführer der Halblingstadt Rebenblut. Gefährte der Halle.

König Bruenor Heldenhammer: Achter König von Mithril-Halle, Zehnter König von Mithril-Halle, Dreizehnter König von Mithril-Halle, heute König von Gauntlgrym, einer uralten Zwergenstadt, die er mit seiner Zwergensippe zurückerobert hat. Gefährte der Halle. Adoptivvater von Wulfgar und Catti-brie.

Wulfgar: Geboren im Elchstamm im Eiswindtal. Der große Mann wurde von Bruenor in der Schlacht gefangen genommen und wuchs als Adoptivsohn des Zwergenkönigs auf. Gefährte der Halle.

Artemis Entreri: Ehemaliger Erzfeind von Drizzt. Mensch und Assassine, dem Drow-Krieger möglicherweise im Kampf gewachsen. Gehört heute zu Jarlaxles Bande, Bregan D’aerthe, und betrachtet Drizzt und die anderen Gefährten der Halle als seine Freunde.

Guenhwyvar: Magischer Panther, Begleiterin von Drizzt, wird von der Astralebene zu ihm gerufen.

Andahar: Magisches Einhorn, das Drizzt als Reittier herbeirufen kann. Im Gegensatz zu Guenhwyvar, die lebendig ist, ist Andahar ein rein magisches Wesen.

Lord Dagult Nieglut: Statthalter von Tiefwasser und Lordprotektor der Stadt Niewinter. Gutaussehender, ehrgeiziger Mensch.

Penelope Harpell: Anführerin der exzentrischen Zaubererfamilie Harpell. Schützt von ihrem Landsitz aus, dem Efeu-Herrenhaus, die Kleinstadt Langsattel. Penelope ist eine mächtige Zauberkundige, die Catti-brie unterweist und gelegentlich Stelldicheins mit Wulfgar hat.

Donnola Topolino: Halbling. Frau von Regis. Anführerin der Halblingstadt Rebenblut. Sie stammt aus Aglarond, weit im Osten, wo sie einst eine Diebesgilde leitete.

Inkeri Margaster: Adlige aus Tiefwasser. Gilt als Oberhaupt des Hauses Margaster von Tiefwasser.

Alvilda Margaster: Cousine von Inkeri. Ebenfalls Adlige aus Tiefwasser.

Brevindon Margaster: Inkeris Bruder, weiterer Adliger aus Tiefwasser.

Großmeister Kane: Mensch und Mönch, der seine sterbliche Hülle transzendiert hat und ein Wesen jenseits der Materiellen Ebene geworden ist. Kane ist Großmeister der Blumen im Kloster der Gelben Rose im fernen Damara. Als Freund und Mentor hilft er Drizzt, auf seinem turbulenten Weg endlich seinen Frieden zu finden.

Dahlia Syn’dalay (Dahlia Sin’felle): Eine große, schöne Waldelfe mit blauen Augen. Ihr Erscheinungsbild ist ebenso überraschend wie ihre brillante Kampfkunst. Eine Zeitlang war Dahlia mit Drizzt zusammen. Heute ist sie die Gefährtin von Artemis Entreri, und gemeinsam finden die beiden einen besseren Weg als jeder für sich allein.

Thibbledorf Pwent: Der kampfgestählte Zwerg ist in seiner scharfkantigen Stachelrüstung eine wandelnde Waffe. Seine Treue ist ebenso legendär wie der Gestank, der von ihm ausgeht. Seine schier selbstmörderischen Angriffe starteten stets mit dem Schrei: »Mein König!« Er ist in den Tiefen von Gauntlgrym bei der Rettung von König Bruenor umgekommen. Da er jedoch von einem Vampir getötet wurde, war dieser Tod nicht das Ende, und so spukt Pwent als verfluchtes, unglückliches Wesen durch die tiefsten Tunnel von Gauntlgrym, wo er seinen ewigen Hunger jenseits des Zwergenreichs mit Goblins stillt.

Die Brüder Felsenschulter, Ivan und Pikel: Ivan Felsenschulter ist ein in Ehren ergrauter Veteran vieler magischer und weltlicher Schlachten. Als Kommandant von Bruenors Wachen in Gauntlgrym hat der Zwerg eine Vertrauensposition inne.

Deutlich exzentrischer als Ivan ist sein Bruder Pikel. Er hat grüne Haare und betrachtet sich als Druiden (Duu-dad). Pikel unterstützt Donnola Topolino beim Anlegen erstklassiger Weinberge in Rebenblut. Sein begrenzter, schwer verständlicher Wortschatz unterstützt das täuschend unschuldige Auftreten dieses ziemlich mächtigen Zwergs.

Kimmuriel Oblodra: Ein mächtiger Drow-Psioniker, der mit Jarlaxle zusammen Bregan D’aerthe leitet. Er ist das logische Gegenstück zum emotionalen Jarlaxle, was Jarlaxle bewusst ist.

Unsterbliche

Lolth, Herrin des Chaos, Dämonenkönigin der Spinnen, Königin der Dämonennetzhöllen: Die mächtige Dämonin Lolth herrscht als einflussreichste Göttin der Drow besonders über die größte Drow-Stadt, Menzoberranzan, die wegen der Ergebenheit ihrer Bewohner auch als die Spinnenstadt bezeichnet wird. Die Herrin des Chaos macht ihrem Namen alle Ehre, indem sie ihre Anhänger stets auf Neue schockiert und ihre wahren Pläne unter dem Netz anderer Intrigen verhüllt, die offensichtlicher und verständlicher erscheinen. Ihr eigentliches Anliegen ist das Chaos.

Eskavidne und Yiccardaria: Diese Yochlol-Dämoninnen sind weniger mächtig und dienen Lolth als persönliche Zofen. Beide sind so gewieft und einfallsreich, dass Lolth ihnen bei ihren Besuchen bei den Drow viel Freiheit gewährt, damit sie alles hinreißend durcheinanderwirbeln.

Prolog

Das Jahr des Wiedererstandenen Zwergenvolks, Zeitrechnung der Täler 1488

Regis hörte das Keuchen seines armen Ponys, aber er wagte nicht, langsamer zu reiten, denn die Schatten in den Schatten waren nicht weit – schwarze, ungeschlachte Wesen, brodelnd vor Bosheit und schwelender Wut.

Dämonen. Der ganze Wald war voller Dämonen.

Der Halbling suchte einen Weg durch die Bäume und trieb den armen Knurrbauch unablässig weiter. Hinter dem nächsten Felsen führte der Pfad in Richtung Süden auf eine Lichtung. Verstört registrierte Regis, wie stark sein braun-weißer Pinto schwitzte.

Immerhin konnte er jetzt eine kurze Pause einlegen, wenn auch nur, weil Showithal Terdidy, einer der Anführer der Grinsenden Ponys, von der anderen Seite auf die Lichtung geritten kam.

»Wo ist Doregardo?«, fragte Regis, als er seinen Freund erreichte.

Showithal nickte zurück zu dem Weg, von dem er kam. »Da kommen wir nicht durch«, sagte er. »Der Wald wimmelt nur so von Dämonen.«

»Und sie ziehen alle in dieselbe Richtung«, ergänzte Regis.

Showithal nickte. »Doregardo geht davon aus, dass ein größerer Plan dahintersteckt. Und dass die Monster von Rebenblut wissen«, teilte er Regis mit. »Allen Meldungen zufolge, die über unsere Linie laufen, schlagen sie einen großen Bogen und dürften dann alle auf einmal auf die Stadt losgehen.«

»Dann müssen wir vor ihnen da sein«, befahl Regis. »Macht alle kehrt und reitet um euer Leben. Beziehungsweise um das Leben von allen in Rebenblut!«

»Aber die Höfe … die Weiler …«

Regis schüttelte den Kopf. »Da kommt ihr niemals an. Und selbst wenn es euch gelänge, würdet ihr die Dämonen nur zu neuen Opfern führen. Die Bauern werden sie hören. Die leben schon immer hier draußen in der Wildnis. Sie werden sich verbarrikadieren. Ihr müsst nach Rebenblut. Ihr alle.«

»Wir alle, Spinne Paraffin«, betonte Showithal.

Regis schüttelte erneut den Kopf. »Tiefwasser muss davon erfahren«, erklärte er. Diese Worte fielen ihm unglaublich schwer. Er hätte nichts lieber getan, als umzukehren und nach Rebenblut zurückzugaloppieren, um sich mit seiner geliebten Donnola und dem braven Knurrbauch über die Loren nach Gauntlgrym in Sicherheit zu bringen. Aber das konnte er nicht. Nicht jetzt.

Nicht in diesem Leben.

In seinem früheren Leben war Regis das Anhängsel gewesen, das seinen geliebten Gefährten der Halle oft den Sieg erschwert hatte, anstatt ihnen zu helfen, ihre Ziele zu erreichen – so jedenfalls sah er das. Damals, vor all den Jahren, war Regis der unbedeutendste jener Helden gewesen. Dieses Mal hatte er bei seiner Wiedergeburt beschlossen, es anders zu machen. Er wollte keine Last sein. Er wollte ein Held sein, der sich der Freundschaft von Drizzt, Bruenor, Catti-brie und Wulfgar als würdig erwies.

Daher wusste er, was er zu tun hatte. Er musste nach Tiefwasser reiten, in die prächtige Krone des Nordens, die einflussreichste und mächtigste Stadt von Faerûn. Die Fürsten von Tiefwasser konnten den Ansturm der Dämonen zurückwerfen, und deshalb musste Regis zu ihnen.

»Wenn du nach Tiefwasser willst, reitest du nicht allein!«, beschloss Showithal und lenkte sein Pony neben Knurrbauch.

»Du informierst die Grinsenden Ponys, dass sie nach Rebenblut zurückmüssen«, befahl Regis. »Das ist ebenso wichtig.«

Geräusche im Wald ließen beide zwischen die Bäume spähen.

Dämonen.

»Los!«, befahl Regis und verpasste dem Pony von Showithal einen so kräftigen Klaps auf die Flanke, dass es einen Satz machte. Dann wendete er Knurrbauch und galoppierte in die Dunkelheit auf der anderen Seite davon.

Während er zwischen den Bäumen hindurchstob, folgten ihm schwere Schritte, und über ihm summte es im Blätterdach.

»Ich weiß, mein Freund«, flüsterte er dem armen Knurrbauch ins Ohr. »Dieses Stück noch, dann darfst du dich ausruhen.«

Er glaubte selbst nicht daran. Knurrbauch würde alles geben, ja, aber ihm war klar, dass er sein schönes blauäugiges Pony wahrscheinlich buchstäblich zu Tode reiten würde.

Andererseits hatte er keine Wahl.

Sie waren überall. Sie waren über ihm und sogar unter ihm, wie er entsetzt feststellte, als seitlich plötzlich der Boden aufbrach, riesige Scheren mit Leichtigkeit Baumwurzeln durchtrennten und ein massiger Dämon aus der Erde kroch. Mit langen Sätzen nahm ein breitschultriger, vierarmiger Glabrezu die Verfolgung auf, der das Tempo von Knurrbauch problemlos halten konnte.

Dicht hinter Regis folgte ein geierartiger Dämon, der halb flog, halb rannte.

Knurrbauchs Atmung wurde immer mühsamer, und Regis wusste, dass er diesem Dämon nicht mehr lange entfliehen konnte.

Dennoch sagte er störrisch: »Nein«, senkte den Kopf tiefer und trieb sein erschöpftes Tier zu einem halsbrecherischen Tempo an. Er hoffte nur, dass sie nicht an einem Baum landen würden.

Showithal Terdidy hielt Doregardo für den besten Halblingreiter aller Zeiten, und dies wurde gerade aufs Neue bestätigt: Mühelos lenkte Doregardo den schwarzen Hengst durch das Gewirr der Bäume, ohne bei Hindernissen oder Dickicht nennenswert langsamer zu werden. Jede Biegung sah er rechtzeitig voraus, lehnte sich in die Kurve und trieb sein Pony, dem er voll vertraute, vorwärts. Dass dieses Tier ihm ebenfalls vertraute, war unverkennbar.

Ein ganzer Schwarm Dämonen jagte Doregardo, darunter auch etliche, die er sehr geschickt von Showithal abgelenkt hatte. Doregardo würden sie nicht erwischen, glaubte Showithal.

Niemand erwischte den großen Doregardo von den Grinsenden Ponys.

Als er sein Pony bergab in die nächste Baumgruppe lenkte, waren ihm die Dämonen auf den Fersen. Trotz seiner Zuversicht hielt Showithal den Atem an und verzog das Gesicht, als die Bäume heftig in Bewegung gerieten und er das Knurren, Kreischen und Brüllen der Dämonen vernahm.

Aber da kam Doregardo auch schon seitlich herausgaloppiert. Bisher hatten er und sein Pony keinen Kratzer davongetragen, soweit Showithal das sehen konnte, und momentan hatte er die Verfolger abgeschüttelt. Der Kampf im Wald hingegen ging weiter.

Trotz der verzweifelten Lage musste Showithal Terdidy lächeln. Doregardo hatte die Dämonen gegeneinander gehetzt, und jetzt fielen die chaotischen Wesen mit Zähnen und Klauen übereinander her.

Als die beiden sich kurz darauf auf einer Lichtung wiedertrafen, war klar, dass Doregardo ihnen wertvolle Zeit verschafft hatte.

»Die ganze Truppe ist nach Rebenblut umgekehrt«, teilte Doregardo seinem Stellvertreter mit. »Wir haben keine Verluste, aber das wird nicht lange so bleiben.«

»Es sind einfach zu viele«, stimmte Showithal zu.

Wie aufs Stichwort gerieten die Büsche hinter ihnen in Bewegung, und gleich darauf brachen zwei groteske Dämonen auf die Lichtung. Die beiden Halblinge waren jedoch schon wieder in Bewegung. Doregardo ließ Showithal, der direkt auf die ferne Siedlung zupreschte, einen Vorsprung, während er selbst im Wald im Zickzack ritt.

Aber es tauchten immer mehr Schatten an ihren Flanken auf, und über ihnen summte es lautstark. Trotz aller Anstrengungen und aller taktischen Manöver von Doregardo wussten die beiden, dass sie in großen Schwierigkeiten steckten, als sie sich ein Stück weiter auf einem breiten Weg wiedersahen. Bald darauf erreichten sie gemeinsam die nächste Lichtung. Inzwischen verstanden sie das Ausmaß ihres Problems.

»Es werden andere durchkommen«, sagte Doregardo düster zu seinem Freund.

»Wir schaffen das!«, beharrte Showithal.

Doregardo nickte, war aber offenkundig nicht überzeugt. Showithal erging es ähnlich, denn inzwischen waren die Schatten vor ihnen und bewegten sich rechts und links zwischen den Bäumen.

»Also dann«, sagte Doregardo. »Du in gestrecktem Galopp. Kopf runter und vorwärts! Ich beschäftige unsere fiesen Verfolger. Grüß mir Spinne und Lady Donnola, ja?«

Er trieb sein Pony an, kam aber nicht weit, denn Showithal griff ihm in die Zügel und hielt ihn zurück.

Doregardo sah ihn fragend an.

»Wenn du sie ablenkst, werden sie mich letztlich doch erwischen«, sagte Showithal. »Das weißt du selbst. Nur Doregardo schafft es nach Rebenblut. Und nur allein.«

»Es werden auch andere schaffen«, beharrte Doregardo.

»Möglich. Aber willst du das Risiko eingehen? Wie viele werden sterben, wenn niemand sie warnt?«

»Dann warn du sie. Ich komme nach.«

»Nein«, sagte Showithal leise. »Reite du. So schnell du kannst.«

»Ich verschaffe dir einen Vorsprung.«

Die beiden Halblinge waren ihr Leben lang Freunde gewesen und seit Jahrzehnten Waffenbrüder. In dem langen Blick, den sie jetzt wechselten, lagen Freundschaft und brüderliche Liebe.

Und Akzeptanz.

»Los«, sagte Showithal.

Doregardo schüttelte wieder den Kopf.

»Sonst verschwendest du meine Tapferkeit!«, warnte Showithal.

Doregardo wollte antworten, doch es gab nichts mehr zu sagen. Er ging nicht davon aus, dass auch nur einer von ihnen den Wald lebend verlassen würde. Aber wenn jemand mit etwas Vorsprung eine gewisse Chance hatte, dann natürlich er. »Ich hoffe, Regis-Spinne schafft es nach Tiefwasser«, sagte er.

»Ich hoffe, Doregardo schafft es nach Rebenblut«, erwiderte Showithal. »Und ich hoffe, er bringt Lady Donnola und all die anderen hinter König Bruenors mächtigen Toren in Sicherheit.«

»Also bis dann, alter Freund!«, sagte Doregardo. »Wir sehen uns in Gauntlgrym. Daran werden die Dämonen sich die Zähne ausbeißen.«

Showithal nickte, fand aber nicht die Kraft zu einer vernehmlichen Antwort. Er ließ die Zügel los und verpasste Doregardos Schwarzem noch einen Klaps, als dieser an ihm vorbeitrabte.

Doregardo gab ihm die Sporen, und Showithal Terdidy zog sein Schwert.

Gegen die gewaltigen Monster, die in den Schatten lauerten, erschien ihm seine Waffe kläglich.

So sei es.

Trotz der Verfolger musste Regis sein Pony an dem steilen Abhang zügeln. Mit der rechten Hand griff der Halbling nach der Handarmbrust an seinem Hals und sah sich wiederholt um, denn er erwartete jeden Moment den Angriff eines riesigen Dämons. Er wusste, dass sie ganz in der Nähe waren, aber bisher war kein Angriff erfolgt.

Als das Gelände ebener wurde, atmete er erleichtert auf, bog um einen Felsen und ließ Knurrbauch weitergaloppieren.

Doch hier kannte Regis sich nicht aus. Er ritt aufs Geratewohl drauflos, und der Weg entpuppte sich als Sackgasse. Die Bäume vor ihm waren wie eine unüberwindbare Mauer. Er konnte nirgendwohin.

Regis zügelte sein Pony und fuhr herum. Er hatte nur zwei Möglichkeiten: umkehren oder Knurrbauch verlassen und zu Fuß in den Wald fliehen.

Jetzt tauchten an dem Felsen nicht weit hinter ihm zwei Monster auf: der riesige Dämon mit den vier Armen und der Hundeschnauze, der dreimal so groß war wie der Halbling, und ein zweiter, nicht viel kleinerer, der an eine absurde Kreuzung eines großen Zweibeiners mit einem Bussard erinnerte.

Regis dachte an seine kleinen Waffen und war sich sicher, dass jedes dieser Monster ihn auch allein in Stücke reißen konnte.

»Wir sterben zusammen, Knurrbauch«, sagte er, als die beiden sich langsam näherten. Sie hatten sich offenkundig abgestimmt und achteten darauf, ihm keinen Raum zu lassen, um an ihnen vorbeizustürmen und durchzubrechen. »Ich wüsste keinen tapfereren Weggefährten, mit dem ich diese letzten glorreichen Momente teilen wollte. Auf sie!«

Knurrbauch bäumte sich auf und wieherte, wie um seine Worte zu unterstreichen, und als das Pony wieder auf allen vieren stand, setzte Regis zum Sturmangriff an.

Dann aber stockte er und zog kräftiger an den Zügeln, um seinen schwitzenden Freund zurückzuhalten, denn die Dämonen wandten sich unvermittelt gegeneinander.

Das Geierwesen – ein Vrock – fuhr so plötzlich herum, dass es gegen seinen Begleiter taumelte, als es mit einem schrillen Kreischen hochhüpfte, mit seinen flügelartigen Armen wedelte und mit voller Wucht auf dem vierarmigen Monster landete. Dort oben riss es gewaltsam den Kopf nach vorn, um dem Dämon seinen spitzen Schnabel ins Fleisch zu hacken. Es zielte auf den Hals und hätte beinahe getroffen – womit der Kampf sofort zu Ende gewesen wäre. Aber der Glabrezu drehte sich gerade weit genug um, um dem Vrock die Schulter zuzuwenden. Sofort umschlossen seine zwei Scherenarme den Vrock, während der viel schwerere Glabrezu seine Drehung fortsetzte. Das brachte nicht nur seinen Angreifer, sondern auch ihn aus dem Gleichgewicht. Beide fielen zu Boden, wo sie wild um sich schlagend herumrollten, schlugen, bissen und hackten. Und die schrecklichen, großen Scheren schnappten und rissen tiefe Wunden in den Vrock, aus denen grüne Galle und schwarzes Blut spritzten.

Regis wusste nicht, was das zu bedeuten hatte. Ja, Dämonen waren extrem chaotisch und dafür berüchtigt, dass sie alles töteten, auch andere Dämonen. Aber eine so plötzliche Wende hatte er keinesfalls erwartet. Immerhin standen ein dicker Halbling und ein dickes kleines Pony als bequeme Mahlzeit vor ihnen.

Er war so geschockt, dass er zunächst zu keinerlei Reaktion fähig war, während die beiden Dämonenriesen voller Inbrunst aufeinander einschlugen. Die erschreckenden Geräusche, die seine Verfolger dabei von sich gaben, ließen ihn allerdings wiederholt zusammenzucken, und Knurrbauch tänzelte mit angelegten Ohren nervös zurück. Als erfahrener Reiter erkannte Regis, dass sein armes Pony kurz vor dem Zusammenbruch stand, wenn nicht vor Erschöpfung, dann vor Angst.

Das riss den Halbling aus seiner Benommenheit. Er beugte sich vor und redete beruhigend auf sein Tier ein. »Komm, Knurrbauch«, sagte er. »Ganz ruhig. Wir reiten einfach vorbei.«

Schritt für Schritt trieb er sein Pony in weitem Bogen vorwärts. Falls Ponys auf Zehenspitzen laufen könnten, tat Knurrbauch genau dies.

Regis würdigte die kämpfenden Dämonen keines Blickes. Er hielt sich gebückt, flüsterte Knurrbauch weiter ins Ohr und blieb bereit, das Pony erneut anzuspornen. Genau das kam ihm in den Sinn, als er und sein Tier plötzlich erschrocken zusammenfuhren. Regis richtete sich auf, weil Knurrbauch entsetzt und mit hochgerissenem Kopf zurückscheute, denn vor ihm flog eine dunkle Gestalt über den Weg.

Die Gestalt – der Vrock – prallte gegen einen Baum, wickelte sich halb darum, rutschte am Stamm herunter und begann zu rauchen, als das tote Wesen durch alle Existenzebenen wieder ins Höllenfeuer zurücksank.

In diesem Moment richtete sich der Glabrezu zu seiner vollen Größe auf. Er war verletzt, aber ausgesprochen lebendig. Und ausgesprochen wütend.

Der Dämon kam auf den Weg zurück und breitete alle vier Arme aus, als sollte der Halbling es nur wagen, an ihm vorbeizustürmen.

Regis wusste, dass er es nicht schaffen würde. Er könnte abspringen und angreifen, um seinem braven Pony eine Chance zu lassen.

Aber wo sollte Knurrbauch hin?

»Wir kämpfen, mein tapferes Ross«, sagte er laut. Er versuchte, Zuversicht auszustrahlen, und stieß seinen Degen in die Luft. »Für Knurrbauch, für Rebenblut, für die Gefährten der Halle!«

Als Doregardo sein panisches Tier wieder im Griff hatte, lag bereits ein ganzes Stück zwischen ihm und Showithal. Er hatte seinen Freund aus den Augen verloren, während sein Pony durch die Bäume gestürmt war, eine Anhöhe erklommen hatte und auf der anderen Seite wieder hinuntergelaufen war. Jetzt zügelte der Anführer der Grinsenden Ponys es mit fester Hand, worauf sein Reittier zitternd zum Stehen kam. Dann versetzte er es mit festem Beinschluss und perfekter Kontrolle wieder in Galopp.

Pferd und Reiter wären beinahe über den Haufen gerannt worden, als Showithals Pony vorbeijagte.

Sein reiterloses Pony.

Erst da nahm Doregardo die qualvollen Schreie hinter sich wahr. Sie stammten von seinem Freund. Er trieb sein Pony an, hetzte davon, kam aber bei einem letzten, verzweifelten Schrei erneut zum Stehen.

Die Freundschaft in ihm verlangte, Showithal beizustehen.

Sein Verantwortungsbewusstsein forderte ihn auf, zu seinen Leuten zu reiten, um den Rückzug zu koordinieren und alle erreichbaren Verbündeten zu warnen.

Und Doregardo war Lady Donnola verpflichtet. Daher blieb ihm keine Wahl. Rebenblut musste gewarnt werden, sonst würden Hunderte sterben.

»Wir sehen uns auf den grünen Wiesen des Himmelsbergs, mein Freund«, flüsterte er in den Nachtwind und galoppierte weiter in Richtung der Halblingstadt.

Trotz seiner Trauer begriff Doregardo, wie richtig die Entscheidung gewesen war, als ihn die Nachtwache von Rebenblut bemerkte und freundlich grüßte. Niemand wusste von der anrückenden Dämonenarmee!

»Alarm! Alarm!«, riefen die Halblinge schließlich. Ihr Ruf wurde in alle Richtungen weitergegeben, und bald gingen überall in den Häusern die Kerzen an.

Doregardo ritt direkt zu Lady Donnolas hübschem Haus weiter, dessen Herrin ihn bereits an der Tür begrüßte.

»Wir können nicht gegen sie kämpfen!«, rief er noch vor jeder förmlichen Begrüßung. »Wir müssen nach Gauntlgrym, sonst werden wir alle sterben!«

»Sie?«

»Dämonen, Herrin! So eine Horde habe ich noch nie gesehen. Nicht einmal die Lieder der Barden künden davon. So viele Dämonen wie einst die Drachenschwärme, die zur Zeit des Hexenkönigs Vaasa in Schutt und Asche gelegt haben.«

Lady Donnola, die Doregardos Hang zur Übertreibung natürlich kannte, zog zweifelnd die Augenbrauen hoch.

»Showithal ist tot, Herrin«, teilte Doregardo ihr traurig mit. Showithals Pony stand erschöpft und verloren nicht weit entfernt.

»Wo ist Regis?«, fragte sie eilig.

»Er wollte unbedingt weiter nach Tiefwasser.«

»Aber du sagtest …«, begann sie mit brüchiger Stimme.

Doregardo verstand ihren resignierten Tonfall, denn sie wussten beide, dass Regis sich kaum von einem Vorhaben hätte abbringen lassen, das für den Bestand von Rebenblut derart wichtig war. »Wir können nicht kämpfen«, versicherte Doregardo. »Wir können sie nicht aufhalten. Nach Gauntlgrym, ich bitte dich. Beten wir, dass König Bruenors Streitmacht diese Horde aufhalten kann.«

»Du zweifelst an der Macht von Gauntlgrym?«, fragte Donnola verwundert.

Ohne zu antworten, saß Doregardo mit versteinertem Gesicht auf seinem Hengst.

»So viele?«, fragte Donnola.

»Wir müssen hier weg, Herrin. Bitte! Versuch gar nicht erst, sie aufzuhalten.«

Donnola gab die Nachricht an ihre Leibwächter und von dort an die Stadtwache weiter. Im Nu sprach sich der Rückzug nach Gauntlgrym in der gesamten Stadt herum. Die Halblinge nahmen, was sie tragen konnten, und liefen zum Tunneleingang zur Zwergenstadt, wo immer eine Lore bereitstand und eine zweite schnell aus den Tiefen des Berges herbeigerufen werden konnte.

Auf Donnolas Anweisung ritt Doregardo dorthin, um an dieser entscheidenden Engstelle die Flucht zu organisieren.

Inzwischen trafen auch andere Mitglieder der Grinsenden Ponys und der Kniebrecher aus den umliegenden Bergen und Wäldern in der Stadt ein. Viele dieser Haudegen waren bei Gefechten mit der Dämonenhorde verwundet worden. Wer noch Beistand leisten konnte, half den anderen Halblingen, die Loren zu besteigen, und schickte sie auf die dunkle Fahrt nach Gauntlgrym, sobald im anderen Tunnel die Lichter der Gegenbahn zu erkennen waren.

Mit ihren Kindern, aber auch mit Haustieren, Vieh, Pferden und natürlich ihren Schätzen strömten die Familien zu den Loren, und trotz der kurzen Vorwarnzeit schien die Evakuierung reibungslos zu verlaufen.

Dann jedoch trug der Wind Dämonengeheul heran, und ein lautes Surren erfüllte die Luft, als ein Schwarm fliegender Chasme auf die Siedlung herabstieß.

Doregardo brüllte Befehle, die seine Kämpfer und Kämpferinnen nach allen Seiten weitergaben.

»Flugmonster!«, schrie jemand.

»Ruft die Truppe zusammen!«, erwiderte Doregardo entschlossen. »Wir kämpfen bis zum letzten Mann, damit unsere Freunde fliehen können.«

Kein Grinsendes Pony und kein Kniebrecher zuckte bei diesem Befehl mit der Wimper, denn schließlich verstand sich Doregardos Entscheidung von selbst. Ohne Murren formierten sie sich.

Entlang der gesamten Linie legten die Ponys die Ohren an, als die schwarze Wolke der Chasme über dem nächsten Berg auftauchte und den Sternenhimmel verdüsterte. In diesem Augenblick fürchtete Doregardo, dass der Großteil des Dorfes den Angriff nicht überleben würde.

Dieses Gefühl verstärkte sich, als eine zweite dunkle Wolke auftauchte, diesmal unmittelbar über ihnen, aus der grelle Blitze hervorzuckten.

»Was ist das für dämonische Magie?«, schrie einer der Halblinge.

»Quatsch!«, erklang eine schroffe Antwort, die Doregardo und die Wachen zur Lore zurücksehen ließ. Dort starrte ihnen ein alter Zwerg entgegen. »Das ist bloß mein Brüderchen«, erklärte Ivan Felsenschulter, als es zu donnern begann.

Ein starker Wind kam auf, der den fliegenden Dämonen direkt ins Gesicht blies und ihren Ansturm verzögerte. Die Blitze aus der Wolke schlugen nicht wahllos ein, sondern zielten direkt auf den Schwarm.

»Brüderchen«, sagte Ivan Felsenschulter mit stolzem Lächeln, wobei er Pikels ungewöhnliche Sprechweise imitierte.

Gerade rollte die zweite volle Lore in die Dunkelheit des Berges hinab. Die dritte, die parallel dazu von unten anrückte, war mit Zwergenkriegern aus der Sippe Heldenhammer besetzt, die sofort heraussprangen und eine Verteidigungslinie bildeten, hinter die sie die Flüchtlinge lotsten.

Angesichts der Disziplin seiner Reiter und ihrer mutigen Nachbarn schwoll Doregardo stolz das Herz. Er fasste neuen Mut, obwohl er wusste, dass ihnen schon bald eine verzweifelte Schlacht bevorstand, denn die magische Wolke würde den Dämonenschwarm nicht vollständig zurückhalten können.

Ein Trupp Heldenhammers mit schweren Armbrüsten stürmte vor Doregardos Kavallerie und bezog dort Stellung. Präzise gingen alle zugleich auf ein Knie und ließen dabei genug Platz, um je ein Pony hindurchzulassen. Dann hoben sie die Waffen und zielten auf die Bedrohung am Himmel. Am rechten Ende der Linie, unweit von Doregardo, gab die Zwergenkommandantin den Befehl, noch zu warten.

Trotz der großen Gefahr grinste Doregardo bei ihrem Anblick. Er war sich nicht sicher, ob es Faust oder Furie war, Tannabritches oder Mallabritches. Jedenfalls war sie eine der Zwillingsköniginnen von Gauntlgrym. Eine Gemahlin von König Bruenor, die sich hier draußen an der Front persönlich einer Horde Dämonen stellte.

Die Chasme kamen näher. Dann raste der nächste Blitz mitten in den Schwarm, riss einige Chasme in Fetzen und versengte vielen anderen die Flügel, sodass sie trudelnd abstürzten. Aber Pikels Wolke löste sich bereits auf, und es waren noch immer viele Dämonen übrig.

»Schießt!«, schrie die Kommandantin der Zwerge, und ihre Schützen feuerten mit schweren Bolzen in den Nachthimmel, immer mehrere auf dasselbe Ziel, weil die kampferprobten Heldenhammers sich gut abgestimmt hatten. Ein Dutzend weitere Chasme fiel vom Himmel.

»Laden!«, erscholl der nächste Befehl, auch wenn viele schon dabei waren.

»Für Königin Mallabritches!«, rief ein Zwerg neben Doregardo, womit ihre Identität geklärt war.

»Hussa!«, brüllten alle, und die Halblinge fielen ein.

Als die ersten Dämonen bei ihnen eintrafen, kam die Kavallerie zum Einsatz. »Zu viert!«, schrie Doregardo, worauf die Reiter mit ihren Pferden in Vierergruppen eine Diamant-Formation annahmen.

»Zielt hoch, Heldenhammers!«, befahl Königin Mallabritches. »Lasst sie nicht nach oben.«

Doregardo wusste nicht recht, was sie damit meinte, war aber zu beschäftigt, um länger darüber nachzudenken. Mit seinem eigenen Trupp griff er drei Chasme an, die sich aufbäumten und deren lange Stacheln bereits voller Blutgier zuckten.

Zwei blieben tief genug, um den Kampf mit den Halblingen aufzunehmen, aber der Dritte, auf den Doregardo zuhielt, stieg plötzlich auf, während seine Begleiter wie Vipern auf Doregardo zuschnellten.

Gekonnt riss er sein Pony herum. Den einen Chasme wehrte er mit dem Schwert ab, den anderen vertrieb sein buckelndes, auskeilendes Pony.

Und dann verstand Doregardo den Befehl der Zwergenkönigin, denn über ihm surrte eine Vielzahl Armbrustbolzen durch die Luft, tötete den aufsteigenden Dämon, sobald er weit genug über Doregardos Kopf war, und ließ ihn weisungsgemäß nicht entwischen.

Doregardos Begleiter übernahmen. Zwei von ihnen überwältigten den Chasme, den er mit seinem Schwert abgewehrt hatte, mit ihren langen Speeren. Sobald das hässliche Mischwesen aus Mensch und Insekt am Boden lag, ließen sie es von ihren gut trainierten Ponys zertreten. Auf der anderen Seite hob der Chasme, den Doregardos Pony weggetreten hatte, wieder ab, als die Gruppe heransprengte, aber er flog zu hoch, und eine Armbrustsalve der Zwerge riss ihn in Stücke.

Das war ein guter Auftakt. Aber es war nur der Anfang, das wusste Doregardo genau, und noch ehe seine Gruppe ihre Formation wieder eingenommen hatte, erfolgte der nächste Angriff. Weiter rechts riefen andere Reiter um Hilfe, wo die Kavallerie sich große Mühe gab, den schnelleren, beweglicheren Chasme standzuhalten.

Aber viele dieser Dämonen fegten über die Halblinge hinweg und stellten sich einer weiteren Salve, um näher an die Zwerge heranzukommen. Und das schafften auch genug von ihnen. Doregardo begriff, dass die Artillerieunterstützung vorbei war, als Königin Mallabritches rief: »Äxte!«

Der Halbling zog dem nächsten Angreifer sein Schwert über und konnte es gerade rechtzeitig zurückreißen, um der unerwarteten Attacke eines zweiten zu entgehen. Seine scharfe Klinge halbierte den langen Stachelschwanz des Dämons. Doregardo nutzte die kurze Atempause, um zu Mallabritches und ihren Zwergen zurückzublicken. Er bemerkte, dass trotz der schweren Gefechte überall gerade wieder eine Lore im Berg verschwand. Unmittelbar darauf erschien eine vierte Lore, die erneut mit Heldenhammer-Kriegern gefüllt war, diesmal jedoch mit der berühmten Knochenbrecher-Brigade. Die Eliteeinheit aus Schlachtenwütern sprang aus dem Gefährt heraus, ehe dieses anhielt, rannte, rollte und polterte sofort los, um sich schnellstmöglich am Kampf zu beteiligten.

Das machte Doregardo zwar neuen Mut, erschreckte ihn aber auch. Aus seiner Sicht gab es nur eine Lösung: Sie mussten den letzten fliehenden Bewohnern Deckung geben und sich dann selbst in aller Hast hinter den stärkeren Bastionen von Gauntlgrym verschanzen.

Die Schlachtenwüter jedoch machten ihrem Ruf alle Ehre und sahen nicht so aus, als wäre ihnen an einem Rückzug gelegen. Diese sturen Narren würden wahrscheinlich noch hier ausharren, wenn alle Zivilisten in Sicherheit waren. Aber das war dann ihre Sache, entschied der Anführer der Halblingreiter.

Mit seiner Diamant-Einheit wandte er sich nach rechts, wo eine Halblingfamilie – von einem Flugdämon gejagt – um ihr Leben rannte.

Als die Reiter näher kamen, bemerkte Doregardo, dass sich in der Ferne die Bäume bewegten. Die Horde war eingetroffen und brach über die Verteidiger herein. Zunächst nahten groteske Zweibeiner, die abscheulichen Manen, kleinere Dämonen, die wie eine Armee Untoter aus dem Buschwerk schwankten. Hinter und zwischen ihnen sah man hier und da ihre Meister, echte Dämonen aller Arten, die auch ohne die zahllosen Manen und Chasme nahezu unbesiegbar waren.

»Bringt sie schnell in Sicherheit!«, wies er seine drei Gefährten an.

Kaum hatten sie zwischen den Halblingen und deren Verfolgern Stellung bezogen, da lenkte ein knarrendes Geräusch Doregardos Blick wieder zum Waldrand.

Würde dort gleich ein weiterer Gegner auftauchen? Stattdessen bemerkte er eine einsame Gestalt, einen Zwerg in grüner Robe, der sich der Horde entgegenstellte und winkend einen Arm in die Luft hob. Der Zwerg rief die Gräser und Bäume zu Hilfe, begriff Doregardo, und die Pflanzen befolgten seinen Ruf!

Äste peitschten nach den Dämonen, Grasbüschel wickelten sich um die Knöchel der Manen, verlangsamten sie oder brachten sie gar zum Stehen. Einen kurzen Augenblick keimte Hoffnung auf, aber dann setzte ein gewaltiger Dämon der Druidenmagie ein Ende. Ein mächtiger Balor, der stärkste Dämon abgesehen von den Dämonenfürsten persönlich, war erschienen. Als dieser Inbegriff von Finsternis und Feuer mit dem Fuß aufstampfte, ging von diesem Punkt ein loderndes Feuer aus, das Gras und Büsche verzehrte, die es wagten, nach ihm zu greifen. Zielstrebig marschierte er auf den kleinen Zwerg zu, holte mit seiner Feuerpeitsche aus und erzeugte mit ihrem Knall tödliche Flammen.

Unmittelbar über Pikel Felsenschulter, der darunter zusammenschrumpfte, stieß die Peitsche einen riesigen Feuerball aus.

Obwohl Zwerg und Dämon weit weg waren, bekam Doregardo die Hitzewoge zu spüren. Mit Mühe blinzelte er durch den Rauch. Wo war der Zwerg?

Keine Spur von ihm. War Pikel, der Winzer von Rebenblut, der Druide mit dem grünen Daumen, der den wunderbaren Weinberg angelegt hatte, umgekommen?

Doregardo wusste, dass er nicht einmal mehr Pikels Körper bergen konnte. Ihnen lief die Zeit davon. Er gab seiner Gruppe und den anderen das Signal zum Rückzug und galoppierte zu den Loren. Dabei schlossen sich weitere Diamant-Gruppen an, die dicht an dicht ritten und sich mit hochgereckten Speeren und Schwertern gegen alle Chasme zur Wehr setzten, die ihnen zu nahe kamen. Hinten an den Loren tobten sich die Schlachtenwüter aus, die sich auf die Dämonen warfen, um diese mit ihren messerscharfen Rüstungen so gründlich zu zerreißen, dass Königin Mallabritches die Hälfte ihrer Zwerge wieder zur Armbrust greifen lassen konnte. Die Übrigen bargen die Gefallenen – über ein Dutzend – und schleppten sie zu den Loren.

Und schon verschwand der Zug und wurde durch den nächsten ersetzt, der wieder neue Zwerge brachte. Nun bildeten die Halblinge mit den Zwergen einen Halbkreis um die Loren-Station, während die letzten Zivilisten von Rebenblut zusammen mit Lady Donnola abfuhren.

»Hier sterben wir«, rief Doregardo seinen Soldaten zu. »Lasst es einen guten Tod sein!« Er nickte Königin Mallabritches grimmig zu. »Leb wohl, gute Königin«, sagte er zu ihr.

»Pah! Soll doch meine Schwester dem König die Erben schenken«, erklärte sie, zwinkerte ihm zu und schlug mit dem Kriegshammer auf ihren Schild.

Da kamen die Manen, und die Halblinge und Zwerge mähten sie in Scharen um, aber es waren so viele Gegner, dass diese auch die zwanzigfachen Verluste leicht verschmerzen konnten.

Die nächste Loren-Bahn brachte weniger Krieger von unten, denn nun blies auch Gauntlgrym zum Rückzug.

»Ponys!«, schrie Doregardo. Der Ruf wurde weitergegeben. Auf so engem Raum waren die Ponys eine Last, aber kein Grinsendes Pony und kein Kniebrecher würde diese treuen Kameraden kampflos aufgeben. Auch die letzten stiegen nun ab und versuchten, ihre Pferde in die Loren-Bahn zu verfrachten.

Ein Pony hätte allerdings auch zu ruhigeren Zeiten nicht freiwillig eine Lore bestiegen, und jetzt, inmitten der Schlacht, erschien den Tieren dieser Vorgang gefährlicher als der Kampf gegen Dämonen.

Doregardo fiel keine Lösung ein. War sein geliebter Freund verloren? Doch während ihn diese melancholischen Gedanken übermannten, erklang über den Schlachtenlärm hinweg ein Dudelsack, dessen Melodie Waffenklirren und Dämonengekreische übertönte. Staunend sah der Halbling einen Zwerg – den einzigartigen Pikel Felsenschulter – aus einem Baum treten. Nicht hinter dem Baum hervor, sondern direkt aus dem Baum! Und er spielte erstaunlich sicher. Die Musik beruhigte die Ponys, sodass sie sich widerstandslos verladen ließen.

Im Nu war die Loren-Bahn unterwegs. Doregardo war erleichtert, dass sein Pony diesen schrecklichen Tag wohl doch überleben würde. Dann drehte er sich um und stürzte sich auf den nächsten Manen, denn ihm selbst würde wohl weniger Glück vergönnt sein.

Der Dämon reagierte mit einem eigenen Wort, einer gekrächzten Silbenkombination, die für Regis klang, als ob ein Stachelschwein über einen Riesenfrosch gerieben würde.

Am liebsten hätte der Halbling den Dämon verspottet, aber dann versuchte er nur noch vergeblich, seine Waffe festzuhalten, als das Wort der Macht des Höllenwesens sein Bewusstsein erschütterte.

Er war so benommen, dass er beinahe gestürzt wäre. Knurrbauch taumelte hilflos seitwärts.

Boshaft grinsend trat der Dämon mit dem Hundegesicht einen Schritt vor. Aber dann schlug er um sich, denn unvermittelt war die Luft von wirbelnden magischen Klingen erfüllt, einer schwirrenden Wand aus Waffen, die gnadenlos in das Fleisch des Dämons eindrangen. Seine Scheren schnappten und schlugen, und die schwebenden Schwerter klirrten und blitzten. Einige von ihnen, die beiseitegefegt wurden, lösten sich auf. Andere aber trafen gut. Blut rann an dem Glabrezu herab, ohne dass die Verletzungen ihn zurückhielten. Er ließ nicht locker, sondern kämpfte erbittert gegen die Schwerter, die immer weniger wurden, weil er sie Stück für Stück aus der Klingenwand riss.

Regis wusste nicht, was er davon halten sollte. Woher kam dieser mächtige Zauber so plötzlich? Er wusste jedoch, dass diese Hilfe nicht von Dauer sein würde. Also konnte er nur hoffen, dass der Dämon zu dem Zeitpunkt, wo er die Waffenwand durchdrang, noch schwerer verletzt sein würde. Als er sich nach einem Fluchtweg umsah, entdeckte er sie.

Sie trat hinter ihm zwischen den Bäumen hervor und erschreckte den Halbling damit dermaßen, dass er noch einmal fast vom Pferd gefallen wäre. Sie war schön und schrecklich und mächtig zugleich. Für Regis allerdings war sie in erster Linie schön.

Denn er kannte diese junge Frau, diese mächtige Drow mit dem Namen Yvonnel – die Tochter von Gromph, die Freundin von Drizzt. Deshalb überkam ihn Erleichterung. Er selbst konnte keinen Glabrezu besiegen – aber Yvonnel bestimmt.

Ohne von ihm Notiz zu nehmen, schritt sie an ihm vorbei und starrte unaufhörlich den Dämon an, der ihren Blick hasserfüllt erwiderte, während er die letzten magischen Klingen wegschlug. Seine Haut hing in Fetzen herab. Eine Schere war halbiert, beide Hände blutig.

Allerdings machte er auch nicht den Eindruck, gleich tot umzufallen.

Dennoch wurde Yvonnel nicht langsamer. »Ecanti’tu Rethnorel, desper nosferat«, sagte sie. Dann wiederholte sie diese Worte.

Der Glabrezu knurrte.

»Ecanti’tu Rethnorel, desper nosferat.«

Regis verstand kein Wort und hielt die Silben nicht einmal für die Sprache der Drow, aber er spürte ihre Macht.

Der Dämon knurrte wieder, nahm jedoch eine weniger aggressive Haltung ein.

Yvonnel blieb nicht stehen. »Ecanti’tu Rethnorel, desper nosferat«, rezitierte sie, und Regis riss die Augen auf, als er die Macht in ihren Worten wahrnahm. Es war, als käme Yvonnels Atem, der sie aussprach, von einem magischen Drachen, dessen einziger Zweck es war, einem Dämon die Lebenskraft zu rauben. Das Wort Rethnorel klang wie ein Name. Vermutlich der Name des Dämons, dachte Regis.

»Ecanti’tu Rethnorel, desper nosferat.«

Der Halbling registrierte schwarze Schatten, die hinter dem Glabrezu davonwehten, als hätten Yvonnels Worte einen todbringenden Wind erzeugt, der seine körperliche Gestalt angriff und die dämonische Macht vertrieb, die diesen greifbaren Körper bewohnte. Jede Silbe traf Rethnorel, als würde er von ihr wie eine Kerzenflamme nach hinten geblasen.

Yvonnel blies dem gewaltigen Dämon buchstäblich die Lebenskraft aus.

»Ecanti’tu Rethnorel, desper nosferat«, fuhr sie fort, wobei ihre Stimme noch machtvoller wurde. Sie war jetzt so nahe, dass der Glabrezu mit seinem verbliebenen Arm zuschnappen und sie in zwei Hälften schneiden könnte. Aber merkwürdigerweise tat er das nicht. Der Dämon stand regungslos da, lehnte sich von der Drow-Frau weg und schien all seinen Willen und seine letzte körperliche Kraft zu brauchen, um so auszuharren.

Ein letztes Mal rezitierte Yvonnel ihre machtvollen Worte, dann spitzte sie die Lippen, lehnte sich vor und blies. Aus ihrem Mund drang ein so gewaltiger Windstoß, dass er alle Bäume in ihrer Nähe wie ein Wirbelsturm erfasste und die schwarzen Schatten des Dämons sich schier endlos lang ausdehnten. Dann stieg das gewaltige Wesen vom Boden auf, als würde es mit diesen Schatten alles Leben verlieren, und flatterte hektisch wie Wäsche, die im Sturm noch draußen hängt. Der Dämon schwankte, flog davon und war verschwunden.

Yvonnel verstummte. Sie blieb stehen und versuchte erkennbar, sich zu sammeln.

Schließlich hob sie den Kopf, nickte zufrieden und warf Regis einen Blick zu.

Die übernatürliche Kraft dieses Blickes hätte ihn beinahe in die Knie gezwungen, nicht aus Dank, sondern um sie anzubeten.

Er wollte ihr danken, aber seine zitternden Lippen fanden keine Worte.

Doregardo kam erst wieder zu sich, als er über eine kleine Mauer kippte und unsanft landete, obwohl diverse Hände ihn aufzufangen versuchten. Er brauchte einen Augenblick, bis ihm klar wurde, dass man ihn in eine Lore gezogen hatte und die Hände zu zwei Zwergen und mehreren seiner Ponyreiter gehörten. Als er sie ansah, erwiderten sie seinen Blick allerdings nicht, sondern sahen allesamt in heller Panik an ihm vorbei. Doregardo richtete sich auf. Mühsam drehte er den Kopf. Da begriff er, denn hinter ihnen stand jener gewaltige Dämon vom Schlachtfeld, der mächtige Balor aus Feuer und Finsternis.

Doregardos Gedanken überschlugen sich. Wie war er ohnmächtig geworden? Hatte der Balor ihn hierhergeworfen?

Nein, dachte er, als die Loren-Bahn sich in Bewegung setzte und in dem steil abfallenden Tunnel Fahrt aufnahm, denn in diesem Moment hatte er eine andere Gestalt bemerkt: Es war der schlanke Körper eines Drow, und diesen Drow kannte er.

Er stand oben an der Loren-Station. Nicht in einem Wagen.

Das war er, dachte Doregardo. Drizzt Do’Urden hatte ihn über die Wand des letzten Wagens gehievt. Und Drizzt war noch da draußen. Doregardo hörte ein klares, sanftes Pfeifen, aber in diesem Augenblick voller Angst und Verwirrung verstand er seine Bedeutung nicht. Denn Drizzt war da draußen.

Bei den Dämonen.

Bei dem Balor.

Und dann fuhr der Wagen um die nächste Biegung, und Doregardo verlor den Drow aus den Augen.

Teil 1

Die Klingen von Bregan D’aerthe

In jüngster Zeit – seit der Wiederauferstehung von Zaknafein – hat Jarlaxle mir viel von dem erzählt, was er einst mit meinem Vater in Menzoberranzan erlebt hat. Ich glaube, so möchte er mir helfen, den Mann besser kennenzulernen, der für mich in meiner Jugend so wichtig war. Einen Mann, dessen Vergangenheit bisher weitgehend unerwähnt blieb. Vielleicht will Jarlaxle auf diese Weise die Kluft überbrücken, die überraschenderweise zwischen mir und meinem Vater liegt, und den Schmerz über Zaknafeins Einstellungen gegenüber allen Nicht-Drow lindern.

Interessanterweise erfahre ich aus diesen Geschichten allerdings weit mehr über Jarlaxle als über Zaknafein, und zwar vor allem über die Entwicklung von Jarlaxle und seiner Söldnerbande Bregan D’aerthe. Diese Entwicklung verfolge ich mit großem Optimismus, denn sie erscheint mir wie ein Vorläufer dessen, was hoffentlich innerhalb der Drow-Kultur insgesamt ablaufen wird.

Als Jarlaxle mit Ausgestoßenen seine Bande gründete, wollte er dadurch anfangs nur sein eigenes Überleben sichern. Er war ein Schurke ohne Haus, und solche Drow erwartete in Menzoberranzan in der Regel ein harter, kurzer Existenzkampf. Aber Jarlaxle war schlau, und so scharte er andere um sich, die in einer ähnlichen Lage waren, und schmiedete aus ihnen eine mächtige Einheit, die für die Oberinnen wertvoll war, ohne ihre Herrschaft in Frage zu stellen. Die damalige Bande war nicht mit der Bregan D’aerthe von heute zu vergleichen, die in Luskan das Sagen hat. Der Unterschied ist erheblich, obwohl ich nicht weiß, ob dies Jarlaxle überhaupt bewusst ist.

Heute spielt Bregan D’aerthe eine völlig andere Rolle, doch ich gehe davon aus, dass diese Veränderung sich allmählich und über Jahrhunderte hinweg vollzogen hat. Auch Jarlaxle dürfte sich verändert haben.

Darf ich also hoffen, dass Zaknafein ebenfalls seinen Weg finden wird?

Anfangs war Bregan D’aerthe ein Spiegelbild der grausamen Kultur von Menzoberranzans Häusern und profitierte in vielerlei Hinsicht von der gnadenlosen Rivalität in Menzoberranzan, ob innerhalb der Häuser oder zwischen den Häusern. Wie brutal waren jene Intrigen! Mein eigenes Leben entging dem Opferdolch nur, weil mein Bruder Dinin am Tag meiner Geburt meinen Bruder Nalfein tötete. Alle wussten Bescheid, auch unsere Mutter, Oberin Malice, aber Dinin wurde nie bestraft. Im Gegenteil, sein Ansehen stieg, weil er Nalfein derart geschickt und ganz ohne Zeugen umgebracht hatte. Ich gehe davon aus, dass etwa die Hälfte aller Drow-Oberinnen ihren Platz an der Spitze ihres Hauses durch die Tötung der eigenen Mutter gesichert oder diesen Tod zumindest nicht verhindert hat. So war es Brauch bei Lolth, bei den Drow und bei Bregan D’aerthe.

Daher gab Jarlaxle seinen Untergebenen freie Hand und scherte sich wenig darum, wie sie innerhalb der Hierarchie von Bregan D’aerthe aufzusteigen versuchten. Nach allem, was ich weiß, legte er nur Wert darauf, dass alle Bandenmitglieder stets im Blick behielten, wie ihr Vorgehen sich auf ihn auswirken würde. Sie durften kämpfen und betrügen, stehlen und töten. Das war Jarlaxle egal. Für einen toten Kumpan musste man auf Kosten des Mörders angemessenen Ersatz finden, schätze ich, aber moralisch setzte Jarlaxle seinen Leuten keine Grenzen.

Manchmal frage ich mich, ob er selbst damals Prinzipien hatte.

Das ist eine ernsthafte Frage, denn obwohl ich nicht bezweifle, dass er immer ein gewisses Ehrgefühl hatte, ist dies nicht zwangsläufig dasselbe wie eine echte Grundmoral. Artemis Entreri klammerte sich ebenfalls an seine eigene Definition von Ehre, aber erst in jüngster Zeit ließ er einfache moralische Überlegungen in seine Entscheidungen einfließen.

Andererseits betrachtete Artemis Entreri menschliche Gesellschaften genauso, wie Jarlaxle (und Zaknafein) die Drow wahrnahmen: unrettbar verdorben, verachtenswert und abscheulich.

Wie schade, denn dabei übersieht man so viel!

Wenn Jarlaxle jene frühen Geschichten von seiner Bande aus Nichtverwandten erzählt, scheint ihm nicht klar zu sein, wie grundsätzlich sie sich von der heutigen Bregan D’aerthe unterschied. Damals überlebte diese Parallelgesellschaft allein durch Gewalt und durch Jarlaxles Fähigkeit, die zusammengewürfelte, rivalisierende Truppe durch die Aufträge zu lotsen, die ihm die Oberinnen – besonders Oberinmutter Baenre – übertrugen. Nach allem, was ich diesen Geschichten entnehme, hat Jarlaxle durch interne Kämpfe mehr Soldaten verloren als durch die Auseinandersetzungen mit seinen Feinden.

Inzwischen jedoch beobachte ich eine völlig andere Struktur bei Bregan D’aerthe, die weitaus mächtiger ist.

Denn Jarlaxle schenkt seinen Gefolgsleuten etwas, das unter den Lolth-treuen Drow selten ist: ein gewisses Grundvertrauen.

Und er selbst ist das beste Beispiel dafür. Wenn Jarlaxle auf Abenteuer auszieht, was häufig genug vorkommt, überträgt er regelmäßig Kimmuriel Oblodra die Führung. Er hat Kimmuriel sogar aufgetragen, ihn selbst, Jarlaxle, im Zaum zu halten, wenn er sich verrennt.

Beniago genießt in seiner Rolle als Hochkapitän Kurth, der die Geschicke der Stadt Luskan lenkt, ebenfalls viel Freiheit. Er muss seine Entscheidungen nicht ständig mit Jarlaxle abstimmen, und dennoch vertraut Jarlaxle darauf, dass Beniago die Stadt unauffällig so lenkt, dass sie profitabel bleibt und – wie ich meine – zugleich das Wohlergehen der Bürgerschaft gesichert ist.

Besonders auffällig aber erscheint mir, wie Jarlaxle den mächtigen früheren Erzmagier von Menzoberranzan aufgenommen hat. Soweit ich das beurteilen kann, ist Gromph Baenre nicht nur vollwertiges Mitglied von Bregan D’aerthe, sondern gilt mit Duldung von Jarlaxle als der neue Erzmagier im Hauptturm des Arkanums in Luskan. Ohne Jarlaxles Zustimmung hätte der Hauptturm nicht neu errichtet werden können, denn Gromph wäre nie in der Lage gewesen, sich gegen die geballte Macht von Bregan D’aerthe durchzusetzen. Er hätte niemals Unterstützung von König Bruenor erfahren und ganz sicher keine Hilfe durch Catti-brie.

Jarlaxle hat Gromph diesen einzigartigen Zauberturm zugestanden, der so mächtig ist wie jede mir bekannte Festung, ob die von König Gareth Drachenbann in Damara oder die von Sorcere, der Drow-Akademie der Zauberer von Menzoberranzan. Die Ansammlung von Magie und von solchen, die mit dieser Magie perfekt umgehen können und heute im Hauptturm wohnen, könnte eine unvorstellbare Verwüstung hervorrufen.

Doch das wird sie nicht. Und das weiß Jarlaxle. Gromph wurde unter strengen Bedingungen bei Bregan D’aerthe aufgenommen. Er bewegt sich an einer kurzen Leine, aber auch die besteht zu einem großen Teil aus Vertrauen.

Und das alles ist nur möglich, weil Bregan D’aerthe gewachsen ist und sich weiterentwickelt hat. Mit ihrem Anführer bewegen sich auch seine Leute.

Das schenkt mir Hoffnung.

Ich setze darauf, dass Jarlaxles Einfluss und sein Beispiel einen Weg zu Zaknafeins Herz bahnen werden.

Dennoch befürchte ich, dass Zaknafeins Sinneswandel nicht rechtzeitig genug einsetzen wird, um sich die Freundschaft oder gar familiäre Zuneigung von Catti-brie oder unserem Kind zu verdienen. Und in diesem Fall wird es nicht rechtzeitig genug sein, um sich die Liebe von Drizzt Do’Urden zu verdienen.

Ich hoffe, dass es anders kommt.

Aber mit ihm verbindet mich dasselbe Blut. Das Band mit ihr habe ich freiwillig geknüpft.

Und inzwischen weiß ich, dass dieses zweite Band stärker ist.

Drizzt Do’Urden

Kapitel 1

Das Jahr des Falschen Geschäfts Zeitrechnung der Täler 1188

Ein Hauch von Freiheit

»Ihr seid schlecht gelaunt, mein Freund«, stellte Jarlaxle fest, als er mit Arathis Hune eines bemerkenswerten Abends in ihrem Stammlokal saß, dem Schwitzenden Pilz.

»Es war ein langer Weg«, erwiderte der erschöpfte Assassine argwöhnisch. »Und wie ich höre, geht es bald wieder los. Offenbar muss in Ched Nasad alle drei Jahre jemand umgebracht werden.«

»Ihr habt Talent dafür«, sagte Jarlaxle. Er hob sein Glas mit starkem Pilz-Branntwein, um Arathis Hune zuzuprosten.

»Sagt das dem, der meinen Beutel füllt«, entgegnete Arathis Hune trocken, was Jarlaxle mit einem Grinsen quittierte, denn natürlich war die Entlohnung seine Sache.

»Bezüglich der Stadt des schimmernden Gespinsts ist noch nichts entschieden«, meinte Jarlaxle, nachdem er seinem Kollegen etwas zu trinken bestellt hatte.

»Keine Nachricht von Oberinmutter Baenre?«

»Nein. Ich bezweifle, dass sie überhaupt einen Gedanken daran verschwendet, ob sie dort jemanden umbringen will. Wahrscheinlich geht es ihr eher um das Gemunkel, dass sie Assassinen schicken könnte. Schon das bewirkt dann die erwünschte Verhaltensänderung. Schließlich hat sie – haben wir – dort genug umgebracht, weshalb selbst ein Flüstern …«

»Ich«, warf Arathis Hune ein. »Ich habe genug Leute umgebracht. In Bezug auf Ched Nasad gibt es seit Jahrzehnten kein ›Wir‹.«

Jarlaxle lehnte sich zurück, um seinen Mordgesellen forschend zu mustern, dessen schlechte Laune sich verstärkt hatte, seit Jarlaxle ihm mitgeteilt hatte, dass eine Reise nach Ched Nasad eher unwahrscheinlich war. Das Gesicht des Meuchelmörders hatte sich verdüstert, obwohl er zuvor angedeutet hatte, dass er eigentlich nur ungern aufbrechen wollte …

Warum also war er so giftig?

Auch Jarlaxles Laune verschlechterte sich nun. Die Aussage des Meuchelmörders über seine mangelnde Beteiligung an den letzten Missionen traf durchaus zu. Bregan D’aerthe erstarkte in Menzoberranzan, aber dank dieses beeindruckenden Rufes – und der zunehmenden Anzahl Soldaten – hatte Jarlaxle die Stadt zwangsläufig ewig nicht mehr verlassen. Bregan D’aerthe war ein zu verlockendes Ziel für die Oberinnen der mächtigen Häuser. Wollte er wirklich nach Ched Nasad oder an einen anderen fernen Ort ziehen, nur um bei seiner Rückkehr zu entdecken, dass die Oberin von Haus Barrison Del’Armgo oder eine andere Rivalin der Oberinmutter Baenre sich seine Söldnerbande unter den Nagel gerissen hatte? Jarlaxle hatte fünfzehn Jahrzehnte in den Aufbau von Bregan D’aerthe investiert, mittlerweile beheimatet in den Tunneln des Klauenspalts. Das wollte er nicht aufs Spiel setzen.

Nein, er würde das Risiko nicht eingehen. Nicht jetzt. Nicht ehe Bregan D’aerthe stark genug war, um jeden derartigen Versuch abzuwehren. Und so blieb er in der Stadt, während Arathis Hune draußen im Unterreich die wichtigen Missionen ausführte.

Aber das war noch keine ausreichende Erklärung für die Gefühlslage des Assassinen. Jarlaxle vertraute Arathis Hune bei diesen wichtigen Auftragsmorden mittlerweile. Dieses Vertrauen müsste den Mann eigentlich zufrieden stimmen, fand Jarlaxle, denn er war auf dem besten Weg zu einer einflussreichen Stellung in der Bande. Also erneut die Frage: Warum war er verstimmt?

Wusste er womöglich um die Bedeutung dieses Augenblicks? Konnte Arathis Hune wissen, warum man ihn in die Modergassen gerufen hatte? In diesem Fall wäre sein finsteres Gesicht nachvollziehbar.

Das war ein irritierender Gedanke.

Jarlaxle hinterfragte seine Entscheidungen nur selten, aber diesmal schon. Für ihn war es ein besonderer Abend, der ihm wichtiger war, als er geglaubt hatte, denn er würde einen weiteren alten Freund und Partner wiedersehen, den er in den letzten dreißig Jahren kaum zu Gesicht bekommen hatte. Jemand, den er inständig vermisst hatte, wie ihm gerade klar wurde.

Wobei es nicht sein Freund war, der für die lange Abwesenheit verantwortlich war. Als Waffenmeister eines ambitionierten Drow-Hauses musste er seine Oberin dabei unterstützen, in Menzoberranzans komplizierter Hierarchie aufzusteigen. Er hatte sich einen hervorragenden Ruf erkämpft, wobei dieser Ruf seinem gekonnten Umgang mit den Schwertern kaum gerecht wurde. Deshalb verließ Zaknafein Do’Urden sein Zuhause in den letzten Jahren nur selten. Er hatte sich zu viele Feinde gemacht und machte zu viele Oberinnen von Häusern nervös, die für die ehrgeizige Oberin Malice Do’Urden das nächste Hindernis auf dem Weg zu einem Sitz am Spinnentisch des Herrschenden Konzils darstellen könnten.

Nur selten war Zaknafein allein außerhalb von Haus Do’Urden zu sehen, und noch seltener wagte sich der Waffenmeister ins Braeryn, die Modergassen, die Eingeweide einer Stadt, in deren besseren Gegenden viel gemordet wurde.

Jarlaxle wusste es zu schätzen, dass Zaknafein für ein Treffen so viel riskierte.

»Ich dachte, ein freier Abend würde Euch gefallen«, sagte Jarlaxle entschuldigend. »Falls Ihr etwas anderes vorzieht …«

»Hundert Jahre, oder?«, unterbrach ihn Arathis Hune.

Jarlaxle wollte antworten, verkniff es sich jedoch. Tatsächlich war es hundert Jahre her, seit er Zaknafein – damals noch Zaknafein Simfray – von einem Schlachtfeld entführt hatte, auf dem die toten Drow zweier Häuser zurückblieben.

Arathis Hune blickte durch den Raum zum Tresen, wo eine schöne Frau mit silbrigem Haar mit einem Becher in der Hand an der Wand lehnte. Mehrere Männer hingen fasziniert an ihren Lippen und hofften erkennbar auf eine Nacht in ihrem Bett.

»Für Priesterin Dab’nay Tr’arach waren es auch hundert Jahre«, stellte der Assassine fest.

»Dab’nay reicht«, mahnte Jarlaxle. »Sie hat ihren Familiennamen abgelegt und tritt nicht mehr öffentlich als Priesterin auf. Andererseits – ja, Zehn-Achtzehn war ein gutes Jahr für Bregan D’aerthe. Wir haben unsere Stärke verdoppelt, die Truhen gefüllt und einige mächtige Partner gewonnen.«

»Einige?«

»Drei.«

»Von denen nur noch die da übrig ist«, sagte Arathis Hune. Er nickte zu der früheren Adligen aus Haus Tr’arach hinüber.

»Keineswegs«, hielt Jarlaxle dagegen, aber dabei beließ er es. Duvon Tr’arach, der Bruder von Dab’nay, war für Bregan D’aerthe praktisch verloren, denn Jarlaxle hatte ihn an Haus Fey-Branche verkauft, das einen Waffenmeister brauchte, bis eines von Oberin Byrtyns eigenen Kindern kampferprobt genug war, diesen Titel zu übernehmen. Allerdings hatte Duvon eingewilligt, und darum hatte Jarlaxle ihm versichert, dass Duvon zu einem späteren Zeitpunkt einen Platz bei ihm hätte.

Und Zaknafein war mit seinen Pflichten gegenüber Oberin Malice voll ausgelastet und zu wichtig, um häufig auf die Straße zu dürfen, denn dank Malices wachsender Anzahl an mächtigen Feinden wurde er im Haus dringender gebraucht. Doch auch er wäre bei Bregan D’aerthe immer willkommen.

Andererseits hatte Arathis Hune nicht unrecht. Jarlaxle wusste durchaus, welcher Zuwachs im Jahr 1018 so wichtig gewesen war.

Als könnte er Jarlaxles Gedanken lesen, schnaubte Arathis Hune, stand auf und ging zu Dab’nay und den anderen. Jarlaxle beobachtete ihn dabei, aber nicht etwa, weil er befürchtete, ihm könnte etwas zustoßen. Dieser Gauner konnte sehr charmant sein, lachte so oft, wie er grollte, verausgabte sich so oft im Bett, wie er Unheil anrichtete, und vertrug mehr Wein, als für jeglichen Drow gut war. Einerseits irritierte dies Jarlaxle und erfüllte ihn hin und wieder auch mit Sorge, andererseits vertraute er darauf, dass er die Loyalität des Assassinen so gut einschätzen konnte, dass er sich seiner Treue sicher fühlte.

»Vielleicht war ich in letzter Zeit etwas streng mit ihm«, flüsterte Jarlaxle, nickte dann und trank noch einen Schluck. Seit jenem Tag vor langer Zeit, als sie Zaknafein Simfray vom Schlachtfeld geholt hatten, beobachtete Jarlaxle immer wieder eine zunehmende Melancholie, die Arathis Hune erfüllte. Und diese Melancholie ging zurück, sobald Zaknafein längere Zeit ausblieb. Natürlich rivalisierten diese zwei glänzenden Kämpfer. Deshalb würde Hune seine Skepsis und Vorsicht in Bezug auf Zaknafein nie ablegen. Aber hier schien es um mehr zu gehen. Das Ausmaß an Eifersucht überraschte Jarlaxle.

Und er mochte keine Überraschungen.

Seufzend nippte er noch einmal an seinem Glas, sah wieder zur Tür – und wäre beinahe vom Stuhl gefallen, als er den gefährlichen Drow neben sich bemerkte. Zaknafein begrüßte ihn mit einem Nicken, nahm Platz und blickte an ihm vorbei zum Tresen, wo die anderen beiden hochrangigen Mitglieder von Bregan D’aerthe standen.

»Priesterin Tr’arach und Arathis Hune. Zweifellos planen sie Euren Abgang«, sagte Zaknafein.

»Da wären sie weder die Einzigen noch die Gefährlichsten«, erwiderte Jarlaxle. Er gab dem Mann hinter dem Tresen ein Zeichen. Auch ihn hatte er vor hundert Jahren von einem Schlachtfeld mitgenommen und vor einiger Zeit im Schwitzenden Pilz untergebracht. Jetzt bestellte er seinem Freund etwas zu trinken und sich selbst ein zweites Glas. »Und wir nennen sie heute Dab’nay. Haus Tr’arach existiert nicht mehr.«

»Nicht einmal hinter dem Tresen?«

Lächelnd prostete Jarlaxle dem aufmerksamen Waffenmeister zu. »Ihr seid guter Dinge«, stellte er fest.

»Oh, ich harre der Dinge, die da kommen. Ich bin … entspannt«, gab Zaknafein achselzuckend zu.

»Oberin Malice hat also den Dauergroll vertrieben?«

Diesmal war es Zaknafein, der lächelte.

»Wird sie ihrem Ruf gerecht?«

»Ich dachte, das könntet Ihr inzwischen selbst beurteilen.«

»Tatsächlich?«, erwiderte Jarlaxle und griff sich scheinbar erschüttert an die Brust. Zaknafein wollte eine Antwort geben, schwieg aber, weil nun sein Glas kam und bei Jarlaxle nachgefüllt wurde. Der Kellner hielt Zaknafeins Blick stand und wirkte dabei ein wenig trotzig.

»Dumme Drow haben ein langes Gedächtnis«, sagte Zaknafein, als der einstige Tr’arach-Krieger zum Schanktisch zurückkehrte.

»Das ist keine schlechte Eigenschaft.«

»Nur solange sie sich auch daran erinnern, dass ich sie immer noch töten kann – und nichts dagegen hätte«, sagte Zaknafein, und als Jarlaxle ihn ungläubig anstarrte, fügte er hinzu: »Ja, ja, danach zahle ich das Blutgeld, weil ich Euch eines Soldaten beraubt habe.«

»Ich glaube kaum, dass Ihr den da oder andere von ihnen töten wollt. Sonst hättet Ihr das schon damals getan, als sie Haus Simfray angriffen.« Jarlaxle zeigte auf den Kellner. »Ihr hattet Harbondair auf der Brücke zwischen den Türmen besiegt. Dort hättet Ihr ihn leicht töten können. Aber das wolltet Ihr nicht.«

»Er war ein Eidechsenreiter.« Zaknafein nickte. Er erinnerte sich nicht konkret an diesen Mann, aber er wusste noch, dass er eine Eidechse mit ihrem Reiter über die Brüstung gestoßen hatte.

»Er hatte sein treues Reittier ab dem Schlüpfen großgezogen. Eure Simfray-Kämpfer haben es über ihm aufgeschlitzt. Er stürzte inmitten der Gedärme von der Brücke.«