Grün ist das Leben - Wolfgang Bendick - E-Book

Grün ist das Leben E-Book

Wolfgang Bendick

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Beschreibung

Wir müssen anders leben! Wenn wir so weitermachen, geht die Welt bald kaputt! Während die RAF mit Mord und Gewalt ihre marxistischen Utopien umsetzen wollte, machten wir uns an das Verwirklichen unserer ökologischen Utopie, aber auf friedliche Weise: Durch Konsumverzicht und einfaches Leben. "Wenn Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht!", war unser Wahlspruch gegenüber dem autoritären Gehabe des Staates. Wir gingen zu einem Bio-Bauern, machten nochmals eine Lehre, um die Grundlagen des Lebens und Überlebens zu erlernen. Denn es eilte. Unsere Kinder kamen auf die Welt, und wir hatten die Pflicht, ihnen eine heile Welt zu bereiten! Wir hörten mit unseren Freunden die Lieder vom 'Zupfgeigenhansel' und anderen Protestsängern, die uns wie Hymnen auf das Landleben erschienen. Oder wir wanderten mit unseren Kindern durch die Stille der Natur. Wir merkten, dass man fast alles selber machen konnte. Und was man nicht konnte, das wollten wir noch erlernen. Technik kann gut sein. Aber nur, wenn sie mit Maß benutzt wird! 1Liter Benzin pro Tag und ein Kilowatt Elektrizität reichte fürs Leben unserer Familie! Dann fühlten wir uns bereit, den nächsten Schritt zu wagen: Erst quer durch Deutschland, dann durch Frankreich auf der Suche nach einem kleinen Bauernhof.

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Seitenzahl: 374

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Wolfgang Bendick

Grün ist das Leben

einfach und anders leben

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Grün ist das Leben

Widmung

Bodensee

Bio - Welt

KOMPOST

Frühling

Entscheidung

Nebenjob

Rausschmiss

Frohe Botschaft

Standesamt

Wunder des Lebens

Erneute Entscheidung

Lehrling

Blumenhäuschen

Baumsterben

Auf dem Hörnle

Landwirtschaftlicher Kursus

Neues Haus

Bienen

Gehilfe

Zu viert

Wohin?

Frankreich

Quer durchs Land

Pyrenäen

Ariège

Die kleinen Pyrenäen

Foix

Das schöne, lange Tal

Abgenommene Entscheidung

Zeichen des Himmels

Vorbereitungen

Kauf

Zum Buch

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Impressum neobooks

Grün ist das Leben

Einfach und anders leben

Wolfgang Bendick

Erste Erscheinung, März 2018

Bilder: © Wolfgang Bendick

© Copyright 2017 Wolfgang Bendick

Webseite: wolfgangbendick.com

All rights reserved for all countries

Legal deposit: mars 2018

Widmung

‚Zurück aufs Land!‘ Wir waren viele, die davon träumten. Doch für manche wurde der Traum vom einfachen Leben zu einem Alptraum, und sie kehrten in die Städte zurück. Andere blieben, nahmen die Mühsal des Erwachens auf sich und machten sich an die Arbeit. Und die Natur nahm sie auf als ihre Kinder.

Neue Generationen kamen und wurden ebenfalls zu Träumern. Für manche genügen Ferien auf dem Bauernhof. Anderen reichen biologische Nahrungsmittel zum Träumen. In den Städten squattern junge Menschen Industrieland und pflanzen Gemüse. Wichtig für uns alle ist, nicht zu vergessen: Die Natur ist unsere wahre Mutter!

*

Für alle Träumer

*

Ein Dankeschön an Franz, der mit Genuss seinen Rotstift über die Seiten gleiten ließ und somit ein paar Fehler ausmerzte!

Bodensee

Bio - Welt

Unsere Freunde aus Österreich kauften ihr Gemüse bei einem Bio-Bauern in Deutschland. Manchmal halfen sie auch etwas beim Ernten mit, das gehörte anscheinend dazu. Sie hatten uns gesagt, dass dieser immer auf der Suche nach Hilfskräften wäre. Nur würde er nichts für die Arbeit bezahlen. Da die biologische Landwirtschaft uns noch ziemlich fremd war und da wir im Augenblick nicht so recht wussten, wie wir unser gemeinsames Leben verbringen wollten, fuhren wir zu diesem Bio-Bauern hin.

Es war Mitte Januar, und die Natur war, selbst in Bodenseenähe, noch weitgehend „im Ruhestand“. Das ließ uns der Bauer auch gleich von Anfang an wissen. Und dass, wenn er wirklich jemanden bräuchte, dieses erst später im Frühjahr wäre. Doch zeigte er uns trotzdem den Hof und umriss in groben Zügen den biologischen Landbau: Eigentlich seien richtige Bauern nur diejenigen, die nach den kosmischen Gesetzmäßigkeiten, also den Richtlinien Rudolf Steiners arbeiteten, alle anderen seien Stümper. Sie seien vielleicht gute Arbeiter, hätten aber von den wahren Dingen wie Leben und Wachstum nichts begriffen.

Was blieb uns anderes übrig, als zu allem zu nicken und zu versuchen, von den wichtigen Dingen etwas im Gedächtnis zu behalten, und irgendwann auch mal eine Bemerkung anzubringen. Auf jeden Fall geht man nicht zu einem Bio-Bauern einfach so zum Helfen! Es ist eher so, als würde man in einen Orden eintreten, oder in einen Aschram. Es geht weniger um die hilfreichen Handgriffe, sondern um die Einstellung, in der man sie macht. Und außerdem machten alle alles falsch, und eigentlich müssten die Helfer noch dafür bezahlen, dass sie helfen dürfen, da sie doch dem Bauern seine wertvolle Zeit nähmen und zudem in ihrem Unwissen Material und Pflanzen beschädigten…

Wir liefen durch die Obstwiesen, die weitgehend brachliegenden Felder (nur ein paar Reihen Lauch und Rosenkohl spitzten aus dem schneebedeckten Boden), durch den Beerengarten, während der Bauer mit fast theatralischen Gesten versuchte, uns die Grundzüge der einzig wahren Anbauweise zu vermitteln: Die Natur gäbe nicht einfach so. Das sei kein automatischer Mechanismus. Das Säen, Pflegen und Ernten sei etwas Ganzheitliches. Das sei ein Zusammenspiel von Weltall, Erde und Mensch. Man müsse Teil davon sein, oder zumindest, was uns beträfe, es noch werden!

Irgendwie war der Gedankengang schon faszinierend! Auf diese Weise hatten wir etwas so Einfaches wie Säen, Ernten und Essen noch nie betrachtet! Ich dachte an meine Kindheit, wo alle wichtigen Gesten des bäuerlichen Alltags von Gebeten oder Segnungen begleitet waren. Ich sagte das dem Bauern. Der stutzte einen Moment. „Da ist schon auch etwas dran. Man muss sich bewusst sein, dass es universelle Kräfte sind, früher hätte man gesagt göttliche, die da wirken, dass wir Menschen und das ganze Weltall eine Art Einheit bilden, wo alles alles beeinflusst. Und das kann auf zweierlei Weise geschehen, zum Positiven als auch zum Negativen, zum Heil oder zum Unheil, zur Gesundheit oder zur Krankheit des Wesens, ob es nun ein Mensch oder eine Pflanze ist.“

Doch all das waren vorerst nur Worte in den Wind gesprochen, denn der Bauer machte uns klar, dass es jetzt im Winter keine Arbeit gäbe, und nur eine warme Unterkunft zur Verfügung zu stellen, die wir dann wieder verließen, sobald die schöne Jahreszeit käme, dazu sei er nicht da! „Arbeit gibt es doch auch im Winter“, warfen wir ein, „Holz machen, Reparaturen, aufräumen!“ „Ja könnt ihr das überhaupt? Ihr jungen Leute heutzutage glaubt alles zu wissen, alles zu können und habt doch jeder zwei linke Hände… wenn man bedenkt, wer hier alles schon versucht hat, zu arbeiten…!“. Wir kamen in den engen, dämmerigen Kuhstall. Sechs Kühe fristeten hier ihr ganzheitliches Dasein. Es war warm und roch süßlich nach Heu, Mist und Milch. „Wir könnten jeden Tag misten, die Tiere striegeln…“. „Melken tu aber nur ich! Denn bei jemand anderem verlieren die Kühe gleich ihre Milch!“ Die Kühe machten lange Hälse. Sie streckten weit ihre Zunge hinaus, um uns zu abzulecken, und leckten sich anschließend ihr glänzendes Maul und die Nasenlöcher. „Kühe sehen nicht gut. Sie besitzen nur dreißig Prozent des Sichtvermögens eines Menschen. Auch sehen sie kein Rot. Ihr Blickwinkel ist 330 Grad, das heißt, fast rundum. Dafür aber ist ihr Geruchsinn sehr ausgeprägt“, erklärte der Bauer. „Den Duft, den sie an euch gefunden haben, bringen sie mit ihrer Zunge in ihre Nase und machen sich dann ein ‚Bild‘ vom Gerochenen. Sie scheinen euch zu mögen!“ War es das, was den Ausschlag gegeben hatte?

Jedenfalls kamen wir überein, dass wir auf dem Hof bleiben könnten. Bis zum Herbst. Wenn dann weniger Arbeit wäre, müssten wir aber gehen! Den nächsten Winter könnten wir jedenfalls nicht bleiben! Man nähme uns aus reiner Nächstenliebe, denn effektive Arbeit zu leisten, wären wir erst in ein paar Jahren imstande. Auch bekämen wir nur die vier Wände zur Verfügung gestellt! Holz und Essen müssten wir selber besorgen, wir bekämen keinen Lohn, würden nicht versichert, müssten aber im Winter mindestens einen halben Tag, und wenn dann die Arbeit losginge, einen ganzen Tag arbeiten! Ein Tag in der Woche sei frei. Wir sagten zu, aber unter der Bedingung, dass einer von uns unter diesen Umständen später auswärts Arbeit suchen müsste, denn etwas Geld bräuchten wir doch noch. „Ihr wisst gar nichts von eurem Glück, denn im Schwarzwald gibt es einen Bauern, der sich 800 Mark im Monat zahlen lässt dafür, dass man dort arbeiten kann! Da geht es morgens um 5 Uhr raus und bis zum Sonnenuntergang, und alles wird von Hand gemacht und mit Pferden...“ Und dieser Landwirt, „der Rödelberger“, war ab jetzt der große ‚Buhmann‘, wenn wir mal mit unserem Los bei unserem Bauern nicht zufrieden waren.

Unser Zimmer lag über der Küche der Bauernfamilie, unterm Dach des Hauses. Das Klo war im Flur, das Bad unten. Dieses konnten wir einmal pro Woche benutzen und es musste vorher eingeheizt werden. Ein alter Küchenherd war das Hauptmöbel unseres Raumes. Am ersten Abend durften wir ein paar Holzscheite des Bauern nehmen, dann mussten wir das Brennholz selber im Wald suchen. Als später das Feuer im Herd knisterte und die Flammen durch die schlecht schließenden Ringe der Platte hindurch unter der Zimmerdecke ihren Reigen tanzten, lagen wir auf der Matratze und waren glücklich. Man hatte uns genommen! Vom Stall dringen leise die Geräusche der Kühe zu uns herauf, ein Parfüm von Äpfeln liegt in der Luft, vermischt mit dem erdigen Geruch von Kartoffeln und dem Modergeruch aus dem Kellergewölbe, wo die Gemüse für den Hofverkauf ausliegen. Die Bäuerin hatte uns ein paar angewelkte Porree-stängel zugeschoben, aus den wir eine Suppe kochen konnten. „Das soll aber eine Ausnahme bleiben, denn die Gemüse sind zum Verkauf bestimmt!“, grummelte der Bauer. Später aßen wir dann unsere Suppe und genossen die vier ‚eigenen‘ Wände. War dies unser erster Schritt zu einem eigenen Höfle?

Am nächsten Morgen ging es dann los. Man zeigte uns den Keller, die Schuppen, den Schweinestall. Doris sollte der Frau zur Hand gehen, ich folgte dem Bauern durch die restlichen Gebäude, wobei er mir alles zeigte und zugleich schon erklärte, was in Zukunft alles zu tun sei, falls er mal nicht da sei oder ich eine freie Minute hätte. Denn ohne Arbeit ginge es mal nicht auf so einem Hof! Und ich könnte mir gar nicht vorstellen, wie wenig in der Landwirtschaft verdient werde! „Das Beste wäre, gar nicht zu arbeiten, denn das würde wenigstens die Unkosten ersparen!“ „Aber man hat doch immer genügend zu essen, und das ist doch schon etwas!“, warf ich ein. Daraufhin bekam ich erst einmal eine lange Predigt über die Ausgaben für Versicherungen, Strom, Wasser und Maschinenreparaturen, Ernteausfälle und die schlechte Marktlage. Das kam mir zwar mehr als Ausrede vor, um uns keinen Lohn zahlen zu müssen, ließ es aber ohne Kommentar. Überall häuften sich Geräte und Dinge, die darauf warteten, repariert oder aufgeräumt zu werden, oder gleich weggeworfen oder verbrannt. Dafür, dass es die arbeitsarme Saison war, gab es überraschenderweise viel zu tun! Wie sollte das erst werden, wenn mal Hochsaison herrschte?

Am Mittag wollten wir dann, wie ausgemacht, mit der Arbeit aufhören. „Ja aber ihr seid doch noch gar nicht fertig!“, bekamen wir zu hören. „Es war doch ausgemacht, in der ruhigen Zeit nur ein halber Tag Arbeit täglich!“, warfen wir ein. „In der Landwirtschaft gibt es keine festen Zeiten! Das ist eines der wichtigsten Dinge, die ihr noch lernen müsst! Fertig ist man, wenn die Arbeit beendet ist!“ Das schien uns wie eine neuartige Auslegung von ‚gleitender Arbeitszeit‘, wie sie gerade in manchen Betrieben ausprobiert wurde. Gut, wir hatten zugesagt, wollten außerdem, vor allem zu Anfang, auch niemanden enttäuschen. Also machten wir am Nachmittag weiter, bis unsere Aufgabe beendet war. Doch dann machten wir uns aus dem Staub, ohne dem Bauern etwas zu sagen.

Wir erkundeten die nähere Umgebung. Wir gingen einfach der kleinen Teerstraße nach, die an dem Haus vorbei führte. Wir liefen durch eine vom Frost vergilbte Streuobstwiese zu einem kleinen Hügel. Wir schwangen uns über einen hölzernen Zaun und stiegen zwischen den grobrindigen, leicht gedrehten Stämmen bis hinauf auf den Moränenhügel. In der Ferne glitzerte der blasse Spiegel des Bodensees, umrahmt von den majestätischen, schneebedeckten Schweizer Bergen. War das schön! Wir setzten uns auf einen Anorak, schmiegten uns aneinander und ließen den Blick schweifen. Es roch leicht nach feuchtem Laub. Wir waren glücklich und verspürten so etwas wie das Gefühl von Heimat…

Die Arbeit begann mit Sonnenaufgang. Auch, wenn sie nicht zu sehen war. Das war im Winter ganz angenehm, wenn es auch in der Früh nicht gerade ein Vergnügen war, wenn der Reif unter den Schritten knirschte und die Hände am eiskalten Werkzeug festklebten. Der Atem wehte wie eine weiße Fahne und kondensierte im Bart zu Tropfen. Langsam hob sich der Nebel und die Silberwelt wurde durchsichtiger. Wie Weihrauch lag der Geruch der Holzfeuer in der Luft, bis bald die ersten Sonnenblitze die Welt mit Farben bespritzten. Doch das war hier in Bodenseenähe leider nicht die Regel. Oft blieb es grau, und man vergaß schnell, dass irgendwo auch eine Lichtwelt existierte. So gegen zehn Uhr machten die Bauern Kaffeepause. Das war unsere Frühstückszeit. Außerdem waren wir keine Kaffeetrinker. Das war weniger gesundheitlich bedingt. Vielleicht ging das bei mir auf eine Ablehnung der spießerischen Gesellschaft zurück, die im Kaffeeritual ihren Höhepunkt fand. Jedenfalls war diese halbe Stunde Pause unsere Frühstückszeit, wo wir unser Müesli zu uns nahmen, verbessert mit warmer Milch und geschnetzelten Früchten, die wir aus der Schweinetonne gelesen hatten. Bei Sonnenuntergang war Arbeitsende, wenn es uns nicht gelang, uns nach erledigten Pensum vorher davonzustehlen.

Nach getaner Arbeit ließen wir uns von der sich durch die Wiesen und Obstanlagen schlängelnde Straßen leiten, bis uns ein Bächle oder Pfad von dieser ablenkte. Wir folgten diesem wie Entdecker und freuten uns an jedem Wehr oder unterhöhltem Ufer, beobachteten die Forellen oder andere Tiere, die sich langsam wieder ans Tageslicht wagten, wenn wir uns eine Weile nicht bewegt hatten. Was gab es da alles zu entdecken, wenn man erst einmal still geworden war! Das Plätschern des Wassers wurde zu Musik, das Wehen des Windes zu einer Melodie, zu der sich mit dem Längerwerden der Tage auch noch die Stimmen der zurückgekehrten Vögel gesellten. Langsam erwachte die Natur, viele uns unbekannte Pflanzen durchstachen die feuchte Erde und entrollten oder entfalteten ihre Stängel und Blätter. Wir hatten immer ein Pflanzenbestimmungsbuch bei uns und lernten bei jeder Wanderung neue Gewächse und deren Wirkungen auf die Menschen kennen. Wir fingen an, die ersten Pflanzen zu sammeln und zu trocknen. Der Bauer gab uns eine seiner auf dem Dachboden eingestaubten Tret-Nähmaschinen. Doris nähte damit kleine Säckchen, die wir mit den Kräutern füllten. Oder wir stopften sie in Schraubverschluss-Gläser, wenn sie aromatisch waren. Auch fertigten wir mit Obstler Tinkturen an, die uns bei Erkältungen halfen oder die wir unseren Freunden als Schnaps servierten. Wir begannen in dieser Zeit ein Herbarium anzulegen. Nicht weit vom Hof stand ein verwahrlostes Haus, an dem wir manchmal bei unseren Exkursionen vorbeikamen. Es war das einzige verwahrloste Haus in der Umgebung und drohte, bald einzufallen. Es muss vor langer Zeit eine Mühle gewesen sein, denn ein ausgetrockneter Kanal führte dort hin. Der Ort gefiel uns, vor allem die Inschrift in gotischen Buchstaben über der Tür: „Was von deinen Vätern du ererbt, erwirb es, um es zu besitzen!“ Wir sprachen den Bauern darauf an. „Der Spruch ist von Goethe! Das Haus ist irgendwie verwunschen. Die da gewohnt haben, sind alle spinnet geworden. Es gibt schon noch einen Eigentümer. Aber der hat es wohl nicht nötig, etwas damit zu machen…“

Manchmal spielte ich in Gedanken mit einem Studium. Warum nicht Medizin? Oder doch eher Heilpraktiker? Jedenfalls bewarb ich mich dafür und auch für Germanistik und Sinologie. Das wäre doch was, die chinesischen Weisen wie Laotse in ihrer Sprache lesen zu können! Was solls… Man würde mich ja sowieso nicht nehmen… Doris war nicht vom Studieren angetan, sie hatte ihr Pensum schon hinter sich. Nie wieder!

War sehr viel Arbeit, lud uns die Bäuerin schon mal zum Essen ein, damit Doris´ Arbeitszeit besser genutzt wurde. Denn meist ging sie eine halbe Stunde früher weg, um unser einfaches Mahl vorzubereiten. Sonst aßen wir erst am Abend richtig. Wir ernährten uns weitgehend vegetarisch. Das schien uns die dem Menschen entsprechende Ernährungsweise zu sein. Freitag war der Tag, an dem der Sonnenuntergang nicht das Ende der Arbeit bedeutete. Am Samstag war Wochenmarkt, ein großes Ereignis, und das Gemüse musste zum Verkauf vorbereitet werden. Das war im Winter wenig, außer etwas Feldsalat, wenn das Wetter überhaupt eine Ernte zuließ, Endiviensalat, eingekellerte Rettiche, Möhren und Steckrüben. Dazu etwas Lauch, der meist schon während der Woche geerntet wurde, wenn der gefrorene Boden es erlaubte, die Gabel hineinzustechen und die manchmal glitschigen Stängel herauszuziehen. Im Keller lagen noch Zwiebeln, Kartoffeln, rote Rüben, Äpfel. Langsam lernten wir, dass alle Gemüse nur jahreszeitlich verfügbar sind. Nie ganzjährig, wie uns die Auslagen in den Supermärkten glaubhaft machen wollen! Im Keller wurden in ein paar flachen Kisten Chicorées gezogen, deren blasse spindelförmige Knospen im Winter der einzig verfügbare Salat waren. Dazu noch ein paar Eier aus dem Hühnerstall. Auch machte der Bauer abends mit seinem R4 eine Runde und sammelte bei Nachbarn ein, was essbar und verkaufbar war, um seine begrenzten Vorräte aufzustocken. In Wangen gab es außerdem einen Großhändler für Gemüse. Manchmal durfte ich mit dem Bauern dorthin fahren, wenn schwerere Kisten zu laden waren. Der Händler hatte sich in einem alten Lagerhaus eingerichtet. Vorn an der Rampe gab es normal angebautes Gemüse von der Insel Reichenau oder sonst wo, hinten gab es bestes biologisches. Hatte der Händler grüne Daumen oder irgendwelche magischen Kräfte? Denn die Gemüse für uns kamen oft von den gleichen Stapeln wie das herkömmliche. Wenn es einmal die Hintertür passiert hatte, war es plötzlich biologisch! Auf meine Bemerkung hin, dass das alles ja nicht sehr klar sei, meinte mein Bauer, dass man auch mal auf das Wort eines Anderen vertrauen sollte, selbst, wenn nicht jedes Mal ein Etikett an der Kiste angebracht sei. Es würden im Gemüsebau oft gebrauchte Steigen wiederverwendet! Außerdem gäbe es ja auch viele Haushalte, wo in den Gärten gutes Gemüse angebaut würde, und diese sollte man ebenfalls unterstützen…

Zum Glück liebte es der Bauer, alles weitläufig zu erklären. Nur durfte dabei unsere Arbeit nicht unterbrochen werden. Manchmal stand er zwischen uns und anderen gelegentlichen Aushilfskräften auf dem Feld und erklärte die kosmischen Zusammenhänge, während wir in der feuchten Erde wühlten und Pflanzen setzten oder Unkraut jäteten. Und Wissen besaß er, das muss man ihm lassen, auch wenn wir manchmal gar nicht mit seinen Äußerungen einverstanden waren! „Alles ist bipolar. Man kann in der Natur alles einteilen in erdorientierte Wesen und in kosmisch ausgerichtete, zum Beispiel! Der Mann, bedingt durch seine Erektion, ist eher nach oben, also zum Kosmos, ausgerichtet, während die Frau durch ihre Menstruationen erdgerichtet ist, und dadurch auch besser geeignet für Erdarbeiten und Unkraut jäten!“ Ich müsste mal nachlesen, ob das von Steiner ist oder seine eigene Interpretation…

Der biologisch-dynamische Anbau, wie die hier angewendete Wirtschaftsweise hieß, ging auf Rudolf Steiner zurück, einen ‚Geisteswissenschaftler‘, der in vielen Dingen seiner Zeit voraus war. Er hatte Philosophie und Physik studiert und sich mit Goethe beschäftigt. Er hatte in seinem Leben verschiedenen religiösen Strömungen wie auch der Theosophie nahegestanden, und man sagte ihm hellseherische Fähigkeiten nach. Auf ihn gehen die Anthroposophie zurück und die Waldorf-Schulen. 1924 hielt er auf dem Landgut Koberwitz in Ostpreußen mehrere Vorträge über eine alternative Wirtschaftsweise, aus denen dann der biologisch-dynamische Anbau entstand, dessen Markenzeichen der Name ‚Demeter‘ ist.

Anfangs nahm uns die Arbeit ganz schön mit. Denn meistens gebückt zu arbeiten oder auf den Knien auf dem Acker zu rutschen, waren wir nicht gewöhnt. Zum Glück waren die Tage noch kurz und Feldarbeit nur bei gutem Wetter möglich. Der Bauer besaß einen Massey Ferguson Traktor, den er eigentlich immer selber bediente. Nur, wenn es um das Rückwärtsfahren mit Anhänger ging, durfte ich seinen Platz einnehmen. Für den Traktor gab es eine Bodenfräse als Anbaugerät. Diese diente zur Ackervorbereitung. Außerdem war eine kleine Gartenfräse vorhanden, wie eine Art umgebautes Moped (Quickly), dessen lindgrüne Lackierung und Tank original waren. Weiterhin war ein Agria-Motormäher in Gebrauch, mit dem das erste grüne Futter für die Kühe gemäht wurde, damit diese nicht den weichen Boden zertraten. Außerdem diverse Heuernte-Geräte und ein auseinanderfallender Mistbreiter. Eine einfache Hand-Sämaschine, eine Motorsäge und eine elektrische Kreissäge vervollständigten den Maschinenpark. Denn die meiste Arbeit wurde von Hand gemacht.

Außer dem Bauern arbeite seine Frau vollzeitig auf dem Hof. Der erwachsene Sohn machte eine Gärtnerlehre auf einem Betrieb in der Nähe. Er war aber selten zu Hause. Die Tochter wohnte in der Schweiz. Zum Glück gab es viele Kunden, die aus Freude an der Landarbeit, aus sportlichen Gründen oder als Status-Symbol öfters mithalfen. Unser Bauer jammerte oft genug, dass der Nahrungsmittelanbau es den Bauern heutzutage nicht mehr ermöglichte zu leben und dass er sich bald gezwungen sähe aufzuhören. Das brachte viele Kunden dazu, ihre Dienste anzubieten. Manchmal kamen sie scharenweise, und im Nu war ein Acker unkrautfrei. Auch waren wir nicht die einzigen jungen Leute, die eine ‚Praktikantenstelle‘ suchten. Fast jede Woche stellten sich neue vor, langhaarig wie wir, deren erste Erfahrungen mit der Landwirtschaft bisher bestimmt in der Aussaat ihrer Hanfkörner bestanden hatten, und die nun die Grundlagen der biologischen Landwirtschaft erlernen wollten. Es war wie eine Welle, wie eine Modebewegung, zurück aufs Land zu gehen! Viele von unserer Generation hatten vom Stadtleben genug oder suchten nach einer neuen, bewussteren Lebensweise. Die meisten hatten bei einem gemeinsamen Joint den Ruf der Natur gespürt. Sie alle kannten Tolkiens Bücher ‚Der Herr der Ringe‘ und die anderen. Der Beruf des Bauern, der vor einer Generation noch als unedel, als primitiv verachtet worden war, stand plötzlich als die ideale Lebensweise da, und der Bauer, bisher eher als Tölpel karikiert, wurde zum Vorbild einer neuen Generation…

Wir und unsere Freunde waren unpolitisch. Von den Politikern fühlten wir uns verraten. Erst als die ‚Grünen‘ auftauchten, gingen wir wieder wählen. Wir merkten in der Natur eine Änderung. Nicht nur, dass der Wald durch den sauren Industrieregen starb. Wissenschaftler hatten das Ozonloch entdeckt und trotz Verbot der Treibgase in Sprühdosen würde die Zerstörung der Erde weitergehen! Der ‚Club of Rome‘, ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern, hatte mit seinem Report über die Grenzen des Wachstums für ein leichtes, kurzzeitiges Interesse der Menschen an der Zukunft unseres Planeten gesorgt. Jedem von uns war klar, dass ein dauerhaftes Umdenken nötig war! Doch bald wurden die Warner wieder, gleich uns, als Spinner abgetan, und der Raubbau der Rohstoffe und die Verschmutzung der Luft, der Erde und der Meere ging weiter. Wir lasen das Buch ‚Der stumme Frühling‘ und ‚Ein Planet wird geplündert‘. Wir gaben die Bücher weiter, so wie die Zeugen Jehovas den ‚Wachturm‘ weitergaben. Doch die meisten nahmen uns nicht ernst, versuchten eher noch uns von unserer Lebensweise abzubringen. „Die Technik ist vielleicht schuld an einer Verschmutzung, doch nur die Technik kann diese auch wieder beseitigen. Und der Mensch hat sich bisher durch Mutationen angepasst, warum sollte er es nicht auch in Zukunft?“ Dem stimmten wir in gewisser Weise zu. Doch wären alle sozialen Ungerechtigkeiten und Umweltprobleme gelöst, würde dem Menschen durch Mutation das Gen der Habgier genommen werden!

In Bodenseenähe gab es genügend Menschen, die sich zur Anthroposophie bekannten oder zumindest dieser Geistesrichtung nahestanden und ihre Kinder auf die Waldorfschulen schickten. Das waren natürlich oft bessergestellte Leute, die es sich leisten konnten, auch ein Pferd zu haben oder höhere Preise für manchmal unansehnliches Gemüse zu zahlen. Sie kamen meist nach einem Ausritt bei uns vorbei, um ein Schwätzchen zu halten oder zu warten, bis der Hofladen aufmachte. Dann standen Mercedes und Porsche im Hof und es roch an allen Ecken nach Pferd. Unsere Bauern kümmerten sich um diese Kundschaft, wir zogen die Einfachheit der Feldarbeit vor. Am Freitagabend glich der Platz vor dem Verkaufsraum, je mehr sich die Tage längten und sich das Angebot vergrößerte, immer mehr einem bunten Kaleidoskop von Gemüse und Früchten. Diese glänzten nass vom Waschen und waren sorgfältig aufgeschichtet. Freitagabend war hier der Treffpunkt all derer, die nach bewusster Ernährung strebten. Kinder rannten umher oder knabberten eine (gekaufte) Möhre, während die Mütter Gemüse abwiegen ließen und den neuesten Nachrichten aus der anthroposophischen Welt lauschten. Männer sah man selten.

Der Samstags-Markt war der Höhepunkt der Arbeitswoche. Doch das war Angelegenheit der Bauern. Wir halfen nur, das Auto und den Anhänger zu beladen, meist spät in der Nacht, wenn die Kunden gegangen waren oder die Feldarbeit endlich zuende war. Und wir luden auch wieder ab, am Samstagnachmittag, während die Bauern ihr Mittagsschläfchen hielten. Wir sortierten den ganzen Blätterkram durch und legten noch Brauchbares wieder säuberlich in Kisten oder schnitten es neu zurecht, das Restliche war für die Schweine oder für den Kompost. Klar, dass wir den „Rücklauf“ nochmals sortierten, sozusagen in eine vierte Kategorie, nämlich in das, was wir essen wollten. Das war zwar gegen die Abmachungen, doch sahen wir wirklich keinen Grund, die Schweine damit zu mästen und selbst am Hungertuch zu nagen!

KOMPOST

Eigentlich war der Kompost der wahre Mittelpunkt dieser Landwirtschaft. Nicht, dass dort alles nur hingeworfen wurde, nein, es wurde abgelegt! Mit Erde überstreut, mit Mist bedeckt oder vermischt. Die Fruchtbarkeit ist das Wichtigste in der Landwirtschaft. Ohne Fruchtbarkeit kein Leben! Das hatten schon die allerersten Bauern erkannt und nach ihnen wieder diejenigen, die an der Gründung der biologisch-dynamischen Landwirtschaft beteiligt waren: Deshalb hatten sie für ihren Kreis den Namen Demeter gewählt, den Namen der germanischen Fruchtbarkeitsgöttin!

Unser Bauer besaß einen mit Torf gefüllten Holzkasten, an den er uns, zumindest zu Anfang, nicht ranließ und der wie von einem Geheimnis umgeben schien. Waren wir noch nicht weit genug auf unserem geistigen Weg vorangeschritten, oder fürchtete er nur, sich lächerlich zu machen, wenn er ihn uns erklärte? Jedenfalls rief er mich eines Tages auf die Seite, und wir machten uns daran, mit Grabgabeln und Kartoffelgabeln den Komposthaufen umzuschichten und mit verrottetem Mist und etwas Erde zu vermischen. Unweit stand jener besagte Holzkasten. Je tiefer wir vordrangen, umso mehr war der Kompost und auch der Mist von Regenwürmern durchsetzt. Faustgroße Klumpen von verknoteter Wurmmasse, welche sich leicht ringelte, kamen zum Vorschein. Mir kam der Titel des biologischen Bauernblattes, das wir aus Interesse und aus Pflicht lasen, in Erinnerung: ‚Lebendige Erde‘! „Es sind die Regenwürmer, die die Humusschicht unserer Erde geschaffen haben!“, bekam ich zu hören. Und das wurde mir jetzt auch spontan klar! „Sie fressen sich durch Sand und Pflanzenreste. Ihr Kot ist der kostbarste Boden, den man sich vorstellen kann! Er ist ein Nährstoffkonzentrat und es reicht, ihn in geringen Mengen auszubringen oder mit der Erde zu vermischen, um den Boden zu beleben und zu verbessern!“, erklärte er mir. Er klaubte eines der sich windenden Knäuel auf und legte es mir auf die Handfläche. Anfangs ekelte es mich ein wenig, doch dann war ich fasziniert und schaute es genauer an. Kleine, dünne Würmchen schlängelten sich umeinander, diese wiederum umgeben von dicken, die sich aus dem Knäuel entfernten und zur Erde ‚abseilten‘. Manche hatten an verschiedenen Stellen Verdickungen am Rumpf. „Regenwürmer atmen mit der Haut. Sie sind Zwitter“, erklärte er mir weiter, „sie sind zweigeschlechtlich. Sie könnten sich selber begatten, ziehen aber die Paarung vor. Die Fortpflanzung ist sehr kompliziert. Sie tauschen bei der Paarung Samenzellen aus, die erst später befruchtet werden. Dazu bilden sie einen Ring um ihren Körper, den sie dann samt den befruchteten Eiern als Kokon abstreifen. Ein Wurm kann bis zu acht Jahre alt werden!“ Ich legte vorsichtig das Knäul auf den geschichteten Haufen zurück.

Als wir den ganzen Haufen mit dem Mist vermischt und umgeschichtet hatten, holte mein Bauer die Kiste. In ihrem Torfbett befanden sich fünf große, verschraubbare Gläser, angeordnet wie die Fünf eines Würfels. „Oben rechts befindet sich ein Eichenrinde-Präparat, im nächsten Löwenzahn, unten links Kamille und darüber Schafgabe. Im mittleren Glas ist Brennnessel. Jeweils zu einem Präparat verarbeitet. Wie das gemacht wird, erkläre ich dir ein anderes Mal! Reich mir mal den spitzen Holzpflock rüber!“ Ich gab ihm das, was ich für einen zu kurz geratenen Zaunpfahl gehalten hatte. Er kletterte vorsichtig auf den Haufen und stach damit fünf tiefe Löcher in die weiche Masse. Er trug mir auf, aus dem Boden, wo vorher der Kompost gelegen hatte, fünf faustgroße Klumpen zu formen und in jeden mit dem Finger ein Loch bis zur Mitte zu bohren. Dann reichte ich ihm eines der Gläser nach dem anderen. Er schraubte das erste auf und warf mit einem darin befindlichen Holzspatel etwas vom Inhalt in das Loch der ersten Kugel und drückte es zu. Dann versenkte er sie im Loch des Komposthaufens, eine nach der anderen, nachdem er sie mit etwas von dem Präparat gefüllt hatte, in der gleichen Anordnung wie in der Kiste die Gläser standen, also in ein Loch die Eichenrinde, in das nächste die Kamille und so weiter. Die Brennnessel kam in die Mitte. Dann schloss er die Löcher indem er etwas Kompost mit den Händen darüberstrich und kletterte hinunter. Mit einem der Birkenreisigbesen, die wir im Winter selber herstellten und auch verkauften, ließ er mich in einem Emaille-Eimer etwas Baldriankonzentrat mit Regenwasser aus der Tonne vermischen und ungefähr zehn Minuten rühren. Dann musste ich die Brühe mit dem Besen über den ganzen Haufen verspritzen. „Muss man dazu auch bestimmte Formeln sprechen?“, fragte ich, halb ernst, halb scherzend. „Das kann nicht schaden. Wichtig ist, dass es positive Gedanken sind!“ Ein leicht süßlicher Geruch strömte von der verspritzten Brühe aus und die Oberfläche des Haufens glitzerte von der Feuchtigkeit. „Jetzt lass uns noch eine dünne Torfschicht über das Ganze streuen, dann haben wir alles gemacht! Über die Präparate wird das Astrale und auch das Irdische auf den Haufen einwirken können und sich in ihm anreichern. Durch die Fermentierung und das Treiben der Regenwürmer wird der Haufen sich leicht erwärmen, was die Reife fördert. Und in ein paar Wochen ist alles in beste Erde verwandelt!“

Die Milch der Kühe wurde natürlich an die Kunden verkauft. „Würde es sich nicht lohnen, mehr Milch zu machen und bringt das nicht mehr als der Gemüseverkauf?“, wagte ich zu fragen. Das war wieder ein Anlass zu einer grundlegenden Aufklärung! Ich durfte nur nicht beim Zuhören mit der Arbeit aufhören! Ich kratzte also weiter den Mist zusammen, schaufelte ihn in die Schubkarre und verteilte langsam die Streu unter den dicken Bäuchen der Kühe. „Der Milchpreis ist zu niedrig, um davon leben zu können.“ „Aber die Milchbauern leben ja auch davon, und die kriegen noch nicht mal die Hälfte vom Preis, den sie für die Bio-Milch bekommen!“ „Das macht die große Zahl der Tiere bei denen aus! Wir haben weniger Land und müssen damit zurechtkommen. Und Gemüseanbau ist nach Zierpflanzen die rentabelste Art!“ „Dann wäre es doch besser, die Kühe wegzuschaffen und mehr Gemüse anbauen!“, warf ich ein. „Wir haben die Kühe in erster Linie um Dünger zu gewinnen! Die Milch und die Kälber sind nebensächlich!“ „Aber es gibt doch Kunstdünger!“, provozierte ich halb unbewusst, halb absichtlich. Das brachte ihn in Fahrt und er bemerkte gar nicht, dass ich meine Arbeit fertig hatte und mich auf den Futtertrog gesetzt hatte und mich von der Kuh ablecken ließ. „Eine der Grundlagen des biologischen Anbaus ist die Ganzheitlichkeit. Alles sollte auf einem Hof selber hergestellt oder erwirtschaftet werden. Das, was durch den Verkauf der Ernten verloren geht, muss durch Dünger wieder dem Boden zugeführt werden. Sonst wird dieser geschwächt und später krank, wie auch die Krankheit beim Menschen eine Äußerung von Geschwächtsein ist.

Liebig hatte damals Feldfrüchte verascht, also verbrannt, und nachgewiesen, welche Stoffe dem Boden und in welchem Maße entzogen werden. Das waren hauptsächlich Stichstoff, Phosphor und Kali. Von ihm stammt auch der Spruch: ‚Der Bauer lebt vom Verkauf seines Kapitals‘. Seine Schlussfolgerung war, diese Stoffe künstlich, also synthetisch, herzustellen und dem Boden wieder zuzufügen. Und je mehr, umso höher die Erträge! Das war der Ursprung der modernen Landwirtschaft mit allen ihren Auswüchsen wie Verschmutzung des Grundwassers durch Überdüngung, kranke Pflanzen durch zu schnelles Wachstum und damit Notwendigkeit von giftigen Spritzmitteln.“ „Reicht es denn nicht, dem Boden die entzogenen Stoffe wieder zuzuführen? Ist das nicht das gleiche wie Mist oder Kompost?“ „In keinster Weise! Erstens hatte Liebig die ‚Spurelemente‘ vergessen, welche die moderne Landwirtschaft ebenfalls ignoriert. Und weiterhin sind die zugeführten Mineraldünger tote Materie, Kompost oder Mist hingegen sind lebendig! Und dadurch, dass sie mit kosmischen und irdischen Kräften angereichert werden, wenn sie mit bestimmten Präparaten ‚geimpft‘ worden sind, wie wir es vorhin mit dem Kompost gemacht haben, können sie, und das ist Steiners große Entdeckung, dem Boden alles Entnommene wieder zurückgeben. Ganzheitlich heißt nämlich auch, alle anderen wachstumsfördernde und regenerierende Kräfte, wie die Einflüsse der Planeten oder die der Konstellationen im Weltall zu nutzen. Denn es ist doch wohl logisch, wenn der kleine Mond einen so großen Einfluss auf uns Menschen und die Erde hat, dass er sogar die Gezeiten des Meeres bestimmt, dass dann die Planeten, die viel voluminöser sind, ebenfalls die Erde beeinflussen! Und da muss man zwischen den sonnennahen Planeten und den sonnenfernen unterscheiden! Die ersteren beeinflussen mehr die Blüten- und Fruchtbildung, die fernen wirken mehr auf die unterirdischen Teile wie Wurzeln… Doch das geht für heute zu weit, ich muss jetzt melken!“ Und er hängte der ersten Kuh den unförmigen ‚Bauchmelker‘ um, eine Melkmaschine, die an einem Lederband, das über dem Rücken der Kuh lag, unter deren Bauch hing. Anfangs dachte ich, dass dieses eine spezielle Maschine für biologische Kühe sei. Doch stellte sich später heraus, dass nur der niedrige Preis der Grund für die Wahl dieses Modelles gewesen war.

Einer, der öfters am Hof mithalf, war der Bruder des Bauern, der ansonsten Polizist war. Er kam hauptsächlich zum Holzhacken, wohl um fit zu sein, wenn es mal wieder darum ging, Demon-stranten und Langhaarige in Schach zu halten. Denn diese schienen seine Feinde zu sein. Wir grüßten ihn, wenn wir ihn auf dem Hof sahen, doch er grüßte uns nie zurück. Außer seiner Capillophobie hatte er wohl auch andere Probleme. Denn mit jedem Axtschlag wurde er röter, sodass wir manchmal dachten, er mache es nicht mehr lange.

Eines Tages wurde der Hänger an den Traktor gehängt und es ging in den Wald. Der Bauer, sein Bruder und ich. Ich nahm das Fahrrad, denn es war nicht sehr weit, und ich hatte Bedenken, ob der Polizist mit mir zusammen auf dem Traktor gefahren wäre. Außerdem waren auch nur zwei Sitze da!

Es duftete nach Moder und Tannennadeln, vereinzelt hallte der krächzende Schrei eines Raben durch das nebelige Halbdunkel. Das Moos glitzerte vom Tau der Nacht. Weich federte der Boden. Die beiden betrachteten die hoch aufragenden Bäume und wählten diejenigen aus, die gefällt werden sollten. „Ein Wald ist etwas Dauerhaftes, eine Vielzahl verschiedener Arten allen Alters. Er bildet einen Ausgleich für die Ackerflächen. In ihm wohnen viele Nützlinge, die die Schädlinge in den Feldern beseitigen. Ich meine nicht die Monokulturen, wo alle Bäume das gleiche Alter haben und alle gleichzeitig mit einem Kahlschlag gefällt werden! Diese sind, wie alle einseitigen Pflanzungen, sehr anfällig gegen Krankheit, Schädlinge und Witterungseinflüsse!“, erklärte der Bauer. Sein Bruder gab währenddessen der Motorsäge den letzten Schliff und füllte Benzin ein. Durchdringend verbreitete sich dessen Geruch und vermischte sich mit dem Harz-Duft der Bäume. „Aus einem Wald muss Holz entnommen werden, damit Platz für Jungwuchs entsteht. Braucht man Bauholz, werden bestimmte Arten gefällt, die die benötigte Länge und einen geraden Wuchs haben müssen. Wir wollen diesmal Brennholz machen. Dafür werden diejenigen Bäume gefällt, die alt sind, schlecht gewachsen oder beschädigt, diejenigen, die andere hindern könnten, sich richtig zu entwickeln!“ Der Bruder warf die Säge an. Schrill durchdrang das Motorengeräusch den Wald, verscheuchte die Stille und kam als Echo zurück. Dann, als der Motor etwas erwärmt war und beim Gasgeben sofort reagierte, ging es dem ersten Baum ‚an den Kragen‘. Nach einem Blick nach oben, um die Fallrichtung abzuschätzen, wurde ihm unten, nicht weit über dem Boden, ein Keil ausgeschnitten. Wir anderen entfernten uns aus dem Gefahrenbereich und schauten zu. Bläulicher Rauch vom Sägen-Motor breitete zwischen den Stämmen aus, während die Kette von der anderen Seite den Stamm annagte und unter Heulen Späne spie. Der Säger war schon leicht ins Schwitzen gekommen und schaute immer öfter nach oben. Und dann sahen wir es auch: ganz langsam kam Bewegung in die Baumspitze. Der Säger nahm das Gas weg und ging mit der Säge ein paar Schritte zurück. Es schien heller zu werden, während der Baum erst langsam, dann immer schneller ins Fallen geriet. Äste der danebenstehenden Bäume wurden knackend im Fall mitgerissen, dann krachte auch schon der Baum auf die Erde, seine Äste zersplitterten auf dem nadelbedeckten Boden oder bohrten sich in diesen hinein. Ein Lufthauch streifte uns, dann war Stille. Wir standen einen Moment da wie Leute bei einer Beerdigung um das Grab. Dann warf der Bruder die Säge wieder an und ging zum nächsten Baum, während wir uns mit den Äxten daran machten, die Äste des gefällten Baumes zu entfernen.

Als es Mittag war, lag ein gutes Dutzend der gefallenen Riesen auf dem Boden. „Beim Holzfällen ist es wichtig, den Mond zu beachten. Er muss abnehmend sein und sich der Erde nähern, denn dann sind die Säfte am wenigsten in Bewegung. Deshalb wird auch das Holz immer im Winter gefällt, wenn der Baum von sich aus schon in Ruhe ist! Zu vermeiden sind der Vollmond und der Neumond. Will man Bauholz machen, ist der beste Moment, wenn der Mond zudem noch vor dem Löwen steht!“ „Da müsste man als Bio-Bauer ja zugleich Astronom sein!“, warf ich ein. Er lachte auf seine etwas spöttische Art. „Es gibt da bestimmte Kalender, in denen all das verzeichnet ist, wie zum Beispiel der ‚Aussaatkalender‘ von Maria Thun; ich werde ihn dir mal zeigen!“ „Das ist also anders als in der Schule!“, antwortete ich, „abschauen ist erlaubt!“ „Das ist wie das Benutzen der Logarithmentafeln! Um all das selber zu errechnen, hat selbst ein Bio-Bauer keine Zeit und oft auch nicht die Kenntnisse!“ „Aber wer sagt, dass all das stimmt? Das klingt ja sehr nach Horoskop!“, konnte ich mir nicht unterstehen, zu sagen. „Früher haben die Menschen aus der Naturbeobachtung heraus und aus Erfahrungen ebenso gehandelt. Dann ging dieses Wissen verloren. Erst seit Steiner hat man sich daran gemacht, dieses aufzuzeichnen und sogar wissenschaftlich und in Versuchen zu erforschen!“

Am Nachmittag zogen wir die entasteten Stämme mit dem Traktor mittels eines langen Stahlseiles und Ketten an den Weg am Waldrand, ebenfalls die dicken Äste. Diese wurde in der nächsten Zeit zum Hof gekarrt, in Ofenlänge gesägt und gehackt. Das wichtigste war also gewesen, den richtigen Moment für das Fällen einzuhalten! Während des ganzen Tages hatte der Bruder kein Wort mit mir gewechselt und mir keinen Blick gegönnt. „Die Äste, die noch rumliegen, könnt ihr für euren Ofen nehmen! Nehmt ja nicht von unserem Holz, denn mein Bruder würde nichts mehr hacken, wenn Hippies mit seinem Holz heizten!“ Das hatte ich mir schon gedacht! Also zogen wir nun öfters mit dem Handwagen und der Bügelsäge in den Wald und schnitten uns das Holz in Ofenlänge zurecht, um es dann an einem sonnigen Platz am Hof zu stapeln, denn so, wie es war, brannte es schlecht, und wir mussten oft den Herd entrußen. Wir stapelten die Holzmenge für ein paar Tage um den Herd und im Backrohr. Somit hatten wir immer einigermaßen trockenes Brennmaterial. Draußen im Hof hackte sich der Bruder des Bauern langsam durch die Halde von Rundlingen und stapelte sie jedes Mal säuberlich in genau ausgerichteten Reihen auf, um sehen zu können, ob sich jemand daran vergriffen hätte. Wir stellten uns vor, dass er sich bei jedem Schlag vorsagte: „Und wieder ein Hippie weniger!“ Doch dieses Phänomen hätte auch er mit seiner Axt nicht eindämmen können, und er bedachte all die langhaarigen Hilfswilligen und unsere Freunde, die auf den Hof kamen, mit bösen Blicken. Einer seiner Söhne half auch oft auf dem Hof mit, vor allem, wenn es um Arbeit mit Maschinen ging. Dann wollte der eine Lehre auf dem Hof des Onkels machen. Doch dieser weigerte sich, ihn zu nehmen, mit der Begründung, dass Lehrlinge zu viel Material kaputt machten. Also machte er seine Lehre bei einem anderen Biobauern in der Gegend. Doch dieser ließ sich den Lehrlingslohn für den Buben von dessen Vater zurückerstatten! Weil in der Landwirtschaft nichts verdient wird und weil man früher ein Lehrgeld hatte zahlen müssen! „Wenn ich einmal Bio-Bauer sein werde, werde ich so manches anders machen!“, nahm ich mir oft genug vor.

Nebenher machten wir uns an das Überholen der Maschinen. Ich sah, dass das etwas war, was der Bauer nur ungern tat. Mich störte es nicht und ich fand es außerdem interessant, den Mechanismus auszutüfteln und zu überlegen, wie man ihn verbessern könnte. Was ich hier schon an Maschinen repariert habe, die der Bauer kaputt gemacht hatte! Das passiert einfach! Es ist zu einfach, alles immer auf die Aushilfskräfte zu schieben… Ein paar Ölwechsel waren schon lange überfällig, abgebrochene Messer der Fräse mussten gewechselt, der Mähbalken abgeschmiert und Messerklingen und -finger ersetzt werden. Der Kratzboden des Mistbreiters war ebenfalls durchgefault. Ich nahm Maß und ließ in der Sägerei die Bretter schneiden und einseitig hobeln. Als der Bauer das verrostete Gerippe des Gerätes sah, verzweifelte er und meinte, jetzt müsse er einen neuen kaufen! Und diesen ‚neuen‘ hatte er 14 Tage und zwei Töpfe Rostschutzfarbe später! Ich musste schon sehr genau hinhören, um so etwas wie ein Lob in seinen Worten zu finden…

Klar, dass ich in dieser Zeit viel lernte, auch wenn mir vieles etwas abstrus erschien, fehlte mir doch der anthroposophische Hintergrund. Was mich am meisten störte, war das dauernde Klagen, wie schlecht es den Bio-Bauern ging und dass sie von der Welt verkannt würden, obwohl sie doch das Heil der Welt seien! Für mich wurde langsam klar, dass Nahrungsanbau auf saubere Weise geschehen muss! Aber ob ich mich mal später dieser märtyrerhaften Sichtweise anpassen würde, bezweifelte ich.

Doris arbeitete meistens zusammen mit der Bäuerin auf dem Feld oder bei der Gemüsevorbereitung. Ich mit dem Bauern oder alleine. Wir begannen, den Dachboden der ans Haus angrenzenden Scheune aufzuräumen. Hier sollte eine Decke eingezogen werden, um mehr Lagerraum zu gewinnen. Seit einer Generation wohl war hier oben nichts mehr gemacht worden! Wir entdeckten einen Stapel Birnenholzbretter. Der Bauer war ganz gerührt, als er sie sah. Er hatte den Stamm damals sägen lassen, um ihn seiner Braut in Form eines Kleiderschrankes zur Hochzeit zu schenken! Ja, und dann war die viele Arbeit dazwischengekommen, die Zeit und das Vergessen… Und Vergessenes gab es massenweise hier oben: ein alter Holzpflug, die Schar mit Eisen beschlagen, Joche zum Ochsen einspannen, abgebrochene Sensen, die man mal hatte schweißen wollen, Rechen, Milchkannen, Küchenkästen, Kinderwiegen, Kuhglocken und vieles mehr. Einmal der Staub abgekehrt, kamen oft wunderschöne Dinge zu Tage. Das Räumen zog sich hin, denn mit jedem Gegenstand kamen auch Erinnerungen, und der Haufen dessen, was verbrannt werden sollte, blieb dementsprechend klein. Einmal die Zwischendecke eingebaut, wanderten die meisten Dinge wieder hinauf. „Das kann man wieder brauchen, wenn sich die Zeiten ändern! Man könnte sogar ein Museum damit ausrüsten…. Wir zwei bekamen eines der Birnbaum-Bretter geschenkt, woraus ich zwei niedrige Tischchen baute und eine runde Holzscheibe, um Brot darauf zu schneiden. Das heißt, Doris entwendete sie von dem zum Verbrennen vorgesehenen Haufen.

Ich hatte es so eingerichtet, dass ich samstags frei hatte. Diesen Tag fuhr ich mit dem Radl zu einem Heilpraktiker an der Schweizer Grenze. Das war eine gute Stunde Weg, meist auf Radwegen am See entlang. Das einzige Problem war immer auf der Rückfahrt der deutsche Zoll an der Grenze. Obwohl die mich inzwischen kannten, ließen sie es sich nicht nehmen, ihre kleinen Schikanen-Tricks anzuwenden. Zumindest den Ausweis abnehmen und für zehn Minuten auf einen Schreibtisch legen, zwecks Nachforschung. Am ärgsten war das am Bahnhof, wenn ich wegen schlechten Wetters den Zug genommen hatte. Dort hielt man in der Regel meinen Ausweis so lange ein, bis der Anschlussbus weggefahren war und ich also heimlaufen musste. Doch zum Glück konnte ich oft trampen!

Der Heilpraktiker war ein alter Mann, der Kaufmann gewesen war und während der Rente seine Liebe zu den Kräutern entdeckt hatte. Er war von einem Kreis älterer Frauen umschwärmt, die nichts lieber hatten, als sich von ihm auf unseren Kräuterwanderungen im Moos die Krampfadern massieren zu lassen. Bei schlechtem Wetter trafen wir uns bei ihm zuhause. Seine Theorie war einfach: gelbe Pflanzen halfen hauptsächlich bei Leberleiden, rote fürs Blut, weiße bei ‚Frauenleiden‘. Wir setzten mit Schweineschmalz Salben an, mit Schnaps Tinkturen und trockneten Kräuter, um sie als Tee zu verwenden. Er brachte mir auch die Grundzüge der ‚Lymphdrainage‘, einer einfachen Massageart bei. Ich sah, dass nicht das Wissen eines Doktors wichtig ist, sondern seine ‚Aura‘. Hinkende Frauen wurden zu flinken Grashüpfern, wenn er fünf Minuten ihre Beine massiert hatte! Glaube und Vertrauen können Wunder bewirken! Das hat auch die Kirche schon lange begriffen und ausgenutzt!

Wir waren mitten in einer Sitzung, als ein Citroen-Kastenwagen, den man auch ‚Wellblechgarage‘ nannte, vor unserem Versammlungsraum hielt. Er gehörte Geoff, einem Engländer, der in Lindau für ein paar Monate in einem Architektenbüro arbeitete. Er und Doris stiegen aus und fragten nach mir. Sie war ganz aus dem Häuschen, denn der Bauer brauchte mich dringend, weil er eine Aussaat machen wollte, und nur heute wäre der Kalender günstig! Außerdem hatte er angekündigt, uns rauszuschmeißen, da ich nie da sei, wenn man mich mal wirklich bräuchte! „Das hätte er mir ja am Vorabend sagen können, dann wäre ich daheim geblieben!“, dachte ich. Also Fahrrad in den Kastenwagen und zurück! Am Hof angekommen, kein Bauer zu sehen. „Er macht gerade sein Mittagsschläfchen!“, meinte seine Frau. „Ich denke, es ist dringende Saatarbeit angesagt und er braucht mich!“, warf ich ein. „Das kann morgen auch noch gemacht werden, da ist der Kalender sogar noch günstiger!“ So kamen zu den Schikanen der Zöllner noch die Schikanen des Bauern… Geoff meinte, das sei doch nicht schlimm, rollte einen Joint und fuhr dann mit uns in den Wald, unser restliches Brennholz zu holen.

Die schönsten Augenblicke sind immer, wenn wir abends unser Stübchen einheizen und es uns gemütlich machen. Die Blasen an unseren Händen haben sich in Schwielen verwandelt, unsere Fingernägel sind schwarz und gesprungen, die Fingerkuppen und Nagelansätze eingerissen und schrundig. Jeden Mittag und Abend tauchen wir sie in ‚Atrix‘-Creme, das ist die einzige, die einigermaßen hilft. Sogar unsere selbstgemachte Wund(er)salbe auf Schmalzbasis bleibt wirkungslos.