Hedwig Courths-Mahler Großband 3 - Sammelband - Hedwig Courths-Mahler - E-Book

Hedwig Courths-Mahler Großband 3 - Sammelband E-Book

Hedwig Courths-Mahler

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Beschreibung

10 spannende Liebesromane lesen, nur 6 bezahlen!

Über 800 Seiten voller Romantik und Herzenswärme in einem Band!


Hedwig Courths-Mahlers "Märchen für Erwachsene", wie sie ihre Romane selbst nannte, sind ebenso zeitlose Klassiker wie die Themen, die sie behandeln: die Liebe, ihre Gefährdung und deren Überwindung, die Verwirrung der Gefühle und der Weg zum Glück.

Seit über 100 Jahren verzaubert sie ihre Leserinnen und Leser mit ihren wundervollen Geschichten immer wieder neu, und mit einer Gesamtauflage von über 80 Millionen Exemplaren gilt Hedwig Courths-Mahler heute als DIE Königin der Liebesromane.


Großband 3 enthält die Folgen 21 - 30.


Zehn Geschichten, zehn Schicksale, zehn Happy Ends - und pure Lesefreude!

Jetzt herunterladen und sofort eintauchen in eine heile Welt, in der die Liebe noch regiert.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 1643

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv: shutterstock/Miramiska ISBN 978-3-7325-5722-6

Hedwig Courths-mahler

Hedwig Courths-Mahler Großband 3 - Sammelband

Inhalt

Hedwig Courths-MahlerHedwig Courths-Mahler - Folge 021Ergreifender Roman der unvergessenen Schriftstellerin Bussa von Nordeck ist in Südwest-Afrika aufgewachsen. Ihre Eltern, deutsche Auswanderer, hatten selten Zeit, sich mit der nötigen Liebe um ihr einziges Kind zu kümmern. Doch nun sind die beiden verstorben, und Bussa kehrt nach Deutschland zurück. Hier lernt sie den Gutsherrn Will Wendland kennen, dem ihr junges Herz im Sturm zufliegt. Aber voller Misstrauen verbirgt sie ihre wahren Gefühle vor ihm. Und dieses Misstrauen scheint nicht unbegründet, denn Will Wendland ist der Geliebte einer anderen...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 022Spannender Schicksalsroman der unvergessenen Schriftstellerin Seit dem frühen Tod ihrer Eltern lebt Ruth Alving bei dem Industriellen Rochus Bernd. Sie führt ihm den Haushalt und umsorgt ihn mit selbstloser Liebe. Mit neidischen Blicken beobachten die nächsten Verwandten des alten Herrn, Lena und Kurt Bernd, das harmonische Verhältnis dieser beiden unterschiedlichen Menschen. Sie fürchten um ihr Erbe. Als Rochus Bernd an einem Herzanfall stirbt, sind sie entschlossen, Ruth Alving vor die Tür zu setzen. Doch alles kommt ganz anders, denn Rochus Bernd besitzt einen leiblichen Enkel, von dem er selbst nie etwas erfuhr...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 023Ergreifender Roman um eine tiefe Liebe. Gilda hat früh ihren geliebten Vater verloren. Als die Mutter nun zum zweiten Mal heiratet, ahnt sie so wenig wie ihre Tochter, dass sie einem Spieler in die Hände gefallen ist. Herbert Greif ist nicht nur egoistisch, sondern auch rücksichtslos. Als er alles Geld seiner Frau verspielt hat und keinen Ausweg mehr findet, bietet er dem Millionär Gustav Kronau seine blutjunge Stieftochter zur Frau an. Kronau willigt ein und macht Gilda einen Heiratsantrag, den das Mädchen schweren Herzens und nur der Mutter zuliebe annimmt...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 024Als Gast seines Freundes Hendrik van der Straaten ist Rüdiger Lersingen nach Gut Hagenau gekommen. Hier lernt er die bezaubernde junge Malve Betram kennen. Sie ist eine reiche Erbin, die bis zur Volljährigkeit unter der Vormundschaft ihres Onkels Franz Marlitz steht. Und genau dieser Onkel wirft jedem Mann, der Malve zu nahe kommt, vor, ein Mitgiftjäger zu sein. So auch Rüdiger. Marlitz ersinnt eine heimtückische Intrige, die die beiden Liebenden ahnungslos in ihr Unglück stürzen wird ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 025Aus geschäftlichen Gründen soll Dorothy Groner, Tochter eines Flugzeugfabrikanten, den ihr völlig unbekannten Jim Boker heiraten. Doch das widerspenstige junge Mädchen wehrt sich mit Händen und Füßen gegen eine solche Verbindung, obwohl es sonst alles für seinen Vater tun würde. Jim hingegen hat sich Hals über Kopf in eine Fotografie der bezaubernden Dorothy verliebt. Zusammen mit Albert Groner ersinnt er eine List, das Mädchen für sich zu gewinnen. Der sympathische Mann wird Dorothy als unbedeutender Ingenieur Harry Wight vorgestellt, und eine bezaubernde und turbulente Liebesgeschichte nimmt ihren Anfang...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 026Als Assistentin von Professor Marx führt Richarda Traßberg ein sorgloses, wenn auch sehr bescheidenes Leben. Wie ein unfassliches Wunder ist es deshalb, als sie durch das Testament Sebastian Kranachs, der einst ihre Mutter liebte, zur einzigen Erbin des Guts Herrenfelde bestimmt wird. Allerdings erlegt ihr das Testament eine Bedingung auf: Binnen eines Jahres muss sie sich verheiraten. Der Erblasser hat ihr zu diesem Zweck drei Männer zur Wahl gestellt. Richarda ist bereit, das Erbe mitsamt den seltsamen Bestimmungen anzunehmen. Aber um die unbekannten Ehekandidaten wirklich kennenzulernen, beschließt sie, zunächst für einige Wochen unter falschem Namen nach Herrenfelde zu gehen...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 027Roman um eine große Liebe und einen starrsinnigen Vater. An Liebe auf den ersten Blick haben Traude Frensen, Sekretärin des Kommerzienrats Brenken, und Frank Manhart, ein junger Offizier, nie geglaubt. Doch das Schicksal belehrte sie eines Besseren. Für Traude ist es immer wie ein Lichtblick in dem Einerlei ihres Lebens, wenn sie dem stattlichen Sohn des Senators begegnet. Und Frank Manhart? Auch ihn treibt die Sehnsucht immer wieder zu der hübschen Frau mit dem bezaubernden Lächeln und den strahlenden Augen. Doch als Franks Vater von der Neigung seines Sohnes erfährt, gibt er mit aller Deutlichkeit zu verstehen, dass der Sohn eines Senators wohl kaum eine kleine Angestellte heiraten kann. Und er lässt auch keinen Zweifel daran, dass er solch eine Verbindung mit allen Mitteln zu verhindern sucht...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 028Roman um das Schicksal einer liebenden Frau, deren Glück fast an fremder Schuld zerbrach. Auf einem Empfang zu Ehren einer amerikanischen Delegation lernen sich der Gutsbesitzer Alfred Letzingen und der junge Deutsch-Amerikaner Fred Gartner kennen. Das Außergewöhnliche daran ist: Zwischen diesen beiden Männern besteht eine frappierende Ähnlichkeit. Fred Gartner misst dieser Tatsache keine Bedeutung bei, Alfred Letzingen hingegen beunruhigt das sehr. In dem Gutsbesitzer steigt der Verdacht auf, dass Fred sein Sohn sein könnte. Doch noch ehe er darüber Nachforschungen anstellen kann, geschieht etwas völlig Unerwartetes: Fred Gartner verliebt sich in Letzingens Tochter Lottemarie ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 029Roman um eine schöne Frau mit Vergangenheit. Ruth Waldeck hatte im Grunde genommen eine glückliche Jugend, obwohl ihr das Schicksal schon in jungen Jahren die Mutter nahm. Der Vater aber hatte ihr diesen Verlust mit viel Liebe zu ersetzen versucht. Doch eines Tages teilt Konsul Waldeck seiner einzigen, innig geliebten Tochter mit, dass er sich in aller Stille mit einer jungen Sängerin vermählt hat. Schon allein der Gedanke, dass Ruth nun zu einer fremden Frau Mutter sagen soll, erfüllt das Mädchen mit Entsetzen. Zu Ruths Enttäuschung gesellt sich tiefe Sorge, als sie dann die Stiefmutter kennenlernt. Und diese Sorge scheint berechtigt, denn schon bald wendet sich die schöne, gefallsüchtige Frau anderen Männern zu...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 030Einer der schönsten Romane von Hedwig Courths-Mahler. Der reiche Fabrikant Karl Wernher macht keinen Hehl daraus, dass seine Pflegetochter Felizitas Rogga einmal seine Universalerbin sein wird. Wernhers Verwandte sind sehr erbost darüber und sehen in dem jungen Mädchen eine Erbschleicherin. Sie versuchen alles, um die junge Felizitas auszuschalten. Eine Ausnahme gibt es allerdings: Dr. Richard Wernher, der Felizitas zu großem Dank verpflichtet ist. Doch auch er kann nicht verhindern, dass schon bald ein großes Unglück über Felizitas hereinbricht, das ihr die Heimat und den einzigen Menschen nimmt, der ihrem Herzen nahe stand...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Seine große Liebe

Vorschau

Seine große Liebe

Ergreifender Liebesroman der unvergessenen Schriftstellerin

Still und einsam war es um die junge Reiterin, die reglos auf ihrem Pferd saß und mit traurigen Augen um sich blickte. Da lag das weite Land vor ihr, mit dem zahlreichen Vieh, das darauf weidete. Dies alles hatte ihrem verstorbenen Vater gehört. Die Mutter hatte es verkaufen müssen, weil sie krank war, krank vor Sehnsucht nach der verlorenen Heimat. Sie wollte wieder heim nach Deutschland, die arme Mutter. Nun, da der Vater tot war, der sie hier mit seinem strengen Willen festgehalten hatte, hoffte sie heimkehren zu können, hoffte, in der Heimatluft gesund zu werden. Aber es war anders gekommen. Gleich nachdem sie den Verkauf der großen Viehfarm abgeschlossen hatte, legte sie sich aufs Krankenlager, um nicht wieder aufzustehen. Nach wenigen Wochen starb auch sie, als habe sie der Vater nachgezogen, der Vater, der sie so heiß geliebt hatte, dass er um ihretwillen alles aufgab und mit dem sie dann doch so unglücklich gelebt hatte bis zu seinem Ende. War die alte Liebe wieder aufgewacht an seinem Sterbebett, oder was hatte sie so fassungslos an seiner Leiche zusammenbrechen lassen? Bussa wusste es nicht; sie war nur sehr erschüttert gewesen von diesem Zusammenbruch der Mutter. Todeinsam hatte sie zwischen den entfremdeten Eltern gelebt, hatte weder bei Vater noch Mutter Verständnis gefunden, keine Wärme, keine Liebe, keinen Trost für all ihre großen und kleinen Leiden.

Und als die Mutter dann die Farm verkaufte und heimwärts drängte, da hatte sie nicht zu widersprechen gewagt. Und nun lag die Mutter an der Seite des Vaters zu Füßen des Hügels. Bussa war es, als werde ihr das Herz mitten durchgerissen, als sie dachte: Dies alles siehst du zum letzten Mal, dies alles – auch das Grab deiner Eltern. Morgen um diese Zeit bist du schon weit fort, auf dem Weg nach der elterlichen Heimat, die sie einst um starrer Standesvorurteile willen verlassen mussten, weil sie nicht voneinander lassen konnten. Und ihr einziges Kind ließen sie leiden, ließen es einsam neben sich aufwachsen.

Bussa von Nordeck hatte freilich mehrere Erzieherinnen gehabt, aber keine von ihnen hatte ihr Liebe und Wärme geben können, sie waren gleichsam selber erstarrt in der eisigen Luft, die in dem großen, weitläufigen Gebäude der Luxusfarm herrschte. Sie taten ihre Pflicht, solange sie es aushielten, und atmeten auf, wenn sie wieder gehen konnten.

So lebte Bussa meistens allein mit den Eltern und den Angestellten, die zur Hälfte aus Eingeborenen bestanden, zur anderen Hälfte alte treu ergebene Leute waren, die dem Grafen Nordeck und seiner Gemahlin aus dem deutschen Herzogtum hierher in die Verbannung folgten. Denn eine Verbannung war es gewesen, in die der ehemalige Prinz Ludwig geschickt wurde, zur Strafe dafür, dass er die Hofdame seiner Mutter, eine schlichte Freiin von Biberstein, heiratete. Aber er liebte sie so sehr, dass er freudig auf all seine Titel, Rechte und Besitztümer verzichtete. Er nahm einzig sein Privatvermögen mit sich, das sich allerdings immerhin auf, gut zwei Millionen Mark belief. Er hatte mit seinem Ehrenwort versprechen müssen, ins Ausland zu gehen, und auch, dass er nie mehr nach Deutschland zurückkehren, überhaupt alle Beziehungen zu seiner Familie aufgeben werde.

Dies alles war im Jahr 1912 geschehen. Er hatte sich für Südwest entschieden, wo er schon einmal kurze Zeit als Offizier gelebt hatte. Eine von seinen zwei Millionen hatte er in einer Farm angelegt. Als Graf Nordeck lebte er dort mit seiner Gemahlin während der ersten Jahre in überschwänglicher Glückseligkeit.

Sie führten ein großes Haus, das ständig voller Gäste war. Graf Nordeck hielt sich die schönsten Pferde, eine große Anzahl Diener und Dienerinnen und lebte, wie er es gewohnt war, auf großem Fuß. Seine junge Gemahlin, eine verwegene Reiterin, gewandt in jedem Sport, war ihm eine Gefährtin, wie er sie sich nur wünschen konnte – solange es aus dem Vollen ging.

Dann kam der Tag, an dem Graf Nordeck merkte, dass er in einem Jahr zehnmal mehr verbraucht hatte, als er hätte verwenden dürfen.

Die Sorge, die ganz gemeine graue Alltagssorge, machte sich plötzlich auf Farm Nordeck breit. Die Ehegatten erwachten aus ihrem Glücksrausch und machten sich gegenseitig Vorwürfe.

Dann kam der Krieg, und Graf Nordeck wurde ins Internierungslager abgeführt. Die Gräfin konnte und wollte nicht verstehen, dass man sparen müsse, sie lebte weiter so verschwenderisch, wie es ihr in dieser Zeit möglich war. Und als Graf Nordeck aus dem Lager entlassen wurde und nach Hause kam, stand er vor dem Ruin.

Da sollten nun diese beiden verwöhnten Menschen mit dem auskommen, was die Farm einbrachte. Es war wenig genug: Man musste sparen – und konnte es nicht, weil man es nicht gelernt hatte. Und wo die Sorge zur Tür hereinkommt, fliegt die Liebe zum Fenster hinaus. Graf Nordeck und seine Gemahlin machten sich weiter Vorwürfe, die immer härter und schonungsloser wurden. Und als der Graf ihr eines Tages in besonders heftigem Ärger zurief: „Dies alles habe ich dir zu verdanken – hätte ich dich doch nie kennen gelernt!“, da bäumte sich der Stolz der Gräfin auf. Sie verfluchte den Tag, da sie die Seine geworden war.

Von diesem Tag an wurde das Verhältnis zwischen den beiden Gatten geradezu feindselig.

Bussa, das einzige Kind des Grafen, wurde im ersten Jahr seiner Ehe geboren, als die beiden Gatten sich noch in heißer Liebe anhingen. Doch damals war sie zu klein gewesen, um etwas von dieser Liebe und Wärme zu spüren. So lange sie denken konnte, waren die Eltern kalt und ablehnend zueinander gewesen.

Und dann war der Vater gestorben. Als Bussa, die inzwischen zu einem jungen Mädchen herangewachsen war, sah, dass die Mutter sich in haltlosem Schmerz über den Toten warf, hatte sie sich verwundert gefragt: „Warum war Mutter so kalt zu Vater, wenn sie ihn doch so geliebt hat, dass sein Tod sie zusammenbrechen lässt?“

Das war eins der vielen Rätsel des Menschenherzens. In dem Augenblick, als Graf Ludwig Nordeck, der einstige Prinz Ludwig, erkannte, dass er sterben müsse, da war auch in seinem Herzen die alte Liebe wieder erwacht, und er hatte seiner Frau die Hand gereicht und geflüstert: „Nun lasse ich dich allein, Maria, und nun weiß ich wieder – es war doch Liebe, was uns verband – wir hatten nur zusammen weder Glück noch Stern.“

Das waren seine letzten Worte gewesen. Und sie war stumm zusammengebrochen über seiner Leiche – und hatte das Leben ohne ihn nicht lange mehr ertragen können.

Nun war Bussa ganz allein, und morgen würde sie die Reise nach Deutschland antreten.

Von dem, was sie dort erwartete, hatte sie keine Ahnung. Sie wusste nur, dass ihre Mutter eine Waise ohne jeden Familienanhang gewesen war, als sie mit dem Vater nach Südwest ging, wusste auch, dass ihr Vater der Prinz eines einst regierenden Herzoghauses war und dass seine Mutter auf einem ihrer Güter, die ihr erhalten geblieben waren, lebte. Auch lebten wohl noch einige andere Verwandte ihres Vaters, aber sie wusste auch, dass sie sich alle von ihrem Vater abgewandt hatten, als er ihre Mutter heiratete.

Die beiden Brüder ihres Vaters waren gestorben, der jüngere war im Krieg gefallen, der andere bei einer Autofahrt verunglückt. Das hatte Bussa von der Mutter erfahren, die es in Zeitungen gelesen hatte.

„Wir werden also ganz allein im Leben stehen, wenn wir nach Deutschland kommen, aber wir werden doch wieder in der Heimat sein“, so hatte sie gesagt.

Und nun war sie doch nicht mehr heimgekommen!

Bussa schauerte zusammen wie im Frost. Sie war vor der Grabstätte ihrer Eltern angelangt und sah seufzend darauf nieder.

Leise, wie liebkosend strich sie mit der Hand über den Hügel und bestieg dann rasch wieder ihr Pferd.

Ihr Pferd?

Nein, auch das gehörte ihr nicht mehr – es war mit allem lebenden und toten Inventar der Farm an den neuen Besitzer verkauft worden. Morgen früh würde sie es noch einmal reiten, auf dem Weg nach dem stundenweit entfernten kleinen Bahnhof, von dem sie abreisen würde. Ihre Koffer waren schon dorthin unterwegs.

Schnell ritt sie nach ihrem Vaterhaus hinüber und begab sich sogleich in ihr Zimmer, das man ihr noch bis morgen zur Verfügung gestellt hatte. Es war ihr jetzt unmöglich, sich ihren Wirten zu zeigen, so freundlich und gastlich sie sich ihr gegenüber auch erwiesen hatten.

Still kauerte sie sich in einen Lehnstuhl und ließ ihre traurigen Augen, wie Abschied nehmend, durch das Zimmer schweifen. Auf dem Bild ihrer Eltern, das noch auf der Kommode stand, blieb ihr Blick haften: Es war ein Bild aus glücklichen Zeiten, als noch kein Schatten auf die heimliche Liebe des jungen Prinzen zu der Hofdame seiner Mutter fiel. Er trug eine Rose in der Hand. Symbol des blühenden Lebens. Was war daraus geworden!

Wie lange Bussa so gesessen hatte, wusste sie nicht, als es an ihrer Tür klopfte. Erschrocken erhob sie sich. Ein Blick in den Spiegel – sie wollte sich nicht in unordentlichem Zustand vor der Dienerschaft sehen lassen.

Es klopfte noch einmal, und sie rief zum Eintritt. Es war einer der weißen Diener, die der neue Besitzer mit übernommen hatte. Er überreichte ihr auf einem kleinen silbernen Tablett ein Schreiben, das sie verwundert aufnahm. Dann winkte sie dem Diener ab.

Wer hatte ihr etwas zu schreiben? Sie sah auf den steifen, elfenbeinfarbenen Umschlag herab. Er zeigte eine deutsche Marke und einen deutschen Poststempel. Und auf der Rückseite war ein Wappen eingeprägt. Sie kannte dieses Wappen. Unwillkürlich richtete sie sich hoch auf. Es war ihr eigenes Wappen, das ihres verstorbenen Vaters – das des herzoglichen Hauses, aus dem ihr Vater stammte. Etwas wie Angst durchzuckte ihr Herz. Was wollten diese Menschen, die dieses Wappen führten, von ihr?

Sie sank in einen Sessel zurück und öffnete den Brief. Langsam zog sie den steifen Bogen heraus und entfaltete ihn. Dann las sie:

Meine geliebte Enkelin Bussa!

Sie wagte nicht weiterzulesen. Wer nannte sie da ihre geliebte Enkelin? Es gab nur einen Menschen auf der Welt, der sie so nennen konnte, aber dieser eine Mensch würde das doch nicht tun?

Scheu sah sie auf der Rückseite nach der Unterschrift.

Deine Großmutter, Libussa von

Nordeck.

Ein seltsames Gefühl beschlich Bussa – wirklich ihre Großmutter, nach der ihr Vater sie getauft hatte! Was hatte sie ihr zu schreiben? Sie gab sich einen Ruck, wie in Abwehr, und begann zu lesen:

Meine geliebte Enkelin Bussa!

Durch einen ehemaligen Freund deines Vaters, der einige Jahre in Südwest war und mir von deinem Vater alles erzählen musste was er wusste, hörte ich, dass er gestorben ist. Mein liebes Kind, was eine Mutter bei dieser Kunde fühlt, möge dir immer unbekannt bleiben. Ich musste diese Kunde von dreien meiner Söhne erfahren. Dein Vater war mir schon einmal gestorben, als er sich von meinem Herzen riss, um der Frau seiner Liebe zu folgen – ich gestehe dir, dass ich deine Mutter hasste, weil ich um ihretwillen meinen Sohn verlor. Und solange sie lebte, trennte mich dieser Hass auch von dir. Ich konnte mich nicht entschließen, mit ihr in Verbindung zu treten, obwohl inzwischen in Deutschland eine neue Zeit anbrach, die mit den Vorurteilen des Adels und der regierenden Häuser gründlich aufräumte. Alles hat sich verändert, ich selbst bin jetzt eine schlichte Privatperson und gottlob nicht mehr gezwungen, zu repräsentieren. Den Namen, den auch dein Vater annahm, als er von uns ging, und der einer unserer vielen Namen ist, habe auch ich angenommen, als ich meine Würden und Bürden niederlegen musste. Vielleicht wollte uns der Himmel für unseren Hochmut strafen dadurch, dass wir aller Rechte verlustig gingen, die mit dem Herzogtitel verbunden waren. Mich hat es nicht getroffen, ich bin nur entlastet worden. Und ich lebe auf unserem alten Schloss Nordeck so ruhig und friedlich, wie ich es überhaupt noch tun kann, nachdem der Tod mir alles nahm, was mir lieb war.

Mein Sohn Arnim hat eine Witwe hinterlassen, sie hat sich mit einem Bürgerlichen in zweiter Ehe vermählt. Wie leicht ist das jetzt? Dein Vater wurde aus der Heimat, aus der Familie verbannt, weil er seinem Herzen folgte. Doch das alles können wir uns mündlich berichten, denn – ich habe gehört, dass auch deine Mutter gestorben ist und du nun allein auf der Welt stehst, so allein wie ich, meine liebe Enkelin. Und deshalb bitte ich dich herzlich – komm zu mir nach Schloss Nordeck! Ich sehne mich nach dir und möchte an dir gutmachen, was wir deinem Vater antun mussten. Mussten, mein Kind, davon sei überzeugt, nach den Gesetzen unseres Hauses. Warum wurden sie nicht schon umgestoßen und ungültig, ehe ich meinen Sohn hingeben musste? Komm zu mir, Bussa, Kind meines geliebten Sohnes, du sollst mir herzlich willkommen sein. Sende mir ein Telegramm, mit welchem Dampfer ich dich erwarten darf. Ich sende dir dann meine Kammerfrau an Bord, die dich empfangen und zu mir führen wird. Zögere nicht – ich bin eine alte Frau und fühle mich sehr einsam. Wir wollen uns beide lieb haben und uns gegenseitig die Einsamkeit erträglich machen.

Deine Großmutter, Libussa von

Nordeck

Ein Zittern lief über Bussa hin, als sie den Brief sinken ließ. Die Worte der fernen Großmutter schmeichelten sich in ihr einsames Herz.

Ein weiches, sehnsüchtiges Gefühl erwachte in ihr.

Gewiss, die Großmutter hatte ihre Mutter gehasst, aber doch nur, weil sie ihr den Sohn nahm, ihn für alle Zeiten aus dem Kreis seiner Familie riss! War ein solcher Hass nicht verzeihlich?

Sie las den Brief noch einmal, langsam und bedächtig. Und wieder griff en ihr die Worte der fernen Großmutter seltsam ans Herz.

Sie raffte sich auf und strich sich das Haar aus der Stirn. Verträumt sah sie noch eine Weile vor sich hin, dann setzte sie sich an ihren Schreibtisch, nahm einen der letzten Briefbogen und setzte ein Telegramm auf:

abreise sechsten mai stopp mit dampfer „wangonie“ stopp innigen dank stopp deine enkelin bussa

Damit ging sie hinunter, um den neuen Besitzer der Farm zu bitten, das Telegramm für sie besorgen zu lassen. Es war adressiert an die Gräfin Libussa Nordeck, Schloss Nordeck.

***

Schloss Nordeck lag im westlichen Norden Deutschlands. Es war ein Gebäude aus der Spätrenaissance und lag sehr stattlich und malerisch auf dem Gipfel einer Anhöhe.

Rund um das Schloss erstreckte sich ein ausgedehnter Park, und auch die ganze Anhöhe war dicht mit hohen Bäumen, Eichen, Buchen und Tannen, bedeckt. Diesen Bergwald benutzten die Bewohner der kleinen Stadt, die zu Füßen des Schlosses lag, zum sonntäglichen Spaziergang, und wenn sie dabei an den Parkzaun kamen, versuchten sie, etwas von den Bewohnern des Schlosses zu erspähen.

Natürlich wusste man, dass hier die einstige Herzogin seit dem Tod ihres Gemahls in aller Stille lebte. Ihr Gemahl hatte seine Entthronung nur um ein Jahr überlebt. Ihm war es nicht möglich gewesen, sich in die neue Zeit zu finden, in der es keine regierenden Herren mehr gab. Innerlich hadernd und grollend, hatte er sich in sein immerhin noch recht beneidenswertes Schicksal fügen müssen; denn er war einer der Fürsten, die über ein großes Privatvermögen verfügten. So hätte er auch nach seiner Abdankung recht sorglos und angenehm leben können, aber er war in der Hofluft groß geworden, auf die er einfach nicht verzichten zu können glaubte.

So hatte er streng darauf gehalten, dass der Hofton auch auf Schloss Nordeck aufrechterhalten blieb.

Er hatte den Namen Graf Nordeck angenommen, aber er und seine Gemahlin wurden weiter mit „Königliche Hoheit“ oder wenigstens mit „Hoheit“ angeredet.

Als der Herzog gestorben war, folgte ihm einer seiner Hofbeamten nach dem anderen, es waren ja alles schon alte Herren und Damen. Und seltsamerweise zeigte sich nach dem Tod des Herzogs, dass seine Gemahlin entschieden anders geartet war. Sie unterdrückte das unangebrachte Hofzeremoniell, so viel es ging, vereinfachte das ganze Leben und Treiben im Schloss und verwandte die so ersparten Gelder, um auf ihre Art dem Volk zu helfen. Sie ließ für ihre Schützlinge in der Schlossküche ganze Kessel voll kräftiger Speisen kochen, stellte Schneider und Schuster an, um Kleidungsstücke für Bedürftige zu arbeiten, stattete Bräute aus und sorgte dafür, dass arme Wöchnerinnen alles hatten, was sie brauchten, um wieder gesund und kräftig zu werden.

Sie wurde sehr freiheitsliebend, die alte Herzogin, und fand, dass eigentlich jetzt erst das Leben so recht lebenswert sein könnte, wenn man nur nicht so allein gewesen wäre.

Als sie dann an ihre Enkelin geschrieben hatte, wartete sie ungeduldig auf Antwort. Sie wurde vor Freude blass und rot, als sie Bussas Telegramm erhielt und sich ausrechnete, dass nur noch einige Wochen vergehen würden, bis sie die Enkelin in ihre Arme schließen konnte. Sie hatte es der Witwe ihres ältesten Sohnes durchaus nicht verdacht, dass sie bei einer zweiten Ehe, die sie einging, nur ihr Herz sprechen ließ und einen Bürgerlichen geheiratet hatte, der allerdings sehr reich war und große Ländereien besaß.

Der zweite Mann ihrer Schwiegertochter hatte einen Bruder, und dieser war der nächste Nachbar von Nordeck. Er besaß gleichfalls große Ländereien, deren Verwaltung er selbst in Händen hatte. Sein Gut Hasselrode lag kaum eine Stunde entfernt von Nordeck. Durch die Heirat ihrer Schwiegertochter mit seinem Bruder war die Gräfin Nordeck näher mit ihm bekannt geworden.

An dem Tag, da die Gräfin Nordeck das Telegramm von Bussa erhalten hatte, machte Will Wendland wieder, wie oft, einen Besuch bei der alten Dame. Er war eine interessante Erscheinung mit breiten Schultern und einer kraftvollen und doch schlanken Gestalt. Seinem energischen Gesicht merkte man an, dass er wusste, was er wollte. Und das war nicht wenig.

Von frühester Jugend an zog es die Brüder Wendland zur Natur, zur Landwirtschaft. Ihr Vater war ein reicher Mann, der sein Vermögen auch über die Inflation hinaus sicher anzulegen gewusst hatte. Seine Söhne hatte er zu weitblickenden Menschen erzogen, und es fiel ihm nicht ein, sie in einen Beruf zu zwingen, für den sie keine Neigung hatten. Er konnte sich den Luxus leisten, ihnen freie Wahl zu lassen, und seltsamerweise verlangten sie beide, Landwirte zu werden und besuchten nacheinander landwirtschaftliche Hochschulen. Inzwischen sah sich ihr Vater nach Grundstücken um, die seine Jungen bewirtschaften konnten, und er war auch hierbei vom Glück begünstigt. Für den älteren Sohn Jürgen kaufte er in der Rheingegend eine große Besitzung und für den jüngeren im Nordwesten des Landes. So wurde Will der Gutsnachbar des früheren Herzogs. Sein älterer Bruder besuchte ihn dort einige Male und lernte die Witwe des Prinzen Arnim kennen und lieben. Diese Liebe war gegenseitig. Prinzessin Herta, die dem viel älteren Prinzen Arnim zur Gattin bestimmt worden war, ohne dass sie ihn liebte, hatte sich fügen müssen, wie so viele andere Prinzessinnen der alten Zeit. Sie lebte trotzdem in einer harmonischen Ehe mit ihm und betrauerte ihn aufrichtig, als er mit dem Auto tödlich verunglückte. Zwei Jahre nach seinem Tod lernte sie Jürgen Wendland kennen, und sie verliebte sich leidenschaftlich in ihn. Wie ein Freiheitsrausch ergriff es die noch junge und reizende Frau, und da ihr Schwiegervater schon tot war und keinen Einspruch mehr erheben konnte, und ihre Schwiegermutter keinen erheben wollte, ging alles, was früher unmöglich gewesen war, ganz glatt. Prinzessin Herta wurde eine schlichte Frau Wendland. Sie hatte sich immer gut mit ihrer Schwiegermutter, der früheren Herzogin, verstanden, und diese guten Beziehungen bestanden auch weiter nach ihrer Verheiratung. Frau Herta Wendland besuchte die alte Dame, sooft es möglich war, und wusste also auch, dass die alte Dame ihre Enkelin Bussa zu sich rufen wollte.

Auch Will Wendland hatte bei dieser Gelegenheit erfahren, dass die alte Herzogin ihre Enkelin nach Schloss Nordeck gerufen hatte. Er verstand sich ausgezeichnet mit seiner Schwägerin Herta. Und, auch für die alte Gräfin Nordeck hegte Will eine hochachtungsvolle Zuneigung. Als er heute in den Salon der Gräfin trat, kam sie ihm schon mit ausgebreiteten Armen entgegen. Ihr Gesicht strahlte vor Freude. Lächelnd reichte sie ihm Bussas Telegramm. „Was sagen Sie dazu, Will?“

Er lachte vergnügt.

„Ich sage dazu, Tante Libussa, dass sich Ihre Enkelin sehr schnell entschlossen haben muss, Ihrer Einladung Folge zu leisten. Meiner Berechnung nach hat sie Ihren Brief erst am dritten oder vierten Mai erhalten, und am sechsten Mai schifft sie sich schon mit der ‚Wangonie‘ ein: Sie wird also ungefähr am sechsten Juni in Hamburg ankommen. Ich werde das gern genau feststellen, damit jemand zur Abholung der jungen Komtess in Hamburg sein kann.“

„Wie lieb von Ihnen, Will, ich nehme Ihr Anerbieten dankend an. Ich werde meine Kammerfrau nach Hamburg schicken. Meinen alten Florian kann ich schlecht entbehren, er ist auch schon ein wenig klapprig und als Reisebegleitung für eine junge Dame wohl nicht das richtige.“

Will überlegte und sagte dann in seiner ruhigen Art: „Immerhin wäre es doch besser, wenn die Komtess unter männlichem Schutz von Hamburg nach hier reisen würde. Auf dem Dampfer steht sie ja als allein reisende Dame ohnedies unter dem Schutz des Kapitäns. Das hört aber auf, sobald sie den Dampfer verlässt.“

Die alte Dame überlegte und sagte dann mit einem humorvollen Lächeln: „Da wäre es doch wohl gut gewesen, wenn ich noch einen von den alten Kammerherren gehabt hätte.“

Will lachte.

„Der hätte dann aber vielleicht wieder jemand gebraucht, der ihm Weisungen gegeben hätte, Tante Libussa. Aber ich will Ihnen einen anderen Vorschlag machen. Ich werde mit der Kammerfrau nach Hamburg reisen und die Komtess an Bord des Dampfers in Empfang nehmen. Dass ich sie sicher zu Ihnen geleite, wissen Sie.“

Ihre Augen strahlten auf.

„Das weiß ich, Will. Wenn Sie das wirklich tun wollen, erleichtern Sie mir das Herz. Ich nehme Ihr Anerbieten dankbar an. Aber – werden Sie jetzt abkommen können, wo der Landwirt so viel zu tun hat?“

„Unbesorgt, auf zwei Tage kann ich mich gut losmachen. Mein Verwalter ist ja da.“

Sie reichte ihm die Hand. „Ich danke Ihnen, Will.“

Sie besprachen die Angelegenheit noch weiter, und dann fragte die alte Dame: „Haben Sie Nachricht von Ihrem Bruder?“

„Nur einige Worte. Er schreibt, dass alles gut geht, dass er aber in steter Sorge um Herta ist, sie sei zu unruhig und zu unternehmungslustig, trotz ihres Zustands, er müsse auf sie Acht geben wie auf ein kleines Kind.“

Sie sahen sich beide an und lachten.

„Jürgen ist rührend besorgt um Herta. Sie lacht darüber wie wir, aber im Grunde ist sie sehr glücklich darüber, dass sie so umsorgt und umhegt wird. Ich gönne ihr dieses Glück von Herzen.“

„Obwohl es ein bürgerlicher Mann ist, den sie liebt?“

Sie wehrte ruhig ab.

„Das wissen Sie doch, Will! Ich wollte, dieser Umschwung wäre für uns schon früher gekommen – dann hätte mein Sohn Ludwig nicht in die Verbannung ziehen müssen, weil sein Herz keine standesgemäße Prinzessin gewählt hatte.“

„Es ist jedenfalls bewundernswert, Tante Libussa, wie gut Sie sich mit der neuen Zeit abfinden.“

Lächelnd hob sie die Schultern.

„Was ist daran zu bewundern, dass ich mich füge, wo ein Muss vorhanden ist!“

Mit einem humorvollen Lächeln sah er in ihre Augen.

„Ich wette, Sie wünschen die alte Zeit nicht einmal zurück, in der Sie hoch über allen anderen Sterblichen standen?“

„Ach, Will, welcher Fürst, welche Fürstin könnte behaupten, über allen anderen Sterblichen gestanden zu haben. Wir sind alle nur Menschen, und mancher von uns hat sich schuldig gemacht, eben weil er sich einbildete, weit über den anderen zu stehen. Ich habe das nie getan. Immer war ich mir auch meiner Schwächen und Fehler bewusst und habe manchen Menschen bewundern können, der gesellschaftlich weit unter mir stand. Und Sie und Jürgen gehören in meinen Augen zu denen, zu denen man immer nur aufsehen kann, wo man auch steht.“

Seine Stirn rötete sich.

„Dahin gehören Sie in erster Linie, Tante Libussa. Und wenn wir, mein Bruder und ich, anständige Menschen geworden sind, so gebührt die Anerkennung dafür meinem verstorbenen Vater. Den hätten Sie kennen müssen, er gehörte wirklich zu den Menschen, zu denen man aufsehen muss.“

„Es klingt so gut, wie Sie von Ihren Eltern sprechen; denn auch von Ihrer Mutter habe ich durch Sie beide nur Gutes gehört.“

Seine Augen leuchteten auf.

„Meine Mutter? Sie war eine herrliche Frau, und – Sie erinnern mich zuweilen an sie. Das hat auch Jürgen schon gesagt. Deshalb sind Sie uns auch so lieb geworden.“

Sie nickte ihm zu.

„Es war mir wirklich ein Herzenstrost in meiner Einsamkeit, dass Sie und Jürgen sich bisweilen ein wenig um mich kümmerten.“

„Nun wird Sie Komtess Bussa vor der Einsamkeit bewahren. Ich hoffe, dass sie gut zu Ihnen passt.“

„Das hoffe ich auch. Ich fürchte nur, dass sie mich zu viel an ihre Mutter erinnern wird.“

Mit einem ernsten Blick sah er zu ihr auf.

„Sie sind sonst in jeder Beziehung so großzügig, Tante Libussa, aber in Bezug auf die Gattin Ihres Sohnes Ludwig sind Sie das nicht.“

Es zuckte in ihrem Gesicht.

„Schelten Sie mich nur, Will, ich weiß selbst, dass ich in diesem Punkt engherzig bin. Und Vorwürfe habe ich mir genug darüber gemacht. Aber bedenken Sie, diese Frau war schuld, dass mein Sohn mir vom Herzen gerissen wurde, dass er sein Ehrenwort geben musste, nie mehr in die Heimat zurückzukommen, nie mehr mit uns in Verbindung zu treten. Ich musste ihn dieser Frau opfern.“

„Nein, Sie opferten ihn der Tradition Ihres Hauses.“

„Ich musste es tun. Gegen diese Tradition konnte auch ich mich nicht auflehnen. Aber wäre diese Frau nicht in das Leben meines Sohnes getreten, dann wäre er mir nicht genommen worden. Ich weiß – er hat gelitten unter dieser Trennung wie ich. Nur war seine Liebe zu ihr zu groß, als dass er auf ihren Besitz verzichten wollte. Vielleicht ist dieser Hass gegen Bussas Mutter engherzig, nein, sicher ist er es. Aber ich komme nicht davon los, dass ich meinen Sohn behalten hätte, wenn sie nicht in sein Leben getreten wäre.“

„Und – tat sie das freiwillig oder gar mit der Absicht, ihn seiner Mutter zu nehmen?“

Sie stutzte.

„Nein, das nicht. Ich selber brachte sie ja in seine Nähe, als ich sie zu meiner Hofdame erwählte, ahnungslos, was ich mir damit antat.“

„Sehen Sie wohl! Es war alles Bestimmung. Und wenn die Komtess jetzt zu Ihnen kommt, müssen Sie sich bemühen, diesen Hass gegen ihre Mutter zu unterdrücken. Es könnte sie quälen, wenn sie ihn spürte.“

Sie strich sich über die Augen und sagte leise: „Bussas Mutter ist tot, und eine Tote hasst man nicht mehr. Nur – verstehen Sie das nicht, dass ich mir wünsche, dass sie meinem Sohn gleicht und nicht ihrer Mutter? Meine Söhne sind bis auf Ludwig kinderlos gestorben, ich besitze nur diese einzige Enkelin. Ist es vermessen, wenn ich mir wünsche, dass diese einzige Enkelin mich an meinen Sohn erinnert?“

„Es ist verständlich, und von diesem Standpunkt aus gesehen, wünsche auch ich Ihnen, dass Komtess Bussa ihrem Vater gleicht. Kinder pflegen ja meist von beiden Eltern etwas zu haben.“

Ein Lächeln huschte um ihren Mund.

„Ich werde mir dann schon das heraussuchen, was mich an Ludwig erinnert. Und nun wollen wir nicht mehr davon sprechen. Leisten Sie mir bei meinem einsamen Frühstück Gesellschaft?“

„Wenn Sie wünschen, gern.“

Und sie plauderten angeregt weiter. Nach dem Frühstück verabschiedete sich Will und versprach noch einmal, Komtess Bussa am Dampfer abzuholen und sie sicher zur Großmutter zu geleiten.

Als die alte Dame wieder allein war, rief sie ihren Diener Florian. Er war gewissermaßen ihre rechte Hand und gleich der Kammerfrau Amanda fest davon überzeugt, dass die Herrin ohne sie nicht auskommen könne.

Als Florian in der schlichten, aber vornehmen Livree des herzoglichen Hauses erschien, stand er erwartungs- und ehrfurchtsvoll vor ihr.

„Hoheit befehlen?“

„Aber Florian, wann endlich werden Sie begreifen, dass ich keinen Anspruch mehr auf den Titel Hoheit habe?“

„Halten zu Gnaden, Hoheit, ich habe mir schon die ‚Königliche‘ Hoheit abgewöhnen müssen, weil Hoheit es nicht mehr hören wollten. Aber die Hoheit kann ich nicht auch noch drangeben. Ich weiß doch, was ich Hoheit und mir selber schuldig bin.“

Sie sah ihm humorvoll in sein entrüstetes Gesicht.

„Sagen Sie, Florian, gehen Sie eigentlich mit Ihrer Livree schlafen?“

Verdutzt sah er an sich herab. „Halten zu Gnaden, Hoheit, ich trage die Livree nur im Dienst.“

„Ganz recht, Florian, und wenn Ihr Dienst erledigt ist, sind Sie froh, wenn Sie die steife Livree gegen ein bequemeres Gewand austauschen können.“

Er sah sie unsicher an.

„Das ist schon wahr, Hoheit:“

„Nun also, Florian, die Hoheit und gar die Königliche Hoheit war meine Livree, mein Amtskleid, sie sah sehr vornehm und prächtig aus, aber auch ich sehne mich zuweilen nach einem bequemeren Gewand. Und ich kann Ihnen versichern, die Gräfin ist mir noch reichlich prächtig und umständlich; ich wäre sehr froh, wenn die Hoheit nun endlich zu den verstaubten Prachtgewändern in die Garderobeschränke gehängt würde, für immer. Denken Sie daran, Florian, wie viel bequemer mir die Gräfin ist als die Hoheit. Dabei kann man doch zuweilen einen tiefen, freien Atemzug tun.“

Ganz bestürzt sah Florian die Gräfin an.

„Halten zu Gnaden, Hoheit – ich – es fällt uns doch allen so schwer, von der Hoheit zu lassen!“

Nun musste sie lachen und schüttelte gutmütig den Kopf.

„Kindsköpfe seid ihr alle miteinander! Habt zu viel Freude an so einem glänzenden Ding, wenn es auch in den alten Trödel gehört. Also, wenn es nun einmal zu eurem Wohlbefinden gehört, dann in Gottes Namen weiter im alten Text. Ich werde es ja überstehen. Aber nun zu etwas anderem, Florian. Meine Enkelin, die Tochter meines Sohnes Ludwig, wird in nächster Zeit zu mir kommen. Es müssen Zimmer für sie bereitgemacht werden. Ich denke, wir geben ihr die Zimmer, die meine Schwiegertochter bewohnt hat, wenn sie in Schloss Nordeck weilte. Sie liegen gleich neben meinen Zimmern, und ich möchte meine Enkelin in meiner Nähe haben.“

Die Augen des alten Dieners strahlten auf.

„Halten zu Gnaden, Hoheit, das ist eine Freude für Schloss Nordeck. Darf ich darüber sprechen?“

„Natürlich, Florian, ich werde Sie doch nicht um den Genuss bringen, diese wichtige Neuigkeit verkünden zu können. Und nun gehen Sie und rufen Sie mir Amanda!“

So flink war Florian selten aus dem Zimmer gekommen.

Gleich darauf trat Amanda ein, die Kammerfrau der Gräfin. Sie war eine behäbige Fünfzigerin mit ergrautem Haar, aber frischer Gesichtsfarbe. Ihre Augen sahen durch sehr hochgezeichnete Augenbrauen immer ein wenig neugierig aus, jetzt aber war dieser Ausdruck noch verstärkt; denn Florian hatte ihr zwar seine Neuigkeit nicht verraten, weil ihm dazu keine Zeit blieb, aber er hatte ihr zugeflüstert: „Sie werden staunen, Amanda!“

Und deshalb staunte sie schon im Voraus. Die Gräfin kannte ihre Leute genau und lächelte ein wenig.

„Also, liebe Amanda, Sie werden Anfang Juni in meinem Auftrag nach Hamburg reisen müssen.“

Amandas Augenbrauen erreichten fast ihren Haaransatz auf der Stirn.

„Hoheit befehlen – nach Hamburg?“

„Ja, Amanda, Sie sollen dort an Bord des Dampfers ‚Wangonie‘ meine Enkelin abholen.“

Amanda schluckte, als sei ihr vor Aufregung der Hals trocken geworden.

„Ihrer Hoheit Enkelin? Das ist eine große und freudige Überraschung für Ihre Hoheit.“

„Ich hoffe, für uns alle, Amanda, wir können ein wenig junges Blut in Schloss Nordeck brauchen. Florian habe ich bereits gesagt, welche Zimmer für Komtess Bussa bereitgehalten werden sollen. Sie können sich auch ein wenig darum kümmern, Amanda, dass alles hübsch wird.“

„Zu Befehl, Hoheit. Und wenn ich nach Hamburg reisen muss, Hoheit, haben Hoheit die Gnade, mir noch genaue Befehle und Weisungen zu geben.“

Die Gräfin atmete auf. Sie hatte gefürchtet, dass es eine umständlichere Auseinandersetzung geben würde; denn Amanda war ein wenig eingerostet in den letzten Jahren.

So sagte sie freundlich: „Machen Sie sich nur keine Sorge, Amanda. Sie werden nicht allein reisen. Herr Wendland wird Sie begleiten.“

Amanda hatte, wie auch Florian, immer einen etwas bitteren Geschmack auf der Zunge, wenn – der auch so bürgerliche – Name Wendland erwähnt wurde. Das aber durfte sie der Gräfin gegenüber natürlich nicht aussprechen. Erst als sie später mit Florian allein war, machte sie ihrem Unmut Luft.

„Wenn er denkt, dass Komtess Bussa so ganz in seiner bürgerlichen Weise abgeholt wird, irrt er sich“, sagte sie spitz. „Ich weiß, was ich der Enkelin meiner Hoheit und der Tochter des ehemaligen Prinzen Ludwig schuldig bin. Wenn er auch immerhin durch seine Heirat gegen die Tradition des herzoglichen Hauses verstoßen hat, so blieb er doch immer ein geborener Prinz, und seine Tochter ist also eine Prinzessin von Geburt. Man weiß, was man seiner Stellung schuldig ist.“

„Sehr richtig, Amanda, unsere hochverehrte Hoheit hat sich durch den Einfluss bürgerlicher Elemente entschieden eine etwas zu freie Art angewöhnt. Um so mehr müssen wir darauf halten, dass auch in Zukunft alles seine Ordnung behält.“

***

Nach einer angenehmen Fahrt bei Sonnenschein und ruhiger See hatte die „Wangonie“ im Hamburger Hafen angelegt. Die ersten Passagiere verließen bereits den Dampfer, als Will Wendland mit der Kammerfrau an Bord kam. Er suchte sofort den Kapitän auf und stellte sich als Abgesandter zu Komtess Bussa von Nordeck vor. Er bat den Kapitän, die Kammerfrau zu Komtess Bussa von Nordeck führen zu lassen.

Das geschah auch unverzüglich.

Bussa stand in ihrer Kabine inmitten ihrer Koffer. Als man ihr die Kammerfrau „Ihrer Hoheit, der Herzogin von Nordeck“ – anders führte sich Amanda grundsätzlich nirgends ein – meldete, sah ihr Bussa mit großen Augen entgegen. Amanda machte einen durchaus angenehmen Eindruck.

„Halten zu Gnaden, Hoheit, ich komme im Auftrag Ihrer Hoheit, der Herzogin-Mutter von Nordland.“

Es zuckte ein wenig um Bussas Lippen. Bei aller Sympathie, die sie sogleich für Amanda empfand, kam sie ihr ein wenig lächerlich vor, doch hütete sie sich, davon etwas merken zu lassen.

Freundlich neigte sie den Kopf.

„Es freut mich, dass Sie mich gleich gefunden haben. Hier ist mein Gepäck.“

Amanda war befriedigt – Prinzessin Bussa wusste, was sich für eine vornehme Dame schickte. Das gewann ihr schon Amandas Herz. Auch sah sie stolz, vornehm und doch schön und lieblich aus, wie sich das für eine richtige Prinzessin gehörte; man konnte sie also anerkennen.

„Halten zu Gnaden, Hoheit, ich soll Ihrer Hoheit im Auftrag Ihrer Hoheit, der Frau Herzogin-Mutter, Herrn Wendland zuführen, der gekommen ist, um Ihrer Hoheit, Prinzessin Bussa, als Reisebegleiter zu dienen.“

Erstaunt sah Bussa auf.

„Bitte, führen Sie mir den Herrn zu – und, bitte, nennen Sie mich nicht Hoheit, ich bin die Komtess Bussa von Nordeck.“

Amanda schüttelte heftig den Kopf.

„Halten zu Gnaden, Hoheit sind die Tochter des Prinzen Ludwig und die Enkelin Ihrer Hoheit, der Frau Herzogin-Mutter, und also für uns alle Ihre Hoheit, die Prinzessin Bussa.“

Damit wollte Amanda ein für allemal jeden Einspruch Bussas abwehren. Bussa verzichtete mit einem leisen Lächeln und einem Achselzucken auf weitere Widersprüche und sagte nur: „Darüber werde ich mit meiner Großmutter sprechen. Also bitte, rufen Sie Herrn Wendland!“

Der Ton, in dem sie sprach, gefiel Amanda, da merkte man doch gleich das Blut und die Abstammung.

Befriedigt knickste sich Amanda hinaus und trat auf den wartenden Will Wendland zu.

„Ihre Hoheit, die Prinzessin Bussa, erwarten Herrn Wendland als Abgesandten Ihrer Hoheit, der Frau Herzogin.“

Will verbarg ein belustigtes Lächeln.

„Gut, Amanda, führen Sie mich zu Komtess Nordeck.“

Sie sah ihn strafend an.

„Prinzessin Bussa, bitte.“

Er winkte ihr nur ruhig zu und so ging sie vor ihm her, öffnete die Kabinentür der Komtess und meldete steif: „Herr Wendland!“

Bussa stand mitten in ihrer Kabine und sah ihn mit großen Augen an.

„Sie kommen im Auftrag meiner Großmutter?“

„Es ist mein Auftrag, Komtess, Sie hier abzuholen und Sie nach Schloss Nordeck zu geleiten.“

Sie neigte ein wenig das Haupt.

„Und darf ich fragen, in welcher Eigenschaft meine Großmutter Sie zu mir gesandt hat?“

„Wenn Sie gestatten, mich vorzustellen zustellen – ich bin der Gutsnachbar der Gräfin Nordeck, außerdem ist mein älterer Bruder der zweite Gatte der ehemaligen Prinzessin Herta, der Frau Ihres verstorbenen Onkels, und ich genieße als ihr Schwager das Vorrecht, Gräfin Libussa Nordeck Tante Libussa nennen zu dürfen.“

Ihre Augen strahlten auf. Mit einer anmutsvollen Bewegung reichte sie ihm die Hand.

„Dann gestatten Sie wohl auch mir, Sie als Verwandten zu begrüßen, Herr Wendland.“

Er berührte ihre Hand mit den Lippen, dann sah er sie mit seinen klugen Augen bewundernd an und sagte lächelnd: „Ich danke Ihnen für diese Begrüßung, Sie machen mich stolz, dass Sie mich als Verwandten anerkennen, obwohl ich nur der bürgerliche Will Wendland bin.“

Will Wendland! Der Name stand plötzlich vor Bussas Augen wie etwas Schicksalhaftes.

Sie atmete tief auf. Ein bezauberndes Lächeln huschte über ihr Gesicht, ein Lächeln, das Will in Fesseln schlug.

Nicht, dass sie schön war, dass sie stolz und vornehm war, berückte ihn so sehr, sondern dass sie sich so schlicht und natürlich zeigte, trotz allem Stolz und aller Vornehmheit, und – dass sie so lächeln konnte! Und er las in ihren Augen etwas von der Einsamkeit ihres jungen Herzens.

„Ich weiß nicht, Herr Wendland, ob ich einen Unterschied machen könnte zwischen Adeligen und Bürgerlichen. Der Adel des Herzens kann auch bei dem schlichtesten Menschen zu finden sein – ich habe ihn sogar bei einigen unserer schwarzen Diener gefunden. Damit will ich nur sagen, dass es bei mir keine Vorrechte der Geburt gibt, sondern nur ein Vorrecht persönlichen. Wertes.“

„Es freut mich, dass Sie so denken, Komtess. Ihre Frau Großmutter, die Gräfin Nordeck, wird ihre Freude an Ihnen haben.“

Erstaunt sah sie ihn an.

„Doch nicht, weil ich so denke, wie ich es eben aussprach?“

„Auch deshalb. Aber vielleicht noch mehr, weil Sie, so weit ich es beurteilen kann, Ihrem verstorbenen Vater ähnlich sind. Ich kenne nur Bilder von ihm, aber dass Sie dieselben Augen haben, darf ich wohl behaupten.“

Etwas Warmes, nie Gekanntes, nie Gefühltes stieg unter seinen Worten in ihr auf.

„Allerdings, ich habe große Ähnlichkeit mit meinem Vater. Und Sie meinen, deshalb wird mein Anblick Großmutter Freude machen?“

„Ja, ich glaube es.“

Ein Schatten flog über ihr Gesicht.

„Wenn ich meiner Mutter ähnlich wäre, würde sie mich nicht lieben können?“

„Ich – ich weiß es nicht.“

„Aber ich! Sie hasste meine Mutter, solange sie lebte. Das hat sie mir selbst geschrieben. Also muss ich froh sein, dass ich dem Vater ähnlich bin, sonst würde ich weiter so liebeleer wie bisher durch das Leben gehen müssen.“

Er erschrak vor dem Ausdruck ihrer Augen, erschrak vor dem entsagungsvollen Ton ihrer Stimme, und das stolze, vornehme Geschöpf verwandelte sich für ihn in ein bedauernswertes einsames Wesen, das ihm Mitleid abnötigte und. sich ihm dadurch ins Herz schmeichelte. Sie richtete sich gleich darauf wieder aus ihrer Versunkenheit empor und fuhr fort: „Bitte, sagen Sie mir nun, was weiter geschehen soll, ich muss mich ganz Ihrer Führung überlassen.“

Er lächelte und sagte, um sie aufzumuntern: „Sie vergessen die Kammerfrau Amanda, die ja ebenfalls bestimmt ist, Sie zu begleiten.“

Sofort huschte ein Lächeln über ihr Gesicht.

„Herrscht im Haus meiner Großmutter wirklich dieser Ton, den die Kammerfrau anschlug? Sie wollte sich nicht belehren lassen, dass ich keine Prinzessin bin.“

Er lachte fröhlich auf und zeigte dabei seine herrlichen Zähne.

„Amanda und ihr Gegenstück, der Kammerdiener Florian, fühlen sich dazu bestimmt, die Tradition des herzoglichen Hauses hochzuhalten, weil ihre Gebieterin der neuen Zeit gegenüber zu nachgiebig ist, das zu tun. Sie ahnen beide nicht, welch ein Quell der Freude sie dadurch für die Gräfin Nordeck sind. Fürsten konnten entthront werden, ihre Diener nicht. Amanda und Florian halten die Dynastie bis zu ihrem Ende hoch.“

Nun musste sie auch lachen, und das hatte er bezweckt.

„Also sind Amanda und Florian sozusagen die höchsten Instanzen?“

„So ist es, Komtess. Ihre Großmutter, die Gräfin Nordeck, hat oft vergeblich versucht, die beiden davon abzubringen, sie Hoheit zu nennen – es war vergeblich. So unweigerlich sie sonst jeden Befehl ausführen, diesen überhören sie. Es hieße für sie, sich selbst erniedrigen, wenn sie nicht krampfhaft an diesen Titeln festhalten würden. Und so machen Sie sich nur darauf gefasst, Komtess, dass die Prinzessin und die Hoheit Ihnen nicht ein einziges Mal erspart werden.“

Sie strich sich über die Stirn.

„Ich habe Härteres ertragen lernen – warum soll ich die kleinen Schwächen alter treuer Diener nicht ertragen?“

Wieder brannte das Mitleid in seinem Herzen. Was hatte dieses junge Geschöpf wohl schon erduldet?

„Sie sind bewunderungswürdig, Komtess“, sagte er weich.

***

Das elegante Auto der Gräfin Nordeck hielt am Stationsgebäude. Florian stand in voller Livree mitten auf dem Bahnsteig, zwei Schritte hinter ihm ein jüngerer Diener.

Der Zug lief ein. An einem der Abteilfenster sah Florian bereits Amanda stehen, die ihm gemessen zuwinkte.

Er kam zu spät, um Bussa aus dem Zug zu helfen, dieses Amt hatte natürlich schon in plebejischer Hast dieser Herr Wendland an sich gerissen. Florian konnte nur noch seine würdevolle Verbeugung machen und von Amanda den Gepäckschein empfangen. Diesen Gepäckschein übergab er halb über die Schulter dem anderen Diener, der somit davoneilte, um dafür zu sorgen, dass die Koffer der „Prinzessin“ in den ebenfalls draußen haltenden Gepäckwagen verstaut wurden.

Will Wendland führte Bussa artig nach dem Auto, Florian und Amanda, die sich mit vielsagendem Blick begrüßt hatten, folgten in respektvoller Entfernung. Am Auto stand wieder ein anderer Diener, der den Wagenschlag öffnete und Bussa einsteigen ließ. Will half ihr dabei und trat dann zurück. Er hatte Bussa schon gesagt, dass er sie nicht zum Schloss begleiten würde, er wollte das Zusammentreffen von Großmutter und Enkelin nicht stören und hatte sein eigenes Auto bestellt, um gleich nach seinem Gut Hasselrode zu fahren.

„Bitte, empfehlen Sie mich der Gräfin Nordeck. Ich wünsche Ihnen einen glücklichen und gesegneten Einzug in das Schloss Ihrer Väter.“

Sie reichte ihm die Hand.

„Ihnen danke ich es, dass ich mit etwas leichterem Herzen diesen Weg antrete, Herr Wendland. Ich hoffe, Sie sehr bald wiederzusehen.“

Seine Augen strahlten in die ihren.

„Wie sehr freue ich mich Ihrer gütigen Worte, Komtess, ich danke Ihnen dafür und sage: auf baldiges Wiedersehen!“ Sie nickte ihm noch einmal zu und lehnte sich in die Polster zurück. Will blieb stehen, den Hut in der Hand, bis der Wagen an ihm vorübergefahren war. Seine Augen folgten ihm noch eine Weile, und er hatte das Gefühl, dass er sich von etwas Schönem und Liebem hatte trennen müssen. Aufatmend schritt er dann auf seinen eigenen Wagen zu und stieg ein.

„Nach Hause!“, rief er dem Chauffeur zu.

Dann fuhr er davon, aber all seine Gedanken folgten Bussa mit dem innigen Wunsch, dass sie da oben auf Schloss Nordeck finden möge, was ihr Herz begehrte.

Inzwischen fuhr Bussa Schloss Nordeck zu. Als sie es vor sich liegen sah, klopfte ihr das Herz bis zum Hals. Es war nicht das Herzogsschloss, von dem ihr Vater und die Mutter zuweilen erzählt hatten, es war das angestammte Schloss ihrer Väter, auf dem ihre Ahnen schon gelebt hatten, ehe sie noch Herzöge geworden waren. Auch von Nordeck hatte Vater zuweilen erzählt, mit jenem schmerzlichen Unterton, der ihr immer ans Herz gegriffen hatte, weil eine verhaltene Sehnsucht durch jedes seiner Worte zitterte.

Nun fuhr das Auto auf der breiten Fahrstraße den Berg hinauf. Entzückt ruhten Bussas Augen auf dem herrlichen Landschaftsbild. Wie schön war doch die deutsche Heimat ihrer Eltern! Sie verglich diese Landschaft mit den dürren Wüstensteppen von Südwest und konnte plötzlich die Sehnsucht ihrer Eltern nach der Heimat verstehen. Etwas nie Gefühltes, nie Gekanntes bewegte ihr Herz, sie spürte plötzlich, dass dies alles auch ihre Heimat sei, dass sie wie nach langer Irrfahrt zurückkehrte auf angestammten Boden.

Und nun bog der Wagen in den Park ein und fuhr geradeaus nach dem Schlossportal. Schon von weitem sah sie unter diesem Portal eine hoch gewachsene weißhaarige Dame stehen, die dem Wagen entgegensah.

Das Auto hielt, Florian öffnete würdevoll die Tür. Langsam, unsicher stieg sie aus, stieg die breite Freitreppe hinauf – und lag plötzlich, ohne zu wissen, wie es geschah, in den Armen ihrer Großmutter.

„Mein geliebtes Kind!“, flüsterte die alte Dame aufgewühlt.

Diese drei Worte drangen Bussa ins Herz und öffneten der Großmutter weit die Tore ihres Seins.

„Großmutter, liebe Großmutter! Wie froh bin ich, bei dir zu sein!“, hauchte sie ergriffen.

Für die umherstehende Dienerschaft spielte sich dieser ergreifende Anblick ab wie eine selbstverständliche Handlung, niemand ahnte, dass hier zwei aufgewühlte Frauenherzen einander für alle Zeit innig umschlossen.

Gräfin Nordeck fasste sich so schnell, wie sie es ihr Leben lang gewöhnt gewesen war, aber ihre Finger umklammerten die Hand ihrer Enkelin wie im Krampf. So führte sie Bussa durch die hohe Schlosshalle nach ihren Zimmern und konnte es kaum abwarten, dass der immer bereite Florian die Tür hinter ihnen schloss. Sie kümmerte sich nicht darum, dass der alte Diener draußen der übrigen Dienerschaft mit würdevoller Miene erklärte: „Ihre Hoheit, die Frau Herzogin, sind tief ergriffen. Man gehe auseinander.“

Wie tief ergriffen seine Herrin war, ahnte nicht einmal Florian. Sie stand da drinnen, hielt die Enkelin fest bei den Schultern und sah ihr ins Gesicht. Und da stürzten ihr die Tränen aus den Augen, als hätte sie nie gelernt, ihre Gefühle zu beherrschen. Sie sah in die großen, leidvollen Augen ihrer Enkelin, sah, dass es die Augen ihres Sohnes waren, und barg aufschluchzend ihr Gesicht an der Schulter der Enkelin.

„Mein Kind, mein geliebtes Kind, wie sehr gleichst du deinem Vater“, sagte sie mit erstickter Stimme.

Auch Bussa wurden die Augen nass. Weinend hielten sich Großmutter und Enkelin umschlungen, ohne ein Wort reden zu können.

Es dauerte lange, bis sie sich fassten, und endlich konnte die alte Dame wieder sprechen.

„Bussa, Gottes Segen zu deinem Einzug in das Haus deiner Väter. Ich danke dem Himmel, dass wenigstens du an der Stelle deines Vaters mir geschenkt wirst. Nun kann mein einsames Herz dich mit aller Liebe umfangen, die ich zu verschenken habe.“

„Ich danke dir, liebe Großmutter. Wie gütig ist der Himmel, dass er mir eine Heimat an deinem Herzen schenkt. Ich war so bang, ob du mich würdest lieben können. Wenn Herr Wendland mir nicht versichert hätte, du würdest Freude an mir haben, wäre ich in sehr mutloser Verfassung hier angekommen.“

Ein leichtes Lächeln umspielte den Mund der alten Dame.

„So, der Will hat dir Mut gemacht! Wie gut, dass ich ihn dir sandte.“

„Oh, sehr gut, Großmutter, vor deiner wichtig tuenden Kammerfrau hätte ich nur noch mehr Furcht gehabt.“

Entzückt sah die alte Dame das leise Schelmenlächeln auf Bussas Gesicht. Ach, wie gut kannte sie dieses Lächeln, wie oft hatte ihr Sohn sich durch dieses Lächeln irgendetwas von ihr erbeten, was ihm sonst nicht gewährt worden wäre. Dieses Lächeln erwärmte das vereinsamte Mutterherz.

„Also Amanda hätte dir Bange gemacht? Du brauchst sie nicht zu fürchten. Trotz ihrer kleinen Schwächen ist sie eine goldtreue Seele, genau wie Florian. Du musst verstehen, Kind, dass sie schwerer den großen Umschwung der Verhältnisse ertragen haben, als wir selbst.“

„Das will ich schon glauben, Großmutter, aber du musst bedenken, ich komme aus einem Land, in dem man Zwang und starre Formen gar nicht kennt. Herr Wendland hat mir auch geholfen, Amanda und Florian gleich richtig zu verstehen, wir haben ein wenig über sie gelacht.“

„Das kannst du auch immer tun, wenn du es sie nur nicht merken lässt. Aber nun lasse ich dich in deine Zimmer führen, damit du erst einmal den Reisestaub abschütteln kannst, und dann wollen wir zusammen den Tee einnehmen.“

Sie umarmten einander noch einmal herzlich, und die Augen der Großmutter ruhten wohlgefällig auf Bussas schönem, vornehmem Gesicht. Sie freute sich wirklich innig an ihrer Enkelin, wie Will vorausgesagt hatte.

Florian erschien auf das Klingelzeichen der Gräfin in höchsteigener Person und geruhte, Bussa selbst nach ihren Zimmern zu führen. Amanda stand dort schon bereit und half „Prinzessin Bussa“, beim Umkleiden, wobei es wieder sehr steif und höfisch zuging, was Bussa aber mit Haltung über sich ergehen ließ.

Dann ging sie, wieder von Florian geführt, hinunter in den Raum, wo der Tee eingenommen wurde. Dort trat von der anderen Seite fast zugleich die Großmutter ein, und nun nahmen die beiden Damen am Teetisch Platz.

Während sie ihren Tee tranken, musste Bussa von Farm Nordeck erzählen. Sie berichtete, dass die Mutter die Farm kurz vor ihrem Tod verkauft hatte und warum das geschehen war. Die Gräfin war erschüttert, als sie auf diese Weise erfuhr, dass ihr Sohn Ludwig keineswegs von den Sorgen des Lebens verschont geblieben war, dass alles Vermögen verbraucht und die Farm mit Hypotheken belastet gewesen sei.

Die alte Dame war sehr glücklich, dass sie ihre Enkelin nun sicher und geborgen in ihrem Haus wusste und sprach das auch aus.

Auch sie berichtete dann Bussa, wie es gekommen war, dass die deutschen Fürsten abgesetzt wurden und wie froh sie im Grunde darüber sei.

Dann kamen sie auf die ehemalige Prinzessin Herta zu sprechen, und die Gräfin schilderte sie in sehr liebenswürdigen Zügen und sprach ihre Freude darüber aus, dass sie in ihrer zweiten Ehe ein großes Glück gefunden hatte, nachdem sie sich in erster Ehe der leidigen Politik hatte zum Opfer bringen müssen.

„Trotzdem war sie meinem Sohn Arnim eine liebe Gefährtin und hat ihn ehrlich betrauert. Aber auch für sie war der Umschwung der Verhältnisse eine Erlösung.“

Und sie erzählte Bussa, dass Herta ein Kind erwarte und wie reizend besorgt ihr Gatte um sie war. Darauf kam sie ganz von selbst auf Will und seinen Bruder und konnte die beiden nicht genug rühmen als wirklich vornehme, tüchtige Männer.

„Will wirst du häufig hier sehen, ich habe ihn sehr gern, und er besucht mich, sooft er kann. Seinen Bruder Jürgen, der ihm in allen Dingen ähnlich ist, wirst du wohl erst kennen lernen, wenn wir zur Taufe seines Kindes nach ihren Gütern reisen. Denn das ist sicher, dass wir der Taufe beiwohnen werden. Will wird uns dann wieder als Reisebegleiter nützlich sein können.“

Das hörte Bussa gern, und sie bestellte der Großmutter, dass Will Wendland sich ihr empfehlen lasse.

Die alte Dame nickte lächelnd.

„Das sieht ihm ähnlich. Nachdem er dich sicher hier herbegleitet hatte, zog er sich zurück, um uns nicht zu stören. Er weiß ja, dass wir erst eine Brücke zwischen uns zu bauen haben, und ahnte vielleicht nicht, dass es so schnell geschehen würde. Wir wollen ihn bald einmal einladen, wenn es dir recht ist.“

„Aber ja, Großmutter, er ist ein sehr ritterlicher Mann. Man muss Vertrauen zu ihm haben.“

„Ja, das muss man, und dabei kann man sicher sein, dass man sein Vertrauen keinem Unwürdigen schenkt. Aber was meinst du nun dazu, wenn ich dich gleich einmal durch das ganze Schloss führe? Du musst doch wissen, wo du jetzt zu Hause bist, und das für alle Zeiten. Denn du bist als meine einzige Enkelin auch meine einzige Erbin und wirst eines Tages Herrin dieses Schlosses sein. Der Name Nordeck erlischt, sobald du eines Tages eine Ehe eingehst.“

„Ich werde nie heiraten, Großmutter“, sagte Bussa schnell.

Die alte Dame sah sie forschend an.

„Hast du eine so schwere Herzensenttäuschung hinter dir?“

„Nein, Großmutter, mein Herz ist noch frei und wird es hoffentlich immer bleiben. Ich habe an anderen Menschen schwere Erfahrungen gemacht, die mich gelehrt haben, Furcht vor einer Ehe zu bekommen.“

Langsam wandte die alte Dame ihr Gesicht nach ihr um.

„An anderen Menschen? Erfahrungen kann man nur an sich selbst machen, mein liebes Kind.“

„Oder an Menschen, die einem sehr nahe stehen. Ich habe diese Erfahrungen an meinen Eltern gemacht, liebe Großmutter, und … Doch davon will ich dir erst später einmal erzählen, heute wollen wir unser Zusammenfinden nicht trüben lassen, durch nichts. Du wolltest mich im Schloss herumführen?“

Die Gräfin musste ihre Enkelin bewundern, weil sie mit solcher Sicherheit ein Thema aufgab und ein anderes aufgriff. Darin sprach sich die gute Erziehung aus. Obwohl sie aus Afrika kam, konnte sie sich so, wie sie war, in jeder Gesellschaft zeigen.

Aber die Großmutter konnte ihre Gedanken nicht abwenden von dem, was Bussa ihr gesagt hatte. Was hatte sie für traurige Erfahrungen an ihren Eltern gemacht, dass sie sich vor der Ehe fürchtete?

Trotzdem kam sie jetzt nicht darauf zurück, sie ging langsam Arm in Arm mit ihrer Enkelin durch das Schloss. Florian folgte ihnen wie ein Schatten, öffnete und schloss ihnen die Türen, blieb in achtungsvoller Entfernung stehen und war jeden Winks gewärtig, nur nicht des Winks, dass er sich entfernen sollte, was Bussa dringend wünschte. Ihre Großmutter war jedoch schon so an dieses Gebaren gewöhnt, dass sie gar nicht auf Florian achtete.

Bussa staunte über die Größe des Schlosses, über die vielen großen Zimmer und Säle, die sich vor ihr auftaten, und über die altertümliche Pracht, die darin herrschte.

So kamen sie auch in einen großen, etwas düsteren Saal, in dem Florian, ohne zu fragen, sofort sämtliche Lichter andrehte. An allen Wänden dieses Saales hingen fast lebensgroße Gemälde der ganzen Ahnenreihe, eines neben dem anderen, Männer und Frauen.

Langsam ging Bussa an der Seite ihrer Großmutter diese Reihen entlang. Plötzlich blieb sie mit einem Ruck stehen und sah mit großen Augen zu einem Jugendbildnis ihres Vaters empor.

„Großmutter, das ist doch mein Vater?“

„Ja, Bussa. Einige Jahre, bevor er uns verließ, ist dieses Bild gemalt worden, und alle fanden es ausgezeichnet und ganz naturgetreu.“

Tief seufzte Bussa auf, und ihre Augen wurden feucht. „Wie froh, wie glücklich er aussieht! O Großmutter, wie konnte ein so sonniger Mensch so unglücklich werden? Soll man da nicht Angst vor einer Ehe bekommen, wenn sie sich so auf einen Menschen auswirken kann?“

Die alte Dame war von dem Jammer, der in ihren Worten und ihrem Blick lag, tief erschüttert. Sie legte den Arm um die Schultern ihrer Enkelin und drückte sie an sich.

„Mein liebes Kind, es bekümmert mich tief, dich so traurig zu sehen. Die unglückliche Ehe deiner Eltern hat auch auf dich ihre Schatten geworfen. Wie war es nur möglich, dass diese Ehe, die so im Überschwang geschlossen, die mit so schweren Opfern erkämpft wurde, so unglücklich werden konnte?“

„Das ist auch mir immer ein Rätsel gewesen. Aber du hast Recht, dies alles warf einen düsteren Schatten auf meine Jugend. Ich hatte meine Eltern doch beide lieb und musste hilflos zusehen dass sie sich immer weiter auseinander lebten. So fremd waren mir die Eltern, Großmutter – zuweilen sehnte ich mich bis zur Verzweiflung danach, dass sie mir nur einmal liebevoll über den Kopf gestrichen hätten.“

Die Gräfin hatte Florian mit einem Wink aus dem Ahnensaal gewiesen, so waren sie allein. Und die Großmutter umarmte ihre Enkelin mit der ihr eigenen Gefühlswärme. Leise und kosend strich sie über das goldbraune Haar Bussas.