Hanns Dieter Hüsch: Ein Lesebuch - Hanns Dieter Hüsch - kostenlos E-Book

Hanns Dieter Hüsch: Ein Lesebuch E-Book

Hanns Dieter Hüsch

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Beschreibung

»Hüsch ist der einzige Lyriker unter den deutschen Kabarettisten. Andere Kabarettisten machen Verse fürs Kabarett - Hüsch macht Kabarett für seine Verse. Wäre er schärfer und modernistischer, er wäre Enzensberger - wäre er altmodischer und idyllischer, wäre er Ringelnatz. Vor der Schärfe bewahrt ihn die Melancholie, vor dem Idyll der Intellekt: So ist er eine besondere Art von Lyriker, ein Anti-Kabarettist.« (Karl Günter Simon in Theater heute) Dieses Lesebuch vereint Texte aus allen sieben Bänden der Werkausgabe. Mit einem Vorwort von Peter Burri.

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Seitenzahl: 52

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Über dieses Buch

»Hüsch ist der einzige Lyriker unter den deutschen Kabarettisten. Andere Kabarettisten machen Verse fürs Kabarett – Hüsch macht Kabarett für seine Verse. Wäre er schärfer und modernistischer, er wäre Enzensberger – wäre er altmodischer und idyllischer, wäre er Ringelnatz. Vor der Schärfe bewahrt ihn die Melancholie, vor dem Idyll der Intellekt: So ist er eine besondere Art von Lyriker, ein Anti-Kabarettist.« (Karl Günter Simon in Theater heute)

Der Autor

Hanns Dieter Hüsch (1925–2005) war Schriftsteller, Kabarettist, Liedermacher, Schauspieler, Synchronsprecher und Rundfunkmoderator. Mit über 53 Jahren auf deutschsprachigen Kabarettbühnen und 70 eigenen Programmen gilt er als einer der produktivsten und erfolgreichsten Vertreter des literarischen Kabaretts im Deutschland des 20. Jahrhunderts.

www.hannsdieterhuesch.de

Hanns Dieter HüschEin Lesebuch

Herausgegeben von Helmut LotzMit einem Text von Peter Burri

Edition diá

Inhalt

»Nathan der Leise«

Dilettant in Hochform

Die poetischen Texte:

Für wen ich singe

Letzte Stätte

Blödsinniges Lied

Die kabarettistischen Texte:

Rede über die Melancholie

Aus dem Shop für »Verschiedenes!«

Wissen Sie, was ich manchmal furchtbar gern mache

Die politischen Texte:

Volkslied

Deutsches Sanktus

Reporter

Die christlichen Texte:

Predigt in Anführungszeichen

Choral

Segen für Versöhnung

Die Niederrhein-Texte:

Ditz Atrops

Niederrheinische Unterhaltung

Wie

Die Hagenbuch-Texte:

Hagenbuch und die Gesunden

Die autobiografischen Texte:

Mein braunes Auge und mein blaues Herz

Köln. Ganz klein in meinem Herzen

Hanns Dieter Hüsch über Hanns Dieter Hüsch

Impressum

Dilettant in Hochform

Mit einer Pappnase klettert er auf die Bühne des Kellertheaters, und man denkt, hoffentlich legt er die bald wieder ab. Was er sogleich tut, um sein Publikum in bester alter Hüsch-Form zu begrüßen und in ein Puzzle von Geschichten zu zerren, die er immer wieder abbricht, um über Seitenwege doch zurückzukommen auf das – ja, man darf’s hier mal sagen: auf das Wesentliche. Was ist der Mensch?, hat er schon vor Jahrzehnten gefragt. Auch sein jüngstes Programm, »Ein neues Kapitel«, singt dieses alte Lied. Ein Thema, das nie erschöpft ist.

Seit 47 Jahren steht Hüsch auf der Bühne. Seine Karriere startete an einem Fastnachts-Dienstag. »Ich möcht ein Clown sein«, sang der schon fast unheimlich eloquente Sprech-Poet an seinem Klavier, das er später durch eine elektronische Orgel ersetzte. Heute versteht er sich eher als Narr. Als Dilettant (was ja früher mal ein positiv besetzter Begriff war), Einmann-Unternehmer, der an einem permanenten work in progress arbeitet: Er kreiert eine Figur, die nur er selber verkörpern kann und die mit ihm eines Tages auch aufhören wird zu existieren. Sein schauspielerisches Talent hat er vollkommen fokussiert auf die Figur Hüsch. Aber anders, als wenn Minetti »Minetti« spielt und damit der Kunst die Maske vom (Kunst-)Körper reißt, perfektioniert Hüsch, wenn er den Hüsch spielt, den citoyen Hüsch, der für ein öffentliches Multi-Bewusstsein steht und Fragen stellt, Antworten anschneidet, Nachdenklichkeit provoziert, Katastrophen heraufbeschwört, aber immer auch Sekunden des Glücks evoziert. Der Bühnenkünstler als Bote auf dem Marktplatz der Meinungen, der den öffentlichen Sprachgebrauch thematisiert: mit einer Sprache, die hellhörig macht, die sich gerade auch in Pausen und Auslassungen artikuliert. Das Material ist die Wirklichkeit. Zum Thema Übervölkerung hat sich Hüsch zum Teil wörtlich aus einem »Spiegel«-Dossier bedient. Er gehört zu jener Gattung von Performern, die das Telefonbuch vortragen und damit Hochspannung erzeugen können.

Das hat mit der konsequenten und minimal eingesetzten Mimik zu tun, die Hüsch der Figur Hüsch gibt, und natürlich mit der Person Hüsch, aus der die Figur Hüsch immer wieder wächst. Eine Person und Persönlichkeit, die sich nicht scheut, in einem Interview zu sagen: »Kunst muss helfen, auch Kleinkunst.« Von jedem andern, der solches äußert, würde man entsetzt zwei Schritte zurückweichen. Ihm aber, Hüsch, nimmt man dieses Votum ab. Denn seine »Hilfe« ist, selbst wenn sie hin und wieder einen pastoralen Unterton bekommt, nie billig. Sie kickt an und fordert heraus; sie verquickt Moral geschickt mit hintersinnigem Humor und Ironie, aber auch mit Poesie. Mit wenigen Worten, mit einem einzigen Blick, manchmal auch mit nur zwei, drei Orgeltönen zaubert Hüsch eine Stimmung herbei, dass zwischen allem Gelächter auf einmal fast unheimliche Stille eintritt. Das Paradoxe dabei: Der Kommunikator Hüsch bringt es fertig, dass man im Publikum das Gefühl hat, da unterhält sich einer mit mir, obwohl er permanent monologisiert.

Warum das funktioniert, bleibt letzten Endes ein Geheimnis. Klare »Bestandteile« dieses Geheimnisses aber sind: Virtuosität im Spüren, Denken und Spielen; Freundlichkeit und Schalk; Verbindlichkeit, zum Beispiel beim Thematisieren von Individuum und Kollektiv, Sinnsuche, Schwester des Wahnsinns. Menschlichkeit, vorgetragen mit der hohen Kunst der kleinen Form.

Kabarettisten gibt es viele, auch viele gute. Das Phänomen Hüsch ist einmalig. Wer es nur vom Fernsehen oder Radio kennt, kennt es schlecht. Seine auf nachvollziehbare Weise fabrizierte suggestive Kraft, die nie blendet, weil er sie selbst immer wieder hinterfragt, entfaltet Hüsch mit voller Wirkung nur dort, wo sein Ort ist: auf der Bühne, allein mit sich selbst, seiner Sprache und dem Publikum. Da ist er, auch mit 70, immer noch jung, weil ein am Leben geschulter heiterer Melancholiker. Nur weiter so!

Peter Burri, 1995

Peter Burri, geboren 1950 in Basel. Kulturredakteur bei der Basler Zeitung, dann beim Schweizer Rundfunk. Heute freier Publizist und Übersetzer (u. a. Blaise Cendrars: »Ich bin der Andere«, Gesammelte Gedichte, Lenos Verlag, 2004).

»Nathan der Leise«

Seine klare politische Haltung ohne hochschnellenden Zeigefinger, sein Wurzeln im christlichen Glauben ohne missionarische Ambitionen, sein klarer Blick auf menschliche Unzulänglichkeiten, ohne sie vorzuführen – diese Humanität beeindruckte mich gleich bei der ersten »Begegnung« mit Hanns Dieter Hüsch, als er 1977 in Wuppertal gastierte. Und das alles mit einer nahezu sinnlichen Lust an der Sprache, die man eher bei einem Dichter denn bei einem Kabarettisten gesucht hätte. Wie kein Zweiter verstand er es – auf der Bühne und in seinen Texten –, das Komische und das Tiefe, das Leichte und das Schwere miteinander zu verbinden. Ich erinnere mich gut des sparsamen Harmoniumakkords, mit dem er 1995 in seinem Programm »Nachtvorstellung« von der Zeile »Mensch, komm nach Hause und ruh dich aus, es sitzt schon der Abend auf deinem Haus« zu »Schmetterling kommt nach Haus« überleitete.