Hedwig Courths-Mahler Großband 9 - Sammelband - Hedwig Courths-Mahler - E-Book

Hedwig Courths-Mahler Großband 9 - Sammelband E-Book

Hedwig Courths-Mahler

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Beschreibung

10 spannende Liebesromane lesen, nur 6 bezahlen!

Über 800 Seiten voller Romantik und Herzenswärme in einem Band!


Hedwig Courths-Mahlers "Märchen für Erwachsene", wie sie ihre Romane selbst nannte, sind ebenso zeitlose Klassiker wie die Themen, die sie behandeln: die Liebe, ihre Gefährdung und deren Überwindung, die Verwirrung der Gefühle und der Weg zum Glück.

Seit über 100 Jahren verzaubert sie ihre Leserinnen und Leser mit ihren wundervollen Geschichten immer wieder neu, und mit einer Gesamtauflage von über 80 Millionen Exemplaren gilt Hedwig Courths-Mahler heute als DIE Königin der Liebesromane.


Großband 9 enthält die Folgen 81 - 90.


Zehn Geschichten, zehn Schicksale, zehn Happy Ends - und pure Lesefreude!

Jetzt herunterladen und sofort eintauchen in eine heile Welt, in der die Liebe noch regiert.

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Seitenzahl: 1665

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv: iStockphoto/ruslanshramko ISBN 978-3-7325-6944-1

Hedwig Courths-mahler

Hedwig Courths-Mahler Großband 9 - Sammelband

Inhalt

Hedwig Courths-MahlerHedwig Courths-Mahler - Folge 081Nach dem Tod ihres Vaters kommt Rose Rietberg unter die Obhut ihres Onkels, der zugleich ihr Vormund ist. Onkel und Tante bereichern sich weidlich an Roses ererbtem Vermögen, und als nichts mehr davon übrig ist, benutzen sie das junge Mädchen auch als billige Arbeitskraft. Schließlich wollen sie die Nichte sogar noch an einen reichen Mann verheiraten, von dem sie sich selbst Vorteile versprechen. Jetzt aber ist es mit Roses Geduld vorbei. Heimlich flieht sie aus dem Haus ihrer habgierigen Verwandten. Sie ahnt ja nicht, was für ein abenteuerliches Schicksal sie draußen in der weiten Welt erwartet...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 082Valerie ist zutiefst erschüttert, als sie erfährt, dass sie nicht Dora Lorbachs Tochter ist, sondern das Kind einer armen Bauernfamilie. Frau Lorbach, selbst kinderlos, kaufte sie ihren Eltern ab. Umgeben von der zärtlichen Liebe ihrer vermeintlichen Mutter wuchs Valerie heran. Nun jedoch ist Frau Lorbach schwer erkrankt, und alles drängt sie dazu, ihr Testament zu machen, um Valeries Zukunft zu sichern. Aber es kommt nicht mehr dazu. Frau Lorbach stirbt, und da kein Testament vorhanden ist, erben ihre Verwandten alles, und Valerie geht leer aus. Getrieben von Einsamkeit und Sehnsucht, fährt das junge Mädchen in das kleine Dorf, in dem seine leiblichen Eltern leben. Dort aber gerät Valerie in einen Wirbel rätselhafter Ereignisse...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 083Die junge, hübsche Rony Larsen leidet unendliche Seelenqualen: Der aufgeschlossene und sympathische Don Reger hat ihr einen Heiratsantrag gemacht, doch ihr Stolz hat es ihr verboten, ihm ihre Liebe einzugestehen, obwohl ihm längst ihr Herz gehört. Cläre Flint, eine junge Engländerin, ist längst nicht so zurückhaltend: Sie kennt keine Skrupel und nutzt jede Gelegenheit, Don Reger für sich zu gewinnen. Und dann reisen alle drei nach Südafrika -Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 084Seit dem Tod ihrer Eltern lebt Käthe Rodeck in der Familie ihres Vormunds. Die kleinbürgerlichen Verhältnisse, die dort herrschen - auch im Umgang miteinander, bedrücken sie sehr. Nachdem auch noch Helmut, der einzige Sohn des Vormunds, im Zorn das Elternhaus verlässt, fühlt sie sich völlig vereinsamt. Aus dieser Einsamkeit heraus schenkt Käthe dem Liebeswerben des jungen Schauspielers Georg Wigand Gehör und wird schon bald darauf seine Frau. Spät, fast schon zu spät erkennt die junge Frau ihren verhängnisvollen Irrtum ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 085Ralf Tiefenbach ist in den furchtbaren Verdacht geraten, einen Menschen ermordet zu haben. Niemand glaubt den Unschuldsbeteuerungen des jungen Mannes. Und die Frau, die bezeugen könnte, dass er zur Mordzeit bei ihr war, schweigt, denn sie ist verheiratet, und niemand darf etwas von ihrer heimlichen Liaison zu Tiefenbach erfahren. Es steht schlimm um Ralf. Aber da meldet sich vor Gericht plötzlich ein junges Mädchen zu Wort und erklärt, dass er zu der fraglichen Zeit bei ihr gewesen sei. Wer ist dieses Mädchen? Und was mag es dazu bewogen haben, sich vor aller Öffentlichkeit der Schande preiszugeben?Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 086Wie ein Aschenputtel wird Britta Riedberg im Haus ihrer Verwandten gehalten, in das ihr Vater sie brachte, ehe er nach Übersee reiste, um sich dort eine neue Existenz aufzubauen. Da seit seiner Abreise keine Nachricht mehr von ihm kam, nehmen die Verwandten an, er sei tot, und sie behandeln Britta noch liebloser als zuvor. Klaglos verrichtet die junge Frau alle Arbeit, und still verschließt sie ihre Liebe zu Heinz Römer in ihrem Herzen, dessen Verlobung mit ihrer Kusine kurz bevorsteht. Dann aber wandelt sich Brittas Schicksal jäh: Ihr Vater kehrt als reicher Mann zurück ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 087Hilde Hartung ist noch unschlüssig, welchen ihrer beiden Bewerber sie erhören will: Richard Sundheim, der als Erbe seines reichen Onkels eine sehr gute Partie ist, oder den wohlhabenden Fabrikanten Ernst Frankenberg. Als Sundheim von seinem Onkel enterbt wird, ist es mit den Zweifeln vorbei: Sie reicht Frankenberg die Hand. Mit großer Sorge hat Hildes Stiefschwester Lore Darland das frivole Spiel ihrer Schwester beobachtet. Sie liebt Richard Sundheim im Stillen schon lange, und ihr junges Herz bangt um ihn -Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 088Eva Maria Wendland und ihr Bruder Hans leben seit vielen Jahren in Chile. Sie sind beide strebsam und fleißig; trotzdem reicht das Geld nicht aus, dass sich ihr Wunsch, in die deutsche Heimat zurückzukehren, verwirklichen ließe. Zum Freundeskreis der Geschwister gehört auch Arthur van Berge, ein Konsulatsangestellter. Er erfährt es als Erster, als den Wendlands eine große Erbschaft zufällt, und sofort ist er entschlossen, sich einen guten Anteil davon zu sichern. Zunächst bittet er Eva Maria, seine Frau zu werden. Doch als sie ihn abweist, ersinnt er einen teuflischen Plan -Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 089Während einer Museumsbesichtigung steckt Robert Folkner unabsichtlich eine wertvolle Münze in seine Tasche. Als er das Versehen bemerkt und die Münze zurückgeben will, ist es bereits zu spät. Niemand glaubt ihm, dass es unabsichtlich geschah. Von der Schule verwiesen, vom Vater als ehrloser Dieb verstoßen, flüchtet sich Robert zu seinem Onkel, der ihm eine Anstellung in Brasilien verschafft. Es sind harte Jahre, die Robert hier durchmachen muss, aber er hält durch. Er will nämlich nicht nur dem Vater beweisen, dass er ein ganzer Kerl ist, sondern auch Lena Sartourius, seiner geliebten Jugendfreundin ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 090Heimchen, so nennt Hans Malvenkamp zärtlich die junge Hausangestellte seiner Wirtin. Er liebt die hübsche Rena von ganzem Herzen. Aber der arbeitslose Architekt verheimlicht ihr seine Gefühle, da er ihr wegen seiner Armut kein sorgenfreies, glückliches Leben bieten kann. Eines Morgens ist Rena verschwunden, ohne ein Wort gesagt zu haben. Hans ist verzweifelt. Wo ist nur sein Heimchen? Welchen geheimnisvollen Grund gibt es für ihr Verschwinden? Plötzlich erhält der junge Architekt einen riesigen Bauauftrag aus Kanada. Wo ist nur jetzt die geliebte Frau, mit der er sein großes Glück teilen könnte?Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Verkaufte Seelen

Vorschau

Verkaufte Seelen

Spannender Roman der unvergessenen Schriftstellerin

Rose Rietberg war ein zwölfjähriges Mädchen, als ihr Vater starb, ihre Mutter hatte sie schon zwei Jahre früher verloren. Die Mutter war bei der Geburt eines Sohnes gestorben, den sie nach dreizehnjähriger Ehe ihrem Gatten schenkte, und der kleine Sohn folgte ihr am nächsten Morgen in die Ewigkeit!

Zwei Jahre nach dem Tod seiner Frau, genau an dem Tag, da sie ihm den Sohn geschenkt hatte, erlitt Albert Rietberg auf dem Weg zur Universität, wo er als Professor wirkte, einen schweren Autounfall. Er war Professor der Philologie, ein bekannter Sprachforscher, der vor seiner Verheiratung viele Länder bereist hatte und als ein Sprachgenie galt.

Der schwere Unfall, der ihn traf, brachte ihm den Tod. Es blieb ihm nur noch Zeit, sein Testament zu machen, in dem er seine Tochter zur Universalerbin seines beträchtlichen Vermögens einsetzte, und zu bestimmen, dass sein Vetter Herbert Rietberg, der einzige männliche Verwandte, den er noch besaß, Roses Vormund werden sollte. Dieser Vetter, schnell herbeigerufen, versprach ihm, seine Tochter treu zu behüten. Albert Rietberg traf noch einige Bestimmungen für Roses ferneres Leben. Er kannte seinen Vetter nicht sehr genau, hielt ihn aber für einen Ehrenmann, der zwar nicht mit Glücksgütern gesegnet war, sich aber in einer guten Stellung befand und in gesicherten Verhältnissen lebte. Und da er sein einziger Verwandter war, hielt er ihn am geeignetsten, Roses Vormund zu werden.

Der Vetter ihres Vaters brachte Rose zu seiner Frau. Diese nahm sie erst mit wenig Freude auf und schalt ihren Mann, dass er sich eine solche Last hatte aufbürden lassen. Rose hörte das, und es traf wie ein Dolchstich ihr armes, zuckendes Herz. Der Onkel übergab sie einer Dienerin und führte seine Frau in ein anderes Zimmer. Hier hatten die Gatten eine lange Unterhaltung, und als sie wieder zum Vorschein kamen, war die Tante völlig verändert. Sie kam Rose jetzt plötzlich mit einer überschwänglichen Freundlichkeit entgegen, aber das sensitive Kind empfand dieses so plötzlich veränderte Wesen als unecht und unwahr. Rose konnte kein Herz fassen zu dieser Frau, auch nicht zu dem Onkel, und nicht nur, weil sie bisher mit diesen beiden Menschen nur selten zusammengetroffen war und sie ihr ziemlich fremd waren. Nein, sie empfand instinktiv, dass die Liebenswürdigkeit ohne Wärme, die scheinbare Güte ohne Wahrheit war, und verschloss ihr Herz scheu vor diesen Menschen. Und das wurde nie anders, wenn sie sich auch still und gefügig zeigte. In ihr Inneres konnten diese Menschen nicht dringen, das hielt sie vor ihnen verschlossen, obwohl sie nicht gehört hatte, was Onkel Herbert an jenem Tag mit seiner Frau gesprochen und was deren völlige Umänderung bewirkt hatte.

Rose setzte dieser unechten Güte eine stille Passivität entgegen und zog sich in sich selbst zurück. Aber das empfanden die beiden eigennützigen Menschen nur als angenehm. Gleich nach der Beerdigung Albert Rietbergs zog sein Vetter mit seiner Frau und Rose in die bisherige Wohnung des Verstorbenen. Rose behielt ihr Zimmer, in den übrigen machte sich Frau Helene breit, als sei sie hier von jeher zu Hause gewesen.

Rose war froh, wenn sie in ihrem Zimmer allein sein konnte. Es tat ihr weh, als sie bemerkte, wie Onkel und Tante sich in den Zimmern breit machten, die ihre Eltern benutzt hatten. Onkel Herbert saß jetzt an des Vaters Schreibtisch, lag auf dem Diwan, auf dem der Vater sein Schläfchen gehalten hatte und benutzte das Glas, aus dem der Vater trank. Und Tante Helene benutzte den Toilettentisch der Mutter; sie saß an Mutters Nähtisch, pflegte ihre Blumen und kramte in ihrem Wäscheschrank. Bei Tisch saßen ihr die beiden auf den Plätzen gegenüber, wo früher die Eltern gesessen hatten.

Das alles erschien Rose wie eine Entweihung all ihrer Kindheitserinnerungen. Sie litt seelisch sehr darunter und wurde immer blasser und stiller.

Dass sie ungeheuer ausgenutzt wurde, erschien ihr wenig wichtig, denn sie hatte noch keinen Begriff von Geld und Geldeswert. Sie hätte es kaum bemerkt, wenn nicht die Dienstboten, die noch von ihren Eltern her im Haus waren, in ihrer Gegenwart darüber gesprochen hätten. Dienstboten sind scharfe Richter ihrer Herrschaften, und diese beiden klugen Berliner Mädel sahen den Dingen auf den Grund und mokierten sich zuweilen in Roses Gegenwart. Rose lief dann davon, sie wollte das nicht hören, aber die Dienstboten sprachen immer wieder davon, dass Onkel und Tante es sich auf ihre Kosten wohl sein ließen, mit ihr reisten, Gesellschaften gaben und Theater und Konzerte besuchten – alles von ihrem Geld.

Rose bewertete das alles viel geringer, als dass sie so pietätlos die Gegenstände der Eltern benutzten. Sie hätte ihnen gern alle anderen Vorteile gegönnt. Sie fragte nie, was dies und jenes koste, ob dies oder das nötig sei – nur einmal wurde sie energisch: als Frau Helene ihre Sprach- und Musikstunden absagen wollte, weil sie unnötiges Geld kosteten.

„Du hast es doch gar nicht nötig, dich damit herumzuplagen, Rose, wir wollen diese Stunden aufgeben“, hatte sie gesagt.

Da hatte sich Rose kampfbereit aufgerichtet. „Das wäre ganz bestimmt nicht in Vaters Sinn, er wollte, dass ich mein Sprachtalent, das ich von ihm geerbt habe, ausnütze. Die Sprachstunden behalte ich bei, bis ich die vier Sprachen beherrsche, deren Studium ich begonnen habe. Und auch die Musikstunden setze ich fort, wie Vater es gewollt hat.“

Frau Helene hatte eingesehen, dass Rose in dieser Frage nicht zu beeinflussen war. Eigentlich war sie es überhaupt nicht, aber weil sie meistens zu allen Anordnungen von Onkel und Tante schwieg, glaubten sie, dass sie sich ihrem Einfluss füge. Jedenfalls nahm Rose ihre Stunden weiter.

Dann brach der Krieg aus. Vier Jahre dauerte das Ringen, bis der Zusammenbruch kam. Ihm folgte nur wenig später die Inflation. Nicht nur Herbert Rietbergs in den vergangenen Jahren gehortete Ersparnisse wurden wertlos, auch Roses Vermögen schmolz von Tag zu Tag mehr zusammen.

Rose hatte inzwischen die Schule bis zur Oberstufe besucht und füllte ihre Zeit mit ihren Sprachstudien aus, die sie immer mehr erweiterte. Sie vergrub sich mehr und mehr in die vom Vater hinterlassenen Bücher.

Aber dann wurden ihr die Sprachstunden energisch gestrichen. Die Freundlichkeit, die Onkel und Tante ihr entgegengebracht hatten, kühlte sich mit dem Hinschwinden ihrer Einkünfte ab. Sie wurde oft rau und hart angefasst, und als man endlich die Dienstboten entlassen musste, wurden Rose all die Arbeiten aufgebürdet, die sonst die Dienstboten geleistet hatten. Es wurde aus dem Besitz von Roses Eltern ein Stück nach dem anderen verkauft, das Silber verschwand, die kostbaren Teppiche und teilweise auch die Möbel, die durch die Möbel von Onkel und Tante ersetzt wurden. Herbert Rietberg und seine Frau hatten sich so sehr an das gute Leben gewöhnt, dass sie nicht davon lassen wollten – bis alle Quellen erschöpft waren.

Und Rose bekam nun täglich harte Vorwürfe, wie sehr man sich verrechnet habe und welch eine Last sie für Onkel und Tante sei.

Nur zu gut begriff Rose jetzt, wie Recht die Dienstboten gehabt hatten. Sie wusste nun gewiss, dass alle Freundlichkeit und Liebe nur ihrem Geld gegolten hatten.

Mit großen, bangen Augen sah sie in die harten, unfreundlichen Gesichter der Verwandten. Tante Helene klagte über die teure Wohnung, die ihnen aufgehalst worden sei und über die viele Arbeit, die sie habe. Dabei schob sie alle grobe und schwere Arbeit Rose zu, die sich jetzt von früh bis spät plagen musste und dafür nur Scheltworte erntete.

Trotz aller Not war Rose zu einem schönen Mädchen herangewachsen. Sie hatte eine schlanke Gestalt, wundervolles braunes Haar und einen blütenzarten Teint. Ihre grauen Augen leuchteten mit einer intensiven Klarheit aus dem lieblichen Gesicht heraus, und ihre Bewegungen waren voll Anmut und Vornehmheit. Aber all diese Lieblichkeit war von einer stillen Trauer überschattet. Nur selten sah man ein Lächeln auf ihrem Gesicht. Sie, die ein so heiteres Kind gewesen war, schien in Leid und Unglück gleichsam erstarrt zu sein. Wieder und wieder zuckte sie schmerzhaft zusammen, wenn Onkel und Tante mit unverdienten Vorwürfen über sie herfielen. Sie hatte nie ein Wort der Erwiderung darauf.

Aber eines Tages, als man ihr vorhielt, welche Last sie sei, raffte sie sich aus ihrer Erstarrung auf und sagte heiser vor Erregung. „Lasst mich fort! Ich will mir eine Stellung suchen. Ich habe mancherlei gelernt und hoffe, mir mein Brot verdienen zu können.“

Da fiel die Tante mit Schmähreden über sie her. Ob sie denn glaube, dass sie mit ihren fremden Sprachen eine Stellung ausfüllen könne? Dazu gehöre mehr!

Rose nahm alle Kraft zusammen. „Ich kann ja noch lernen, was nötig ist.“

Tante Helene blitzte sie mit bösen Augen an. „Ah, das ist der Dank für all die Opfer, die wir dir gebracht haben! Jetzt willst du uns den Stuhl vor die Tür stellen. Jetzt, wo wir uns kein Mädchen halten können und mit der großen Wohnung dasitzen, willst du mir alle Arbeit allein aufbürden. Schämst du dich nicht deiner Undankbarkeit?“

Rose war fassungslos diesem Ausfall gegenüber, aber sie wagte doch zu erwidern: „Ihr sagt doch, dass ich euch eine Last sei, und davon wollte ich euch befreien. Wenn ihr mich braucht, dann will ich gewiss nicht fortgehen.“

In ihrer Herzenseinsamkeit berührte es sie seltsam, als sie eines Tages Onkel und Tante von einer Kusine Herbert Rietbergs sprechen hörte. Erst dadurch erinnerte sie sich daran, dass auch ihr Vater ihr einmal von dieser Kusine erzählt hatte. Sie lebte in Argentinien, und es fiel Rose auf, dass Onkel und Tante sehr abfällig über Josephine sprachen, während ihr Vater immer lieb und gut über sie gesprochen hatte. Es war Rose ein ganz seltsames Gefühl, dass diese Josephine eine Tante von ihr war. Ein Mensch lebte also doch noch irgendwo in der Welt, der durch Blutsbande zu ihr gehörte. Und Rose schuf sich von Tante Josephine im Herzen eine Idealgestalt, stattete sie mit allen Vorzügen aus, nur um jemand zu haben, an den sich ihr einsames Herz im Stillen klammern konnte.

Zu allem Unglück kam noch ein neues – ihr Onkel verlor seine Stellung, er wurde abgebaut, und das wäre zu einer Katastrophe geworden, wenn er nicht zufällig einen Jugendfreund getroffen hätte, der in der Inflation ungeheure Reichtümer zusammengerafft hatte. Dieser Jugendfreund, ein Herr Brückner, besaß eine große Automobilfabrik und war nach Berlin gekommen, um hier eine Filiale und einen Verkaufsraum für seine Autos einzurichten. Er stellte Herbert Rietberg als Leiter dieser Filiale an. Er tat das freilich erst, als er Herbert Rietberg in seiner Wohnung besucht und dabei Rose gesehen hatte – und diese hatte sofort einen tiefen Eindruck auf ihn gemacht. Er war ein Mann in der Mitte der Vierzig, klein, untersetzt, mit einem gewöhnlichen Gesicht, dicken, wulstigen Lippen und kleinen, aber scharf blickenden Augen, die Rose als besonders unangenehm auffielen. Alfred Brückner wurde jäh von einer wilden Leidenschaft für Rose befallen. Er, der im Leben niemals Zeit gehabt hatte, sich mit Frauen zu befassen, weil er nur mit nimmersatter Gier nach Besitz und Reichtum gestrebt hatte, wurde jetzt plötzlich von einer so jähen Leidenschaft für dieses schöne Mädchen erfasst, dass er alles andere darüber vernachlässigte. Dieses feine, stille Mädchen mit den traurigen Augen erschien ihm das schönste und begehrenswerteste Geschöpf unter der Sonne.

Er machte Herbert Rietberg gegenüber bald kein Hehl daraus, dass er sein Herz an Rose verloren habe. Gerade weil sie in ihren schlichten Kleidern so stolz und vornehm wirkte, gefiel sie ihm. Er malte sich aus, wie schön sie erst sein würde, wenn er sie mit Schmuck und schönen Kleidern behängen würde.

Er kam wieder und wieder, und nun begann eine Leidenszeit für Rose, die alles bisherige übertraf. Onkel und Tante drangen in sie, sie solle Herrn Brückner freundlich begegnen. Sie sei es ihnen schuldig, da Herr Brückner den Onkel angestellt und sie alle so aus großer Not befreit habe. So ein Glück werde ihr nie wieder geboten. Mit einem Schlag könnte sie wieder reich, viel reicher als zuvor sein, und sie könne alles von ihm verlangen, was sie wolle, und werde hoffentlich ihren Einfluss auch für sie, ihre „Wohltäter“ geltend machen. Rose hörte das alles mit Entsetzen an.

***

Rose saß im Dunkeln in ihrem Zimmer und starrte mit großen Augen vor sich hin. Onkel und Tante waren längst zu Bett gegangen und glaubten das von Rose auch. Aber so müde sie auch war, fand sie doch keine Ruhe. Sie hatte am Abend noch einen Auftritt mit Onkel Herbert gehabt. Er hatte ihr kurz und bündig erklärt, Herr Brückner habe nun sein Wort, und in vier Wochen sei Verlobung. Sie hatte versucht, ihre Einwände geltend zu machen, aber er hatte sie kaum zu Wort kommen lassen, und da hatte sie geschwiegen. Das hatte er als ein Zeichen angesehen, dass sie „vernünftig“ sein und sich fügen würde.

Aber während Rose nun im Dunkeln saß und sich frierend in ein Tuch wickelte, vor Erregung zitternd, suchte sie angstvoll nach einem Ausweg. Es war ihr klar, dass sie niemals in diese Verbindung willigen würde. Lieber ging sie in den Tod. Aber sie war jung und liebte trotz allem das Leben, das ihr seit dem Tod ihrer Eltern so viel Leid gebracht hatte. Ja, sie liebte das Leben und hoffte wie jeder junge Mensch, dass auch für sie noch irgendwo ein Glück bereit sein würde.

Aber was konnte sie tun? Einfach davonlaufen? Wohin? Auf der ganzen weiten Welt hatte sie ja keinen Menschen, zu dem sie hätte fliehen können. Freilich, sie hatte noch eine Tante in Argentinien – der Gedanke an diese fremde Tante überfiel sie wie ein leiser Hoffnungsfunke. Aber dieser Funke erlosch sofort wieder. Wie sollte sie zu dieser Tante gelangen? Und selbst wenn das der Fall wäre, würde sie bei ihr Hilfe finden? Sie kannte ja diese Tante nicht, wusste über sie nur, was sie von Onkel und Tante und von ihrem Vater über sie gehört hatte, und das widersprach sich beides. Ihr Vater hatte Tante Josephine ein tapferes, unverzagtes Geschöpf genannt. Das fiel ihr jetzt ein. Was hatte er doch noch von ihr gesagt? Sie saß und sann, und dann war ihr, als höre sie wieder deutlich die Stimme ihres Vaters: Er hatte ihr erzählt, wie lieb er die Mutter gehabt habe, wie sie sein alles gewesen sei. Außer der Mutter habe er nun keinen Menschen mehr, der zu ihm gehöre, außer seiner kleinen Rose, die ihm nun alles ersetzen müsse.

Und da hatte ihn Rose gefragt: „Haben wir gar keine Verwandten mehr außer Onkel Herbert und Tante Helene, lieber Vater?“

Er hatte vor sich hin gesehen. „Eine Kusine lebt wohl noch von mir, irgendwo in der Welt, wahrscheinlich in Argentinien. Mein Vater und der ihre waren Brüder. Sie hieß Josephine und war ein sehr schönes Mädchen. Ich habe sie immer gern gehabt, hatte aber mit meinem eigenen Glück so viel zu tun, dass ich mich damals wenig um sie kümmerte. Und dann habe ich gehört, dass sie in die weite Welt gegangen ist mit dem Mann, den sie lieb hatte, weil man sie zwingen wollte, einen reichen, ungeliebten Mann zu heiraten. Ein liebes, tapferes Geschöpf, sie hat Recht getan, man muss seinem Herzen treu bleiben, sonst verliert man sich selbst.“

Rose war es auf einmal, als streiche wie damals des Vaters Hand über ihr Haar. Ihr Herzschlag setzte aus. War das nicht, als spräche der Vater jetzt diese Worte noch einmal zu ihr und eindringlicher als damals?

Sie hat Recht getan, man muss seinem Herzen treu bleiben, sonst verliert man sich selbst.

„Ja, Vater, lieber Vater, ich weiß, weshalb mir deine Worte gerade jetzt wieder ins Gedächtnis kommen, du willst mich mahnen, mir selbst treu zu bleiben. Du bist bei mir in meiner Not und willst mir sagen, dass auch ich wie jene unbekannte Tante lieber hinaus in die weite Welt gehen soll, als meinem Herzen untreu zu werden.“

Wenn sie nur wüsste, wie sie zu der fremden Tante gelangen könnte!

Es fiel ihr nun auch wieder ein, was Tante Helene über jene Tante Josephine gesagt hatte. Sie sei durchgebrannt, das leichtfertige Geschöpf, mit einem armen Ingenieur, obwohl ihr Onkel Herbert einen reichen Freier vorgestellt habe, der sie zu seiner Frau machen wollte. Mit ihrem Herzliebsten sei sie davongelaufen, der auch nicht mehr gehabt habe als sie selber. Onkel Herbert habe es so gut mit ihr gemeint, habe alles versucht, sie zur Vernunft zu bringen, aber sie habe nicht auf ihn gehört. Ihr Herzliebster habe eine Stelle in Argentinien angenommen, und sie sei mit ihm gegangen. Und erst von Buenos Aires habe sie dann ihre Vermählungsanzeige geschickt. Bis dorthin sei sie als seine Geliebte mitgegangen. Sie sei eben eine ganz leichtfertige Person gewesen.

Gerade diese Vermählungsanzeige war es gewesen, die das Gespräch auf jene Tante Josephine gebracht hatte. Tante Helene hatte im Schreibtisch unter alten Papieren gekramt, und da war die Vermählungsanzeige herausgefallen. Mit einem seltsamen Gefühl hatte Rose damals auf diese Anzeige geblickt. Mit einem Johannes Wörth hatte sich Tante Josephine verheiratet. Josephine Wörth in Buenos Aires, das war alles, was sie über diese ihr fremde Tante wusste. Sie sagte es noch einmal vor sich hin: Josephine Wörth aus Buenos Aires. Und ihr war, als grüße sie plötzlich etwas Vertrautes aus diesem Namen. Hatte das Schicksal Tante Josephines nicht Ähnlichkeit mit ihrem eigenen?

Entschlossen hob sie den Kopf. Ja, sie wollte auch lieber in die weite Welt gehen, als sich an einen ungeliebten Mann verschachern lassen. Irgendwo würde sie schon ein Unterkommen finden. Sie war jung und gesund und konnte und wollte arbeiten. Dass es jetzt schwer war, sein Fortkommen zu finden, wusste sie aus jener Zeit, da der Onkel nach einer neuen Existenz suchte. Da hatte man in ihrer Gegenwart viel davon gesprochen, wie groß das Angebot an Stellensuchenden und wie klein das an Stellungen war. Und Tante hatte dann oft gesagt: „Nur Dienstboten finden sofort ein neues Unterkommen, an Dienstboten ist immer Mangel, die sind nie zu haben, wenn sie gebraucht werden.“

Nun gut, so wollte Rose sich eine Stelle als Dienstmädchen suchen, bis sich etwas anderes für sie fand. Schlimmer als hier konnte sie es bei fremden Leuten auch nicht haben. Nur fort musste sie aus diesem Haus! Onkel und Tante durften selbstverständlich keine Ahnung haben, wohin sie sich wandte, wenigstens nicht eher, als bis sie mündig war. Denn so lange, das hatte man ihr gesagt, hatte der Onkel Gewalt über sie. Nur sechs Wochen noch musste sie sich vor ihm verbergen, dann konnte er ihr nichts mehr anhaben. In sechs Wochen war ihr einundzwanzigster Geburtstag, dann erlosch seine Macht als Vormund.

Wieder sann sie lange vor sich hin. Es fiel ihr ein, dass sie ganz in der Nähe an einem mit einem grauen Vorhang verhängten Schaufenster ein Schild gesehen hatte mit der Aufschrift: Stellennachweis für Hausangestellte. Gleich morgen wollte sie sich ein Herz fassen und da hineingehen, um zu fragen, ob man ihr eine Stellung verschaffen könne.

Nachdem sie diesen Entschluss gefasst hatte, wurde sie etwas ruhiger und ging endlich zu Bett. Sie war so müde, dass sie trotz ihrer Sorgen sofort einschlief.

Am nächsten Morgen, nachdem sie ihre Einkäufe besorgt hatte, trat sie zaghaften Schrittes in das Lokal, in dem sich der Stellennachweis befand. Eine ältliche Frau sah von einem Buch auf, in das sie Eintragungen machte. Es war Frau Siebenberg, die Inhaberin des Nachweises. „Sie wünschen?“, fragte sie.

„Verzeihen Sie, ich wollte nur fragen, ob Sie mir eine Stellung verschaffen können.“

Interessiert richtete sich die Frau auf. „Was soll denn das für eine Stellung sein?“

„Das ist mir ganz gleich, irgendeine Stellung in einem Haushalt, es kann auch als Dienstmädchen sein, wenn nichts anderes zu haben ist, nur sehr bald müsste es sein“, erwiderte Rose heiser vor Erregung.

Frau Siebenberg begann nun ein wahres Kreuzverhör mit Rose über ihre Fähigkeiten. Rose hob alles hervor, was sie im Haushalt leisten konnte, weil sie meinte, dass ihr das am ersten zu einer Stellung verhelfen könne. Dass sie musikalisch war und vier Sprachen leidlich beherrschte, erwähnte sie gar nicht.

Frau Siebenberg nickte und fragte dann nach Zeugnissen. Ehe Rose Auskunft geben konnte, traten ein Herr und eine Dame in das Lokal und stellten sich neben Rose auf.

„Zeugnisse habe ich leider nicht. Ich – ich war noch nie in Stellung.“

„Wo wohnen Sie?“, fragte Frau Siebenberg weiter, die beiden Eingetretenen nur mit einem Kopfneigen begrüßend.

„Ich wohne bei meinem Onkel und meiner Tante, da ich keine Eltern mehr habe. Aber sie dürfen nicht erfahren, dass ich mich um eine Stellung bewerbe. Sie – sie wollen es nicht. Aber ich falle ihnen nur zur Last und möchte mich selbstständig machen.“

„Ja, Ihre Adresse muss ich doch aber haben, wenn Sie eine Stellung wollen.“

Der Herr und die Dame wechselten einen verstohlenen Blick und lauschten weiter auf die Auseinandersetzung.

„Ach, bitte, gestatten Sie mir, dass ich jeden Tag wiederkomme und nachfrage, ob Sie etwas für mich haben.“

„Nun gut, aber schwer wird es halten, so ganz ohne Zeugnisse. Ich will mich aber bemühen.“

In diesem Augenblick trat die Dame, die mit dem Herrn eingetreten war, an Rose heran. „Würden Sie auch ins Ausland gehen, Fräulein?“

Frau Siebenberg sah sie mit einem strafenden Blick an. „In meinem Lokal gehen Verhandlungen nur durch mich, meine Dame.“ Die Dame lachte ein wenig. „Machen Sie nur kein finsteres Gesicht, Sie sollen auch so Ihre Vermittlungsgebühr bezahlt bekommen, wenn wir mit dem Fräulein einig werden.“

Frau Siebenberg beruhigte sich. „Na, dann ist es gut.“

Nun wandte sich die Dame, die sehr gut angezogen war und einen wohlhabenden Eindruck machte, wieder an Rose: „Also wie ist es, Fräulein, würden Sie mit ins Ausland gehen?“

Rose klopfte das Herz bis zum Hals hinauf. In die weite Welt! So sang und klang es in ihrem Innern. Ihr war plötzlich, als müsse da draußen in der Welt das Glück auf sie warten.

„Gewiss – je weiter, desto besser!“, rief sie impulsiv.

Nun trat auch der Herr heran, der Rose nicht aus den Augen gelassen hatte. Er wie seine Begleiterin hatten sehr wohl bemerkt, dass Rose kein gewöhnlicher Dienstbote war. Trotz ihrer einfachen Kleidung hatte sie etwas Vornehmes an sich. Und vor allen Dingen war sie ein schönes Geschöpf und dunkelhaarig. Dazu hatte sie einen blütenfrischen Teint und wundervolle Augen. In dem etwas verlebten Gesicht des Herrn zuckte es seltsam. Aber er zwang ein biederes Lächeln auf seine Züge und sagte mit scheinbarer Gutmütigkeit: „Nun, was das anbetrifft, da können wir dienen – es soll nach Argentinien gehen.“

Rose zuckte zusammen. Nach Argentinien? Dorthin, wohin Tante Josephine auch gegangen war, als man sie an einen ungeliebten Mann verkaufen wollte? Wie seltsam sich das traf!

„Nach Argentinien?“, stammelte sie.

Der Herr lachte gemütlich. „Na, nun ist es doch wohl ein bisschen zu weit?“

Hastig schüttelte Rose den Kopf. „Nein, nein, das ist es nicht. Aber ich habe keine Zeugnisse und weiß nicht, ob ich leisten kann, was Sie verlangen.“

Seltsam glimmte es auf im Blick des Mannes. Dann sagte er langsam: „Nun, das werden Sie schon leisten können. Wir – wir suchen nämlich für die Mutter meiner Frau, die, wie wir auch, in Argentinien lebt, sich aber sehr einsam fühlt, ein junges Mädchen, das sie pflegen und ihr Gesellschaft leisten kann, wenn sie allein ist. Können Sie ein bisschen musizieren?“

„O ja, ich spiele Klavier und singe auch ein wenig, und ich würde sehr gern eine alte Dame pflegen. Ich bin gesund und jung und habe Kräfte. Jeder Arbeit würde ich mich freudig unterziehen.“ Vielleicht war es Roses Schutzengel, der sie auch jetzt davor bewahrte, etwas von ihren Sprachkenntnissen zu verraten.

Der Herr gab seiner Begleiterin einen Wink, und diese sagte freundlich lächelnd zu Rose: „Sie gefallen uns sehr, Fräulein, und meine Mutter wird sich gewiss schnell an Sie gewöhnen. Meine Mutter ist deutsch, wie auch wir, Sie werden also in deutsche Verhältnisse kommen und sich nicht fremd fühlen. Aber werden denn Ihre Verwandten damit einverstanden sein, dass Sie mit nach Argentinien gehen?“

„Ich habe nur noch einen Onkel und eine Tante, bei denen ich jetzt lebe, und sie dürfen gar nicht erfahren, dass ich in Stellung gehe, sie wollen es nicht. Mein Onkel ist zugleich mein Vormund und könnte mich daran hindern.“

„Ach, Sie sind noch nicht mündig?“, fragte der Herr sichtlich unangenehm berührt.

„Ich werde es nach sechs Wochen sein“, sagte Rose schnell.

„Hm! Nur sechs Wochen noch? Nun, man müsste sehen, dass Sie das Visum bekommen – es geht vielleicht, da wir Verbindungen haben. Einen Pass haben Sie hoffentlich?“

Rose wurde rot. „Ich habe ihn aber nicht bei mir, aber ich weiß, wo meine Papiere sind, und könnte sie mir nehmen, ohne dass es mein Onkel merkt.“

„Nun gut, der Pass wird wohl erneuert werden müssen, und das Visum müssen wir zu verschaffen suchen. Aber dazu brauchen wir Ihre Papiere – Sie müssten auch mit auf das Passbüro kommen, das wird wohl nötig sein. Wird das gehen?“

„Vielleicht morgen Vormittag um dieselbe Zeit – ich werde mich frei machen und die Papiere mitbringen.“

„Gestatten Sie, mein Herr“, warf hier Frau Siebenberg gewichtig ins Gespräch, „wenn ich hier in die Verhandlung eingreife. Es wird allgemein davor gewarnt, dass junge Mädchen ohne genügende Sicherheit ins Ausland gehen. Es ist meine Pflicht, das junge Mädchen darauf aufmerksam zu machen.“

Der Herr und die Dame lachten scheinbar harmlos.

„Recht haben Sie, verehrte Frau. Aber bei uns können Sie unbesorgt sein. Wir geben Ihnen Referenzen auf. Erkundigen Sie sich bitte bei Herrn Regierungsrat Horst und bei Herrn Professor Jade nach Herrn und Frau Petri aus Buenos Aires.“

Frau Siebenberg war schon halb beruhigt, als sie hörte, dass ein Regierungsrat und ein Professor als Referenz angegeben wurden. „Haben Sie auch die Telefonnummern?“, fragte sie.

„Sie können ja gleich anfragen, ich sage Ihnen die Nummern vor. Also erst Steinplatz 9694. Verlangen Sie Herrn Regierungsrat Horst!“

Frau Siebenberg ging sofort auf seinen Wunsch ein. Als die Verbindung hergestellt war, fragte sie: „Kann ich Herrn Regierungsrat Horst einen Augenblick sprechen?“

„Gewiss! Herr Regierungsrat, Sie werden gewünscht“, hörte sie eine Stimme. Gleich darauf meldete sich eine andere Stimme: „Hier Regierungsrat Horst! Wer dort?“

„Hier Frau Siebenberg, Stellenvermittlung. Herr Regierungsrat, in meinem Büro befinden sich Herr und Frau Petri aus Buenos Aires in Argentinien, um Personal für drüben zu engagieren. Ich wollte Sie bitten, mir über die Herrschaften Auskunft zu geben, da Sie von ihnen als Referenz angegeben wurden. Es ist nur meine Pflicht, mich zu erkundigen, ob man unbesorgt weibliche Angestellte mit ihnen gehen lassen kann.“

„Aber selbstverständlich, die Herrschaften gehören einer angesehenen Familie an, haben drüben ein großes Geschäft, und die Mutter von Frau Petri ist eine reiche Dame. Die Leute werden es gut haben. Sie können unbesorgt sein. Wollen Sie sonst noch etwas wissen?“

„Nein, ich danke, Herr Regierungsrat, das genügt.“ Frau Siebenberg war nunmehr überzeugt, dass sie es mit honetten Leuten zu tun habe und sagte fast entschuldigend: „Nur weil es meine Pflicht ist, sicher zu gehen, möchte ich auch noch bei dem anderen Herrn anfragen.“

„Aber bitte sehr, tun Sie, was Ihres Amtes ist. Also jetzt Uhland 3935, Herrn Professor Jade.“

Auch hier bekam Frau Siebenberg eine günstige Auskunft durch den Herrn Professor, der gleich selbst am Apparat war. Nun gab sie sich zufrieden, wiederholte Rose die Auskunft und wurde dann eine Weile von Herrn Petri so angeregt ins Gespräch gezogen, dass sie inzwischen die beiden Telefonnummern und Namen ganz vergessen hatte.

Petris engagierten Rose nun vom Fleck weg und wurden einig mit ihr über die Gehaltsfrage und sonstigen Bedingungen. Auf drei Jahre müsse sich Rose verpflichten, damit sich die Reisekosten lohnten. Aber nach drei Jahren werde sie die Rückreise bezahlt bekommen, falls sie nicht drüben bleiben wolle.

„Aber Sie werden sicher nicht zurückverlangen, wenn Sie nicht liebe Angehörige hier zurücklassen“, meinte Herr Petri lächelnd.

Rose atmete teils froh, teils beklommen auf. „Nein, nein, liebe Angehörige lasse ich nicht zurück, ich will es Ihnen jetzt ganz offen sagen, weshalb ich fort will. Mein Vormund will mich mit einem Mann verheiraten, der mir widerlich ist. Deshalb will ich am liebsten weit weg.“

Sie wollte noch sagen, dass sie in Argentinien eine Tante habe, aber sie sprach es nicht aus, weil sie meinte, sie dürfe der Herrschaft nicht mit ihren Privatverhältnissen lästig fallen.

„Ah, so! Das ist also Ihr Grund? Nun, Sie haben ganz Recht, das brauchen Sie sich nicht gefallen zu lassen. Wer weiß, vielleicht machen Sie drüben ihr Glück. Wie war doch Ihr Name?“

„Rose Rietberg;“

„Also gut, Fräulein Rietberg, das Engagement ist abgeschlossen. Morgen besorgen wir das Nötige beim Passamt. Wir haben dann noch eine kleine Reise vor und kommen in acht Tagen wieder nach Berlin zurück, um Sie abzuholen.“

Frau Petri besprach inzwischen mit Frau Siebenberg noch das Engagement eines deutschen Dienstmädchens. Und da sie Frau Siebenberg ein anständiges Honorar schon im Voraus zahlte, war diese sehr willig.

„Möglichst ein hübsches, dunkelhaariges Mädel, verehrte Frau, meine Mutter liebt alles, was dunkel und deutsch ist, deshalb hat uns Fräulein Rietberg gleich so gut gefallen. Und selbstverständlich muss es Lust haben, mit nach Argentinien zu gehen.“

Frau Siebenberg schlug in ihren Büchern nach. „Hm! Da wäre vielleicht die Martha Preller. Die ist blond und ein sehr hübsches, ansehnliches Mädel. Unternehmungslustig ist sie auch – eine Waise. Hat sehr gute Zeugnisse und ist tüchtig, ganz erstklassig“, sagte sie.

Frau Petri nickte lachend. „Nun, auf Zeugnisse gebe ich nicht viel, auf die kann man sich nicht verlassen. Wir verlassen uns lieber auf unsere Menschenkenntnis.“

Frau Siebenberg lachte mit. „Nun ja, aber meistens werden doch gute Zeugnisse verlangt. Ich werde also Fräulein Preller morgen herbestellen, sie wird Ihnen schon gefallen, und sie wird auch mit nach Argentinien gehen, wenn mich nicht alles täuscht.“

Herr Petri hatte Rose inzwischen noch allerlei Ratschläge wegen des Gepäcks gegeben. Und dann sagte er: „Selbstverständlich können wir Ihnen nur zweite Klasse bewilligen, denn die Überfahrt ist teuer. Meine Frau und ich fahren ebenfalls zweiter Klasse, man ist da sehr gut aufgehoben auf den großen Dampfern.“

„Aber bitte, Herr Petri, ich bin mit allem zufrieden und möchte Ihnen so wenig Kosten wie möglich machen. Sie müssen da ganz nach Ihrem Gutdünken verfügen.“ Rose war froh, dass sie den Entschluss gefasst hatte, sich auf eigene Füße zu stellen. Nun brauchte sie doch Herrn Brückner nicht zu heiraten. Sie glaubte, ein sehr gutes Engagement gefunden zu haben und pries im Stillen ihr Glück. Die Auskunft, die Frau Siebenberg bei dem Regierungsrat und dem Professor über Herrn und Frau Petri eingeholt hatte, war ja sehr gut.

Wie hätte Rose ahnen können, auf welche Art diese Auskunft zustandegekommen war. Zwei gute Freunde von Herrn Petri hatten sich in zwei verschiedene Zigarrenläden begeben und dort den Inhaber gebeten, einen Telefonanruf abwarten zu dürfen. Sie hatten sich dem Zigarrenhändler als Regierungsrat Horst und als Professor Jade vorgestellt und hatten bereitwilligst die Erlaubnis erhalten, den Anruf abzuwarten. Die Telefonnummern der beiden Zigarrenhändler hatte sich Herr Petri vorher verschafft, und so war Frau Siebenberg getäuscht worden und mit ihr auch Rose.

***

Am Abend desselben Tages gingen Onkel Herbert und Tante Helene ins Theater. Herr Brückner hatte ihnen Karten spendiert. So konnte Rose ungestört im Schreibtisch nach ihren Papieren suchen. Mit einem Gefühl, als habe sie ein böses Gewissen, nahm sie die Papiere an sich.

Zu ihrer Erleichterung vernahm sie am nächsten Morgen, dass Tante Helene mit ihrem Gatten eine Probefahrt in einem der Brücknerschen Autos unternehmen wollte. Sie würden erst kurz vor Tisch wiederkommen.

So brach die Tante noch vor ihr auf, und Rose hatte fast bis Mittag Zeit. In fliegender Eile verrichtete sie die nötigsten Hausarbeiten und begab sich dann zu Frau Siebenberg. Sie fand dort Herrn und Frau Petri bereits im Einverständnis mit Fräulein Martha Preller, einem hübschen, blonden Mädchen. Sie war sofort bereit gewesen, mit nach Argentinien zu gehen.

Als man sie mit Rose bekannt machte, sah sie sie lachend an. „Na, da werden wir eine feine Reise zusammen machen, Fräulein Rietberg, das habe ich mir schon immer einmal gewünscht. Wenn wir bloß nicht die Seekrankheit kriegen. Davor ist mir ein bisschen bange, das ist so eine eklige Geschichte. Aber das ist das einzige, was ich fürchte. Sonst freue ich mich bloß. Sie sich auch?“

Rose war es, als würde ihr plötzlich leichter ums Herz.

„Ja, ich freue mich auch, und mit der Seekrankheit wird es auf einem großen Dampfer nicht schlimm werden.“

„Das hat mir die gnädige Frau auch schon gesagt“, erwiderte Martha Preller.

Petris fuhren nun mit den beiden jungen Mädchen nach dem Passamt, wo alles ohne große Schwierigkeiten erledigt wurde. Herr Petri schien in solchen Dingen Routine zu besitzen.

Dann verabredeten Petris mit den beiden Mädchen, dass diese sie in acht Tagen zu einer bestimmten Zeit im Hotel abholen sollten, und in bester Stimmung trennte man sich.

Rose war froh, dass sie zur Zeit nach Hause kam und das Essen noch richten konnte, ehe Tante Helene und Onkel Herbert kamen.

Heimlich setzte sie in den nächsten Tagen ihre Sachen instand und packte sie in zwei Koffer, die auf dem Speicher standen. Immer wenn die Tante ausgegangen war, trug sie wieder einen Teil ihrer Sachen auf den Speicher hinauf, bis sie dort alles verpackt hatte. Klugerweise widersprach Rose in diesen Tagen nicht, wenn von Brückner gesprochen wurde. So glaubten Onkel und Tante, dass sie sich mit dem Gedanken an die Heirat abgefunden hätte, und begegneten ihr wieder mit der früheren falschen Liebenswürdigkeit. Rose würde ja ihrer Ansicht nach in Zukunft wieder viele Annehmlichkeiten zu vergeben haben.

Eines Nachmittags, als Rose mit Tante Helene im Wohnzimmer saß und Wäsche ausbesserte, brachte sie geschickt die Rede auf Tante Josephine. „Nicht wahr, Tante Helene, Tante Josephine hat in Buenos Aires gelebt?“

„Ja“, erwiderte die Tante einsilbig.

„Ob sie wohl noch da lebt – ob sie überhaupt noch am Leben ist?“

Frau Helenes Gesicht bekam einen gehässigen Ausdruck. „Selbstverständlich lebt sie noch, und sie ist auch noch in Argentinien, aber nicht mehr in Buenos Aires, sondern in Rosario.“

„Oh, ihr habt wieder einmal von ihr gehört?“

„Wir hatten ihr geschrieben, als es uns so schlecht ging, weil wir hofften, ihre Verhältnisse könnten sich gebessert haben. Wir haben ihr unsere schreckliche Lage geschildert und den Brief auf gut Glück an Frau Josephine Wörth in Buenos Aires gerichtet. Und erstaunlicherweise ist der Brief in ihre Hände gekommen, obwohl sie inzwischen nach Rosario übergesiedelt war, wie wir dann aus ihrer Antwort entnahmen, die von Rosario datiert war, freilich ohne jede Adressenangabe. Wir hatten ihr auch mitgeteilt, dass wir unseres Vetters Tochter zu uns genommen und für sie zu sorgen hätten. Aber diese hartherzige Person schrieb uns, dass sie wohl in der Lage wäre, etwas für uns tun zu können, aber sie habe noch nicht vergessen, dass Onkel Herbert es gewesen sei, der sie aus der Heimat getrieben habe. Undankbares Geschöpf! Onkel wollte ihr doch nur einen reichen Freier verschaffen!“

Rose hatte mit atemloser Spannung zugehört. „Rosario kann doch nicht sehr weit von Buenos Aires liegen?“, fragte sie nun.

„Onkel Herbert sagt, höchstens so weit wie Berlin von Hamburg. Na, gottlob brauchen wir nun ihre Hilfe nicht mehr. Du wirst wieder sehr reich werden und deine Dankesschuld an uns abtragen. Und Onkel wird bei deinem künftigen Gatten eine ausgezeichnete Position haben.“

Schnell war die Woche vergangen, und Rose musste ihre letzten Vorbereitungen treffen. Am Tag, bevor sie sich heimlich entfernen wollte, brachte sie, wie Petris ihr geraten hatten, ihre Koffer in Tante Helenes Abwesenheit auf den Lehrter Bahnhof und gab sie in der Aufbewahrungszelle ab.

Die ganze Zeit hatte Rose davor gezittert, dass der Onkel das Fehlen ihrer Papiere entdecken könne. Aber es geschah nicht. Nichts trat Roses Vorhaben hindernd in den Weg. Am letzten Abend schrieb Rose einen Brief an Onkel und Tante. Dieser Brief lautete:

Lieber Onkel, liebe Tante! Verzeiht mir, dass ich euren Wunsch, Herrn Brückners Frau zu werden, nicht erfüllen kann. Ich habe euch gesagt, dass ich lieber sterben würde als ihm angehören, und das war mein Ernst. Es ist mir unmöglich. Und da ihr mich dazu zwingen wollt, bleibt mir keine andere Wahl, als euch heimlich zu verlassen. Ich will euch auch nicht mehr zur Last fallen und habe mir eine Stellung gesucht. Sobald ich mein einundzwanzigstes Jahr erreicht habe, werdet ihr von mir hören, wo ich mich befinde. Ihr braucht nicht in Sorge um mich zu sein, ich habe eine sehr gut bezahlte Stellung als Pflegerin einer alten Dame erhalten und hoffe, mich durchs Leben zu bringen und euch nie mehr lästig zu fallen. Falls ich euch noch etwas schuldig sein sollte, so bitte ich euch, alles, was noch aus dem Nachlass meiner Eltern vorhanden ist, als euer Eigentum zu betrachten. Ich hoffe, damit meine Schuld beglichen zu haben. Seid mir nicht böse und bittet auch Herrn Brückner, mir nicht zu zürnen, dass ich seinen ehrenvollen Antrag nicht annehmen kann. Er soll es euch nicht entgelten lassen. Ich danke euch für alle Sorgen und Mühen, die ihr meinetwegen gehabt habt, und grüße euch in Dankbarkeit

Eure Nichte Rose

Sie atmete auf, als sie diesen Brief beendet hatte.

Viel Schlaf fand sie nicht in dieser letzten Nacht in dem Heim, das sie einst als glückliches Kind mit ihren Eltern bewohnt hatte.

Sehr zeitig stand sie am nächsten Morgen auf, schaffte schnell noch in allen Zimmern ein wenig Ordnung und streichelte dabei immer wieder wie Abschied nehmend über dieses oder jenes Möbel, an dem noch liebe Erinnerungen hingen. Vom Schreibtisch nahm sie heimlich das Petschaft ihres Vaters zu sich, das dort noch immer in einer Onyxschale lag. Der Vater hatte es so oft in der Hand gehabt. Und aus dem Nähtisch nahm sie den kleinen goldenen Fingerhut, den ihre Mutter immer benutzt hatte und den sich Tante Helene angeeignet hatte, wie so vieles, was einst der Mutter gehörte.

Und dann war es halb neun Uhr geworden – die Zeit, wo sie täglich ausging, um für das Mittagessen einzukaufen. Ein Zittern überlief sie, als sie daran dachte, dass gerade heute Tante Helene sie hindern könne auszugehen. Geistesabwesend besprach sie mit der Tante, was sie einkaufen solle, und dann war auch das überstanden. Schnell eilte Rose in ihr Zimmer und zog ihr bestes Kostüm, das sie noch besaß, an. Das wollte sie auf der Reise tragen. Immer war sie in Angst, dass ihr die Tante noch in den Weg laufen und sie fragen könnte, weshalb sie zum Einholen das gute Kostüm angezogen habe. Aber es geschah nicht. Tante Helene saß im Wohnzimmer und las Zeitung.

Schnell drückte Rose das kleine hübsche Hütchen auf ihr Haar. Und nun verließ sie die Wohnung, in der sie ihre sonnige Kindheit und ihre trostlose Jugend verbracht hatte. Mit zitternden Knien schritt sie die Treppe hinab, und ihr war, als müssten Vater und Mutter auch jetzt bei ihr sein.

Den Brief an Onkel und Tante hatte sie in ihrem Zimmer mitten auf den Tisch gelegt. Immer in Furcht, dass man sie noch zurückhalten könne, eilte sie zur Untergrundbahn, deren Station ganz in der Nähe lag, und löste sich eine Fahrkarte. Sie hatte in diesen Tagen eine Brosche ihrer Mutter verkauft, um etwas Geld in den Händen zu haben. Die anderen Schmucksachen ihrer Mutter, die sie noch besaß, hatte sie in einem ledernen Beutelchen unter ihren Kleidern versteckt.

Die Untergrundbahn brachte sie schnell zu dem Hotel, in dem Petris sie erwarteten. Sie wurde sehr freundlich von ihnen begrüßt, und gleich darauf fand sich auch Martha Preller ein. Die beiden jungen Mädchen mussten mit Herrn und Frau Petri frühstücken, und dabei händigte Herr Petri ihnen Pässe und Fahrkarten nach Hamburg aus.

„Sie können mit meiner Frau gleich mit dem nächsten Zug nach Hamburg reisen und sich auf den Dampfer begeben, ich werde noch bis heute Abend hier festgehalten in einer geschäftlichen Angelegenheit und reise mit dem Nachtzug. Deshalb werde ich erst morgen Früh auf dem Dampfer eintreffen.“

Schon eine Stunde später fuhr Frau Petri mit ihren beiden Begleiterinnen nach Hamburg ab. Dort angekommen, mietete sie ein Taxi, das sie zum Dampfer brachte.

Nachdem sich die Damen in ihren Kabinen notdürftig eingerichtet hatten, begaben sie sich in den Speisesaal, wo ein vorzügliches Mahl serviert wurde.

Nach dem Abendessen zog sich Frau Petri sofort zurück, da sie, wie sie erklärte, sehr müde sei. Rose und Martha waren viel zu aufgeregt, als dass sie jetzt auch schon hätten zur Ruhe gehen können. Sie liefen hinauf auf Deck und beobachteten die Ankunft weiterer Passagiere. Unter ihnen fiel ihnen ein Herr etwa in der Mitte der Dreißig auf, dessen Äußeres gleich beim ersten Sehen einen großen Eindruck auf sie machte. Er sah nicht aus, als sei er ein Passagier der zweiten Klasse. Seine hohe, gebietende Erscheinung hob ihn über die Mittelmäßigkeit hinaus, obwohl er nur einen schlichten Reiseanzug trug. Er wurde aber vom Steward in eine Kabine gewiesen, die sich auf demselben Gang befand, auf dem Roses und Marthas Kabine lag, nur lag die Seine nach der anderen Seite hinaus, also nach dem offenen Meer zu. Als er an Rose und Martha vorüberkam, stutzte er einen Moment und sah Rose mit seinen tief liegenden stahlblauen Augen an. Dann ging er weiter.

Martha sah ihm ebenso interessiert nach wie Rose. „Der hat sich wohl verlaufen? Was will ein so vornehmer Herr in der zweiten Klasse? Aber großartig hat er ausgesehen! Und angesehen hat er Sie, Fräulein Rietberg, na – es kann ganz interessant hier werden. Das sehe ich nun schon.“

Rose war das Blut schon unter dem Blick des Fremden in die Wangen gestiegen, und unter Marthas Worten wurde das noch schlimmer, aber sie zog es vor, kein Wort darauf zu erwidern, sondern Martha auf etwas anderes aufmerksam zu machen.

Bald darauf gingen die beiden jungen Mädchen das erste Mal auf dem Dampfer zu Bett.

***

Am nächsten Morgen sehr zeitig traf Herr Petri auf dem Dampfer ein. Rose sah ihn zufällig kommen und bemerkte in seiner Gesellschaft etwas verwundert noch zwei junge Mädchen. Und etwas später sah sie ihn mit zwei Herren sprechen, die in Gesellschaft von mehreren jungen Damen gekommen waren.

Herr Petri kümmerte sich vorläufig gar nicht um seine Frau, er schien erst die beiden jungen Damen in seiner Gesellschaft unterbringen zu wollen. In diesem Augenblick trat Frau Petri an Rose heran, und diese sagte: „Ihr Herr Gemahl ist eben angekommen, gnädige Frau, da drüben geht er mit zwei jungen Damen.“

Frau Petri hörte wohl die leise Befremdung durch Roses Worte klingen und sagte ganz harmlos: „Ja, deshalb blieb mein Mann noch in Berlin zurück, um das Engagement mit diesen beiden Damen perfekt zu machen, es sind zwei Kontoristinnen, die wir für unser Geschäft brauchen. Drüben ist in allen Branchen großer Personalmangel. Wir haben uns reiflich überlegt, ob wir die hohen Reisespesen dransetzen sollen, aber wir brauchen tüchtige Leute, und da sie sich, gleich Ihnen, auf Jahre hinaus verpflichten müssen, kommt man doch auf seine Kosten.“

Interessiert sah Rose auf die jungen Damen. Sie waren beide sehr hübsch. „Da müssen Sie freilich viel Reisegeld zahlen, gnädige Frau“, sagte Rose harmlos.

„Ja, das ist nun mal nicht anders. Aber jetzt will ich gehen und meinen Mann begrüßen.“

Während sie davonging, trat Martha zu Rose. „Was sagen Sie dazu, Fräulein Rietberg, jetzt bringt ja der Herr Petri noch ein paar junge Mädchen mit an Bord?“

Rose gab ihr die von Frau Petri erhaltene Auskunft, und Martha fand nun so wenig etwas dabei wie Rose. Sie sagte nur triumphierend: „Na, sehen Sie wohl, so rar ist drüben gutes Personal, da brauchen wir nicht bange zu sein. Und wenn wir nicht gut behandelt werden, dann gehen wir eben.“

„Aber Sie vergessen, Fräulein Preller, dass wir uns auf drei Jahre verpflichtet haben.“

„Na schön, Petris haben sich aber auch zu guter Behandlung verpflichtet, und wenn sie ihr Versprechen halten, halte ich meins auch.“

Und Martha wandte ihr Interesse nun den anderen Ankommenden zu und stellte mit Vergnügen fest, dass mehr Herren als Damen an Bord kamen. An jungen Mädchen schien es zu fehlen. Außer Rose und Martha und den beiden Kontoristinnen waren nur noch die jungen Damen an Bord, die mit dem einen Herrn in Herrn Petris Gesellschaft gekommen waren.

„O je, die sehen aus, als wären sie vom Tingeltangel, sehen Sie nur, wie sie am frühen Morgen schon geschminkt sind“, sagte Martha ein wenig verächtlich.

Auch Rose sah, obwohl sie wenig Erfahrung hatte, dass diese Damen etwas Auffallendes hatten.

Als sie später mit Frau Petri einmal über die Damen sprach und Marthas Ausspruch wiedergab, sagte Frau Petri mit einem seltsamen Lächeln: „Fräulein Preller scheint sehr scharfsichtig zu sein, diese Damen sind zwar nicht vom Tingeltangel, aber vom Theater, sie sind für ein Gastspiel drüben engagiert. Die Herren, in deren Gesellschaft sie sind, kennen wir zufällig– es sind Theaterdirektoren. Immerhin ist es gut, wenn Sie sich mit diesen Damen nicht näher einlassen, das ist keine Gesellschaft für Sie und Fräulein Preller. Auch für die beiden Kontoristinnen kann ich meine Hand nicht ins Feuer legen, halten Sie sich auch von ihnen möglichst fern!“

Rose war sehr dankbar für diese Fürsorge – dafür hielt sie Frau Petris Worte. Und sie wiederholte sie dann auch Martha, die lachend versicherte, dass sie selber Augen im Kopf habe.

Nun waren die letzten Passagiere an Bord gestiegen, und jetzt begann oben auf dem Promenadendeck der ersten Klasse die Musikkapelle zu spielen: „Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus.“ Ein schweres Stampfen und Dröhnen ging durch den Schiffskoloss, langsam setzte sich der Dampfer in Bewegung.

Rose starrte mit brennenden Augen vor sich hin, während Martha vergnügt mit der Musik sang. Dieses arme Waisenmädchen hatte einen Vorzug vor anderen Menschen, ihr Gemüt war nicht beschwert von Heimatgefühlen oder Abschiedsweh. Für sie gab es keine Heimat, keine Trennungsschmerzen. Aber Rose ließ zwei geliebte Gräber da drüben – und eine in Licht und Sonne getauchte Kindheit. Dahinter verblassten die Leiden und Sorgen, die nachher gekommen waren und die sie nun aus der Heimat trieben.

Aber ehe sie sich recht in ihr Abschiedsweh vertiefen konnte, erschien Frau Petri neben ihnen. „Also nun sind wir unterwegs. Wir werden uns auf der Überfahrt nicht viel um Sie kümmern können, weil wir Bekannte an Bord haben. Amüsieren Sie sich, so gut es geht, und richten Sie sich ganz ein, wie es Ihnen gefällt. Haben wir unser Reiseziel erreicht, dann kümmern wir uns schon wieder um Sie. Bis dahin sollen Sie ganz frei über sich verfügen.“

Damit nickte Frau Petri den beiden jungen Mädchen zu und ging davon. Martha Preller sah ihr lachend nach. „Na, das ist anständig, das muss ich sagen, dass sie uns nicht schon auf der Reise mit allerlei Dienstleistungen in Anspruch nimmt. Das sind bezahlte Ferien mit voller Pension und freier Reise. So gut habe ich es lange nicht gehabt. Ist doch fein, Fräulein Rietberg, jetzt sind wir Freiherrn. Das habe ich mir schon immer mal gewünscht.“

Bei der ersten Mittagsmahlzeit war nun zum ersten Mal der Speisesaal ganz gefüllt.

Rose und Martha wurden vom Steward an der großen Mitteltafel Plätze angewiesen, die sie nun bei jeder Mahlzeit einnehmen sollten. Der Platz neben Rose war noch nicht besetzt. Nach einer Weile merkte sie aber, dass sich ein Herr neben ihr niederließ, der ebenfalls vom Steward geführt worden war. Rose wandte den Kopf, als der Herr sich vor ihr verneigte, und da schlug auch schon eine leise Röte in ihr Gesicht – es war der Fremde, der ihr gleich bei seinem Eintreffen aufgefallen war. Es war ein schlanker Mann mit einem markanten Gesicht. Unter einer mächtigen Stirn lagen stahlblaue Augen. Der schmallippige Mund mit den festen weißen Zähnen zeigte einen herben, fast harten Zug, der von vielen Kämpfen sprach. Tief gebräunt war sein Gesicht, und die Hände waren kraftvoll, wie die ganze Persönlichkeit. Jedenfalls war Roses Tischnachbar ein interessanter Mann.

Gleich nachdem Rose einen Blick auf ihn geworfen und er in ihr die junge Dame wiedererkannt hatte, die ihm schon bei Betreten des Dampfers aufgefallen war, hatte er sich vor ihr verneigt, und sich vorgestellt.

„Soviel ich vom Schiffsbrauch verstehe, mein gnädiges Fräulein, werden wir für die Dauer unserer Reise Tischnachbarn sein. Gestatten Sie, dass ich mich vorstelle, ich heiße Wendland.“

Rose errötete von neuem, weil seine Augen dabei so intensiv in die ihren leuchteten.

Sie neigte den Kopf und sagte ruhig: „Ich heiße Rietberg und bitte Sie, mich nicht anders zu nennen als Fräulein Rietberg. Das gnädige Fräulein kommt mir nicht zu, da ich im Begriff bin, ein Engagement in abhängiger Stellung anzutreten.“

Wieder traf ein aufleuchtender, forschender Blick in ihre Augen. „Wie Sie wünschen, Fräulein Rietberg. Ich wäre allerdings nicht auf den Gedanken gekommen, dass Sie eine abhängige Stellung einnehmen werden. Man kann Sie nur als Dame einschätzen, wenn man Sie ansieht.“

„Sollte Sie nicht der Umstand eines anderen belehrt haben, dass ich hier auf dem Dampfer in der zweiten Klasse reise?“, fragte sie mit einem leisen Lächeln.

„Ich bin überzeugt, dass in der zweiten Klasse manche Dame erster Klasse reist und in der ersten Klasse manche Dame zweiter Klasse. Sie machen einen durchaus erstklassigen Eindruck.“

„Ich bin nichts als ein armes Mädel, das sein Brot verdienen muss.“

„Aber das sind Sie noch nicht lange, wenn ich einige Menschenkenntnis habe.“

„Alles andere ist vorbei. Ich bin in einer dienenden Stellung, das ist das Wesentliche.“

„Und in ein fremdes Land wollen Sie gehen, um Ihr Brot zu verdienen?“, fragte er, teilnahmsvoll ihr reizendes Gesicht betrachtend.

Sie seufzte leise auf. „Man ließ mir keine andere Wahl.“

Etwas in diesen resignierten Worten rührte an sein Herz, das schon durch Roses Anblick ergriffen gewesen war. „Gehen Sie auch nach Argentinien?“, fragte er.

„Ja, nach Buenos Aires.“

„Ich fahre nach Rosario“, erwiderte er. Sie zuckte leicht zusammen. In Rosario lebte doch ihre Tante Josephine! Aber sie sprach auch zu ihm nicht davon. „Rosario liegt nicht weit von Buenos Aires?“

„Nein, einige Stunden Bahnfahrt. Doch kann man auch mit dem Dampfer fahren, wenn man länger Zeit hat.“

„Sie sind aber Deutscher?“

Er neigte das Haupt. „Ja, aber ich habe mich entschlossen, drüben in Argentinien ein Engagement als Ingenieur anzunehmen in einem großen Werk für landwirtschaftliche Maschinen. Ich weiß nicht, ob Sie je von den Argro-Werken gehört haben.“

„Nein“, sagte sie, „davon habe ich nie gehört, das stand meinem Interessenkreis bisher auch ganz fern.“

„Der Name Argro-Werke ist aus den beiden ersten Silben der Worte Argentinien und Rosario gebildet.“

„Ah, so. Es ist also jedenfalls ein großes Werk.“

„Nach meinem Informationen, ja.“

„Da werden Sie ein interessantes Arbeitsfeld finden.“

„Ich hoffe sehr, mein gnädiges Fräulein – nein – entschuldigen Sie – Fräulein Rietberg.“

„Haben Sie die Hochschule in Charlottenburg besucht?“

„Ja, ich habe da meinen Diplom-Ingenieur und auch meinen Doktor gemacht.“

„Oh, da habe ich Ihnen Ihren Titel vorenthalten, Herr Doktor.“

„Ich lege nur so weit Wert auf diesen Titel, als er mir zu einem besseren Fortkommen verhelfen soll. In Gesellschaft ist er überflüssig.“

Sie lächelte fein. „Ehre, wem Ehre gebührt. Nun, da ich weiß, dass Sie darauf Anspruch haben, werde ich ihn auch gebrauchen.“

„Es steht in Ihrem Belieben, Fräulein Rietberg.“

„Wie schade, dass Sie Ihre Kenntnisse nicht in Deutschland verwerten können“, sagte sie, um die Unterhaltung fortzusetzen.

„Sagen Sie das, weil Sie dann während dieser Überfahrt nicht meine Tischnachbarin hätten zu sein brauchen?“, fragte er mit einem Lächeln, das sehr sympathisch wirkte.

Auch um ihren Mund flog ein leises Lächeln. „Ich hoffe, Sie halten mich nicht für so unhöflich, dass Sie annehmen könnten, ich würde diese Frage bejahen.“

„Das haben Sie mir gut gegeben. Ich bitte um Verzeihung. Und ich will Ihnen nun ernsthaft antworten. Ich fand im deutschen Vaterland jetzt kein befriedigendes Tätigkeitsfeld, und da ich ganz allein im Leben stehe, so dass mich nichts zurückhielt, nahm ich ein sehr günstiges Engagement in Rosario an. Für einen Mann ist es nichts besonderes, wenn er ins Weite schweift, um seine Kräfte besser regen zu können. Aber Sie, mein gnädiges Fräulein, Sie sind doch sicher nicht leichten Herzens abgereist?“

Rose sah mit einem Blick zu ihm auf, der ihn bis ins Herz traf, weil er so traurig war. „Ich habe auch nichts zurückgelassen, was mir den Abschied schwer machte, nichts als zwei Gräber, die meiner Eltern.“

„Immerhin ist es doch für eine Dame ein schwerwiegender Entschluss, ins Ausland zu gehen. Reisen Sie ganz allein?“

„Nein, die Herrschaften, die mich engagiert haben als Pflegerin ihrer alten Mutter, sind mit an Bord. Auch Fräulein Preller, das junge Mädchen neben mir, geht mit nach Buenos Aires als Dienerin für dieselbe alte Dame.“

Werner Wendland sah einen Moment zu Martha Preller hinüber, die sich angeregt mit einem jungen Mann unterhielt, der an ihrer anderen Seite saß. Dann wandte er sich wieder an Rose: „Es ist sicher Ihre erste Stellung?“

„Ja, es ist meine erste Stellung, und ich war sehr froh, dass man mich engagierte, ohne dass ich Zeugnisse aufzuweisen hatte.“

Er lächelte warm. „Für einen Menschenkenner bedarf es keiner Zeugnisse, wenn er Sie ansieht.“

Jetzt wurde ihre Unterhaltung durch den servierenden Steward unterbrochen, und nun wandte sich Martha Preller an Rose. „Fein, was, wenn man so bedient wird beim Essen? Ich wollte, die Reise nähme kein Ende. So gut ist es mir noch nie gegangen. Und der junge Mann an meiner Seite ist ein netter Mensch. Er hat seine Mutter in Deutschland besucht und reist jetzt wieder nach Argentinien zurück. Er ist Landwirt und in einer großen Meierei angestellt. Es soll sich drüben sehr gut leben, wenn man nur arbeiten will. Und stolz ist er gar nicht, obwohl ich ihm gesagt habe, dass ich nur ein Dienstmädchen bin. Er sagt, ein tüchtiges, braves Mädchen wird auch mal eine tüchtige, brave Frau.“

„Damit hat er auch Recht, Fräulein Preller“, sagte Rose lächelnd.

Martha Preller wandte sich nun ihrem Nachbarn, einem Herrn Weißkant, wieder zu und war bald in ein eifriges Gespräch mit ihm vertieft. Fröhliches Lachen klang von den beiden herüber. Nach einer Pause wandte sich Doktor Wendland wieder an Rose. „Ist dies Ihre erste Seereise?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Nein, ich habe vor Jahren – damals war ich freilich noch ein Kind – mit meinem Vater eine Mittelmeerreise gemacht, aber der Dampfer war bedeutend kleiner als dieser und nicht so komfortabel. Die erste Klasse war nicht so gut ausgestattet wie hier die zweite.“

Also damals ist dieses reizende Geschöpf noch erster Klasse gereist, dachte Werner Wendland und fuhr dann laut fort: „Sie dürfen nicht vergessen, dass wir uns hier auf einem der größten und neuesten Dampfer befinden. Hatten Sie damals gutes Wetter auf Ihrer Mittelmeerreise?“

„Bis auf einen ziemlich tollen Sturmtag, ja.“