Grundlagen des Methodischen Handelns in der Sozialen Arbeit - Franz Stimmer - E-Book

Grundlagen des Methodischen Handelns in der Sozialen Arbeit E-Book

Franz Stimmer

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Beschreibung

Mit diesem Buch liegt eine Einführung in die Systematik Methodischen Handelns in der Sozialen Arbeit vor. Dadurch wird es möglich, die vielfältigen und oft verwirrenden Ebenen und Aspekte Methodischen Handelns in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen. In diese Systematik (Funktionsprinzipien sowie zirkulärer Problemlösungsprozess) mit den wechselseitig aufeinander bezogenen Ebenen sind Grundfragen der Ethik und des Rechts, bedeutsame Handlungsleitende Konzepte (Empowerment, Case Management, Sozialökologie), zentrale Interaktionsmedien (Beratung, Begleitung-Unterstützung-Betreuung) ebenso integriert wie spezifische Methoden und Verfahren der Situationsanalyse (Person-in-Environment System, Netzwerkanalyse, Genogrammarbeit), der Situationsintervention (Klientenzentrierte Gesprächsführung, Themenzentrierte Interaktion, Motivational Interviewing) und der Reflexion professionellen Handelns (Selbstevaluation, Supervision) sowie die Entwicklung eines Kompetenzenprofils für Fachkräfte der Sozialen Arbeit. Die genannten Elemente Methodischen Handelns und ihre Verknüpfung in einem systematischen Rahmen fundieren professionell-methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit. Das Buch bietet so eine unverzichtbare Grundlage für das Studium und die Praxis der Sozialen Arbeit.

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Der Autor

Prof. Dr. Franz Stimmer lehrte an der Leuphana Universität Lüneburg mit dem Schwerpunkt Methodenlehre und Beratung.

Franz Stimmer

Grundlagen des Methodischen Handelns in der Sozialen Arbeit

4., aktualisierte Auflage

Verlag W. Kohlhammer

Für meinen Sohn Danny

 

 

 

 

 

 

4., aktualisierte Auflage 2020

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung:

W. Kohlhammer Druckerei GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-035928-4

E-Book-Formate

pdf:      ISBN 978-3-17-035929-1

epub:   ISBN 978-3-17-035930-7

mobi:   ISBN 978-3-17-035931-4

Inhaltsverzeichnis

 

 

 

Vorwort zur 1. Auflage

Vorwort zur 4. Auflage

1   Einleitung

2   Zwei Praxisbeispiele

2.1   Nachsorgephase bei Alkoholabhängigkeit

2.2   Straßensozialarbeit

3   Grundbegriffe und Modelle

3.1   Methode und methodisches Handeln

3.2   Problemtypen

3.3   Mehrperspektivität von Problemen

3.4   Systematik: Orientierungsraster

3.4.1   Modell

3.4.2   Differenzierungsgrad von Konzepten und Methoden

3.5   Zirkulärer Problemlösungsprozess

3.5.1   Zugänge und Erstkontakt

3.5.2   Erstgespräche

3.5.3   Von der Informationssammlung bis zur Verabschiedung

3.6   Reflexionsfragen

4   Basis Methodischen Handelns

4.1   Anthropologie und Sozialphilosophie

4.2   Moderne Gesellschaft

4.3   Sozialstaat und Sozialpolitik

4.4   Ethik und Recht

4.4.1   Ethik und Moral

4.4.2   Berufsethik – Praxisethik

4.4.3   Grundgesetz und Sozialrecht

4.5   Subjektorientierung

4.5.1   Individuum und Gesellschaft

4.5.2   Subjekte der Sozialen Arbeit: Klienten

4.5.3   Subjekte der Sozialen Arbeit: Fachkräfte

4.5.4   Intersubjektivität: Klient und Fachkraft

4.6   Verständigungsorientiertes Handeln

5   Situationsanalysen und soziale Diagnose

Einleitung

5.1   Person-in-Environment-System (PIE)

5.2   Entdeckungskarten

5.3   Reflexionsraster

5.4   Diagnostisches Rollenspiel

5.5   Netzwerkanalyse

5.5.1   Beziehungsnetzwerk

5.5.2   Rollennetzwerk: »Kulturelles Atom«

5.5.3   Soziogramm

5.5.4   Netzwerkkarte – Netzwerkbrett

5.5.5   Computergenerierte Netzwerke

5.5.6   Genogramm

5.6   PRO-ZIEL Basisdiagnostik

5.7   Life-Events-Diagramm (LED)

5.8   Ethnografie

6   Ziele und Hypothesen

6.1   Strukturierung und Formulierung von Zielen

6.2   Bildung und Formulierung von Hypothesen

7   Interaktionsmedien – Interaktionsformate

7.1   Basismedium: Beratung

7.1.1   Begriffsbestimmung und Inhalte

7.1.2   Beratungsbedürfnis – Beratungsbedarf – Beratungspflicht

7.1.3   Strukturelemente

7.1.4   Integration vs. Monomethode

7.1.5   Abgrenzungen – Integration

7.2   Komplementärmedien – Komplementärformate

7.2.1   Begleitung – Unterstützung – Betreuung

7.2.2   Soziale Therapie

7.2.3   Bildung und Erziehung

7.3   Berufsrechtliche Aspekte

7.3.1   Schweigepflicht

7.3.2   Anzeigepflicht

7.3.3   Zeugnisverweigerungsrecht

7.3.4   Schadensersatzpflicht

8   Handlungsleitende Konzepte

8.1   Empowerment

8.1.1   Axiologie und Theorie

8.1.2   Vier Ebenen des Empowerment

8.1.3   Professionelle Rollen

8.2   Case Management

8.2.1   Aufgaben – Ziele

8.2.2   Handlungsphasen

8.2.3   Einschätzung

8.3   Netzwerkansatz

8.3.1   Theorie

8.3.2   Netzwerktypen

8.3.3   Netzwerkarbeit

8.4   Lebensweltorientierte Kinder- und Jugendhilfe

8.4.1   Theorie: Lebensweltorientierung

8.4.2   Hilfe und Ordnungsrecht

8.5   Sozialökologische Orientierung

8.5.1   Das »Life-Model«

8.5.1.1   Menschenbild

8.5.1.2   Theorie

8.5.1.3   Praxis

8.5.2   Gemeinwesenarbeit – Sozialräume

8.5.3   Straßensozialarbeit

8.6   Erlebnispädagogik

8.7   Strukturorientierung: Sozialmanagement

9   Situationsinterventionen

9.1   Begriff – Struktur

9.2   Basismethoden

9.2.1   Klientenzentrierte Gesprächsführung

9.2.1.1   Menschenbild

9.2.1.2   Theoretische Konzepte

9.2.1.3   Sozialpädagogische Haltung

9.2.1.4   Verfahren und Techniken

9.2.1.5   Klientenzentrierter Ansatz vs. Gesprächspsychotherapie

9.2.2   Psychodrama und Soziometrie

9.2.2.1   Entwicklung

9.2.2.2   Menschenbild und theoretische Konzepte

9.2.2.3   Gruppenarbeit

9.2.2.4   Psychodrama in der Sozialen Arbeit

9.2.3   Themenzentrierte Interaktion

9.2.3.1   Menschenbild

9.2.3.2   Strukturmodell

9.2.3.3   Gruppenarbeit

9.3   Spezifische Methoden und Verfahren

9.3.1   Motivierende Gesprächsführung

9.3.2   Netzwerkförderung

9.3.3   Moderation

9.3.4   Zukunftswerkstatt

9.3.5   Psychoedukation

9.3.6   Gruppentraining sozialer Kompetenzen (GSK)

9.3.7   Spezi-Techniken

9.4   Klassische Methoden

9.4.1   Soziale Einzelfallhilfe

9.4.2   Soziale Gruppenarbeit

9.4.3   Gemeinwesenarbeit

10   Reflexion

10.1   Selbstevaluation

10.1.1   Begriff

10.1.2   Verfahren

10.2   Supervision und Coaching

11   Sozialpädagogische Kompetenzen

11.1   Kompetenzenprofil

11.2   Kompetenz systemisch: Das »Brückemodell«

Literatur

Stichwortverzeichnis

Vorwort zur 1. Auflage

 

 

 

Wenn ich PraktikantInnen nach einem 6-monatigen Praktikum frage, mit welchen spezifischen Methoden in ihrer Praktikumsstelle gearbeitet wurde, bleibt in den meisten Fällen die Antwort diffus. Dies nicht, weil die StudentInnen dies nicht beurteilen könnten, sondern weil in den Praktikumsstellen selbst keine Eindeutigkeit vorhanden ist. Da ist zwar von »Gruppenarbeit« oder »Einzelberatung« die Rede, nach welchen Handlungsleitenden Konzepten oder spezifischen Methoden aber gearbeitet wird, bleibt ungeklärt.

In einer kürzlich von mir zu begutachtenden Diplomarbeit, bei der es um sozialpädagogische Arbeit mit »benachteiligten Jugendlichen« ging, hat der Diplomand auch die Professionellen von mehreren Einrichtungen danach befragt, mit welchen spezifischen Methoden sie arbeiten. Die Antworten waren zum Teil erschütternd. Neben den Pauschalbegriffen »Einzelfallhilfe« und »Gruppenarbeit« wurden als »Methoden« u. a. die folgenden genannt: »Hilfe zur Selbsthilfe«, »Vermittlung von Schlüsselqualifikationen«, »Teamkooperation«, »offenes und flexibles Handeln«, »klare Richtlinien setzen«. Als spezifische Methoden wurden lediglich einmal zwei erwähnt (»Klientenzentrierte Interaktion« nach Rogers und »Neuro-Linguistisches Programmieren«), allerdings mit dem Hinweis, dass vieles auch »angelesen« wurde, je nachdem, was die befragten sozialpädagogischen Fachkräfte gerade gut fanden und »brauchen« konnten.

Man stelle sich vor, ein Patient kommt zum Arzt und klagt über stechende Schmerzen auf der rechten Bauchseite und zudem über Übelkeit. Der Arzt diagnostiziert über Ultraschall und durch eine Blutuntersuchung, dass Gallensteine vorliegen und die Leberfunktion wohl eingeschränkt ist. Auf die Fragen des Patienten, wie es denn nun weitergehen soll, gibt ihm der Arzt etwa folgende Antwort: »Wir werden Ihnen über offenes und flexibles Handeln, aber in Teamkooperation wieder Qualifikationen vermitteln, die sie zur Selbsthilfe befähigen. Dies geschieht aber nach klaren Richtlinien!«. Was dem Patienten bleibt ist Flucht oder untertänigste Ergebenheit in sein vom Arzt bestimmtes Schicksal.

Die beiden Beispiele aus den Praktika und aus der Befragung betonen natürlich nur eine Seite der Realität. Auf der anderen Seite gibt es Institutionen, in denen methodenbewusst sozialpädagogisch sehr effektiv gearbeitet wird. Dazwischen liegen viele Tätigkeitsfelder der Sozialen Arbeit, die bezüglich ihres methodischen Handelns mehr der einen oder mehr der anderen Seite zugeordnet werden können.

Die benannten Probleme in der Praxis spiegeln allerdings auch Probleme in der Ausbildung wider. Wenn heute noch, entgegen möglicher besserer Erkenntnis, als die Methoden der Sozialen Arbeit »Einzelfallhilfe«, »Soziale Gruppenarbeit« und »Gemeinwesenarbeit« genannt und gelehrt werden, noch dazu meist ohne intensivere praktische Erprobung, und wenn es bis vor wenigen Jahren noch keine auf einen neueren Stand gebrachten Lehrbücher zum methodischen Handeln gab und wenn »Methoden« lange, zumindest in der universitären Ausbildung, als etwas Anrüchiges erschienen, was es »offensiv« oder auch »alltagsorientiert« zu überwinden galt, dann verwundert es nicht, dass sich methodisches Handeln oft so unreflektiert und unsystematisch in der Praxis spiegelt.

Einen systematischen Zugang zum methodischen Handeln in der Sozialen Arbeit zu finden ist das Hauptziel dieser Einführung, die sich vor allem an Studierende der Sozialen Arbeit und verwandter Gebiete sowie an Professionelle in der Praxis Sozialer Arbeit richtet.

Der Anlass für dieses Buch sind Erfahrungen wie die eben genannten und auch die manchmal erlebte eigene Ratlosigkeit, die sich bei manchen Fragen von Studierenden in Seminaren und in den Sprechstunden einstellte. So ist dieses Buch auch der Versuch, Antworten für diese Fragen zu finden und diesen Antworten eine Struktur zu geben. Dabei waren mir bei der Vorbereitung Studierende und KollegInnen behilflich, insbesondere Kerstin Janßen, Anja Peters, Dr. Henno Wiesner und Michael Zwilling. Ihnen danke ich besonders für die konstruktive Kritik und die kreative Diskussion.

Vorwort zur 4. Auflage

 

 

 

Das düstere Bild, gezeichnet im Vorwort der 1. Auflage, hat sich bezüglich der Bemühungen um eine Systematisierung methodischen Handelns in der Sozialen Arbeit doch etwas aufgehellt. Neben überarbeiteten Auflagen bewährter Lehrbücher (Galuske, B. Müller, von Spiegel) sind weitere Versuche der Systematisierung professionellen Handelns vorgestellt worden (Hochuli Freund/Stotz, P.-U. Wendt), ebenso ein praxisorientiertes Ordnungsmodell (Ehrhard). Zu speziellen Themen können sich interessierte Lehrende, Studierende und PraktikerInnen mittlerweile auf viele neue Angebote beziehen (Busch, Heiner, Michel-Schwartze, Nestmann/Engel/Sickendiek, Pantuček, Schwabe, Seithe, Stadler/Kern u.a). Hinter diese Entwicklung darf methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit weder theoretisch noch in der praktischen Umsetzung zurückfallen, um nicht den Anspruch auf eine Professionalisierung der Sozialen Arbeit zu verlieren. Inwiefern die Ausbildung von Fachkräften der Sozialen Arbeit an Hochschulen unter der Dominanz des Klausurendrucks diesem Anspruch – Verknüpfung von Theorie und Praxis sowie Kompetenzentwicklung – überhaupt gerecht werden kann, ist zumindest fragwürdig, ebenso wie auch eine »Methodenlehre«, über die versucht wird, die heute üblicherweise als »klassisch« bezeichneten Methoden als die Methoden der Sozialen Arbeit abermals einzuführen (Kreft/Müller).

Das Hauptziel der Überarbeitung des Lehrbuches ist das gleiche wie im Vorwort der 1. Auflage formuliert, nämlich einen systematischen Zugang zum methodischen Handeln in der Sozialen Arbeit zu entwickeln. Dazu wurden die Basismodelle überprüft und erweitert sowie in ihrer Wechselwirkung verdeutlicht, rechtliche Fragestellungen mit einbezogen und Ergänzungen in verschiedenen Kapiteln vorgenommen. Die inhaltliche Erweiterung bezieht sich aber vor allem auf die Integration sozial-ökologischer Aspekte in Verbindung mit der Subjektorientierung mit dem zentralen Fokus auf die Interdependenzen zwischen Menschen und ihrer Umwelt.

 

Adendorf, im Frühjahr 2020

Franz Stimmer

1          Einleitung

 

 

 

Wer sich über Basisbegriffe der Sozialen Arbeit wie Autonomie, Emanzipation, Bildung, Erziehung … oder eben Methoden im Rahmen etwa von Seminar- oder Examensvorbereitungen oder in der Praxis der Jugendamtsarbeit oder in der Drogenberatungsstelle orientieren möchte, greift als erstes wohl nach einem Lexikon oder Handbuch der Sozialpädagogik und der Sozialarbeit. Wer etwas über »Methoden« erfahren möchte, wird vielfach auch hier die Erfahrung machen, die Oelkers bezüglich der Begriffe »Erziehung« und »Bildung« formuliert hat, dass sie nämlich vage bleiben, dass die Konturen zerfließen, wenn konkret bestimmt werden sollte, was denn genau gemeint ist (vgl. Oelkers 1991, S. 237). Als Folge entstehen daraus Schwierigkeiten zu benennen, was die spezifischen Inhalte sind und wozu denn diese Begriffe – hier »Methoden« oder »methodisches Handeln« – gut sind. Dies betrifft auch die Definition von »Sozialer Arbeit« selbst.

In diesem Buch wird Soziale Arbeit als Oberbegriff verwendet, dem die Begriffe Sozialpädagogik und Sozialarbeit subsumiert werden. Sicherlich ist es so, dass, historisch gesehen, mit den beiden letztgenannten Begriffen zwei inhaltlich unterschiedliche Stränge benannt sind, die aber in der heutigen alltäglichen Arbeit zunehmend nicht mehr zu trennen sind. Die moderne Praxis hat die Historie hier überholt, was nicht ausschließt, dass es dazu andere Meinungen gibt und zudem eine Vielzahl von Versuchen existiert, das Verhältnis von Sozialpädagogik und Sozialarbeit differenzierter zu klären. Es lassen sich zumindest mehrere Variationen einer Zuordnung von Sozialpädagogik und Sozialarbeit finden. Mühlum (1996) hat mehrere Varianten unterschieden:

•  das Divergenztheorem (zwei eigenständige Bereiche),

•  das Subordinationstheorem (Verhältnis der Über- und Unterordnung),

•  das Substitutionstheorem (Austauschbarkeit),

•  das Identitätstheorem (völlige Übereinstimmung),

•  das Konvergenztheorem (Zusammenwachsen) und

•  das Subsumtionstheorem (gemeinsamer Oberbegriff, der die Übereinstimmung bei noch bestehenden (geringen) Unterschieden betont).

Hier wurde die letztgenannte Variante gewählt, allerdings mit einer starken Annäherung an das Identitätstheorem. Das bringt es mit sich, dass das Adjektiv »sozialpädagogisch« oder das Substantiv »Sozialpädagoge« dann auch »sozialarbeiterisch« und »Sozialarbeiter« meint. Bezüglich der weiblichen und männlichen Form wird das Substitutionstheorem bevorzugt, es ist, je nach Formulierung, (fast immer) auch das jeweils andere Geschlecht gemeint. Teilweise wurde als neutrale Formulierung auch »Fachkraft« gewählt ( Kap. 4.5.3). Die genannte diffuse begriffliche Unbestimmtheit bezüglich »Methoden« wurde vielfach bestätigt, so z. B. von Brack noch 1993 (S. 645): »Der Methodenbegriff in der Sozialarbeit – und darüber hinaus in allen agogischen Disziplinen – entzieht sich einer einfachen Definition, vielmehr ist er unklar und vieldeutig.« Es verwundert, dass in einem so wichtigen humanwissenschaftlichen Bereich wie der Sozialen Arbeit die Vorstellung und Benennung dessen, was methodengeleitetes Handeln ist, so lange in Vagheit verharren durfte. Die Gründe hierfür waren und sind sicher vielfältig und müssten auch historisch aufgearbeitet werden. Sie betreffen a.) die Soziale Arbeit allgemein und b.) methodisches Handeln im Besonderen:

Zu a.) gehören beispielsweise

•  das Theorie-Dilemma in der Sozialen Arbeit, die ungeklärte Frage, was denn die theoretischen Grundlagen heutiger moderner Sozialer Arbeit sind (Theorienproblem),

•  die narzisstische Abwehr einer deutlicheren Bestimmung und Begrenzung dessen, was das Arbeitsfeld Sozialer Arbeit ausmacht (Allzuständigkeitsproblem) und

•  das ständige Bemühen um »neue« individualistische Wortschöpfungen (z. B. »bisubjektives Handeln«), die »alte«, bereits bewährte und allgemein anerkannte Begriffe (»kommunikative Verständigung«) ersetzen sollen (Profilierungsproblem).

Einige Beispiele zu b.) sind

•  Entwertungsrituale, die »Methoden« konsequent in Richtung inhumaner technizistischer Funktionalisierung definieren (Entwertungsproblem),

•  eine ideologisch verzerrte sog. Methodenkritik, die mit Sozialer Arbeit ausschließlich revolutionäre Gesellschaftsveränderung meint (Ideologieproblem),

•  die Unkenntnis konkreter methodischer Arbeit, mit der Folge, die durchaus vorhandenen Gefahren dieser Arbeit zu verallgemeinern und als real existierend zu kritisieren (Verallgemeinerungsproblem),

•  Ängste und Unsicherheiten bei Praktikern, die in der Ausbildung methodisches Handeln nur unzureichend erlernt haben, weil das Angebot gefehlt hat oder weil sie es nicht wahrgenommen haben (Ausbildungsproblem) und

•  das Theorie-Praxis-Dilemma, die Schwierigkeiten, in Wechselwirkung zwischen Theoretikern und Praktikern sowohl die Theorie wie auch die methodische Umsetzung in die Praxis zu fördern (Theorie-Praxis-Problem).

Die unter a.) benannten Probleme haben natürlich Konsequenzen für den Methodenbereich. Das betrifft vor allem das Theorienproblem, da »Methoden« genau so wenig wie »Bildung«, »Erziehung« oder »Emanzipation« festgelegte Gegenstände sind, sondern ihren Sinn erst durch ihre je unterschiedlichen theoretischen Begründungen erfahren. Als Folge des Allzuständigkeitsproblems ist zudem die Verführung groß, ständig neue »Methoden« zu kreieren, die dieser Breite der Anwendung von Sozialer Arbeit gerecht werden sollen.

Eine weitere Schwierigkeit kommt hinzu: In der Sozialen Arbeit, wie in anderen Humanwissenschaften, die sich keine ausschließende Kunstsprache zugelegt haben, taucht bei der Klärung ihrer Basisbegriffe zusätzlich das Problem der »doppelten Hermeneutik« (Giddens 1997, S. 338) auf, dass ihre Begriffe nämlich weitgehend durch Alltagssprache (auch von SozialpädagogInnen) vor- oder mitdefiniert sind. Umgekehrt wirken sozialpädagogische Begrifflichkeiten austauschend auf die alltäglichen Lebenswelten und Wirklichkeiten zurück. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Bericht in einer Tageszeitung über einen Vortrag zu Ursachen von Gewalt unter Schülern. Da stellt – so berichtet der Journalist – der Referent die Frage: »Warum stellt Karlheinz Annegret in der Schule ein Bein und freut sich, wenn sie hinfällt?« Der Artikel klärt auf: »Für die Antwort benötigt der Praktiker keine psychologischen und sozialpädagogischen Weisheiten. Aus seiner Sicht entsteht Gewaltbereitschaft aus einem Mangel an Liebe zu sich selbst.« Was dann in diesem Artikel weiter folgt sind Aspekte von Selbstwert- und Narzissmustheorien, deren Inhalte offensichtlich so alltagssprachlich geworden sind, dass sie nicht mehr als »psychologisch« oder »sozialpädagogisch« benannt werden.

Von dieser verkürzten und undifferenzierten, aber dennoch zutreffenden Situationsbeschreibung ausgehend, erscheint der Bereich »Methoden in der Sozialen Arbeit« ein durchaus problematischer zu sein, der gerade auch deshalb einer zeitgemäßen Lösung bedarf. Zumindest muss damit begonnen werden. Mit dem zuletzt genannten Satz ist auch zugleich das Ziel dieses Buches umschrieben. Es geht vor allem darum, eine Systematik zu entwickeln, die einerseits subjektorientiertes methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit verstehbarer und überprüfbarer und die Praxis handhabbarer macht und die für weitere Verfeinerungen, Differenzierungen und Modifikationen eine Grundlage bildet. Dabei ist es unabdingbar, zunächst ein ganz allgemeines Modell (Metamodell) zu entwickeln, aus dem sich vor jeglicher Spezifikation und Differenzierung die Basisbegriffe und -variablen ableiten lassen. Dieses Modell kann dann als grundlegendes Raster dienen für weitere Entwicklungen und Modifikationen und eben auch für eine kritische Integration neuer Aspekte, ohne daß jeweils wieder ganz von vorne begonnen werden müsste.

Daraus wird auch deutlich, dass es in diesem Buch nicht darum geht, was die Verwirrung nur noch erhöhen würde, alles zu beschreiben, was heute als »Methoden« praktiziert oder gefordert wird. Das Spezifische des subjekt- bzw. klientenorientierten methodischen Handelns (zum Verständnis dieser Begriffe, die im weiteren Verlauf abwechselnd verwendet werden ( Kap. 4.5)) in der Sozialen Arbeit soll benannt und diskutiert werden, das, was Soziale Arbeit auszeichnet, und nicht jenes, was auch von anderen Professionen kompetent betrieben werden kann oder was die klientenbezogene Arbeit nur randständig (wenn auch vielleicht in der Gesamtheit der Arbeit als durchaus wichtiger Teilbereich) berührt. Öffentlichkeitsarbeit beispielsweise ist eine wichtige Aufgabe für Soziale Einrichtungen, sie muss aber nicht zwingend von Sozialpädagoglnnen geleistet werden. Zwangseinweisungen als weiteres Beispiel sind ärztliche (Feststellung der medizinischen Notwendigkeit) und juristische (Feststellung der gesetzlichen Zulässigkeit) Interventionen, Sozialpädagoglnnen haben dabei eine wichtige begleitende Funktion, die vor, während und nach der Intervention bedeutsam ist, die Intervention selbst ist aber keine per se sozialpädagogische. Ebenso bieten die Sozialplanung und das Sozialmanagement wichtige Voraussetzungen für subjektorientiertes Handeln, sie werden aber auch von anderen Professionen (Soziologen, Ökonomen) durchgeführt, die aufgrund ihrer Ausbildung dafür u. U. qualifizierter sind. Das heißt nicht, dass Sozialpädagoglnnen sich die genannten Gebiete (Öffentlichkeitsarbeit, Sozialplanung, Sozialmanagement) nicht erschließen sollen und können, aber es soll deutlich werden, dass die Arbeit in diesen Bereichen zwar eine wichtige Grundlage für subjektorientiertes Handeln bildet, dass sie aber ein spezialisiertes Wissen und Können voraussetzt, das nicht – im Sinne des Allzuständigkeitsproblems – so nebenbei in der Sozialen Arbeit zu bewältigen ist. Natürlich kann die Soziale Arbeit in Kooperation mit den anderen Professionen zentrale Beiträge leisten. Die Forschung in der Sozialen Arbeit ist als Spezialgebiet natürlich auch für Sozialpädagoglnnen relevant und deren Ergebnisse sind wiederum von der klientenbezogenen Praxis aufzunehmen und reflektiert umzusetzen, sie steht aber nicht im Zentrum dieser Praxis. Diese Abgrenzungen machen deutlich, wie notwendig Kooperation und Teamarbeit in der Sozialen Arbeit sind, um klientenbezogenes methodisches Handeln erfolgreich zu gestalten. Sie dienen hier aber auch dazu, den Themenbereich dieses Buches sinnvoll zu begrenzen. Gegenstand ist im Wesentlichen subjekt- bzw. klientenorientiertes methodisches Handeln (zu den Begriffen  Kap. 4.5) in der Sozialen Arbeit. Methoden der Planung und Organisation sowie Forschungsmethoden werden nur randständig thematisiert.

Historische Fakten zur Methodenentwicklung werden unter »Klassische Methoden« knapp beschrieben ( Kap. 9.4). Hierzu liegen die umfassenden Arbeiten zur Geschichte der Sozialen Arbeit von C. W. Müller (2009) und W. R. Wendt (2016) vor, in denen auch die drei »Klassischen Methoden der Sozialarbeit« – Einzelfallhilfe, Gruppenarbeit und Gemeinwesenarbeit – ausführlich gewürdigt werden. In den »Theorien der Sozialen Arbeit« von Engelke u. a. (2009) wird ein historischer Überblick mit vielen methodischen Verweisen angeboten.

Inzwischen kann – im Gegensatz zu den 1970er und 1980er Jahren – bezüglich der Methodenliteratur doch auf eine ganze Reihe von Veröffentlichungen zurückgegriffen werden, die sich mit Handlungsleitenden Konzepten und Interaktionsmedien ( Abb. 3) differenziert auseinandersetzen und zum Teil schon in mehreren Auflagen erschienen sind. Hierzu gehören u. a.: Herriger (1997/2010) (Empowerment), Wendt (2016) (Case Management), Bullinger/Nowak (1998) (Soziale Netzwerkarbeit), Noack (1999) (Gemeinwesenarbeit), Sieckendiek u. a. (1999) und Nestmann u. a. (2007) (Beratung).

Einführende Arbeiten dagegen, die zugleich einen größeren Überblick vermitteln oder gar eine Systematik methodischen Handelns anbieten, sind dagegen seltener. Galuske (1998/2011) gibt einen guten Überblick über die historische Entwicklung der Methodendiskussion und formuliert »Steckbriefe« von »Methoden« in der Sozialen Arbeit. Dabei wird allerdings der Begriff »Methode« in einer so pauschalen Form verwendet, dass er für eine Systematisierung methodischen Handelns kaum mehr nutzbar ist. Einen knappen, aber ausbaufähigen Rahmen für eine Systematisierung methodischen Handelns bietet B. Müller (2009) mit der »multiperspektivischen Fallarbeit«. Differenziertere konkrete Umsetzungen (Methoden, Verfahren, Techniken) werden dabei allerdings nicht vollzogen. Letztere werden von Heiner u. a. (1994) in Verbindung mit systemtheoretischen Überlegungen ausführlich behandelt, die Systematik, die immer wieder angeschnitten wird, wird aber immer nur punktuell sichtbar. Neuere systematisierende Arbeiten sind von Heiner 2004 und 2010 erschienen. Eine umfassende systematische Untersuchung liegt von von Spiegel (2011) vor. Ein integratives Modell hat Zwilling vorgestellt (2007). Einführungen zu verschiedenen Konzeptionen, Methoden und Techniken bieten die Arbeiten von Ehrhardt (2010) und Michel-Schwartze (2009) sowie Hochuli Freund und Stotz (2011). Als die Methoden der Sozialen Arbeit werden von Kreft und Müller (2010) neuerlich die heute üblicherweise als »Klassische Methoden« bezeichneten Einzel-, Gruppen- und Gemeinwesenarbeit wieder eingeführt und als »Systematik« in Verbindung mit einer Sammlung von »Verfahren« und »Techniken« angeboten.

Das Ziel dieses Buches ist es, um dies noch einmal zu betonen, eine Einführung in eine Systematik subjektorientierten methodischen Handelns in der Sozialen Arbeit vorzulegen, bei der alle Aspekte differenzierter beschrieben und vor allem in ihrem wechselseitigen Zusammenhang dargestellt werden.

Die Grundlage hierfür bietet das Orientierungsraster methodischen Handelns ( Abb. 3), das zugleich die Ordnung für die Gliederung der Arbeit bildet:

•  Zwei Praxisbeispiele aus unterschiedlichen Handlungsfeldern und die daraus ableitbaren Fragen illustrieren die Vielfalt und Komplexität methodischen Handelns in der Sozialen Arbeit ( Kap. 2).

•  Grundlegende Definitionen wie die von »Methoden« als differenziert planbare, geregelte und zielorientierte Wege des Problemlösens und die einzelnen Ebenen des Orientierungsrasters selbst werden in Kapitel 3 ( Kap. 3) ausführlich beschrieben. Dabei wird auch deutlich, dass methodisches Handeln ein Prozess ist, der mehrere Perspektiven (Lebenstile, Lebenswelten, Gesellschaft) zu beachten hat und der nur zirkulär von der Situationsanalyse bis zur Evaluation (mit Schritten nach »vorne«, aber auch wieder »zurück«) gestaltet werden kann.

•  Bei allem Handlungsdruck in der Praxis bildet die Reflexion von Menschenbildern und Gesellschaftsvorstellungen und die damit verbundenen Fragen der Ethik und Moral die Basis des Handelns in der Sozialen Arbeit. Daraus lässt sich eine Berufsethik ableiten und vor allem die grundsätzliche sozialpädagogische Haltung, nämlich das verständigungsorientierte Handeln, das unabhängig von spezifischen Methoden und Verfahren grundlegend zu gelten hat ( Kap. 4.4 und  Kap. 4.6).

•  Methodisches Handeln, das in eine Planungs- und eine Handlungsphase zu unterscheiden ist, muss orientiert sein an sozialpädagogisch relevanten Konzepten, die handlungsleitend sind: Empowerment, Case Management, Netzwerkansatz, Lebensweltorientierte Kinder- und Jugendhilfe, Life-Model, Gemeinwesenarbeit u. a. ( Kap. 8).

•  Im Rahmen dieser Handlungsleitenden Konzepte werden die Beziehungen zwischen Sozialpädagoglnnen und KlientInnen über unterscheidbare Medien der Interaktion gestaltet, innerhalb derer wiederum spezifische Methoden und Verfahren Anwendung finden: Beratung, Begleitung, Unterstützung, Betreuung, Soziale Therapie sowie Erziehung und Bildung ( Kap. 7).

•  In dem bisher beschriebenen Gesamtrahmen findet nun konkretes methodisches Handeln (Handlungsphase;  Abb. 5) statt, das die folgenden Ebenen bzw. Phasen zu berücksichtigen hat:

−  die mehrperspektivische Analyse der Situation oder des Problems von Klientinnen anhand spezifischer Verfahren ( Kap. 5),

−  eine differenzierte Formulierung und Strukturierung von Zielen und Hypothesen als »Wegweiser« des Handelns ( Kap. 6),

−  die sozialpädagogischen Interventionen mit relevanten Basismethoden (Klientenzentrierte Gesprächsführung, Psychodrama, Themenzentrierte Interaktion) und ergänzenden Verfahren ( Kap. 9).

•  Am »Ende«, aber nicht nur dann, sondern auch während des gesamten Prozesses methodischen Handelns findet eine reflektierende Bewertung anhand verschiedener Kriterien (Effektivität bezüglich der Ziele, Qualität der Durchführung …) durch die Sozialpädagoglnnen selbst statt (Selbstevaluation). Diese Reflexion ( Kap. 10) wird durch die Beratung von Professionellen, die Supervision, hilfreich unterstützt.

Manche Konzepte werden im Verlauf der Darstellung nur kurz ausgeführt, da sie für die Konzeption dieses Buches – subjekt-/klientenbezogenes methodisches Handeln mit Einzelnen und Gruppen in Wechselwirkung mit ihrer Umwelt – nicht zentral sind, jedoch wichtige Rahmenbedingungen kennzeichnen – wie Öffentlichkeitsarbeit, Sozialplanung, Sozialberichterstattung u. a. ( Kap. 8.7).

2          Zwei Praxisbeispiele

 

 

 

Die beiden Beispiele aus der Suchtberatung und der Aufsuchenden Sozialen Arbeit bezeichnen klassische Arbeitsgebiete der Sozialen Arbeit. Sie unterscheiden sich aber wesentlich voneinander. Im Beispiel der Suchtberatung geht es um die Nachsorgephase, die im Rahmen einer Suchtberatungsstelle und innerhalb eines erfahrenen Teams als zusätzliche Aufgabe gestaltet werden soll. Im Beispiel der Straßensozialarbeit stehen präventive Aufgaben im Vordergrund, wobei die Arbeit von einer noch nicht sehr praxiserfahrenen Sozialpädagogin geleistet werden soll, wo es noch keine Vorarbeiten oder Kooperationen gibt und auch kein ausgearbeitetes Handlungsleitendes Konzept vorliegt.

2.1       Nachsorgephase bei Alkoholabhängigkeit

Da es bei Alkoholkranken nach einer stationären Entwöhnungsbehandlung trotz zunächst recht guter Stabilisierung häufig im Alltag schnell zu Rückfällen kommt, beschließen die Mitarbeiter einer Suchtkrankenberatungsstelle ein Nachsorgeangebot für Alkoholabhängige in der Beratungsstelle einzurichten. Die Motivation dazu ist insgesamt hoch, eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter der Beratungsstelle, beide Sozialpädagogen, die schon lange im Team mitarbeiten, wollen diese Aufgabe speziell übernehmen. Wie das im Einzelnen aussehen könnte ist zunächst aber noch recht offen. Die Problematik ist zwar allen bekannt, genauere Informationen, was bei Rückfällen eine Rolle spielt, müssen aber erst eingeholt werden. Über Kontakte mit anderen Beratungsstellen, die diese Arbeit schon leisten, werden deren Erfahrungen gesammelt und diskutiert, ebenso spezielle Veröffentlichungen, so dass nach einiger Zeit ein deutlicheres Bild über die Situation dieser Klienten entsteht, und es werden auch methodische Ansätze zur Beratung, Betreuung und Therapie eruiert, die zum Teil schon bekannt sind und in der Beratungsstelle auch praktiziert werden; manche davon sind allerdings auch neu und den Mitarbeitern noch unbekannt. Langsam entsteht ein Bild davon, wie diese Arbeit aussehen könnte, in das auch die bisherigen Erfahrungen der Mitarbeiter mit einfließen. Daraus entwickelt sich eine vorläufige Konzeption, die die Leitlinien festlegt, die mit der Klientensituation, mit den Mitarbeitermöglichkeiten und mit der Konzeption der Beratungsstelle kompatibel sein müssen. Viele kleine Schritte sind noch nötig, bevor die Arbeit erst einmal beginnen kann: Welche Klienten sollen wie angesprochen werden? Nur Männer oder nur Frauen oder beide? Soll es eine altersmäßige Begrenzung geben? Sollen nur die Klienten selbst beraten werden oder sollen auch Angehörige und Arbeitskollegen mit einbezogen werden? Soll eine intensive Werbung in der Tageszeitung betrieben werden, sollen Ärzte oder Fachkliniken als Vermittler gewonnen werden? Ist die Problematik eine rein sozialpädagogische oder sollte nicht von vornherein die Kooperation mit anderen Professionellen mit eingeplant werden? Wenn diese Teilaufgaben entschieden sind, geht es um die Frage, wie denn die Arbeit mit den Klienten gestaltet werden soll. Soll es Individualberatung oder doch besser Gruppenarbeit sein? Reicht eigentlich Beratung aus oder müssten nicht auch psycho-soziale Therapie, vielleicht auch Unterstützung im Alltag oder gar Betreuungsaspekte mit einbezogen werden? Welche spezifischen Methoden werden denn vermutlich erfolgreich sein? Soll es eher um gesprächsorientierte oder doch mehr um handlungsorientierte Methoden gehen? Welche Methoden beherrschen die Mitarbeiter? Welche müssen sie sich noch aneignen? Lassen sich einzelne Verfahren miteinander kombinieren? Gibt es bereits erfolgreiche Handlungskonzepte, die übernommen werden könnten? Wie können die unterschiedlichen Situationen der zukünftigen Klienten erhoben werden? Welche Arbeitsformen und Methoden kennen die Klienten schon aus der Fachklinik? Es sind weiter die schwierigen Fragen zu klären, warum diese Arbeitsform und jene Methode und eben nicht andere gewählt werden. Letzteres heißt auch eine Hierarchie der Zielvorstellungen zu entwickeln, also Fragen zu stellen, was denn eigentlich erreicht werden soll. Wie sehen die Annahmen (Hypothesen) aus? Dies ist wiederum die Grundlage für eine Bewertung der Tätigkeit, also der Frage, ob die Arbeit letztendlich erfolgreich war. Wenn all dies deutlich geworden ist, beginnt die eigentliche Arbeit, die dann allerdings einer ständigen Überprüfung unterliegen muss, was wiederum zu Veränderungen der gesamten Arbeit selbst, der Arbeitsformen, der Methoden, der Klientenauswahl, der Mitarbeiterqualifikationen etc. führen kann.

2.2       Straßensozialarbeit

In diesem Beispiel der Aufsuchenden Sozialen Arbeit beginnt diese ohne größere Vorplanung. In einem Stadtteil einer mittelgroßen Stadt, der wegen des relativ hohen Ausländeranteils, der vielen Sozialhilfeempfänger, die dort leben, und einer sich konstituierenden Drogenszene als »schwierig« gilt, sollen über »Straßensozialarbeit« in präventiver Absicht Kontakte mit Jugendlichen aufgebaut und sozialpädagogische Angebote entwickelt werden. Die Probleme dieses Stadtteils unterscheiden sich aber von der Quantität her wesentlich von denen in manchen Großstädten mit ausgebildeten Drogen-, Kriminalitäts- oder Armutsszenen. Einer Entwicklung in diese Richtung soll durch offene Jugendarbeit vorgebeugt werden.

Die Arbeiterwohlfahrt stellt eine Sozialpädagogin kurz nach deren Studienende zunächst befristet auf ein Jahr für dieses Arbeitsfeld ein. Hier stellen sich gleich wieder eine Reihe von Fragen: Ist das, was geplant ist, mit dem Begriff »Straßensozialarbeit« prägnant umschrieben oder sind nicht andere Konzepte wie die netzwerkorientierte Gemeinwesenarbeit erfolgversprechender? Kennen Mitarbeiter des Trägers oder die Sozialpädagogin alternative Konzepte und die jeweils relevanten spezifischen Methoden? Ist dieses Arbeitsfeld einer Berufsanfängerin ohne grundlegende Weiterbildung zuzumuten? Kann in einem solchen sensiblen Bereich einfach »irgendwie« begonnen werden, ohne Gefahr zu laufen, dass die Arbeit von vornherein auf große Widerstände stößt (bei möglichen Klienten, aber auch bei konkurrierenden Institutionen)? Muss diese Tätigkeit nicht von Anfang an langfristig angelegt sein? Stehen der Sozialpädagogin angemessene Instrumente der Netzwerkanalyse zur Verfügung oder wird sie dabei von MitarbeiterInnen der Arbeiterwohlfahrt unterstützt? Sind Selbstevaluationsverfahren bekannt und in welcher Form werden sie angewendet? Ist die Tätigkeit der Sozialpädagogin in das Evaluationssystem des Trägers integriert? Steht ihr von Beginn an Supervision zur Verfügung? usw.

In dem Praxisbeispiel ist die Sozialpädagogin auf den Straßen des Stadtteils unterwegs, »mischt sich unters Volk«, stellt Kontakte her, macht sich bekannt, hört sich um und macht vorsichtig Angebote. Oft ist aber im weiteren Verlauf auch ein schnelles Reagieren gefragt. Da gibt es Ärger auf einem Spielplatz. Anwohner rufen die Polizei, weil sie sich von Jugendlichen, die sich dort abends treffen und Musik hören, gestört fühlen und weil dabei angeblich auch Drogen die Runde machen. Da die Sozialpädagogin sich vor Aufnahme ihrer Arbeit bei vielen Institutionen und auch bei der Polizei vorgestellt und über ihre Arbeit informiert hat, verständigt die Polizei sie, ohne selbst in Erscheinung zu treten. Es gelingt ihr, mit den Jugendlichen ins Gespräch zu kommen, wobei deutlich wird, dass nach ihrer Ansicht von einem Drogenkonsum keine Rede sein kann, wenn einige der Jugendlichen auch leicht angetrunken waren. Als Ergebnis des Gesprächs sollen gemeinsam andere Möglichkeiten für die Treffs der Jugendlichen gesucht werden, wobei diese lautstark monieren, dass es im ganzen Viertel kein Jugendzentrum gibt. Hier schließen sich wieder einige Fragen an: Wie kann die Kooperation mit der Polizei begründet werden? Hat die Sozialpädagogin genügend Kenntnisse, um zu entscheiden, ob ein Drogenkonsum bzw. ein Drogenmissbrauch vorliegt? Schätzt sie den Alkoholkonsum als Drogenkonsum ein? Wie kann die Einrichtung eines Jugendzentrums von ihr gefördert werden? Sind politische Aktivitäten dabei sozialpädagogisch zu vertreten? usw.

Neben solchen Tätigkeiten, die die Gestaltung des Freizeitbereichs betreffen, geht es aber auch darum, die Jugendlichen bei der Suche nach Arbeit oder nach einer Lehrstelle zu unterstützen. Viele von ihnen beherrschen die deutsche Sprache nur unvollkommen. Sie kamen mit ihren Eltern als Aussiedler aus Russland, als Flüchtlinge aus Bosnien oder als Gastarbeiter aus der Türkei. So gehört zur täglichen Arbeit der Sozialpädagogin auch die Hilfestellung bei Bewerbungen oder auch vorher schon bei den Schularbeiten ebenso wie Vermittlungsgespräche zwischen Eltern und Jugendlichen, wenn etwa Anzeigen wegen Ladendiebstahls vorliegen. Auch die Kontaktaufnahme zum Jugendamt oder zur Drogenberatungsstelle ist hier und da notwendig, wenn eine Jugendliche nächtelang nicht nach Hause kommt und die Eltern die Sozialpädagogin daraufhin ansprechen oder wenn nachts ein Jugendlicher total betrunken von der Polizei aufgegriffen wird und dies der Sozialpädagogin rückgemeldet wird. Auch hier wiederum einige Fragen: Ist die Sozialpädagogin für all diese Probleme zuständig? Wie kann es ihr gelingen, als »verlängerter Arm« der Eltern oder der Polizei den Kontakt zu den Jugendlichen nicht zu verlieren? Gibt es Verfahren, die die Begleitung und Unterstützung der Jugendlichen strukturieren helfen? Ist eine spezifische Methode für diese Tätigkeit ausreichend oder müssen Methoden und Verfahren kombiniert werden? usw.

Aus den beiden kurzen Beispielen lassen sich zusammenfassend Fragen zum methodischen Handeln ableiten. Mit welchen Begründungen handeln die Mitarbeiter der Drogenberatungsstelle und die Sozialarbeiterin so, wie sie handeln? Werden dabei Theorien oder Forschungserkenntnisse einbezogen? Wird die Arbeit in größere Zusammenhänge integriert (Netzwerke, Gemeindeorientierungen, Jugendhilfeplanung)? Nach welchen Handlungsleitenden Konzepten wird gehandelt (Empowerment, Case Management, Erlebnispädagogik …)? Sind die Arbeitsformen (Einzelarbeit, Gruppenarbeit …) und die Interaktionsmedien (Beratung, Unterstützung, Erziehung, Bildung …) reflektiert in die Arbeit aufgenommen? Gibt es so etwas wie eine Situationsanalyse? Wenn ja, mit welchen Verfahren? Wird nach spezifischen Interventionsmethoden gehandelt und wird dieses Handeln evaluiert (Fremd- oder Selbstevaluation)? Ist Supervision für die Beteiligten gegeben? Wenn ja, welche (Einzel-, Gruppen-, Teamsupervision)? Wenn nicht, warum nicht? Werden berufsethische Fragen reflektiert? Fragen über Fragen, die es bei der Betrachtung konkreten Handelns in der Sozialen Arbeit zu beachten und zu beantworten gilt. Genau dazu dienen die Systematik des Orientierungsrasters ( Abb. 3) bzw. die weiteren Ausführungen in diesem Buch.

3          Grundbegriffe und Modelle

 

 

 

Am Alltagsbeispiel des Baus eines Holzschuppens – ein Abenteuer, dem sich Herr S. kürzlich gestellt hat – sollen zunächst einige wesentliche Elemente methodischen Handelns benannt werden.

Für einen professionellen Holzschuppenbauer wäre der Bau eines solchen eine Routineaufgabe, die ihn nicht besonders beunruhigen würde. Für Herrn S. war es ein Problem, das gelöst werden sollte (Routinehandeln vs. Problemlösungshandeln).

Ausgangspunkt war ein unerwünschter Ist-Zustand, dass nämlich das Holz, das Herr S. für seinen Kamin im Herbst und im Winter benötigt, irgendwo und irgendwie im Garten herumlag, meist feucht und längst als Behausung von Kellerasseln in Beschlag genommen (Situationsanalyse).

Der erwünschte Soll-Zustand, das Ziel war es, trockenes, gut abgelagertes und gut brennbares Holz zu bekommen. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. So kann das Holz sackweise gekauft werden, Herr S. kann es beim Nachbarn ausleihen oder stehlen. Er kann auch ganz auf die Holzfeuerung verzichten und sich stattdessen einen Öl- oder Gasofen zulegen, frieren oder sich eine dicke Wolldecke kaufen (Basisziel, Methodenvielfalt).

Das erklärte Ziel von Herrn S. war aber der Bau eines Holzschuppens, in der Annahme, dass dann das Holz trocken und ohne Kellerasseln und Tausendfüßler zur Kaminfeuerung verwendbar sein wird, mit den zusätzlichen Folgen, dass der Kamin besser brennt und der Schornstein weniger raucht. Dieses Ziel bzw. diese Ziele sollten unter Berücksichtigung der Randbedingungen, der vorliegenden Verhältnisse (Menge des benötigten Holzes, Zugänglichkeit des Schuppens, räumliche Möglichkeiten auf dem Grundstück, behördliche Vorschriften …) und unter Vermeidung unerwünschter Nebenwirkungen (zu hohe Kosten, Brandgefahr, Ärger mit dem Nachbarn …) erreicht werden (Teilziele, Mehrperspektivität, Hypothesenbildung).

Unter diesen Zielvorgaben erfolgte eine Planungsphase, bei der in der Fantasie, auf dem Papier und in Diskussion mit der Ehefrau mögliche Arbeitsformen (Alleinarbeit, Gruppe von Freunden oder Nachbarn, Handwerksbetrieb) unter Berücksichtigung der genannten Bedingungen von Herrn S. durchgespielt wurden, um dann nach Festlegung eines Handlungsleitenden Konzeptes (Bauplan eines Architekten, Pläne aus der Heimwerkerliteratur) einer speziellen Arbeitsform (Einzel- oder Gruppenarbeit), eines Interaktionsmediums – einer Handlungsart – (gleichberechtigte Kooperation, Meister-Lehrlingsverhältnis, Auftraggeber-Auftragnehmer-Verhältnis) und einer entsprechenden spezifischen Methode (Stahlbau, Holzkonstruktion, Zeltbau) den Handlungsplan zu formulieren (Planung).

In diesem Fall hat sich Herr S. für das Arbeitsprinzip »Selbstbau« entschieden (dahinter steht vielleicht ein Prinzip wie »Selbst ist der Mann«), die Problemlöser waren er selbst und ein Bekannter, der einen Plan für den Holzschuppen zeichnete und ihm beim Bau half, was zur Arbeitsform Partnerarbeit führte. Als Interaktionsmedium wählten sie eine gleichberechtigte Kooperation mit manchen Spezialisierungen (Löcher bohren, Nägel einschlagen) und als spezifische Methode den Holzbau. Damit waren auch bestimmte weitere Verfahrensweisen, als Teilschritte innerhalb dieser Methode, festgelegt (Imprägnieren des Holzes, Verbindung von Pfählen mit Balken und Latten in vorher festgelegter Abfolge …) und bestimmte Techniken (Nageln, Bohren, Sägen … mit tauglichem Handwerkszeug) vorgegeben (Arbeitsprinzip, Handlungsleitendes Konzept, Arbeitsform, Interaktionsmedium, Intervention: spezifische Methode, Verfahren, Techniken).

Die Handlungskontrolle, die Erfolgskontrolle (Standfestigkeit, Schutz vor Regen, genügend Raum …) hat das Werk, mit zufriedener Betrachtung des Holzschuppens unter Beteiligung kritischer Blicke von Familienangehörigen und Bekannten, abgeschlossen. Weitere Kontrollen in der kommenden Zeit werden zeigen, ob ein Langzeiterfolg erreicht wurde oder ob weitere Maßnahmen (Modifizierungen), im schlimmsten Fall der Abbruch des Holzschuppens, nötig sind und andere Arbeitsformen, Interaktionsmedien und Methoden in Erwägung gezogen werden müssen (Evaluation).

Im Verlauf des Prozesses des Holzschuppenbaus ergaben sich einerseits die Notwendigkeit von Verfahrenskorrekturen (Veränderung des Dachneigungswinkels, um den Wasserabfluss zu gewährleisten durch Unterlegen eines Klotzes …) und andererseits Zielveränderungen bzw. neue Ziele (Optik des Schuppens, Verschönerungen …). Daraus abgeleitet entstanden weitere Problemlösungsversuche (Zirkulärer Problemlösungsprozess).

Der Soll-Zustand stand anfangs für Herrn S. nur vage fest. Mit der Wahl der Arbeitsform, des Interaktionsmediums und der spezifischen Methode wurde das Basisziel konkretisiert. Die Zieldefinition änderte sich aber mit der Methodenwahl. Es entstanden Teilziele oder Unterziele. Das Basisziel war es, trockenes Holz zu bekommen. Mit der Wahl der Arbeitsform (Selbstbau in Partnerarbeit) und der Wahl des Interaktionsmediums (gleichberechtigte Kooperation) und der Methode mit ihren Verfahren und Techniken (Holzkonstruktion) und den damit verbundenen Möglichkeiten haben sich aber Unterziele ergeben, die plötzlich sehr viel wichtiger wurden, als nur trockenes Holz zu erhalten: Ästhetik des Holzschuppens (hier noch eine Latte, dort noch ein Überstand, vielleicht ein grüner Anstrich), Lob für den Problemlöser (»Das habe ich Dir gar nicht zugetraut!«), gesteigertes Selbstvertrauen, sich nun auf weitere handwerkliche Abenteuer und neue Ziele einzulassen … (Prozessoffenheit).

Die in dem Holzschuppen-Beispiel erwähnten Begriffe bilden die definitorische Grundlage für die weitere Diskussion.

3.1        Methode und methodisches Handeln

Das »wissenschaftliche« an den Wissenschaften ist das methodische Vorgehen als ein der intersubjektiven Überprüfung offener komplexer Prozess mit einer variabel festgelegten Abfolge von einzelnen Phasen (»Problemlösungsphasen«). Begrifflich sind dabei folgende Unterscheidungen zu treffen:

Als Titel des Buches wurde bewusst nicht »Methoden der Sozialen Arbeit« gewählt, auch nicht »Methoden in der Sozialen Arbeit«, sondern »Grundlagen des Methodischen Handelns in der Sozialen Arbeit« bzw. im Text auch »methodisch handeln in der Sozialen Arbeit«, um den (begrenzten) Rahmen, vor allem aber, um den Prozesscharakter dieser Tätigkeit deutlich zu machen. Methodisches Handeln in der Praxis Sozialer Arbeit bezieht sich – außer auf forschungsmethodisches Handeln, natürlich nur analytisch getrennt – vor allem auf zwei Bereiche:

•  erstens auf die antizipatorische Festlegung des Weges (»Landkarte«, »Tourenbeschreibung«) und zwar

−  von einer problematischen Situation ausgehend, die es zu lösen gilt,

−  über die Wahl theoretischer Konzepte, die operatives Hintergrundwissen vermitteln,

−  bis zur Ermittlung Handlungsleitender Konzepte, Handlungsformen, Interaktionsmedien und spezifischen Methoden, Verfahren und Techniken (Planungsphase anhand des Orientierungsrasters ( Abb. 3), die das konkrete methodische Handeln vorbereitet) und

•  zweitens auf die Durchführung mit dem gewählten spezifischen Methodeninstrumentarium (»Bewegen im Gelände«) (Handlungsphase).

Methodisches Handeln (methodisches Vorgehen) ist damit die zirkulär orientierte Planung des Handelns und das konkrete Handeln selbst mit spezifischen Methoden der Situationsanalyse, Intervention und Evaluation. Beim ersten Beispiel (Nachsorge  Kap. 2.1) war die Planung im Vordergrund, beim zweiten (Straßensozialarbeit  Kap. 2.2) das konkrete Handeln. Die Erfahrungen im Handeln machen u. U. eine Neuplanung oder Modifizierung des alten Plans notwendig. Ebenso müssen aber auch, wenn zunächst »planlos« gehandelt wird, was mehr oder weniger ausgeprägt häufig geschieht, auch diese Erfahrungen, wenn sie reflektiert werden, in eine weiterführende handlungsleitende Planung einfließen, immer unter der Voraussetzung, dass dieses Tun als methodisches Handeln qualifiziert sein soll.

3.2       Problemtypen

Da methodisches Handeln im wesentlichen auch Problemlösungshandeln ist, hängt die besondere Weise des Vorgehens von der Art des Problems und den speziellen Kompetenzen der Problemlöser ab. Für einen Architekten, der sich vor den neugierigen Augen der Nachbarschaft schützen möchte und deswegen eine Mauer am Rande seiner Terrasse in Wochenendarbeit mit einem Freund, der Polier ist, errichten möchte, stellt diese Arbeit kaum ein Problem dar, höchstens vielleicht ein zeitliches und finanzielles, vielleicht auch ein juristisches, je nach den örtlichen Bauvorschriften. Für einen Sozialpädagogen, der den Unterschied zwischen Mörtel und Beton und den zwischen Sandstein und Klinker nicht so genau kennt und der von Statik keine Ahnung hat, ist der Bau der gleichen Mauer ein großes Problem, das, u. U. über Zuhilfenahme von Heimwerkerliteratur und Erkundigungen bei erfahreneren Bekannten, einer genauen Planung, eines differenzierten methodischen Vorgehens bedarf, soll das Ziel erreicht werden. Natürlich könnte er sich auch im Sinne von Versuch und Irrtum langsam vorantasten, all die Erfahrungen, die über Jahrtausende mit Mauerbau gemacht wurden vernachlässigend, um vielleicht sein Ziel zu erreichen. Was für den Sozialarbeiter also ein schwieriges Problem darstellt, ist für den Architekten eine Routineaufgabe. Wenn es aber darum geht, für einen hochverschuldeten Familienvater einen Weg zu finden, innerhalb einer gewissen Zeitspanne eine Lösung für dieses belastende Problem zu finden, wäre dies u. U. genau umgekehrt. Hier schließt sich auch, was bei der Mauer noch erlaubt sein mag, eine eventuelle Problemlösung nach Versuch und Irrtum aus.

Die Problemlösungsaufgaben im Rahmen der Sozialen Arbeit lassen sich auf einem Kontinuum denken ( Abb. 1), das die beiden Extrempunkte »völlig neuartiges Problem« und »völlig institutionalisiertes Problem« aufweist. Probleme, die sich in der konkreten Realität stellen, sind zwischen diesen Extrempunkten, mehr oder weniger zur Mitte hin, angeordnet.

Abb. 1: Problemtypen-Kontinuum

Problemevom Typ x verlangen eine Planungsphase entsprechend dem Orientierungsraster ( Abb. 3), d. h., es müssen alle Ebenen von der Ethik bis hin zu den Techniken bedacht, integriert und zu einem Konzept methodischen Handelns gebündelt werden. Wenn sich etwa in einer Gemeinde zeigt, dass eine Jugendhilfeeinrichtung im Sinne von Diversionsprojekten (Programme, mit deren Hilfe die stigmatisierenden Auswirkungen durch formale Eingriffe des Justizsystems bei jugendlichen Delinquenten so weit wie möglich vermieden werden sollen) sehr sinnvoll wäre und einige Bürger sich zu einem Verein zusammenschließen, der diese Aufgabe organisieren möchte, keiner aber recht weiß wie, dann beginnt genau diese Art von Problemlösung. Es müssen, um einige Punkte zu nennen, regionalorientierte Handlungskonzepte entwickelt, die Kooperation am Ort gefördert (Gericht, Jugendamt), Jugendliche für die Einrichtung gewonnen, Mitarbeiter eingestellt, juristische Rahmenbedingungen beachtet, die Öffentlichkeit informiert und die Finanzierung gesichert werden. Die Zielvorgaben sind zunächst noch relativ diffus.

Probleme vom Typ y und deren Lösungen sind von den Problemlösern verinnerlicht. Hier besteht bereits eine Orientierung an Handlungsleitenden Konzepten, die Arbeitsformen und Interaktionsmodi sowie die spezifischen Methoden sind im Rahmen dieser Arbeit anerkannt. Dies sind Probleme, wie sie in Institutionen mit einer klar umrissenen Aufgabenstellung auftreten. Beispiele sind etwa die Schwangerschaftskonfliktberatung, die Heimerziehung oder die Jugendamtsberatung von Pflegeeltern. Hier wird in der Regel das Orientierungsraster nicht mehr bewusst reflektiert, außer es kommt zu Problemen, wenn sich beispielsweise rechtliche Vorgaben ändern, Finanzierungen gefährdet sind, Mitarbeiter erschöpft aufgeben, die Klienten wegbleiben oder Kritik von außen zum Umdenken zwingt. Die Zielvorgaben sind relativ eindeutig. Problemlösungen dieses Typs reduzieren verwirrende Komplexität und erleichtern dadurch das Handeln, unterliegen aber der Gefährdung, dass soziales Handeln in eine ritualisierte Abfolge von Teilschritten gepresst wird.

Probleme vom Typ a treten dann auf, wenn etwa eine Institution, für die bisher Probleme vom Typ y kennzeichnend waren, sich auf neue Aufgaben einlässt, für die es vielleicht auch schon Modelle gibt, die aber für die spezifische Problemlage transformiert werden müssen. So kann eine Drogenberatungsstelle, die bisher schon Erfahrungen in der Suchtprävention in Schulen gemacht hat, aufgrund von neuen Möglichkeiten, die das Sozialministerium eröffnet hat, zusätzlich die Aufgabe übernehmen, Suchtprävention im Kindergarten langfristig zu gestalten. Zur Prävention und zur Suchtprävention gibt es genügend theoretisches und handlungsmethodisches Material, die praktischen Erfahrungen der Mitarbeiter in den Schulen sind profund und es sind auch einige Erfahrungen mit der Suchtprävention im Kindergarten zumindest ansatzweise in anderen Regionen bereits gemacht worden. Die Übertragbarkeit muss nun überprüft werden, es muss gefragt werden, ob Prävention wirklich im Kindergarten das geeignetste Konzept ist oder nicht vielleicht besser neuere Konzepte der Gesundheitsförderung der Aufgabe angemessener sind, wobei die Ziele vielleicht erst noch genauer definiert werden müssen. Die Handlungsleitenden Konzepte, die sich in der Schule bewährt haben und die darin integrierten spezifischen Methoden, Verfahren und Techniken müssen vermutlich modifiziert, ergänzt oder ersetzt werden. Weiter ist die Frage zu klären, wer denn eigentlich die Klienten sind; sind es die Kinder, die Erzieherinnen, die Eltern oder alle zusammen? Die Zielvorgaben sind weniger diffus als bei Problemen vom Typ x und weniger eindeutig als beim Typ y.

Die Sogwirkung der Institutionalisierung und der Ritualisierung bringt es mit sich, dass alle Problemtypen sich im Laufe der Zeit dem Typ y annähern. Dies ist im Grunde auch wünschenswert, zumindest nicht zu verteufeln, da routiniertes Arbeiten in Teilbereichen es erst ermöglicht, effektiv und kompetent die gestellten Aufgaben einer Lösung zuzuführen, ohne in der verwirrenden Diffusität oder den Zufälligkeiten des Alltags zu versinken. Um umgekehrt aber nicht der Erstarrung eines computergesteuerten Robotersystems zu verfallen, sind die Evaluation bzw. viel mehr noch die Selbstevaluation und die Supervision notwendige Instrumente, um dieser Entwicklung vorzubeugen. Wenn als Basis des methodischen Umgangs mit Klienten die Verständigungsorientierung anerkannt wird und damit strategisch erfolgszentriertes Handeln ( Abb. 6) weitgehend vermieden werden kann, ist dies ein weiteres Präventionselement, das einem konservenhaften Handeln in der Sozialen Arbeit vorbeugt. Routine muss also immer wieder misstrauisch hinterfragt werden. Positiv formuliert zeichnet sich sozialpädagogische Kreativität dadurch aus, dass vor dem sicheren Hintergrund stabilisierenden Routinehandelns versucht wird (nach Moreno), für alte Probleme neue Lösungen zu finden und für neue Probleme angemessene Lösungen zu entwickeln.

3.3       Mehrperspektivität von Problemen

Mehr als in vielen anderen Berufen ist in der Sozialen Arbeit die Rede von der Multiperspektivität der Problemgenese und Problemlösung. Dennoch ist die Reduktion von Vielfalt notwendig, um in konkreten Situationen handlungsfähig zu bleiben. Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit ist Handeln in komplexen Situationen, die nach Dörner (1992, S. 58 ff.) durch Vernetztheit, Dynamik, Intransparenz und (notwendigerweise) ein unvollständiges Strukturwissen gekennzeichnet sind. Eine Vergewisserung wesentlicher Aspekte dieses Handelns, immer unter der Ausrichtung auf einen verständigungsorientierten zirkulären Problemlösungsprozess ( Kap. 3.5) sowie einer Orientierung und Ausrichtung des Handelns an Basiskriterien ( Abb. 3 und  Abb. 4) ist daher hilfreich für die Strukturierung verwirrender Komplexität und Voraussetzung für effektives Arbeiten. Das Bewusstsein bzw. das Bewusstmachen von netzwerkartigen Problemverflechtungen sind notwendige, wenn auch noch nicht ausreichende Voraussetzungen, um die auftretenden Probleme in den diversen Arbeitsfeldern Sozialer Arbeit angemessen zu bewältigen. Hinzukommen muss eine verantwortete Beschränkung von Dienstleistungen, die die äußeren und inneren Grenzen von Sozialpädagogen und Klienten bewusst berücksichtigt. In der Abbildung 2 sind einige zentrale Aspekte des Perspektivengeflechtes zusammengefasst.

Abb. 2: Perspektiven: Gesellschaft – Lebenswelten – Lebensstile

In der Sozialen Arbeit sind die Problemanalyse-, Interventions- und Reflexionsmethoden bzw. -verfahren im Sinne mehrperspektivischen Denkens und Handelns bezüglich der Problemzuordnung, aber eben auch der Ressourcenfindung auf die Lebensstile und die Lebenswelten der Klienten sowie auf die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, in denen sozialpädagogisches Handeln stattfindet, einschließlich ihrer Wechselwirkungen zu beziehen. In den Lebenswelten sind nicht nur pathogene Wirkungen zu finden, sondern auch salutogene Möglichkeiten zu suchen. Dies beinhaltet auch die Frage, was in der Umwelt zu verändern ist, um positive Veränderungen in den Lebenstilen der Klienten zu bewirken bzw. auch umgekehrt.

3.4       Systematik: Orientierungsraster

3.4.1     Modell

Das »wissenschaftliche« an den Wissenschaften ist, wie erwähnt, das methodische Handeln als ein intersubjektiv überprüfbarer (und meist komplexer) Prozess. In dem Modell des Orientierungsrasters ( Abb. 3) werden die zentralen inhaltlichen Ebenen, Elemente oder Funktionsprinzipien methodischen Handelns in der Sozialen Arbeit benannt. Sie sind damit auch bezüglich ihrer Anwendung überprüfbar. Die einzelnen interdependenten Ebenen des Rasters bilden jedoch ein holistisches System, für das gilt, dass – nach der alten aristotelischen Regel – das Ganze mehr oder qualitativ höher ist als die Summe seiner Teile (Übersummationsregel). Die einzelnen Elemente beeinflussen sich also in einem emergenten Prozess wechselseitig und lassen etwas entstehen, was allein durch die Aneinanderreihung der einzelnen Elemente nicht möglich gewesen wäre. Aus der zunächst statischen Aufzählung der inhaltlichen Ebenen wird dadurch ein dynamisches System wechselseitiger Beeinflussung. Die in Abbildung 3 angeführten Ebenen sind zentral für das Methodische Handeln in der Sozialen Arbeit. Sie sind notwendig, wenn vielleicht auch nicht für alle Eventualitäten der Praxis ausreichend, sie sind also je nach Fall u. U. ergänzungsbedürftig.

Das idealtypische Modell – knappe, abstrahierende Kennzeichnungen (Max Weber) – bildet die Struktur, die Gesamtheit der Elemente ab, die im Weiteren inhaltlich beschrieben werden (Inhaltsebenen) und die in Annäherung zu vollziehen sind, soll professionell methodisch gehandelt werden. Die integrierende Umsetzung der Elemente des Modells findet in der Praxis der Sozialen Arbeit im Prozess des zirkulären Problemlösens ( Kap. 3.5 und  Abb. 5) statt. Vom Methodischen Handeln in der Sozialen Arbeit kann, daraus abgeleitet, erst dann die Rede sein, wenn dieser Gesamtzusammenhang (Struktur und Prozess) beachtet und reflektiert wird. Die praktische Anwendung von Katalogen von Methoden oder Techniken, die in manchen Büchern und in der Aus- und Weiterbildung angeboten werden, mögen zwar in den Turbulenzen der Praxis kurzfristig hilfreich sein, Methodisches Handeln ist es jedoch nicht. So wird auch deutlich, dass spezifische Methoden in einen sehr viel größeren Zusammenhang eingebettet sind, ohne dessen Beachtung sie inhaltsleer bleiben müssten.

Ein Streben, komplexe Zusammenhänge erkennen zu wollen, ist einerseits eine wichtige Voraussetzung für ein fachlich kompetentes Handeln, in der Praxis sind allerdings Fachkräfte wie KlientInnen dadurch u. U. schnell überfordert, so dass es, um handlungsfähig zu bleiben, sinnvoll und professionell ist, bewusst und gezielt zu reduzieren ohne einem Reduktionismus anheim zu fallen. Das Orientierungsraster und das Modell des zirkulären Problemlösens bieten für Fachkräfte einen Wegweiser – eine Art Kompass –, im gefährlichen Gelände der täglichen Praxis immer wieder einmal zu reflektieren, wo sie sich gerade befinden und um vielleicht hier und da die anderen Ebenen und Prozessphasen wahrzunehmen und sich anregen zu lassen, strukturierter und gezielter weiterzuarbeiten, Routinen vorübergehend hinter sich zu lassen, Versuche nach dem Motto »Probieren geht über Studieren« abzulehnen und sich insgesamt neue kreative Möglichkeiten zu eröffnen. Dies alles und ganz besonders auch zum Wohle der KlientInnen.

Methodisch handeln in der Sozialen Arbeit heißt, die Zusammenhänge zwischen den komplex miteinander wechselwirkend verbundenen Bereichen des Orientierungsrasters von der Anthropologie bis zu den Techniken zu verstehen, umzusetzen und auch in der alltäglichen konkreten Arbeit mit spezifischen Methoden immer wieder zu reflektieren. Und es heißt auch, dass die Planung und Organisation dieses Handelns (Sozialplanung, Sozialmanagement) sich dieser Zusammenhänge bewusst sein muss, um auf ihre Weise effektiv zu sein.

Im Folgenden werden die einzelnen inhaltlichen Ebenen kurz beschrieben:

•  Die Grundlage Sozialer Arbeit und damit zugleich die Basis jeglichen Handelns in der Sozialen Arbeit bilden nach dem Orientierungsraster Anthropologie, Sozialphilosophie und Ethik ( Kap. 4). In ihnen sind zugleich, hierarchisch gesehen, die »höchsten« Ziele und Werte und die Rahmenbedingungen dieses Handelns verankert. Die an diese Basis rückgekoppelte Definition von Sozialer Arbeit bestimmt die Arbeitsprinzipien (Handlungsnormen).

•  Je nach Definition, je nach »Schule«, je nach bevorzugter Theorie von Sozialer Arbeit (Marburger 1979, Engelke u. a. 2009) sind die Konsequenzen für jeweils alle weiteren Schritte im Rahmen des Orientierungsrasters zu beachten. Eine »kritisch-rationalistische« Sozialpädagogik (Sozialarbeitswissenschaft i. S. von Lutz Rössner), eine »alltagsorientierte« Sozialpädagogik (Alltagsansatz i. S. von Hans Thiersch), eine »kritisch-emanzipatorische« Sozialpädagogik (i. S. von Hermann Giesecke oder Klaus Mollenhauer), eine »historisch-materialistische« Sozialpädagogik (i. S. von Walter Hollstein oder Karam Khella), eine »geisteswissenschaftliche« Sozialpädagogik (i. S. von Herbert Nohl oder Erich Weniger) oder eine »sozialökologische Soziale Arbeit« (i. S. von Germain und Gitterman oder Wendt), um einige Grundorientierungen zu nennen, werden sich von den Basisdefinitionen her u. U. erheblich voneinander unterscheiden und damit auch bezüglich der von ihnen bevorzugten Arbeitsformen, Interaktionsmedien, spezifischen Methoden (Problemanalyse-, Interventions- und Reflexionsmethoden), Verfahren und Techniken. Dennoch gilt auch hier der wissenschaftstheoretische Lehrsatz Schopenhauers von der Notwendigkeit der gleicherweisen Beachtung von Homogenität und Spezifikation (1986, S. 11). Es ist also zu fragen, wo bei den genannten Orientierungen übereinstimmende Aussagen zu finden sind und worin sie sich wirklich unterscheiden. Dies bedeutet dann auch, ausgehend von den homogenen Aussagen, homogene Arbeitsprinzipien, Arbeitsformen, Interaktionsmedien und Methoden zu formulieren und sich gleichzeitig der darüberhinausgehenden spezifischen Unterschiedlichkeiten bewusst zu bleiben. In differenzierter Form ist diese Frage bisher umfassend jedoch nicht bearbeitet worden. Dies kann auch hier nicht geleistet werden. Die Handlungsleitenden Konzepte, die vorgestellt werden ( Kap. 8), sind jedoch so offen, dass sie für unterschiedliche theoretische Konzepte grundlegend sind.

Abb. 3: Orientierungsraster: Inhaltsebenen Methodischen Handelns von der Anthropologie bis zur Technik (und zurück)

• Aus den theoretischen Konzepten der Sozialen Arbeit resultieren (in Wechselwirkung mit konkreten sozialen Problemen) letztendlich deren Arbeitsfelder, die nach Lebensalter und/oder nach Lebenslagen strukturiert werden können. Ohne Zuordnung von Handlungsfeldern zu theoretischen und erkenntnisleitenden Konzepten bleiben diese beliebig, Moden oder politischen Forderungen unterworfen.

•  Theoretische Konzepte der Sozialen Arbeit (Engelke u. a. 2009) sowie die Praxiserfahrungen bilden die Basis für die Handlungsleitenden Konzepte. Unter Konzept wird ein Entwurf, ein Plan, ein Modell verstanden, in dem die einzelnen Inhalte in einen sinnhaften Zusammenhang gebracht werden. Handlungsleitende Konzepte in der Sozialen Arbeit zeichnen sich dadurch aus, dass ein logischer Zusammenhang von den axiologischen Grundannahmen bis zu den konkreten Techniken hergestellt wird. Je nach Vollständigkeit der inhaltlichen Ebenen und der Differenziertheit ihrer Ausgestaltung ergeben sich unterschiedliche Differenzierungsgrade ( Kap. 3.4.2) von Handlungsleitenden Konzepten. Manche dieser Konzepte sind in vielen Arbeitsfeldern anwendbar, haben also einen hohen Grad von Allgemeingültigkeit, andere sind eingeschränkter lebensaltersspezifisch oder lebenslagenspezifisch.

•  Arbeitsprinzipien sind zu begründende Handlungsnormen, Grundsätze des Handelns zur Lösung von Problemen. In ihnen sind wesentliche Ziele spezifischen Handelns verdeutlicht. Sie leiten sich aus den sozialphilosophischen und ethischen Überlegungen ( Kap. 4) ab.

•  Arbeitsformen sind unterschiedliche Sozialformen mit jeweils eigenen Voraussetzungen, die im Rahmen Handlungsleitender Konzepte umgesetzt werden. Sie dienen als Differenzierungsraster für die spezielleren Interaktionsmedien (Interaktionsmodi, Handlungsarten) und die spezifische Methodenwahl. Je nach Problemstellung und damit einhergehender Festlegung der Arbeitsformen und der Interaktionsmedien sind also einzelne Methoden als Problemlösungswege lege artis zu wählen (monomethodisches Vorgehen) und anzuwenden oder aber ein verschiedene Methoden oder auch einzelne Verfahren integrierendes Konzept (Kombinationsmethode) zu verwenden oder auch erst zu entwickeln und umzusetzen. Für die Wahl der Arbeitsformen und spezieller der Interaktionsmedien und noch spezieller der Methoden, Verfahren und Techniken ist die Problembzw. Situationsanalyse ( Kap. 5.) einschließlich der Ziele- und Thesenformulierungen ( Kap. 6) bestimmend.

•  Spezifische Methoden beinhalten mehr oder weniger differenzierte Systeme von geregelten Verfahren(sweisen) und Techniken. Aus dem Instrumentarium der Basis- oder Standardverfahren eines Methodenkonzeptes werden die speziellen Verfahren entwickelt, als konkrete und situationsspezifische Anwendung der Basisverfahren zur Lösung von speziellen Praxisproblemen, u. U. mit entsprechenden Modifikationen (= sozialpädagogische Kreativität). Daneben gibt es Verfahren, die aus der Praxis heraus entwickelt wurden, die aber mangels axiologischer Fundierung und theoretischer Begründung ( Abb. 4) nicht den Status einer Methode erreichen. In der Praxis werden des Weiteren viele Verfahren (und Techniken) angewendet, ohne auf die Methoden bezogen zu werden, aus denen heraus sie entstanden sind (Rollenspiel, Skulpturarbeit, positive Verstärkung …). Techniken bilden das methodenimmanente und spezifische »Handwerkszeug«, das im Rahmen der gewählten Verfahren einer Methode Anwendung findet. Sie bezeichnen somit die grundlegenden Handlungsregeln, die eine Methode und ihre Verfahren (bzw. auch eigenständige Verfahren) in besonderer Weise kennzeichnen.

Die Effektivität und die Effizienz der Wahl von Handlungsleitenden Konzepten, Arbeitsformen, Interaktionsmedien, Methoden, Verfahren und Techniken bezüglich der Problemlösung sind zu evaluieren ( Kap. 10.1). Dabei sind auch die Qualität der Situationsanalyse und die der Durchführung der gewählten Methode mit ihren Verfahren und Techniken zu prüfen. Unter Umständen sind sogar als Folge der Reflexion/Evaluation die Arbeitsprinzipien zu revidieren oder gar die Basistheorie und die Basisdefinitionen bezüglich Sozialer Arbeit zu modifizieren oder als nicht hinreichend brauchbar zu verwerfen. Im Rahmen des Evaluationsprozesses wird auch deutlich, ob die Problemlösung wirklich nur eine sozialpädagogische Aufgabe ist, ob nur Teilbereiche dies sind, ob andere Professionen beteiligt werden müssen oder ob es überhaupt eine sozialpädagogische Aufgabe ist. Evaluation darf somit nicht nur am »Ende« eines Problemlösungsprozesses stehen, sondern ist als zirkulärer Reflexionsprozess zu verstehen, der alle Schritte immer wieder in Frage stellt und der auch den Aspekt der Wirtschaftlichkeit (Kosten-Nutzen-Analyse) mit einschließt.

Ganz gleich, wo in dieses Modell eingestiegen wird, sind die jeweils anderen Aspekte mehr oder weniger mit zu bedenken, soll kompetent und professionell methodisch gearbeitet werden. Eine noch so wirkungsvolle Technik muss dann bezogen werden auf die zugrunde liegende Methode, auf deren axiologischen Basisannahmen (Ethik, Menschenbild) und den daraus ableitbaren Arbeitsprinzipien, auf ihre theoretische Begründung, auf die Spezifika unterschiedlicher Arbeitsfelder sowie auf ihre Zuordnung zu den Arbeitsformen und Interaktionsmedien.

Im ersten Beispiel (Nachsorge  Kap. 2.1) ist die Aufgabe zu lösen, alkoholabhängige Menschen in der Nachsorgephase in der Vorbereitung auf Alltagssituationen zu unterstützen (Arbeitsfeld, Problem). Wenn als Arbeitsprinzip Multiperspektivität (weite Themenwahl: Lebensstil- und Lebensweltelemente, gesellschaftliche Bezüge) und Hilfe zur Selbsthilfe gelten soll, ist im Rahmen eines passenden Handlungsleitenden Konzeptes (z. B. Empowerment) die Arbeitsform begründet zu wählen (z. B. Gruppenarbeit, um den Austausch der direkt Betroffenen untereinander zu fördern), das Interaktionsmedium zu vereinbaren (z. B. Gruppen-Beratung), die Methode festzulegen (z. B. Kombinationsmethode Themenzentrierte Interaktion und Psychodrama) sowie die Verfahren (z. B. Themeneinstimmung nach der Themenzentrierten Interaktion und zukunftsgerichtetes Rollenspiel) und Techniken (z. B. Dreifach-geleitetes Schweigen, Rollentausch und Spiegeln) zu bestimmen. Erst im Rahmen einer solchen Systematik wird methodisches Handeln den formulierten Ansprüchen gerecht, allerdings immer unter dem Vorbehalt der Verständigungsorientierung. Die vorläufige Planung muss flexibel revidierbar sein, sie muss in ihren einzelnen Phasen mit den Bedürfnissen und Zielvorstellungen der Klienten konfrontiert und professionell evaluiert werden. Dabei muss aber eine für alle Beteiligten stabilisierende Struktur, die klar vereinbart wird, beibehalten werden, auch dann, wenn Konflikte auftreten, die Anlass für eine konstruktive Auseinandersetzung sind. Ein ständiger Wechsel von Handlungsleitenden Konzepten, Arbeitsformen, Methoden usw. signalisiert eine Schwäche in der Systematik, die viele Quellen haben kann. Es kann beispielsweise sein, dass die Methode, selbst wenn SozialpädagogInnen sie beherrschen, für manchen Klienten »nicht passt« oder dass zwar die Methode geeignet wäre, Professionelle aber damit nur ungenügend arbeiten können oder dass das Arbeitsprinzip zu elitär gewählt wurde oder dass die Vereinbarungen nicht klar genug formuliert wurden oder dass ein Sozialpädagoge ganz einfach Angst hat und deswegen allen Wünschen seiner Klienten nachgibt usw.

3.4.2     Differenzierungsgrad von Konzepten und Methoden

Spezifische Methoden finden im Rahmen des Orientierungsrasters bei der Problemanalyse, bei den Interventionen und in der Evaluation Anwendung. Sinnvoll kann dies nur unter den Vorgaben Handlungsleitender Konzepte ( Kap. 8) sein. Diese haben allerdings – wenn als Messlatte die Berücksichtigung der Ebenen des Orientierungsrasters oder die Beurteilungskriterien nach Abbildung 4 angelegt werden – einen bezüglich der Vollständigkeit der inhaltlichen Ebenen und der Differenziertheit ihrer Ausgestaltung sehr unterschiedlichen Differenzierungsgrad (nach König 1967, S. 5), wobei die Übergänge fließend sind:

•  Viele Konzepte beschreiben lediglich Beobachtungen empirischer Regelmäßigkeiten (wie sie etwa in den Jahresberichten einer Vielzahl von sozialpädagogischen Projekten und Beratungsstellen zu finden sind),

•  die meisten sind Ad-hoc-Konzepte (beispielsweise kommt es in einer Gemeinde zu aggressiven Auseinandersetzungen zwischen Jugendgangs, was dann u. U. zu einem kurzfristigen Modellversuch »Straßensozialarbeit« führt),

•  einige sind Konzepte mittlerer Reichweite (Empowerment, Case Management, Life-Model),

•  Konzepte höherer Komplexität fehlen bisher.

Was für die Handlungsleitenden Konzepte gilt, gilt bezüglich ihres Differenzierungsgrades gleichermaßen auch für spezifische Methodenkonzepte und daraus abgeleitet natürlich auch für das methodische Handeln selbst. Sowohl Handlungsleitende Konzepte wie auch spezifische Methoden sind hinsichtlich ihrer axiologischen, theoretischen, praxeologischen, wissenschaftstheoretischen und empirischen Fundierung zu differenzieren. Nicht jede Technik wie die Visualisierung über Pinboards ist eine Methode oder ein Verfahren. Diese Technik kann allerdings in Verbindung mit weiteren Techniken Teil des Moderationsverfahrens ( Kap. 9.3.3) werden. Wenn das Menschenbild mit den Prinzipien der Eigenverantwortung und Gleichberechtigung und den daraus abgeleiteten Arbeitsprinzipien wie Demokratie und Toleranz sowie die theoretischen Grundlagen (Kommunikationspsychologie, Gruppendynamik) und eventuell noch wissenschaftstheoretische und forschungsmäßige Fragestellungen reflektierend zu einem übergreifenden Konzept verbunden würden, könnte sogar von einer Moderationsmethode gesprochen werden. Die Kriterien zur Beurteilung von Handlungsleitenden Konzepten sowie von spezifischen Methoden sind in der Abbildung 4 zusammenfassend formuliert.

Erläuterungen zur Abbildung 4:

•  Praxeologie: In der Lehre von der Praxis geht es darum, erstens erarbeitete Praxiskonzepte in methodisches Handeln umzusetzen (Verfahren, Techniken) sowie die damit gemachten Erfahrungen in die Konzepte zurückfließen zu lassen (Differenzierung, Modifikation), zweitens die Konzepte für unterschiedliche Praxisfelder zu differenzieren bzw. integrative Modelle zu entwickeln und drittens die Umweltbezüge, innerhalb derer gearbeitet wird (Politik, Recht, Ökonomie, Ökologie, Hilfesystem …) zu berücksichtigen. Frage nach dem »Wie kann ich handeln?«.

Abb. 4: Kriterienraster zur Beurteilung von Methoden und Handlungsleitenden Konzepten

•  Theorie: Die Konzepte und die einzelnen Schritte des methodischen Handelns sind durch Theorien der Sozialen Arbeit sowie durch psychologische, soziologische, pädagogische und methodenimmanente Theorien zu begründen. Frage nach dem »Warum handle ich so wie ich handle und nicht anders?«.

•  Axiologie: Hier ist die Frage nach den Zielen hinter den praxeologischen Zielen zu stellen, somit sind Fragen nach dem Menschenbild und nach Ethik und Sozialphilosophie zu beantworten. Frage nach dem »Wozu dient mein Handeln?«, »Wohin soll mein Handeln führen?«. Das sind Fragen bezüglich Menschenrechte, Emanzipation, Mündigkeit …

•  Wissenschaftstheorie: Fragen, auf welchen Wegen die Erkenntnisse gewonnen wurden. Frage nach dem »Woher kommt mein Wissen?«.

•  Forschungsmethoden: Fragen der Überprüfung bezüglich der Folgen und Nebenfolgen praktischen Handelns (Evaluation). Frage nach dem »Was bewirkt mein Handeln?«.

3.5       Zirkulärer Problemlösungsprozess

Es versteht sich von selbst, dass das statische Orientierungsraster sich erst in der Dynamik konkreter Handlungsvollzüge bewähren muss. Eine Problemlösung in diesem Sinne ist ein zirkulärer Prozess, d. h. dass Evaluation eine ständige Aufgabe im Gesamtverlauf ist und unter Umständen dazu führt, auch nach Beginn der spezifischen Interventionen wieder zur Problemanalyse zurückzukehren usw. Durch die Pfeile der Abbildung 5 soll ausgedrückt sein, dass methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit nicht unilinear sein kann, sondern dass es viele Schleifen gibt und Schritte zurück auf allen Stationen dieses Prozesses eventuell notwendig werden. Es stellt sich dann auch die Frage, ob sich durch den Handlungsprozess die Situation positiv verändert hat, ob sie gleichgeblieben ist oder sich gar verschlechtert hat. Dann sind u. U. Fragen zu stellen nach den wirksamen Variablen, die die Situationsveränderung oder auch deren Stagnation verursacht haben und ob diese innerhalb oder außerhalb des sozialpädagogischen Handlungssystems oder auch in beiden zu finden sind.

Der zirkuläre Problemlösungsprozess beinhaltet idealtypisch alle Phasen vom Erstkontakt bis zum Abschluss der gemeinsamen Arbeit zwischen KlientInnen und Fachkräften. Der Weg, der hier aufgezeigt wird, ist weder normativ noch unilinear, weder zeitlich begrenzt noch inhaltlich limitiert, weder auf Arbeitsfelder noch auf Arbeitsformen beschränkt, jedoch sind in diesem Modell die wesentlichen Aspekte des prozesshaft-zirkulären methodischen Handelns benannt. Der sozialpädagogischen Kreativität und Kompetenz von Fachkräften unterliegt es, situationsspezifisch die passende Auswahl – angeregt durch das Orientierungsraster ( Abb. 3) – zu treffen. Wer mit obdachlosen Jugendlichen arbeitet wird anders entscheiden müssen als eine Beraterin einer Familienberatungsstelle. Die Gruppenarbeit mit älteren Männern mit einer Alkoholabhängigkeit erfordert wiederum ein anderes methodisches Handeln als die Einzelarbeit mit einem in der Schule auffällig introvertierten 7-jährigen Mädchen.

Abb. 5: Zirkulärer Prozess des methodischen Planens und Handelns

3.5.1     Zugänge und Erstkontakt

Die Zugänge zum Angebot der Sozialen Arbeit sind mehr oder weniger deutlich selbstbestimmt, häufig jedoch auch in diversen Variationen fremdbestimmt. Nach dem Grad der Selbstbestimmung kann u. a. unterschieden werden:

Zugang

•  über eigene Einsicht und Motivation,

•  über Anregung durch Ärzte, Heilpraktiker, Hebammen, Rechtsanwälte …,

•  über Bitten, Drängen und Androhung durch Partner, Eltern, Kinder, Freunde, Arbeitgeber, Kollegen …,

•  über die Vermittlung verschiedener – auch kontrollierender – Fachstellen (Jugendamt, Agentur für Arbeit …),

•  als Auflage (verkehrspsychologische Beratung im Rahmen der Medizinisch-Psychologischen-Untersuchung (MPU), Schwangerschaftskonfliktberatung),

•  über einen Gerichtsbeschluss (Beratung/Therapie statt Strafe).

Der Erstkontakt