Hermann! - Tom Diesbrock - E-Book

Hermann! E-Book

Tom Diesbrock

4,3

Beschreibung

O-Töne von Hermann lauten so: Das schaffst du nie! Dafür bist du doch schon viel zu alt! Wie ungeschickt von dir! Hermann ist der innere Kritiker, den wir alle kennen. Er lässt kein gutes Haar an uns, nörgelt herum und kritisiert, wo er nur kann. Zum Davonlaufen! Doch Hermann läuft mit. Er ist ein Teil unserer Persönlichkeit, wir werden ihn nicht los. Besonders dann nicht, wenn wir ihn innerlich ablehnen oder gar bekämpfen. Tom Diesbrock weiß, wie Hermann tickt. Und er verrät uns ein Rezept, wie wir die Kritik unseres inneren Miesepeters entschärfen und für uns nutzbar machen können.

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Tom Diesbrock

Hermann!

Vom klugen Umgang mit dem inneren Kritiker

Mit Zeichnungen von Frank Wowra

Patmos Verlag

Allen Menschen gewidmet, denen ihr innerer Kritiker das Leben schwermacht

Wow. Ich beginne ein neues Buch. Wie aufregend!

Vielen Dank, Hermann.

Erster TeilAch, Hermann …

Das ist Hermann:

Hermann gehört zur Gattung der sogenannten „inneren Kritiker“. Diese Geister leben in unseren Köpfen und Herzen und sind scheinbar nur damit beschäftigt, uns das Leben schwerzumachen. Sie haben an allem, was wir denken, tun oder fühlen, etwas zu bemängeln.

Wir können uns die größte Mühe geben. Wir können nette Menschen sein, unseren Job gut machen, uns fit halten und auf unser Äußeres achten. Egal, ob unsere Freunde und Kollegen uns schätzen, für Hermann sind wir nie gut genug!

Wir alle kennen Menschen, die Karriere machen, die charmant sind und bei allen beliebt – Sportskanonen, Intelligenzbestien, Überflieger mit Charisma und einem Körper wie aus dem Katalog. Die haben doch ganz bestimmt keinen inneren Kritiker, die machen doch alles richtig? Wahrscheinlich weit gefehlt!

Wir lesen von Megastars und Supermodels, von Promis mit Geld und Ruhm – die sich mit Drogen und Alkohol zudröhnen. Wir hören von hochbezahlten Topmanagern, die ihr Leben nur mithilfe ihres Apothekers bewältigen. Hat da vielleicht Hermann seine Hand im Spiel?

Von seinem inneren Kritiker spricht niemand gerne! Wer gibt freiwillig zu, dass er von tiefen Selbstzweifeln gequält wird? Deshalb denken die meisten Menschen, dass sie mit ihrem Hermann ziemlich allein sind. Im Job darf keiner wissen, dass wir uns eigentlich für viel weniger kompetent halten, als die Kollegen ahnen können. Vielleicht vertrauen wir uns engen Freunden an. Und erfahren dann, dass es ihnen ganz ähnlich geht.

Herzlich willkommen im Club – in dem fast jeder von uns Mitglied ist!

Der Geist, der stets verneint

Bei einigen Menschen meldet sich Hermann eher selten und nur in bestimmten Situationen. Bei anderen gibt er zu jeder Kleinigkeit seinen Senf dazu. Manche kennen ihn als leise, zweifelnde Stimme. Andere schleppen einen inneren Diktator mit sich herum, polternd, gemein und zutiefst verletzend.

Egal, wie sehr er auf uns herumhackt, egal, wie extrem – und stets mies – sein Bild von uns ist, letztendlich befürchten wir doch, dass er womöglich recht hat. Andere Menschen können uns noch so oft sagen, dass sie uns mögen und schätzen – ein schiefer Blick von Hermann, und wir (ver)zweifeln schon wieder.

Wenn wir versuchen, uns mithilfe unserer Erfahrungen und unserer ganzen Vernunft realistisch einzuschätzen, sehen wir uns bestimmt in einem positiveren Licht. So schlimm sind wir doch gar nicht. Für einen Augenblick. Und dann knipst Hermann das Licht schnell wieder aus.

Unser innerer Kritiker diskutiert nicht mit uns. Er begründet seine Kritik nicht und lässt andere Sichtweisen nicht zu. Dazu ist er viel zu engstirnig! Nein, Hermann hat schlicht und einfach immer recht. Was er sagt, ist die Wahrheit und Gesetz. Ich bin dümmer als alle anderen? Ich habe keinen Geschmack? Meine Freunde halten mich in Wirklichkeit für einen Waschlappen? Wenn Hermann das sagt, dann ist das so.

Und natürlich lobt er uns nicht. Niemals. Positive Kritik kennt er nicht. Entweder er findet ein Haar in der Suppe – oder er hält den Mund.

War Hermann schon immer da?

Soweit ich mich erinnern kann, gab es ihn noch nicht, als ich ein Kind war. Denn Kinder kennen keine inneren Kritiker. Was Kinder denken, fühlen, spielen und tun, ist eben, wie es ist. Und damit richtig und gut. Die Werke ihres Mal- oder Legokastens sind immer Ausdruck großer Kunst. Und ihre Fragen sind niemals zu dumm.

Wenn es bei mir in der Schule nicht so rund lief, war mir das eigentlich egal, nur die Eltern und Lehrer nervten. Und dass ich nicht Fußball spielen konnte, störte mich auch nicht weiter. Irgendwann aber war es vorbei mit meiner kindlichen Unschuld. Andere Kinder hatten bessere Noten, und ich sah plötzlich, dass ihre Bilder schöner waren als meine und dass sie in manchen Fächern mehr wussten als ich. Und Fußball war nicht mehr nur irgendein Spiel – nein, auf dem Bolzplatz wurden Helden geboren! Oder eben Nieten.

Eines Tages fand ich mich nicht mehr gut genug. Und das war peinlich und tat weh! In dieser Zeit muss wohl Hermann in mein Leben getreten sein.

Ging es Ihnen ähnlich? Können Sie sich an die Zeit vor Hermann erinnern? Und wann er sich bei Ihnen einnistete, ein Teil Ihres Lebens wurde? Bei einigen von uns war das früher, bei anderen später. Und dann wurden wir ihn nicht mehr los.

Wie im alten Rom

Innere Kritiker haben wenig gemein mit den Kritikern, wie wir sie aus dem Fernsehen oder aus der Zeitung kennen. Diese Kritiker beschäftigen sich mit Musik, Literatur, Sport oder Theater und müssen eine Balance zwischen negativer und positiver Bewertung herstellen. Denn wen interessiert schon Lobhudelei? Und wer liest gerne bodenlose Verrisse?

Ein solcher Kritiker muss sich auf seinem Gebiet auskennen, wenn seine Kritik ernst genommen werden soll. Er sollte wissen, warum etwas gut oder schlecht ist – und wie es sein müsste, um ein „sehr gut“ zu verdienen. Logisch!

Hermann ist ein anderer Typ Kritiker: Lob, Anerkennung oder gar Begeisterung? Kennt er nicht. Differenzierte Einschätzungen? Nicht sein Ding. Seine Kommentare klingen so:

Stellen Sie sich einmal einen Literaturkritiker vor, der jedes Buch und jeden Autor auf diese Weise niedermachte. Der Leser käme sich vor wie bei den Spielen im alten Rom, wo es nur um den Spaß am Gemetzel ging.

So ähnlich ist es, wenn Hermann uns auseinandernimmt. Je größer sein Einfluss auf uns ist, desto kleiner und wertloser fühlen wir uns und desto mehr zweifeln wir an unseren Fähigkeiten und Chancen.

Hermann kennt nur Druck

Nehmen wir meine Freundin Tina: Sie ist „nicht mehr die Jüngste“ – sagt sie über sich, was immer das heißen mag. Trotzdem hat sie sich entschieden, Tennisspielen zu lernen. Sie war immer sehr sportlich, und ich war nicht verwundert, dass sie die Technik schnell draufhatte und schon bald eine recht gute Spielerin war – für eine Anfängerin. Tina hätte also sehr zufrieden mit sich und ihren Fortschritten sein können. Sie war es aber nicht!

Denn jemand stand immer hinter ihr auf dem Platz und mischte sich ein: Hermann sah nur, dass viele Mitglieder des Tennisvereins besser als Tina spielten. Dass sie ja noch Anfängerin war und damit unmöglich das Niveau der anderen haben konnte, verstand er nicht. Logisch. Tinas Trainer versuchte sie zu überreden, möglichst viele Spiele zu bestreiten, um durch die Praxis zu lernen. Aber Spiele kann man verlieren – und das wollte Hermann unbedingt vermeiden, denn verlieren mag er überhaupt nicht.

Er brachte Tina dazu, mehr und härter mit ihrem Trainer zu arbeiten. Ihre Technik wurde immer besser – aber der innere Druck ließ nicht nach. Wenn sie doch einmal ein Match mit einem Vereinskameraden wagte, stand sie derart unter Spannung, dass ihr fast jeder Aufschlag misslang. Kein Wunder, lag ihr Hermann doch in jeder Sekunde in den Ohren:

Und anschließend hackte er auf ihr herum, weil sie sich – in seinen Augen – eine ganz peinliche Vorstellung geleistet hatte. Tina war schon bewusst, dass ihre Erwartung an sich selbst „ein bisschen zu hoch war“. Ihr gelang es aber nicht, sich von Hermanns Urteilen frei zu machen. Sie sagte mir – im Brustton der Überzeugung – dass die anderen Spieler die „hilflosen Versuche einer alten Frau“ doch nur belächelten.

Na ja, ein bisschen zu viel sportlicher Ehrgeiz – das schadet doch nicht, mag der eine oder andere jetzt denken und Tinas Beispiel harmlos finden. Nur, dass Hermann seine Attacken nicht auf den Tennisplatz beschränkt. Wenn er sich in unser Leben einmischt, entsteht in uns ein hoher psychischer Druck, den wir oft sogar körperlich spüren als Verspannung, Nervosität oder gar Schmerz. Wir schlagen dann „unsere Bälle ins Aus“, verlieren unser Spiel und treten das nächste Mal lieber gar nicht erst an. Klar, dass wir uns selbst irgendwann für hoffnungslos miese Spieler halten.

Tina trainiert übrigens heute noch verbissener denn je – und hat längst aus dem Blick verloren, dass ihr der Sport doch vor allem Spaß machen sollte. Aber mit Hermann im Nacken kann man nicht einfach nur Spaß haben!

Der Feind des Guten

Man sagt ja, das Bessere sei der Feind des Guten. Gut ist in Hermanns Augen natürlich nichts, was ich tue. Entweder er lässt es sofort durchfallen – oder er fordert mich auf, es besser zu machen. Viel besser! Vielleicht habe ich dann noch eine Chance, wenn ich mich so richtig anstrenge? Natürlich nicht, denn dieser Gedanke ist nur eine von Hermanns Fallen. In seinen Augen wird es niemals reichen …

In diese Falle tappe ich trotzdem regelmäßig. Wenn ich schreibe – so wie in diesem Moment –, schaut mir Hermann über die Schulter und mischt sich ständig ein: Dieses ist nicht klar, jenes nicht verständlich genug. Das ist zu lang, das sollte humorvoller sein, und sowieso sollte ich alles anders machen. Ich gebe mir ja große Mühe – aber die Ergebnisse sind in Hermanns Augen nie wirklich gut. Und mein Selbstvertrauen landet regelmäßig im Keller.

Egal, ob wir in unserer Freizeit Klavier spielen, uns an Aquarellmalerei versuchen oder einfach nur joggen: Wir sollten es schneller und besser tun und uns viel mehr Mühe geben. Und wir fallen immer wieder darauf herein und versuchen, es ihm recht zu machen.