Kopf aus dem Sand! - Tom Diesbrock - E-Book

Kopf aus dem Sand! E-Book

Tom Diesbrock

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Beschreibung

Das Workbook für schwierige Zeiten im Job, berufliche Sackgassen und die Mid-Career-Crisis Die berufliche Zukunft ist derzeit in vielen Branchen ungewiss. Doch den Kopf in den Sand zu stecken, erschwert bekanntermaßen die Orientierung. Hier leistet der Karriere-Coach und Psychologe Tom Diesbrock »mentale Erste Hilfe«. • Sind Sie unzufrieden mit Ihrer beruflichen Situation? • Zweifeln Sie an sich und Ihren Fähigkeiten und Chancen? • Wissen Sie nicht, was Sie wollen und wohin Ihre berufliche Reise gehen soll? • Fühlen Sie sich blockiert – und sehen womöglich den Wald vor lauter Bäumen nicht? Tom Diesbrock unterstützt Sie dabei, Ihre berufliche Situation in Ruhe zu analysieren, schrittweise Möglichkeiten und Wünsche für den weiteren Karriereweg zu entwickeln und schließlich konkrete Entscheidungen zu treffen. »Die reinste Form des Wahnsinn ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.« Albert Einstein

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Tom Diesbrock

KOPF AUS DEM SAND!

Erste Hilfe für unruhige Zeiten und berufliche Sackgassen

Campus Verlag

Frankfurt / New York

Über das Buch

Arbeitsmaterial für die Praxis

ZUSATZMATERIAL ZUM DOWNLOAD

Exklusiv für alle Leserinnen und Leser gibt es zusätzliche Infos, alle Arbeitsblätter aus dem Buch und einen Test zum Download.

Die Materialien zum Buch finden Sie unter www.campus.de/isbn/9783593513652

Das Passwort lautet: TB2021_dlx

INHALT

Was kann ich für Sie tun?

Kapitel 1Den Kopf im Sand und keine Ahnung, wie es weitergeht? — Von Krisen, schwierigen Zeiten und Sackgassen im Job

Aktiv oder aktionistisch?

Crisis? What Crisis?

Wie kritisch ist Ihre berufliche und mentale Situation?

Ist doch alles gar nicht so schlimm …

Soll es wirklich werden, wie es einmal war?

Kapitel 2Wo drückt Sie der Schuh? — Eine Analyse Ihrer beruflichen Situation

Kohärenz ermöglicht Selbstwirksamkeit

Wie ist die Lage?

Haben Sie Lust auf ein Experiment?

Die drei Baustellen der Problemlösung und konstruktiven Ideenentwicklung

Kapitel 3Warum schwimmen lernen, solange man sich an den Beckenrand klammern kann? — Destruktive Denkstrategien im Job

Neun Denkstrategien, die darauf hindeuten, dass Ihr Kopf gerade im Sand steckt

Im reaktiven Modus: Wenn unsere grauen Zellen auf Krise schalten

Zwei Denksysteme

Kapitel 4Ein Blick zurück — Wie haben Sie sich bisher durch Ihr Berufsleben navigiert?

Hier sind Sie gefragt!

Kapitel 5I do it my way — So gestalten Sie Ihre Karriere aktiv in unruhigen Zeiten

Nur Arbeit-Nehmer oder Karrieremanager in eigener Sache?

Zwei sehr unterschiedliche Sichtweisen

Verhalten und Auftreten im Job

Berufliche Veränderungen

Orientierung in unruhigen Zeiten und Sackgassen

Karrierefaktor Selbstwirksamkeit

15 Tipps für eine aktive Karrierestrategie

Kapitel 6Erste Hilfe in schwierigen Zeiten — So bekommen Sie den Kopf aus dem Sand

Neun Erste-Hilfe-Tipps für Ihr mentales Selbst- und Krisenmanagement

Kapitel 7Auf der Haben-Seite — Ihre Ressourcen und Interessen und Ihre berufliche Vision

Das wollen wir hier natürlich klüger angehen!

Die Mindmapping-Technik

Die Landkarte Ihrer beruflichen Vision

Die Landkarte Ihrer Ressourcen

Die Landkarte Ihrer Interessen und Werte

Kapitel 8Evolution — So entwickeln Sie Ihre heutige Tätigkeit weiter

Wenn nur dieses fiese »Ja, aber …« nicht wäre

Wie viel Veränderung darf’s denn bitte sein?

  1. Option: Sie lassen alles, wie es ist, und sorgen erst einmal für sich

  2. Option: Sie bleiben, wo Sie heute sind, trainieren Ihr Selbstmanagement und/oder entwickeln sich fachlich weiter

  3. Option: Sie bleiben Ihrer Tätigkeit treu – wechseln aber den Arbeitgeber

Kapitel 9Revolution — So entwickeln Sie berufliche Alternativen

    4. Option:  Sie nutzen Ihre Kompetenzen und Erfahrungen für ein verändertes Tätigkeitsprofil

  5. Option:  Sie orientieren sich beruflich neu

Kapitel 10Jetzt aber raus aus der beruflichen Sackgasse! — So treffen Sie eine gute Entscheidung

   Ihre 1. Option:  Sie bleiben, wo Sie heute sind, und sorgen erst einmal für Geist, Körper und Seele

   Ihre 2. Option:  Sie bleiben, wo Sie heute sind, und entwickeln sich im Job weiter

   Ihre 3. Option:  Sie bleiben Ihrer Tätigkeit treu, wechseln aber den Arbeitgeber

   Ihre 4. Option:  Sie üben Ihre Tätigkeit in einem neuen Feld aus

   Ihre 5. Option:  Sie machen in Zukunft beruflich etwas ganz anderes

So erleichtern Sie sich die Entscheidung

Die Sache ist noch nicht ganz klar?

Treffen Sie unbedingt eine Entscheidung!

Zum Schluss

Was kann ich für Sie tun?

In meinem Berufsleben habe ich auch schon so einige schwierige Zeiten und die eine oder andere Krise erlebt. Aus heutiger Sicht muss ich feststellen, dass ich nicht immer konstruktiv damit umgegangen bin. Denn manchmal habe ich mich von Aktionismus treiben lassen und mich dann wieder nicht getraut, überhaupt aktiv zu werden. Ich habe mich klein gemacht und mich gelegentlich klein machen lassen, zu lange gezögert und an mir gezweifelt. Und auch mal den Kopf tief in den Sand gesteckt …

Irgendwie habe ich es aber geschafft, diese Zeiten zu überwinden, daraus zu lernen und meinen Weg zu finden. Schon seit vielen Jahren berate und coache ich Menschen, die gerade schwierige Zeiten und berufliche Krisen durchleben.

Geht es Ihnen momentan ähnlich? Haben Sie den Eindruck, in einer Sackgasse zu stecken? Wissen Sie nicht, wie es weitergehen soll? Sorgen Sie sich manchmal um Ihre Zukunft?

Solche Phasen erleben wirklich viele Menschen. Um den Kopf wieder aus dem Sand zu bekommen, reicht es aber nicht aus, nur zu grübeln und sich irgendwie weiter durchzuwursteln wie bisher. Oft ist nämlich das, was man immer wieder als einzige Lösung betrachtet, in Wirklichkeit Teil des Problems.

Zuerst einmal brauchen wir vor allem Zeit, um uns zu sortieren, vielleicht unsere Wunden zu lecken, einen kühlen Kopf zu bekommen und uns zu ent-blockieren. Nur so bekommen wir genug Abstand, damit wir unsere Situation analysieren und unsere berufliche Entwicklung wieder in die Hand nehmen können.

Dabei möchte ich Sie jetzt mit diesem »Erste-Hilfe-Buch« unterstützen. Gerade wenn die (Arbeits-)Welt im Umbruch ist, durch Krisen wie der Corona-Pandemie durcheinandergewirbelt wird und keiner so recht weiß, wohin die Reise geht, helfen Ihnen vor allem ein gutes Selbstmanagement und klare eigene Ziele, an denen Sie sich orientieren können.

Dies ist kein bequemes Buch. Es möchte von Ihnen nicht nur, vielleicht mit einem gelegentlich zustimmenden Nicken, gelesen werden. Denn aus Krisen und Sackgassen arbeitet man sich nicht allein durch Verstehen und Nachdenken heraus. Dazu braucht es auch Aktivität, Entschlossenheit, etwas Kreativität und eine Portion Mut. Ja, das klingt nach Arbeit, ich weiß, und wahrscheinlich wird es kein Spaziergang. Das sage ich aber nicht, um Sie hier schon abzuschrecken, ganz im Gegenteil! Ich möchte an Ihren Wunsch nach Veränderung zum Besseren appellieren, der Sie, wie ich annehme, dazu gebracht hat, dieses Buch aufzuschlagen. Diesen Wunsch gilt es jetzt unbedingt ernst zu nehmen und an ihm festzuhalten.

Wozu ich Sie bitten möchte: Schaffen Sie sich zusätzlich ein Notizheft an für die Aufgaben, die ich Ihnen ans Herz legen werde. Und benutzen Sie dieses Buch! Kritzeln Sie hinein, was Ihnen durch den Kopf geht, und machen Sie sich gern Notizen an den Rändern. Bitte denken und arbeiten Sie so oft wie möglich schriftlich, auch wenn es ungewohnt für Sie ist – gerade dann! Denn grübeln können wir wirklich eine Menge, ohne dass sich dadurch irgendetwas nachhaltig ändert. Eine Downloadanleitung finden Sie übrigens auf Seite 4.

Sind Sie bereit? Dann lassen Sie uns loslegen.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg,

Ihr Tom Diesbrock

P. S.:  Ich möchte in diesem Buch alle weiblichen, diversen und männlichen Menschen gleichermaßen ansprechen. Um es aber so lesefreundlich wie möglich zu gestalten, verwende ich manchmal nur die männliche Form – meine aber selbstverständlich alle Gender und Geschlechter.

Kapitel 1Den Kopf im Sand und keine Ahnung, wie es weitergeht?

Von Krisen, schwierigen Zeiten und Sackgassen im Job

Einführung

In diesem Kapitel erkläre ich Ihnen, wie unruhige Zeiten, Krisen und berufliche Sackgassen uns und unser Berufsleben durcheinanderbringen, wie destruktiv Aktionismus sein kann und warum wir so schnell den Kopf in den Sand stecken. Außerdem bekommen Sie einen kleinen Test zur Krisen-Selbstanalyse.

Die Realität ist manchmal eine ganz schön nervige und anstrengende Angelegenheit. Kein Wunder, wenn wir manchmal lieber den Kopf in den Sand stecken, als uns mit ihr herumzuärgern. Gerade in beruflich schwierigen Zeiten ist das nur allzu menschlich. Wenn dann noch der Druck von außen oder innen wächst und man anfängt, vertraute Gewissheiten infrage zu stellen, ist es nicht gerade leicht, einen kühlen Kopf zu bewahren.

Manche Menschen verfallen daraufhin in Aktionismus – sie suchen zum Beispiel hektisch in Stellenbörsen nach einem neuen Job und greifen nach jedem Angebot, das sich ihnen bietet. Hauptsache, man ist irgendwie aktiv und findet schnell irgendeine Lösung.

Andere hingegen stecken lieber den Kopf in den Sand und machen auf Teufel komm raus immer weiter wie bisher. Vielleicht weil sie glauben, an ihrem Job doch nichts ändern zu können, oder weil sie befürchten, sich auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr zurechtzufinden. Viele Menschen zweifeln auch an ihren Fähigkeiten oder wissen gar nicht so recht, was und wohin sie eigentlich wollen. Und wer möchte schon erleben, dass man der (Arbeits-)Welt mutig in die Augen schaut – um dann festzustellen, dass sie einen gar nicht mehr braucht?

Viele von uns erleben unruhige Zeiten im Job als Dauerzustand – wenn die beruflichen Aussichten unsicher sind, Abteilungen und Unternehmen ständig umstrukturiert werden, Tätigkeitsprofile und Anforderungen sich mit immer höherer Geschwindigkeit verändern oder man nicht weiß, wie sich die technische Entwicklung auf die eigene Tätigkeit auswirken wird. Andere Menschen leiden vor allem darunter, dass ihr Job so gleichförmig ist und man ihnen keine Entwicklungschancen gibt.

Aber nicht nur äußere Einflüsse können uns beruflich stürmische Zeiten bescheren. Gar nicht so selten werden Krisen nämlich von einem lange aufgestauten Veränderungsdruck von innen ausgelöst. Wenn Menschen beispielsweise über lange Zeit ihre Unzufriedenheit im Job ignoriert haben, wird ihnen zumeist eines Tages bewusst, dass sie unmöglich so weitermachen können. Dann finden sie sich plötzlich in einer Sackgasse wieder, in die sie sich selbst – mit dem Kopf im Sand – über Monate und Jahre immer tiefer hineinmanövriert haben.

Beispiel

Norbert

Norbert kam zu mir, weil ihn seine berufliche Situation sehr sorgte. Er war Anfang dreißig, angestellt als Führungskraft in einem großen Unternehmen der Tourismusbranche und wie die meisten seiner Kollegen wegen der Corona-Pandemie gerade in Kurzarbeit. Seine beruflichen Aussichten waren völlig unklar. Noch wurde offiziell zwar nicht über einen Stellenabbau gesprochen, aber Norbert war sich sicher, dass es zu Kündigungen kommen werde. Natürlich hätte er in Ruhe abwarten können, wie sich die Dinge für ihn entwickelten. Aber er hielt die Unsicherheit nicht aus, litt unter Schlafstörungen und konnte kaum an etwas anderes denken als an alle möglichen Katastrophenszenarien.

Deshalb wollte er jetzt unbedingt handeln. »Ich kann doch nicht warten, bis man mir den Stuhl vor die Tür stellt! Und wenn man sich aus der Arbeitslosigkeit bewirbt, hat man doch immer schlechtere Karten. Sollte ich nicht lieber gleich die Branche wechseln, so mies wie es im Tourismusbereich gerade aussieht? Ich würde auch eine Umschulung in Kauf nehmen und ein geringeres Gehalt. Hauptsache, ich finde schnell einen sicheren Job.«

Von mir wollte Norbert wissen, wie er sich am besten verhalten sollte, welche Karrierestrategie die »objektiv richtige und erfolgversprechendste« ist. Ich fragte ihn, ob er denn wirklich meine, dass irgendjemand wissen könne, wohin die Reise geht und wie man sich »objektiv richtig« verhalten sollte. »Aber jemand muss mir doch sagen, was ich tun soll«, antwortete er verzweifelt. »Ich habe schließlich eine Familie zu ernähren und kann doch nicht von Hartz IV leben!«

Was sich in Norberts Kopf abspielt, ist typisch für krisenhafte Situationen: Er kann die Unsicherheit nicht aushalten, sein Stresspegel geht durch die Decke, und so sieht er bald nur noch Gefahren und Risiken. Seine Ressourcen, Stärken und vor allem seine Wünsche blendet sein Gehirn als »nicht überlebenswichtig« aus. Durch diesen stressbedingten Tunnelblick fehlt ihm jeglicher Abstand zur Situation, und klares Denken ist kaum noch möglich. In so einem mentalen Zustand ist es ganz normal, nach Orientierung suchend instinktiv nur nach außen zu schauen – nach rettenden Jobs oder Ratschlägen –, und dabei nur in Richtig-oder-falsch-Kategorien zu denken.

Aktiv oder aktionistisch?

Drehe ich Schrauben mit einem Schraubenzieher in die Wand, ist das eine Aktivität. Sie mit dem Hammer zu bearbeiten, weil ich gerade kein anderes Werkzeug zur Verfügung habe, ist dagegen purer Aktionismus. Dieses Phänomen ist häufig bei Menschen wie Norbert zu finden, die gerade in einer schwierigen Situation stecken und stark unter Stress stehen.

Haben Sie schon einmal den Begriff Kognitive Dissonanz gehört? Die Psychologie beschreibt damit einen unangenehmen Gefühlszustand, der aus sich widersprechenden, nicht zueinander passenden Gedanken, Wünschen, Werten oder Wahrnehmungen entsteht. Wenn ich beispielsweise meine Projektidee nur zu gern im Meeting präsentieren würde, gleichzeitig aber eine Riesenangst davor habe, mich zu blamieren, dann stecke ich in einer inneren Zwickmühle.

Unser Gehirn mag keine Dissonanzen, weil sie uns verwirren, inneren Druck aufbauen und eine Menge Energie verbrauchen. Am liebsten hätte es alles schön eindeutig. Und deshalb versuchen unsere grauen Zellen stets, irgendwie einen möglichst simplen Ausweg aus inneren Konflikten zu finden. Eine Möglichkeit besteht darin, die Realität ein bisschen zu verbiegen, zu glätten oder teilweise auszublenden, sodass Dissonanzen nicht mehr so deutlich werden. Oder wir leugnen ganz einfach einen Teil unseres Konflikts, indem wir beispielsweise einfach behaupten, gar keine Angst zu haben.

Eine andere beliebte Strategie zum Dissonanzabbau ist der Aktionismus: Indem ich irgendwie handle und irgendetwas tue, baue ich inneren Druck ab und kann mir selbst und meinen Mitmenschen auch noch zeigen, dass ich aktiv und voller Tatendrang bin. Dass mein Tun in Wirklichkeit aber weder überlegt noch zielgerichtet ist, blende ich dabei aus. Es ist, als würde ich energisch immer nur im Kreis laufen und mir dabei einbilden, richtig große Fortschritte zu machen. Aktivität hat mit Aktionismus ungefähr so viel zu tun wie »gut« mit »gut gemeint«.

In beruflich unruhigen Zeiten, egal ob in Krisen oder Sackgassen, haben wir ständig mit kognitiven Dissonanzen zu tun:

Wir wollen zum Beispiel das eine, glauben aber, etwas anderes tun zu müssen.

Wir haben Angst, dass etwas Fürchterliches geschieht – obwohl wir im Grunde wissen, dass unsere Angst doch sehr übertrieben ist.

Wir sind mit unserem Job sehr unzufrieden und befürchten gleichzeitig, niemals einen besseren zu finden.

Oder wir sind zwar total überarbeitet, glauben aber, als »Minderleister« zu gelten, wenn wir einen Gang herunterschalten würden.

Versuchen wir dann reflexhaft, so ein inneres Dilemma aktionistisch zu lösen, stürzen wir uns in die nächstbeste Tätigkeit oder beschäftigen uns gleichzeitig mit viel zu vielen Aufgaben, ohne eine zu Ende zu bringen. Damit wächst das Risiko, sich zu überlasten und auszubrennen. Oder wir schreiben kopf- und ziellos Bewerbungen – eine »klassische« aktionistische Ausweichhandlung.

Die Gefahr aktionistischen Denkens und Handelns wird in Krisenzeiten oft unterschätzt oder gar ausgeblendet. Und sie wächst, je stärker man sich unter innerem oder äußerem Druck fühlt.

Ertappe ich mich dabei, wie ich kurz davor bin, in Aktionismus auszubrechen, gibt es nur ein vernünftiges Vorgehen: Stopp! Alle Aktivitäten erst einmal unterlassen – oder bremsen, falls man schon Fahrt aufgenommen hat. Zur Ruhe kommen und dafür sorgen, wieder einen halbwegs klaren Kopf zu bekommen. Das klingt leichter, als es ist, ich weiß. Aber man kann es trainieren. Wie das geht, werde ich Ihnen später erklären.

Crisis? What Crisis?

So heißt ein Album von Supertramp, meiner Lieblingsband aus Jugendtagen. Auf dem Cover liegt ein Mann im Liegestuhl auf einer Müllkippe unter einem Sonnenschirm, während im Hintergrund riesige Schornsteine qualmen – eine ziemlich krisenhaft anmutende Szene.

Wann ist eine Krise aber nun wirklich eine Krise? Heutzutage sind wir politisch und gesellschaftlich von so vielen Krisen umgeben, dass es manchem schwerfällt, diesen Begriff auf sich selbst anzuwenden. Viele Menschen, die in meine Coachingpraxis kommen, sind regelrecht entsetzt, wenn ich ihre Lage als »Krise« bezeichne. Nein, das klinge nun wirklich zu dramatisch! Eine »echte« Krise sei, unter einer Hungersnot zu leiden oder einen schlimmen Autounfall gehabt zu haben. Selbst wenn jemand noch so ratlos oder verzweifelt über seine Situation ist, vielleicht kurz vor dem Burn-out steht oder unter Depressionen leidet – klar, man durchlebe gerade eine »etwas herausfordernde Phase«, aber doch keine Krise!

Vielleicht fragen Sie sich beim Lesen, wie es eigentlich bei Ihnen aussieht. Erleben Sie gerade unruhige Zeiten oder vielleicht schon eine Krise? Man könnte natürlich einwenden, dass es doch im Grunde egal ist, wie man es nennt. Die Hauptsache ist doch, man schaut nach vorn und lässt das Problem so schnell wie möglich hinter sich, oder? Jein.

Mir geht es nicht darum, Ihrer Situation einen Stempel aufzudrücken oder sie gar zu dramatisieren. Im Gegenteil, ich möchte Ihnen zur Seite stehen, damit Sie wieder einen kühlen Kopf bekommen und analysieren, was gerade nicht okay ist. Denn nur so können Sie daraus eine kluge Karrierestrategie ableiten. Auch wenn es nicht angenehm ist: Dazu ist es wichtig zu verstehen und einzuordnen, wo Sie gerade stehen und wo genau der Schuh Sie drückt.

Wenn unser Hirn in den Krisenmodus schaltet, funktionieren wir anders als in einer lediglich problematischen Phase. Je kritischer unsere mentale Lage ist, desto stärker sind unsere Denkfunktionen verengt, verzerrt und eingeschränkt. Dementsprechend brauchen wir unterschiedliche Werkzeuge, Lösungen und Bewältigungsstrategien, um mit der Situation klug umgehen zu können. Ich möchte Ihnen daher einige Unterschiede zwischen belastenden Jobsituationen und Krisen, Burn-out und beruflichen Sackgassen erläutern – und Ihnen dabei schon einige erste Tipps für den Umgang damit geben.

Belastende Jobsituationen

Wir alle erleben gelegentlich belastende Jobsituationen, egal ob wir angestellt oder selbstständig sind. Einige Beispiele:

Ein wichtiges Projekt geht auf die Zielgerade und nimmt mich vollkommen in Anspruch, sodass ich an nichts anderes mehr denken kann und mein Privatleben viel zu kurz kommt.

Ich arbeite mich in eine neue Tätigkeit ein und muss mich an eine völlig ungewohnte Umgebung gewöhnen.

Von meiner Chefin habe ich ein negatives Feedback bekommen, das an meinem Selbstbewusstsein nagt. Ich bin verunsichert und weiß nicht, wie ich damit umgehen soll.

Durch eine Umstrukturierung soll sich meine Tätigkeit stark verändern, ich bin genervt und besorgt und überlege, welche Konsequenzen ich daraus ziehen möchte.

Solche belastenden Situationen können uns Wochen und manchmal sogar Monate stark in Anspruch nehmen. Für manche Menschen ist es sogar der Normalzustand, unter schwierigen Bedingungen oder einer zu hohen Arbeitsbelastung zu leiden und sich ständig am Rand der Erschöpfung zu bewegen. Eine Weile sind wir dazu körperlich und mental auch in der Lage, denn unsere inneren Systeme sind dafür ausgelegt, Unsicherheiten auszuhalten und auch mal mehr als 100 Prozent zu leisten – jedenfalls wenn wir anschließend die Möglichkeit zur Regeneration bekommen.

Auch wenn belastende Phasen uns und unsere Bewältigungskräfte herausfordern und manchmal überfordern: Wir sind trotzdem noch handlungsfähig und können Belastungen und ihre Alarmsignale wie Erschöpfung oder Konzentrationsprobleme bewusst wahrnehmen. Denn unsere Wahrnehmung ist noch relativ klar, und das Gehirn funktioniert im »normalen Modus«, sodass wir die problematischen Seiten unserer Situation differenziert analysieren können. Wir stecken daher (noch) nicht in einer Krise.

Mithilfe unserer gewohnten Selbstmanagementstrategien können wir nämlich uns und unseren Alltag steuern und Probleme bewältigen. Vielleicht sind wir nicht mehr wirklich im grünen Bereich – aber eben auch noch nicht auf Alarmstufe rot. Wir mögen uns wackeliger fühlen als an entspannteren Tagen, die Stimmung mag schwanken und nicht allzu gut sein. Womöglich tauchen auch verstärkt Selbstzweifel auf, und wir spüren wachsende Unzufriedenheit. Trotzdem sind wir aber in der Lage, mit allen Herausforderungen konstruktiv umzugehen.

Merksatz

Was braucht man in belastenden Jobsituationen?

Solche Phasen können sich zu echten Krisen auswachsen, und das gilt es zu vermeiden. Wir brauchen daher innere und äußere Strukturen, die uns Halt geben und uns helfen, unsere Arbeit weiterhin aktiv zu organisieren und uns mental zu stärken. Vor allem geht es hier um unsere Stabilisierung. Wenn wir erschöpft sind, sollten wir für Entspannung und Ausgleich sorgen, damit unser Zustand nicht kippt.

Wir müssen unbedingt den Überblick behalten und uns der belastenden Faktoren bewusst sein, um handlungsfähig zu bleiben und um notfalls die Notbremse ziehen zu können, wenn die Lage wirklich kritisch zu werden droht.

Übung

Mögen Sie (in Ihrem Notizheft) schriftlich festhalten, was Ihnen dazu einfällt?

Berufliche Krisen

Sie entstehen häufig aus belastenden Situationen oder Ereignissen. Ob jemand in einer Krise steckt oder »einfach nur« stark belastet ist, kann man nicht an äußeren Bedingungen oder Stressfaktoren festmachen. Wann unsere Bewältigungsstrategien nicht mehr greifen und wir in den Krisenmodus schalten, ist individuell sehr unterschiedlich. Der Tod eines nahestehenden Menschen würde wohl bei fast allen von uns eine Krise verursachen. Für viele gilt dies auch für den Verlust des Arbeitsplatzes, besonders wenn darauf eine längere Arbeitslosigkeit folgt.

Solche Krisen mit einem akuten Auslöser sind plötzlich da, werfen uns aus der Bahn und bedeuten oft eine Zäsur in unserem (Berufs-)Leben. Wir sind nicht mehr nur herausgefordert, sondern eindeutig überfordert. Eine Weile mögen wir versuchen, den Kopf in den Sand zu stecken, aber Verdrängung funktioniert hier kaum, da Krisensymptome einfach nicht zu übersehen sind. Mancher macht es sich zusätzlich schwer, indem er sich mit Menschen vergleicht, die ähnliche Probleme haben und sie scheinbar viel leichter bewältigen als er selbst. Solche destruktive Selbstkritik verschlimmert die Lage natürlich nur.

Krisen verunsichern uns im Kern, lösen Ängste aus, machen uns pessimistisch, lassen uns an uns und unseren Fähigkeiten zweifeln und unseren Selbstwert infrage stellen. Wenn solche negativen Gedanken und Gefühle kaum noch zu ertragen sind und der Stresspegel zu hoch wird, schaltet das Gehirn die Selbstwahrnehmung schrittweise ab. Man nennt diesen Notfallmechanismus Anästhesierung, der zwar sehr sinnvoll ist, wenn wir zum Beispiel bei einem Unfall unter Schock keine Schmerzen spüren. In der Krise sorgt er aber dafür, dass wir dauerhaft den Kontakt zu uns und unseren Bedürfnissen verlieren. Als würde man die rote Signallampe einfach herausschrauben, weil sie nervt und den Betrieb zu sehr stört. Gleichzeitig funktionieren wir im Krisenmodus wie auf Autopilot. Wir verlieren den Abstand zur Situation, und unsere Wahrnehmungs-, Analyse- und Handlungsfähigkeiten werden stark eingeschränkt.

Allerdings stehen nicht alle Krisen ganz plötzlich und unerwartet vor unserer Tür. Viele schleichen sich über Wochen, Monate oder gar Jahre heran, bis sie eines Tages anklopfen und uns schlagartig bewusst werden. Berufliche Sinn- und Identitätskrisen, die berühmte Midlife-Crisis oder ganz langsam ansteigende Unzufriedenheit brauchen oft so lange, um in unser Bewusstsein zu gelangen, weil wir uns dagegen wehren, ihre Signale zur Kenntnis zu nehmen. Im Grunde ahnen wir bereits, dass sie vor unserer Haustür herumlungern, aber wir schauen eben lieber nicht hin. Und dann sind sie plötzlich da und stehen auch schon mitten in der guten Stube.

Ob die Krisenauslöser von außen kommen oder hauptsächlich in inneren Konflikten begründet sind, ist übrigens für unsere Reaktion egal.

Merksatz

Was braucht man in der Krise?

Der Tank ist leer, man ist überfordert und der Blick für die Situation getrübt. Man weiß weder, was man will und braucht, noch wohin die Reise gehen soll, weil die Orientierung verloren gegangen ist. In der Krise hilft kein »Weiter so!«. Bei voller Fahrt kann man sich nämlich nicht orientieren oder den Tank wieder füllen. Das klappt nicht.

Nun gilt es, erst mal den Fuß vom Gas zu nehmen und auf dem Seitenstreifen zu parken – um sich zu besinnen und zu erholen, seelisch wieder in Einklang zu kommen und Kontakt zu sich selbst und den eigenen Wünschen und Bedürfnissen aufzunehmen. Dieser Prozess kann lange, manchmal Monate dauern, bis man wieder genug Abstand erreicht hat und der Autopilot abgeschaltet ist. Erst dann ist man wieder in der Lage, eine Bestandsaufnahme zu machen, einen neuen Kurs zu bestimmen und zu entscheiden, wohin es mit der Karriere gehen soll.

Ein kluges Krisenmanagement ist eine komplexe Angelegenheit – daher werden wir uns im sechsten Kapitel intensiv damit befassen.

Übung

Was geht Ihnen zum Thema Krise durch den Sinn?

Erschöpfung und Burn-out

Dieses Thema bekommt hier einen eigenen Platz, weil es leider – ganz unabhängig von Corona-Pandemie, Rezession und unruhigen Zeiten – so viele Menschen betrifft. Wie ich eben schon erwähnt habe: Eine Weile können wir hochtourig funktionieren und dabei mehr Energie verbrauchen, als uns zur Verfügung steht. Wenn ich zum Beispiel weiß, dass ich demnächst Urlaub habe oder mein stressiges Projekt in zwei Wochen abgeschlossen sein wird, kann ich trotz Erschöpfung bis dahin wahrscheinlich ganz gut durchhalten.

Ist aber für meine Überlastung kein Ende in Sicht, werde ich zwangsläufig früher oder später nicht mehr die Kontrolle behalten können. Dann schalten meine inneren Systeme immer mehr auf Autopilot, ich nehme mich und um mich herum immer weniger wahr. Und in meinem Kopf dröhnt nur noch ein lautes »Ich muss, ich kann nicht anders!« – weil ich glaube, dass ganz sicher eine Katastrophe geschieht, wenn ich nicht mehr Vollgas gebe.

Womöglich ist allen um mich herum klar, dass ich gerade ausbrenne. Und ich bin der Letzte, der noch nicht kapiert hat, dass ich schon lange im Krisenmodus unterwegs bin und bald zusammenklappen werde. Häufig braucht es deshalb die Intervention anderer Menschen, von Vorgesetzten, Kollegen oder Freunden, um Betroffene noch zu stoppen, bevor es zu spät ist. Aus eigenem Antrieb die Notbremse zu ziehen schafft kaum jemand. Rast man aber ungebremst weiter, wird der Körper und/oder die Psyche diese Irrfahrt irgendwann beenden. Womöglich geschieht das mit klassischen Symptomen wie Schlaf- und Antriebslosigkeit, Niedergeschlagenheit bis hin zur Depression, Tinnitus, Herzproblemen, Ängsten oder Panikattacken.

Der Übergang von einer Erschöpfung zum Burn-out ist sicherlich fließend. Kritisch wird es aber nicht erst, wenn der Arzt einen Burn-out diagnostiziert und den Betreffenden – oft für Monate – krankschreibt. Das Stadium der Krise hat er wahrscheinlich schon Wochen und Monate vorher erreicht.

Merksatz

Was braucht man in der Burn-out-Krise?

Ist jemand ausgebrannt, muss er zuerst einmal raus aus der belastenden Situation. Wenn man dann glaubt, dass es ausreicht, mal eine Weile einen Gang runterzuschalten und ein bisschen mehr Sport zu machen, gehört das zu den Symptomen des Problems und ist ganz sicher nicht Teil der Lösung.

Es dauert einige Zeit, bis man sein Hamsterrad mental hinter sich lassen kann. Man bekommt nur langsam Abstand zu dem, was man in den Monaten zuvor erlebt und erlitten hat. Vor allem braucht es erst einmal viel Ruhe und körperliche Erholung. Erst dann kann man langsam beginnen, die eigenen destruktiven Denk- und Verhaltensweisen zu verstehen, die einen in die Krise geführt haben. Dabei sind Reha-Kliniken und Psychotherapeuten sehr hilfreich – auch um eine neue, konstruktivere Haltung zu entwickeln, die Voraussetzung dafür ist, in den Joballtag zurückzukehren.

Wir werden uns mit Burn-out-Krisen später noch genauer beschäftigen.

Übung

Sind Sie gerade sehr erschöpft – womöglich gar auf dem Weg in den Burn-out?

Berufliche Sackgassen

Ich arbeite seit vielen Jahren mit Menschen, die sich beruflich verändern wollen. Auf meine Frage, wann deren Unzufriedenheit eigentlich angefangen hat, bekomme ich meistens recht unklare Antworten. So genau wissen viele nämlich gar nicht, wie lange sie ihren Job schon als nicht mehr stimmig empfinden. Auf jeden Fall, gestehen mir viele, dauert dieser Zustand wohl schon ziemlich lange an, manchmal sogar Jahre.

Warum aber reagieren so viele Menschen nicht früher auf innere Veränderungsimpulse? Warum machen sie sich nicht Gedanken über Alternativen, sondern halten den unbefriedigenden Status quo immer weiter aus und reden ihn sich auch noch schön, solange es irgendwie geht?

Ganz einfach: Weil es unbequem ist! Die meisten von uns bekommen schon kalte Füße, wenn sie auch nur an mögliche Veränderungen denken. Außerdem fällt es nicht jedem leicht, sich selbst und die eigenen Wünsche, Werte und Ziele ernst zu nehmen.

Wenn dann eines Tages nicht mehr zu übersehen ist, dass man in einer Sackgasse feststeckt, hat man wahrscheinlich schon über lange Zeit seine Unzufriedenheit und so einige Veränderungsimpulse ignoriert und verdrängt. Sofern sich die berufliche Situation nicht von allein verändert oder ein attraktives Jobangebot in Aussicht ist, steigt der Veränderungsdruck immer weiter an. Manchmal sogar so lange, bis er Krisensymptome auslöst, wie ich sie eben beschrieben habe. Dann ist ein Mensch aber nicht mehr »einfach nur irgendwie unzufrieden«, sondern hat das Gefühl, seine Situation nicht mehr ertragen zu können. Jede Tätigkeit erscheint völlig sinnlos und öde, die Sonntagabende werden zur Qual, und der Freitag und der nächste Urlaub sind die einzigen Lichtblicke.

Berufliche Sackgassen entstehen allerdings nicht nur aus einem inneren Veränderungsdruck. Manchmal ist jemand mit seiner Arbeit recht zufrieden, bis seine Aufgaben beschnitten oder so verändert werden, dass dadurch erst Unzufriedenheit aufkommt. Oder jemand würde sich gern in seinem Job weiterentwickeln, neue Aufgaben und mehr Verantwortung übernehmen, aber man lässt ihn nicht. Auch so gelangen Menschen in Sackgassen – wenn sie nicht rechtzeitig Konsequenzen ziehen.

Krisenhaft wird es dann, wenn jemand zu lange in seiner Sackgasse festsitzt und sie zur Gewohnheit geworden ist. Solange man das Problem bewusst wahrnimmt und sich aktiv bemüht, die Situation zu verbessern, ist man noch im grünen Bereich. Bedenklich wird es, wenn man resigniert, sich mit dem eigenen Frust abfindet und die Unzufriedenheit und der innere Druck immer weiter ansteigen. Am Ende hat derjenige keine Freude mehr am Leben, grübelt nur noch destruktiv, zweifelt an sich, zieht sich immer mehr zurück oder wird sogar krank.

Übrigens wurde in der Corona-Pandemie, als viele Menschen im Homeoffice stärker mit sich selbst und ihren Gefühlen konfrontiert waren, vielen erst bewusst, wie unzufrieden sie mit ihrem Job wirklich waren. So kann eine äußere Krise auch den Anstoß dazu geben, die eigene berufliche Situation zu reflektieren und Veränderungen anzustoßen.

Merksatz

Was braucht man in der Sackgasse?

Die meisten Menschen, denen ihre festgefahrene Situation bewusstwird, befinden sich noch nicht in einer echten Krise. Sie sind noch in der Lage, den Status quo zu analysieren und Ideen für berufliche Alternativen zu entwickeln. Was dazu vor allem notwendig ist, ist die Entschlossenheit, aktiv zu werden und für den Orientierungsprozess Zeit und Energie zu investieren. Und dann braucht man einen guten Plan, wie man dabei vorgehen und wo man sich auf die Suche machen will. Tipps und Werkzeuge dafür werde ich Ihnen im neunten und zehnten Kapitel vorstellen.

Übung

Stecken Sie vielleicht gerade in einer beruflichen Sackgasse?

Wie kritisch ist Ihre berufliche und mentale Situation?

Ich kann mir vorstellen, dass Sie sich beim Lesen gefragt haben, wie kritisch Ihre Situation eigentlich ist und ob es bei Ihnen Anzeichen für eine Krise gibt. Kommen Menschen in meine Praxis, die gerade eine beruflich schwierige Phase durchlaufen, versuche ich, durch gezielte Fragen herauszufinden: Steht zuerst einmal Krisenmanagement an – oder können wir uns schon mit der Suche nach konkreten Lösungen oder beruflichen Alternativen beschäftigen?

Um Ihnen Ihre Selbsteinschätzung zu erleichtern, habe ich für Sie eine Liste von wichtigen Aspekten zusammengestellt, anhand derer Sie Ihre Situation überprüfen können.

Übung

Wie hoch ist Ihre momentane Belastung?

Bitte kreuzen Sie jede der folgenden Aussagen an, die auf Sie und Ihre berufliche Lage zutrifft. Antworten Sie dabei möglichst spontan und ohne lange zu überlegen, welche Antwort Ihnen als die wünschenswerte erscheint.

☐Ich mache mir große Sorgen um meinen Job.

☐In der letzten Zeit fällt es mir schwer, mich zu erholen und meine Batterien wieder aufzuladen.

☐Ich zweifle mehr als gewöhnlich an mir und meinen Fähigkeiten.

☐Ich fühle mich häufig gar nicht in der Lage, mit meinen beruflichen Problemen umzugehen.

☐Ich bin im Moment pessimistischer, als ich es von mir kenne.

☐Manchmal empfinde ich meine Situation als aussichtslos.

☐Ich fühle mich gekränkt und spüre Groll, weil man mich ungerecht behandelt (hat).

☐Es fällt mir schwer, positive Aspekte an meiner Situation zu erkennen.

☐Ich fühle mich häufig niedergeschlagen.

☐Ich glaube manchmal, dass mich meine Kollegen und Vorgesetzten ablehnen.

☐Meine momentane Jobsituation ist ziemlich unsicher.

☐Ich leide unter Schlafproblemen.

☐Meine berufliche Zufriedenheit hat in den letzten Wochen oder Monaten stark abgenommen.

☐Mich quälen häufig Ängste.

☐Ich verhalte mich oft kopflos und hektisch, ohne genau zu wissen, was ich damit eigentlich erreichen will.

☐Ich fühle mich stark unter Druck.

☐Ich denke oft, dass ich sowieso nichts tun kann, um meine Situation grundsätzlich zu verbessern.

☐Manchmal habe ich den Eindruck, gar nicht mehr klar denken zu können.

☐Menschen, die mich gut kennen, denken, dass ich ein Problem habe.

☐In letzter Zeit fällt es mir besonders schwer, mich zu konzentrieren.

☐Ich grüble häufig über meine berufliche Situation.

☐Ich leide unter körperlichen Symptomen, die wohl durch Stress ausgelöst werden.

☐Ich kann meinen Alltag nur mithilfe von Alkohol, Medikamenten oder Drogen ertragen/bewältigen.

☐Ich bin in letzter Zeit oft antriebslos.

Bitte zählen Sie die Aussagen, denen Sie zugestimmt haben – und wenn Sie mögen, können Sie hier eintragen, wo Ihr Ergebnis liegt:

Dies ist kein wissenschaftlich fundierter Test. Aber generell können wir annehmen: Je höher Ihre Punktzahl ausfällt, desto wahrscheinlicher ist es, dass Sie sich momentan in einem kritischen Bereich befinden. Dann sind für Sie – jedenfalls als erster Schritt – besonders die Werkzeuge des Kapitels 6: Erste Hilfe in schwierigen Zeiten und die 1. Option im achten Kapitel hilfreich.

Bitte schließen Sie aus einer hohen Punktzahl nicht, dass Ihre Aussichten nicht gut sind und Sie es nicht schaffen werden, die Krise hinter sich zu lassen! Pessimismus ist lediglich ein sehr menschliches Symptom in stressigen, schwierigen Zeiten – der nichts über Ihre tatsächlichen Chancen aussagt, sondern nur über Ihren mentalen Zustand.

Wichtig ist mir hier vor allem, dass Sie möglichst ehrlich mit sich sind und Ihrer Situation mit all ihren – auch unschönen – Facetten in die Augen schauen und sie ernst nehmen. Denn indem wir zuerst einmal akzeptieren, dass die Dinge sind, wie sie sind, verringern wir das Risiko, in Hilflosigkeit und Depressionen zu verfallen. Akzeptanz hilft uns, schneller aktiv zu werden und so unsere Situation schrittweise verbessern zu können.

Oder denken Sie gerade:

Ist doch alles gar nicht so schlimm …

Klar, es gibt sicherlich angenehmere Beschäftigungen, als sich einzugestehen, dass man ein Problem hat und mit seinem Latein am Ende ist. Indem wir deshalb lieber den Kopf in den Sand stecken, nutzen wir einen Mechanismus, den die Psychologie als Leugnung bezeichnet.

Ich werde gemobbt, ich leide seit Langem unter meinem Job, mein Chef verlangt Unmögliches von mir oder ich hatte seit zwei Jahren keinen Urlaub mehr – und meine Freunde schütteln nur noch den Kopf. Eigentlich wäre es höchste Zeit einzusehen, dass es so nicht weitergehen kann und ich endlich aktiv werden und meine Arbeitsbedingungen ändern sollte! Ja, das könnte ich sicherlich tun, oder … ich mache doch lieber einfach weiter wie bisher und rede mir ein, dass alles gar nicht so wild ist und sich die Dinge schon von allein beruhigen werden. Vielleicht räume ich ein, dass ich ein klitzekleines Problem habe. Das ich aber ganz sicher schnell und mit meinen üblichen Werkzeugen aus der Welt schaffen werde. Und ich beiße einfach die Zähne noch etwas fester zusammen.

Dass ich mich aber auf genau diese Weise in meine missliche Lage gebracht habe – das ignoriere ich einfach. Wenn ich schließlich mit dem Rücken zur Wand stehe und es wirklich nicht mehr weitergeht, dann ist mein Stresslevel schon so hoch und mein Tunnelblick entsprechend eng, dass ich den Augen-zu-und-durch-Modus nicht mehr verlassen kann. Bis ich eines Tages mit Karacho gegen eine Wand kachle …

Beispiel

Alina

Alina kam zu mir, als ihre Kündigung schon einige Monate zurücklag. „Als meine Chefin mir erklärte, dass mein Vertrag nicht verlängert werden würde, reagierte ich ganz cool. Vielleicht war ich sogar ein bisschen erleichtert, denn der Job war wirklich sehr belastend und hat mir ja nie wirklich Spaß gemacht. Ich wollte mich dann erst einmal erholen und gar nichts tun. Nur konnte ich meine neue Freiheit überhaupt nicht genießen. Morgens kam ich immer schwerer aus dem Bett und in die Pötte, und irgendwann spürte ich gar keinen Antrieb mehr, irgendetwas zu tun.

Das ging eine ganze Weile so. Meine Freunde sorgten sich ziemlich um mich und meinten, dass etwas mit mir nicht in Ordnung sei. Doch das wollte ich absolut nicht hören.

Von einem Tag auf den anderen verfiel ich dann in Panik. Ich hatte plötzlich große Angst, gar keinen Job mehr zu finden. Mit einer so langen Beschäftigungspause würde mich doch niemand einstellen, dachte ich. Seitdem schreibe ich eine Bewerbung nach der anderen auf jede nur halbwegs passende Jobausschreibung, aber das Resultat ist total niederschmetternd.

Mein Freund redet schon lange auf mich ein, ich solle mir endlich Hilfe holen, aber das kam bisher für mich überhaupt nicht infrage. Ich kapselte mich ab, wollte keinen Menschen mehr sehen, weil mir doch sowieso niemand helfen könnte. Da muss ich eben allein durch, dachte ich jedenfalls bisher.“

Als Alina schließlich zu mir kam, schwankte sie zwischen Phasen von tiefer Niedergeschlagenheit und hektischem Aktionismus. Ich konnte sie nur ganz langsam überzeugen, dass sie in einer Krise steckte und es ein »Weiter so!« nicht geben könne. Zuerst einmal musste sie aus ihrer mentalen Achterbahn heraus und innerlich wieder zur Ruhe kommen.

Es dauerte ungefähr zwei Monate, bis Alina in der Lage war, nach vorn zu schauen und ihre Chancen und Stärken zu realisieren. Erst dann konnten wir gemeinsam ihre Situation analysieren und herausfinden, was sie wollte und welche Alternativen es für sie gab.

Ich treffe nicht selten Menschen wie Alina. Von außen erkennt man ihre Krisensymptome schnell – die Niedergeschlagenheit, schwankende Stimmungen und der große innere Druck. Hinzu kommt oft die Leugnung: Sie möchten das Offensichtliche, das Freunde und die Familie schon lange wahrnehmen, einfach nicht wahrhaben und spielen das Problem herunter mit typischen Aussagen wie:

Ich leide doch auf hohem Niveau – mir geht es eigentlich ganz okay.

Das geht schon irgendwie vorbei.

Ich habe gar kein Recht zu jammern.

Ich muss das allein schaffen.

Ich kann mir jetzt nicht erlauben zu schwächeln.