Jetzt mal Butter bei die Fische! - Tom Diesbrock - E-Book

Jetzt mal Butter bei die Fische! E-Book

Tom Diesbrock

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Beschreibung

Ich würde ja gern den Job wechseln, aber … Was hält Sie zurück? Mangelnde Chancen? Halten Sie sich für inkompetent? Sind Sie innerlich blockiert, oder haben Sie einfach kalte Füße? Jetzt mal Butter bei die Fische! Der Psychologe und Karrierecoach Tom Diesbrock hilft Ihnen mit dieser praxiserprobten Anleitung, Ihre Pläne in die Tat umzusetzen - von der Ideenfindung über den Umgang mit inneren Widerständen bis zu Ihrer Entscheidung. Wenn nicht jetzt, wann dann? "Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert." Albert Einstein

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Tom Diesbrock
Jetzt mal Butter bei die Fische!
Das Selbstcoachingprogramm für Ihre berufliche Neuorientierung
Campus Verlag Frankfurt/New York
Über das Buch
»Ich würde ja den Job wechseln, aber …« – Schluss mit den faulen Ausreden! Wer sich beruflich verändern will, braucht eine praxiserprobte Anleitung zur Umsetzung – und manchmal auch einen freundlichen Tritt in den Hintern. Tom Diesbrock hilft Ihnen mit vielen Tests, psychologischen Übungen und Checkpoints, Ihre guten Vorsätze endlich in die Tat umzusetzen. JETZT. Kapitän statt Matrose: das Selbstcoaching für alle, die berufliches Neuland suchen!
Über den Autor
Tom Diesbrock hat sich immer wieder beruflich neu orientiert und blickt auf eine kurvenreiche Patchworkkarriere zurück: Angefangen mit einem Medizinstudium war er später Musiker und Redakteur, studierte dann Psychologie und wurde Pxychotherapeut, Trainer, und Teamentwickller. Heute arbeitet er in Hamburg als Coach und psychologischer Berater, vor allem mit Menschen, sie sich beruflich verändern wollen – von der Ideenfindung bis zum Weg in den neuen Job oder zur Gründung des eigenen Unternehmens.
Tom Diesbrock hat bereits mehrere erfolgreiche Ratgeber geschrieben. Bei Campus erschien von ihm Ihr Pferd ist tot? Steigen Sie ab! Wie Sie sich die innere Freiheit nehmen, beruflich umzusatteln.
www.diesbrock.de

Inhalt

Intro
»Jetzt mal Butter bei die Fische ...«
Kein ganz leichter Weg
Teil 1: Eine aktive Karrierestrategie
Kein Ponyhof
Reaktive Karrierestrategien
So nehmen Sie das Karrieresteuer selbst in die Hand
Teil 2: Coachen Sie sich selbst zum neuen Job!
Coaching und Selbstcoaching
Das Projekt Neuorientierung
Die Psychologie des Selbstmanagements
Die Werkzeuge des Selbstcoachings
Teil 3: In fünf Schritten zur Entscheidung
Schritt 1: Wo stehen Sie heute – und wo wollen Sie hin?
Schritt 2: Die Landkarte Ihrer Neigungen und Interessen
Schritt 3: Die Landkarte Ihrer Jobideen
Schritt 4: Von der Jobidee zum Projekt
Schritt 5: Der Weg zur Entscheidung
Es ist soweit: Heute entscheiden Sie sich!
Outro
Was ich Ihnen mit auf den Weg geben möchte
Machen Sie es gut
Intro
Und plötzlich weißt du: Es ist Zeit, etwas Neues zu beginnen und dem Zauber des Anfangs zu vertrauenMeister Eckhart

»Jetzt mal Butter bei die Fische ...«

... sagen wir bei uns in Hamburg, wenn lange genug gegrübelt und geredet worden ist, wenn es höchste Zeit wird, Klartext zu sprechen, die Sache auf den Punkt zu bringen und vor allem: zu handeln!
Denken Sie schon länger darüber nach, frischen Wind in Ihr Berufsleben zu bringen? Und ist es bisher beim Grübeln geblieben? Dann geht es Ihnen wie vielen Menschen, die zu mir in meine Coachingpraxis kommen. Sie wollen etwas verändern, sich neu orientieren – aber sie wissen nicht, wie sie es anstellen sollen. Oder sie würden gern loslegen, aber etwas in ihnen steht auf der Bremse, und sie fühlen sich innerlich blockiert und festgefahren.
»Butter bei die Fische« heißt, dass Sie jetzt starten. Auch wenn Sie noch nicht wissen, wie die Alternative aussehen könnte. Auch wenn Sie zum Pessimismus neigen oder glauben, nicht kompetent genug zu sein. Auch wenn Sie kalte Füße haben.
Die Hauptsache ist, Sie machen sich auf den Weg! Besser, Sie fangen an, sich mit Ihren Wünschen und Möglichkeiten zu beschäftigen, als weiter zu grübeln, zu träumen und zu zweifeln. Vielleicht finden Sie am Ende nicht Ihren »Traumjob« oder Ihre »Berufung« – aber sehr wahrscheinlich eine gute Alternative zu dem Job, der nicht mehr zu Ihnen passt.
Dieser Weg ist sicher kein Spaziergang. Aber wenn Sie mögen, begleite ich Sie schrittweise bis zu der Entscheidung über Ihre berufliche Zukunft.
Tom Diesbrock
Für die bessere Lesbarkeit verwende ich in diesem Buch nur die männliche Form, spreche damit aber selbstverständlich Leser jeden Geschlechts an.

Kein ganz leichter Weg

»Wie war das denn damals bei Ihnen? Sie haben ja auch einiges auf dem Weg zu Ihrer heutigen Arbeit ausprobiert. Wie haben Sie denn den richtigen Job gefunden?« Diese Frage wird mir häufig von Klienten im Kennenlerngespräch gestellt.
Klar, es liegt nahe, von jemandem, der sich schon so lange professionell mit der beruflichen Neuorientierung beschäftigt, zu erwarten, selbst ein leuchtendes Beispiel zu sein. Ich würde Ihnen auch sehr gern erzählen, wie mir eines Tages die Erleuchtung kam und ich plötzlich wusste, wie das geht – wie man seinen Traumjob und seine Berufung findet. Und dann könnte ich Sie daran teilhaben lassen und Ihnen mit einem gütigen Lächeln versichern: »Machen Sie es einfach wie ich – dann wird alles gut!«.
Die Wahrheit ist aber: Sie sollten sich an meiner Vita besser kein Beispiel nehmen. Denn meine Berufsfindung war alles andere als zielgerichtet und an meinen Interessen und Neigungen orientiert. Nach Abi und Zivildienst fühlte ich mich ausgesprochen unerleuchtet in Bezug auf Leben und Arbeit. Ich wusste nicht, was ich wollte – und nahm mir weder die Zeit noch hatte ich den Mut, eine ehrliche Antwort zu finden. Lieber tat ich, was so viele in dieser Situation tun: Ich studierte etwas, das allgemein als »vernünftig« galt – bei mir war das nicht BWL oder Jura, sondern Medizin.
Die war nur – Überraschung! – überhaupt nicht mein Ding, und ich fand den Ausgang erst nach dem Physikum. Ich startete ein Popmusik-Projekt, kam damit auf keinen grünen Zweig, hatte dann verschiedene Jobs und blieb konsequent unzufrieden. Klassischer Spätzünder.
Dass ich heute den (für mich) besten aller möglichen Jobs habe, verdanke ich mehr oder weniger dem Zufall, und nicht einem Coach oder klugen Konzepten. Mir lief die Psychologie eines Tages über den Weg, und ich merkte erst langsam, dass mich die Sache wirklich interessierte. Bis ich mich später traute, mich von meinem ungeliebten Brot-und-Butter-Job zu lösen und in die Selbstständigkeit zu starten, vergingen weitere Jahre – und auch dieser Weg verlief eher in Schlangenlinien.
Ironischerweise – oder gerade deshalb – beschäftige ich mich heute hauptsächlich mit der beruflichen (Neu-)Orientierung. Zu mir kommen Menschen, die kleine oder große Veränderungen herbeisehnen, aber aus den verschiedensten Gründen damit nicht vorankommen. Oft fehlen ihnen klare Ziele, ein Bild ihrer Möglichkeiten und/oder der Mut, sich auf den Weg zu machen. Im Laufe der Jahre habe ich Methoden und Werkzeuge entwickelt oder mir zu eigen gemacht, mit denen die Suche nach dem richtigen Job etwas schneller, schmerzloser und gradliniger funktioniert als in meinem Lebenslauf.
Bevor Sie jetzt aber denken, ich könne Ihnen ein Patentrezept liefern, das Ihre berufliche Veränderung zur schnellen Nummer macht, muss ich Sie sofort enttäuschen: Ich kann und will keinem die Suche nach eigenen Antworten abnehmen! Ich glaube weder an den Erfolg von Berufsberatung (»Am besten machen Sie ...«) noch an den Sinn von Potenzialanalysen (»Zu Ihnen passt ...«). Dazu komme ich noch.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es viel sinnvoller ist, Menschen zu ermutigen, konsequent und mit offenen Augen auf die Suche zu gehen. Das ist nur leichter gesagt als getan – denn dazu braucht es Überblick, Planung und vor allem auch das Know-how, mit den eigenen Ängsten und Widerständen konstruktiv umzugehen. Weil dies kein einfacher Weg ist, suchen sich viele Menschen heutzutage einen Coach.

Ein Buch zum Selbstcoaching

Kämen Sie zu mir in meine Praxis, würde ich Ihnen zuallererst erklären, dass nachhaltige berufliche Veränderungen immer Zeit und Engagement brauchen. Die Vorstellung, dass ein guter Coach Sie scannen und Ihnen dann sagen kann, für welche Jobs Sie sich am besten bewerben sollten, ist zwar angenehm – aber auch völlig unrealistisch! Und genauso wenig kann dies ein Ratgeberbuch leisten. Der leichtfüßige Spaziergang zu Traumjob und Berufung ist in meinen Augen eine (gern ge- und verkaufte) Illusion.
»Selbstcoaching-Programm« steht nicht auf dem Titelblatt, weil es so schick klingt. Mir ist es damit tatsächlich ernst. Und das bedeutet für Sie – genauso wie für meine Coachingklienten –, dass hier jede Menge Arbeit auf Sie zukommt!
Wenn Sie dieses Buch zur Hand genommen haben, weil Sie mithilfe ein paar flotter Übungen gesagt bekommen wollen, für welchen Job Sie sich in der nächsten Woche bewerben sollten, sind Sie hier definitiv an der falschen Adresse. Ich werde Sie auffordern, sich über mehrere Monate intensiv mit Ihren Wünschen, Interessen, Möglichkeiten und Zielen genauso zu beschäftigen wie mit Ängsten, inneren Bremsern und Widerständen. Sie werden hier keine schnellen Antworten bekommen.
Bei der Arbeit mit diesem Buch wird mehr von Ihnen verlangt, als einfach nur brav alle Übungen abzuarbeiten, damit Sie am Ende mit einer tollen Jobidee belohnt werden. Mir ist es viel wichtiger, Sie zu motivieren, über den Tellerrand zu schauen und an Möglichkeiten zu denken, an die Sie bisher nicht gedacht haben. Von Paul Watzlawick stammt der kluge Satz: »Wenn du immer tust, was du immer getan hast, wirst du immer bekommen, was du immer bekommen hast.« Wenn Sie bisher nicht herausbekommen haben, was Sie beruflich wollen, wird es Zeit, neue Wege zu gehen. Und die möchte ich Ihnen anbieten.
Ich habe dieses Buch für Menschen geschrieben, die herausfinden wollen, was sie beruflich in den nächsten zehn oder mehr Jahren tun wollen. Vielleicht wollen oder müssen Sie Kompromisse dabei eingehen – aber auch dann sollte es der bestmögliche Kompromiss sein. Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie großzügig mit sich sind und sich die Zeit nehmen, die Sie für Ihre Suche brauchen.
Was ich von Ihnen möchte, ist Aufmerksamkeit, Engagement und Ihre Neugier. Und ich wünsche mir von Ihnen etwas, das von mir jeder Coachingklient bekommt: Ich nehme seine Ideen und Wünsche hundertprozentig ernst. Ich möchte, dass Sie dies auch tun und Ihre Ideen und Wünsche hundertprozentig ernst nehmen – sie nicht klein reden, abtun und leugnen, weil sie vielleicht unbequem sind oder unerreichbar scheinen.
Wenn Sie die Mühe scheuen oder nur einen Job suchen, der Sie lediglich für eine Weile ein bisschen weniger unzufrieden macht als der jetzige, sollten Sie dieses Buch jetzt zuschlagen und bei eBay als neuwertig verkaufen. Und dies ist wirklich nicht als versteckte Motivation gemeint! Denn Sie werden höchstwahrscheinlich wenig erreichen, wenn Sie sich mit diesem Programm nur oberflächlich beschäftigen. Und wirklich blöd wäre es, wenn Sie dann daraus schließen würden, dass Ihnen »eben nicht zu helfen ist«. Denn das ist in jedem Fall Quatsch.
Sollten Sie jetzt unsicher sein – vielleicht weil Sie ja noch gar nicht wissen, was genau ich mit Ihnen vorhabe -, könnten wir auch einen Kompromiss vereinbaren: Sie lesen dieses Buch erst einmal ganz durch, ohne in die Arbeit damit einzusteigen. Und dann entscheiden Sie sich. Okay?

Darum geht’s

Wenn Sie schon etwas geblättert und das Inhaltsverzeichnis studiert haben, ist Ihnen vielleicht aufgefallen, dass ich nicht gleich mit der Arbeit am neuen Job beginne. Erst einmal geht es vor allem um aktive Jobstrategien, Selbstcoaching, Selbst- und Projektmanagement. Erst im dritten Teil beginnt die eigentliche Neuorientierung.
Das mag Sie verwundern. Vielleicht haben Sie sich nach mehr oder weniger langer Zeit endlich entschieden, berufliche Veränderungen anzugehen – und jetzt sollen Sie sich mit Psychologie und Projektmanagement auseinandersetzen? Ist das wirklich notwendig?
Meine Antwort ist ein ganz klares Ja! Ich werde Ihnen später noch genauer erklären, warum in meinen Augen so vielen Menschen Bücher und Seminare zum Thema Berufsfindung so wenig weiter helfen – und warum ein Coaching oft erfolgreicher ist. Das hat vor allem mit Psychologie und Projektmanagement zu tun. Denn auch wenn wir uns Veränderungen noch so sehr wünschen – oft stehen uns Ängste und innere Widerstände im Weg. Dazu kommt, dass die meisten Menschen viel zu planlos und unstrukturiert ans Werk gehen. Kein Wunder, wenn das schiefgeht oder im Sande verläuft.
Damit Sie verstehen, welches System diesem Selbstcoaching-Programm zugrunde liegt, möchte ich Ihnen hier ganz kurz erklären, wie wir vorgehen werden:
Im ersten Teil geht es um Karrierestrategien und Veränderungen in der Arbeitswelt. Ich möchte Ihnen zeigen, was von uns als arbeitenden Menschen heute gefragt ist, um erfolgreich zu sein. Der Blick in Stellenbörsen und die »richtige Bewerbung« reichen nämlich bei weitem nicht mehr aus. Ich werde Ihnen eine »aktive Karrierestrategie« ans Herz legen und Ihnen zeigen, welche Kompetenzen Sie dafür brauchen.
Im zweiten Teil dreht sich alles um das Thema Selbstcoaching. Ich erkläre Ihnen zuerst die »drei Dimensionen des Selbstcoachings« bei der beruflichen Neuorientierung, und dann erläutere ich Ihnen die fünf Schritte von Interessen und Neigungen bis zur beruflichen Entscheidung. Außerdem stelle ich Ihnen alle Werkzeuge vor, die Sie auf Ihrem Weg benötigen werden.
Im dritten Teil werde ich Sie dann Schritt für Schritt begleiten, wie ich es auch im Coaching mit meinen Klienten tue. Sie werden konkrete Aufgaben bekommen und alle Informationen, die Sie brauchen, um jeden Schritt erfolgreich abzuschließen. Und am Ende werden Sie entscheiden, wie es für Sie beruflich weitergeht.
Im Outro finden Sie eine Sammlung von Informationen und Hinweisen, die ich Ihnen mitgeben möchte für die Umsetzung – entweder für Jobsuche und Bewerbung oder auf dem Weg in die Selbstständigkeit.

Ihr Pferd ist tot? Steigen Sie ab!

So heißt ein Buch, das ich für Menschen geschrieben habe, die seit langem unzufrieden in Ihrem Job sind, aber sich nicht trauen, endlich eine Veränderung zu wagen. »Ein totes Pferd zu reiten« bedeutet für mich, an etwas Gewohntem festzuhalten, obwohl wir wissen, dass es nicht (mehr) zu uns passt und uns wahrscheinlich nur noch unglücklich macht. Ich beschäftige mich darin mit der Frage, warum wir uns so unproduktiv verhalten und zu welchen Methoden und Begründungen wir greifen, um uns einzureden, dass es gerade für uns keine Alternativen gibt und der tote Gaul das bestmögliche Reittier ist.
Vielleicht haben Sie Ihr Pferd ist tot? schon gelesen und es hat Sie motiviert, jetzt berufliches Neuland zu suchen? Wunderbar, dann können Sie dieses Buch als zweiten Teil ansehen – einiges, was Ihnen schon bekannt vorkommt, wird hier weiter entwickelt.
Wenn Sie das Buch nicht kennen, ist dies gar kein Problem. An einigen Stellen beziehe ich mich zwar darauf, aber nicht, ohne Ihnen den Kontext zu erklären. Und jetzt wissen Sie ja auch, was es mit den toten Pferden auf sich hat.
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Teil 1
Eine aktive Karrierestrategie

Kein Ponyhof

Was, Sie wollen einen sicheren Job aufgeben? Freiwillig? Sind Sie denn des Wahnsinns fette Beute? Und warum? Weil Sie unzufrieden sind? Weil Sie eine Tätigkeit wollen, die Ihnen sinnvoll erscheint? Oder gar Spaß macht? Ja, geht’s denn noch?
Werfen Sie doch mal einen Blick in die Zeitung. Überall wird abgebaut und umstrukturiert. Sozialversicherte Vollzeitjobs werden kaum noch angeboten – nur noch Teilzeit- und befristete Verträge. Und ab 40 will einen doch sowieso keiner mehr. Wenn man nicht Anfang zwanzig ist, einen Eins-a-Abschluss hat, natürlich jede Menge Auslandserfahrung vorweisen kann und bereit ist, 80 Stunden in der Woche zu arbeiten, hat man doch heutzutage keine Chancen. Auf dem Arbeitsmarkt herrschen die Gesetze des Dschungels! Das Arbeitsleben ist nun mal kein Ponyhof – da muss man froh sein, wenn man einen sicheren Arbeitsplatz hat. »Neu orientieren« wollen Sie sich?!
Dass sich unsere Arbeitswelt in den letzten 20 Jahren stark verändert hat, ist keine sehr originelle Erkenntnis. Für geringer Qualifizierte sieht es immer weniger rosig aus. »Sicher« ist kaum noch ein Arbeitsplatz – nicht einmal mit dem guten, alten Job bei der Bank, den uns unsere Großeltern damals ans Herz gelegt haben, ist es heute noch weit her. Einige Trendforscher sehen den sozialversicherungspflichtigen, unbefristeten Vollzeitjob generell als Auslaufmodell. An seine Stelle treten Zeit- und Projektverträge, Teilzeit- und Leiharbeit, und immer mehr Tätigkeiten lässt man von Freiberuflern erledigen. Von der Zunahme der »prekären Arbeitsformen« ist seit einigen Jahren die Rede.

Job-Mikado ist auch keine Lösung

Kein Wunder, wenn viele Menschen Angst haben und Job-Mikado spielen: Nur nicht bewegen, alles lassen, wie es ist, sonst hat man verloren. Auch wenn man noch so unglücklich ist – lieber am aktuellen Arbeitgeber, an der Tätigkeit und der Branche festhalten. Koste es, was es wolle.
Auch wer nicht unbedingt Angst vor der Arbeitslosigkeit zu haben braucht, ist innerlich oft unfrei. Ich treffe viele Menschen, die nur im Sinn haben, dass ihr Lebenslauf lückenlos bleibt, Gehalt und Boni stetig steigen und der Titel auf ihrer Visitenkarte immer beeindruckender klingt. Wer sich bewegt, hat verloren.
Es gibt viele »gute Gründe«, alles so zu lassen, wie es ist, oder Veränderungen grundsätzlich so klein wie möglich zu gestalten. Nur zahlen wir dafür einen hohen Preis: Erst einmal leidet natürlich unsere Lebenszufriedenheit, klar. Und: Eine Strategie, die vordergründig auf maximale Sicherheit baut, kann im Endeffekt das genaue Gegenteil bewirken. Jemand, der nur tut, was alle tun, keine Risiken eingeht, nicht seinen Interessen folgt, sondern dem, was im Moment von ihm verlangt wird, entwickelt eines ganz sicher nicht: die Fähigkeit, sich in einer komplexen, sich schnell verändernden Welt zu orientieren und zu bewegen. Und die brauchen wir oft schneller, als uns lieb ist. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass Loyalität und Konstanz heute noch belohnt werden. Die nächste Umstrukturierung und die nächste Krise kommen ganz bestimmt – und dann stehen nicht unbedingt die zuletzt auf der Straße, die sich immer brav an Sicherheit und Mainstream orientiert haben.
Ob es uns gefällt oder nicht: Schwimmen lernen ist heute die bessere Strategie, als sich mit ganzer Kraft am vermeintlich sicheren Beckenrand festzuhalten!

Angst ist ein mieser Motivator

Was hat das mit Ihnen zu tun? Sie wollen ja Veränderungen – sonst hätten Sie dieses Buch gar nicht in der Hand. Nur ist nicht jeder Veränderungswillige bereit, ins kalte Wasser zu steigen. In meine Coachingpraxis kommen viele Menschen, die zwar beruflich eine neue Richtung einschlagen wollen, aber gleichzeitig große Zweifel haben, ob das »richtig« ist. Ihnen erscheint es vernünftig, möglichst kleine Schritte zu tun und sich hauptsächlich daran zu orientieren, was sie am besten können und bisher gemacht haben – nicht an dem, was sie tun wollen.
In meinen Augen ist so ein Denken alles andere als vernünftig! Ja, ich finde es ausgesprochen irrational, weil dahinter vor allem Ängste stecken – und Ängste sind selten »vernünftig«, wenn es um komplexe Zusammenhänge geht. Ich nenne so eine Haltung eine »reaktive Karrierestrategie«. Und ich möchte Ihnen dazu im nächsten Kapitel etwas erzählen – natürlich mit dem Ziel, Ihnen anschließend die »aktive Karrierestrategie« schmackhaft zu machen.

Reaktive Karrierestrategien

Auf einen Artikel über das Festhalten an toten Job-Pferden, den ich vor einer Weile für eine überregionale deutsche Zeitung geschrieben hatte, gab es auf deren Internetseite in kurzer Zeit weit über 200 Kommentare. Die große Mehrzahl hatte den empörten Grundtenor: »Man hat doch sowieso keine Chance. Es gibt keine guten Arbeitsplätze mehr. Die Arbeitsagentur und der Staat sollen gefälligst dafür sorgen, dass ich einen interessanten Job bekomme. Es ist alles Schuld der Arbeitgeber.« Und so weiter. Meine Aufforderung in dem Artikel, selbst für ein lebendigeres Job-Pferd zu sorgen, wurde mit heftigster Ablehnung bedacht.
Etwas überspitzt formuliert klang das in meinen Ohren so: » Ich bin eben ein Opfer der Bedingungen und kann sowieso nichts tun. Andere sollen dafür sorgen, dass es mir gut geht. Früher war es einfacher und besser – und so soll es gefälligst wieder werden.«
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Mir ist sehr wohl bewusst, wie schwierig es oft ist, einen passenden, guten Job zu finden. Glück spielt dabei sicherlich keine kleine Rolle. Und gerecht geht es auf dem Arbeitsmarkt ganz bestimmt nicht zu.
Für mich ist dabei aber die zentrale Frage: Was kann ich tun, damit es mir gut geht? Auch wenn die Bedingungen schwierig sind – welche Handlungsmöglichkeiten habe ich? Und wie kann ich sie am besten nutzen?
Dahinter steckt eine Frage des Glaubens: Was glaube ich über mich und die Welt? Sehe ich mich als Opfer der Bedingungen und anderer Menschen? Oder verstehe ich mich als freies Individuum, das das Recht und die Möglichkeit hat, das Beste aus der Situation zu machen? Konzentriere ich mich zuerst auf meine Abhängigkeiten, oder suche ich erst einmal nach Möglichkeiten, Einfluss auszuüben?
Diese Fragen sind zentral, wenn es darum geht, sich beruflich neu zu orientieren. Aus der Wahrnehmungspsychologie wissen wir, dass was wir sehen ganz entscheidend davon anhängt, wie wir hinschauen. Oder anders formuliert: Ich muss erst einmal verstehen, durch was für eine Brille ich sehe, bevor ich Rückschlüsse auf die Welt dahinter ziehen kann. Und wir haben immer eine Brille auf der Nase!

Die Brillen von Komparsen und Regisseuren

Stark vereinfacht unterscheide ich zwischen zwei gegensätzlichen Haltungen: die des »Komparsen« und die des »Regisseurs«. Im Kern steht jeweils ein anderes Verständnis der eigenen Möglichkeiten und der Angebote der Welt.
Während der Komparse fest daran glaubt, dass grundsätzlich die Bedingungen und andere Menschen über sein Leben bestimmen, geht der Regisseur davon aus, dass er der Gestalter seines Lebens ist. Psychologisch steht dahinter die sogenannte »Selbstwirksamkeitserwartung«. Je mehr wir davon in uns haben, desto mehr übernehmen wir die Regie in unserem Leben.
Natürlich sind die allermeisten von uns nicht nur das eine oder andere. Wir haben aber eine mehr oder weniger starke Tendenz zur einen oder anderen Seite, die wiederum relativ unterschiedlich ausfallen kann – je nachdem, um welchen Lebensbereich es sich handelt. So haben Menschen beispielsweise bei freundschaftlichen Beziehungen das Ruder fest in der Hand – wenn es aber um Liebe und Partnerschaft geht, fühlen sie sich eher passiv und ausgeliefert.
Angewendet auf die Arbeitswelt, führen diese beiden Haltungen zu ganz unterschiedlichen Strategien: Je nachdem, ob ich eher zum Regisseur oder Komparsen neige, habe ich ein anderes Verständnis von der Arbeitswelt und welche Rolle ich darin spielen muss oder darf.
Als »Kind der reaktiven Strategie« bin ich davon überzeugt, dass andere mir »Arbeit geben« (oder eben nicht) und damit die Rahmenbedingungen und Spielregeln festlegen. Meine Rolle erfordert folglich, zu tun und zu liefern, was man von mir verlangt. Veränderungen betrachte ich dann tendenziell als gefährlich, weil ich etwas verlieren, man mir etwas wegnehmen könnte.
Blicke ich aber durch die Brille der aktiven Strategie, sieht die Arbeitswelt ganz anders aus: Ich bin Mitspieler und entscheide, was ich zu welchem Preis einbringen möchte. Meine Regeln bestimme erst einmal ich. Da ich ein lebendiges Wesen bin mit sich wandelnden Interessen, gehört für mich Veränderung zu meinem (Berufs-)Leben.

Reaktive Karrierestrategie

Was kann ich? Das steht bei der Jobsuche im Mittelpunkt.
Ich kann nur wenig, möglicherweise nur, was ich im jetzigen Job anwende.
Wichtig ist, was andere von mir halten.
Was ist auf dem Arbeitsmarkt gerade gefragt? Dort versuche ich, einen Platz zu finden.
Ich realisiere nur definierte Karrierewege und Jobprofile.
Ich verstehe mich als Arbeit-Nehmer.
Arbeit ist ein knappes Gut.
Solange es halbwegs okay ist, bleibe ich, wo ich bin.
Ich gehe davon aus, dass ich meinen nächsten Job so lange mache wie irgend möglich.
Ich tue alles, um einen unbefristeten Vollzeitjob zu bekommen.
Ich muss es grundsätzlich meinen (potenziellen) Arbeitgebern Recht machen.
Wahre Qualität wird irgendwann von allein erkannt.
Ich suche nur in Stellenanzeigen und Jobbörsen und bewerbe mich darauf. Ich glaube, dass sich hier der Arbeitsmarkt abspielt – oder ich habe Angst, andere Wege zu gehen.
Ein lückenloser Lebenslauf ist extrem wichtig.
Ich streue möglichst viele, möglichst perfekte Bewerbungen, die dem Standard entsprechen.
Experten sollen mir sagen, was ich kann und welcher Job zu mir passt.

Aktive Karrierestrategie

Was will ich tun, und wo will ich hin? Danach suche ich.
Ich habe viele Fähigkeiten und Talente – nur ein Teil davon hat mit meinem Job zu tun.
Wichtig ist, ob ich mit mir im Reinen bin.
Was möchte ich tun? Dafür suche ich den passenden Arbeitsplatz.
Im Mittelpunkt stehen für mich Tätigkeiten und Themen.
Ich bin mein eigener Karrieremanager.
Ich kann immer arbeiten.
Ich überprüfe immer wieder, ob mein Job noch stimmig ist.
Was ich als Nächstes tun werde, wird nur eine Phase in meiner Laufbahn sein.
Für mich kommen viele Jobmodelle in Frage, wenn ich dort tun kann, was ich möchte.
Mein (potenzieller) Arbeitgeber ist mein Geschäftspartner auf gleicher Augenhöhe.
Ich sorge dafür, dass meine Qualitäten gesehen werden.
Wenn ich weiß, was ich tun will, suche ich möglichst breit. Ich suche den persönlichen Kontakt zu Unternehmen, Menschen und Märkten. Im Mittelpunkt stehen für mich Beziehungen und Netzwerke.
Wichtig ist, dass »meine Story« und meine Motivation verstanden werden.
Meine Bewerbung ist mein Portfolio, das von mir, meinen Zielen und Stärken berichtet.
Ich kann nur selbst entscheiden, was ich beruflich tun möchte.

Bevor Sie weiterlesen

Bitte halten Sie doch kurz inne, und fragen Sie sich, zu welcher der beiden Seiten Sie bisher eher neigen. Auf welche Weise haben Sie Ihr Berufsleben bis heute gesehen und gesteuert? Liegt für Sie die Wahrheit eher in der Mitte, oder haben Sie eine Tendenz zur einen oder anderen Seite? Wenn Sie bisher eindeutig zur reaktiven Strategie neigen, möchte ich Ihnen ans Herz legen, in der nächsten Zeit darauf zu achten, wann Sie verstärkt durch die Brille des Komparsen sehen.

Früher war alles anders

Mit einer reaktiven Karrierestrategie ist heute kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Aber vor nicht allzu langer Zeit war das noch ganz anders: Viele hundert Jahre war die Arbeitswelt sehr übersichtlich und verlässlich. Wenn damals Ihr Vater Bauer, Bäcker oder Schuster war, wurden Sie natürlich auch Bauer, Bäcker oder Schuster. Jemand aus einer Arbeiterfamilie wurde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Arbeiter. Alles war geregelt. Karriere? Aufstieg? Damit befassten sich nicht sehr viele Menschen. Und die Möglichkeit einer beruflichen Umorientierung, weil einen der Job nicht mehr erfüllte? Wäre wohl eine echte Lachnummer gewesen.
Schauen wir nur wenige Jahrzehnte zurück, sehen wir eine Arbeitswelt, die äußerlich einige Ähnlichkeit mit der Gegenwart hat. Sie drehte sich vor allem um den Aufstieg. Eltern wollten, dass ihre Kinder weiter kamen als sie selbst – sie sollten es einmal besser haben. Und besser hieß vor allem: ein Maximum an Sicherheit und ein stetig wachsendes Einkommen bis zur wohlverdienten Rente.
Dafür wurde eine Menge in die Ausbildung investiert. War der Vater noch Handwerker, sollte der Sohn möglichst einen Schreibtischjob bekommen in einem schönen, großen Unternehmen, das ihn dann eines fernen Tages mit einer Betriebsfeier und Lobreden in den Ruhestand entlassen würde. Dann hatte man etwas erreicht. Aufstieg fand in der Regel innerhalb des Unternehmens statt und hieß »Beförderung«. Bevor sich alles um Zielvereinbarungen und Tantiemen drehte, wurde man befördert, wenn man lange genug anständig seine Arbeit gemacht hatte. Drängeln gehörte sich dabei natürlich nicht. Wer ordentlich und fleißig war, wurde schon irgendwann vom gütigen Blick seines Chefs erfasst und ein wenig empor gehoben. Natürlich gab es zu jeder Zeit auch Menschen, die sich dem Mainstream widersetzten und taten, wonach ihnen der Sinn stand. Nur waren sie ganz bestimmt Ausnahmeerscheinungen. So etwas machte man früher nicht!
Diese Zeiten haben sich ein wenig geändert. Nur haben es viele noch gar nicht gemerkt. Oder wollen es nicht merken.
Wenn die Anstellung bei einer »guten Firma« einmal ein sicherer Hafen war, lag das auch daran, dass alle Beteiligten davon profitierten. Unternehmen und Märkte wandelten sich eher gemächlich – dazu passten eine Kultur, die auf Konstanz und Planbarkeit setzte, und der lebenslang beschäftigte Vollzeitarbeiter. Die Bindung für das ganze (Berufs-)Leben war im Interesse aller.
Der Bedarf an unserer Arbeitskraft sieht heute völlig anders aus: In vielen Bereichen braucht man schnell und flexibel einsetzbare Kräfte, die man auch möglichst flott wieder loswerden kann. Die logische Konsequenz sind befristete und projektgebundene Verträge, Leiharbeit, Outsourcing und Offshoring, Teilzeitjobs und ein wachsendes Heer von freiberuflich Arbeitenden.
Ob es uns gefällt oder nicht: In dieser Arbeitswelt taugt eine reaktive Karrierestrategie wie eine Postkutsche zu einem Formel-1-Rennen.

Noch ein Wort zu toten Pferden

Eine extreme Form der reaktiven Strategie ist das Reiten von toten Pferden – darüber habe ich ja schon viel geschrieben: Wenn meine Selbstwirksamkeitserwartung gering ist, ich also glaube, wenig für mein berufliches Glück tun zu können, wenn ich Angst vor Veränderungen und ein negatives Bild meiner Fähigkeiten und Optionen habe, halte ich reflexhaft an dem fest, was ich habe. Auch wenn ich in meiner Arbeit kaum Freude und Befriedigung finde, unternehme ich doch nichts, um etwas an meiner Situation zu ändern.
Wenn Menschen tote Job-Pferde reiten, liegt das fast nie an mangelnden Kompetenzen und Möglichkeiten, sondern an einschränkenden Glaubenssätzen wie: »Ich finde doch niemals einen Job. Ich bin viel zu alt. Ich kann doch eigentlich nichts richtig.« Obwohl sie, wenn man sie sich einmal genauer anschaut, ziemlich unsinnig sind, halten viele Menschen solche Sätze für unumstößliche Wahrheiten. Kein Wunder, wenn man dann lieber bleibt, wo man ist, und Job-Mikado spielt.
Außerdem löst die Vorstellung von Veränderungen und damit einhergehenden Risiken in den meisten von uns Angst aus. Das ist ganz normal. Und ein Weg, der Angst aus dem Weg zu gehen, ist deshalb die Nicht-Veränderung. »Schuster bleib bei deinen Leisten« ist dann das unumstößliche Gesetz der Karriereplanung. Da wir uns und anderen aber ungern eingestehen, dass wir kalte Füße haben, schieben wir andere, vermeintlich »vernünftige« Argumente vor. Reiter von toten Job-Pferden sind unglaublich kreativ darin, gute Gründe für ihr Nicht-Handeln zu finden!
Nur sind tote Pferde einfach keine guten Transportmittel.

Von Ratgebern und Potenzialanalysen

Als ich mein Abi in der Tasche hatte, kam ich in den Genuss einer Beratung in einem Berufsinformationszentrum des (damals noch) Arbeitsamts. Nach einem kurzen Gespräch war mein Berater der Meinung, ich solle doch Medizin studieren. Schließlich hatte ich ihm erzählt, ich wolle »etwas mit Menschen machen«. Meine Familie fand die Idee auch super – Arzt zu sein galt damals noch als Traumberuf. Und da mir keine Alternative einfiel (weil ich nicht wirklich danach suchte), studierte ich eben fünf Semester Medizin. Dabei war mir vom ersten Tag an klar, dass dies überhaupt nicht mein Ding war. Aber ich hatte ja – wenn auch kleinlaut – »A« gesagt ...
Dass Eltern und Lehrer in diesen Dingen nicht mehr den allerbesten Überblick haben, ist wohl inzwischen bekannt. Also müssen Berufs- und Karriereberater, Arbeits- und Trendforscher und Coaches her. Aus den Zeiten der überschaubaren, statischen Arbeitswelt stammt nämlich die Vorstellung, dass ein Experte am besten weiß, für welchen Job wir uns entscheiden sollten. Er kann unsere Fähigkeiten einschätzen und weiß, welche Tätigkeit dazu passt. Außerdem kennt er den Arbeitsmarkt, sämtliche Branchen und alle Jobprofile. Und natürlich kann er uns sagen, welche Jobs »krisensicher« sind.
Ich werde häufig von Menschen gefragt, was ich denn von ihren Fähigkeiten halte und was sie damit am besten anstellen sollten. »Ganz objektiv.« Dahinter steht oft der Verdacht, sie selbst würden sich viel zu positiv einschätzen. Wahrscheinlich würden mir die meisten glauben, wenn ich ihnen sagte: »Sie wollen den Job XY machen? Das können Sie vergessen! Mit Ihren Kompetenzen/Ihrem Alter/Ihrer Vita haben Sie auf dem Arbeitsmarkt keine Chancen.« Ja, das wäre dann bitter – aber immerhin gäbe es ihnen Orientierung.
Mein Tipp: Wenn Ihnen ein Mensch begegnet, der vorgibt, Sie »objektiv beurteilen« zu können – laufen Sie!
Denn unsere Welt ist einfach viel zu komplex, als dass ein Fachmensch auch nur ansatzweise den Überblick über alle Branchen und Tätigkeiten haben könnte. Und selbst wenn sich jemand in einem Bereich gut auskennt, ist jede Einschätzung immer auch eine Frage der Interpretation und der individuellen Haltung.
Auch Testverfahren halte ich für nur sehr bedingt aussagefähig. Klar, die Idee ist verlockend: Wir machen ein paar Tests, lassen uns vom Psychologen durchleuchten und bekommen dann den passenden Job ausgespuckt. Glauben Sie mir: Das funktioniert genauso wenig, wie Psychotests in Zeitschriften Ihre Persönlichkeit erfassen können!
Natürlich ist es sinnvoll, sich Feedback von anderen zu holen, um eine gute Selbsteinschätzung zu erreichen. Aber der beste Experte für Ihre Kompetenzen sind Sie selbst!
Außerdem halte ich die Logik »Wenn ich nur weiß, was ich besonders gut kann, führt das automatisch zu dem Job, der richtig für mich ist« für nicht gerade zielführend. Denn viele Menschen haben hohe Kompetenzen durch die Arbeit, der sie seit langer Zeit nachgehen – und die ihnen zum Hals heraushängt! Sich auf die Kompetenzen als entscheidendes Kriterium zu beziehen, ist recht sinnlos, weil wir dann immer wieder dort landen, wo wir gar nicht sein wollen.
Also: Nur durch die Brille der reaktiven Karrierestrategie gesehen ist es attraktiv, dass andere uns sagen können, was wir tun sollen.

Karriere-Zombies

Keiner hat den Überblick, und keiner weiß wirklich, wohin die Reise geht. Da ist es erstaunlich, dass viele Menschen eine so genaue Vorstellung davon haben, wie »man Karriere macht«.
Ich wundere mich immer wieder, in was für ein enges Korsett sich – auch viele jüngere – Menschen selbst pressen. Als sei es so selbstverständlich wie Zähneputzen: Man will natürlich »Karriere machen«, was gleichgesetzt wird mit einem hohen Anfangsgehalt in einem internationalen Konzern, mit Teamverantwortung und einem schnellen Aufstieg. Also muss die Abi-Note sehr gut sein, sonst war’s das mit dem beruflichen Erfolg. Dann müssen ein Turbostudium und Praktika während der Semesterferien folgen, dazu Kontakte, Kontakte, Kontakte, Ausland, klar, und dann rauf auf die Karriereleiter. Alles steht und fällt mit den Noten und einem »lückenlosen CV«.
Mal ein bisschen das Leben genießen? Ein paar Monate reisen? Sich die Zeit nehmen, die man braucht, um sich über die eigenen großen und kleinen Ziele klar zu werden? Ausprobieren und sich ein wenig umschauen? (Das galt in meiner Jugend noch als völlig legitime Option.) Wenn ich solche Möglichkeiten erwähne, schauen mich diese jungen Menschen oft an, als hätte ich ihnen ein unsittliches Angebot gemacht. Denn das hieße ja: eine »Lücke im Lebenslauf«! Und das erscheint vielen als das vorzeitige Ende aller beruflichen Träume.
Nicht wenige Menschen schaffen es, mit dieser Haltung auf der Karriereleiter schnell und weit voranzukommen. Andere stellen – gerade in Krisenzeiten – fest, dass diese stromlinienförmige Denke sie nicht so interessant macht, wie sie gedacht hatten. Denn wer sich ausschließlich darauf konzentriert hat, das Pflichtprogramm perfekt zu absolvieren, überzeugt nicht unbedingt in der B-Note. Die Karriereberaterin Svenja Hofert nennt diese Gattung »Karriere-Zombies«. Ich finde den Begriff hart, aber nicht unpassend, da bei solchen Turbokarrieren oft Entscheidendes auf der Strecke bleibt: Persönlichkeit, Individualität, Authentizität – und vor allem eine eigene Vorstellung vom Leben im Beruf.
Eine reaktive Karrierestrategie führt eben meist zu einer »Karriere von der Stange«. Wenn die Karriere nicht Ausdruck eines persönlichen Ziels oder von Interessen und Werten ist, wird sie schnell zum Selbstzweck. Auch wenn sie uns Ansehen, Geld und Sicherheit verschafft, ist die Sinnkrise vorprogrammiert.

So nehmen Sie das Karrieresteuer selbst in die Hand

Ich habe Ihnen bisher hauptsächlich erklärt, wie es nicht mehr läuft in der Welt der Arbeit. Das wird nicht jeden von Ihnen in Euphorie versetzt haben. Kein Wunder: Wir fahren durch ein Terrain, das uns streckenweise ziemlich fremd erscheint, und die alten Straßenkarten taugen leider nichts mehr. Und es hat keinen Sinn, darauf zu hoffen, dass wir eines Tages von allein irgendwo herauskommen, wo wir uns wieder auskennen – und wo es dann ist, wie es früher einmal war.
Nein, wir brauchen neue Orientierungspunkte, die heute und möglichst morgen noch gültig sind. Wenn die Welt unüberschaubar komplex ist, sich die Regeln ständig ändern und uns keiner an die Hand nehmen kann, gibt es nur eine vernünftige Strategie:
Wir müssen – im positiven Sinn – egozentrischer werden!
Der Arbeitsmarkt ist nun mal eine Diva; heute will er uns so und morgen ganz anders oder gar nicht mehr. Heute findet er uns sexy, und morgen würdigt er uns keines Blickes mehr. Ihm hinterherzulaufen, geht nur auf Kosten unseres Selbstbewusstseins. Und eine Bitte-bitte-nimm-doch-mich-Haltung macht uns auch nicht gerade attraktiv . Hören wir also auf, es dieser Diva stets recht machen zu wollen. Es funktioniert ja sowieso nicht.
Mit »egozentrisch« meine ich Folgendes: Worauf wir uns verlassen können, sind unsere Interessen, Ziele und Stärken, unser Engagement und unsere Begeisterung. Es ist an uns, ein Angebot zu formulieren, hinter dem wir voll und ganz stehen. Und es ist ebenfalls unsere Sache, es dem (Arbeits-) Markt zu erklären und schmackhaft zu machen. Das erfordert eine Menge Mut und Aktivität – ohne dass uns jemand garantiert, auch in jedem Fall Abnehmer für unser Angebot zu finden. Ja, wir leben riskanter als die Arbeitnehmer zu Zeiten der lebenslangen Festanstellung.
Aber ich bin fest davon überzeugt, dass es keine bessere Alternative gibt! Und schließlich profitieren wir dabei: Indem wir uns auf uns selbst besinnen, machen wir uns unabhängiger und nehmen uns die Freiheit, unser Berufsleben so zu gestalten, wie wir es haben wollen und brauchen. Ich meine damit nicht, dass wir alle in ein paar Jahren als Freelancer und Ein-Mann-/ Frau-Betrieb arbeiten werden; auch nicht, dass jedes Individuum es auf die gleiche Weise umsetzen sollte. Ich glaube aber, dass uns generell eine Haltung erfolgreich macht, die auf Selbstbestimmung, Kreativität und Freiheit baut.