Heiraten im Namen der Liebe - Nicolas Lindt - E-Book

Heiraten im Namen der Liebe E-Book

Nicolas Lindt

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Beschreibung

Heiraten im Namen der Liebe Heirat, freie Trauung und Taufe Ein Buch für Brautpaare und Verlobte Ein Buch für Paare, die niemals heiraten wollen Ein Buch für Singles, die vom Heiraten träumen Ein Buch für die Eltern des Brautpaars Ein Buch für Trauzeugen Ein Buch für Hochzeitsplanerinnen Ein Buch für Traurednerinnen und Ritualgestalter Ein Buch für junge Eltern ...ein Buch für alle, die immer noch an die grosse Liebe glauben Nicolas Lindt ist weder Forscher noch Paartherapeut, und doch kennt er mehr Liebesgeschichten als jeder andere in der Schweiz. Seit 1996 haben ihm über 1000 Paare erzählt, wie sie zusammengekommen sind. Nachdem Lindt damals von Freunden gebeten wurde, bei ihrer Hochzeit eine Rede zu halten, hat der Schriftsteller die Liebe der anderen zu seinem Beruf gemacht. NZZ Folio

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Ein Buch aus der Reihe «lindtbooks»

Umschlagbild: Rainer Hohnhaus – www.hohnhaus.com

Das Bild zeigt eine freie Trauung in Steckborn am Bodensee

Mein besonderer Dank geht an Thomas Manser, Nicole Muri, Patrick Ramer, Susan Lüthi, Stefan Grombach und Evelyne Middelmann für das sorgfältige Gegenlesen des Manuskripts

Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser!

Vielleicht möchten Sie heiraten.

Vielleicht möchten Sie nicht nur standesamtlich, sondern feierlich heiraten. Vielleicht möchten Sie aber nicht in der Kirche heiraten, sondern wünschen sich eine freie Trauung.

Vielleicht möchten Sie gar nicht verheiratet sein – aber das Thema interessiert Sie doch.

Vielleicht möchten Sie erst eines Tages heiraten. Aber Sie freuen sich jetzt schon darauf.

Vielleicht möchten Ihre Kinder heiraten. Und als Eltern möchten Sie nur das Beste für sie.

Vielleicht möchten Ihre Freunde heiraten. Und Sie möchten sie dabei unterstützen.

Vielleicht möchten Sie selbst Brautpaare trauen. Oder tun es schon.

. . . oder Sie sind frischgebackene Eltern und möchten Ihr Kind taufen lassen?

Was auch immer Sie dazu bewog, mein Buch in die Hände zu nehmen: Verwenden Sie es ganz nach ihrem eigenen Gutdünken. Blättern Sie darin. Suchen Sie gezielt nach den Fragen, die Sie beschäftigen und finden Sie eine Antwort. Benützen Sie es als Ratgeber und als Nachschlagewerk – oder lesen Sie es von Anfang bis Ende. Lassen Sie sich inspirieren von der Fülle an Hinweisen, Ratschlägen, Tipps – und Gedanken. In diesem Buch hat es viele Gedanken, und manche davon gründen tief.

«Heiraten im Namen der Liebe» ist kein klassisches Sachbuch. Ich beschreibe darin, wie ich selber seit über 25 Jahren freie Trauungen und Taufen gestalte. Während all dieser Jahre habe ich viel erlebt und vieles gelernt. In diesem Buch schildere ich Ihnen meine Erfahrungen. Ich könnte mich als Experten bezeichnen, doch das liegt mir nicht.

Was in diesem Buch steht, ist meine persönliche Sicht der Dinge. Aber ich freue mich, wenn ich damit etwas bewegen kann: bei Ihnen selbst, liebe Leserin, lieber Leser – und vielleicht in der Welt, die uns mit ihren Konventionen und geistigen Grenzen auch heute noch davon abhält, frei zu denken und frei zu handeln.

Eine Bemerkung vorweg, bevor Sie mit der Lektüre beginnen: Ich habe dieses Buch für ALLE Paare geschrieben – unabhängig von ihrem Wesen oder Geschlecht. Weil es aber beinahe unmöglich ist, ihnen allen gleichzeitig sprachlich gerecht zu werden, habe ich mich für die klassische Formulierung entschieden, die noch immer der grossen Mehrheit der Paare entspricht. Ich habe also konsequent «Bräutigam» oder «Braut» geschrieben.

Ebenfalls der besseren Lesbarkeit halber habe ich bei Wörtern, die beide Geschlechter betreffen, die traditionelle männliche Form beibehalten, obwohl ich darüber nicht glücklich bin. Alle Leserinnen bitte ich um Verständnis.

Inhalt

EINLEITUNG

WARUM HEIRATEN?

1. Warum sollen wir heiraten?

2. Wir möchten heiraten, aber sprechen die hohen Scheidungsraten nicht ernsthaft dagegen?

3. Die meisten Geschiedenen glaubten am Anfang, für die Ehe bereit zu sein. Wäre es nicht besser gewesen, sie hätten gar nicht geheiratet?

4. Heiraten bedeutet noch immer, an eine lebenslängliche Liebe zu glauben. Kein Paar heiratet nur auf Zeit. Aber machen wir uns da nicht falsche Hoffnungen?

5. Müssen wir heiraten, um uns zu beweisen, dass wir uns lieben? Ein Ja-Wort würde an unserer Liebe nichts ändern.

6. Die Ehe ist nur ein Stück Papier. Sie täuscht uns eine falsche Sicherheit vor. Die Ehe ist ein Korsett, das uns unfrei macht.

WANN HEIRATEN?

7. Wann, in welchem Alter sollen wir heiraten? Woran erkennen wir den richtigen Zeitpunkt?

8. Sollen wir heiraten, wenn wir schon seit der Schulzeit ein Paar sind?

9. Heiraten wir aus Liebe – oder eigentlich nur, weil wir Kinder wollen?

10. Sollen wir heiraten, obwohl mein Partner kein Kind will?

11. Sollen wir vor oder erst nach der Geburt unseres Kindes heiraten?

12. Unsere Kinder sind schon älter. Sollen wir jetzt noch heiraten?

13. Mein(e) Partner(in) ist viel älter als ich. Sollen wir trotzdem heiraten?

14. Ich war schon verheiratet. Soll ich es ein zweites Mal tun?

15. Ich möchte heiraten, mein Partner nicht. Was soll ich tun?

16. Meine Eltern sind dagegen, dass wir heiraten. Sollen wir es trotzdem tun?

VERLOBUNG

17. Warum sollen wir uns verloben?

18. Wie sollen wir uns verloben?

19. Ich möchte meiner Partnerin einen Antrag machen. Wie soll ich vorgehen?

20. Soll ich bei meinen Schwiegereltern um die Hand ihrer Tochter bitten?

21. Mein Partner findet einen Antrag nicht nötig. Soll ich es tun?

WIE HEIRATEN

22. Wie sollen wir heiraten? Nur auf dem Standesamt?

23. Wie sollen wir heiraten – zu zweit in der Karibik?

24. Wie sollen wir heiraten – in der Kirche?

25. Sollen wir uns für eine freie Trauung entscheiden?

26. Soll uns unser Trauzeuge trauen?

27. Wir sind uns nicht einig, wie wir heiraten sollen

28. Unsere Familien haben verschiedene Konfessionen. Was sollen wir tun?

29. Ich möchte meinen Partner mit der feierlichen Trauung überraschen

30. Womit beginnen? Mit der Person – oder mit dem Ort?

WO HEIRATEN

31. Wo sollen wir heiraten?

32. Klassische Hochzeit mit Ortsverschiebung?

33. ...oder alles am gleichen Ort?

34. Sollen wir in der Region heiraten, wo wir leben?

35. Sollen wir uns in einer Kirche das Ja-Wort geben? Obwohl wir nicht kirchlich heiraten wollen?

36. Sollen wir in einer Kapelle heiraten?

37. Sollen wir unter freiem Himmel heiraten?

38. Sollen wir einen Ort suchen, der die Trauung bei Sonne draussen, bei Regen drinnen erlaubt?

39. Sollen wir in einem Schloss heiraten?

40. Sollen wir auf einem Bauernhof heiraten?

41. Sollen wir in einem Restaurant oder Hotel heiraten?

42. Sollen wir in einem Treibhaus heiraten?

43. Sollen wir in einer Eishöhle heiraten?

44. Sollen wir in unserem Garten heiraten?

45. Sollen wir auf einem Schiff heiraten?

46. Sollen wir an einem schönen Ort in den Bergen heiraten?

47. Sollen wir unsere Hochzeit im Ausland feiern?

48. Sollen wir am Abend heiraten?

49. Sollen wir im Winter heiraten?

50. Sollen wir, statt am Samstag, an einem Freitag heiraten?

51. Sollen wir an einem Sonntag heiraten?

52. Wie sollen wir standesamtlich heiraten?

WELCHE KLEIDUNG

53. Soll ich ein Hochzeitskleid tragen?

54. Soll ich ein weisses Hochzeitskleid tragen – oder doch nicht?

55. Mit Krawatte und Anzug – oder ganz anders?

WEN EINLADEN

56. Eine Hochzeit mit vielen Gästen?

57. Eine Hochzeit nur für die Freunde und die Familie?

58. Apérogäste: Wen sollen wir einladen, wen nicht?

59. Geladene Gäste: Wen sollen wir einladen, wen nicht?

60. Die Familie: Wen sollen wir einladen – wen nicht?

61. Meine Eltern sind geschieden und haben keinen Kontakt. Wie soll ich vorgehen?

62. Wen sollen wir als Trauzeugen wählen?

63. Sollen Kinder an der Trauung dabei sein – oder ausnahmsweise zuhause bleiben?

GESTALTUNG

64. Worauf müssen wir bei der Gestaltung des Raumes achten?

65. Worauf müssen wir bei einer Trauung im Freien achten?

66. Wie sollen die Stühle aufgestellt sein, wie sollen wir sitzen?

67. Wie soll die «Bühne» gestaltet sein?

BEGINN DER TRAUUNG

68. Wie soll die Trauung beginnen?

69. Sollen wir uns vor der Trauung sehen?

70. Wie soll die Familie begrüsst werden?

71. Wie sollen Ihre Kinder begrüsst werden?

72. Soll bei der Begrüssung an Verstorbene gedacht werden?

73. Was gehört sonst zur Begrüssung?

74. In welcher Sprache soll die Trauung gehalten werden?

INHALT DER TRAUUNG

75. Was soll an der Trauung gesagt werden?

76. Wie erzähle ich eure Liebesgeschichte?

77. Wie erzähle ich die Vorgeschichte der Liebesgeschichte?

78. Wie erzähle ich vom Moment, als ihr zusammengekommen seid?

79. Wie erzähle ich von eurer Beziehung?

80. Wie spreche ich von schwierigen Zeiten in einer Beziehung?

81. Wieviel Humor braucht eine Liebesgeschichte?

82. Wie erzähle ich von der Verlobung?

83. Worum geht es im Trauritual?

84. Warum ist die Ehe eine Quelle der Kraft und warum eine Schule?

85. Warum erweitert die Ehe den Horizont?

86. Wie soll das Eheversprechen lauten?

87. Wann dürfen wir uns küssen?

88. Sollen wir die Ringe tauschen?

89. Sollen wir beim Ringtausch etwas zueinander sagen?

90. Soll die Trauung durch weitere Elemente bereichert werden?

91. Sollen wir Beiträge von Gästen in die Trauung einbauen?

92. Wer soll uns während der Trauung bereits gratulieren? Wem sollen wir Danke sagen?

93. Wie soll die Trauung zu Ende gehen? Wie lange soll sie dauern?

NACH DER TRAUUNG

94. Wie sollen wir den Übergang zum Apéro und die Gratulationen gestalten?

95. Wie sollen wir den Apéro gestalten?

DIE MUSIK

96. Welche Art von Musik eignet sich für die Trauung?

97. Musik aus der Box?

98. . . . oder Livemusik?

99. Wen sollen wir für die Musik engagieren?

BILDER

100. Wer soll fotografieren?

101. Nur Fotos – oder auch Video? Oder vielleicht eine Tonaufnahme?

VORBEREITUNG

102. Wie geht es weiter, wenn wir uns für die freie Trauung entschieden haben?

103. Wie wichtig ist das Gespräch vor der Trauung?

104. Wie teuer soll unsere Hochzeit werden?

105. Sollen wir eine Hochzeitsplanerin engagieren?

106. Wie sollen wir auf die Hochzeit zurückblicken?

TAUFE

107. Was bedeutet die Taufe?

108. Sollen wir unser Kind kirchlich taufen…

109. . . . oder wünschen wir uns eine freie Taufe?

110. Wann sollen wir unser Kind taufen?

111. Kommt für die Taufe nur der Sonntag in Frage?

112. Wo soll die Taufe stattfinden?

113. Sollen wir unser Kind im eigenen Garten taufen?

114. Wen sollen wir einladen?

115. Wer sollen die Paten sein?

116. Könnte die Taufe auch im Anschluss an die Trauung stattfinden?

117. Welche Musik passt zur Taufe? Welche Dekoration?

118. Was soll über das Taufkind gesagt werden?

119. Wie soll der Taufakt gestaltet sein?

120. Was können Paten und Eltern zur Taufe beitragen?

EINE GANZ ANDERE FRAGE

121. Kann ich selber freie Zeremonien gestalten?

Einleitung

Heiraten ist einfach und kostengünstig. Sie reichen die nötigen Dokumente ein, vereinbaren einen Termin mit dem Standesamt, bezahlen die verlangte Gebühr, bringen am Tag der Trauung zwei Trauzeugen mit und lassen sich trauen. Nach einer Viertelstunde sind Sie verheiratet, und abends lassen Sie eine Party steigen.

Als moderner Mensch könnte man sich die Frage stellen: Weshalb dann doch eine zweite Trauung? Weshalb eine feierliche Zeremonie? Weshalb nicht bloss eine Party, sondern ein Hochzeitsfest?

Wir wissen die Antwort: Weil Heiraten mehr als nur eine amtliche Angelegenheit ist. Heiraten ist ein Bekenntnis. Es geht um ein Versprechen, das sich ein Paar möglicherweise fürs Leben gibt. Es geht um den ersten Schritt zu einer Familie. Es geht um die Krönung eines gemeinsam begonnenen Weges. Es geht um die schöne Gewissheit: Wir gehören zusammen. Es geht um Liebe.

Dafür sind 15 Minuten vor einer Behörde zu wenig. Heiraten verdient eine höhere Wertschätzung. Das war schon immer so. Seit jeher wurden Hochzeiten nicht nur beschlossen, sondern gefeiert. Und seit jeher stand im Mittelpunkt einer Hochzeit eine feierliche Zeremonie. Sie war wichtiger als die formelle oder amtliche Eheschliessung.

Natürlich wurden in der Vergangenheit viele Hochzeiten arrangiert, und in manchen Kulturen kommt dies heute noch vor. Doch selbst eine aufgezwungene Hochzeit wurde stets so dargestellt und gefeiert, als ob es um Liebe ginge. Und am glücklichsten waren die Eltern der Brautleute dann, wenn ihre standesgemäss zusammengeführten Kinder sich zufällig auch noch liebten. Mit jeder Hochzeit – ob arrangiert oder nicht – wurde die Liebe gefeiert. Und das Fest begann stets mit dem Trauritual.

Warum aber war die feierliche Zeremonie bis in die heutige Zeit hinein Sache der Kirche? Was hat eine Ehe mit Religion zu tun?

In früheren Zeiten empfanden die Menschen anders als heute. Die Schöpfung war ein Wunder für sie, alles war durchdrungen vom Göttlichen – auch die Liebe. Sie wurde nicht als Hormonausschüttung gesehen, die der biologischen Fortpflanzung dient, sondern als Himmelsmacht, die zwei Seelen zusammenführt. Sie war ein Geschenk der Götter, und so galt auch die Heirat nicht als eine weltliche, sondern spirituelle Handlung.

Die Spiritualität wurde von den Menschen als Kraft erlebt, und vielleicht gibt es tatsächlich Kräfte, die sich wissenschaftlich nicht messen lassen. Doch je irdischer wir geworden sind, je mehr der Verstand uns zu lenken begann, umso weniger spürte der Mensch diese inneren Energien. An ihre Stelle trat Religion.

Religion ist nicht dasselbe wie Spiritualität. Sie ist bloss eine Lehre – eine spirituelle Lehre, an die man glauben oder nicht glauben kann. Glaubensgemeinschaften bildeten sich, die Kirche entstand und sie wurde zur Institution, die das Leben der Gläubigen von der Geburt bis zur Bahre begleitete und bestimmte. Für alles Feierliche war von nun an der Pfarrer da – auch für die Trauung. Eine Heirat ohne den Segen des Geistlichen war nicht vorstellbar.

So blieb es viele Jahrhunderte lang – bis heute. Das Bild der kirchlichen Trauung als einzig mögliche «gültige» Form einer feierlichen Heiratszeremonie sitzt noch immer in unseren Köpfen. Jeder Hollywood–Film, der eine Trauung zeigt, zementiert dieses Bild erneut – und steht vor dem Paar kein Pfarrer, dann eine Pfarrerin. Es kann auch ein Theologe, ein Pastoralassistent, Diakon oder Katechet sein: die Trauung bleibt religiös geprägt, weil eine Person sie leitet, die theologisch geschult ist.

Das Bild hält sich mit grosser Hartnäckigkeit – obwohl es längst nicht mehr stimmt. Immer mehr Menschen in unseren westlichen Ländern wenden sich von der Kirche ab, weil sie selber entscheiden möchten, woran sie glauben. Sie benötigen dafür keine Kirche mehr. Das begann in den 60er–Jahren des letzten Jahrhunderts, als eine rasch wachsende Zahl junger Leute die Kirche verliess und viele heiratswillige Paare auf die kirchliche Trauung verzichteten. Sie beschränkten sich auf das Standesamt oder zogen zusammen, ohne zu heiraten.

Vorerst war dies nur eine Minderheit. Die meisten Paare wählten noch immer den kirchlichen Weg – doch ohne innere Überzeugung. Sie traten vor den Altar, weil ihre Eltern es wollten oder weil es in ihrer Umgebung immer noch alle so machten. Und vor allem traten sie vor den Pfarrer, weil es für sie nicht in Frage kam, nur den amtlichen Weg zu beschreiten. Sie wünschten sich etwas Feierliches und eine andere Form als die kirchliche Zeremonie gab es nicht.

Inzwischen hat sich das Blatt gewendet. Immer weniger Paare heiraten noch auf die klassische Art in der Kirche. Die grosse Mehrheit geht nur aufs Standesamt – oder aber entscheidet sich neben dem amtlichen Ja-Wort für eine feierliche Zeremonie ohne Kirche.

Einzelne Theologen und ehemalige Pfarrerinnen und Pfarrer waren die ersten, die das kirchliche Hoheitsgebiet zu verlassen wagten. Die Brautpaare waren frei in der Wahl der Lokalität und der Zeit, und sie konnten auch die Gestaltung der Trauung weitgehend mitbestimmen. Ob sie Konfessionslose oder Mitglieder einer Kirche waren, spielte dabei keine Rolle. Wenn ein Paar es wünschte, waren die Zeremonienleiter bereit, auf Elemente des kirchlichen Traurituals zu verzichten oder andere Formulierungen vorzuschlagen.

Damit war ein Tabu gebrochen: Eine feierliche Trauung muss nicht mehr zwingend eine kirchliche Trauung sein. Es war ein mutiger erster Schritt – und doch erst ein halber Schritt. Ein theologisch ausgebildeter Mensch kann nicht so ohne weiteres aus seiner Haut heraus, selbst wenn er es wollte.

Sein ganzes Studium, sein Vokabular, seine Erfahrung im Pfarramt und vor allem: die christliche Überzeugung, all dies prägt seine Wortwahl an einer Trauung. Er möchte das Hochzeitspaar im christlichen Geiste trauen, auch wenn er dies nicht so sagt. Er möchte ihm einen göttlichen Segen mit auf den Weg geben.

Wohin aber konnten sich Brautpaare wenden, die dies nicht wollten?

Einzelne Paare entdeckten die Möglichkeit einer buddhistischen Zeremonie. Andere fanden für ihre Trauung ein schamanistisches, indianisches oder keltisches Ritual. Wohin aber konnten sich Heiratswillige wenden, die auch keine esoterische Trauung wollten?

Manche Paare, die keine bessere Lösung fanden, entschlossen sich zuletzt doch zum Gang in die Kirche. So auch wir – Julia und ich. An einen Pfarrer in meiner Kindheit hatte ich eine positive Erinnerung, also wandte ich mich an ihn, obwohl er schon pensioniert war. Ich erklärte ihm offen, dass wir beide keiner Kirche mehr angehörten. Ob er uns trotzdem verheiraten könne?

Er sagte zu und bemühte sich ernsthaft, uns an der Trauung – sie fand in einer kleinen Kapelle statt – gerecht zu werden. Dennoch war es ihm ein Bedürfnis, seine Worte über unsere Liebe in die christliche Botschaft münden zu lassen. Er zitierte die Bibel, er sprach ein Gebet, und am Ende wussten wir wieder, warum wir keine kirchliche Zeremonie gewollt hatten. Wir verliessen das Gotteshaus mit gemischten Gefühlen. Der Kompromiss war ein Fehler gewesen.

Oder doch nicht? Die Enttäuschung über unsere Trauung, die nicht wirklich unsere Trauung war, hat mich vielleicht dazu motiviert, dieselbe Erfahrung anderen Paaren ersparen zu wollen. . .

Einige Jahre nach meiner eigenen Heirat hielt ich am Hochzeitsfest eines Bekannten eine kleine Rede. Das Brautpaar hatte nur auf dem Standesamt heiraten wollen, mich aber angefragt, ob ich abends am Fest bereit sei, ein paar passende Worte zu sprechen. Das tat ich gern, doch im Nachhinein dachte ich: Eigentlich hätte ich das Paar trauen sollen. Ich hätte ihre Liebesgeschichte erzählen und eine kleine Zeremonie durchführen sollen.

Wie ich auf diese verrückte Idee kam – die mein Leben verändern sollte –, weiss ich beim besten Willen nicht mehr. Doch ich erwähnte sie, als ein Journalist ein Porträt über mich als Autor schreiben wollte. Der Artikel erschien, und darin stand ganz am Ende, dass ich mir vorstellen könnte, ein Trauritual zu vollziehen, obwohl ich weder Pfarrer sei noch Theologie studiert hätte.

Nur wenige Tage später meldete sich eine Braut bei mir, die den Bericht gelesen hatte und sich erkundigte, ob ich Interesse hätte, sie und ihren Partner zu trauen. Ich erschrak ein wenig, denn ich hatte mir noch nicht so konkret überlegt, wie eine Trauung, die weder kirchlich noch esoterisch sein soll, gestaltet sein könnte. Mir wurde auf einmal bewusst, wie sehr ich damit Neuland betrat.

Am 3. August 1996, auf einem ehemaligen Bauernhof, traute ich Anne und Stefan, mein erstes Brautpaar. Seither habe ich viele hundert weitere Hochzeitspaare auf den Weg in die Ehe begleitet. Und jedesmal stand am Anfang der Wunsch des Paares nach einer feierlichen Zeremonie ohne kirchlichen Beigeschmack, aber auch ohne esoterische Symbolisierung. Jedes Paar wünschte sich eine Trauung, in der es um nichts anderes als um die Liebe geht.

In den allerersten Jahren war ich der einzige unabhängige Ritualgestalter ohne theologischen Hintergrund, doch in der Zwischenzeit sind die freien Traurednerinnen, Zeremonienleiter und Ritualbegleiter nicht mehr zu zählen. Das wachsende Angebot widerspiegelt die gewachsene Nachfrage. Sich frei zu trauen, ist Mode geworden. Brauchte ein Paar in den früheren Jahren noch etwas Mut, gegen den kirchlichen Strom zu schwimmen, und die elterlichen Erwartungen vielleicht zu enttäuschen, so führt eine freie Trauung heute nur noch in wenigen Fällen zu Emotionen oder Familiendramen.

Immer mehr Hochzeitsgäste haben bereits eine solche Trauung erlebt, immer mehr Eltern sind offen dafür, dass ihre erwachsenen Kinder auch in diesem Bereich neue Wege gehen, und immer mehr Kirchgemeinden bewilligen in ihren Kapellen und Kirchen inzwischen auch nicht–kirchliche Zeremonien.

Was heute im Trend liegt, wird bald zur Gewohnheit werden – nicht nur, wenn es ums Heiraten geht, sondern im gleichen Masse bei Taufen und Abdankungen. Geburt, Hochzeit und Tod sind drei Schlüsselmomente in unserem Leben, und sie werden auch den Menschen der Zukunft emotional und seelisch bewegen. Das Bedürfnis, diese Momente auf feierliche Weise zu würdigen, wird sich nicht ändern.

Gleichzeitig werden mehr und mehr Menschen zur Einsicht gelangen, dass Trauung, Taufe und Abdankung nichts mit der Kirche zu tun haben müssen. Die Trauung der Zukunft wird eine freie Trauung sein. Und frei ist die Trauung dann, wenn sie allein im Namen der Liebe geschieht.

WARUM HEIRATEN

1. Warum sollen wir heiraten?

Noch vor gar nicht so langer Zeit wäre diese Frage ziemlich sinnlos gewesen. Wollten zwei, die sich liebten, zusammenbleiben, mussten sie heiraten. Eine Alternative dazu gab es nicht. Das hat sich glücklicherweise geändert. Man kann auch zusammenbleiben, ohne zu heiraten. Man kann auch unverheiratet eine Familie gründen.

Warum also trotzdem heiraten?

Weil es mit Kindern einfacher ist, wenn die Eltern verheiratet sind? Weil es immer noch Sitte ist? Weil man es sich immer gewünscht hat?

Die meisten Paare, die heiraten wollen, würden sagen: Weil wir uns lieben. Das ist der Hauptgrund. Was aber will ein Paar damit ausdrücken? Ich versuche hier eine Antwort zu geben:

Wir wollen heiraten, weil wir uns nicht nur erotisch anziehen, sondern eine Verbindung zueinander empfinden, die weit über das Sinnlich-Körperliche hinausgeht. Wir wollen heiraten, weil wir diese Verbindung für ein unschätzbares Geschenk des Lebens halten und uns vor Zeugen versprechen möchten, alles dafür zu tun, um dieser Kostbarkeit Sorge zu tragen.

Wir wollen heiraten, weil wir es für ein Glück halten, dass wir zusammengekommen sind, und weil wir uns offiziell und feierlich bestätigen wollen, alles dafür zu tun, um dieses Glück nicht zu missbrauchen und nicht zu verderben.

Wir wollen heiraten, weil wir daran glauben, dass unsere Liebe lebendig bleibt, in guten und schlechten Zeiten, und weil sie uns Kraft gibt, unser Leben so gut zu leben, wie es gedacht ist.

Wir wollen heiraten, um unsere Liebe nicht nur privat, sondern öffentlich zu bezeugen. Wir wollen heiraten, damit alle, die uns nahestehen, wissen: Wir meinen es ernst, und ihr dürft uns darauf behaften.

Nehmen Sie sich ein paar ruhige Stunden, an einem Wochenende zum Beispiel, und stellen Sie sich gegenseitig die Frage: Warum willst du heiraten? – Fühlen Sie sich auf den Zahn, auch wenn es vielleicht etwas unbequem wird.

Lesen Sie sich meine Antworten vor, betrachten Sie sie als Gedankenanstoss. Vertagen Sie das Gespräch, wenn Sie nicht so recht weiterkommen. Reden Sie wieder davon, wenn Sie beide bereit dafür sind.

Die Frage, warum wir heiraten wollen, ist ein Prozess, ein Reifeprozess. Lassen Sie sich Zeit – Sie sind nachher noch lange genug verheiratet.

2. Wir möchten heiraten, aber sprechen die hohen Scheidungsraten nicht ernsthaft dagegen?

Dass Sie trotz hoher Scheidungszahlen heiraten möchten, ist im Grunde nicht ratsam – auf den ersten Blick. Niemand würde von einer Automarke ein Auto kaufen, wenn jedes zweite Fahrzeug der Marke vielleicht schon nach kurzer Zeit nicht mehr fahrtüchtig wäre. Würde sich aber herausstellen, dass der Fehler nicht beim Produkt liegt, sondern bei denen, die es benützen und nicht sorgfältig mit ihm umgehen, sähe es anders aus.

Die Ehe ist nicht das Problem – sondern das, was wir aus ihr machen. Auf uns kommt es an. Wir haben es selbst in der Hand, ob wir unsere Ehe vernachlässigen oder ob wir ihr Sorge tragen. Und weil wir das eigentlich wissen, wollen wir immer noch heiraten.

Dass so viele Ehen geschieden werden, hat natürlich auch damit zu tun, dass der Mensch – in den westlichen Ländern zumindest – heute freier denn je ist. An Konventionen muss er sich nicht mehr halten, auch vor der Kirche muss er sich nicht mehr rechtfertigen. Ihre Macht über die Ehe hat die Kirche verloren. Es gibt keine moralische Autorität mehr, die ein Ehepaar davon abhalten kann, sich trennen zu wollen.

Die Freiheit, die wir errungen haben, geben wir nicht mehr her. Aber sie macht das Leben nicht einfacher. Verantwortlich sind wir nun ganz allein. Den Bund der Ehe zu schliessen bedeutet aus diesem Grund mehr denn je, dass wir Verantwortung tragen wollen.

Stellen Sie sich deshalb auch diese Frage: Sind Sie für die Ehe bereit? Heiraten bedeutet ein Unternehmen gründen. Die Unternehmer sind Sie, und wenn aus der Ehe eine Familie wird, bedeutet dies noch mehr Verpflichtung. Wollen Sie das? Können Sie das? Ist ihre Liebe gross genug, um auch Hindernisse zu überwinden? Eine Durststrecke zu ertragen?

Wenn Sie diese Fragen mit Ja beantworten können, müssen Sie nichts befürchten. Wer wagt, gewinnt.

3. Die meisten Geschiedenen glaubten am Anfang, für die Ehe bereit zu sein. Wäre es nicht besser gewesen, sie hätten gar nicht geheiratet?

Wenn ein geschiedenes Paar kritisch auf seine Geschichte zurückblickt, wird es möglicherweise sagen: Vielleicht waren wir doch nicht bereit für die Ehe. Oder wir waren zu jung. Oder wir haben zu sehr der Familie zuliebe geheiratet.

Vielleicht haben wir unterschätzt, wie verschieden wir sind, wie unterschiedlich unsere Interessen und Träume sind. Vielleicht haben wir unterschätzt, wie verschieden wir unsere Kinder erziehen wollen. Und vielleicht wussten wir noch zuwenig über unsere Wünsche in der Sexualität.

Doch all dies war uns damals noch nicht bewusst. Wir haben nach bestem Wissen und Gewissen geheiratet. Im Nachhinein ist man immer klüger. Deshalb gibt es nichts zu bereuen.

Keine Ehe ist umsonst, auch wenn sie wider Erwarten frühzeitig endet. Ihr Ende mag traurig und schmerzhaft sein, doch in jedem Fall dürfen wir sie als Erfahrung sehen, die offenbar notwendig war – gerade auch dann, wenn sie uns bitter erkennen lässt, was wir falsch gemacht haben und ändern wollen. Dann kann uns eine geschiedene Ehe auch helfen, und wir dürfen dem früheren Partner eigentlich dankbar sein.

Durch die Auseinandersetzung mit ihm sind wir reifer geworden, reif für eine neue, bewusster gelebte Beziehung – und am Ende sogar bereit für eine neue, bewusster gelebte Ehe.

4. Heiraten bedeutet noch immer, an eine lebenslängliche Liebe zu glauben. Kein Paar heiratet nur auf Zeit. Aber machen wir uns da nicht falsche Hoffnungen?

Wenn Ihr Partner zu Ihnen sagen würde: Ich liebe dich, aber ich weiss nicht, ob meine Liebe zu dir ein Leben lang hält – würden Sie ihn dann heiraten wollen? Vermutlich nicht. Man möchte keinen Realisten heiraten, der das Scheitern von vornherein einkalkuliert. Wirklich zu lieben bedeutet, ewig lieben zu wollen. Und ewig bedeutet bis ans Ende des Lebens und darüber hinaus.

Eine Garantie dafür bekommen wir nicht. An die Ewigkeit unserer Liebe müssen wir glauben. Das erwartet das Leben von uns. Denn der Glaube ist eine Kraft, die Berge versetzt. Er ist die erste Voraussetzung für die Liebe. Die zweite Voraussetzung ist der Wille. Und die dritte Voraussetzung ist das Glück.

Auch das Glück garantiert uns niemand. Glück ist stets ein Geschenk. Ein Paar, das in Liebe zusammen alt werden darf, ist ein glückliches Paar. Wer aber Glück hat, soll es auch weitergeben. Zwei alt gewordene, in ihrer Liebe jung gebliebene Menschen können für junge Paare ein Ansporn sein. Ihr Beispiel zeigt: Es ist möglich! Es ist möglich, das Feuer der Liebe über Jahrzehnte hinweg immer wieder neu zu entfachen, wenn es verlöschen will. Es ist möglich, die Liebe zum selben Menschen mit dem Älterwerden neu zu gestalten. Es ist möglich, die Klippen und Stürme des Lebens miteinander zu überstehen – und gemeinsam daran zu wachsen.

Immer wieder erlebe ich, dass Paare an ihrer Trauung, wenn sie sich den Ring übergeben, einander sagen: Ich möchte mit dir eines Tages, wenn wir dann alt und grau sind, Händchen haltend vor dem Haus auf dem Bänklein sitzen, in der Gewissheit, dass ich dich immer noch liebe.

Wir mögen über diesen Wunsch lächeln – wir können ihn aber auch ernst nehmen.

5. Müssen wir heiraten, um uns zu beweisen, dass wir uns lieben? Ein Ja-Wort würde an unserer Liebe nichts ändern.

Auf den ersten Blick scheint es, als ob diese Aussage stimmen würde. Wahre Liebe braucht keinen Trauschein: Ein bestechender Satz. Aber so läuft es im Leben nicht. Denn der Mensch strebt zur Form, zur Definition – was bereits bei ihm selbst beginnt: Am Anfang steht bloss ein Wunsch. Der Wunsch führt zur Zeugung, die Zeugung zum Embryo, und das Embryo wird zum Baby. Schritt für Schritt nimmt das Neugeborene seine Gestalt an.

Dasselbe geschieht in der Liebe. Am Anfang sind es blosse Gefühle. Sie führen zum ersten Kuss und etwas später vielleicht zur Frage: Gehen wir jetzt miteinander? – Die scheue Erkundigung klopfender Teenagerherzen ist im Grunde bereits wie eine Verlobung. Hinter der Frage steht das Bedürfnis, dem noch jungen Verliebtsein einen Namen, eine Bedeutung zu geben.

Leben wir dann als Erwachsene in einer festen Beziehung, entsteht dieser Wunsch mit den Jahren erneut. Wir möchten die Liebe, die wir füreinander empfinden, benennen. Wir möchten sie festhalten, obwohl wir wissen, dass man Liebe nicht in Besitz nehmen kann. Der erste Schritt besteht meistens darin, dass wir eine gemeinsame Wohnung suchen. Das hat nicht nur praktische Gründe. Wir könnten auch weiterhin getrennt wohnen. Doch indem wir zusammenziehen, bekennen wir uns zu einer gemeinsamen Wohnadresse.

Vielleicht folgt als nächstes der Wunsch nach einem gemeinsamen Kind. Unsere Liebe soll sichtbar werden – sichtbar in der Form eines Kindes. Wir möchten eine Familie werden. Und dann merken wir irgendwann: Den Partner als «meinen Freund» zu bezeichnen oder die Partnerin als «meine Freundin», entspricht uns nicht mehr. Die Begriffe sind uns zu temporär, unsere Liebe hat eine Tiefe und Kraft erreicht, für die wir andere Namen brauchen: «Mein Mann», «meine Frau» möchten wir sagen, weil es ernsthafter und verbindlicher klingt.

Warum aber genügt uns das nicht, als Mann und Frau, in Liebe verbunden, durchs Leben zu gehen – warum wollen wir unsere Liebe institutionalisieren? Weil wir Sicherheit brauchen. Wir wohnen in Häusern, um uns sicher zu fühlen, und dasselbe gilt für die Liebe. Wir möchten ihr eine Art Haus bauen, sie mit vier Wänden und einem Dach umgeben. Nicht um sie einzusperren, sondern um sie zu schützen. Dieses Haus ist die Ehe.

Warum aber brauchen wir den Gang auf das Standesamt, um die Ehe zu schliessen? Warum brauchen wir eine grossangekündigte feierliche Zeremonie?

Weil in dieser Welt nur Gültigkeit hat, was feierlich oder amtlich vereinbart wurde. Dieses Denken haben auch wir – die allermeisten von uns jedenfalls. Wir müssen die Ehe besiegeln können, damit sie gilt. Als würde sie ohne amtlichen Stempel und feierliches Gelübde nicht existieren.

Obwohl die meisten Paare diesen Weg gehen, gibt es natürlich auch solche, die schon viele Jahre zusammen sind und ihrer Liebe noch immer kein Siegel aufdrücken wollen. Oft kommt es vor, dass zum Beispiel der Mann die Haltung vertritt, er habe eine Heirat nicht nötig und die Frau diese Haltung entweder übernimmt oder – aus Liebe zu ihrem Partner – ihren Heiratswunsch wegzustecken versucht. Dies kann allerdings dazu führen, dass die Beziehung als zunehmend unverbindlich empfunden wird. Eines Tages geschieht es dann, dass die Frau einen anderen Partner findet – und heiratet.

Man kann der Liebe zu früh eine Form geben wollen. Viele zu früh geschlossene Ehen werden wieder geschieden. Aber ein Paar kann auch den Fehler begehen, zu lange zu warten. Bis es den richtigen Zeitpunkt verpasst.

6. Die Ehe ist nur ein Stück Papier. Sie täuscht uns eine falsche Sicherheit vor. Die Ehe ist ein Korsett, das uns unfrei macht.

Diese Sätze enthalten viel Wahrheit, und Paare, die solche Erfahrungen in einer früheren Ehe durchgemacht haben, zögern deshalb zu Recht, noch einmal zu heiraten. Doch es fragt sich, ob an einer geschiedenen Ehe die Ehe schuld ist.

Die Zeiten haben geändert. Niemand muss heiraten. Das Ja-Wort der Gegenwart stellt uns keine Bedingungen mehr. Es ist ein Stück Papier, das uns freilässt. Um es noch einmal zu betonen: Auf uns kommt es an.

Die Ehe soll ein Haus für uns sein – doch Häuser gibt es verschiedene. Wenn es ein Haus ohne Fenster ist, haben wir schon verloren. Wenn sich die Türe des Hauses, einmal geschlossen, von innen nicht öffnen lässt, hätten wir niemals heiraten dürfen. Wenn es ein Haus ohne regensicheres Dach ist, müssen wir spätestens eines erstellen, wenn wir eine Familie gründen.

Das Haus für unsere Liebe soll ein Haus mit Balkonen und Fenstern sein, mit Türen, die sich jederzeit schliessen und jederzeit wieder öffnen lassen, ein Haus mit gemeinsamen und persönlichen Zimmern, ein grosses, aber kein zu grosses Haus, ein Haus ohne doppelte Böden, aber mit Winkeln, die unentdeckt sind, ein schönes, aber auch praktisches Haus, eines mit Ordnung und Durcheinander zugleich, ein Haus mit Garten und Weitsicht, ein Haus für immer und jetzt, ein Haus für die Werktage und die Sonntage, ein vollendetes und ein unvollendetes Haus, ein Haus wie das Leben.

Wenn die Ehe ein solches Haus ist, müssen wir keine Angst vor ihr haben.

WANN HEIRATEN

7. Wann, in welchem Alter sollen wir heiraten? Woran erkennen wir den richtigen Zeitpunkt?

Das «richtige» Alter zum Heiraten gibt es nicht. Jedes Paar hat seine eigene innere Uhr, die den richtigen Zeitpunkt anzeigt. Paare, die schon Mitte 30 sind, wenn sie sich finden, warten gewöhnlich nicht lange, bis sie sich die Ehe versprechen wollen. Ich habe viele Paare zwischen 35 und 40 getraut, die sich ein knappes Jahr nach dem ersten Date schon verlobten.

Ihr Umfeld wundert sich dann, wie schnell das geht, aber mit Mitte 30 haben wir doch schon etwas Lebenserfahrung und wissen, was wir in einer Beziehung wollen – und was wir garantiert nicht mehr wollen. Haben wir uns für einen Partner entschieden, müssen wir ihn nicht mehr jahrelang testen. Im Grunde sagen wir bereits Ja nach dem ersten Kuss. Ziehen wir dann zusammen und es geht gut, dürfen wir uns mit gutem Gewissen verloben.

Ein noch sehr junges Pärchen jedoch, das sich mit Anfang 20 begegnet, wird vielleicht bei aller Verliebtheit erkennen, dass Sich lieben und Heiraten zwei verschiedene Dinge sind. So wie es nicht empfehlenswert ist, schon ein Haus zu erwerben, wenn man noch jung ist, sollte man sich auch mit dem Heiraten Zeit lassen. Denn auch die Ehe ist in einem gewissen Sinne ein Hauseigentum, etwas, das man besitzt. Doch wer besitzt, sitzt. Sich niederzulassen – ein Bedürfnis in späteren Jahren – kann mit 20 oder auch 25 zu einem Gefängnis werden; zu einem Haus zwar, das uns gehört, eines Tages aber zu eng werden kann.

Wenn mich ein junges Paar für seine Trauung anfragt, bin ich jedesmal froh, wenn ich höre, dass die beiden schon eine Weile zusammen sind. Wie war das bei mir? Als wir uns kennenlernten, war Julia 22, ich 26. Drei Jahre später bezogen wir unsere erste gemeinsame Wohnung. Wir wohnten im Herzen der Stadt, und die Freunde, die Bars und die Kinos befanden sich gleich um die Ecke. Das brauchten wir wie die Luft zum Atmen.

Vom Heiraten und von Kindern sprachen wir nie. Wir waren jung und dachten nur an die Zukunft, wenn das Studium oder der Job es erforderlich machten. Sobald die Finanzen es uns erlaubten, reisten wir in die Welt hinaus, manchmal zu zweit, manchmal mit Freunden, manchmal allein. Unsere Unabhängigkeit war uns heilig.

So vergingen mehrere Jahre. Irgendwann aber stellte sich eine Sättigung ein. Die Attraktionen der Stadt verloren für uns an Reiz. Zentral zu wohnen, alles in erreichbarer Nähe zu wissen, war immer noch praktisch, doch der Verkehr in der Stadt begann uns zu stören, die abgasgeschwängerte Luft, der Lärm, die Hektik, das alles fiel uns immer mehr auf. Unser Bedürfnis wuchs, im Grünen zu wohnen, die Natur vor der Tür zu wissen. Eines Tages dann war es soweit: Wir zogen aufs Land.

Unser neues Zuhause war keine Studentenbude mit Holzofen mehr, sondern eine richtige, neu renovierte Wohnung mit viel Komfort und Blick hinüber zum nahen Wald. Die Stadt war immer noch gut erreichbar, doch sie fehlte uns nicht. Wir blieben öfters zuhause, erforschten die neue Umgebung und entdeckten, dass es auch in der Kleinstadt ein Kino und einen Kulturverein gab. Julia unterrichtete an der örtlichen Schule und begann eine nebenberufliche Kunstausbildung, während ich für ein Magazin regelmässig Geschichten schrieb und mein erstes Buch publizierte. Unsere beruflichen Wege nahmen klarere Formen an.

Was unsere Liebe betraf, so hatte sie ihre erste grössere Prüfung bestanden. Die letzte Zeit in der Stadt war geprägt gewesen von Zweifeln, Streit und zeitweiser Trennung. Wir mussten uns wieder finden, und der Entschluss, aufs Land zu ziehen, war ein Ausdruck unseres Neuanfangs. Wir waren ein Stück erwachsener geworden – und sprachen zum erstenmal von gemeinsamer Zukunft.

Die Unabhängigkeit, die uns beiden so wichtig gewesen war, hatte nicht mehr denselben Reiz für uns. Sie gab uns ein Gefühl von Unverbindlichkeit. Wir aber wollten Verbindlichkeit. Ein Bedürfnis nach Bindung entstand, das wir noch wenige Jahre vorher nicht für möglich gehalten hätten. Wir wünschten uns Kinder und konnten uns vorstellen, zu heiraten. Wir waren bereit dafür. 7 Jahre nach unserer ersten Begegnung – inzwischen war Julia 29, ich 33 – haben wir unsere Hochzeit gefeiert. Ein Jahr später kam unser erstes Kind zur Welt.

Dies ist bloss meine Geschichte. Andere Paare wohnten schon immer ländlich, manche bleiben auch in der Stadt – aber allgemein, denke ich, lässt sich sagen, dass für die Ehe erst dann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, wenn wir unseren Platz im Leben und in der Gesellschaft schon etwas gefunden haben – und unser eigenes Geld verdienen.

In Altersjahren ausgedrückt: Vor Mitte 20 würde ich keinem Paar empfehlen, zu heiraten. Auch wenn wir noch so verliebt sind – wir brauchen fünf bis zehn Jahre, um die Gewissheit zu haben, dass unsere Absicht, den Bund der Ehe zu schliessen, mehr als nur ein romantischer Wunsch ist. Es genügt nicht, dass wir zusammen durchs Leben gehen möchten. Wir müssen es auch können.

8. Sollen wir heiraten, wenn wir schon seit der Schulzeit ein Paar sind?

Frühere Bekannte von uns, Claudine und Rolf, luden uns eines Tages zu ihrer Hochzeit ein. Sie waren Ende 20 und hatten sich schon auf dem Pausenplatz ineinander verliebt. Erste Liebe, grosse Liebe – für niemanden passte diese Bezeichnung besser als für unsere unzertrennlichen Freunde. Das Hochzeitsfest fand in ihrem neu erworbenen Eigenheim statt, das für Claudine und Rolf die Erfüllung eines lange gehegten Wunsches war. Ein halbes Jahr später verliess sie ihn und das Eigenheim. Sie hatte es vor Langeweile mit Rolf nicht mehr ausgehalten.

Die Bestürzung im Freundeskreis war verständlicherweise gross. Als ich dann Jahre später Rituale zu gestalten begann und das erste Mal ein Brautpaar zu mir kam, das ebenfalls schon seit Ewigkeiten zusammen war, dachte ich: Kann ich die beiden guten Gewissens verheiraten? Werden sie nicht dasselbe Schicksal erleiden wie seinerzeit Claudine und Rolf?

Ich habe das Paar natürlich getraut, denn ich habe kein Recht, über die Ernsthaftigkeit einer Liebe zu richten, die schon so viele Jahre hält. Inzwischen haben die beiden drei Kinder und sind noch immer zusammen. Ihr Beispiel blieb keine Ausnahme. Ich habe seither viele weitere Paare erlebt, die schon die gleiche Schulbank drückten und sich als Teenager ineinander verliebten. Sie sind zusammen erwachsen geworden, aber Tisch und Bett haben sie meistens erst später geteilt. Jedes der beiden hatte sein eigenes Leben, eigene Aktivitäten, vielleicht sogar einen Auslandaufenthalt ohne den andern.

Sie liessen sich Zeit. Doch sie liebten sich, und eine andere Beziehung suchten sie nicht. Sie haben dem Zeitgeist standgehalten, der uns einreden will, dass wir mehrere Erfahrungen machen müssen, um für die Liebe des Lebens bereit zu sein.

Ich habe die Paare gefragt: Denkt ihr wirklich nicht, etwas verpasst zu haben, wenn ihr nun heiratet? Nein, haben sie mir geantwortet, und ich begann es ihnen zu glauben. Die Selbstverständlichkeit, mit der sie von ihrer Liebe sprechen, erstaunt mich jedesmal wieder. Sie empfinden es als die natürlichste Sache der Welt, dass sie zusammen sind, und sie müssen sich etwas anderes gar nicht vorstellen.

Warum sollen sich diese Paare nicht trauen? Sie haben im Grunde die besten Voraussetzungen. Denn die erste Liebe trägt in sich immer eine gewisse Unschuld, die sie auch dann nicht verliert, wenn sie zur Liebe des Lebens wird. Diese Unschuld aber ist eine Kraft, die das Paar immer begleiten und schützen wird.

Claudine und Rolf haben möglicherweise schon lange gespürt, dass ihre Liebe ihre Unschuld verloren hat. Doch sie wollten das schöne Bild nicht zerstören. Sie traten die Flucht nach vorn an, kauften ein Haus und hielten Hochzeit. Das war nicht so klug. Anstatt das Haus zu kaufen, hätten sie reden müssen.

9. Heiraten wir aus Liebe – oder eigentlich nur, weil wir Kinder wollen?

Die Paare, die ich traue, sagen, dass sie aus Liebe heiraten wollen. Aber die meisten von ihnen sagen gleichzeitig auch, dass sie Kinder möchten. Und die meisten von ihnen würden nicht heiraten, wenn sie sich in der Kinderfrage nicht einig wären.

Daraus könnte man schliessen, dass die Kinder wichtiger sind als die Liebe. Aber das wäre ein falscher Schluss, denn der Wunsch nach einer Familie entsteht aus der Liebe. Selbst wenn es auf künstlichem Weg gezeugt wird oder als Adoptivkind zu uns kommt – durch ein gemeinsames Kind nimmt die Liebe zwischen zwei Menschen Gestalt an. Sie wird körperlich, sie wird sichtbar. Auch deshalb sind wir so glücklich, wenn wir ein Kind bekommen. Wir versenden ein Bild von unserem Kind und verkünden mit Stolz: Seht her, dies ist das Wunder, das unsere Liebe vollbracht hat!

Also geht es doch um die Liebe.

Natürlich kann es geschehen, dass eine Ehe kinderlos bleibt. Wenn wir uns trotz dieser Ungewissheit ein Eheversprechen geben, zeigen wir uns auch damit, dass wir uns lieben. Wir versprechen einander, zusammenzuhalten selbst dann, wenn nicht alles sich so entwickelt, wie wir es uns erhofft haben.

Anders verhält es sich, wenn ein Kind bereits unterwegs ist. Dann höre ich oft den Satz: Wir heiraten, weil wir ein Kind bekommen. Häufig ist es der Mann, der so spricht, während sich seine Partnerin vielleicht schon davor eine Hochzeit gewünscht hat. Er aber fand: Wozu heiraten, solange wir nur zu zweit sind? Manchmal lässt sich ein Mann, der so spricht, überzeugen, dass eine Heirat so oder so etwas Schönes und Bedeutendes ist. Bleibt er aber bei seiner Haltung, dass Heiraten ohne Kind keinen Sinn macht, sollte er sich die Frage stellen:

Warum will ich überhaupt Kinder? Will ich Kinder, weil es einfach dazugehört? Weil die Familie der nächste folgerichtige Schritt ist – oder weil ich meine Partnerin liebe?

Wenn ich sie aber liebe, warum will ich sie dann nicht heiraten? Und warum nicht schon, bevor wir eine Familie werden?

10. Sollen wir heiraten, obwohl mein Partner kein Kind will?

Wenn mir ein Brautpaar seine Geschichte erzählt, und es stellt sich heraus, dass der Mann keine Kinder will, dann erlaube ich mir die Frage an seine Partnerin, ob sie damit werde leben können.

Vielleicht hat der Mann schon ein Kind aus einer früheren Ehe, und vielleicht versteht sich die Partnerin sogar gut mit dem Kind. Des Kindes Mutter jedoch ist sie nicht. Sie muss sich bewusst sein, dass sie nie die Erfahrung der Mutterschaft machen wird, wenn sie diesen Mann heiratet. Sie wird nie ihr eigenes Kind aufwachsen sehen, und sie wird auch nie eine Grossmutter werden.

Warum ist sie dennoch bereit, zu verzichten? Entweder will auch sie keine Kinder – oder aber sie sagt: Meine Liebe zu diesem Mann ist grösser als mein Wunsch nach einer Familie. Würde ich an meinem Kinderwunsch festhalten, dann würde ich ihn verlieren. Das möchte ich nicht.

Die Frau, die so argumentiert, glaubt daran, dass eine Ehe auch ohne gemeinsame Kinder erfüllend sein kann, und ich würde das nie bestreiten. Kinder sind keine Gewähr für lebenslängliches Glück in der Liebe. Aber sie sind ein grosses Geschenk, und eine Frau, die mit 50 erkennt, dass sie eigentlich doch ein Kind wollte, wird schmerzlich bereuen, dass sie ihren Wunsch, Mutter zu werden, leichtfertig der Liebe zu ihrem Mann opferte.

Wenn Sie deshalb nicht wirklich sicher sind, liebe Braut, ob Sie Ihrem Partner zuliebe auf ein gemeinsames Kind verzichten können, dann dürfen Sie keine falschen Rücksichten nehmen. Sie müssen das Thema frühzeitig vor der Hochzeit zur Sprache bringen. Wenn Ihr Partner Bedenken wegen der finanziellen Verantwortung hat – weil er vielleicht schon für ein eigenes Kind sorgen muss –, dann suchen Sie gemeinsam nach Mittel und Wegen, damit die Belastung verkraftbar ist.

Geben Sie sich nicht vorschnell zufrieden mit der tröstenden Aussicht auf Patenkinder. Halten Sie an Ihrem Kinderwunsch fest. Sie werden es sich sonst immer vorwerfen, gegen Ihre innere Stimme gehandelt haben.

11. Sollen wir vor oder erst nach der Geburt unseres Kindes heiraten?

Die meisten Paare, die ein Kind erwarten, heiraten so oder so vor der Geburt ihres Kindes. Standesamtlich. Weil dann später familienrechtlich alles viel einfacher ist. Vielleicht aber, liebes Brautpaar, möchten Sie – trotz Schwangerschaft – auf eine feierliche Zeremonie und ein Fest nicht verzichten?

Vielleicht haben Sie Ihre Hochzeit sogar schon geplant, und das werdende kleine Wesen drängte sich ohne zu fragen dazwischen? Manche Paare entschliessen sich dann, Trauung und Fest zu verschieben, um sich auf die Schwangerschaft konzentrieren zu können. Doch andere Paare bleiben dabei, ihre Hochzeit noch vor der Geburt zu feiern – und es gibt Gründe, die dafür sprechen.

Denn nach der Geburt ist alles anders. Aus dem Brautpaar sind Eltern geworden, die sich Schritt für Schritt in ihrer neuen Rolle zurechtfinden müssen. Ihre Energie, ihre Aufmerksamkeit gilt dem Baby. Nicht mehr sie selbst – das Kind steht im Mittelpunkt, seine Gesundheit, sein Wohlergehen.

Wenn das Baby Monate nach der Geburt noch immer nicht durchschläft, wenn es nicht ganz gesund ist und sich hier auf der Erde erst noch zurechtfinden muss, kommen Eltern an ihre Grenzen, und für die Hochzeit bleibt weder Zeit noch Kraft übrig.

Aber auch dann, wenn alles gut geht und sich das Kleine prächtig entwickelt, sind seine Eltern nicht mehr dieselben wie vorher. Ihre neue Rolle als Mutter und Vater begleitet sie ständig – selbst an der Trauung. Vielleicht sitzt ihr Kind während der Zeremonie auf dem Schoss der Grossmutter. Aber dann will es plötzlich doch zu den Eltern nach vorn. Das finden die Gäste rührend, und auch die Eltern müssen natürlich gerührt sein. Gleichzeitig aber hätten sie nichts dagegen, trotz Familienglück wieder einmal als Paar gewürdigt zu werden.

Auch ein Hochzeitskleid ist nicht für ein Kleinkind gedacht, das auf der Mutter herumklettern will. Einmal, an einer Trauung geschah es sogar, dass ein Baby sich erst beruhigte, als seine Mutter es während der Trauung stillte. Eine ganz natürliche Sache – doch in solchen Momenten möchte man, dass die Natur eine Pause macht.

Ich habe schon Paare getraut, die deshalb ihr Kind an der Trauung gar nicht dabei haben wollten. Dann aber kann es geschehen, dass Sie ihr Kleines bereits zu vermissen beginnen. Sie sind sich inzwischen gewohnt, dass es dazugehört. Sie machen sich Sorgen, wie es ihm geht. Das Handy haben sie griffbereit.

Aber auch die Hochzeit vor der Geburt hat ihre Tücken. Sie setzt voraus, dass das kleine Lebewesen im Bauch der Mutter einigermassen brav bleibt. Dafür gibt es bekanntlich keine Versicherung. Plötzlich treten Beschwerden auf, die Braut muss sich schonen – und schon ist die Feier in Frage gestellt. In solchen Fällen kann eine Hochzeit nach der Geburt die bessere Lösung sein.

Nach der Geburt darf auch ruhig etwas Zeit vergehen. Das Hochzeitsfest kann auf ein Datum festgelegt werden, wenn das Kleine kein Baby mehr ist.

Manche Braut möchte auch gern wieder schlank sein, wenn sie ins Brautkleid schlüpft. Dies allein soll aber nicht massgebend sein. Auch eine Schwangere darf sich in ihrem Hochzeitskleid sehen lassen. Sie kann es zwar nicht so anliegend tragen, wie sie es sich erträumt hat, aber das Baby – immerhin – befindet sich noch im Bauch. Bräutigam und Braut haben noch eine Schonfrist, sie dürfen noch einmal zu zweit in die Ferien, und vor allem erleben sie sich an der Hochzeit noch einmal wie am Tag ihrer ersten Begegnung: zu zweit.

Das spricht wieder eher für die Hochzeit vor der Geburt. Denn zu zweit hat alles begonnen.

Welche Variante ist nun die bessere? Vor der Geburt oder nachher? Ein Rezept dafür gibt es nicht. Und sowieso, liebes Brautpaar, können Sie nicht mehr allein entscheiden. Diese Zeit ist vorbei. Ihr Kind entscheidet mit.

12. Unsere Kinder sind schon älter. Sollen wir jetzt noch heiraten?

Beim Stichwort Heiraten denken wir alle an junge Paare, Ende 20, vielleicht Anfang 30 – an Eltern mit Teenagerkindern denken wir nicht. Aber das Bild ist je länger je weniger zeitgemäss. Die Lebenserwartung nimmt zu, man wird älter und entscheidet sich oft erst später für eine Ehe. Ich habe Paare getraut, die schon Grosseltern waren. Zum Heiraten ist man nie zu alt.

Jedes Paar durchlebt zusammen eine Entwicklung, und der Wunsch, zu heiraten, kommt nicht immer mit der Familiengründung. Angenommen, wir sind noch jung und wohnen bereits zusammen, möchten uns aber nicht binden. Wenn wir dann, vielleicht unverhofft, Eltern werden, haben wir möglicherweise noch immer nicht das Bedürfnis, zu heiraten. Oder wir gehen aufs Standesamt und geben dem Staat aus familienrechtlichen Gründen ein Ja-Wort. Doch wir tun es im engsten Kreis und begnügen uns mit einem Essen für die Eltern und für die Trauzeugen.

Etliche Jahre später – die Familie hat sich inzwischen vergrössert – werden wir 40. Wir planen ein Fest und reden auf einmal darüber, wie wäre es, wenn wir den runden Geburtstag zum Anlass nähmen, zu heiraten? Richtig zu heiraten? Wir blicken nicht ohne Stolz auf die gemeinsame Zeit und erfolgreich überwundene Hürden zurück – und beschliessen, vor unseren Freunden, Geschwistern und Eltern, feierlich Ja zu sagen. Ja zu unserer Liebe. Ja zu unseren Kindern. Ja zu all den weiteren Jahren, die vor uns liegen.

Solche Trauungen erlebe ich anders als die Hochzeiten junger Paare. Als besonders empfinde ich nur schon, wenn gestandene Eltern auf einmal Braut und Bräutigam sind. Auf einmal sind sie wieder ganz jung und sogar ein wenig verlegen. Die Rolle des Brautpaars haben sie bisher noch nie erlebt. Dennoch befinden sie sich an einem ganz anderen Punkt ihres Lebens.

Der Rückblick auf ihre Geschichte, der Moment des Eheversprechens, die Gäste, die ebenfalls schon etwas älter sind: In allem ist eine Reife spürbar, die ein jüngeres Paar noch gar nicht besitzen kann. Auch die gemeinsamen Kinder bekunden durch ihre Anwesenheit eine Anteilnahme, die dem Schritt ihrer Eltern noch mehr Bedeutung verleiht.

Das zeigt sich auch dann, wenn ein Mann und eine Frau zusammenkommen, die Kinder aus früheren Partnerschaften mit in die Ehe bringen. Nicht immer können die Kinder den Heiratswunsch ihres Vaters oder auch ihrer Mutter gutheissen, aber wenn sie es tun, dann wirkt ihre Anwesenheit an der Trauung, als würden sie den Schritt ihrer Eltern mit ihrem Segen begleiten.

Für eine Hochzeit ist es auch dann nicht zu spät, wenn ein Brautpaar schon das Seniorenalter erreicht hat. Vielleicht sind beide verwitwet, haben sich aber schon als Jugendliche gekannt und waren schon damals ineinander verliebt. Nun sehen sie sich an einer Klassenzusammenkunft wieder, und die Gefühle von einst erwachen sogleich.

Ihre Freude, sich wiedergefunden zu haben, ist so gross, dass sie heiraten wollen. Aufs Standesamt gehen sie nicht. Viel wichtiger ist für sie eine Trauung vor ihren Kindern und Kindeskindern. Alle sind dann versammelt, um das späte Glück dieses Paares zu feiern. Ihre Ehe wird vielleicht nur wenige Jahre dauern – dann wird der Tod sie scheiden. Aber hätten sie deswegen nicht heiraten sollen?

13. Mein(e) Partner(in) ist viel älter als ich. Sollen wir trotzdem heiraten?

Als ich das erstemal ein Brautpaar traf, wo der Mann 20 Jahre älter als seine Partnerin war, fragte ich mich: Kann ich die beiden mit gutem Gewissen trauen? Ist der Altersunterschied nicht zu gross? – Dann lernte ich das Paar näher kennen, und die Braut erklärte mir überzeugend, warum sie bereit war, einem so deutlich älteren Mann ihr Ja-Wort zu geben.

Sie sagte: Ich mag seine Lebenserfahrung, seine Gelassenheit, ich mag es, dass er nicht mehr den Hirsch spielen muss, dass die Karriere nicht mehr so wichtig ist. Ich mag es, dass er auch über sich selbst lächeln kann. Und ich mag es, dass er galant zu mir ist – galanter als junge Männer, die zum Teil noch viel zu sehr mit sich selber beschäftigt sind.

Genau deshalb kommen umgekehrt jüngere Männer für ältere Frauen selten in Frage, wenn es ums Heiraten geht. Ein 25jähriger Mann steht zwar in der Blüte seiner männlichen Jugend, doch die Reife, die sich eine 40jährige von ihm wünscht, besitzt er noch nicht. Vielleicht möchte sie die letzte Gelegenheit nutzen, um Mutter zu werden – während er noch nicht einmal daran denkt, jemals eine Familie zu gründen.

Dagegen wäre die jüngere Frau vermutlich sofort bereit, ihrem älteren Partner ein Kind zu schenken – selbst wenn er eigene hat, die schon erwachsen sind. Und sie möchte mit ihm durchs Leben gehen, obwohl sie weiss, er wird 70 sein, wenn sie 50 ist, und sie wird ihn im Alter vielleicht sogar pflegen müssen, auch wenn sie dann selber noch lebenshungrig und aktiv ist.

Warum nimmt sie in Kauf, dass ihr Partner lange vor ihr ergrauen und altern wird? Offenbar, weil sie ihn liebt. Die Liebe fragt nicht nach dem Jahrgang. Sie fragt etwas ganz anderes: Was ist es, was euch verbindet? Sind es Gefühle, einfach nur schöne Gefühle – oder ist es mehr? Ist es eine Gewissheit?

14. Ich war schon verheiratet. Soll ich es ein zweites Mal tun?

Ich habe schon viele Verlobte getraut, die bereits eine Ehe hinter sich haben. Aber die meisten von ihnen – Männer wie Frauen – sprechen über ihre Entscheidung damals mit ähnlichen Worten:

«Mein Ex-Mann und ich, wir waren verliebt. Aber wir hätten nicht heiraten dürfen, wir waren zu jung.»

«Es war ein spontaner Entschluss. Meine Ex-Frau und ich, wir hielten uns in Las Vegas auf und beschlossen: Ok, heiraten wir!»

«Wir haben in der Kirche geheiratet, obwohl wir das eigentlich gar nicht wollten. Es war nicht wirklich unsere Hochzeit.»

«Wir bekamen ein Kind. Da gingen wir eben aufs Standesamt.»

«Meine Partnerin war es, die unbedingt heiraten wollte – auch deshalb, weil ihre Eltern es wollten.»

Alle diese Begründungen sagen dasselbe. Sie sagen: Diese erste Ehe war kein sehr bewusster Entscheid. Wir haben uns das nicht reiflich und gut überlegt. Wir liessen uns leiten von romantischen Bildern, von Konventionen – oder von Sachzwängen. Wir wurden plötzlich ein Ehepaar, obwohl wir bloss ein Liebespaar waren.

Erstaunt es da, wenn eine solche Ehe oft nur wenige Jahre hält? Ich bin überzeugt, die Scheidungsrate ist deshalb so hoch, weil zu viele Paare zu unbewusst heiraten. Ihre Ehe steht dann von Anfang an auf tönernen Füssen. Was dazu führt, dass die zweite Hochzeit oft als erste «richtige» Hochzeit empfunden wird.

Diesmal stimmt es, sagen sie mir – diesmal ist es wirklich unsere Heirat. Diesmal geschieht es aus Liebe und nur aus Liebe. Ich möchte Sie deshalb ermutigen, liebe Braut, lieber Bräutigam, falls Sie schon einmal verheiratet waren: Trauen Sie sich ein zweites Mal. Sie haben aus Ihrer ersten Ehe gelernt. Das wird Ihnen helfen, sich Ihrem zweiten Versuch mit Erfahrung und Weitblick zu stellen.

Wenn Sie als ein «gebranntes Kind» das Risiko einer Ehe lieber nicht mehr eingehen wollen, dann bleibt die erste, gescheiterte Heirat wie ein unüberwindbares Hindernis zwischen Ihnen. Möchten Sie das? Mit einem Ja-Wort können Sie Ihrem Partner bezeugen: Meine Liebe zu dir ist so gross, dass ich noch einmal heiraten will.