Niewinter 2 - R.A. Salvatore - E-Book

Niewinter 2 E-Book

R.A. Salvatore

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Beschreibung

Ein hochdramatisches Fantasy-Epos voller Kämpfe, schwarzer Magie und tödlicher Intrigen

Der Dunkelelf Drizzt do’Urden hat dem Blutdurst und der Grausamkeit seines Volkes abgeschworen. Doch durch seine neue Gefährtin, die auf dunkle Art verführerische Elfe Dalia, wird er dazu verleitet, sich gegen das Gesetz zu stellen. Zwar redet Drizzt sich ein, für eine gerechte Sache zu kämpfen. Doch vielleicht ist genau das das Problem. Denn das Kämpfen – und das Vergießen von Blut – bereiten dem Dunkelelf viel zu viel Freude …

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Seitenzahl: 529

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Keiner seiner vertrauten Gefährten hat die letzte Auseinandersetzung überlebt, in die sie alle verstrickt waren, und Drizzt Do’Urden, der Dunkelelf, ist zum ersten Mal in beinahe hundert Jahren vollkommen auf sich allein gestellt – und gleichzeitig frei von allen Verpflichtungen der Vergangenheit. Er könnte den Weg, den zu beschreiten er begonnen hat, weitergehen und dem Blutdurst und der Grausamkeit seines Volkes endgültig abschwören, wäre da nicht die auf eine dunkle Weise verführerische Elfe Dahlia. Und tatsächlich verleitet sie ihn dazu, sich gegen das Gesetz zu stellen. Natürlich redet Drizzt sich ein, dass er für eine gerechte Sache kämpft, denn was könnte gerechter sein, als jene, die für die Vernichtung Niewinters verantwortlich sind, ihrer gerechten Strafe zuzuführen? Doch tief in seinem Innern spürt er, dass da noch etwas ist: dass er noch immer viel zu viel Freude dabei empfindet, zu kämpfen – und das Blut seiner Feinde zu vergießen …

Die Legende von Drizzt bei Blanvalet:

Die Dunkelelfen (26754) · Die Rache der Dunkelelfen (26755) · Der Fluch der Dunkelelfen (26756) · Der gesprungene Kristall (24549) · Die verschlungenen Pfade (24550) · Die silbernen Ströme (24551) · Das Tal der Dunkelheit (24552) · Der magische Stein (24553) · Das Vermächtnis (24663) · Nacht ohne Sterne (24664) · Brüder des Dunkels (24706) · Kristall der Finsternis (24931) · Schattenzeit (24973) · Der schwarze Zauber (24168) · Die Rückkehr der Hoffnung (24227) · Der Hexenkönig (24402) · Die Drachen der Blutsteinlande (24458) · Die Invasion der Orks (24284) · Kampf der Kreaturen (24299) · Der König der Orks (26580) · Der Piratenkönig (26618) · Der König der Geister (26619) · Gauntlgrym (26851) · Niewinter (26878)

Außerdem von R. A. Salvatore:

Star Wars: Episode I-III. Die dunkle Bedrohung – Angriff der Klonkrieger – Die Rache der Sith (37630) · Der Speer des Kriegers/Der Dolch des Drachen/Die Rückkehr des Drachenjägers. Drei Romane in einem Band! (24314)

Weitere Titel in Vorbereitung

R. A. Salvatore

Niewinter

Die Legende von Drizzt

Roman

Aus dem Englischen

von Imke Brodersen

Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel

»Neverwinter« bei Wizards of the Coast, Renton, USA.

1. Auflage

Juni 2012 bei Blanvalet, einem Unternehmen der Verlagsgruppe

Random House GmbH, München.

Original title: Neverwinter © 2011 Wizards of the Coast LLC.

FORGOTTEN REALMS, WIZARDS OF THE COAST,

and their respective logos are trademarks of Wizards

of the Coast LLC in the U.S.A. and other countries.

© 2011 Wizards of the Coast LLC. Licensed by Hasbro.

Published in the Federal Republic of Germany

by Blanvalet Verlag, München

Deutschsprachige Rechte bei der Verlagsgruppe

Random House GmbH, München

Umschlaggestaltung: Isabelle Hirtz, München

Das Cover wurde erstellt von

Todd Lockwood © Wizards of the Coast, LLC

HK · Herstellung: sam

Satz: omnisatz GmbH, Berlin

ISBN: 978-3-641-08122-5

www.blanvalet.de

Prolog

Das Jahr des wiedergeborenen Helden (1463 DR)

Dahlia verzog lächelnd die Lippen, während sie dem Dunkelelfen bei seinem Tanz zusah. Mit bloßem Oberkörper ging Drizzt Do’Urden seine Angriffs- und Verteidigungsstellungen durch, mal mit Bedacht, mal schwindelerregend schnell. Seine Krummsäbel kreisten anmutig, um dann mit plötzlicher Kraft zuzustoßen. Sie konnten aus jedem Winkel und oft aus unerwarteter Richtung vorschnellen, und nicht nur einmal registrierte Dahlia überrascht eine raffinierte Drehung oder Kehrtwende.

Auf dem Weg nach Gauntlgrym und in der Zwergenfestung selbst hatte sie an Drizzts Seite gekämpft und glaubte daher, sie verstünde, wie umfassend seine Kampfkunst war. Doch heute, in dieser mondhellen Nacht, konnte sie die Anmut und Koordination seiner Bewegungen in ihrem ganzen Ausmaß betrachten und rief sich ins Gedächtnis, dass eine derartige Perfektion im Kampf nicht von selbst kam.

Sie bewunderte die Arbeit des Drow und seine schlanke Gestalt mit den so offensichtlichen – und anziehenden – straffen Muskeln.

Er bewegte sich ausschließlich auf den Fußballen, ohne je den Boden mit den Fersen zu berühren, wie sie bemerkte, und jede erdenkliche Bewegung endete kontrolliert und in vollendetem Gleichgewicht. Ihr fiel auch auf, dass Drizzt bei seinen abrupten Stichen und Schwüngen nicht den Hals anspannte. Viele breitschultrige Menschenkrieger konzentrierten ihre ganze Kraft hoch oben über den Schultern, wodurch die Körperkraft im gleichen Maße zu wachsen schien, wie sie an Gleichgewicht und Schnelligkeit verloren.

Nicht so Drizzt.

Sein Hals war entspannt, die Schultern beweglich. Seine Kraft kam aus seinem Bauch und aus den Muskeln entlang seines Brustkorbs. Unwillkürlich fragte sich Dahlia, wie viele Gegner sich wohl schon in seinem schmalen Hals und dem geschmeidigen Schultergürtel des Drow getäuscht hatten, dem es augenscheinlich an Kraft mangelte, um sich kurz darauf entwaffnet oder von der Macht seiner Hiebe gespalten zu sehen. Die Krummsäbel sirrten in verblüffendem Tempo, während er immer mehr in seinem Tanz aufging, und doch waren jeder Hieb und jeder Stoß von Balance und Kraft geprägt.

Instinktiv berührte Dahlia ihr rechtes Ohr, wo jetzt kein Diamantstecker mehr hing. Ihr Lächeln wurde noch breiter. Hatte sie endlich den Geliebten gefunden, der ihren Schmerz stillen konnte?

Drizzt schwitzte, und seine dunkle Haut glänzte im Mondschein. Er stach mit beiden Klingen parallel nach rechts, setzte aber bereits geschickt die Füße zur Gegenseite und fuhr nach links, sodass die rasche Wendung des Oberkörpers ihm den nötigen Schwung für einen Überschlag gab, nach dem er wieder auf den Füßen landete. Nur einen Herzschlag später glitt er auf die Knie, wie um einem tiefen Schwerthieb von rechts auszuweichen. Ein blau leuchtender Säbel stach in diese Richtung, und schon war Drizzt wieder in Bewegung. Er war so rasch aufgesprungen, dass Dahlia den Übergang nicht einmal bemerkt hatte.

Die Elfenfrau fuhr sich mit der Zunge über die lächelnden Lippen.

»Ich kann ihn reiten!«, beharrte Dahlia. »Ich bin eine erfahrene Reiterin.«

»Andahar ist kein Pferd«, erwiderte Drizzt vom Rücken des Einhorns aus. Der Drow streckte Dahlia erneut die Hand hin. Sie widersetzte sich immer noch.

»Oder hast du etwa Angst, dass Andahar mich am Ende lieber mag?«, fragte sie grinsend.

»Das wäre egal. Ich habe die Pfeife.«

»Die könnte ich ja nehmen.«

»Versuch’s doch.« Damit zog Drizzt seine Hand zurück, zuckte mit den Schultern und versetzte Andahar mit einem leisen Schnalzen in einen langsamen Trab. Sie waren jedoch nur wenige Schritte weit gekommen, ehe Dahlia das Ende ihres acht Fuß langen Stabs auf den Boden stützte und sich hinter dem Drow auf das Einhorn katapultierte.

»Glaubst du etwa, ich bräuchte deine Hand, Drow?«, fragte sie. »Glaubst du, ich bräuchte irgendwas von dir?«

Drizzt trieb sein mächtiges Ross zu leichtem Galopp an und lenkte Andahar mit einem Griff in seine fließende weiße Mähne durch die Büsche.

»Wir werden eine frühe Mittagspause einlegen. Bald danach stoßen wir auf die Straße«, sagte der Dunkelelf.

»Und dann?«

»Nach Norden«, antwortete er. »Richtung Letzthafen, vielleicht auch nach Luskan, um mehr in Erfahrung zu bringen.«

Sein Ton und seine Haltung verrieten, dass er mit Widerspruch rechnete. Dahlia hatte deutlich gesagt, dass sie nach Süden wollte, in den Wald von Niewinter, wo sie die Magierin aus Tay, Sylora Salm, und ihren Todesring erledigen wollte.

Zu seiner Überraschung erhob Dahlia jedoch keine Einwände. »Also auf nach Luskan«, stimmte sie zu. »Aber so schnell wie möglich, und dann genauso schnell wieder nach Süden. Soll Sylora Salm noch ein wenig mit den Zähnen knirschen, weil ihr Urelementar versagt hat. Aber nicht mehr lange!«

»Und dann töten wir sie«, sagte Drizzt. Seine Feststellung enthielt einen fragenden Unterton.

»Skrupel?«, fragte Dahlia.

Drizzt lenkte Andahar bergab auf ein Wäldchen zu und bremste das Einhorn dabei zu langsamem Traben ab. »Ich hatte gesagt, ich würde mich dir nicht anschließen, wenn du nur auf Rache aus bist.«

»Sylora ist hier noch nicht endgültig geschlagen«, erinnerte ihn Dahlia. »Sie wird erneut versuchen, den Urelementar freizusetzen und eine Katastrophe im Norden auszulösen, die ihren Todesring nähren kann. Und du glaubst, ich wäre nur auf Rache aus?«

Drizzt brachte Andahar abrupt zum Stehen und drehte sich langsam um. Er sah Dahlia direkt in die blauen Augen. »Ich hatte gesagt, wenn es nur um deinen persönlichen Rachefeldzug ginge, würde ich mich dir nicht anschließen.«

Dahlia grinste ihn an. Als die faszinierenden blauen und violetten Farbpunkte auf ihrem Gesicht sich dabei bewegten, erinnerte sie ihn verblüffend an eine sprungbereite Raubkatze, und dieser Gedanke war ihm anzusehen. Dahlia neigte den Kopf nach rechts und wandte ihn dann abrupt nach links. Der Drow blinzelte verblüfft. Bei der Bewegung der Frau schien die Katze loszuschnellen.

Und während er sie noch fasziniert betrachtete, lehnte Dahlia sich vor und berührte seine Lippen mit den ihren.

Es dauerte mehrere Augenblicke, doch schließlich schien sie damit den Zauber zu brechen. Der Dunkelelf lehnte sich nach hinten und starrte sie verwirrt an.

»Warum hast du das getan?«, fragte er mit einer Stimme, die er nur schwer zu finden schien.

»Weil ich dir nicht glaube«, erwiderte sie.

Drizzt neigte den Kopf leicht zur Seite. Als er protestieren wollte, gebot ihm Dahlia Schweigen, indem sie einen Finger vor seine Lippen hielt.

»Sei kein Narr, Drow«, mahnte sie mit durchtriebenem Grinsen. »Versuche nicht, mir meine Rachegelüste auszureden, nur weil du besonders ritterliche Vorstellungen über die Wahrheit hegst.«

Der Dunkelelf machte ein derart verwirrtes Gesicht, dass Dahlia lauf auflachte. Schließlich gab er nach, drehte sich wieder um und setzte Andahar erneut in Bewegung.

Das magische Einhorn trug sie unermüdlich bis spät in die Nacht. Im Gegensatz zu Guenhwyvar ließ Andahar sich jederzeit herbeirufen und konnte so lange bleiben, wie Drizzt ihn benötigte. Allerdings konnte Andahar im Gegensatz zu dem Panther auch verwundet, obgleich nicht getötet werden, und solche Wunden heilten genauso langsam wie bei sterblichen Kreaturen. Deshalb achtete Drizzt darauf, Andahar möglichst wenig in Kämpfe zu verstricken, und behielt das Einhorn nur selten bei sich, wenn Gefahr heraufzog.

Sie hatten gehofft, noch in dieser Nacht Letzthafen zu erreichen, aber dann schlug das Wetter um. Daher errichteten sie unter einem etwas abgelegenen Felsüberhang an einer hohen Klippe in Sichtweite der Straße ein Nachtlager. Trotz des eisigen, strömenden Regens, der von gelegentlichen Blitzen durchzogen war, gelang es Drizzt, ein kleines Feuer in Gang zu setzen, auch wenn der Rauch ihn und Dahlia bei jeder Windbö zum Husten brachte.

Drizzt fand das alles jedoch nicht so schlimm. Warum auch? Er war wieder unterwegs, und hinter jeder Ecke wartete das Abenteuer. Die Straße war voller Gefahren, der Wald voller wilder Wesen und das Land noch ursprünglich. Selbst in den Städten, die vor ihnen lagen, erst Letzthafen und später Luskan, würde er auf der Hut bleiben und immer die Hände in der Nähe seiner Säbel behalten.

Er lehnte rücklings am Fels und warf verstohlene Blicke auf Dahlia – wie sie aß, wie sie umherlief, wie sie die verspannten Muskeln dehnte. Im Augenblick stand sie mit dem Rücken zu ihm am vorderen Rand des Überhangs, wo sie immer wieder vom Regen erwischt wurde. Auf den Zehenspitzen stehend, spähte sie in die Ferne, und ihr schräg angeschnittener Rock gestattete Drizzt einen ausgiebigen Blick auf ihre wohlgeformten Beine.

Lächelnd schüttelte der Drow den Kopf. Sie wusste, dass er sie beobachtete. Dahlia spielte ein Spiel, und der Kuss, als sie hinter ihm auf Andahar gesessen hatte, oder die Art, wie sie während des harten Ritts die Arme um ihn geschlungen hatte, waren ein Teil davon.

»Lösch das Feuer.« Dahlia warf ihm einen Blick zu.

Drizzts Lächeln erstarb. Fragend starrte er sie an.

»Wir sind nicht allein.«

Mit einer schnellen Bewegung stieß Drizzt mit dem Stiefel ein Häufchen Erde, das extra für diesen Zweck bereitlag, über die Flammen. Eilig stand er auf und blickte in den Regen, bemerkte aber nichts. Dahlia streckte den Arm aus und deutete zur Straße.

Eine Fackel flackerte irgendwo dort unten zwischen den Bäumen.

»Sie bewegen sich«, sagte Dahlia.

»Bei diesem Unwetter nachts auf der Straße?«

»Wegelagerer … oder Soldaten des einen oder anderen Heerführers«, überlegte Dahlia. »Oder vielleicht ein paar Monster?«

»Vielleicht auch nur eine kleine Karawane, die nicht rechtzeitig Schutz gesucht hat.«

Dahlia schüttelte den Kopf. »Welcher Kaufmann würde seinen Wagen oder seine Leute derart in Gefahr bringen und bei Nacht eine schlammige, holprige Straße entlangziehen? Wenn dabei ein Rad bricht oder sein Pferd sich vertritt, kann das lebensgefährlich sein.«

»Außer sie fliehen vor etwas, das ihnen bereits zugestoßen ist«, meinte Drizzt und griff nach seinem Waffengurt.

»Du willst also zu ihnen gehen?«, fragte Dahlia fast spöttisch.

Drizzts Blick verriet, dass die Antwort doch auf der Hand zu liegen schien.

»Um alles Unrecht auf der Welt in Ordnung zu bringen, Drizzt Do’Urden?«, hakte sie nach. »Ist das dein Lebensinhalt? Ist das alles, was dich umtreibt?«

»Würdest du einem hilflosen Unschuldigen nicht beistehen?«

»Ich weiß nicht, ob das da unten hilflose Unschuldige sind – und ich zweifle stark daran«, erwiderte sie. Sie lachte leise, und Drizzt wusste, dass sie sich über ihn lustig machte. »Mehr gibt es nicht für dich? Schwarz und weiß, richtig und falsch?«

»Zwischen richtig und falsch gibt es einen erheblichen Unterschied«, entgegnete Drizzt verärgert, während er seine Waffen umschnallte.

»Natürlich – aber hat die Welt nicht noch mehr zu bieten?«

Drizzt verharrte kurz, doch dann zog er die Onyxstatue von seinem Panther heraus und rief Guenhwyvar an seine Seite. »Ein Licht auf der Straße«, erklärte er der großen Katze. »Geh und beobachte es.« Mit einem leisen Fauchen sprang der Panther davon und tauchte in die Nacht ein.

»Glaubst du nicht, dass es Fälle gibt, in denen beide Seiten glauben, sie wären im Recht?«

»Erinnere mich, dass ich dir irgendwann einmal die Geschichte von König Obould Todespfeil erzähle«, erwiderte Drizzt und ging an Dahlia vorbei. »Vorerst werde ich in Erfahrung bringen, was ich kann. Bist du dabei?«

Dahlia zuckte mit den Schultern. »Natürlich«, antwortete sie. »Vielleicht bekommen wir ja einen guten Kampf.«

»Vielleicht retten wir einen unschuldigen Kaufmann«, erwiderte Drizzt.

»Vielleicht retten wir die gewaltsam ergatterte Beute eines selbsternannten Heerführers«, knurrte Dahlia, sobald der Drow sich abwandte.

Drizzt sah sich nicht mehr um. Er wollte nicht, dass sie das unbeabsichtigte Grinsen bemerkte, das ihr gnadenloser Sarkasmus ihm entlockt hatte. Diese Befriedigung gönnte er ihr nicht.

Eilends huschte er den Hang hinab und zwischen die Bäume. Er strengte sich an, denn er wollte Dahlia noch mehr fordern. Da seine magischen Fußbänder ihn antrieben, wusste er, dass sie nicht mit ihm Schritt halten konnte. Deshalb wurde er hin und wieder gerade so langsam, dass sie hoffen durfte, ihn einzuholen. Doch schon lange, bevor er sich der Straße näherte, konnte er nur noch erahnen, wie weit sie hinter ihm war, falls sie überhaupt noch da war.

Drizzt konzentrierte sich auf das, was vor ihm lag: die Straße und die Fackeln auf der rechten Seite, die sich rasch näherten. Er nickte, als ein Wagen in Sicht kam, der von einem offensichtlich verschreckten Mann gefahren wurde. Neben ihm hockte ein Begleiter mit schussbereitem Bogen, der sich über den Bock nach hinten umsah. Hinter dem Wagen folgten drei weitere Leute mit Fackeln, die sich bemühten, ihn einzuholen – nein, nicht ihn einzuholen, wie Drizzt erkannte, sondern gleichauf zu bleiben. Das waren nicht die Feinde, vor denen der Wagen floh, denn sonst hätte der Schütze sie leicht niederstrecken können.

Knapp dreißig Schritte vor ihm ging einer der Fackelträger zu Boden.

»Schieß doch! Schieß doch!«, schrie eine Frau von hinten verzweifelt.

Drizzts Hand glitt zu seinem Bogen, Taulmaril. Er stieß einen leisen Pfiff aus, den Guenhwyvar kannte, worauf der Panther sich vor ihm auf einem Ast über der Straße zeigte. Drizzt deutete auf den Weg vor dem rumpelnden Wagen.

Im nächsten Moment sprang der Panther mitten auf die Straße, direkt vor das Gespann, das sofort abdrehte.

Guenhwyvars Brüllen war wie polternde Felsen und hallte meilenweit durch die Wälder und Berge. Die Pferde kamen schlitternd zum Halten, bäumten sich auf, schlugen mit den Vorderhufen und wieherten entsetzt.

Der Ruck riss den Schützen fast von seinem Sitz.

»Schieß!«, brüllte der Kutscher, der alle Hände voll zu tun hatte, den schaukelnden Wagen unter Kontrolle zu bekommen. »So schieß doch! Oh, bei den Göttern!«

Mit Mühe drehte sich der Bogenschütze wieder um und riss beide Augen auf, als er die Ursache des Aufruhrs entdeckte. Mit zitternden Händen hob er seinen Bogen.

Da sauste unmittelbar vor den zwei Männern ein Silberstreif wie ein Miniaturblitz durch die Luft, der sie derart erschreckte, dass dem Schützen unbemerkt der Pfeil von der Sehne rutschte. Als er dennoch die Sehne losschnellen ließ, fiel der Pfeil einfach zu Boden. Der Mann schrie auf und hätte beinahe auch noch den Bogen fallen lassen.

Die Pferde standen immer noch wiehernd auf den Hinterbeinen, obwohl der Panther bereits wieder im Gebüsch verschwunden war.

»Schütze zur Seite!«, schrie die Frau von hinten, die nun dem Wagen näher kam und zusammen mit ihrem Begleiter tapfer auf Drizzt losstürmte.

Der Dunkelelf wollte die beiden natürlich nicht erschießen, weil er immer noch nicht wusste, ob sie Freund oder Feind waren. Deshalb warf er Taulmaril auf die Erde und zog in Abwehrhaltung seine Säbel.

Das hätte er sich sparen können.

Der großgewachsene, schlaksige Mann, der noch etliche Schritte von ihm entfernt war, heulte auf und riss sein Schwert in die Höhe. Da schwang sich eine geschmeidige Elfengestalt herab, die mit beiden Beinen über ihm sicher an einem Ast baumelte. Dahlia verpasste dem Mann mit ihrem langen Stab einen Schlag gegen die Stirn, der ihn niederstreckte; das Schwert fiel ihm aus der Hand.

Mit einem Satz löste sich Dahlia vom Baum und landete so beiläufig auf beiden Beinen, als täte sie dies jeden Tag. Kaum hatte sie den Boden berührt, sprang sie auch schon über den sitzenden, benommenen Mann hinweg. Die Frau, die nicht weit entfernt war, wollte ihren Speer einsetzen, aber Dahlia ging tief in die Knie, und einen Moment später schoss ihr Stab vor und riss die Frau von den Füßen.

Vorne auf der Straße schrie der Schütze den Kutscher an, endlich weiterzufahren, doch kaum begannen die Pferde zu laufen, sprang Guenhwyvar wieder auf den Weg und brüllte noch einmal. Die scheuenden Pferde bäumten sich erneut laut wiehernd auf.

Vom Straßenrand aus nahm Drizzt jetzt den dritten Läufer wahr, der zuvor hart gestürzt war. Mit flackernder Fackel stolperte er weit hinten im Regen über die Straße. Drizzt achtete nicht auf ihn, sondern sprang auf den Wagen zu, der jetzt links vor ihm stand. Drizzt sah, wie der Schütze sich zu ihm umwandte: Er hatte seinen Bogen neu gespannt und einen Pfeil an die Sehne gelegt.

Drizzt warf sich auf die Knie und rutschte durch den Schlamm, während der Pfeil an ihm vorbeiflog. Direkt hinter der Ladefläche kam er wieder hoch, schnellte in die Höhe und überwand problemlos die niedrige Ladeklappe. Sobald er sicheren Stand gefunden hatte, sprang er weiter, zog die Beine an, als er über die geduckten Männer hinwegsetzte, drehte sich um und landete mit dem Gesicht zu ihnen an der Deichsel. Die zwei Pferde bäumten sich immer noch voller Panik auf, aber ihr Toben störte den wendigen Drow nicht im Geringsten. Er hielt den zwei Männern seine Säbel vors Gesicht.

»Nimm alles, aber lass mich am Leben, ich bitte dich«, flehte der Kutscher verzweifelt und wedelte mit zitternden Händen vor seinem breiten, nassen Gesicht herum. »Bitte, guter Mann!«

Der andere warf den Bogen weg, schlug die Hände vors Gesicht und begann zu weinen.

»Wer jagt euch?«, fragte Drizzt die Fuhrleute.

Diese unerwartete Frage schien sie gänzlich zu verwirren.

»Wer?«, wollte Drizzt wissen.

»Räuber«, sagte der Schütze. »Eine miese Bande Nichtsnutze, die unsere Waren stehlen und uns den Hals durchschneiden wollen!«

Drizzt warf einen Blick auf Dahlia, die auf dem Weg dem dritten der Läufer gegenüberstand, der beide Hände gehoben hatte, um sich zu ergeben. Offensichtlich wollte er sich nicht mit ihr messen.

»Wer seid ihr, und woher kommt ihr?«, fragte Drizzt.

»Letzthafen«, antwortete der Schütze, während der Kutscher gleichzeitig sagte: »Luskan.«

Argwöhnisch sah Drizzt die beiden an.

»Aus Luskan, aber jetzt kommen wir gerade aus Letzthafen«, erklärte der Schütze.

»Im Auftrag der Hochkapitäne«, ergänzte der Kutscher rasch, der jetzt etwas mutiger zu werden schien.

»Und eure Ladung?«

»Vorräte, Wein, alles Mögliche«, sagte der Kutscher, doch der Schütze versuchte, ihn zum Schweigen zu bringen, indem er ihm eine Hand auf die Brust legte.

»Wir haben, was wir haben – was geht das dich an?«, fragte der Schütze.

Drizzt bedachte ihn mit einem teuflischen Grinsen, bei dem der Mann in sich zusammensackte. Vermutlich fiel ihm gerade wieder ein, dass die Hochkapitäne ihm gegen einen einfachen Stich des Krummsäbels, der nur eine Handbreit vor seinem Gesicht schwebte, nicht viel helfen würden.

Weiter hinten auf der Straße wurde es lauter, ein Zeichen, dass die Verfolger nahten.

»Wenn ich herausfinde, dass ihr mich belogen habt, dann sollte euch klar sein, dass wir uns wiedersehen – lange bevor ihr die Lichter von Letzthafen zu Gesicht bekommt.« Drizzt zog seine Klingen zurück, um sie schwungvoll in ihren Scheiden zu versenken. »Und jetzt verschwindet!«

Mit einem kurzen Gruß sprang er zwischen den Männern hindurch über die Bank, half den drei Nachzüglern auf den Wagen und sah ihnen nach, während das Gefährt eilends davonrollte.

»Du lässt sie laufen?« Dahlia tauchte neben ihm auf. »Wie edel von dir!« Sie reichte ihm Taulmaril und den Köcher, den Drizzt vor seinem Angriff auf den Wagen abgelegt hatte.

»Soll ich etwa ihre Waren stehlen und sie erschlagen?«

»Zumindest das Erstere.«

Drizzt starrte sie an. »Das sind einfache Händler.«

»Ja, aus Luskan, wie ich höre. Einfache Männer im Dienste der Hochkapitäne – Piraten, einer wie der andere, und diejenigen, die diese Stadt zerstört haben.«

Drizzt versuchte, sich gegen diese Wahrheit zu behaupten, eine Wahrheit, die ihm, der während des Sturzes seines alten Freundes, Kapitän Deudermont, in der Stadt der Segel gewesen war, nur zu gut und zu schmerzlich bewusst war.

»Was sie mit sich führen, ist also von vornherein unrechtmäßig erworben – und wer ist jetzt der Räuber, Drizzt Do’Urden?«, bohrte Dahlia.

»Du verdrehst alles so lange, bis es dir passt.«

»Oder es ist alles von Anfang an verdreht, und kaum jemand ist, was er zu sein scheint, und ein guter Mensch tut Böses, und der Bettler ist ein Dieb.«

Hinten an der Straße wurde es noch lauter.

»Darüber reden wir später«, sagte Drizzt und schickte Guenhwyvar mit einem Wink in die Büsche.

»Aber das Ergebnis wird dem idealistischen Drow nicht gefallen«, versicherte ihm Dahlia, ehe auch sie sich seitlich in die Büsche schlug.

Drizzt wollte ihr folgen, doch beim Getrappel galoppierender Pferde und aufgrund von Dahlias Worten, die in ihm nachhallten, besann er sich eines Besseren. Er hob seinen Bogen, legte einen Pfeil an die Sehne und zielte.

Kurz darauf kamen vier Reiter in Sicht, die sich dicht beieinanderhielten und gegen den peitschenden Regen tief vornübergebeugt ritten.

Drizzt spannte die Sehne. Wahrscheinlich konnte er zwei auf einmal erwischen, denn ein Menschenleib war für einen Pfeil von Taulmaril kein großes Hindernis.

»Bettler oder Diebe?«, flüsterte er.

Die Reiter kamen näher, und einer hielt sein Schwert erhoben.

Drizzt neigte den Bogen ein wenig und ließ los. Blauweiß zischte sein Pfeil durch die Luft, blitzte taghell auf und bohrte sich mit einer Explosion vor den Reitern in die gepflasterte Straße.

Die Pferde bäumten sich auf und bockten. Ein Reiter geriet ins Rutschen und klammerte sich verzweifelt seitlich an seinen Sattel. Zwei anderen erging es besser, bis Dahlia von der Seite heranschoss. Eine Frau wurde hart von ihrem Stab getroffen, während sie sich bereits streckte und dem nächsten Reiter einen doppelten Tritt verpasste.

Gleich darauf erschien Guenhwyvar, worauf die Pferde vor Entsetzen scheuten und durchzugehen drohten.

Mit einer Drehung rollte sich Dahlia auf dem Boden ab, kam sogleich wieder auf die Füße und wirbelte herum. Sie setzte den Stab auf, um sich erneut in die Höhe zu katapultieren. Dieses Mal trat sie nach der Reiterin, die sie bereits mit dem Stab erwischt hatte. Immerhin saß die Frau noch, aber Dahlia war noch nicht mit ihr fertig. Im Landen ließ die Elfe ihren Stab vorschnellen und traf die Reiterin ein drittes Mal, jetzt mit einem magischen Blitz, der den Metallstab durchzuckte. Die Frau zitterte und zuckte, die Haare standen ihr vom Kopf ab, und sie hatte keine Chance mehr, sich auf ihrem verängstigten Pferd zu halten, das sich um sich selbst drehte.

Drei der Pferde jagten reiterlos davon. Das vierte, an das sich immer noch der verrutschte Reiter klammerte, drehte sich unablässig, weil Guenhwyvar es in Schach hielt.

»Es kommen noch mehr«, rief Dahlia Drizzt zu, als er zu ihr trat, um die drei Räuber auf dem Boden in Augenschein zu nehmen. Seine Krummsäbel zeigten ihnen deutlich genug, dass es klug wäre, liegen zu bleiben.

»Bitte töte mich nicht, Meister Do’Urden!«, flehte ein Mann mittleren Alters. »Ich bin ganz bestimmt nicht dein Feind!«

Drizzt sah den Mann verwundert an, weil er ihn nicht erkannte.

»Kennst du ihn?«, fragte Dahlia.

Der Dunkelelf schüttelte den Kopf und fragte den Mann: »Woher weißt du meinen Namen?«

»Ich habe ihn erraten, guter Herr!«, rief der Mann. »Die Katze, der Bogen, deine Säbel …«

»Guen!«, rief Drizzt.

Seitlich von ihm hatte sich der Panther etwas zu sehr von seinem Spiel mitreißen lassen, weshalb das arme Pferd sich mittlerweile wie verrückt im Kreis drehte. Erst als die Katze zurückwich und das Pferd stehen blieb, fiel der Räuber benommen zu Boden.

»Du bist Drizzt?«, fragte die Frau, die wegen der Nachwirkungen des Blitzes immer noch mit den Zähnen klapperte.

»Dass ein Wegelagerer diese Möglichkeit tröstlich findet, überrascht mich«, erwiderte der Drow.

Die Frau schnaubte nur und schüttelte den Kopf.

»Da kommen ihre Freunde«, warnte Dahlia. »Mach ein Ende oder lass uns hier verschwinden.«

Drizzt betrachtete die zerlumpte Gruppe und steckte seine Krummsäbel dann in ihre Scheiden. Dem Mann, der ihn erkannt hatte, bot er sogar seine Hand, um ihm beim Aufstehen zu helfen.

»Für die Hochkapitäne von Luskan habe ich wenig übrig«, erklärte er den Räubern. »Das ist der einzige Grund, weshalb ihr heute davonkommt. Aber seid gewiss, dass ich euch im Auge behalte. Jeder Angriff auf Unschuldige gilt bei mir als Angriff auf mich selbst.«

»Und das war’s?«, begehrte die Frau auf, die zerschlagen und ärmlich aussah. »Wir sollen uns von den Früchten des Waldes ernähren oder hungern, damit der große Drizzt Do’Urden ein gutes Gewissen hat?«

Drizzt sah sie verwundert an und bemerkte kurz darauf Dahlias überlegenes, wissendes Lächeln.

»Ich bin eigentlich ein Bauer«, erläuterte der Mann, dem Drizzt hochgeholfen hatte. »Aus der Gegend von Luskan. Goodman Stuyles, zu Diensten.« Er streckte die Hand aus, aber Drizzt reagierte nicht darauf. »Schon vor dem Fall des Hauptturms des Arkanums hat meine Familie dort das Land bestellt.«

»Warum bist du dann hier?«, fragte der Drow misstrauisch.

»In Luskan braucht man heutzutage keine Bauern mehr«, erwiderte der Mann. »Heute feilschen die Leute um ihr Essen. Die meisten Nahrungsmittel kommen mit dem Schiff oder auf Wagen wie dem, der gerade vorbeigerollt ist.«

»Und das meiste davon sind geraubte Nahrungsmittel, da könnt ihr sicher sein!«, warf ein anderer Mann ein. »Für die Feldarbeit haben sie keine Geduld und auch nichts dafür übrig, die Bauern zu beschützen.«

Drizzt warf Dahlia einen Blick zu. Sie zuckte nur mit den Schultern, als hätte sie das alles erwartet.

»Wir haben es angebaut, sie haben es geraubt, und was sie nicht mitnehmen konnten, haben sie verbrannt«, sagte Stuyles.

Weiter unten kamen weitere Wegelagerer in Sicht, die sich jedoch rasch in den Wald zurückzogen, um die Fremden von den Seiten anzugreifen.

»Geht«, bat Drizzt die vier und bedeutete ihnen mit einem Wink zu verschwinden.

Ein Mann ging zu der Frau, um ihr aufzuhelfen, und rief dabei nach dem nächsten Pferd.

»Ich finde, ihr könntet uns ruhig etwas zu essen und einen trockenen Platz zum Schlafen anbieten, weil wir euch laufen lassen«, sagte Dahlia zu den Menschen, was ihr überraschte Blicke eintrug – ganz besonders von Drizzt. »Müde Reisende, eine verregnete Nacht …«, fuhr sie fort.

Drizzts Kiefer klappte herunter und blieb dort, als Goodman Stuyles antwortete: »Dann kommt einfach mit.«

»Wir haben etwas anderes vor«, wehrte Drizzt in strengem Ton ab, der eigentlich Dahlia galt.

Aber die Elfe lachte nur und folgte den vier Räubern. Mit einem tiefen Seufzer tat Drizzt es ihr nach.

Die Banditen hatten unter einigen dichten Pinien ein paar Schuppen errichtet, in denen sie trotz des strömenden Regens einigermaßen trocken lagern konnten. Die Menschen erwiesen sich als erstaunlich gastfreundlich und boten den Kriegern eine warme Mahlzeit und etwas Gutes zu trinken an.

Goodman Stuyles blieb die ganze Zeit bei Drizzt und Dahlia. Er kitzelte Geschichten aus dem Eiswindtal aus Drizzt heraus, die alten Abenteuer, die in dieser Gegend nach all den Jahren offenbar schon zur Legende geworden waren. Drizzt hatte sich nie als guten Erzähler angesehen, kam der Bitte jedoch nach. Schon bald saß ein gutes Dutzend Zuhörer um ihn herum, die gebannt lauschten.

Die meisten dösten ein, als das Feuer herunterbrannte, doch ein paar hielten sich wach, weil sie die Unterhaltung genossen. »Und was führt euch nun so tief nach Süden in dieses gottverlassene Land?«, fragte einer von ihnen, ein hoch gewachsener Mann mit dem Namen Hadencourt, nachdem Drizzt erzählt hatte, wie sie in einer Eishöhle mit einem weißen Drachen gekämpft hatten.

»Wir sind auf dem Weg nach Luskan«, antwortete Drizzt. »Wo wir uns nach ein paar alten Freunden erkundigen wollen.«

»Und dann in den Wald von Niewinter, oder?«, fügte Dahlia hinzu. Es gelang Drizzt nicht, seine Überraschung zu verbergen, als sie diese Information preisgab.

»Da wird heftig gekämpft«, sagte Bauer Stuyles.

»Der Wald von Niewinter?«, hakte Hadencourt nach. »Was führt einen Drow und eine …«, er warf einen neugierigen Blick auf Dahlia, als wüsste er nicht, was er von ihr zu halten hatte, »… eine Dame wie dich auf dieses Schlachtfeld?«

Dahlia wollte antworten, aber Drizzt kam ihr zuvor. »Wir sind Abenteurer. Und der Wald von Niewinter dürfte derzeit ein recht abenteuerlicher Ort sein!« Er erhob seinen Becher Branntwein und prostete den anderen zu. »Wobei wir noch nicht wirklich wissen, wohin wir uns ab Luskan wenden. Eigentlich ist noch nicht einmal klar, dass wir wirklich bis in die Stadt der Segel vorstoßen. Ich finde, ich war viel zu lange nicht mehr in Mithril-Halle.«

Bei diesen Worten sah der Drow Dahlia unablässig warnend an, damit sie den Mund hielt. Als er zu Hadencourt zurückblickte, bemerkte er das Lächeln des Mannes, das für seinen Geschmack ein wenig zu wissend wirkte.

»Das ist etwas Persönliches«, sagte sie, ohne Hadencourt aus den Augen zu lassen.

Damit war das Gespräch abrupt beendet, und Drizzt hielt es für überfällig, dass sie sich alle hinlegten. Während die anderen sich verstreuten, sah Dahlia Hadencourt nach, der zu seinem Unterschlupf hinüberging.

Goodman Stuyles trat beiseite, um mit ein paar anderen Mitgliedern der Bande zu reden. »Wir ziehen morgen weiter«, teilte er Drizzt kurz darauf mit. »Der Wagen wird bald in Letzthafen sein, und dort wird man bestimmt einen Trupp Soldaten nach uns ausrücken lassen. Wollt ihr uns vielleicht begleiten? Wir würden uns darüber freuen.«

»Nein«, lehnte Drizzt rundheraus ab, obwohl Dahlia das Gegenteil erwidern wollte. »Ich kann nicht.«

»Wir wollen nur überleben, mehr nicht«, beteuerte Stuyles. »Ein Mann hat das Recht, etwas zu essen!«

»Dass ihr meine Klinge nicht zu spüren bekommen habt, ist eine Entscheidung, die ich nicht bereue«, erwiderte Drizzt. »Aber ich fürchte, wenn ich mit euch käme, würdet ihr mich vor Entscheidungen stellen, mit denen ich nicht einverstanden wäre und an denen ich keinen Anteil haben möchte. Wollt ihr bei jeder Begegnung unsicher sein, auf welche Seite ich mich schlage?«

Stuyles trat einen Schritt zurück und fasste den Drow ins Auge. »Dann solltet ihr lieber gehen«, sagte er, und Drizzt nickte kalt.

»Die Welt ist Drizzt Do’Urden also zu schmutzig«, lästerte Dahlia, als Stuyles gegangen war. »Welche Rechte und welche Zuflucht haben die, die nichts haben, wenn die, die alles haben, nichts abgeben?«

»Tiefwasser ist nicht so weit im Süden.«

»Klar, und die Fürsten von Tiefwasser würden allen, die dem Chaos entronnen sind, auch bereitwillig die Tore öffnen.«

In diesem Augenblick fand Drizzt ihren Sarkasmus kein bisschen anziehend. Er beruhigte sich durch Erinnerungen an das Eiswindtal vor fast hundert Jahren, Erinnerungen an eine Zeit und einen Ort, als Gut und Böse weitaus klarer auseinanderzuhalten waren. Selbst in jenem gnadenlosen Grenzland schien die Welt deutlich zivilisierter gewesen zu sein als in dem gegenwärtigen Drama, das sich entlang der Schwertküste abspielte. Er dachte an den Tod von Kapitän Deudermont in Luskan, als die Hochkapitäne die Stadt der Segel und damit auch das Umland endgültig übernommen hatten. Mit Deudermont war auch ein Fürst aus Tiefwasser gefallen, und die anderen Fürsten jener großen Stadt hatten mit ihrem anschließenden Stillhalten sicher falschgelegen.

Doch selbst in diesem schwarzen Augenblick verstand Drizzt, dass Luskans Übergang an die dunkle Seite nur ein kleines Symptom einer großen Seuche war, ebenso wie der Tod von Cadderly und die Zerstörung der Schwebenden Seele. Seit der Ankunft des Schattenfalls waren die dunklen Flecken sowohl buchstäblich als auch symbolisch zu erkennen, und in den riesigen Einflussbereichen der Finsternis hatten sich Anarchie und Chaos ausgebreitet.

Wie konnte Drizzt Seite an Seite mit Männern wie Stuyles und diesen Räubern kämpfen – so gerechtfertigt ihre Vorgehensweise auch sein mochte –, wenn er wusste, dass diejenigen, die sie überfielen, häufig Männer und Frauen wie sie waren, die auch nur versuchten, zu überleben und ihre Familien satt zu bekommen?

Gab es hier noch ein Richtig oder Falsch? Den Machthabern etwas rauben oder sich für ihre Kupfermünzen abschuften?

»Was denkst du?«, fragte Dahlia. Ihre Stimme klang jetzt nicht mehr so scharf.

»Dass ich doch nur eine kleine Figur im großen Spiel bin«, erwiderte Drizzt, ohne aufzusehen.

Als er sich schließlich doch umwandte, um Dahlia anzublicken, grinste sie wissend und so zuversichtlich, dass es ihm vorkam, als würde sie ihn in einer Weise manipulieren, die er noch nicht begriff.

Aber dieser Gedanke machte Drizzt merkwürdigerweise weniger zu schaffen, als er es erwartet hätte. Vielleicht war seine Verwirrung angesichts der chaotischen Realität an der Schwertküste so tiefgreifend, dass er nach jeder Hand griff, die ihn aus dieser Finsternis holen konnte.

Teil 1

Unerledigtes

Und jetzt bin ich allein, einsamer denn je seit der Zeit nach dem Tod von Montolio vor all diesen Jahren. Nicht einmal später, als ich ins Unterreich von Menzoberranzan zurückkehrte und meine Freunde aufgab, weil ich törichterweise glaubte, ich hätte nicht das Recht, sie in Gefahr zu bringen, war es so wie jetzt. Denn obwohl ich im Unterreich allein unterwegs war, hatte ich doch immer das Gefühl, dass sie im Geiste bei mir wären. Ich bewegte mich im Vertrauen darauf, dass Bruenor, Catti-brie und Regis am Leben waren, dass es ihnen gut ging – und hoffentlich noch besser, weil ich sie verlassen hatte.

Aber jetzt bin ich allein. Sie sind tot, alle miteinander. Meine Freunde. Meine Familie.

Guenhwyvar ist natürlich noch da, und das ist schon einiges. Immerhin ist sie eine treue, zuverlässige Gefährtin, jemand, der mir zuhört, wenn ich jammere, mich freue und nachdenke. Aber es ist nicht dasselbe. Guen kann mich hören, aber höre ich je etwas von ihr? Sie kann die Momente des Sieges, des Glücks und der Prüfungen mit mir teilen, aber es findet kein wirklicher Austausch statt. Nachdem ich die Liebe unter Freunden und in der Familie kennen gelernt habe, kann ich mir nicht mehr einreden, die wunderbare Guenhwyvar sei genug, so wie ich es in der ersten Zeit nach Menzoberranzan getan habe.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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