Hedwig Courths-Mahler Großband 12 - Sammelband - Hedwig Courths-Mahler - E-Book

Hedwig Courths-Mahler Großband 12 - Sammelband E-Book

Hedwig Courths-Mahler

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Beschreibung

10 spannende Liebesromane lesen, nur 6 bezahlen!

Über 800 Seiten voller Romantik und Herzenswärme in einem Band!

Hedwig Courths-Mahlers "Märchen für Erwachsene", wie sie ihre Romane selbst nannte, sind ebenso zeitlose Klassiker wie die Themen, die sie behandeln: die Liebe, ihre Gefährdung und deren Überwindung, die Verwirrung der Gefühle und der Weg zum Glück.

Seit über 100 Jahren verzaubert sie ihre Leserinnen und Leser mit ihren wundervollen Geschichten immer wieder neu, und mit einer Gesamtauflage von über 80 Millionen Exemplaren gilt Hedwig Courths-Mahler heute als DIE Königin der Liebesromane.

Großband 12 enthält die Folgen 111 - 120.

Zehn Geschichten, zehn Schicksale, zehn Happy Ends - und pure Lesefreude!

Jetzt herunterladen und sofort eintauchen in eine heile Welt, in der die Liebe noch regiert.

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Seitenzahl: 1652

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv: iStockphoto/AMR Image ISBN 978-3-7325-7549-7

Hedwig Courths-mahler

Hedwig Courths-Mahler Großband 12 - Sammelband

Inhalt

Hedwig Courths-MahlerHedwig Courths-Mahler - Folge 111Seit Judys Eltern bei einem Bergunfall ums Leben kamen, lebt das junge Mädchen bei einer Tante. Andere Verwandte hat Judy nicht, das jedenfalls glaubt sie. Doch die Tante weiß es besser: In der Nähe eines kleinen Kurortes liegt das große Gut Borau, das dem Bruder von Judys verstorbener Mutter gehört. Sie wurde einst von ihrer Familie verstoßen, weil sie einen nicht standesgemäßen Mann liebte. Als Judys Tante ihr Vermögen nun durch die Inflation verliert und der geliebten Nichte bittere Not droht, entschließt sich die alte Dame, mit Judy in den Kurort überzusiedeln, in dem Baron Borau lebt. Judy weiß nichts von den Beweggründen, die die Tante zu diesem Umzug veranlassen. Ahnungslos, welche schicksalhaften Ereignisse auf sie warten, tritt sie die Reise an ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 112Wie ein Wunder ist die Liebe in das Leben der jungen Lehrerin Gitta Staringer gekommen. So grau und eintönig ihr Alltag bisher verlief, so schön und lockend scheint nun die Zukunft vor ihr zu liegen. Was kümmert es sie da, dass der Geliebte arm ist und dass sie als seine Frau gezwungen sein wird, mit ihm im Heim seiner eifersüchtigen Mutter zu wohnen! Noch glaubt Gitta nämlich daran, dass Liebe und Güte das härteste Herz bezwingen können. Wenn sie sich da nur nicht irrt ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 113Frederick Forester ist ein angesehener Mann in San Franzisko. Er besitzt ein florierendes Unternehmen, ein prächtiges Haus, und er hat eine reizende Tochter. Trotzdem erhellt selten einmal ein Lächeln sein Gesicht. Immer wirkt er unglücklich, verbittert. Niemand weiß, dass eine schwere Schuld auf ihm lastet, die er vor vielen Jahren beging, als er noch Friedrich Forst hieß und in Deutschland lebte. Aber alle Schuld rächt sich auf Erden, und so kommt die Stunde, in der Frederick Foresters Tat dunkle Schatten auf den Lebensweg seiner Tochter wirft ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 114Die Untreue seiner Frau hat Martin Olden zum Einsiedler gemacht. Fernab der bunten Welt lebt er mit seiner Tochter auf dem hochgelegenen Ringberghof. Er meidet den Umgang mit Menschen und versagt auch Gerlinde jeden Kontakt zur Außenwelt. Denn es lebt eine heiße Sorge in ihm: dass eines Tages ein Mann Gerlinde sein Herz schenken könnte und durch sie, die Tochter einer Ehebrecherin, ebenso unglücklich würde wie er selbst. Von dieser Sorge ahnt Gerlinde freilich noch nichts, als sie an einem schicksalhaften Morgen ihrem Lieblingsplatz zu Füßen der großen Steilwand zustrebt ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 115Als armer Junge ist Henning Stolberg nach Amerika ausgewandert, um dort sein Glück zu versuchen. Nun kehrt er als reicher Mann in sein Heimatdorf zurück. Niemand erkennt ihn, auch der Baron von Erlach nicht, dessen Gut zur Versteigerung steht. Henning ist entschlossen, es zu kaufen, denn liebevolle Erinnerungen verknüpfen ihn mit diesem Besitz und seiner einstigen Herrin. Als er an einem schönen Morgen den Weg zur Versteigerung antritt, ahnt er nicht, dass noch am gleichen Tag ein junges Mädchen das Portal von Erlachhausen durchschreitet, das ihm zum Schicksal werden wird-Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 116Der junge Baron Marcell Lohberg hat sich Hals über Kopf in Daniela Landa, die Sekretärin seines Vaters, verliebt. Um der unerwünschten Neigung seines Sohnes zu dem armen Mädchen ein Ende zu machen, schickt der alte Baron Marcell nach Amerika. Doch Marcell kann sich die Liebe zu Daniela nicht aus dem Herzen reißen, und dem jungen Mädchen geht es ebenso. So stehen die beiden Liebenden heimlich in Verbindung miteinander, obwohl sie beide glauben, dass ihr Glück niemals Erfüllung finden kann. Daniela weiß ja nichts davon, dass sie nur die Adoptivtochter des Obersten Landa ist und dass ein verzweifelter österreichischer Graf in der Welt umherirrt, um sein Kind, das ihm ein grausames Schicksal entriss, zu suchen...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 117Der junge Ingenieur Norbert Ravenow ist vorzeitig von einer Geschäftsreise zurückgekehrt, um einer Einladung des Industriellen von Werner folgen zu können. Er weiß, dass er im Hause Werner die schöne Rose Hall wiedersehen wird, die er liebt und an diesem Abend noch bitten will, seine Frau zu werden. Wird sie einwilligen? Werden ihm auch ihre Eltern die Zustimmung geben? Aber schließlich ist er der Erbe seines reichen Onkels und ein geachteter Mann in der Gesellschaft - jedenfalls zu der Stunde noch, da er hoffnungsvoll die Schwelle der Villa Werner überschreitet und ihm aus Roses Augen das Feuer einer tiefen, unbeirrbaren Liebe entgegenstrahlt...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 118Seit vielen Jahren ist das ehrwürdige Damenstift zu Gantersheim ohne Domina, ohne Herrin. Nach dem Willen des Stiftgründers darf Domina nur eine Nachfahrin der Freifrau von Drake werden, die er einst hoffnungslos liebte. Die Letzte aus dem Geschlecht der Freifrau von Drake aber befindet sich auf Java, wo sie zunächst ihrem Vater bei seinen wissenschaftlichen Forschungen half und sich nach seinem Tod mühsam ihr Brot als Korrespondentin verdient. Noch ahnt sie nichts von der hohen Stellung, die in der Heimat auf sie wartet, nichts auch von der frevelhaften Intrige, die der verbrecherische Syndikus des Stifts bereits in die Wege geleitet hat...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 119Wie eine wilde Blume wächst Walpurga Malwinger im väterlichen Forsthaus in den bayerischen Bergen auf. Burgerl wird sie liebevoll von den Eltern gerufen, und auch die Schwester und der Pflegebruder Sepperl nennen sie so. Mit dem Sepperl versteht sie sich besonders gut, und so sitzen die beiden auch an einem sonnigen Nachmittag auf der Bank vor dem Forsthaus zusammen und plaudern von allem, was ihnen am Herzen liegt - vor allem von ihrem geliebten König, der ganz in der Nähe auf seinem Schloss lebt. Sie ahnen nicht, dass ein einsamer Wanderer gerührt ihren Worten lauscht und beschließt, mit königlicher Hand in das Schicksal der Försterkinder, einzugreifen ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 120Simona Lersen ist jung, schön und reich. Trotzdem muss sie alle Freuden entbehren, die andere junge Mädchen genießen dürfen. Denn Simona ist dazu ausersehen, nach dem Tod ihres Vaters alleinige Chefin des großen Unternehmens Lersen und Söhne zu werden. Einst sollte ihr Bruder Georg dieses Amt übernehmen, aber er ließ sich ausbezahlen und verschwand mit einer leichtfertigen Schauspielerin nach Übersee. Seither darf sein Name im Hause Lersen nicht mehr genannt werden - auch nicht von Simona, die dem Vater zuliebe die schwere Bürde der Verantwortung, der sich ihr Bruder entzog, auf sich genommen hat ...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Judys Schwur

Vorschau

Judys Schwur

Als eine Waise einen folgenschweren Eid leistete

Judy, bitte packe doch die Übergardinen aus dem Gastzimmer auch mit ein, wer weiß, vielleicht können wir sie doch noch brauchen. Man muss solche Sachen heutzutage so teuer bezahlen.“

„Ja, Tante Ann, ich werde sie einpacken, werde es wenigstens versuchen, sie noch unterzubringen, wenn mir vorläufig auch schleierhaft ist, in welcher Kiste ich noch ein Plätzchen dafür finde.“

Judy seufzte ein wenig. Es war wirklich schwer, alles unterzubringen, was Tante Ann mitnehmen wollte. Aber sie versuchte es, die Übergardinen zwischen eine Teppichrolle zu schieben, die schon verschnürt dalag. Und wirklich, es gelang ihr. Aufatmend richtete sie sich auf.

„So, Tante Ann, nun sind wir fertig und der Umzug kann beginnen. Ich glaube auch, es ist höchste Zeit, dass wir fertig wurden. Ich höre eben den Möbelwagen vorfahren.“

Sie trat ans Fenster und sah auf die Straße hinunter. Und da lachte sie ein wenig. „Tante Ann, sieh dir doch den Wagen an! Glaubst du wirklich, dass wir alle unsere Siebensachen da hinein bekommen?“

Frau Anna Hein trat neben ihre Nichte ans Fenster und sah ein wenig bang auf den auch ihrer Ansicht nach zu kleinen Wagen.

Aber sie richtete sich entschlossen auf und sagte energisch: „Es muss gehen. Einen größeren Wagen für den Umzug kann ich nicht bezahlen, schon der Umzug in diesem ist sündhaft teuer.“

Judy umarmte die Tante und lehnte ihren blonden Kopf an ihre Schulter. „Du hättest mir wirklich erlauben sollen, mich nach einer Stellung umzusehen, Tante Ann, dann würde ich dir doch endlich von der Tasche kommen.“

„Und ich würde einsam und verlassen in der kleinen Wohnung in der stillen kleinen Stadt sein, die ja nur im Sommer etwas betriebsamer ist, weil sie sich ‚Luftkurort‘ nennt. Ach, Judy, das willst du mir doch nicht antun! Was meinst du, wie mir zumute sein würde, wenn ich auch dich nicht mehr bei mir haben könnte. Du bist doch mein einziger Trost in allem Unglück.“ Frau Anna schossen gleich die Tränen in die Augen.

Judy streichelte sie. „Weine doch nicht, liebe Tante Ann, es tut mir doch nur so Leid, dass ich dir nicht helfen kann, dein Sorgenpäckchen leichter zu machen.“

„Ach Judy, das tust du doch wahrlich schon genug. Und du musst nicht denken, dass es in meinen Ausgaben einen Unterschied von Bedeutung machen würde, wenn ich allein lebte. Wir teilen unser Schlafzimmer, und wo für einen Menschen gekocht wird, macht es nicht viel aus, für zwei zu kochen. Und du wirtschaftest so viel praktischer als ich, machst überall kleine Ersparnisse und hilfst so mehr, als du beanspruchst. Dann darfst du doch auch nicht vergessen, dass du mit deinen Zeichnungen immerhin etwas verdienst, so dass du für deine Garderobe selbst sorgen kannst. Es ist ja ein Glück, dass dir die Firma, für die du arbeitest, auch an unseren neuen Wohnort Aufträge nachschicken will.“

„Das ist freilich mein einziger Trost, Tante Ann. Und nun sind wir gottlob die große Wohnung los, die den größten Teil deiner Pension in Anspruch genommen hat. In Schwarzenberg zahlen wir nur ein Drittel der Miete wie hier, haben aber statt der sieben Zimmer nur drei und ein Gärtchen vor dem Haus, in dem wir uns zwar nicht aufhalten können, das wir aber von unserem Fenster aus sehen und über dem wir auf dem kleinen Balkon sitzen können. Du wirst dich schon einleben, Tante Ann!“

„Ach ich, Kind, ich verlange ja nicht mehr viel vom Leben. Aber für dich wird es doch sehr still und einsam werden. Hier hattest du doch immerhin noch Anschluss an deine Freundinnen.“

„Die mir aber tunlichst aus dem Weg gegangen sind, seit Onkel uns genommen wurde. Wir sind doch jetzt arme Leute, Tante Ann, und es gibt nicht mehr wie früher Freikarten für Theater und Konzerte bei uns zu erbeuten, für die man immer sehr gern Abnehmer war. Wir haben seither scheinbar erheblich an Reiz eingebüßt“, sagte Judy mit Bitterkeit.

Die Tante streichelte ihr blondes Haar. „So sind die Menschen nun einmal, Kind. Brauchen sie einen, dann sind sie liebenswürdig; müssen sie aber fürchten, dass man sie selber brauchen könnte, dann ziehen sie sich schleunigst zurück. Das haben wir ja zur Genüge kennen gelernt. Aber man muss sich dadurch nicht verbittern lassen – zum Glück sind wir ja so geartet, dass wir uns lieber selber helfen, als dass wir verlangen, dass andere uns beispringen. An unserem neuen Wohnsitz werden wir trotz unserer einfachen Verhältnisse sicher gleich in einen netten, vielleicht gar glänzenden Bekanntenkreis geraten; ich bin überzeugt, dass Gräfin Erlau freudig die Gelegenheit ergreifen wird, ihre Dankesschuld gegen mich abzutragen, und gerade deshalb habe ich Schwarzenberg zu unserem Wohnsitz gewählt.“

Dass sie noch einen anderen, wichtigeren Grund für diese Wahl gehabt hatte, verschwieg sie Judy, weil sie keine Hoffnungen bei ihr erwecken wollte, die vielleicht nicht in Erfüllung gehen würden.

Judy sah die Tante mit einem kleinen Lächeln an. „Wenn du dich nur nicht auch in der Gräfin täuschen wirst, Tante Ann. Vielleicht gehört sie auch zu den Menschen, die anderen nur freundlich begegnen, wenn sie sie brauchen.“

Ganz entrüstet wandte sich ihr die Tante zu. „Aber Judy, was denkst du? Da kannst du ganz ruhig sein. Gräfin Erlau wird uns mit offenen Armen aufnehmen, was mir hauptsächlich deinetwegen lieb sein wird, weil ich dadurch ein bisschen Lebensfreude für dich erhoffe. Sieh mal, wie ich zur Gräfin stehe, ist es doch außer Zweifel, dass sie sich danach sehnt, endlich ihre Dankesschuld mir gegenüber abtragen zu können. Das hat sie mir oft in ihren Schreiben versichert. Immer hat sie darauf gehofft, eine Gelegenheit zu finden, dass sie mir auch einmal einen Dienst tun kann.“

Judy sah ein wenig unsicher in die Augen der Tante. „Euer Briefwechsel ist aber doch in den letzten Jahren fast eingeschlafen, Tante Ann; er hat sich doch eigentlich nur noch auf die üblichen Neujahrsglückwünsche beschränkt.“

„Nun ja, Judy, daran bin aber nur ich schuld. Ich wollte diese Frau, die so viel beschäftigt ist, nicht immer wieder daran erinnern, dass sie mir Dank schuldig ist, und deshalb habe ich den Briefwechsel einschlafen lassen. Aber noch in ihrem letzten ausführlichen Brief an mich, den ich vor ungefähr fünf Jahren erhielt, schreibt sie mir: ‚Ich gebe die Hoffnung nie auf, meine große Dankesschuld einmal an Sie abtragen zu können.‘ Und jetzt gebe ich ihr endlich Gelegenheit dazu, sie wird sich glücklich schätzen, mir einen Dienst erweisen zu können. Ich habe ihr Onkels Tod gemeldet, als er gestorben war, und sie sandte einen wundervollen Kranz mit einigen teilnehmenden Worten, die freilich etwas kurz ausfielen, weil sie gerade im Begriff war, eine Reise anzutreten. Aber nun habe ich ihr gestern geschrieben, wie traurig unsere Verhältnisse durch die Inflation und Onkels Tod geworden sind. Keinen Hehl habe ich daraus gemacht, dass unser Vermögen verloren ist und dass ich mit dir zusammen von der kleinen Pension leben muss, die ich seit Onkels Tod beziehe. Und ich habe ihr mitgeteilt, dass wir nach Schwarzenberg übersiedeln, weil uns Berlin ein zu teures Pflaster geworden ist und wir in dem kleinen Luftkurort zurückgezogener und billiger leben können. Du sollst sehen, wir finden, da ich ihr unsere neue Adresse mitteilte, schon eine Blumenspende von ihr mit herzlichen Worten des Willkommens vor, und sie wird uns oft genug ihren Wagen schicken, um uns nach Erlau holen zu lassen das ja nur eine halbe Stunde von Schwarzenberg entfernt liegt. Du wirst dort sicher nette Bekanntschaften machen und manches Fest mit in Erlau feiern können.“

Judy war nach ihren bisherigen Erfahrungen gar nicht so fest davon überzeugt, dass die Gräfin Erlau sich von einer anderen Seite zeigen würde wie ihre übrigen Bekannten, aber sie wollte der Tante den Glauben nicht nehmen, und so sagte sie nur ruhig: „Sorg dich nicht um mich, Tante Ann! Ich sehne mich durchaus nicht danach, im gräflich Erlauschen Haus zu verkehren und dort Festlichkeiten mitzumachen. Wir sind doch ohnedies nicht in der Lage, einen Verkehr in so vornehmen Kreisen mitzumachen.“

„Aber, Judy, haben nicht bei uns, so lange Onkel lebte, die vornehmsten Leute verkehrt? Er in seiner Stellung am Staatstheater sah die ersten Kreise in seinem Haus, und wir wurden doch überall eingeladen. Wenn unser Vermögen nicht durch die Inflation verloren gegangen wäre, würden wir auch heute noch ein vornehmes Haus machen können. Und zum Glück sind wir noch auf Jahre hinaus mit eleganter Ausstattung versehen; es hindert uns nichts, auch vornehme Geselligkeiten zu besuchen. Auf die Gräfin rechne ich stark. Ihr gegenüber brauche ich nicht auf eine Revanche bedacht zu sein, ich habe mich im Voraus reichlich erkenntlich gezeigt für alles, was sie uns Gutes tun wird. Nein, nein, rede mir nicht dagegen, das ist mein einziger Trost, dass du im Erlauschen Haus eine angenehme Geselligkeit finden wirst, die dir jede andere ersetzt.“

Judy umarmte sie. „Gute, liebe Tante, wie lieb von dir, dass du so sehr um mich besorgt bist, es ist rührend von dir und ich weiß gar nicht, womit ich das verdient habe oder wie ich es gutmachen soll.“

„Nur durch deine Liebe, Judy; du weißt doch, dass du mir ein eigenes Kind ersetzt hast, seit du bei mir bist, und Onkel hat dich auch wie ein eigenes Kind geliebt.“

„Ich weiß. Liebe, Gute, ich weiß. Nie habe ich das Gefühl gehabt, verwaist zu sein, wenn ich meine Eltern auch schon verlor, als ich kaum drei Jahre alt war. – Aber nun müssen wir uns um die Möbelträger kümmern, ich höre sie kommen!“

Es begann nun ein hastiges Treiben in der Wohnung, und zwar wurde der eine Teil der Einrichtung in den unten wartenden Möbelwagen gepackt, der andere Teile wurde nach und nach von den Käufern abgeholt, die alles, was Frau Doktor Hein hatte entbehren können, gekauft hatten. Die Damen konnten in ihre neue kleine Wohnung nicht alles mitnehmen, was hier in der großen Platz gehabt hatte.

Die besten Möbel hatten sie für sich behalten und nur das verkauft, was ihnen überflüssig oder wertlos erschienen war. Und so konnten sie sich die freundlich gelegene Dreizimmerwohnung recht elegant einrichten.

Die Damen hatten sich schon ganz gut eingelebt. Aber zum großen Kummer von Frau Doktor Hein hatte die Gräfin Erlau weder Blumen zum Willkommen geschickt noch irgendeine Zeile geschrieben. Judy hatte das erwartet, aber ihre Tante war sehr niedergeschlagen deshalb. Um sie zu trösten, redete ihr Judy ein, dass die Gräfin vielleicht nicht zu Hause sei, sie sei möglicherweise auf Reisen. Und schließlich bot sie der Tante an, nach dem Erlauschen Gut hinaus zu telefonieren.

„Wir werden dann zumindest erfahren, ob die Gräfin zu Hause ist und ob sie deinen ausführlichen Brief erhalten hat. – Aber liebe, gute Tante Ann, versprich mir, dich nicht zu grämen und aufzuregen, wenn sie zu Hause ist und auch deinen Brief erhalten hat. Wir müssen sie dann gleich unseren anderen Bekannten beiseite legen und uns damit abfinden, dass auch sie von ein paar arm gewordenen Frauen nichts wissen will.“

„Aber Judy, das kann doch nicht sein, du weißt ja gar nicht, was wir alles für diese Frau getan haben. Das kann doch ein anständiger Mensch nicht einfach vergessen! Ich will dir nur einmal ausführlich erzählen, was wir alles für die Gräfin getan haben.“

Judy setzte sich ihr gegenüber. „Ja, Tante Ann, erzähle mir das alles einmal, es wird dich auch etwas erleichtern.“

Und Frau Doktor Hein berichtete: „Du weißt, dass wir früher im bayerischen Gebirge ein hübsches Sommerhäuschen bewohnten, immer, solange Onkel Ferien hatte. Ich blieb auch zuweilen noch einige Wochen mit dir dort, damit du dich in der herrlichen Luft erholen und kräftigen solltest.“

Judy küsste ihr gerührt die Hand und streichelte sie. „Ja, Tante Ann, ich kann mich so gut noch erinnern, denn wir sind ja jahrelang immer wieder dort gewesen im Sommer.“

„Ganz recht. Es lag dicht am See, und der Eingang lag nach der Landstraße hinaus.“

„Ich weiß, da hinaus durfte ich nie gehen, weil du in Sorge warst, ich könnte von einem der vorbeirasenden Autos überfahren werden.“

„Das weißt du noch? Wir sind ja schon seit sieben Jahren nicht mehr dort gewesen, weil das Häuschen verkauft wurde und von dem neuen Besitzer selbst bewohnt wurde. Also – es war in den ersten Jahren, da wir den Sommer dort verbrachten, es sind jetzt sechzehn Jahre her, als eines Tages dicht vor unserem Häuschen ein Auto gegen einen Baum fuhr. Mir ist noch jetzt zuweilen, als höre ich diesen furchtbaren Krach. Ganz kopflos vor Schrecken eilten wir alle aus dem Haus auf die Straße, der Onkel, ich, ein bekannter Herr, der uns gerade einen Besuch machte, und die Dienerschaft. Und es bot sich uns ein entsetzlicher Anblick, den ich dir nicht beschreiben will, man wird so etwas nie mehr los. Kurzum, wir zogen unter den Trümmern des Wagens die Gräfin Erlau und ihren Chauffeur hervor. Der Chauffeur war tot, die Gräfin zeigte gottlob noch Leben. Der uns besuchende Herr eilte zum nächsten Arzt, der nur einige Minuten von uns entfernt wohnte. Onkel, ich und die Dienerschaft trugen vorsichtig die Gräfin, damals eine noch junge und schöne Dame, ins Haus und legten sie in meinem Schlafzimmer, dass zu ebener Erde nach dem See hinaus lag, auf mein Bett. Zum Glück kam gleich der Arzt und stellte fest, dass die Gräfin den linken Arm und das rechte Bein gebrochen hatte. Es waren zum Glück nur einfache Brüche, und ehe die Gräfin wieder ganz zu sich kam, waren die beiden Brüche schon eingerichtet und geschient, und sie lag ausgekleidet in meinem Bett. Als sie aus ihrer Bewusstlosigkeit erwachte, sah sie verständnislos um sich, und es dauerte lange, bis sie sich erinnerte, was mit ihr geschehen war. Zum Glück konnte der Arzt nun auch feststellen, dass die Gräfin sonst ohne ernsteren Schaden davongekommen war. Nur verriet er mir, dass die Verunglückte ein Kind erwartete und dass die Geburt dieses Kindes wahrscheinlich stattfinden würde, so lange die beiden Knochenbrüche noch nicht ganz geheilt sein würden.

Also, wir vernahmen nach und nach von der Gräfin ihren Namen, hörten, dass ihr Gatte sich zur Zeit auf einer Reise nach Amerika befand, an der sie nicht hatte teilnehmen wollen, weil sie ein Kind erwartete, und dass sie einen vierzehnjährigen Sohn besaß, dem sie in dem Klosterinternat, in dem er erzogen wurde, einen Besuch hatte abstatten wollen.

Wir konnten also ihrem Gatten nur telegrafisch das Nötigste mitteilen, und Onkel fuhr selbst nach dem Internat, um den jungen Grafen Hans Erlau schonend vorzubereiten, dass seine Mutter nicht kommen würde.

Die Gräfin dankte uns überschwänglich für alles, was wir an ihr taten. Wir betrachteten es als selbstverständlich dass sie in unserem Sommerhäuschen blieb, ich überließ ihr mein Schlafzimmer. Und ich habe sie wirklich mit großer Sorgfalt gepflegt, das kannst du dir denken, Judy.“

Diese küsste die Tante. „Ach, du goldener Mensch, das kann ich mir gewiss denken. Du wirst dich aufgeopfert haben, und ich kann mich noch erinnern, dass ich sehr traurig war, weil du so gar keine Zeit für mich hattest und immer bei der kranken Dame weiltest, die deine Hilfe brauchte. Ich wurde erst dann etwas getröstet, als ein kleines Mädchen wie vom Himmel herab bei uns auftauchte. Das war die kleine Tochter der Gräfin, nicht wahr?“

„Ja, Judy, die Gräfin gab einem Mädchen das Leben, noch ehe sie ganz geheilt war. Es war ja für sie eine Marter ohnegleichen. Aber es ging gottlob alles gut, und sie hat mir in jenen Tagen oft gesagt, dass ich ihr das Leben gerettet habe, und sie hat mir immer wieder so herzlich gedankt. Und in all den Jahren hat sie immer wieder geschrieben, wie dankbar sie mir ist und wie sie sich sehnt, diese Dankbarkeit abzutragen. In den letzten fünf Jahren schlief freilich unser Briefwechsel ein, aber das hat doch nichts mit Dankbarkeit zu tun. Die kleine Komtesse Felice, die damals in unserem Häuschen geboren wurde, wird jetzt so an die sechzehn Jahre alt sein. Und der Sohn der Gräfin, Graf Hans, der sie damals besuchte, als ihm eine kleine Schwester geboren worden war, hat mir so inbrünstig die Hand geküsst und mir gesagt, er wisse, dass ich seiner Mutter das Leben gerettet habe und dass er es auch nur mir verdanke, dass er ein kleines Schwesterchen bekommen habe, das gesund und munter sei. Vor allen Dingen aber war sein Vater, Graf Erlau, ganz außer sich vor Dankbarkeit, als er, aus Amerika zurückgekommen, gleichfalls in unser Sommerhäuschen kam, um seine Frau zu besuchen und sein Töchterchen ans Herz zu drücken. Er wohnte freilich im Hotel, weil er uns nicht noch mehr Unruhe und Umstände machen wollte, aber er hielt sich doch fast den ganzen Tag bei uns auf. Onkel musste dann nach Berlin zurück, aber ich blieb in unserem Sommerhaus, bis die Gräfin wieder genesen war und mit ihrem Gatten und ihrem Sohn heimreisen konnte. Siehst du, Judy, so ist es gewesen, und das kann die Gräfin doch nicht vergessen haben.“

Judy streichelte ihr die Hand. „Liebe, gute Tante Ann, ich kann mir schon denken, wie rückhaltlos du dich aufgeopfert hast, ich kenne dich doch. Und ich muss auch sagen, wenn die Gräfin Erlau dir das vergessen hat, dann – nun, dann ist sie eine sehr undankbare Dame. Deinetwegen wünsche ich, dass sie es dir jetzt, da sie eine Gelegenheit dazu hat, dankt, wie sie es dir danken müsste. Aber Liebe, Gute, mach dich immerhin darauf gefasst, dass man sich deiner Wohltaten nicht mehr sehr genau erinnert.“

„Nein, nein, das will ich gar nicht annehmen, damit würde ich die Gräfin Erlau beleidigen. Sie war doch in jeder Beziehung eine so vornehme Frau. Und auch der Graf war so voll Dankbarkeit und auch er sagte mir immer wieder, er danke mir das Leben seiner Frau und seines Töchterchens. Er ist freilich vor Jahren gestorben. Ich glaube, kurz nach seinem Tod hörte unser Briefwechsel auf, und ich konnte das verstehen, da ich mir doch denken konnte, wie schwer die Gräfin unter diesem Verlust leiden musste. Aber ich will mich gar nicht irre machen lassen in dem Glauben an die Dankbarkeit dieser Frau. Denke doch, was für einen herrlichen Kranz sie schickte, als Onkel gestorben war.“

Judy fand, dass dies doch wirklich das Mindeste gewesen war, was die Gräfin hatte tun können, aber sie sprach das nicht aus, denn sie wollte der Tante Glauben an die Dankbarkeit der Gräfin nicht erschüttern.

Am nächsten Tag klingelte sie dann wirklich in Erlau an, und auf ihre Frage nach der Gräfin Erlau wurde ihr gesagt, diese sei zu Hause, aber für den Augenblick nicht zu sprechen. Da bat Judy den Diener, der ihr diesen Bescheid gab, der Frau Gräfin mitzuteilen, dass Frau Doktor Hein in ihrer Schwarzenberger Wohnung angekommen sei und sich freuen würde, von ihr zu hören.

Der Diener versprach, dass diese Bestellung bestens ausgerichtet würde, sobald die Frau Gräfin wieder zu sprechen sei.

Damit musste sich Judy begnügen und Frau Doktor Hein auch. Sie warteten nun beide, ob die Gräfin sich auf diesen Anruf hin melden würde.

***

Schloss Erlau lag ungefähr zwei Wegstunden von Schwarzenberg entfernt und konnte mit dem Auto in einer guten Viertelstunde erreicht werden. Das Schloss lag in einem großen Park, der aber sichtlich verwahrlost war. Auch das Schloss selbst zeigte überall Spuren des Verfalls.

Im Innern des Schlosses sah es ebenfalls nicht zum Besten aus. Viele der großen Räume waren völlig leer, die Möbel daraus waren, soweit sie noch Wert gehabt hatten, verkauft worden, und man beschränkte sich auf eine kleine Anzahl Zimmer, die noch leidlich gut ausgestattet waren.

Dass der verstorbene Graf Erlau die Grafschaft schon in sehr fragwürdigem Zustand von seinem Vater übernommen hatte, war allgemein bekannt in der Umgegend, und er selbst hatte nichts tun können, als weiter Grund und Boden zu verkaufen oder neue Grundschulden aufzunehmen. Denn er führte mit seiner Gattin ein ziemlich luxuriöses Leben. Schon vor sechzehn Jahren, damals, als seine Gattin den Autounfall hatte und er in Amerika gewesen war, hatte er die Reise nur unternommen, um von einem vor Jahren ausgewanderten Oheim, der drüben zu Vermögen gekommen war, ein größeres Darlehen zu erbitten. Dieser Oheim war aber gegen die ganze gräfliche Familie sehr erzürnt gewesen, weil sie ihn hatten vor die Hunde gehen lassen, obwohl sie ihm damals sehr gut hätten helfen können. Nun er reich war, wollte er nichts mehr von diesen Verwandten wissen, die ihn erbarmungslos hatten fallen lassen. Jetzt ließ er sie fallen. Er gab nicht einen Pfennig heraus, und als er drei Jahre später gestorben war, hatte er sein ganzes Vermögen seiner Stieftochter vermacht, der Tochter seiner Frau, die ihm auch freilich ein großes Vermögen in die Ehe gebracht hatte. Und Graf Erlau war ganz leer ausgegangen. Da gingen dann die Verhältnisse in Erlau immer weiter zurück. Und schon bei dem vor fünf Jahren erfolgten Tod des Grafen stand es sehr schlimm um seine Familie, die sich nur mühsam über Wasser halten konnte. Der junge Graf Hans hatte mit offenen Augen den Verfall kommen sehen, und er hatte keine Lust, sich sein Leben zu verpfuschen, indem er weiter an der Kette zog, die seinen Vater schon zermürbt hatte. Er erklärte seiner Mutter kurz und bündig, dass er sich auf eigene Füße stellen werde. Er war schon vorher, seiner Neigung folgend, auf der Hochschule in Charlottenburg gewesen, hatte sich zum Architekten ausgebildet und bald nach dem Tod seines Vaters sein Studium beendet. Zum Entsetzen seiner stolzen Mutter hatte er eine Anstellung als Architekt in einer großen Baufirma angenommen, und seit kurzer Zeit war er damit betraut, in Schwarzenberg ein Kurhaus zu bauen. Der Luftkurort war in letzter Zeit mehr in Blüte gekommen, es hatten sich verschiedene reiche Leute Villen bauen lassen, und ein in der Nähe von Schwarzenberg auf einem riesigen Mustergut lebender Baron Borau, der allgemein als Sonderling verschrien war und sich fast nie in der Öffentlichkeit zeigte, hatte die Mittel zum Bau des Kurhauses vorgestreckt.

Borau lag direkt in der Nachbarschaft von Erlau, die beiden Güter hatten früher aneinander gegrenzt, bis Graf Erlau einige Morgen Land an einen Käufer abgab, der dann zwischen Borau und Erlau ein hübsches Landhaus erbaute und nun zwischen den beiden Gütern sein Heim aufgeschlagen hatte.

Schmalhans war jedenfalls Küchenmeister in Schloss Erlau. Dies wurde aber seit Jahresfrist etwas besser. Die Gräfin hatte nämlich fleißig Umschau gehalten nach einer glänzenden Partie für ihren Sohn, durch die er alle Sorgen und Nöte von ihr nehmen sollte. Aber die glänzenden Partien waren in Deutschland noch viel knapper geworden als früher, und es wollte sich keine finden, zumal Graf Hans in dieser Beziehung sehr halsstarrig war. Aber eines Tages hatte sich die Gräfin der Stieftochter des nach Amerika ausgewanderten Grafen Erlau erinnert. Sie begann einen Briefwechsel mit ihr, schickte ihr eine herzliche Einladung, doch für einige Zeit nach Erlau zu kommen, und Miss Field war dann auch eines Tages eingetroffen. Sie stand schon im achtundzwanzigsten Lebensjahr, hatte aber trotz ihres Vermögens noch keinen Mann gefunden, da sie nicht mit äußerlichen Vorzügen gesegnet war. Die Gräfin nahm sie anscheinend so herzlich auf, dass sich Miss Field recht behaglich in Schloss Erlau einrichtete. Und nachdem sie Graf Hans kennen gelernt hatte, stand es fest bei ihr, diesen zu ihrem Gatten zu machen. Um dieses Ziel zu erreichen, streckte sie bereitwillig der Gräfin die nötigen Gelder vor, um den Haushalt standesgemäß zu bestreiten. Und die Gräfin unterstützte diesen Wunsch der jungen Dame nach Kräften. Graf Hans aber blieb ungerührt. Als ihm die Mutter zum ersten Mal mit dem Plan kam, er möge die reiche Erbin zu seiner Frau machen, wehrte er entsetzt ab.

„Daran ist gar nicht zu denken, Mama, ich wüsste nicht, was geschehen müsste, um mir Miss Field als künftige Gattin vorstellen zu können. Sie kann ja wirklich nichts dafür, dass sie so reizlos ist, ganz abgesehen von ihrem anscheinend wenig liebenswerten Charakter; aber ich werde ganz sicher nicht der Mann sein, der ihr seinen Namen geben wird, um ihre Millionen dafür einzutauschen“, hatte er gesagt.

„Aber du darfst doch nicht vergessen, Hans, dass Erlau dem Untergang geweiht ist, wenn du nicht eine reiche Heirat machst.“

„Das vergesse ich gewiss nicht, und ich habe mich schon damit abgefunden, dass Erlau uns verloren ist. Ich bin sehr froh, dass die Gläubiger dich und Felice noch in Ruhe hier wohnen lassen, bis ich imstande bin, euch anderswo ein leidlich anständiges Unterkommen zu bieten.“

„Was nennst du ein leidlich anständiges Unterkommen, Hans? Vielleicht eine Vierzimmerwohnung mit einem kleinen, halb erwachsenen Dienstmädchen?“

Er hatte sie ernst und ruhig angesehen. „Damit würdet ihr euch vermutlich für die erste Zeit begnügen müssen, Mama. Aber ich hoffe, schnell voranzukommen. Dann werde ich mich bemühen, euch das Leben so angenehm als möglich zu machen. Hab nur noch ein wenig Geduld und komme von dem fürchterlichen Gedanken ab, deinen Sohn an einen Geldsack zu verkaufen.“

„Wie gewöhnlich du dich ausdrückst, Hans, Mildred ist doch kein Geldsack!“

„Verzeih, aber ich habe immer das Gefühl, als sei sie das.“

Die Gräfin gab aber trotzdem ihren Plan nicht auf. Sie tat alles Mögliche, um Miss Field zu verschönern und angenehmer zu machen. Sie bestimmte, was für Kleider sie tragen und wie sie sich frisieren sollte. Mildred Field war sehr gehorsam, denn sie fühlte, dass die Gräfin ihren Wunsch, Gräfin Erlau zu werden, nach Kräften unterstützte. Und sie hatte sich mit der ganzen Intensität eines verblühenden Mädchens in Hans Erlau verliebt und wollte ihm gefallen.

Die reizende kleine Komtesse Felice freilich, die äußerlich ihrer Mutter sehr ähnlich, innerlich aber dem weichherzigen und gütigen Vater nachgeraten war, konnte sehr gut verstehen, dass ihr geliebter Bruder Hans Mildred Field um keinen Preis heiraten wollte. Wenn man ihr diesen Heiratsplan auch nicht verraten hatte, so gehörte sie doch zu den hellhörigen und scharfsichtigen jungen Damen, denen so etwas nicht lange verborgen bleiben konnte, und sie war bereit, den Bruder weitgehendst vor den Heiratsplänen der Mutter zu schützen. Das hatte sie ihm auch in ihrer frischen, unverzagten Art schon angeboten. Er hatte sie lachend angesehen und sie gefragt, ob er einen so hilflosen Eindruck mache, dass seine kleine Schwester ihn schützen müsse.

Da hatte sie sich in seinen Arm eingehängt – sie gingen gerade im Park spazieren – und gesagt: „Du kennst doch die Fabel von der Maus und dem Löwen, Hans? Nun also, denke dir immerhin, du bist der Löwe, und sieh in mir nichts als eine Maus! Vielleicht kann ich dir doch ein wenig helfen, dich vor Mildreds Netzen zu bewahren, in denen nicht nur sie dich fangen will, sondern auch Mama.“

Er hatte ihren Arm an sich gedrückt. „Deinetwegen, kleine Felice, möchte ich ja gern ein Opfer bringen, um dir ein sorgloseres Leben zu schaffen, aber dies ist mir doch zu schwer.“

„Sollst du auch gar nicht! Mein stolzer, aufrechter Bruder soll sich nicht um Geld an eine Frau verkaufen, er soll eine Frau heiraten, die er von Herzen liebt und die ihn wiederliebt. Und was die Sorge um mich anbelangt, davon lass dich nur nicht niederdrücken! Vorläufig steht es ja noch nicht ganz schlimm um uns und später – weißt du, Hans, ich möchte schrecklich gern etwas können, womit man viel Geld verdienen kann. Wenn ich nur wüsste, wie ich das machen soll!“

Er lächelte gerührt. „Ja, meine liebe kleine Schwester, dieses Rätsel haben schon viele vergeblich ergründen wollen. Es ist gar nicht so leicht, viel Geld zu verdienen.“

„Ich müsste natürlich erst irgendetwas gründlich lernen. Weißt du, ein paar Gedichte habe ich schon gemacht und an verschiedene Zeitungen geschickt, natürlich heimlich, unter dem Namen meiner alten Suse, die mir treu ergeben ist und mich nicht verraten wird. Susanne Richter! Das klingt doch ganz nett, nicht? Aber – ich habe die Gedichte zurückbekommen und dabei lag ein gedruckter Zettel, dass die Redaktionen mit Einsendungen überlaufen seien. Das will ja nun vielleicht nicht sagen, dass meine Gedichte schlecht sind, aber – das Dichten scheint doch als Broterwerb nicht für mich in Frage zu kommen. Ich will es nun noch einmal mit einer Erzählung versuchen, vielleicht geht es damit besser.“

Graf Hans sah lächelnd auf seine Schwester herab. „Ich habe gehört, dass die Laufbahn eines Schriftstellers eine dornenvolle ist. Wenn er Erfolg hat und gut verdienen kann, dann fällt der Neid über ihn her und zerzaust ihn, und wenn er keinen Erfolg hat, dann kann er verhungern. Aber ich will dich nicht hindern, einen Versuch zu machen.“

***

Es war genau eine Woche nach diesem Gespräch der Geschwister. Wieder war Sonntag, und Graf Hans hatte mit Felice und Miss Field einen ausgedehnten Morgenspaziergang gemacht. Sie waren eben nach Hause zurückgekehrt. Miss Field war in ihr Zimmer gegangen, um sich umzukleiden und sich durch Puder und Schminke zu verschönen. Auch Felice frischte sich auf, und Hans trat in das Zimmer seiner Mutter und begrüßte sie mit einem Handkuss.

Die Gräfin sah forschend zu ihm auf. „Habt ihr euch gut unterhalten, Hans?“

„Sehr gut, Mama, Felice und ich haben viel Unsinn getrieben, und Miss Field hat Unterricht in Botanik bei mir genommen. Ich musste ihr sämtliche Wiesenblumen mit Namen nennen, mit deutschen Namen natürlich, und sie hat diese Namen in fürchterlicher Verstümmelung so lange immer wieder von sich gegeben, bis ich ihr eine andere Blume brachte und ihr den Namen nannte.“

„Das gute Kind! Sie bemüht sich so eifrig, die deutsche Sprache zu lernen! Es ist rührend, wie sie immer wieder versucht, dir zu gefallen. Kann dich das nicht bewegen, ihr freundlicher entgegenzukommen, Hans?“

„Ich würde gern freundlicher gegen sie sein, aber ich fürchte, sie fasst das als Ermutigung auf.“

Die Gräfin erging sich wieder in einer Beschreibung aller Vorzüge, die nach ihrer Ansicht Miss Mildred besaß, und so war Hans sehr froh, als jetzt seine Schwester eintrat und an der Unterhaltung teilnahm.

Es war derselbe Morgen, an dem Judith Falk im Auftrag ihrer Tante nach Erlau telefonierte. Und als Felice jetzt dem Diener klingelte, um ihm einen Befehl zu erteilen, trat dieser ein und meldete, was Judy am Fernsprecher gesagt hatte. Die Gräfin hatte schon längst den Befehl gegeben, dass sie am Telefon nie zu sprechen sei, wenn nicht auch dem Diener bekannte Personen anklingelten. Und der Diener hatte also Judy gesagt, dass die Gräfin nicht zu sprechen sei. Als er jetzt seinen Auftrag ausgerichtet hatte, horchte Graf Hans interessiert auf, während die Gräfin mit einem etwas verlegenen Gesicht hastig abwinkte. Der Diener verließ das Zimmer, und nun wandte sich Hans an seine Mutter.

„Der Diener sprach von einer Frau Doktor Hein, Mama – ist das vielleicht dieselbe, in deren Haus du damals die sorgsame Pflege gefunden hast?“

„Nun ja, es ist dieselbe.“

„Der Diener meldete doch, sie sei in Schwarzenberg eingetroffen?“

Ärgerlich wand sich die Gräfin unter dem forschenden Blick ihres Sohnes. „Nun ja, unangenehmerweise ist Frau Doktor Hein mit ihrer Nichte nach Schwarzenberg übergesiedelt, weil sich nach dem vor Monaten erfolgten Tod ihres Gatten ihre Verhältnisse verschlimmert haben. Sie schrieb mir davon, dass sie in Schwarzenberg eine kleine Wohnung gemietet habe und sich sehr einschränken müsse. Lieber Gott, das ist ja zu bedauern, aber sie scheint anzunehmen, dass ich ihr irgendwie helfen kann.“

Hans Erlau war ein wenig blass geworden bei den ärgerlichen Worten seiner Mutter. „Sie hätte wahrlich das größte Recht, auf unsere Hilfe zu bauen, Mama.“

„Mein Gott, was willst du? Wir sind doch wahrlich selbst in einer schlimmen Lage und können nicht einmal uns helfen. Deshalb habe ich auf ihren Brief gar nicht geantwortet und wollte lieber gar keine Notiz von den Damen nehmen, es ist doch so peinlich, wenn man eine Hilfe ablehnen muss.“

„Du willst doch damit nicht sagen, Mama, dass du keinerlei Verkehr mit den beiden Damen wünschst – dass – nun, dass du sie einfach nicht beachten willst?“

Die Gräfin zuckte unbehaglich die Schultern. „Du musst doch zugeben, dass dies das Beste ist. Man muss in solchen Fällen den Mut haben, Gefühlsanwandlungen zu unterdrücken.“

Der junge Graf sah seine Mutter an, als sähe er sie zum ersten Mal. „Nein, Mama, ein solcher Mut wäre – unbeschreibliche Undankbarkeit.“

Unmutig zuckte die Gräfin die Achseln. „Was soll man aber tun? Sie denken sicher, dass wir noch wohlhabend sind, nehmen an, dass wir sie unterstützen können oder wer weiß, was noch alles. Ich sage dir, in unserer Lage sind solche weichlichen Gefühle unsinnig. Wir haben doch nichts übrig.“

„Ich kann mir nicht denken, dass sie sich um Unterstützung an dich wenden würden. Sicher hoffen sie nur auf freundliche Aufnahme, auf guten Zuspruch, auf ein wenig Freundschaft und Teilnahme. Das kostet dich doch nichts, Mama.“

„Man wird aber solche Menschen nicht wieder los!“, sagte sie ärgerlich.

„Darauf müsstest du es erst einmal ankommen lassen. Ich kann mir nicht denken, dass sich diese Frau Doktor Hein, die uns allen einen so vornehmen, sympathischen Eindruck machte, mit einer Bettelei an dich wenden würde. Sie wird auch feinfühlig genug sein, sich nicht aufzudrängen. Aber sicher nimmt sie an, dass wir mit Freuden endlich die Gelegenheit ergreifen werden, ihr unsere Dankbarkeit zu beweisen. Und jedenfalls hättest du ihr bei ihrer Ankunft hier ein paar Blumen schicken und ihr so schnell wie möglich deinen Besuch machen müssen.“

Mit einem trotzigen Blick sah die Gräfin ihren Sohn an. „Ich bin jetzt selber in so gedrückter Stimmung, dass ich mir nicht noch solche Dankespflichten aufhalsen kann. Bitte, lass mich damit zufrieden! Es ist bestimmt das Beste, wir lassen die Sache einfach einschlafen, da wir ihnen doch nicht helfen können. Freilich, würdest du Mildred heiraten, dann – dann könnte ich etwas für sie tun, und du kannst mir glauben, dass ich es sehr gern machen würde. Aber so – nein, es wäre mir gerade hier peinlich, Hilfe versagen zu müssen, wenn ich darum angegangen würde.“ Mit diesem Schachzug hoffte die Gräfin, ihren Sohn gefügig zu machen, denn sie merkte sehr wohl, wie viel ihm daran lag, sich Frau Doktor Hein gefällig zu zeigen.

Graf Hans sah seine Mutter mit einem unbeschreiblichen Blick an. „Willst du Frau Doktor Hein nicht wenigstens einen Besuch machen, Mama?“

Sie zuckte die Achseln. „Ich sage dir doch, es hat keinen Zweck. Was meinst du, wie mir zumute sein müsste, wenn ich sie aufsuchte und sie mich um Hilfe bitten würde! Soll ich dann sagen, ich bin selbst so arm, dass ich Hilfe brauche? Nein, dieser Notwendigkeit will ich mich nicht aussetzen, mein Sohn. Es ist besser, ich mache keinen Besuch. Das Einzige, was ich tun werde, ist, dass ich ihr einige Zeilen schreibe, in denen ich ihr mitteile, dass wir jetzt ganz zurückgezogen leben müssen, weil uns die Verhältnisse dazu zwingen, und dass ich darauf verzichten muss, mit ihr in Verkehr zu treten.“

Die Stirn ihres Sohnes rötete sich, und er sagte schroff: „Nein, so lass auch das sein! Solch ein Brief wäre beleidigend. Aber ich werde die Damen aufsuchen und dich irgendwie zu entschuldigen versuchen.“

Die Gräfin sah ihn unmutig an. „Das solltest du lieber lassen, Hans.“

„Nein, Mutter, irgendetwas muss geschehen.“

Jetzt trat Felice vor den Bruder hin. Sie hatte dieser Unterredung voll Spannung zugehört und fragte mit verhaltener Stimme: „Ist das dieselbe Frau Doktor Hein, in deren Haus ich zur Welt gekommen bin?“

„Ja, Felice, dieselbe Frau, die Mutter aufopfernd wochenlang gepflegt hat, die dir ins Leben half und auch dich gepflegt hat.“

Felice richtete sich entschlossen auf. „Dann werde ich mit dir gehen, Hans. Wenn Mama nicht mitkommen will, wollen wir sie irgendwie zu entschuldigen versuchen. Du wirst mir das erlauben, Mama!“ Fast drohend sahen Felices Augen zu ihrer Mutter hinüber.

Diese war nun doch etwas errötet und lenkte ein. „Das wäre natürlich sehr lieb von euch, und wenn ihr durchaus wollt, will ich nichts dagegen haben. Macht ihr also, zugleich in meinem Namen, einen Dankbesuch. Ihr könnt ja meinetwegen auch Blumen hinschicken, es wird sich schon was Blühendes im Gewächshaus finden, was der Gärtner euch überlassen wird. Er hat freilich Anweisungen von unseren Gläubigern, alle Blumen zu Geld zu machen, aber schließlich gibt er Felice doch etwas her. Natürlich lasst bitte gleich durchblicken, dass es bei diesem einen Besuch bleiben wird und dass wir sie hier in Erlau nicht empfangen können.“

Felice und ihr Bruder sahen sich mit großen Augen an. Sie hatten heute beide an ihrer Mutter eine sehr wenig liebenswerte Eigenschaft entdeckt, und es tat ihnen weh.

Sie waren beide zum ersten Mal froh, dass jetzt Miss Mildred Field eintrat.

Die Gräfin nickte ihr zu und zog sie an ihre Seite. „Komm, Mildred, setze dich zu uns! Wie ist dir der Spaziergang bekommen?“

„Oh, es sein gegangen sehr weit, immer fort und fort, aber ich habe gelernt sehr viel, wie alle Blumen heißen auf Deutsch. Hans hat mich das gelehrt sehr gut.“ Und sie warf Hans einen neckischen Blick zu.

Er wandte sich ab und ergriff eine Zeitung, die auf dem Tisch lag. „Ich werde sogleich bei Frau Doktor Hein anrufen, Mama, und sie fragen, ob sie noch heute Nachmittag meinen und Felices Besuch annehmen wird.“

„Und ich gehe zum Gärtner und erbitte mir Blumen für sie“, warf Felice hastig ein.

Damit verließen die Geschwister das Zimmer, sehr zum Leidwesen von Mildred Field und der Gräfin.

Als die Geschwister draußen allein waren, hängte sich Felice beim Bruder ein und legte ihre Wange an seinen Arm. „Ach Hans, das war nicht schön von Mama!“, sagte sie leise.

Mitleidig sah er auf sie herab. „Nimm es nicht zu schwer, Felice, Mama ist durch die eigenen Sorgen etwas hartherzig geworden. Wir beide werden schon alles gutmachen, was sie versäumt, nicht wahr?“

„Ja, Hans, das wollen wir. Also wir fahren heute Nachmittag zusammen nach Schwarzenberg.“

„Ja, Felice, ich denke, dass ich uns für fünf Uhr bei den Damen anmelde. Es ist zwar etwas außergewöhnlich, aber in der Woche habe ich wenig Zeit, und ich denke, wir dürfen nicht um einen Tag länger aufschieben, was versäumt worden.“

Sie nickten sich verständnisvoll zu. Felice verließ das Schloss und lief zum Gärtner, den sie in Geberlaune fand und der ihr einen ansehnlichen Strauß zusammenband, den Felice durch den Sohn des Gärtners sogleich nach Schwarzenberg sandte. Sie holte sich dazu eine Visitenkarte ihrer Mutter aus deren Zimmer und fügte eine von sich selbst mit hinzu. Auf ihre Karte schrieb sie:

…freut sich, Sie begrüßen zu dürfen.

Und auf die Karte ihrer Mutter schrieb sie, deren Handschrift nach Möglichkeit nachahmend:

Herzlich willkommen in Schwarzenberg! Sie atmete auf, als sie das schwere Werk vollbracht hatte. Als sie die Treppe wieder herunterkam nach der großen Schlosshalle, kam Hans gerade wieder aus seinem Zimmer, wo er telefoniert hatte.

„Hast du die Damen gesprochen, Hans?“

„Ja, Felice, sie freuen sich, uns bei sich begrüßen zu können. Ich habe zu Mamas Entschuldigung gesagt, das wir seit Wochen Besuch haben und dass Mama nicht eine freie Minute hat. Erst sprach ich die Nichte von Frau Doktor Hein, und dann sagte mir diese, ihre Tante werde sich sehr freuen, von uns zu hören. Und dann kam Frau Doktor Hein selbst – und es war wirklich rührend, wie sie sich freute. Ich glaube, Mama hätte nicht in Sorge zu sein brauchen, dass sie irgendwie um Hilfe angegangen würde, die Damen sehnen sich nach nichts als nach freundlichem Anschluss in dieser fremden Umgebung.“

„Nun, Hans, ich habe einen wunderschönen Blumenstrauß für sie. Bitte, gib mir doch auch deine Karte mit – sieh mal, was ich für eine Urkundenfälschung begangen habe!“ Und sie zog die Karte ihrer Mutter aus dem Umschlag und hielt sie Hans unter die Augen.

Er las ihre Worte und küsste sie auf die Wange. „Eine fromme Lüge, Felice, die wird Freude bereiten.“

Nachdem Felice die Karten dem Gärtnerburschen übergeben hatte, begab sie sich mit Hans wieder in den Salon der Mutter, wo sie diese noch mit Mildred Field zusammen fand. Mildreds Augen strahlten auf, als Hans eintrat, und sie zog ihn gleich in ein Gespräch. Er ging höflich, aber sehr zurückhaltend darauf ein.

***

Als Frau Doktor Hein, nachdem sie mit Graf Hans Erlau gesprochen hatte, den Telefonhörer wieder anhängte, wandte sie sich mit einem erlösten Lächeln zu Judy um.

„Siehst du wohl, du kleine Schwarzseherin, ich habe mich doch nicht getäuscht Die Gräfin war nur verhindert, mir sogleich Antwort zu geben, sie hat Besuch, der sie den ganzen Tag in Anspruch nimmt, und war sehr betrübt, dass sie mich nicht persönlich willkommen heißen konnte. Aber heute Nachmittag um fünf Uhr schickt sie uns erst einmal ihre Kinder, da sie selbst nicht abkommen kann. Ich freue mich sehr, den jungen Grafen Hans wiederzusehen und mich endlich überzeugen zu können, dass die kleine Komtesse sich zu einem hoffentlich recht frischen und gesunden Geschöpf entwickelt hat.“

Judy fiel selbst auch ein Stein vom Herzen, es hätte ihr bitter Leid getan, wenn Tante Ann gekränkt worden wäre. „Ich freue mich für dich, Tante Ann.“

„Nun, es freut mich auch für dich, Judy. Da sind schon einmal zwei junge Menschen, deren Verkehr dir sicher ist. Und wenn Graf Hans das gehalten hat, was er als Vierzehnjähriger versprach, dann ist er sicher ein angenehmer junger Mann geworden. Sollte Komtesse Felice aber ihrer Mutter ähnlich geworden sein, dann wird sie sich zu einer kleinen Schönheit entwickelt haben. Weißt du, wir behalten die Geschwister zum Tee hier. Wie gut, dass wir einen Vorrat an Keksen aus Berlin mitgebracht haben, so können wir ihnen doch etwas Gutes vorsetzen.“

Die Damen hatten dann gerade ihr bescheidenes Mittagsmahl eingenommen, als der Gärtnerbursche von Erlau die Blumen brachte mit den drei Visitenkarten. Frau Doktor Hein war gerührt. Glückstrahlend ordnete sie die reiche Blumenspende in verschiedene Vasen, so dass in jedem Zimmer Blumenschmuck prangte.

Mit freudiger Erwartung sah Frau Doktor Hein nun dem Besuch der Geschwister entgegen.

Punkt fünf Uhr trafen sie ein. Frau Doktor Hein erwartete sie im Empfangszimmer.

Graf Hans eilte auf sie zu, zog ihre Hände an seine Lippen und sagte voll tiefen Empfindens: „Ich bin so glücklich, verehrte gnädige Frau, dass es mir vergönnt ist, Sie wiederzusehen und Ihnen noch einmal meinen innigen Dank aussprechen zu können für alles, was Sie meiner Mutter und meiner kleinen Schwester Gutes getan haben. Darf ich Ihnen Felice vorstellen? Sie werden sie nicht wiedererkennen.“

Frau Doktor Hein zog nun Felice an sich heran. „Doch – sie gleicht so sehr ihrer schönen Mutter. Wie freue ich mich, Komtesse, dass Sie zu einem so reizenden jungen Menschenkind aufgewachsen sind! Und wie glücklich macht es mich, Sie beide wiederzusehen. Nun will ich Ihnen aber erst meine Nichte Judith vorstellen.“ Und sie winkte Judy heran und machte sie mit den Geschwistern bekannt.

Als Judys Augen mit denen des jungen Grafen zusammentrafen, stieg eine leise Röte in ihr Gesicht, denn aus seinen Augen las sie eine so atemlose Bewunderung, dass sie sehr verlegen wurde. Felice aber sah ebenfalls bewundernd zu Judy empor. Diese war größer als Felice, und wenn auch Felice eine sehr reizende junge Dame war, so fand sie doch Judith Falks Erscheinung bewundernswert.

„Oh, wie freue ich mich, Sie kennen zu lernen, Fräulein Falk! Ich hoffe, wir werden uns recht oft wiedersehen“, sagte Felice lebhaft, ganz vergessend, dass die Mutter verlangt hatte, dass dies das einzige Zusammentreffen zwischen ihr und den Damen sein sollte. Sie war schon in dieser Minute davon überzeugt, dass Judy Falk ihre Freundin werden müsse.

Es machte sich nun ganz von selbst, dass die Geschwister am Teetisch Platz nahmen, und bald unterhielten sich die vier Menschen so angeregt, als wären sie schon lange miteinander bekannt. Natürlich wollte Frau Doktor Hein viel über die Gräfin hören, und so entschloss sich Graf Hans, gleich alles Nötige vorzubringen.

„Von meiner Mutter ist leider nicht viel Gutes zu berichten, gnädige Frau. Seit dem Tod meines Vaters hat sie viel Schweres durchgemacht. Deshalb müssen Sie auch verzeihen, wenn sie ganz zurückgezogen lebt. Unsere pekuniären Verhältnisse sind sehr schwierig geworden, Erlau wird uns nicht lange mehr erhalten bleiben.“

„Oh, das tut mir aber sehr Leid!“, sagte Frau Doktor Hein teilnahmsvoll, und die Geschwister merkten, dass dies echte Teilnahme ohne jeden Hintergedanken war.

Graf Hans verneigte sich dankend. Und dann fuhr er fort: „Ich möchte Ihnen dies alles erklären, damit Sie verstehen können, wenn meine Mutter Ihnen nicht so entgegenkommt, wie sie es wohl möchte und wie Sie es von ihr erwarten können. Sie ist in einer sehr schlimmen Lage, muss jeden Tag darauf rechnen, dass die Gläubiger von Erlau sie und meine Schwester heimatlos machen. Weil ich schon seit Jahren die schlimme Lage ahnte, habe ich darauf verzichtet, Erlau mit seiner großen Schuldenlast zu übernehmen, ich habe den Beruf eines Architekten ergriffen und baue zur Zeit das Kurhaus von Schwarzenberg.“

„Ah, ich habe dieses entstehende Gebäude mit großem Interesse betrachtet und mich an dem reinen, edlen Stil erfreut. Es wird ein sehr vornehmes Gebäude werden, auf das die Schwarzenberger stolz sein können“, sagte Judy lebhaft.

Er sah sie mit strahlenden Augen an. „Sie sprechen sehr verständnisvoll darüber, mein gnädiges Fräulein.“

Die Tante ergriff sofort die Gelegenheit, um etwas zu Judys Lob zu sagen. „Oh, meine Nichte hat auch ein sehr feines Verständnis für alle Stile, ist sie doch selber tätig als Gobelinzeichnerin.“

Lebhaft fragend blickte er Judith an. „Das interessiert mich sehr.“ Und er vertiefte sich mit Judy in eine angeregte Unterhaltung über ihre Entwürfe und über allerlei Stile. Dabei sahen die beiden jungen Augenpaare nun freilich viel zu tief ineinander, und es war gar nicht gut für die Herzensruhe dieser beiden Menschen, dass sie sich gleich so gut verstanden.

Frau Doktor Hein sagte dann lebhaft: „Also Sie sind Architekt geworden, Graf Erlau?“

Er sah sie bittend an. „Wenn es nicht unbedingt sein muss, sparen Sie mir den Grafentitel. Ich habe ihn in meinem Beruf völlig abgelegt. Er ist mir nur Ballast. Also daraus, dass ich Architekt geworden bin, können Sie ersehen, dass es für mich ganz aussichtslos war, den Gutsherrn von Erlau zu spielen. Und um nochmals auf meine Mutter zu kommen – sie leidet natürlich sehr darunter, dass nicht nur unser Besitz verloren ist, sondern dass auch der Glanz unseres alten Namens nichts mehr gilt. Sie kann sich schlecht mit der neuen Zeit abfinden.“

„Das ist doch aber sehr verständlich“, sagte Frau Doktor Hein, als müsse sie die Gräfin verteidigen.

„Gewiss ist es verständlich, aber es ist doch nicht zu ändern. Sie verliert sich nun, statt dem Unabänderlichen tapfer ins Auge zu sehen, wie das zum Beispiel meine kleine Schwester tut, in nutzlosen Klagen, die ihr nur alles viel schwerer machen. Mit einer wahren Angst sieht sie der Zukunft entgegen, in der sie gezwungen sein wird, in einer kleinen Stadtwohnung unterzukommen. Denn leider verdiene ich noch nicht genug, ihr ein anderes Los bereiten zu können. Ich hoffe, in einigen Jahren besser gestellt zu sein und ihr dann ein besseres Unterkommen bieten zu können; aber auch das wird sie nicht befriedigen, da sie den Glanz und Luxus früherer Tage immer als Vergleich heranziehen wird. Sie ist sehr zu bedauern, und ich bitte Sie, gnädige Frau, deshalb meiner Mutter nicht zu zürnen, wenn sie sich verbittert auch von Ihnen zurückhält.“

So, nun hatte Graf Hans, so gut es ging, seine Mutter entschuldigt und zwar so, dass die beiden Damen an keine Kränkung glauben konnten.

Felice drückte ihm verstohlen die Hand, als wollte sie sagen: Das hast du gut gemacht.

Und rasch und ohne Scheu fügte sie nun selbst noch hinzu: „Mutter sieht die einzige Rettung aus ihrer Lage in einer reichen Heirat meines Bruders; aber er ist nicht der Mann, sich an eine Frau verkaufen zu lassen.“

Die Stirn des jungen Mannes rötete sich, und eine leichte Verlegenheit sprach aus seinen Augen, als er sie jetzt auf Judy richtete, die ihn mehr und mehr bezauberte. Und als wolle er es sich gleich selbst unmöglich machen, seinen jäh erwachten Gefühlen für sie nachzugeben, sagte er hastig: „Meine kleine Schwester plaudert da etwas vorwitzig aus der Schule, aber sie ist ein tapferer kleiner Kamerad und hilft mir treulich, Mamas Anschläge auf meine Freiheit abzuwehren. Aber so wenig ich mir den Luxus leisten kann, mir eine arme Frau zu erwählen, so wenig kann ich mich dazu entschließen, eine reiche Frau zu heiraten, nur, weil sie reich ist. Und so werde ich wohl meine Tage als einsamer Hagestolz beschließen.“

Das sollte scherzhaft klingen, aber es klang mehr wie eine Beschwörung an die schönen Mädchenaugen, die ihn so teilnahmsvoll ansahen. Ihm war, als müsse er Judy schon in dieser Stunde klar machen, dass zwischen ihnen ein tiefer Abgrund gähnte, über den kein Weg führte.

Ob sich aber echte Liebe je hätte hindern lassen, über solch einen Abgrund hinwegzufliegen? Judy lauschte seinen Worten eigenartig bewegt nach und – es blieb doch etwas wie Freude in ihrem Herzen, dass dieser sympathische und interessante junge Mann sich nicht verkaufen wollte.

Felice erzählte nun von dem Besuch, den sie schon seit Wochen in Erlau hatten und der sicher noch monatelang bleiben würde, so lange sicher, als sie noch selbst in Erlau eine Heimat haben würden. Und sie schilderte Mildred humorvoll und erzählte von ihrem Reichtum.

Schnell war so eine Stunde verplaudert, und die Geschwister erhoben sich, um sich zu verabschieden. Und da sie nicht ermächtigt waren, die beiden Damen nach Erlau einzuladen, was ihnen sehr Leid tat, baten sie beide sehr herzlich, zuweilen wiederkommen zu dürfen. Das wurde ihnen gern erlaubt.

Als die Geschwister nachher im Wagen saßen, drückte Felice den Arm des Bruders fest an sich und sagte so recht aus tiefstem Herzen heraus. „Sie ist reizend!“

Er fuhr aus seinem Sinnen auf. „Ich habe dir doch schon gesagt, dass Frau Doktor Hein eine reizende und liebenswürdige Dame ist.“

Felice lachte. „Gewiss, das ist sie sicher, aber ich meinte eigentlich Judy Falk. Ich finde sie entzückend, sie muss meine Freundin werden.“

Hans fand nun freilich Judy Falk auch sehr entzückend, aber er hielt es doch für besser, das nicht auszusprechen. Er sagte nur: „Es würde mich sehr freuen, wenn du diesen Verkehr pflegtest, die Damen sind entschieden wertvolle Menschen. Es ist bewundernswert, wie sie sich in die veränderten und so viel bescheideneren Verhältnisse gefügt haben, denn ich weiß, sie haben in Berlin ein großes Haus geführt zu Lebzeiten des Doktor Hein. Oft habe ich, als ich die Hochschule besuchte, in Berliner Zeitungen von Festlichkeiten im Hause Doktor Heins gelesen und immer waren die ersten Kreise aus der Gesellschaft bei ihnen.“

„Du hast sie aber nie besucht Hans?“

„Nein, ich wusste doch, wie tief wir ihnen schon zu Dank verpflichtet waren, und wollte unsere Dankesschuld nicht dadurch vergrößern, dass ich Gastfreundschaft in ihrem Haus annahm. Nun werden wir es freilich auch hier wieder tun müssen, wenn wir mit ihnen im Verkehr bleiben wollen.“

„Oh, und das möchte ich so gern!“

„Ja, Felice, du sollst auch zu ihnen gehen, so oft als möglich. Wir werden schon einen Weg finden, um uns wenigstens einigermaßen erkenntlich zu zeigen. Ich werde die Damen bei der Einweihung des Kurhauses zu der dabei geplanten Festlichkeit einladen.“

„Wirst du dann Schwarzenberg schon verlassen und wieder nach Berlin zurückkehren?“

„Nein, Felice, erstens habe ich noch mit den Nebengebäuden zu tun, und dann soll auch das Rathaus ausgebaut und vergrößert werden. Ich hoffe, dass ich damit betraut werde, man scheint, gottlob, mit meiner Leistung zufrieden zu sein. Schwarzenberg scheint jetzt in Blüte zu kommen und ganz im Vertrauen – ich hoffe, mich in einiger Zeit selbstständig machen zu können, denn ich weiß, dass mir einige sehr lohnende Aufträge sicher sind. Mein Vertrag mit meiner Baufirma läuft im nächsten Jahr ab, und der Bau des Kurhauses und auch der Ausbau des Rathauses wurden der Firma nur übertragen, weil ich die Arbeiten ausführen sollte. Man verdankt mir also diese Aufträge, und ich denke, meine Firma ist so anständig, mir einen kleinen Gewinnanteil auszusetzen, zumal wenn ich alle Arbeiten so pünktlich beende, dass keine Konventionalstrafe bezahlt werden muss und wenn ich mit der bewilligten Summe auskomme. Das hoffe ich zu schaffen und dann – ach Felice, dann bekomme ich doch ein kleines Kapital in die Hände und kann es wagen, mich selbstständig zu machen.“

Felice sah mit leuchtenden Augen zu ihm auf. „Wie würde ich mich freuen, Hans, wenn dir das glücken würde! Sag mal, dann brauchst du aber doch Leute in deinem Betrieb, zum Beispiel jemand, der dir die Bücher führt und den Briefwechsel erledigt, so etwas wie eine Sekretärin, nicht?“

Er nickte. „Ja natürlich, für die Büroarbeiten müsste ich schon gleich zu Anfang jemanden haben.“

Sie drückte seinen Arm. „Hans, willst du nicht mich für diesen Posten nehmen? Ich hätte Zeit, mich dafür auszubilden und würde in Schwarzenberg einen Kurs in Buchführung nehmen. Maschinenschreiben kann ich und Englisch und Französisch beherrsche ich auch, da wir ja von Kind auf englische und französische Erzieherinnen hatten. Alles, was sonst noch nötig wäre, lerne ich noch. Bitte, bitte, lieber Hans, lass mich dir helfen!“

Nachdenklich sah er sie an. „Ist das wirklich dein Ernst, Felice?“

„Ja doch, ich sehne mich doch so sehr danach, zu etwas nütze zu sein, und du könntest dich doch auf mich verlassen, du weißt, zuverlässig bin ich. Und natürlich müsstest du mir ein kleines Gehalt aussetzen, damit ich das Gefühl habe, für mich selbst sorgen zu können.“

Er sah gerührt in ihre flehenden Augen, in denen ein heiliger Eifer glühte. War es nicht wirklich in Erwägung zu ziehen? Konnte die Schwester nicht auf diese Weise wirklich lernen, für sich selbst einzustehen? Die Zeiten verlangten jetzt auch von den Frauen, dass sie sich im Lebenskampf bewährten. Und auf diese Weise blieb sie doch unter seiner Obhut.

„Also gut, Felice, das soll abgemacht sein!“

Felice schlug die Hände zusammen. „Herrlich! Ach Hans, wie ich mich freue, kannst du dir gar nicht denken. Es hat mich schon lange gedrückt, dass ich zu nichts nütze bin.“