Hedwig Courths-Mahler Großband 5 - Sammelband - Hedwig Courths-Mahler - E-Book

Hedwig Courths-Mahler Großband 5 - Sammelband E-Book

Hedwig Courths-Mahler

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Beschreibung

10 spannende Liebesromane lesen, nur 6 bezahlen!

Über 800 Seiten voller Romantik und Herzenswärme in einem Band!


Hedwig Courths-Mahlers "Märchen für Erwachsene", wie sie ihre Romane selbst nannte, sind ebenso zeitlose Klassiker wie die Themen, die sie behandeln: die Liebe, ihre Gefährdung und deren Überwindung, die Verwirrung der Gefühle und der Weg zum Glück.

Seit über 100 Jahren verzaubert sie ihre Leserinnen und Leser mit ihren wundervollen Geschichten immer wieder neu, und mit einer Gesamtauflage von über 80 Millionen Exemplaren gilt Hedwig Courths-Mahler heute als DIE Königin der Liebesromane.


Großband 5 enthält die Folgen 41 - 50.


Zehn Geschichten, zehn Schicksale, zehn Happy Ends - und pure Lesefreude!

Jetzt herunterladen und sofort eintauchen in eine heile Welt, in der die Liebe noch regiert.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 1672

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv: shutterstock/Pandorabox ISBN 978-3-7325-5724-0

Hedwig Courths-mahler

Hedwig Courths-Mahler Großband 5 - Sammelband

Inhalt

Hedwig Courths-MahlerHedwig Courths-Mahler - Folge 041Nach dem Tod seines Vaters steht Hans Rochus von Rochsberg vor dem Nichts. Schloss Rochsberg ist völlig verschuldet. Hans bleiben nur zwei Möglichkeiten: Entweder er verlässt die Heimat, oder er heiratet eine reiche Frau. In dieser Situation bietet ihm der Bankier Ravenport die Hand seiner Tochter Ruth. Dieses Angebot klingt sehr verlockend, aber ein schönes, reizendes Mädchengesicht taucht vor Hans auf: Hilde Sontheim. Sein Herz steht in Flammen für das schöne Geschöpf, doch Hilde ist so und so für ihn verloren, denn sie ist ebenfalls arm. So nimmt denn Hans den Vorschlag des Bankiers an, wenn auch schweren Herzens ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 042Armin von Leyden hat eine bittere Enttäuschung erlebt. Die Frau, die er von ganzem Herzen liebte, hat sich mit einem reichen Mann verheiratet, der ihr mehr bieten kann als der arme Assessor von Leyden. Armin ist verzweifelt. Da trifft völlig überraschend die Nachricht ein, dass der alte, verbitterte Schlossherr von Burgwerben ihn zum Alleinerben bestimmt hat. Allerdings enthält das Testament eine Klausel: Armin muss innerhalb eines Jahres heiraten. Aber nie, so glaubt er, wird er noch einmal einer Frau vertrauen, sie lieben können. Doch da führt ihm das Schicksal die zauberhafte Eva-Maria in den Weg ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 043Diana von Dorneck ist sehr früh Waise geworden. Ihr gehören grosse Ländereien und ein wunderschönes Herrenhaus. Doch Reichtum und Luxus bedeuten ihr nichts. Das Einzige, wonach sie sich sehnt, ist Liebe - Liebe, die von ganzem Herzen kommen soll. Aber echte Zuneigung findet sie nur bei ihrem Vormund Hermann von Steinach. Als Diana plötzlich schwer erkrankt und glaubt, nun sterben zu müssen, hat sie nur einen einzigen Wunsch: Sie möchte Hermann von Steinach uneingeschränktes Wohnrecht auf Gut Dorneck sichern. Das kann sie aber nur, wenn sie Steinachs einzigen Sohn Lothar dazu bringt, sie zu heiraten ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 044Maria Jung hat in ihrem jungen Leben schon viel Leid erfahren. Ihr Vater wurde des Mordes an einem Kollegen beschuldigt und starb im Zuchthaus. Als Maria siebzehn war, verließ auch die Mutter sie für immer. Nun steht das junge Mädchen allein und mittellos in der Welt. Verzweifelt sucht Maria eine Stellung. Aber immer wieder scheitern ihre Bemühungen daran, dass sie die Tochter eines Zuchthäuslers ist. Deshalb kommt es ihr wie ein Geschenk des Himmels vor, als Frau von Kroneck sie als "Mädchen für alles" einstellt. Doch alles Leid, das Maria bisher erfahren hat, soll verblassen vor dem, was sie auf Gut Kroneck erleben wird ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 045Seit dem Tod ihrer Eltern lebt Flavia Janotta bei ihrem Onkel, dem Großindustriellen Rittberg. Der Onkel und seine Frau behandeln Flavia wie ein eigenes Kind und auch Rittbergs einziger Sohn Hans ist dem Mädchen wie ein echter Bruder zugetan. Er ahnt nicht, dass Flavia ihn ganz anders liebt und dass es ihr fast das Herz bricht, als Hans in die Netze einer leichtfertigen Schauspielerin gerät. Doch die bildhübsche Steffa treibt ein schändliches Spiel mit dem stattlichen jungen Mann - ein Spiel, in das auch Flavia mit hineingezogen wird ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 046Britta Lossen ist überglücklich, als sie eine Stellung als Gesellschafterin bei der reichen, geschiedenen Claudine Steinbrecht erhält. Doch schon bald merkt sie, dass ihre Herrin eine verbitterte, vom Leben enttäuschte Frau ist. Einst hat Claudine ihren Mann durch ihr ständiges Misstrauen aus dem Haus getrieben. Und ausgerechnet Britta ist die Tochter dieses Mannes. Nie hat Claudine den Maler Heinz Lossen vergessen können. Eine heiße Zuneigung zu seiner Tochter aus zweiter Ehe erwacht in der einsamen Frau. An Britta will sie gutmachen, was sie ihrem Vater antat. So entschließt sie sich, das junge Mädchen zu adoptieren und es zu ihrer Alleinerbin zu bestimmen. Claudine ahnt nicht, dass ihre Bestimmungen zu einer Quelle des Leids für Britta werden sollen ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 047Kommerzienrat Hochstetten ist der reichste Mann weit und breit. Bereitwillig hilft er seinen Nachbarn, wenn sie in eine Notlage geraten. Doch trotz seiner Hilfsbereitschaft verachten ihn die adeligen Gutsbesitzer als bürgerlichen Emporkömmling. Hochstettens Tochter Renate leidet besonders darunter. Aus dem liebenswerten jungen Mädchen wird nach und nach immer mehr eine kaltherzige, spöttische Verführerin, die die jungen Adeligen in ihre Netze zieht, um sie hernach kalt lächelnd abzuweisen. Das ist ihre Art, sich für die Herabsetzung, die ihrem Vater widerfährt, zu rächen. Einer allerdings lässt sich nicht verführen: Heinz von Letzingen. Und gerade er treibt Renate damit fast bis zur Weißglut. Das Mädchen weiß nicht, dass der junge Baron ganz andere Pläne mit ihr hat ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 048Die hübsche Traute Ramin lebt schon von Kindheit an auf Gut Grundhof, das sie von ihren Eltern geerbt hat. Dort verbringt sie den größten Teil des Jahres in ziemlicher Zurückgezogenheit. Doch ganz abrupt hat diese Ruhe ein Ende: In die bisher unbewohnte Villa Martens, die in der Nachbarschaft von Gut Grundhof liegt, zieht ein Amerikaner ein: John Knight. Wie im Sturm fliegt dem stattlichen Mann Trautes Herz zu. Aber schon bald werden dunkle Wolken ihr berauschendes Glücksgefühl überschatten, denn ein Geheimnis umgibt John, das Trautes Liebe schon bald auf eine harte Probe stellen wird ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 049Frei und ungebunden lebt Ursula Erlenforst auf dem Gut ihres Vaters. Sie ist eher schroff als liebenswürdig, gilt als unbändig und herrisch und wird in der ganzen Umgebung die "wilde Ursula" genannt. An Bewerbern fehlt es dem reichen jungen Mädchen nicht, aber noch ist ihr Herz unberührt. Das ändert sich mit einem Schlag, als sie den etwas verbittert wirkenden Will Vollrat kennenlernt. Doch Professor Vollrat hat sich eine schwere Schuld aufgeladen, die es ihm unmöglich macht, um Ursula zu werben ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 050Rosemarie von Salten führt zusammen mit ihrer Mutter ein sehr luxuriöses Leben. Immer sind sie auf Reisen und übernachten in den teuersten Hotels. Vor Kurzem nun sind die beiden in Kairo eingetroffen. Hier lernt Rosemarie die Brüder Fred und Magnus Ritter kennen, zwei junge deutsche Fabrikanten. Fred verliebt sich Hals über Kopf in das bezaubernde Mädchen. Er ist schon entschlossen, um Rosemaries Hand anzuhalten, als er etwas Entsetzliches erfährt, das es ihm unmöglich macht, sie zur Frau zu nehmen ...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Der stille See

Vorschau

Der stille See

Roman um eine Vernunftehe und ein liebendes Frauenherz

Rochus von Rochsberg war soeben in der Familiengruft beigesetzt worden. Ein glänzendes Trauergefolge war hinter seinem Sarg hergeschritten. Hohe Würdenträger des Landes, Vertreter der herzoglichen Familie und Mitglieder der ersten Gesellschaft – sie schritten nun einzeln oder in Gruppen die breite Kastanienallee hinab, die von der Kapelle zum Schloss führte. Dort wurde ein auserlesenes Frühstück serviert.

Hans Rochus, der einzige Sohn des Verstorbenen, empfing die Gäste; er wurde darin unterstützt von der verwitweten Frau von Sontheim, einer entfernten Verwandten des Hauses. Seine schlanke, kräftige Gestalt hielt sich straff und aufrecht, und der Kopf mit den tief liegenden, stahlblauen Augen und dem kurz geschnittenen Haar saß stolz auf den breiten Schultern. Hans Rochus hatte in seinem Vater auch einen Freund verloren, und zwar einen, der trotz seines Alters das Leben ungestümer, feuriger genoss als der Sohn. Man wusste in den beteiligten Kreisen längst, dass die beiden Rochsbergs über ihre Verhältnisse lebten. Wie schlecht es aber wirklich um Schloss Rochsberg stand, ahnte kein Mensch. Bis zum letzten Atemzug des Verstorbenen war alles aus dem Vollen gegangen, glänzende Feste wurden gefeiert, große Jagden abgehalten, und das Schloss wurde nicht leer von anspruchsvollen Gästen. Auch sonst versagten sich die beiden Herren keinen Lebensgenuss. Der alte Herr war unverbesserlich leichtsinnig und huldigte dem Wahlspruch: Nach uns die Sintflut. Sein Sohn, der zuweilen Bedenken geltend machen wollte, wurde immer wieder durch die übermütige Stimmung seines Vaters in das alte verschwenderische Treiben mit hineingerissen.

Und nun hatte der Tod jäh seine Hand nach dem Mann ausgestreckt, dessen nimmersatter Lebenshunger nie völlig gestillt worden war. Ganz plötzlich hatte ihn eine Lungenentzündung hinweggerafft, vielleicht gerade noch zur rechten Zeit, ehe der Ruin über ihn hereinbrach.

Das Trauergefolge verabschiedete sich nach dem Frühstück. In langen Reihen fuhren die Equipagen nach der Stadt zurück.

Zuletzt waren nur noch Frau von Sontheim mit ihrer schönen Tochter Hilde und ein Freund des Hauses, Baron Kracht, zurückgeblieben. Die alte Dame mit dem kalten, konventionellen Gesichtsausdruck wandte sich an ihren Neffen.

„Fährst du mit uns zur Stadt, Hans Rochus?“

„Nein, Tante, ich habe noch einiges hier zu ordnen. Doch kannst du ruhig mit Hilde meinen Wagen benutzen. Ihr schickt ihn wieder zurück, dann ist er immer noch zeitig genug für mich hier.“

Baron Kracht trat hinzu.

„Wenn ich die Damen in meinem Wagen nach Hause fahren dürfte, wäre das unnötig.“

Das kalte Gesicht der alten Dame belebte sich.

„Ah, sehr liebenswürdig, Herr Baron. Hörst du, Hilde, Baron Kracht will uns begleiten.“

Hilde hatte in lässiger Grazie vom Fenster aus der Abfahrt der Gäste zugesehen. Nun wandte sie sich um und trat zu den anderen.

Sie war eine berückend schöne Erscheinung. Das elegante Trauerkostüm schmiegte sich um ihren schlanken, geschmeidigen Körper, dessen Formen wundervolles Ebenmaß verrieten. Ihr Gesicht war fein geschnitten. Sie hatte einen blütenklaren Teint, eine schmale, gerade Nase und braune Augen mit einem seltsam lockenden, faszinierenden Ausdruck.

Mit einem Lächeln, das Kracht die Röte in das gutmütige, etwas derbknochige Gesicht trieb, sah sie zu ihm auf und nahm dankend sein Anerbieten an. Während Kracht Frau von Sontheim seinen Arm reichte und sie hinausführte, hing sich Hilde in Hans Rochus’ Arm und sah mit einem heißen Blick in seine Augen.

„Armer Hans Rochus! Steht es wirklich so schlimm um eure Finanzen?“, fragte sie leise.

Er sah in ihre lockenden, irrlichternden Augen und presste ihren Arm fest an sich.

„Ich fürchte, es kann nicht schlechter werden.“

„Was soll dann aber aus dir werden?“

Er zuckte die Achseln und seufzte tief.

„Ravenport ist noch hier. Ich habe ihn gebeten, in Papas Arbeitszimmer zu warten, bis alle Gäste fort sind. Vielleicht kann ich noch eine Summe flüssig machen, die mich einige Zeit über Wasser hält. Rochsberg ist so und so für mich verloren, wenn nicht ein Wunder geschieht.“

Hilde seufzte.

„Schade um den feudalen alten Bau. Wir haben so manche glückliche Stunde in ihm verlebt.“

„Ja, und vielleicht schon in kurzer Zeit wird hier ein reich gewordener Parvenü alle Spuren von einst verwischen.“

Die junge Dame seufzte wieder. „Ach, Hans Rochus, dass wir so arm sind, wir beide. Wenn ich dir doch helfen könnte!“

Sie sah zärtlich zu ihm auf. Wieder presste er ihren Arm an sich. „Dass ich dich aufgeben muss, ist das Härteste, Hilde. Ich hatte es mir so schön gedacht, mit dir zusammen durchs Leben zu gehen“, sagte er gepresst.

„Daran ist leider nicht zu denken, Hans Rochus, wir müssen vernünftig sein“, erwiderte sie leise.

Ein Schatten flog über sein Gesicht. Hatte er eine andere Antwort erwartet? Hatte er gehofft, das schöne Mädchen würde zu ihm sagen: „Was auch kommen mag, ich gehöre zu dir.“

Er vermochte nicht mehr zu antworten, sie hatten den Wagen erreicht. Frau von Sontheim hatte schon Platz genommen. Hans Rochus gab Hildes Arm frei und trat mit einer Verbeugung zurück, während Kracht ihr in den Wagen half und sie sorgsam in die weiche Pelzdecke einhüllte. Es war ein frostig kalter Novembertag.

Kracht verabschiedete sich herzlich von Hans Rochus, und einige Sekunden später rollte der elegante Wagen davon.

***

Hans Rochus warf einen Blick hinunter auf den See, der sich am Fuß des Rochsbergs lang und schmal dahinstreckte. Ringsum lagen freundliche Wohnhäuser, weiter hinten nach dem Wald zu sogar einige elegante Villen. Die Städter hielten vielfach ihre Sommerfrische in Rochsberg ab. Das hatte das reizend gelegene Dorf reich gemacht, während die Besitzer von Rochsberg von Jahr zu Jahr mehr verarmten.

Hans Rochus sah jetzt ernst und finster aus. Sein Blick glitt die Kastanienallee hinunter nach der Kapelle, in der die Rochsbergs ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten.

„Es ist gut, Vater, du brauchst den Rest nicht zu erleben“, sagte er wie in tiefe Gedanken verloren. Dann ging er ins Schloss zurück.

Er durchschritt die große Halle und stieg die breite, mit Teppichen belegte Steintreppe empor. Im ersten Stock betrat er das Arbeitszimmer seines verstorbenen Vaters. Es glich mit seiner warmen, behaglichen Ausstattung mehr einem molligen Ruheplätzchen. Und das war wohl auch seine hervorragende Bestimmung gewesen. Zu arbeiten pflegte der Verstorbene nie. Er unterschrieb mit lässiger, liebenswürdiger Miene, was ihm sein Inspektor oder sein langjähriger Bankier, Peter Ravenport, an Papieren zur Unterschrift vorlegte, ohne es zu prüfen. Wenn er nur die gewünschten Gelder erhielt, dann war alles gut.

Als Hans Rochus eintrat, löste sich vom Fenster eine hagere, schwarz gekleidete Männergestalt und schritt ihm entgegen. Es war Peter Ravenport, der Bankier. Sein blasses, scharf geschnittenes Gesicht war bartlos und von grau meliertem Haar umrahmt. Aus seinen hellen, stechenden Augen flog ein prüfender Blick zu dem jungen Mann hinüber.

Hans Rochus reichte ihm die Hand.

„Ich danke Ihnen, dass Sie geblieben sind, lieber Herr Ravenport.“

Peter Ravenport räusperte sich diskret.

„Das wäre auch ohne Ihre Bitte geschehen. Ich habe Dinge von Wichtigkeit mit Ihnen zu besprechen.“

Hans Rochus schob ihm mit einladender Bewegung einen Stuhl hin und bot ihm Zigarren an. Peter Ravenport ließ sich nieder, dankte jedoch für die Zigarren.

„Ich rauche nie, Herr Rochus.“

„Ah so – pardon – ich vergaß.“ Hans Rochus stellte die Zigarren wieder fort. Mit einem müden Blick über den winterstarren Schlosspark ließ er sich am Fenster Ravenport gegenüber in einen Sessel gleiten.

„Also die leidigen Geschäfte, mein lieber Herr Ravenport. Wie immer ist der langen Rede kurzer Sinn: Ich brauche Geld, möglichst viel. Die Beisetzungsfeierlichkeiten haben wieder eine große Summe verschlungen. Ich konnte es mir aber nicht versagen, meinen Vater auf seinem letzten Weg noch einmal mit all dem Glanz zu umgeben, der ihm Lebensbedingung war.“

„Und Ihnen? Ist dieser Glanz nicht auch Ihnen Lebensbedingung?“, fragte Ravenport mit einem eigentümlich forschenden Blick. Hans Rochus stieß einen tiefen Seufzer aus.

„Ich habe nie ein anderes Leben kennen gelernt. Manchmal kamen mir ernste Gedanken an die Zukunft, und ich versuchte, meinen Vater zu einer anderen Lebensführung zu bekehren. Aber Sie kannten ja seine übersprudelnde Art. Er scherzte meine Bedenken weg, schalt mich einen Sauertopf und lachte mich aus. Da blieb alles beim alten. Aber das brauche ich Ihnen ja alles nicht erst zu erzählen.“

„Allerdings nicht. Ich kenne Sie und Ihren Herrn Vater lange genug und weiß, dass Sie eigentlich in einem umgekehrten Verhältnis zueinander standen. Er war trotz seines Alters der Jüngere, der einer Leitung bedurft hätte. Leider hatten Sie nicht die Autorität eines Vaters über ihn. Sie nehmen mir, bitte, meine freie Meinung nicht übel.“

„Nein doch, Sie haben ja Recht. Aber lassen wir ruhen, was nicht zu ändern ist. Sagen Sie mir lieber, wie viel Sie für mich flüssig machen können.“

Peter Ravenport strich sich mit einer eigenartigen Bewegung über das spitze Kinn und kniff die Augen zusammen. Er antwortete nicht gleich. Erst nach einer Weile richtete er sich steif empor, legte die knöcherne Hand auf die Tischplatte und sagte:

„Es tut mir Leid, Ihnen sagen zu müssen, dass ich Ihnen keine noch so kleine Summe mehr zur Verfügung stellen kann.“

Hans Rochus zog die Stirn zusammen und wurde sehr bleich. „Soll das heißen, dass Sie meine Geschäfte nicht mehr führen wollen?“ Ein leises, ironisches Lächeln glitt über Ravenports Gesicht.

„Es soll heißen, dass es für Sie keine Geschäfte mehr zu führen gibt“, antwortete er ruhig.

Hans Rochus strich sich mit bebender Hand über das kurz geschnittene Haar und starrte wortlos vor sich hin.

Peter Ravenport nahm von neuem das Wort: „Ich muss Ihnen leider die sehr unangenehme Eröffnung machen, dass Ihr Besitz schon stark überschuldet ist. Aus alter Anhänglichkeit an Ihren Herrn Vater habe ich ihm und Ihnen bereits mehr Kapital zur Verfügung gestellt, als ich eigentlich verantworten kann. Ich habe Ihrem Herrn Vater noch vor einigen Wochen eine bedeutende Summe vorgestreckt und ihm dabei gesagt, dass es die letzte sein müsse. Er hat mich ausgelacht. Es war aber mein Ernst. Rochsberg ist mit über einer halben Million Schulden belastet. In seiner jetzigen Verfassung ist es kaum fünfhunderttausend Mark wert, das wissen Sie so gut wie ich.“

Hans Rochus fuhr auf.

„Eine halbe Million! Um Gottes willen, wie ist das möglich?“

Ravenport zuckte die Achseln. „Die Papiere, die meine Aussage bestätigen, befinden sich in dieser Mappe. Ich habe sie zur Prüfung mitgebracht.“

Er griff nach seiner schwarzen Aktenmappe und öffnete sie.

Hans Rochus winkte nervös ab. „Wie konnte nur eine solche Summe anwachsen?“, fragte er außer sich.

Ravenport breitete die Papiere aus.

„Als ich vor dreißig Jahren die Geschäfte Ihres Herrn Vaters übernahm, da lasteten schon von Ihrem Großvater her Hypotheken auf Rochsberg. Außerdem forderten Park und Schloss hohe Verwaltungsspesen. Die Landwirtschaft brachte zu wenig ein, um den Aufwand zu decken, zumal das beste Ackergelände und ein großer Teil des ertragsfähigsten Forstes verkauft werden mussten. So sind die Einkünfte immer geringer geworden, während die Ausgaben nicht eingeschränkt wurden. Sie wissen so gut wie ich, Herr Rochus, dass Ihr Herr Vater nie etwas von Sparen hören wollte, trotz meiner Ermahnungen. Und Sie selbst – bitte, hier liegen die Schuldscheine, die mit Ihrem eigenen Namen unterzeichnet sind.“

Hans Rochus lehnte sich mit untergeschlagenen Armen an den schönen, hohen Kamin und starrte düster vor sich hin. „Ich weiß – ich weiß – an Ermahnungen haben Sie es nicht fehlen lassen. Trotzdem ahnte ich nicht, dass die Verhältnisse so miserabel sind. Was soll ich nun tun? Helfen Sie, raten Sie mir, lieber Ravenport! Weiß Gott, ich hatte den festen Willen, vernünftig und sparsam zu leben. Nun, da mein Vater tot ist, hätte mich niemand in meinem Entschluss wankend machen können. Aber mit nichts kann ich doch unmöglich auskommen. Wissen Sie mir keinen Rat?“

Er trat an den Tisch heran und sah mit brennenden Augen in das kalte, unbewegte Gesicht des Bankiers.

Der alte Herr trommelte nachdenklich auf die Tischplatte. Dann sagte er ruhig:

„Rochsberg müsste verkauft werden. Ich glaube allerdings nicht, dass es fünfhunderttausend Mark bringt.“

Hans Rochus machte eine ungeduldige Bewegung.

„Damit wäre ja nicht einmal Ihre Forderung gedeckt.“

Er lachte krampfhaft auf. „Herrliche Aussichten! Selbst wenn ich Rochsberg drangebe, bleibt mir statt eines Überschusses eine Schuld! Wovon soll ich sie bezahlen? Und wovon leben? Ich fürchte, mein lieber Herr Ravenport, ich habe nur noch die Aussicht, mir eine Kugel in den Kopf zu schießen oder in Amerika als Kellner oder Straßenkehrer mein Dasein zu fristen. Eins so verlockend wie das andere.“ Es lag eine grimmige Selbstverhöhnung in seinen Worten.

Peter Ravenports Augenlider zuckten, und ein lauernder Blick flog zu dem jungen Mann hinüber. „Einem so glänzenden Kavalier bleiben noch andere Mittel, Herr Rochus“, sagte er bedächtig.

Der junge Mann sah ihn fragend an.

„Wissen Sie ein solches Mittel? Dann foltern Sie mich nicht erst lange!“

Ravenport sah auf seine Fingerspitzen herab. Dann blickte er auf in die erwartungsvollen Augen des anderen.

„Eine reiche Heirat“, sagte er langsam.

Hans Rochus seufzte enttäuscht. „Lieber Gott, die Millionärstöchter sind nicht so dicht gesät, dass man nur die Hand auszustrecken braucht. Und die Herren Väter wollen natürlich von ruinierten Schwiegersöhnen auch nichts wissen.“

„Es käme darauf an. Sie haben einen Namen von gutem, altem Klang und eine sympathische Persönlichkeit in die Waagschale zu werfen. Auch sind Sie trotz des gegenteiligen Scheines ein ernster und tüchtiger Charakter.“

Hans Rochus setzte sich nieder und stützte den Kopf in die Hände. „Das glaubt Ihnen kein Mensch. Wissen Sie nicht, wie wir beide, mein Vater und ich, im Volksmund heißen? Die tollen Rochsbergs! Der Name ist keine Empfehlung.“

„Ich kenne Sie gut genug, um zu wissen, dass Sie ihn nicht verdienen.“

„Gleichviel. Schließlich würden Sie sich auch bedenken, mir Ihre Tochter zur Frau zu geben, wenn Sie eine hätten.“

Peter Ravenport lächelte dünn. „Ich habe eine Tochter und würde mich nicht bedenken, sie Ihnen zur Frau zu geben.“

Hans Rochus fuhr empor und sah ihn erstaunt an.

„Sie haben eine Tochter? Davon habe ich nie etwas gehört.“

„Das glaube ich wohl. Meine Privatverhältnisse sind ja auch bisher ohne Interesse für Sie gewesen. Meine Tochter ist nach dem Tod meiner Frau sofort in ein französisches Pensionat in der Schweiz gekommen und lebt erst seit drei Jahren wieder in meinem Haus.“

„In dem grauen, düsteren Haus in der Marienstraße?“

„Ganz recht.“

„Das hat man den grauen Mauern freilich nicht angesehen, dass sich junges Leben dahinter verbirgt“, sagte Hans Rochus und fuhr dann seufzend fort: „Schade also, dass Sie nicht auch ein paar Milliönchen besitzen. Dann wäre mir vielleicht geholfen.“

Peter Ravenport streichelte sein Kinn und sah den jungen Mann forschend an. „Damit kann ich auch dienen.“

Hans Rochus sprang auf und trat dicht vor ihn hin.

„Sie treiben Ihren Scherz mit mir!“

„Nein.“

„So soll ich Ihre Worte als Ernst auffassen?“

„Ja. Ich bin bereit, Ihnen meine Tochter zur Frau zu geben.“

Hans Rochus fuhr sich über die Stirn. Ein matter Hoffnungsstrahl erhellte das Dunkel, das erdrückend auf ihm lastete.

„Aus welchem Grund kommen Sie mir mit diesem großmütigen Angebot entgegen?“

„Großmütig? Diese Tugend besitze ich nicht. Ganz offen – mich leitet der Ehrgeiz. Ich habe mich aus den kleinsten Verhältnissen emporgearbeitet, habe immer nur geschafft und gestrebt, ohne mir vom Leben einen anderen Genuss zu verschaffen, als den, vorwärts zu kommen. Mit achtunddreißig Jahren verheiratete ich mich. Meine Frau war vermögend, aber schlicht und einfach. Sie half mir, mein Gut zu vermehren. Leider starb sie nach zehnjähriger Ehe, und ich übergab meine einzige Tochter einem der vornehmsten Erziehungsinstitute, denn mein Ehrgeiz ging immer dahin, sie mit einem vornehmen Mann zu verheiraten. Sehen Sie – ich bin ganz offen. Mein Vermögen ist durch Sparsamkeit und glückliche Geschäfte auf einige Millionen angewachsen, ohne dass ich deshalb mein stilles, bescheidenes Leben aufgegeben hätte. Sie sind nun ganz der Mann, den ich für meine Tochter wünsche. Würden Sie mein Schwiegersohn, kämen all die verlorenen Ländereien wieder an Rochsberg zurück, denn ich habe sie bereits angekauft. Rochsberg würde wieder ertragsfähig, zumal ich dazu noch einiges Kapital vorschießen würde. Natürlich müsste für rationelle Bewirtschaftung gesorgt werden. Der alte Inspektor Seltmann hat viel verbummelt. Sein Nachfolger ist ja ein tüchtiger Mensch, aber das Auge des Herrn macht die Kühe fett; es wäre besser, Sie würden sich der Bewirtschaftung Ihres Besitzes widmen. Da Sie voriges Jahr bereits einmal den Wunsch äußerten, Rochsberg selbst zu verwalten, wird Ihnen das kaum unangenehm sein. Ihr Herr Vater setzte sich damals Ihrem Wunsch entgegen, weil er nicht wollte, dass Sie einen tieferen Einblick in die Verhältnisse gewinnen. Er fürchtete wohl Ihre Vorwürfe. – So, jetzt habe ich Ihnen alles auseinandergesetzt. Ich biete Ihnen mit der Hand meiner Tochter ihren schuldenfreien, komplettierten Besitz, Sie geben dafür meiner Tochter Ihren Namen. Da sie meine einzige Erbin ist, bleibt Rochsberg Ihren eventuellen Nachkommen erhalten. Auch brauchen Sie nicht zu fürchten, dass ich Sie zu einem knausernden, zurückgezogenen Leben verdammen will. Im Gegenteil, Sie sollen ein standesgemäßes Haus machen.“

Hans Rochus hatte aufmerksam zugehört. In tiefes Sinnen verloren, saß er da. Was Ravenport sagte, klang sehr verlockend für ihn, der schon alle Hoffnungen aufgegeben hatte. Aber ein süßes, reizendes Mädchengesicht tauchte vor ihm auf: Hilde Sontheim. Sie hatte ihn bestrickt mit ihrem verheißenden Lächeln, sein Herz stand in Flammen für das schöne Geschöpf. Aber hatte sie vorhin nicht selbst gesagt: „Wir müssen vernünftig sein.“? Sie war so und so für ihn verloren, denn sie war verwöhnt und arm. Auch sie würde nur einen reichen Mann heiraten. Sollte er sich deshalb die rettende Aussicht verscherzen? Was blieb ihm, wenn er nicht zugriff? Das Nichts! Halfen sich nicht viele seiner Standesgenossen durch eine reiche Heirat? Sollte er töricht die rettende Hand von sich stoßen, die sich ihm bot? Rochsberg sollte ihm erhalten bleiben, das liebe, alte Schloss, in dem all seine Erinnerungen wurzelten, sein Heimatboden, auf dem alle seine Vorfahren gelebt hatten! Ihm war zumute, als habe er Rochsberg noch nie mit so tiefer Liebe umfasst, als da er es verlieren sollte. Nein, das durfte nicht sein – um keinen Preis. Er richtete sich auf und sah Ravenport mit brennenden Augen an.

„Ihr Anerbieten ist so glänzend und verlockend, dass ich sofort mit beiden Händen zugreifen würde. Aber, obgleich mir scheint, dass Sie Für und Wider schon im Voraus reiflich erwogen haben, eins haben Sie wohl vergessen – Ihre Tochter selbst. Oder handeln Sie im Einverständnis mit ihr?“

Ravenports Gesicht nahm einen sonderbaren Ausdruck an.

„Nur weil Sie meine Tochter nicht kennen, ist es Ihnen möglich, ein solches Einverständnis vorauszusetzen.“

„Allerdings, ich habe nicht die Ehre, Ihr Fräulein Tochter zu kennen.“

Ravenport lächelte ironisch.

„Vielleicht glauben Sie, meine Tochter sei besonders hässlich oder sonst mit einem Makel behaftet. Das ist nicht der Fall. Sie ist wohl keine besondere Schönheit, ich kann das als Vater nicht klar genug beurteilen. Jedenfalls ist sie rank und schlank gewachsen, gesund an Leib und Seele, zweiundzwanzig Jahre alt und hat eine sorgfältige Erziehung genossen. Ich habe hier ihre Fotografie.“

Er holte aus seiner Brusttasche ein Bild und reichte es hinüber. Hans Rochus nahm es mit unbehaglichem Gefühl. Es zeigte ein fein gerundetes Mädchengesicht mit großen Augen, deren Ausdruck wie bei allen Fotografien etwas starr erschien. Man konnte auf diesem Bild sehen, dass das Original wohlgebildete Züge hatte, mehr nicht. In Hans Rochus’ Herzen regte sich nichts zugunsten von Peter Ravenports Tochter. Im Geist verglich er diesen Mädchenkopf mit Hilde Sontheims liebreizenden Zügen. Nach einer Weile gab er das Bild mit dankender Verneigung zurück. Peter Ravenport steckte es umständlich wieder fort und hüstelte leicht. Hans Rochus stand in tiefes Sinnen verloren am Fenster. Plötzlich wandte er sich dem Bankier zu.

„Gesetzt den Fall, ich sage ja zu Ihrem Vorschlag, so bleibt doch noch ein Bedenken, das ich vorhin schon berührte. Wird sich Ihr Fräulein Tochter nicht weigern, meine Hand anzunehmen? Sie kennt mich so wenig wie ich sie.“

„Meine Tochter ist an strengen Gehorsam gewöhnt“, erwiderte Ravenport überlegen. „Sie ist eine sehr passive Natur und wird sich in alles fügen, was ich für gut halte. Überhaupt“, ein unangenehmes, blasses Lächeln umspielte seinen Mund, „sie wird eine sehr bequeme Frau werden.“

Hans Rochus ging auf und ab. Es lockte ihn, Ravenports Vorschlag anzunehmen, obwohl er ihm noch nie so unsympathisch erschienen war wie heute. Besonders gut hatte er ihn nie leiden mögen, nur die Notwendigkeit hatte ihn dazu getrieben, geschäftlich mit ihm zu verhandeln. Er ahnte auch, dass Ravenport bei den Geschäften mit ihm und seinem Vater sehr auf seinen Vorteil bedacht gewesen war. Schließlich war es seinem Vater die Hauptsache gewesen, dass er Geld bekam, und er selbst verstand viel zu wenig von den Geschäften, um eine Kontrolle ausüben zu können. Jedenfalls blieb ihm aber jetzt nichts anderes übrig, als auf seinen Vorschlag einzugehen. Es musste ihm noch als ein großes Glück erscheinen, dass ihn Ravenport durch die Heirat mit seiner Tochter vor dem Ruin bewahren wollte. Sonst konnte er gleich heute noch als Bettler hinausziehen aus dem Schloss seiner Väter.

Ravenport hatte ihn scharf beobachtet. Nun erhob er sich langsam und lehnte sich mit untergeschlagenen Armen gegen den Tisch.

„Mir scheint, mein Vorschlag ist Ihnen nicht sympathisch. Dann ziehe ich ihn natürlich zurück. Ich meine es bei allem Ehrgeiz wahrlich auch gut mit Ihnen. Es tut mir Leid, dass ich Ihnen nicht anders helfen kann. In Ihrer Entscheidung will ich Sie aber nicht beeinflussen. Überlegen Sie sich in Ruhe die Angelegenheit und geben Sie mir in einigen Tagen Bescheid.“

Hans Rochus fuhr sich mit der Hand über die Stirn und blieb vor ihm stehen.

„Eine Bedenkzeit ist unnötig, Herr Ravenport. Wenn ich nicht gleich zusagte, so galt mein Zögern dem Umstand, dass ich fürchtete, Sie würden auf Ihr Fräulein Tochter vielleicht einen Zwang ausüben müssen.“

„Das lassen Sie meine Sorge sein. Meiner Tochter genügt es, dass ich diese Heirat für gut und richtig halte. Ich sagte Ihnen ja, sie ist sehr still und passiv. Übrigens mögen Sie sie ruhig fragen, ob ich irgendwelche gewaltsamen Mittel angewandt habe.“

„Gut, unter dieser Bedingung bin ich mit allem einverstanden“, sagte Hans Rochus. „Ich bitte also hiermit in aller Form um die Hand Ihres Fräulein Tochter.“

Ravenports Augen blitzten auf. Er reichte ihm die lange, knöcherne Hand.

„Ihr Antrag ist uns eine Ehre. Morgen Mittag erwarte ich Sie in meinem Haus, damit ich Ihnen Ruth zuführen kann.“

Hans Rochus verneigte sich. „Ich werde kommen. Eines möchte ich noch bemerken: Die offizielle Verlobung müsste der Trauer wegen wenigstens einige Wochen verschoben werden. Wenn auch besondere Verhältnisse ein besonderes Vorgehen rechtfertigen, einige Wochen möchte ich doch vergehen lassen, ehe ich meine Verlobung veröffentliche.“

Hans Rochus dachte dabei weniger an die große Gesellschaft, als an eine einzige Person – Hilde. Sie musste er erst langsam darauf vorbereiten, dass er eine Braut hatte. Wusste sie auch selbst, dass er nur ein reiches Mädchen heiraten konnte, es würde sie doch schmerzen, denn sie hatte ihn lieb; das hatten ihm ihre schönen, lockenden Augen oft genug verraten. Ravenport fand seinen Wunsch nur natürlich und war damit einverstanden. Er nahm langsam und bedächtig die ausgebreiteten Papiere wieder zusammen und barg sie in der Mappe.

„Das Geschäftliche können wir später ordnen. Sie werden heute ohnedies nach Ruhe verlangen.“

„Ich bin allerdings einigermaßen müde.“

Ravenport reichte Hans Rochus die Hand.

„So will ich mich verabschieden. Morgen Mittag, auf Wiedersehen.“

***

Peter Ravenport bewohnte schon seit vielen Jahren ein altes, zweistöckiges Gebäude in der Marienstraße. Im Parterre befanden sich die Geschäftsräume, im ersten Stock die bescheiden ausgestatteten Wohnräume. Sie enthielten noch dieselben schlichten Möbel, die bei Peter Ravenports Verheiratung hineingestellt worden waren. Das einzige neu angeschaffte Stück im so genannten „Salon“ war ein schöner Blüthnerflügel, den er seiner Tochter geschenkt hatte, damit sie mit dem Klavierspiel nicht aus der Übung kam. Er nahm sich recht fremd in der schlichten Umgebung aus, gleich der Tochter des Hauses, die mit ihren eleganten Toiletten und den feinen, schlanken Händen ganz aus dem Rahmen dieser Umgebung fiel.

Im zweiten Stock lagen die Schlafzimmer Ravenports und seiner Tochter, ein Zimmer für Fräulein Hebenstreit, die seit dem Tod der Frau Ravenport den Haushalt führte, und kleinere Räume für die Hausmädchen.

Fräulein Hebenstreit war eine stille, sanfte Person, die ohne viele Worte ihren Pflichten nachkam und sich als einzigen Luxus eine schwärmerische Verehrung für alles, was vornehm war, leistete. Sie las mit Vorliebe Hofnachrichten und wusste genau über alle Vorkommnisse in den hohen und höchsten Kreisen Bescheid. Wenn ihr auf ihren Ausgängen ein Hofwagen begegnete oder sie gar eine der hohen und höchsten Personen zu Gesicht bekam, dann ging sie mit einem erhabenen Gefühl nach Hause, als habe sie etwas Köstliches erlebt.

Für die Tochter ihres Brotherrn hegte sie eine starke, ehrliche Zuneigung, die sie aber scheu verschloss und nur bei ganz besonderen Gelegenheiten durchblicken ließ, während sie Ravenport selbst wohl respektierte, aber eigentlich nicht schätzte. Zwar hörte sie nie ein hartes Wort, er war höflich zu ihr wie zu allen Menschen. Aber bei dieser Höflichkeit fror Fräulein Hebenstreit innerlich immer ein wenig.

Als Ravenport von Rochsberg zurückkam, ging er ins Wohnzimmer, wo er seine Tochter anzutreffen hoffte. Sie saß, über eine Handarbeit gebeugt, am Fenster. Sie sah jedoch nicht auf und erwiderte seinen kurzen Gruß in gleicher Weise, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen.

„Leg deinen Strickkram beiseite, Ruth! Ich habe mit dir zu sprechen.“

Sie folgte sofort seinem Gebot. Kein Zug in ihrem Gesicht verriet eine besondere Erregung, nur die Hände legten sich fest ineinander, weil ein leises Beben ihre innere Unruhe hätte verraten können.

Ravenport beobachtete sie scharf. Etwas wie Unwillen glitt über sein Gesicht. Seine Finger drehten spielend an der goldenen Uhrkette. Endlich sagte er ruhig, fast geschäftsmäßig:

„Du bist nun in dem Alter, in dem junge Mädchen heiratsfähig genannt werden. Es hat sich auch ein Freier für dich bei mir gemeldet, der alle Eigenschaften besitzt, die ich von meinem künftigen Schwiegersohn erwarte. Ich habe ihm deine Hand bereits zugesagt. Du wirst mit der Wahl zufrieden sein, die dein Vater in weiser Fürsorge für dich getroffen hat.“

Er machte eine Pause. Ruth antwortete nicht. Sie saß mit gesenkten Augen da. Nur ein ruhiges Heben und Senken der Brust verriet, dass Leben in ihr war.

„Nun, du fragst mich nicht, wer dieser Freier ist?“

„Nein“, antwortete sie leise.

Peter Ravenport war gewöhnt, dass sie sich ruhig all seinen Befehlen und Anordnungen fügte. Dass sie aber auch bei dieser Gelegenheit kein Wort der Erwiderung fand, verursachte ihm einiges Unbehagen.

„Du fragst nicht, weil du wohl überzeugt bist, dass dein Vater eine gute Wahl für dich getroffen hat. Ich habe dich für ein vornehmes Leben erziehen lassen, weil ich dich mit einem vornehmen Mann verheiraten wollte. Also kurz und gut, Hans Rochus hat mich um deine Hand gebeten, und ich habe sie ihm zugesagt. Morgen Mittag wird er kommen, um persönlich bei dir seine Werbung vorzubringen.“

Ruth presste die Lippen fest aufeinander, und auf der Stirn erschien eine kleine Falte. Die Hände schlossen sich noch fester ineinander, und die Augenlider zuckten leise. Dieses Zeichen deutete ihm an, dass sie nicht so ruhig war, wie sie schien. Seine Gesichtsmuskeln spannten sich, als ob er sich auf einen Kampf vorbereiten müsste.

Ruth zwang aber schnell ihre äußere Unruhe zurück.

„Es ist gut, Vater“, sagte sie.

Er richtete sich nun doch überrascht auf. Diese glatte Fügsamkeit, ohne eine Frage, eine Einwendung, hatte er nicht erwartet.

„Du scheinst gar nicht überrascht zu sein?“, fragte er zögernd.

„Nein“, erwiderte sie kurz.

Er riss ungeduldig an seiner Uhrkette.

„Willst du mir dein sonderbares Benehmen nicht erklären? Wie kommt es, dass du es als so etwas Selbstverständliches annimmst, dass Hans Rochus um dich anhält?“

Ruth atmete tief auf.

„Muss ich dir darauf antworten Vater?“, fragte sie ernst.

„Gewiss. Dein Verhalten bei dieser Eröffnung ist so eigentümlich, dass ich dafür eine Erklärung erwarte.“

Das junge Mädchen schlug jetzt die Augen groß auf und sah dem Vater mit ernstem Ausdruck in das Gesicht, in dem sich eine nervöse Gereiztheit spiegelte.

„Ich habe schon lange gewusst, dass du mich dazu bestimmtest, Hans Rochus’ Gattin zu werden. Deshalb war ich nicht erstaunt über deine Eröffnung.“

Ravenport fuhr empor.

„Was hast du gewusst? Woher?“

„Muss ich auch das noch sagen, Vater? Es wäre mir lieber, du erließest mir die Antwort auf diese Frage.“

„Ich will es wissen!“, rief er scharf.

Ruth strich sich mit beiden Händen über die Stirn. Ein gequälter Ausdruck lag in ihrem Gesicht. Mit leiser Stimme begann sie dann:

„Es ist fast zwei Jahre her, da war ich einmal, ohne es zu wollen, Zeuge einer Unterredung, die du mit dem Rochsberger Inspektor Seltmann hattest.“

Ravenport zuckte zusammen und verfärbte sich. Seine Augen bohrten sich unruhig forschend in ihr Gesicht. „Was hast du gehört?“, fragte er heiser.

Sie seufzte tief auf.

„Dass du mit dem ehemaligen Rochsberger Verwalter Seltmann, der inzwischen ja wohl gestorben ist, auf unrechtmäßige Weise Verkäufe abgeschlossen hast, die einen großen Teil Rochsberger Grund und Boden für einen Spottpreis an dich brachten. Ich hörte, dass du Seltmann für seine Beihilfe bezahltest und ihm Anweisung gabst, wie er in seine Wirtschaftsbücher die Eintragungen zu machen hätte. Seltmann sagte dir, dass er sich Gewissensbisse machen würde, wenn du ihm nicht die Versicherung gegeben hättest, dass deine Tochter eines Tages die Frau Rochus’ sein würde. Dann käme ja alles wieder zu Rochsberg zurück.“

Sie hatte das alles gesagt, ohne auch nur einmal die Stimme zu heben. Ganz monoton kam es über ihre Lippen. Ravenport hatte sich vorgebeugt, als müsse er ihr die Worte vom Mund ablesen. Sein Gesicht war fahl geworden. Als sie geendet hatte, bewegte er einige Male in krampfhafter Art die Unterkiefer, ohne ein Wort hervorzubringen. Endlich fand er die Sprache wieder.

„Wie kamst du dazu, uns zu belauschen?“, stieß er heiser hervor.

„Ich war gegen dein Gebot in dein Zimmer gegangen, um mir etwas Schreibpapier, das ich brauchte, zu holen. Da hörte ich dich die Treppe heraufkommen und versteckte mich hinter dem Vorhang, hinter dem du in einer Nische allerhand Bücher und Akten aufbewahrst. Weil du um diese Zeit immer unten im Kontor warst, glaubte ich, du würdest gleich wieder hinuntergehen. Du tratest jedoch mit Seltmann ein und gingst nicht wieder fort. Ich schämte mich, vorzukommen. So blieb ich und hörte alles.“

„Und hast dir in deinem Unverstand wer weiß was für grausliche Dinge zusammenfantasiert. Von Geschäften verstehst du nichts.“

„Nein, aber ich kann Recht und Unrecht voneinander unterscheiden.“

Er fuhr auf.

„Willst du mir etwa Vorwürfe machen? Das wäre eine neue Art!“

„Gewiss nicht, denn Vorwürfe würden nichts ungeschehen machen“, erwiderte sie ruhig.

Er stand auf und trat ans Fenster. Mit finsterer Miene starrte er hinaus. Wütend war er auf sich selbst, dass er nicht genügend Vorsicht hatte walten lassen. Freilich, wer konnte daran denken, dass sich seine Tochter in seinem eigenen Zimmer versteckt hatte!

Nach einer Weile wandte er sich mit wiedergewonnener Ruhe nach ihr um.

„Was ich tat, geschah für dich, denn du bist mein einziges Kind, meine einzige Erbin.“

Ruth sah ihn schmerzlich an.

„Ich bin nicht anspruchsvoll und verlange nicht nach Glanz und Reichtum. Für mich hättest du die Hände nicht nach fremdem Gut auszustrecken brauchen.“

„Nein, du hast leider keine Spur von dem Ehrgeiz, der mich auf die Höhe gebracht hat.“

„Auf die Höhe?“, fragte sie traurig.

„Schweig! Deine Kritik verbitte ich mir! Denkst du, ich fürchte dich?“

Sie legte mit einer müden Bewegung den Kopf zurück.

„Von mir hast du auch nichts zu fürchten.“

Er atmete heimlich auf. „Natürlich nicht. Es wäre auch sehr sonderbar, dass ein Vater sich vor seinem Kind zu fürchten hätte. Lassen wir das also ruhen und kommen wir endlich auf den Hauptzweck der Unterredung. Du weißt also, dass Hans Rochus um deine Hand angehalten hat, und wirst ihm morgen dein Jawort geben.“

Ruth hatte den Blick wieder gesenkt und saß still und bleich vor ihm.

„Da es keine andere Möglichkeit gibt, Rochus alles, was ihm rechtmäßig gehört, zurückzugeben, so werde ich deinen Wunsch erfüllen“, sagte sie tonlos.

Ravenport atmete auf.

Eine Weile herrschte Schweigen zwischen ihnen. Es war ein schweres, drückendes Schweigen.

Beide fühlten, dass sie sich in dieser Stunde noch mehr entfremdet hatten. Nur um etwas zu sagen, fragte Ravenport endlich:

„Du kennst Hans Rochus wohl nicht? Ich meine vom Sehen. Er war doch zuweilen unten im Kontor bei mir.“

In Ruths Gesicht schoss plötzlich eine verräterische Röte. Trotzdem klang auch jetzt ihre Stimme ruhig.

„Ich habe ihn einige Male gesehen, als er ins Haus trat. Auch bin ich ihm zuweilen auf der Straße begegnet, wenn ich Besorgungen machte.“

„Und sonst weißt du wirklich nichts von ihm?“

Sie zögerte mit der Antwort. Endlich sagte sie: „Ich weiß, dass man ihn und seinen Vater die ‚tollen Rochsbergs‘ nennt. Dass er ein glänzender Kavalier und überall beliebt ist, liest man in den Zeitungen.“

„Dazu kann ich dir nur sagen, dass er den Namen ‚der tolle Rochsberg‘ durchaus nicht verdient, den hat ihm lediglich sein Vater eingetragen. In Hans Rochus steckt ein tüchtiger Kern, und da er nun dem verderblichen Einfluss seines Vaters nicht mehr ausgesetzt ist, wird er sich solider entwickeln. Jedenfalls wird er sich der Bewirtschaftung seines Besitzes widmen. Du siehst, ich habe trotz allem auch nicht vergessen, darauf zu achten, welche Eigenschaften dein künftiger Gatte besitzt. Du wirst bei einiger Klugheit gut mit ihm auskommen, denn er ist sehr gutmütig.“

„Das weiß ich“, sagte Ruth leise. Er blickte sie unsicher an.

„Auch das weißt du?“

Sie erhob sich und ging an ihren Fensterplatz zurück, um scheinbar gleichmütig ihre Arbeit wieder aufzunehmen.

„Du kannst dir denken, dass ich einiges Interesse für den Mann hegte, den du mir, wie ich wusste, zum Mann bestimmt hattest. Fräulein Hebenstreit hat mir erzählt, dass sie einmal dazu gekommen ist, wie Rochus einer armen Frau, die mit ihren Kindern und wenigen Habseligkeiten von einem Hauswirt auf die Straße gesetzt wurde, einen Hundertmarkschein in die Hand gedrückt hat. Ohne auf ihren Dank zu warten, ist er davongeeilt.“

Ravenport hatte mit ironischem Lächeln zugehört.

„Es sollte mich gar nicht wundern, wenn dieser Hundertmarkschein das letzte flüssige Geld gewesen wäre, das ihm in dem Augenblick zur Verfügung stand: Sonst hätte er wohl noch reichlicher gegeben.“

„Umso gütiger von ihm, dass er das Letzte hingab.“

„Ja, ja, er ist sehr impulsiv. Na, er scheint dir damit imponiert zu haben.“

„Jedenfalls zeugt es für seine Gutherzigkeit.“

Ravenport strich über sein Kinn und sah sie spöttisch an.

„Du scheinst sehr ideale Ansichten vom Leben zu haben. Nun meinetwegen. Dann wirst du dich mit deinem künftigen Gatten umso besser verstehen. Du sorgst wohl dafür, dass die Hebenstreit erfährt, dass wir morgen Mittag einen Gast haben. Umstände sollen nicht gemacht werden. Wir speisen wie jeden Tag.“

„Ich werde alles nach deinem Wunsch anordnen.“

Ravenport schritt zur Tür.

„Ich will vor dem Abendessen noch einmal ins Kontor hinunter. Bis später also.“

Er winkte ihr gleichgültig zu, als sei das alltäglichste Gespräch zwischen ihm und seiner Tochter eben beendet worden.

Ruth sah ihm nach mit einem schmerzlich grübelnden Ausdruck. Auch jetzt zeigten ihre feinen, stillen Züge keine besondere Aufregung, aber die Arbeit entglitt ihren Händen, und die schönen dunklen Augen blickten trübe.

Nach einer Weile erhob sie sich, um Fräulein Hebenstreit den Auftrag ihres Vaters zu übermitteln. Das alte Fräulein saß in ihrem Zimmer und besserte schadhafte Wäsche aus. Bei Ruths Eintritt blickte sie überrascht auf.

„Fräulein Ruth, Sie?“

Das junge Mädchen setzte sich ihr gegenüber.

„Vater schickt mich zu Ihnen, Fräulein Hebenstreit. Wir bekommen morgen Mittag einen Gast.“

Das alte Fräulein sah erstaunt auf.

„Einen Gast – einen Tischgast? Das ist doch – lieber Gott, Fräulein Ruth, das ist doch seit Jahren nicht vorgekommen. Wer kommt denn zu uns?“

„Herr Hans Rochus.“

Fräulein Hebenstreit stach sich vor Schreck in die Finger.

„Hans Rochus von Rochsberg, der tolle Rochsberg?“, fragte sie atemlos.

„Ja.“

Fräulein Hebenstreit legte die Arbeit aus den Händen. Ein Schauer des Entzückens flog über sie hin. Sie strich mit bebenden Händen über das glatt gescheitelte, grau melierte Haar, als würde sie schon im nächsten Augenblick von so vornehmen Herrschaften mit prüfenden Augen gemustert werden.

„Lieber Gott, Fräulein Ruth, er verkehrt ja beim Herzog, neulich hat er mit Prinzess Friederike getanzt. Ich habe es gelesen in der Zeitung: Und der kommt morgen zu uns zu Tisch? Ja, da muss ich mich sputen, um Himmels willen, da müssen wir doch ein festliches Menü zusammenstellen!“

Ruth musste über den Eifer lächeln.

„Lassen Sie sich nur Zeit, Fräulein Hebenstreit! Vater wünscht, dass wir speisen wie jeden Tag.“

Das alte Fräulein sah ganz entrüstet aus.

„Das geht doch nicht! Wenn ein so vornehmer Herr zu Tisch kommt. Was soll der bloß denken?“

„Sorgen Sie sich nicht darum! Vater wird schon wissen, weshalb er es so bestimmt.“

Fräulein Hebenstreit seufzte und strich an ihrem grauen Kleid, das die wohlgerundete kleine Gestalt umhüllte, herab.

„Ja, dann freilich, wenn Herr Ravenport es so haben will. Ach Gott, Fräulein Ruth, wenn das dem Herrn nur nicht zu gering ist! Der ist das doch ganz anders gewöhnt. In seinen Kreisen gibt es immer so fünf, sechs Gänge. Und wir haben bloß Suppe, Braten und Gemüse und eine Nachspeise. Wenn ich nur wenigstens einen Fisch einschieben dürfte!“

Sie sah ganz unglücklich aus. Ruth strich ihr sanft über die Wange.

„Es geht auch so.“

Fräulein Hebenstreit seufzte.

„Na, der kommt dann nie wieder zu uns. Und er ist ein so artiger Herr. Sie wissen doch, Fräulein Ruth, er hat doch die Witwe Martins so brav unterstützt. Und ich hätte ihm so gern gezeigt, dass ich auch in der feinen Küche Bescheid weiß.“

Ruth lächelte.

„Ich will dafür sorgen, dass er es auch so erfährt. Vielleicht passt es ein anderes Mal. Er wird jetzt wohl öfter zu uns kommen.“

„Wirklich? Ach, Fräulein Ruth, Sie sind doch ein lieber, guter Mensch! Und nicht wahr, Sie ziehen morgen ein recht schönes Kleid an, damit er sieht, dass Sie auch vornehm aussehen können wie die Damen, mit denen er sonst verkehrt. Vielleicht das mit den schönen, breiten Spitzen und der blauen gestickten Borte am Saum? Oder nein, lieber das graue mit den Seidenblenden; der Stoff schimmert wie Silber und ist so fein wie Spinnweben.“

„Gut, ich ziehe das graue Kleid an, um Sie über das Menü zu trösten.“

Fräulein Hebenstreits Augen glänzten.

„Das tröstet mich wirklich und wahrhaftig. Da möchte ich mal die Dame sehen, die vornehmer aussieht als Sie. Ach, Fräulein Ruth, Ihr Herr Vater ist doch nun so ein schwerreicher Mann. Wenn der nur wollte, dann könnten Sie auch auf Gesellschaftsbällen tanzen, das ist sicher.“

Ruths junges Gesicht war wieder ernst geworden.

„Meinen Sie, dass ich dann glücklicher wäre als jetzt?“

„Aber ja, Fräulein Ruth, aber ja! Da soll es ganz märchenhaft zugehen auf solch einem Ball. Ich gäbe ein Jahr meines Lebens darum, wenn ich bloß einmal zuschauen dürfte.“

Sie sah schon bei dem Gedanken daran ganz verklärt aus.

„Wie verschieden die Menschen das Glück auffassen!“, dachte Ruth, als sie ins Wohnzimmer zurückging. „Wenn Fräulein Hebenstreit erfährt, dass ich die Gattin Hans Rochus’ werde, wird sie mich glücklich preisen.“

***

Hans Rochus betrat am nächsten Mittag das Kontor Peter Ravenports, in dem er ihn auch bei früheren geschäftlichen Besuchen anzutreffen gewohnt war.

Ravenport erhob sich bei seinem Eintritt und ging ihm einige Schritte entgegen.

Hans Rochus sah etwas bleicher und ernster aus als sonst. Sein scharf geschnittenes Gesicht mit dem gebräunten Teint und den tief liegenden, sonst so strahlenden Augen verriet, dass er eine unruhige Nacht hinter sich hatte. Auf der Stirn hatte sich eine feine Falte eingegraben, und sein Blick war nicht so klar und sicher wie sonst. Seine schlanke, kraftvolle Gestalt hielt sich aber straff und aufrecht, und seine ganze Erscheinung machte einen vornehmen und eleganten Eindruck.

Ravenport hatte ihn mit einem forschenden Blick gestreift, während sie sich begrüßten. Sie wechselten einige höfliche Worte über das Wetter. Ravenport schob seinem Besucher einen Sessel hin. „Wenn es Ihnen recht ist, können wir noch einmal in aller Ruhe über unsere Angelegenheit sprechen. Haben Sie sich alles reiflich überlegt?“

In Hans Rochus’ Gesicht zuckte es unruhig.

„Ja“, erwiderte er ernst.

„Und das Resultat?“

„Ist dasselbe geblieben. Ich nehme Ihr Anerbieten an. Nur ein Bedenken ist stärker geworden – die Sorge, dass Sie auf Ihr Fräulein Tochter irgendeinen Zwang zu meinen Gunsten ausgeübt haben.“

Peter Ravenport strich sich lächelnd sein Kinn.

„Ich überlasse es Ihnen, meine Tochter selbst darüber zu fragen. Sie wird Ihnen der Wahrheit gemäß bestätigen, dass sie sofort und ohne Vorbehalt ihre Zustimmung zu der Verbindung gab, als ich ihr gestern Mitteilung von unserem Abkommen machte.“

Hans Rochus sah ihn forschend an.

„Sie willigt wirklich ein?“

„Ja, ohne ein Bedenken zu äußern.“

„Ich muss gestehen, das ist mir unbegreiflich. Fräulein Ravenport kennt mich doch ebenso wenig wie ich sie und beweist mir ein außerordentliches Vertrauen durch ihre Einwilligung.“

„Wie ich von ihr hörte, sind Sie ihr doch nicht ganz unbekannt. Sie hat Sie zuweilen ins Haus eintreten sehen und ist Ihnen auch sonst begegnet. Außerdem weiß sie durch einen Zufall, dass Sie einer armen Frau hundert Mark geschenkt haben. Das hat ihr anscheinend sehr imponiert.“

Hans Rochus errötete, als hätte man ihn auf einer schlimmen Tat ertappt. Es war ihm sehr unangenehm, dass jene Episode nicht ohne Zeugen geblieben war.

Ravenport lenkte schnell ab.

„Ehe ich Sie zu meiner Tochter hinauf begleite, haben Sie vielleicht die Güte, die wichtigsten Papiere mit mir durchzusehen.“

Hans Rochus winkte ab. Er war jetzt gar nicht in der Stimmung, sich auf Geschäfte zu konzentrieren, für die er ohnedies wenig Verständnis hatte.

„Lassen Sie doch! Diese Prüfung führt ja doch zu nichts. Dass ich ruiniert bin, weiß ich auch ohnedies, und diese Gewissheit kann die aufmerksamste Prüfung nicht aus der Welt schaffen.“

„Allerdings nicht.“

„Also sparen wir uns die nutzlose und unerfreuliche Mühe. Sie haben Vollmacht wie bisher.“

In Ravenports Augen zuckte es wie heimliche Befriedigung.

„Wie Sie wünschen. Dann bleibt nur noch eine Kleinigkeit zu regeln. Sie verlangten gestern eine Summe Geld von mir. Wie viel benötigen Sie? Ich will gleich einen Scheck ausfüllen in der gewünschten Höhe.“

„Sie sagten mir doch gestern, dass es Ihnen unmöglich wäre, mir noch Geld vorzuschießen?“

Ravenport machte einen missglückten Versuch, jovial auszusehen, und klopfte ihm lächelnd auf die Schulter.

„Jetzt liegen die Verhältnisse doch anders. Selbstverständlich sorge ich für einen standesgemäßen Unterhalt. Sie müssen mir schon in dieser Beziehung gestatten, Sie von heute an als meinen Schwiegersohn zu betrachten.“

„So lassen Sie uns zuvor zu Ihrem Fräulein Tochter gehen. Habe ich ihre Einwilligung, dann werde ich von Ihrem gütigen Anerbieten Gebrauch machen.“

„Wie Sie wünschen. Also bitte!“

Die beiden Herren schritten schweigend durch einige Geschäftsräume und dann die Treppe empor.

Ravenport öffnete die Tür zum Salon, in dem der schöne Flügel stand, und ließ seinen Besucher eintreten. Nachdem er die Tür hinter sich zugezogen hatte, ging er zu einer Seitentür, die zum Wohnzimmer führte und öffnete sie.

„Ruth, bitte, komm doch herüber!“, rief er hinein.

Das junge Mädchen hatte untätig am Fenster gesessen. Sie hatte Rochus ins Haus treten sehen und wusste, dass sie ihm gleich gegenüberstehen würde. Zeit genug, sich zu fassen, hatte sie gehabt. Scheinbar ruhig erhob sie sich und ging in den Salon hinüber.

Sie hatte wirklich das „Graue“ angezogen. Es war ein fein abgetöntes, elegantes Kostüm, das in weichen Falten ihre schlanke, hohe Gestalt umschmiegte.

Hans Rochus sah mit unruhigen Augen dem jungen Mädchen entgegen. Ihre Erscheinung überraschte ihn. Es lag etwas Schwebendes in ihrer Haltung, wohl durch den eigenartig langfließenden Schnitt ihres Kleides bestimmt. Sein Blick ruhte forschend auf dem blassen, stillen Gesicht, und ein erleichternder Atemzug hob seine Brust.

Ruth Ravenport sah weder unschön noch gewöhnlich aus, wie er heimlich gefürchtet hatte. Wenn sie auch keine blendende Schönheit war, wie zum Beispiel Hilde Sontheim, so hatte sie doch feine, angenehme Züge. Sie bewegte sich sicher, mit natürlicher Anmut und sah entschieden sehr distinguiert aus. Wäre er ihr an einem anderen Ort begegnet, hätte er sie für eine Dame aus feinen Kreisen gehalten.

während Ravenport die beiden jungen Leute bekannt machte, hob Ruth nur flüchtig die Lider und blickte ihn mit ihren ernsten Augen einen Moment an. Dann sah sie wieder zu Boden, und ihr Gesicht bekam etwas Starres, Lebloses.

Hans Rochus sprach einige formelle Worte der Begrüßung, und sie erwiderte sie ruhig und höflich. Er bemerkte dabei, dass ihre Stimme einen vollen, weichen Klang hatte.

Als er sich über ihre Hand neigte, um sie zu küssen, fühlte er, wie diese Hand leicht zurückzuckte. So berührte er sie kaum mit seinen Lippen und gab sie schnell wieder frei. Dann trat er von ihr zurück.

Ravenport half beiden über die peinvolle Situation hinweg, indem er einige allgemeine Phrasen hervorbrachte. Erst als er merkte, dass beide ihre Fassung wiedergefunden hatten, kam er auf den Kernpunkt der Sache.

„Herr Rochus ist, wie du weißt, gekommen, um dich zu fragen, ob du seinen ehrenvollen Antrag annehmen und ihm die Hand zum Bund fürs Leben reichen willst“, sagte er zu seiner Tochter. „Da dir und Ihnen eine ungestörte Aussprache erwünscht sein wird, werde ich inzwischen noch einige Geschäfte erledigen. Sie bleiben natürlich zu Tisch, lieber Rochus? Wir haben später doch noch einiges zu besprechen.“

Hans Rochus verbeugte sich zustimmend, und Ravenport ging hinaus.

Eine Weile standen sich die jungen Leute in peinlichem Schweigen gegenüber. Endlich raffte sich Hans Rochus auf. Zugleich machte Ruth eine Handbewegung und sagte höflich:

„Bitte, wollen Sie Platz nehmen!“

Sie setzten sich nieder, fast die ganze Breite des Zimmers zwischen sich. Hans Rochus sah zu Ruth hinüber und wartete vergeblich, dass sie die Augen aufschlug. Sie saß da, als ob sie gar keine Notiz von ihm nähme.

„Mein gnädiges Fräulein, eigenartige Verhältnisse führen uns zusammen – es ist mir nicht leicht, mich Ihnen verständlich zu machen. Ich sehe Sie heute zum ersten Mal. Trotzdem wage ich es, Sie um Ihre Hand zu bitten. Ich bin ein ruinierter Mann – ohne Ihres Herrn Vaters großmütiges Angebot müsste ich wie ein Bettler von Rochsberg gehen. Ihr Herr Vater bot mir nicht nur Hilfe, sondern auch die Hand seiner einzigen Tochter an. Ich habe nichts in die Waagschale zu werfen, als etwa meinen Namen und den ehrlichen Willen, Ihnen meine Dankbarkeit zu beweisen, wenn Sie wirklich einwilligen, meine Gattin zu werden. Dass Sie das wollen, hat mir Ihr Herr Vater versichert. Er sagte mir auch, dass Sie ohne Zwang freiwillig Ihre Zusage gegeben haben. Aber ich muss es von Ihnen selbst hören, gnädiges Fräulein. Wenn man irgendeinen Zwang auf Sie ausgeübt hat, wenn Sie irgendein Widerstreben gegen mich empfinden, so sagen Sie es mir offen. Sie dürfen auch in diesem Fall auf meine rückhaltlose Ergebenheit rechnen. Ich will lieber alle Konsequenzen auf mich nehmen, als Sie wider Ihren Willen an mich fesseln. Haben Sie Vertrauen zu mir und sagen Sie mir die Wahrheit!“

Er hatte mit ehrlicher Wärme zu ihr gesprochen und sah sie erwartungsvoll an.

Ruth schlug jetzt die Augen zu ihm auf. Sie waren matt und ausdruckslos, wie verschleiert, als wohne keine fühlende Seele dahinter.

„Ich habe ohne jeden Zwang meine Einwilligung gegeben“, sagte sie ruhig, scheinbar ohne jede Erregung.

„Sie erweisen mir damit ein großes Vertrauen, mein gnädiges Fräulein, und ich kann Ihre Güte kaum begreifen.“

Sie zog die Schultern ein wenig zusammen.

„Mein Vater wünscht die Verbindung. Ich bin gewohnt, ihm zu gehorchen. Er wird Sie besser kennen als ich, und ich füge mich ohne Widerstreben“, sagte sie.

Er sah auf seine Hände herab.

„Ein unbedeutendes, indolentes Geschöpf, sanftmütig, an Gehorsam gewöhnt und scheinbar zu bequem und passiv, für sich selbst zu denken“, dachte er im Stillen. Laut aber sagte er, indem er aufstand und an sie herantrat:

„Ich danke Ihnen für Ihre Güte, die mich vor Schlimmem bewahrt. Bitte, reichen Sie mir Ihre Hand zur Bekräftigung unseres Verlöbnisses!“

Sie erhob sich ebenfalls und legte ihre Hand in die seine.

„Danken Sie mir nicht – Sie sind mir keinen Dank schuldig“, sagte sie leise.

Er zog ihre Hand an seine Lippen.

„Ich hoffe, Ihnen durch mein Verhalten dennoch meinen Dank zu beweisen. Möge Sie Ihre Güte niemals reuen.“

„Das wird gewiss nie der Fall sein“, erwiderte sie fest.

Er sah sie mit forschenden Blicken an.

„Viele Ehen werden ohne die himmelstürmende Liebe geschlossen, und oft finden sich die Gatten doch im gegenseitigen freundlichen Verständnis. An meinem ehrlichen Willen dazu soll es gewiss nicht fehlen.“

„Wenn der gute Wille auf beiden Seiten da ist, übernommene Pflichten ehrlich zu erfüllen, ist schon viel gewonnen“, erwiderte sie.

„Und haben Sie diesen guten Willen, Ruth?“, fragte er dringend.

Die Röte schoss ihr ins Gesicht, als er sie beim Vornamen nannte. Sie fühlte es und wandte sich von ihm ab.

„Ich habe ihn“, sagte sie kühl, im Bestreben, ihre Unruhe zu verbergen.

Er sah ihr Erröten nicht, hörte nur den kühlen, fast abweisenden Ton.

„Anscheinend liegt ihr an meiner Person sehr wenig; sie will Besitzerin von Rochsberg werden, das scheint die Triebfeder ihrer Handlungsweise zu sein. Sie wird auch als solche sehr gut ihren Platz ausfüllen mit ihrer kühlen Gelassenheit.“

So dachte Hans Rochus, während er eine Unterhaltung begann, wie sie zwischen Menschen geführt wird, die sich eben erst kennen gelernt haben. Ruth ging äußerlich ruhig darauf ein. Sie wünschte aber sehnlich das Ende dieses Alleinseins herbei und atmete auf, als ihr Vater nach einer Weile wieder eintrat.

Bei Tisch wurden Einzelheiten über die Verlobung besprochen. Fräulein Hebenstreit, die sonst das Mittagessen mit Ruth und ihrem Vater gemeinsam einnahm, war nicht zu bewegen gewesen, sich mit Rochsberg zu Tisch zu setzen.

Sie sorgte nur aufgeregt und übereifrig dafür, dass die einfachen Speisen möglichst dekorativ aufgetragen wurden. Ruth stellte sie aber doch vor, als sie den Nachtisch hereinbrachte. Das alte Fräulein war ganz außer sich vor Aufregung. Einem so vornehmen Mann vorgestellt und von ihm mit einer liebenswürdigen Ansprache beehrt zu werden, das war für Ernestine Hebenstreit ein überwältigendes Ereignis. Sie war froh, als sie wieder draußen war und sich von dem erschütternden Vorgang erholen konnte.

Hans Rochus wunderte sich im Stillen über die bescheidene Häuslichkeit Ravenports. Ruth überstrahlte mit ihrer eleganten Toilette und ihrer vornehm lässigen Art ihre Umgebung. In Schloss Rochsberg würde sie ganz an ihrem Platz sein und manche hochgeborene Dame an äußerer Distinktion übertreffen. Und da fiel ihm ein, dass es ihr vielleicht darum zu tun sei, in der Gesellschaft präsentiert zu werden.

„Nach unserer Verheiratung muss ich Sie auch den allerhöchsten Herrschaften vorstellen, Ruth“, sagte er, sie scharf beobachtend.

In ihren Gesicht regte sich bei seinen Worten nichts.

„Ich hoffe, dass es mir gelingen wird, den Anforderungen gerecht zu werden, die Sie an Ihre künftige Gattin zu stellen berechtigt sind“, erwiderte sie ruhig.

„Entweder ist sie wirklich so gleichgültig und nur in blindem Gehorsam erzogen, oder aber – sie spielt Komödie, weiß sich zu beherrschen. Jedenfalls hat ihr Vater Recht, sie wird eine bequeme Frau sein und mich nicht sehr genieren. Und das ist alles, was ich unter den obwaltenden Umständen verlangen kann“, dachte Hans Rochus.

Dabei entging ihm das stolze Aufleuchten in Ravenports Augen. Ihn hatte die Andeutung, dass seine Tochter in der Gesellschaft vorgestellt werden würde, mit großer Genugtuung erfüllt. Er war jedenfalls der Zufriedenste bei dieser sonderbaren Verlobung.

Hans Rochus wünschte das Ende dieses Besuches so sehnlich herbei wie Ruth. Sie konnte nur mit Aufbietung aller ihrer Willensstärke ihre Ruhe behalten. Etwas in ihr lehnte sich auf gegen den furchtbaren Zwang, dem ihre Seele unterworfen war. Es war ihr in all der Zeit so einfach erschienen, dass sie durch eine Heirat Hans Rochus das zurückgab, was ihm der Vater genommen hatte. Nun aber empfand sie die übernommene Pflicht als kaum erträglich. Nicht, dass ihr Hans Rochus unsympathisch gewesen wäre. Im Gegenteil, seine ritterliche Art gefiel ihr, und seine ehrliche Besorgnis, dass man ihr Zwang angetan haben könnte, zeigte ihr, dass er seine Rettung nur ihrem freien Willen verdanken wollte. Aber gerade, dass er ihr Achtung abnötigte, machte ihr das Opfer, das sie bringen musste, schwerer, als sie gedacht hatte. Sie erkannte erst jetzt, was sie auf sich genommen hatte, und ihr Verlangen allein sein zu dürfen, wurde immer größer.

Hans Rochus aber dachte voll heißer Sehnsucht an Hilde. Wenn er doch bei ihr sein könnte, um ihr zu beichten, wie schwer ihm ums Herz war! Was würde sie sagen, wenn sie seine Verlobung erfuhr? Sie würde erblassen, und ihre schönen heißen Augen würden den Glanz verlieren. Und der Mund, der so neckisch lachen und plaudern konnte, er würde sich schmerzhaft verziehen. Aber tapfer würde sie sein, ihm das Herz nicht unnötig schwer machen. „Wir müssen vernünftig sein, Hans Rochus, für uns gibt es eben kein gemeinsames Glück“, würde sie sagen. Aber ob sie es je im Herzen verwand, dass er ihr verloren war? Dass er sie nie würde heiraten können, darüber waren sie sich ja einig gewesen, aber doch war es so süß, dieses uneingestandene Sehnen nach einander. Und an ein Ende hatte er nie denken mögen. Nun war es mit einem Mal da.

Drüben das kühl und gleichmütig blickende Mädchen war seine Braut, der Gedanke an Hilde war schon ein Unrecht an ihr. Sie konnte jetzt von ihm verlangen, dass er sich nur mit ihr beschäftigte. Niemals würde sie jedoch Hildes Stelle in seinem Herzen einnehmen, die unbedeutende, langweilige Bankierstochter. Die Brust wurde ihm zu eng, und gleich nach Tisch verabschiedete er sich von Ruth, und sobald er unten im Kontor noch die Geldangelegenheit mit Ravenport geregelt hatte, auch von ihm. Aufatmend trat er ins Freie und ging hastig davon.

Ruth hatte starr und still oben im Wohnzimmer am Fenster gesessen, mit zusammengepressten Händen und schmerzverzogenem Mund. Sie sah ihn aus dem Hause treten und beugte sich hastig zurück. Er dachte nicht daran, hinaufzusehen.

Ein tiefer Seufzer entfloh ihrer Brust.

Nach einer Weile erhob sie sich, um ihr Zimmer aufzusuchen. Erst musste sie draußen aber noch Fräulein Hebenstreit standhalten, die dem Sturm von Empfindungen Luft machen musste, der sie erschütterte. Endlich war Ruth allein – die Tür ihres Zimmers hatte sie hinter sich geschlossen.