Halbzeit - Wilfried Kriese - E-Book

Halbzeit E-Book

Wilfried Kriese

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Beschreibung

Durch seine außergewöhnliche Lebensentwicklung und dem daraus entsprungenen eigenen Schreibstil wurde der 1963 geborene Wilfried Kriese zu einer bekannten Persönlichkeit. Als Kind verlor er seine Sprache, wurde als verhaltensgestört eingestuft und ist Legastheniker. Er verbrachte seine ganze Schulzeit in Sonderschulen. Nach der Schulzeit machte Kriese keinen zweiten oder dritten, sondern einen eigenen Bildungsweg. Heute ist er Autor von zahlreichen Büchern und Verleger. Diese Biografie beweist, dass ein Mensch, der von Fachleuten als hoffnungsloser Fall aufgegeben worden war, und somit in eine beschützende Einrichtung abgeschoben gehört hätte, trotzdem im Stande ist ein eigenständiges Leben zu führen.

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Halbzeit

TitelseiteVORWORTMEIN LIEBES ELTERNHAUSDER SCHOCKERINNERUNGEN ANS KLINISCHE JUGENDHAIEMTHERAPEUTISCHE ERLEBNISSEKINDERGARTENZEITSPRACHTRAININGSONDERSCHÜLER SUPPENTRIELERAUF GEHT’S ZUM BERUFSFINDUNGSJAHRLEHRJAHREDER ERNST DES LEBENSPOLITISCHE SCHLUSSFOLGERUNGSTEINIGE WEGE ZUM SCHRIFTSTELLERHOLPRIGE WEGE ZUM VERLEGERFAMILIE UND GUTE FREUNDECHANCE BEKOMMEN ODER SICH NEHMENDIE MULTIKULTURELLE MINDERHEITENGESELLSCHAFT NUR EIN TRAUM?EIN SEHR WEITER BEGRIFFHOCHS UND TIEFS ODER WAS HEISST HIER ZUKUNFT?Impressum

Wilfried Kriese

HALBZEIT

Die eigenen Schwächen

zu Stärken machen

Impressum

Mauer Verlag

Wilfried Kriese

Buchgestaltung Mauer Verlag

Titelbild: Privat

Edition Wilfried Kriese 2018

Erstveröffentlichung 2001

Alle Rechte vorbehalten

www.mauerverlag.de

www.wilfried-Kriese.de

VORWORT

Mit gerade mal 27 Jahren veröffentlichte ich 1991 meine Biografie. Besser gesagt nur einen Teil davon. Denn einerseits fehlte mir der Mut, ausführlich über mein Leben zu schreiben, denn schließlich lebten damals wie heute noch viele Menschen, die in meinem Leben vorkommen, die ich nicht in der Öffentlichkeit zuviel loben oder kritisieren möchte, zum anderen fehlte mir noch einfach der Mut mehr über mich zu schreiben. Zudem gab es damals auch nicht soviel zu erzählen. Doch auch die Hemmschwelle war groß, wieviel ich überhaupt von mir offenbaren soll. Denn schließlich ist eine Biografie etwas zutiefst Persönliches.

Als ich meine erste Biografie schrieb, war ich, wie erwähnt, erst 27 Jahre jung, und in diesem Alter schreibt man für gewöhnlich noch keine Biografie. Das macht man erst mit 60 oder 70 Jahren, dann, wenn man im Leben einiges erreicht hat. Überhaupt schreiben und insbesondere veröffentlichen nur die Leute ihre Lebensgeschichte, die im Leben etwas Besonderes in Form von Karriere geschafft haben. Dazu gehören gewöhnlich erfolgreiche Politiker, Sportler, Schauspieler, Wissenschaftler, Musiker usw. Doch warum ist das eigentlich so? Sind manchmal die Lebensgeschichten von Menschen, die sich in bestimmten Milieus bewegen, nicht genauso interessant, wie die von berühmten Menschen?

In dem Kapitel „Auszüge aus meinem Leben“ meines ersten Buches „Für die Behindertenintegration, ein direkt Betroffener informiert,“ wollte ich beweisen, dass ein Mensch, der aus psychologischer wie medizinischer Sicht aufgegeben wurde und somit für alle Zeiten in eine Behinderten-Einrichtung abgeschoben gehörte, im Stande ist die Fähigkeiten zu entwickeln, um ein eigenständiges Leben zu führen. Diesen Beweis konnte ich damals schon an meiner eigenen Person erbringen. Denn bei mir gelang trotz aller Bedenken von manchen Fachleuten die Integration, und das war durchaus berichtenswert.

Aber ich fragte mich damals, warum gerade ich, ein ehemaliger lernbehinderter Schüler, ein Buch schreiben sollte, der unter anderem auf Grund seiner Schwächen in Deutsch in eine Sonderschule gesteckt wurde. Dabei stieß ich auf die Frage, warum ich eigentlich sprechen, lesen und auch schreiben gelernt habe, obwohl dies nur mit äußerst großer Mühe und großen Umständen gelang. Damit ich besser durchs Leben komme? Sicherlich war das anfangs der Hauptgrund. Allerdings war ich mit dieser Antwort alleine nicht zufrieden und so entstand Gott sei Dank mein erstes Buch, das für mich Unerwartetes in mein Leben brachte. Vielleicht lag es auch daran, dass mein Buch damals das erste Buch eines ehemaligen Lernbehinderten war, und ich somit voll in eine Nische rein tappte.

Nach der Veröffentlichung des ersten Buches und meinem politischen Engagement zeigte sich, warum auch so jemand wie ich, und wenn er noch so jung ist, ein Buch mit seiner Biografie nicht nur schreiben, sondern sie auch veröffentlichen soll. Denn die Leute fanden, dass meine Art und Weise mich an die Öffentlichkeit zu wenden glaubwürdiges und identischer ist, als wenn irgendwelche studierten Experten über Minderheiten sich äußern.

Nach der Veröffentlichung des Buches wurde ich von dem überaus guten Echo aus Fach- wie nicht Fachkreisen total überrumpelt. All dieser Zuspruch gab mir den Mut, trotz starker Bedenken und Minderwertigkeitskomplexen weiter zu machen. Daraufhin folgten weitere Bücher, politisches und gesellschaftliches Engagement, Vorträge, die Gründung meines Verlages. Parallel dazu machte ich einige Volkshochschulkurse in Rhetorik, Deutsch und Englisch und belegte noch einige Fernkurse.

Natürlich war da auch noch mein Privatleben. Ich ging einem vollen Broterwerb nach, und 1988 heiratete ich meine heutige Frau, die mir bis jetzt eine gute Beraterin ist. Ach ja, und wie es sich für ein schwäbisches Ehepaar gehört, kauften wir uns noch eine alte Wohnung, die es zu renovieren galt.

Mit den Jahren wurde ich zunehmend bekannter. War es am Anfang gerade nur ein kleiner Teil, der mich auf Kreisebene wahrnahm, bin ich heute auf dem besten Weg im deutschsprachigen Raum bekannt zu werden.

Dass ich soweit kommen könnte, dachte ich, bevor ich damit begann mich an die Öffentlichkeit zu wenden, im Traum nicht.

Ich erhalte immer mehr positive Zuschriften und Zusprüche von Menschen aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten, die mir ihre Bewunderung zum Ausdruck bringen möchten. Ja, für viele bin ich inzwischen ein „Vorbild“ geworden. Eine Feststellung die mich geradezu erschreckt. Ich und ein Vorbild? Werde ich dem überhaupt gerecht? Habe ich das überhaupt verdient?

Schließlich stellte ich fest, dass ich im Prinzip nicht mehr mache, wie viele andere Menschen, nämlich versuche, mein Leben mit meinen eigenen Schwächen, so gut wie es eben geht, zu meistern. Nur habe ich dabei das Glück, dass ich etwas in meinem Leben fand, was mir unwahrscheinlich viel Spaß macht und was eben einen Teil der Öffentlichkeit interessiert.

Heute werde ich in den Medien gerne als Selfmademan und Erfolgsmensch genannt, was mich natürlich auch freut. Doch was mich dabei stört ist, dass dabei viele meiner Weggefährten, die ich im Laufe meiner Lebensentwicklung kennenlernen durfte, auch vieles leisten, aber ohne dass es meistens wirklich erkannt wird. Denn es fällt kaum auf, wenn jemand, der wie ich zu einer Minderheitengruppe gehört, oder schwere gesellschaftliche Ausgangspositionen hat, ein sogenanntes normales Leben führt, obwohl das nur mit viel Mühe und Kraft zu erreichen ist.

So lernte ich viele Menschen kennen, vor denen ich wirkliche Hochachtung habe, weil mehr dazu gehört, wenn man mit schlechten Lebensbedingungen ein bürgerliches Leben aufbaut, als wenn jemand Karriere macht, ohne dabei wirklich zu spüren, was eigentlich wirkliche Lebensleistung bedeutet.

So waren auch bei mir viele Kleinigkeiten, die für die meisten selbstverständlich sind, fast unbeschreibliche Hindernisse, die es zu überwinden galt.

Deshalb möchte ich in dieser ausführlicheren Biografie einige Beispiele aufzeigen, von Menschen, denen ich im Laufe meines bisherigen jüngeren Lebens begegnet bin, die für ihre Verhältnisse verdammt viel erreicht haben und deshalb für mich auch als „Erfolgsmenschen“ gelten.

So macht hoffentlich meine Biografie, „HALBZEIT, DIE EIGENEN SCHWÄCHEN ZU STÄRKEN MACHEN“ zusätzlich Sinn, dass Menschen, die sich vor oder nach ihrer Lebenshalbzeit befinden, den Mut finden, zu ihren eigenen Schwächen zu stehen und eigene Wege zu gehen, um so den Begriff „ERFOLG“ neu zu definieren.

Für mich heißt Erfolg: „Die eigenen Schwächen zu Stärken machen und seine eigenen Lebenswege zu meistern.“

Das Vorwort möchte ich mit einem Aufsatz eines Schülers beenden, der mit mir in die Schule ging. Den Aufsatz fand ich in einer alten Schülerzeitung. Nur gut, dass man als Schwabe schon von frühesten Kindesbeinen auf lernt, dass man nichts wegschmeißen darf, denn man könnte es ja irgendwann ‘mal wieder gebrauchen.

Pläne und Wünsche eines Schülers

der Klasse 9

nach seiner Schulzeit

Ich werde nach meiner Schulzeit, wenn ich aus der Schule bin, Automechaniker lernen. Dann werde ich mir ein eigenes Auto anschaffen, und ich werde auch alte Autos aufkaufen, sie herrichten und sie wieder verkaufen. Ich werde auch meinen Freunden Ihre Autos reparieren, wenn sie es wollen. Und später versuche ich auch die Meisterprüfung zu machen, damit ich wenn ich einmal zur Bundeswehr komme, in der Werkstatt gleich arbeiten kann.

Vielleicht kann ich dann auch später einmal eine eigene Werkstatt aufmachen und Autos darin richten.

Und wenn ich dann Meister bin, dann werde ich auch Arbeiter einstellen.

Wenn ich dann genug Geld habe, werde ich mir ein Haus bauen und auch einen Urlaub leisten und einen heißen Sportwagen, so mit 130 PS.

Dann kann ich sagen, mir geht’s gut.

So weit war ich nach meiner Ausbildung auch und habe heute nach wie vor meine Achtung, wenn es jemand soweit bringt. Doch ich fand einfach keine Ruhe, und so ging es bei mir einfach weiter, oder was heißt hier einfach...?

MEIN LIEBES ELTERNHAUS

Unser Elternhaus war in bürgerlicher Hinsicht voll intakt, genauso wie Millionen andere auch. Unser Vater verdiente als Elektriker das Geld und unsere Mutter sorgte für das Wohl der Familie. Meine drei Geschwister waren ganz normal entwickelte Kindern, die ab und zu mal aus der Rolle fielen, wie es nun mal bei Kindern vorkommen kann.

Allerdings was nicht ganz normal war, oder vielleicht doch, war, dass mein Vater Kriegsbeschädigter war. Denn der zweite Weltkrieg hinterließ ihm ein Andenken. Er konnte bis zu seinem Tode das linke Knie nicht mehr bewegen. Auch sonst hatte der Krieg bei ihm schwere gesundheitliche Schäden hinterlassen.

Ach ja, und meine junge Wenigkeit war auch ein gesundes Kind, so eines wie es sich alle Eltern wünschen. Ich hatte alle Finger und Zehen, meine Zähne wuchsen normal, was meine Eltern so manche schlaflose Nacht kostete. Und ich lernte krabbeln, laufen, sprechen, wie die anderen Kinder aus der Nachbarschaft, und ich war sogar blondhaarig mit blauen Augen.

DER SCHOCK

Am 25.03.1965 änderte sich meine bisherige Kindheit, die noch nicht einmal richtig begonnen hatte, schlagartig. An diesem schrecklichen Tag änderte sich aber auch das Leben meiner Mutter und meiner drei Geschwister. Fast exakt 20 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges starb mein Vater an den Folgen seiner Kriegsverletzungen. Von diesem Tag an gehörten wir nicht mehr zur normalen Durchschnittsfamilie. Es begann ein neuer und schwieriger Lebensabschnitt. Meine Mutter stand von heute auf morgen mit vier kleinen Kindern da. Doch eine gute Sache hatte es doch noch. Da mein Vater an den Spätfolgen seiner Kriegsverletzungen starb, bekamen wir eine Kriegshalbwaisenrente. Deshalb war es meiner Mutter möglich, sich voll und ganz unserem Wohl zu widmen.

Von dem Tag an, als mein Vater starb, hatte ich keinen neuen Vater oder irgend eine Art von Vater in Form von irgendwelchen Onkels, als Ersatz-Papa. Was ich auch nicht vermisste, denn meine Mutter ersetzte für uns auch die Vater-Rolle. Heute bin ich immer noch froh darüber. Denn während meiner Schulzeit lernte ich viele Kinder kennen, die besonders unter ihrem Vater zu leiden hatten. Später fragte ich mich oft, ob Männer vielleicht doch Schweine sind, aber als ich älter wurde, beschloss ich einfach kein Schwein zu werden, und somit ist für mich die Frage beantwortet.

Von nun an sollte für mich das Leben anders verlaufen, als das von gesunden Kindern. Der Tod meines Vaters löste bei mir einen Schock aus, der zur Folge hatte, dass ich einen Rückschlag erlitt, was meine bisherige sogenannte normale Entwicklung betraf. Meine bisher erlernte Sprache verstummte und kam erst nach Jahren langsam in undeutlichen Lauten, wieder. Auch mein Verhalten wurde gestört. Wobei ich heute der Überzeugung bin, dass ein großer Teil meiner Verhaltensgestörtheit, wie es die Ärzte und Pädagogen nannten, nicht allein aufgrund des Schocks entstand, sondern daher rührte, dass man als ein nicht normales Kind schon ziemlich schnell auf Gelächter und Gespött und Ausgrenzung stoßen kann, was nur allzu gerne Aggressionen erzeugen kann. Auch heutzutage kommt es immer noch erschreckend häufig vor, dass Menschen, die nicht der gesellschaftlich festgeschriebenen Norm entsprechen, ausgegrenzt werden. Ich finde, dass es sich hierbei schlicht um Diskriminierung handelt.

Nach dem Tode unseres Vaters bekamen wir mit, was für Vorurteile doch ein viel zu großer Teil der Menschen gegen eine alleinstehende Frau und ihre Kinder hatte. An dieser Stelle möchte ich darauf aufmerksam machen, dass es während der 60er und 70er Jahre noch nicht alltäglich war, wie heute, dass eine Mutter alleine ihren Mann steht. Erst durch die vielen Scheidungen und die Frauenbewegung wurde dies in den darauffolgenden Jahren nicht mehr außergewöhnlich.