Ihr Pferd ist tot? Steigen Sie ab! - Tom Diesbrock - E-Book

Ihr Pferd ist tot? Steigen Sie ab! E-Book

Tom Diesbrock

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Beschreibung

Wenn ein Pferd tot ist, sollte man absteigen – das gilt auch im Berufsleben. Viele Menschen sind unzufrieden mit ihrer Arbeit, ändern jedoch nichts an ihrer Situation. Tom Diesbrock zeigt humorvoll und pointiert die typischen Vermeidungsstrategien gegen Veränderungen auf und liefert Strategien, wie man innere Blockaden überwindet und den beruflichen Neustart schafft. Jetzt komplett überarbeitet und mit noch mehr Tipps zur kreativen Ideenfindung für die berufliche Neuorientierung.

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Tom Diesbrock

IHR PFERD IST TOT? STEIGEN SIE AB!

Wie Sie sich die innere Freiheit nehmen, beruflich umzusatteln

Campus VerlagFrankfurt/New York

Über das Buch

Wenn ein Pferd tot ist, sollte man absteigen – das gilt auch im Berufsleben. Viele Menschen sind unzufrieden mit ihrer Arbeit, ändern jedoch nichts an ihrer Situation. Tom Diesbrock zeigt humorvoll und pointiert die typischen Vermeidungsstrategien gegen Veränderungen auf und liefert Strategien, wie man innere Blockaden überwindet und den beruflichen Neustart schafft. Jetzt komplett überarbeitet und mit noch mehr Tipps zur kreativen Ideenfindung für die berufliche Neuorientierung.

Über den Autor

Tom Diesbrock blickt heute selbst auf eine kurvenreiche »Patchwork-Karriere« zurück: Angefangen mit einem Medizinstudium über die Arbeit in einem Musikprojekt und als Fotoredakteur, studierte er Psychologie und gründete eine Praxis für Psychotherapie. Heute arbeitet er in Hamburg als Karrierecoach und psychologischer Berater.

Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die Begleitung von Menschen bei ihrer beruflichen Neuorientierung – von der Ideenfindung bis zum Weg in den neuen Job oder zur Gründung des eigenen Unternehmens. www.tomdiesbrock.de

Für Heidi

Mein Pferd ist tot?

Na ja, eigentlich hat es schon lange kein Lebenszeichen mehr von sich gegeben.

Es sitzt sich auch nicht wirklich bequem darauf.

Es ist langweilig.

Aber es ist nun einmal mein Pferd.

Ja, ich könnte absteigen – aber was, wenn ich dann kein anderes Pferd finde?

Das Risiko ist mir zu groß.

Ob ich hier noch Monate oder Jahre sitzen bleiben möchte?

Um Himmels willen, nein!

Nur, warum sollte ich ausgerechnet jetzt absteigen?

Vielleicht steht mein Pferd doch noch auf.

Könnte ja sein.

Und so unbequem ist es auch wieder nicht.

Eine Weile bleib ich lieber noch sitzen.

Blödes Pferd.

Inhalt

Das erste tote Pferd meiner Karriere

Teil 1 GUTE GRÜNDE, EIN TOTES PFERD ZU REITEN?

Was hat ein totes Pferd mit mir zu tun?

Zehn »gute« Gründe, auf einem toten Pferd sitzen zu bleiben

Teil 2 WARUM WIR TOTE PFERDE REITEN

Innere und äußere Begrenzungen

Der neue Job und Ihre innere Freiheit

Wechsel-Jahre: Zeiten des beruflichen Umbruchs

Unser Gehirn wählt konservativ

Angst und Stress – Phänomene des Umbruchs

Das Leben ist eben kein Ponyhof. Wer's glaubt, wird selig?

Die Psychologie der mentalen Blockade

Acht Schritte und ihre Stolpersteine auf dem Weg zum neuen Job

Teil 3 ABSTEIGEN! UMSTEIGEN! AUFSTEIGEN!

Sie halten die Zügel in der Hand

Projekt Neues Pferd

Endlich raus aus der mentalen Blockade!

Wer finden will, muss suchen – Erfolgsfaktor Kreativität

Was Sie wollen – Ihre Interessen

Was Sie können – Ihre Fähigkeiten

Wohin Sie wollen – Ihre berufliche Vision

Wie geht es weiter?

Jetzt mal Butter bei die Fische!

Das erste tote Pferd meiner Karriere

… war ein Medizinstudium. Ich hielt mich fünf Semester tapfer im Sattel, absolvierte sogar das Physikum – bis ich nicht mehr ignorieren konnte, dass die Medizin einfach nie mein Ding war. Die ganze Zeit hatte ich lieber meine Unzufriedenheit ertragen, als mich zu fragen, was ich denn wirklich tun wollte.

Dann folgten noch einige Versuche auf anderen toten Job-Pferden. Aber irgendwie brachten auch die mich nicht voran. Warum ich mir damals kein lebendigeres Reittier gesucht habe? Weil mir nichts Besseres einfiel. Weil ich glaubte, gar keine Alternativen zu haben. Weil ich meinte, dass mein totes Pferd das vertrauteste und damit sicherste Transportmittel sei.

Als (heute sehr zufriedener!) Coach arbeite ich mit Menschen, denen es so geht wir mir damals: Sie wollen endlich frischen Wind in ihr Berufsleben bringen – aber trotzdem klammern sie sich an einen Job, der sie langweilt und nervt. Klar, wir finden dafür immer »gute Gründe«. Aber die sind bestimmt nicht so »vernünftig«, wie wir es gern glauben würden.

Lesen Sie dieses Buch gerade, weil Ihr Job so ein totes Pferd ist? Wünschen Sie sich von Herzen einen beruflichen Neustart? Und halten Sie diesen Wunsch gleichzeitig für »unrealistisch«? Herzlich willkommen! Vielleicht werden Sie nach dieser Lektüre nicht gleich auf ein Rennpferd umsatteln – aber Sie werden Ihre Möglichkeiten bestimmt in einem anderen, positiveren Licht betrachten.

Tom Diesbrock

Teil 1

GUTEGRÜNDE,EIN TOTESPFERD ZUREITEN?

Was hat ein totes Pferd mit mir zu tun?

Da liegt ein offensichtlich totes Pferd. Es sieht nicht so aus, als sei es gerade eben erst zusammengebrochen; es scheint schon eine Weile nicht mehr am Leben zu sein. Auf dem Pferd sitzt ein Mensch. Er hält sich anscheinend mit großer Anstrengung im Sattel, was natürlich kein leichtes Unterfangen ist, wenn das Reittier reglos auf dem Boden liegt. Der Reiter scheint an der Situation nichts Ungewöhnliches zu finden – obwohl er es ganz offensichtlich nicht bequem hat, schaut er unbeteiligt um sich. Als sei alles ganz normal und in bester Ordnung. Vielleicht gibt er dem Tier ab und zu lustlos die Sporen und zieht gelegentlich ein bisschen am Zügel, als würde er meinen, es damit in Bewegung bringen zu können. Es fällt schwer, ihm abzunehmen, dass er wirklich noch nicht gemerkt hat, dass sein Pferd ganz sicher nicht mehr aufstehen wird.

Eine Szene aus einem Monty-Python-Film? Total absurd. Warum sollte jemand so etwas tun! Jeder vernünftige Mensch würde doch absteigen, sich ein neues, lebendiges Pferd suchen oder zumindest lieber zu Fuß gehen. Oder?

Schön wäre es, wenn wir so einfach funktionierten. Aber leider neigen wir dazu, nicht gerade logisch zu denken und zu handeln – weil ein »psycho-logischer« Sinn dahintersteckt. Unserem Reiter ist möglicherweise gar nicht bewusst, dass sein Pferd tot ist. Oder er mag es zwar ahnen, aber irgendetwas in ihm weigert sich, dies auch zu akzeptieren. Und selbst wenn er die traurige Tatsache nicht mehr ignorieren kann: Er wird trotzdem stur sitzen bleiben, solange ihm die Nachteile seines toten Pferdes kleiner erscheinen als mögliche Nachteile, die er befürchtet, wenn er tatsächlich absteigt.

Logisch ist nicht immer psycho-logisch.

Immerhin bietet ihm der Status quo ein hohes Maß an Sicherheit, denn er kennt seine Situation gut, kann sie einschätzen und kontrollieren. Dagegen könnte die Suche nach einem neuen Pferd anstrengend sein, er könnte mit einem neuen Tier Schwierigkeiten haben oder gar keines finden. Vielleicht weiß er nicht, wo und wie er suchen könnte. Und was wäre, wenn andere Menschen merkten, dass es mit seinen Reitkünsten nicht weit her ist? Peinlich!

Um etwas »nicht mehr Lebendiges« in unserem Leben hinter uns zu lassen, brauchen wir Mut, eine Vorstellung unserer Wünsche und Ziele und ein gewisses Maß an Vertrauen in uns und die Welt. Ist es da nicht verständlich, dass wir so lange wie möglich am Vertrauten festhalten – auch wenn wir ahnen, dass seine Zeit längst abgelaufen ist?

Auch wenn wir es nur ungern einsehen wollen: Tote Pferde sind niemals optimale Transportmittel!

Deshalb tun wir es alle und immer wieder. Viele Menschen haben es zur wahren Meisterschaft darin gebracht und bleiben unbeirrt Monate und Jahre auf ihrem toten Pferd sitzen. Manche behaupten stur und steif, dass es noch Lebenszeichen von sich gibt und ganz sicher bald wieder aufstehen wird. Und andere sind fest davon überzeugt, dass ein totes Pferd immer noch das für sie bestmögliche Transportmittel ist.

Sie meinen, ich übertreibe ein bisschen? Kommen Ihnen folgende Beispiele von ganz alltäglichen toten Pferden vielleicht bekannt vor?

Wir treffen regelmäßig Menschen, mit denen wir uns schon lange nichts mehr zu sagen haben – weil wir sie seit Ewigkeiten als Freunde betrachten und uns nicht trauen, daran zu rütteln.

Wir verbringen seit vielen Jahren unseren Urlaub an ein und demselben Ort und haben schon lange aufgehört, es dort interessant zu finden.

Wir kaufen uns seit Ewigkeiten dieselben Zigaretten- und Biermarken, Marmeladensorten, Zeitungen, Möbel, Krawatten, Blumen oder Brillen in denselben Läden. Aber ist es immer noch unsere liebste Wahl? Oder eher Gewöhnung, und in Wirklichkeit sind wir nur viel zu träge, um einmal etwas anderes auszuprobieren?

Wir erwarten Anerkennung und Zuneigung von Menschen, von denen wir wissen, dass wir genau dies

nicht

von ihnen bekommen. Wir sind dann trotzdem immer wieder zutiefst enttäuscht.

Wir haben ein Lieblingsrestaurant – hauptsächlich weil wir zu bequem sind, häufiger mal ein neues auszuprobieren. Wir bestellen dort meist dasselbe Gericht.

Wir halten an einer Partnerschaft fest, die inzwischen vor allem von Langeweile geprägt ist.

Wir gehen seit Jahren zu einem Zahnarzt, obwohl wir das Gefühl haben, dass er seine Sache nicht wirklich optimal macht.

Was uns motiviert, festzuhalten

Wir halten uns an Dingen, Menschen, Glaubenssätzen und Verhaltensweisen fest, die schon lange nicht mehr zu uns passen und uns weder Freude noch neue, lebendigen Erfahrungen vermitteln. Warum lassen wir es so weit kommen? Wir fahren doch unser Auto auch nicht so lange, bis der Tank leer ist, und bleiben dann frustriert und nörgelnd in der Karre sitzen. Sondern wir haben die Tankanzeige im Auge und halten rechtzeitig an einer Tankstelle. Was motiviert uns, an toten Pferden festzuhalten?

Irgendwann starten wir auf einem sehr lebendigen Pferd: Wir lernen einen Menschen kennen und lieben, kaufen uns einen schicken Pullover oder reisen zum ersten Mal an einen wunderschönen Urlaubsort. Wir treten einen aufregenden, neuen Job an. Wir fühlen uns lebendig und glücklich. Aber jedes Glück lässt irgendwann nach. Langsam tritt Gewöhnung ein, oder die Umstände (wie die Mode) ändern sich. Der Job war eben noch eine Herausforderung, und jetzt erledigen wir ihn mit links. Was eben noch perfekt war, ist jetzt höchstens noch ganz okay. Langeweile droht. Es wird dringend Zeit, kleine Anpassungen vorzunehmen: mit dem geliebten Menschen Gespräche zu führen und die Beziehung aktiv zu gestalten. Andere Seiten meines Urlaubsortes kennen zu lernen. Und den Pullover eher für die Gartenarbeit zu tragen. Dies alles wäre jetzt konstruktiv.

Aber wir spüren einen inneren Widerstand. Vielleicht haben wir Angst, die Beziehung zu riskieren, wenn wir uns eingestehen, dass die Flitterwochen vorbei sind. Oder wir sind schlichtweg zu träge, um Alternativen für den Urlaub oder den Pullover zu suchen. Vielleicht trauen wir uns neue Aufgaben nicht zu. Es gibt verdammt viele Gründe und Strategien, Widerstand gegen Veränderungen zu leisten! Anfangs wollen wir nicht wahrhaben, dass etwas nicht mehr stimmt, und wir versuchen, unser Unbehagen zu ignorieren. Wir erklären uns und anderen mithilfe von scheinbar ganz vernünftigen Argumenten, dass es besser ist, beim Alten zu bleiben und neue Wege gar nicht erst zu suchen, geschweige denn zu gehen. »Die Trauben sind sowieso viel zu sauer«, sagt der Fuchs in der Fabel von Äsop, als er merkt, dass er sie so einfach nicht erreichen kann.

Die Trauben sind sowieso viel zu sauer.

So bleiben wir, wo wir sind, und folgen nicht dem Bedürfnis und dem Druck nach Veränderung. Erst spüren wir die Existenz so eines Bedürfnisses gar nicht – dann vermeiden wir, uns damit auseinanderzusetzen, und gehen einfach weiter auf unseren ausgetretenen Pfaden. Mit der Zeit wird der Graben zwischen der immer unbefriedigenderen Situation und unseren alten, nicht mehr passenden Antworten, Denk- und Verhaltensweisen immer tiefer. Und so wachen wir eines Morgens auf, reiben uns die Augen und stellen fest, dass unser Pferd mausetot ist – wo es doch scheinbar gestern noch so lebendig war. Das ist allerdings nicht die volle Wahrheit, denn wir haben uns nur so lange geweigert, uns einzugestehen, dass es im Sterben lag.

Ganz blöde Situation. Wir können dann weitermachen wie bisher. Aber wir können kaum noch ignorieren, dass wir einen hohen Preis dafür zahlen. Natürlich bekommen wir Veränderungen auch nicht umsonst – allerdings ist der Preis für das Festhalten auf die Dauer höher. Denn wir zahlen mit Unzufriedenheit und mit Langeweile, und wir schränken unsere Lebensqualität ein, vor allem weil wir neue, befriedigende Erfahrungen verhindern. Für eine Weile mag dies für den einen oder anderen ein halbwegs erträglicher Handel sein.

Wir halten uns an toten Pferden fest, weil sich innere Widerstände gegen Veränderungen wehren.

Aber stellen Sie sich vor, Sie blicken am Ende Ihres Lebens zurück auf eine Zeit, in der Sie sich sehenden Auges nicht dafür eingesetzt haben, Ihr Leben glücklicher zu gestalten. Glauben Sie, dass Sie dann denken werden War eine richtig gute Idee, schön lange auf meinem toten Pferd abzuhängen!?

Wenn mein Job ein totes Pferd ist …

Solange es sich nur um die immer gleiche Käsesorte zum Frühstück handelt, ist die Strategie des Festhaltens kein großes Problem. Nicht so witzig ist es, wenn unser Job schon viel zu lange ein totes Pferd ist. Und tote Job-Pferde reiten ziemlich viele Menschen: Seit 2001 untersucht das Forschungsinstitut Gallup jährlich den Grad der emotionalen Bindung an die berufliche Tätigkeit. Die Zahl der Deutschen, die angeben, nur eine geringe Bindung zu spüren, lag bisher konstant bei über 60 Prozent – und über 20 Prozent sagen von sich, dass sie schon innerlich gekündigt haben. Unzufriedenheit mit dem Job scheint eher die Regel als eine Ausnahme zu sein.

Ich habe aber nicht den Eindruck, dass die meisten beruflich unzufriedenen Menschen sich von Anfang an einen völlig falschen Job ausgesucht haben. So, wie jedes tote Pferd einmal jung und dynamisch war, kann eine berufliche Tätigkeit viele Jahre genau die richtige gewesen sein. Aber wir verändern uns glücklicherweise, und damit wandeln sich auch unsere Interessen, Ziele und Werte. Mit Ende 30 motivieren uns andere Ziele und Ideen als mit Anfang 20.

Wohl kaum einer fragt sich täglich, ob seine Tätigkeit heute noch die richtige ist. Die meisten stellen sich diese Frage nur sehr selten oder lange gar nicht. Und dann funktioniert es nach dem Prinzip der Tektonik: Wie sich Erdplatten aneinander reiben, Druck aufbauen und irgendwann in Form eines Erdbebens ganz plötzlich entladen, baut sich in vielen Menschen Veränderungsdruck durch schleichende Unzufriedenheit auf. Je länger sie ihn ignorieren und nichts tun, desto stärker wird das »innere und äußere Beben« sein und ihr Leben erschüttern, wenn ihnen eines Tages klar wird, dass es nicht mehr weitergehen kann wie bisher.

Dummerweise ist es deutlich einfacher, die Käsesorte zu wechseln als den Beruf, das Unternehmen, die Abteilung oder die Form der Berufstätigkeit. Jede größere Veränderung erfordert Mut, Entschlossenheit und die Auseinandersetzung mit unseren Fähigkeiten und Wünschen. Den einfachen Weg, die Light-Version ohne Risiko und kalte Füße gibt es nicht! Und damit muss unser Drang nach Veränderung mit seinem natürlichen Gegenspieler, nämlich dem Bedürfnis nach Sicherheit und Kontinuität, kollidieren. Kein Wunder, dass fast jeder Angst bekommt, wenn er merkt, dass sein beruflicher Status quo nicht mehr zu halten ist.

Ob es uns passt oder nicht: Jeder Veränderungsdruck, von innen wie von außen, löst auch Widerstand in uns aus. Wie ein Sofa, das wir verschieben wollen, weil uns sein alter Platz nicht mehr gefällt. Wir benötigen viel Kraft, um es zu bewegen, weil Masse immer träge ist. Unsere Psyche ist ähnlich träge wie ein schweres, altes Sofa! Immer wenn wir etwas in uns verändern möchten und innerlich nicht hundertprozentig dazu stehen, geht ein Teil von uns in den offenen oder verdeckten Widerstand: Ich will aber so bleiben, wie ich bin! Und für diesen Kampf gegen alles Neue und Unvertraute haben wir ein beeindruckendes Repertoire von Strategien zur Verfügung, die sich möglichen Veränderungen sehr effizient entgegenstellen.

Um innere Widerstände soll es jetzt gehen: Ich möchte Ihnen in den folgenden Kapiteln zehn Strategien vorstellen, die Menschen gern und oft verwenden, um sich und anderen weiszumachen, dass sie keinesfalls von ihrem toten (Job-)Pferd absteigen sollten und können. Es ist leider nicht auszuschließen, dass Ihnen einige davon nicht ganz unbekannt sein werden …

Unsere Interessen, Ziele und Werte unterliegen einem natürlichen Wandel – und dann kann es sein, dass ein Job, der einmal der richtige war, zu einem toten Pferd wird.

Zehn »gute« Gründe, auf einem toten Pferd sitzen zu bleiben

1. Leugnung »Mein Pferd ist gar nicht so tot, wie es aussieht.«

»Mein Job ist ganz okay. Sicher, ich bin manchmal etwas unmotiviert und schon länger nicht gerade zufrieden. Es ist eben eine schwierige Zeit. Aber warum sollte ich mir einen anderen Arbeitsplatz suchen? Nein, nein, mein Job ist schon ganz okay.«

Unser Gehirn mag es gar nicht, wenn es mit einer Tatsache konfrontiert wird, die im Widerspruch zu elementaren Überzeugungen und Bedürfnissen steht. Innere Widersprüche kosten Energie und machen keinen Spaß. Für solche Fälle hat unser Gehirn deshalb einen wunderbaren Mechanismus entwickelt: Es blendet einfach aus und nimmt nicht zur Kenntnis, was ihm nicht in den Kram passt. Die inneren und äußeren Anzeichen, die mir sagen, dass ich ganz dringend über berufliche Veränderungen nachdenken sollte, kollidieren vielleicht mit meinem Bedürfnis nach Sicherheit oder meiner Überzeugung, dass ich niemals einen anderen Job finden werde. Die Lösung: So unzufrieden bin ich auch wieder nicht. Mein Pferd ist gar nicht so tot. Und die Erde ist eine Scheibe.

Diese Strategie hat nur einen Nachteil: Da meine Unzufriedenheit die Tendenz hat, eher größer als kleiner zu werden, steigt der Veränderungsdruck in mir. Mein inneres Gleichgewicht zwischen »Tu endlich was!« und »Lass lieber alles, wie es ist!« droht ständig zu kippen. Dann könnte ich nicht mehr bequem daran vorbeischauen, dass ich wirklich ein Problem habe. Wenn es mir aber gelingt, den Druck auf ungefährliche Weise abzulassen (wie durch das Überdruckventil eines Dampfkochtopfs), könnte ich diesen Zustand bis zum Jüngsten Tag aufrechterhalten. Und auch dafür gibt es zwei einfache und recht beliebte Lösungen, die da heißen: Grübeln und Klagen.

Das Grübeln ist eine äußerst unproduktive Form des Denkens. Dabei bewege ich Gedanken, Träume, Wünsche, Ideen wie einen zähflüssigen Brei in meinem Gehirn herum; von links nach rechts und wieder zurück. Alles habe ich schon unendlich oft bedacht. Aber ich gewinne keine neuen Erkenntnisse, dringe nicht tiefer ein und komme immer wieder zum gedanklichen Ausgangspunkt zurück. Eine innere Blockade wird durch andauerndes Grübeln nur verfestigt, da keine Lösungen entstehen – denn dazu müsste der Denkprozess sich öffnen und sich mit neuen Aspekten beschäftigen. Aber genau das tut der Grübler eben nicht. Kein Wunder, wenn er das Gefühl hat, seine Situation sei ausweglos. Als würde man seinen Haustürschlüssel suchen, aber nur immer und immer wieder in eine bestimmte Schublade schauen. Da ist er nicht. Blöd. Schublade schließen. Schublade öffnen. Da ist er nicht. Blöd … Um dann zwischendurch zu folgern, dass der Schlüssel offensichtlich unwiederbringlich verschwunden ist. Aber Grübeln verbraucht psychische Energie und vermindert den inneren Druck. Je länger ich grüble, desto kleiner wird die Wahrscheinlichkeit, dass ich handle.

Das Klagen könnte man als »nach außen gerichtetes Grübeln« bezeichnen: Ich äußere immer wieder dieselben negativen Gedanken über meine Situation. Andere Menschen könnten sich aufgefordert fühlen, mir mit guten Ratschlägen helfen zu wollen. Aber da ich durch mein Grübeln ja glaube, jede nur mögliche Lösung zu kennen, akzeptiere ich natürlich nichts, was meine eingeschliffenen Denkbahnen stören könnte. Wer sein Schicksal beklagt, möchte ja noch lange nicht hören, dass es Auswege gibt! Aber es baut Druck ab. Und alles bleibt, wie es ist, denn ich konzentriere mich ja ganz auf meine miese Situation und die Unmöglichkeit, etwas daran zu ändern. Eine großartige Strategie!

Kennen Sie Menschen, die sich häufig über ihren Job beschweren, aber scheinbar niemals Anstalten machen, sich um einen besseren zu kümmern? Sind Sie sich nicht so sicher, was Ihren eigenen Job angeht? Fragen Sie sich, wie tot Ihr Pferd womöglich ist? Hand aufs Herz: Haben Sie sich bisher nicht getraut, sich auf diese Frage eine ehrliche Antwort zu geben? Dabei gibt typische Anzeichen, die darauf hindeuten, dass ein Job-Pferd kränkelt oder sogar schon das Zeitliche gesegnet hat.

Wie (un-)gesund ist mein Job-Pferd wirklich?

Lesen Sie sich die folgenden Aussagen durch und überlegen Sie, wie stark sie auf Sie persönlich und auf Ihren Job zutreffen. Notieren Sie sich Punkte in einer Skala von 0 bis 5. 0 bedeutet »trifft gar nicht auf mich zu« und 5 »trifft sehr zu«.

1. Schleichende und anhaltende Unzufriedenheit

Vielleicht gibt es auch Zeiten, die sich ganz okay anfühlen, aber über einen Zeitraum von Monaten und Jahren bin ich eher unzufrieden mit meiner Arbeit. Ich grüble und/oder klage häufig darüber. Meine Lebensqualität wird dadurch stark eingeschränkt.

2. Unlustgefühle

Ich sehne mich nach Wochenenden und Urlauben. Ich fiebere dem Feierabend, dem Freitag oder dem Urlaubsbeginn entgegen. Am Montagmorgen muss ich mich förmlich zwingen, das Haus zu verlassen.

3. Gefühle von Sinnlosigkeit

Mein Job erscheint mir für mich persönlich sinnlos. Ich kann nicht (mehr) sagen, warum ich ihn noch mache. Ich sehne mich nach einer befriedigenden und sinnvollen Tätigkeit.

4. Negative Work-Life-Balance

Mein Leben wird völlig von meiner Arbeit dominiert. Mir bleibt zu wenig Zeit für private Interessen. Ich bin mein Job.

5. Energie- und Antriebslosigkeit

Meine Arbeit verschlingt meine gesamte Energie oder sogar mehr, als ich habe. Ich fühle mich antriebslos. Ich arbeite, weil ich muss, aber ich spüre keinen inneren Antrieb, meinen Job zu tun.

6. Körperliche Symptome

Ich glaube, meine Arbeit beeinträchtigt meine Gesundheit und körperliche Fitness, und befürchte, dass sie mich auf Dauer krank machen wird. Vieleicht bin ich schon gesundheitlich beeinträchtigt.

7. Feedback von anderen

Menschen aus meinem Umfeld raten mir schon lange eindringlich, mich beruflich zu verändern.

8. Rationalisierungen

Ich nenne mir und anderen ständig Gründe, warum ich jetzt unmöglich aussteigen kann – und ich bin mir eigentlich bewusst, dass diese vorgeschoben sind.

9. Stoffliche Helferlein

Ich nehme häufig Alkohol, andere Drogen oder Medikamente zu mir, die mir helfen, meine Arbeit zu schaffen, mich zu entspannen und meinen Alltag überhaupt durchzuhalten.

10. Mangel an Perspektive

Ich kann mir unmöglich vorstellen, meine Arbeit in der jetzigen Form in zehn Jahren noch zu machen.

Addieren Sie nun Ihre Punktzahlen und werfen Sie einen Blick auf die – zugegeben unwissenschaftliche – Skala: Liegt Ihr Ergebnis eher im unteren oder oberen Bereich? Spiegelt es Ihre Einschätzung wider, oder ist es für Sie eine Überraschung? Bedenken Sie bitte, dass unabhängig von Ihrer Gesamtpunktzahl jeder Themenbereich, dem Sie vier oder sogar fünf Punkte gegeben haben, auf ein echtes Problem hinweist, das Sie nicht auf die leichte Schulter nehmen sollten!

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2. Vorgeschobene Ausweglosigkeit »Ich habe keine Vorstellung davon, wie ein gutes Pferd für mich aussehen könnte.«

»Ich würde mich gern auf die Suche nach einem neuen Job machen – aber ich weiß gar nicht, wie der aussehen könnte. Ideen habe ich ja leider überhaupt keine. Ich weiß nur, dass ich meine jetzige Tätigkeit lieber heute als morgen an den Nagel hängen würde. Aber solange ich nicht weiß, wohin ich will, bleibe ich wohl besser, wo ich im Moment bin.«

Es gibt Menschen, die schlagen schon immer ihre Schrauben mit dem Hammer in die Wand. Sie ahnen zwar, dass dies möglicherweise nicht der optimale Weg ist, kennen aber bisher keine besseren Werkzeuge. Anstatt sich zu informieren und nach einem Mittel zu suchen, mit dem sie ihre Schrauben erfolgreicher befestigen können (Schraubendreher, wow!), beharren sie darauf, nicht zu wissen, wo und wie sie suchen könnten. Keine Idee, keine Alternative. Dass ihre Bilder ständig von der Wand fallen, nehmen sie in Kauf.

Nur recht mutige Menschen und solche, die ihre Situation wirklich nicht mehr aushalten können, kündigen ihr Arbeitsverhältnis, ohne eine Alternative im Sinn (oder gar einen Arbeitsvertrag in der Tasche) zu haben. Die anderen machen sich auf die Suche danach. Odersie bleiben, wo sie sind, und erklären dies mit ihrem Mangel an Ideen. Dabei haben sie wahrscheinlich noch nie ernsthaft nach Alternativen gesucht! Diese Strategie folgt einer bestechend einfachen Logik: »Ich weiß nun einmal überhaupt nicht, welcher Job mir gefallen könnte. Also lasse ich alles beim Alten.« Die Möglichkeit, dass es durchaus eine interessante Tätigkeit geben könnte, die einem nur noch nicht bewusst ist, wird konsequent ausgeblendet. Aber warum?

Gerade Menschen, die einer Arbeit schon sehr lange nachgehen, haben oft überhaupt keine Vorstellung, welche Alternativen es für sie geben könnte. Es erscheint ihnen dann, als sei der gewohnte Job der einzig mögliche – weil sie bisher vermieden haben, mal über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Wenn es aber langsam unerträglich wird und man sich unmöglich vorstellen kann, die Zeit bis zur Rente auf die bisherige Weise durchzuhalten, scheint die Situation ausweglos. Wie die Fahrt durch einen Tunnel, der keine Ausgänge bietet. Dann bleibt nur: Da muss ich eben durch!

Objektiv gesehen gibt es für jeden Neuorientierer eine gewisse Zahl von Möglichkeiten – bessere und schlechtere, einige sind mit Nachteilen verbunden, andere benötigen Fortbildungen oder erscheinen auf den ersten Blick schwierig zu realisieren. Wenn ich meine Alternative noch nicht kenne, liegt es auf der Hand, dass ich mich auf die Suche danach mache, recherchiere, prüfe, frage, verwerfe, eine engere Auswahl bilde und schließlich eine Entscheidung treffe. Dieser Suchprozess verlangt Engagement, Zeit und den Mut, sich mit Neuem auseinanderzusetzen. Und er bringt das Risiko mit sich, dass ich dabei auf innere und äußere Grenzen stoße. Wenn ich mich mit einer attraktiven beruflichen Idee beschäftige, stellt sich mir früher oder später die Frage, ob ich die nötigen Kompetenzen dafür mitbringe. Ist mein Selbstbild – wie bei vielen Menschen – eher lückenhaft und negativ gefärbt, gehe ich dieser Frage vielleicht lieber gleich aus dem Weg, weil ich meine, die unangenehme Antwort zu kennen.

So ein Suchprozess ist also nicht gerade ein Spaziergang – kein Wunder, wenn wir ihm mit Widerstand begegnen. Aus diesem Blickwinkel ergibt die Strategie der »vorgeschobenen Ausweglosigkeit« durchaus Sinn: Lieber bleibe ich bei meinem Glauben, keine berufliche Alternative zu haben, als mich mit den Tücken und Risiken einer Suche danach auseinanderzusetzen. So erklärt sich auch die Vehemenz, mit der so mancher seine Ideenlosigkeit verteidigt – sich selbst und anderen gegenüber. Denn wir binden häufig andere Menschen ein, um unsere inneren Widerstände zu bestätigen.

Sie kennen sicherlich Menschen, die jede Gelegenheit nutzen, um über ihren Job zu klagen und gleichzeitig zu betonen, dass es für sie ja leider keine Alternative gibt. So eine Aussage löst in den meisten von uns einen Helferimpuls aus. Wir machen konstruktive Vorschläge und legen uns richtig ins Zeug, doch eine Lösung für den armen Menschen zu finden. Man möchte ja belohnt werden mit einem Satz wie: »Ja, das ist eine tolle Idee; das könnte ich wirklich mal versuchen, vielen Dank!«

Nur leider wird der niemals kommen, wenn der anscheinend Ratsuchende der Strategie der Ausweglosigkeit folgt: Im Gegenteil, er wird alles daransetzen, jeden Vorschlag und jedes Puzzlestück einer Idee als für ihn persönlich unpassend und nicht realisierbar zu erklären. Denn er will ja nicht wirklich eine gute Idee hören, sondern nur in seiner Ausweglosigkeit bestärkt werden. Das ideale Ziel so einer Konversation ist für ihn erreicht, wenn der bereitwillige Unterstützer einsieht, dass es für den Unzufriedenen wirklich keine Alternative gibt. Am Ende stehen meist Frust und manchmal sogar Wut, weil der Helfer merkt, dass sein Gegenüber sich überhaupt nicht helfen lassen möchte. Über so eine Dynamik geraten nicht selten sogar Freundschaften in eine Krise.

Wie sieht es bei Ihnen aus? Neigen Sie auch dazu, sich und anderen immer wieder zu erklären, dass Sie für sich keine berufliche Alternative sehen? Und falls ja: Denken Sie das wirklich?

3. Kollektive Unzufriedenheit »Andere reiten doch auch tote Pferde.«

»Okay, mein Job hängt mir zum Hals heraus. Aber soll ich ihn deswegen aufgeben? Meine Freunde und Kollegen haben auch nicht gerade Traumjobs – denen geht es wie mir. Das ist doch ganz normal. Das Berufsleben ist nun mal kein Ponyhof …«

Stellen Sie sich doch einmal eine – zugegeben sehr fiktive – Welt vor, in der fast alle Menschen ihrer Arbeit mit Begeisterung nachgehen. Dort hätte es ein Unzufriedener nicht leicht. Ihm würde ständig vor Augen geführt, welche tollen Jobs es gibt und wie Menschen ihre Erfüllung darin finden. Wahrscheinlich würde er es mit seiner Unzufriedenheit nicht lange aushalten können, denn kaum einer ist gern anders als der Mainstream. Und so würde er wohl alle Hebel in Bewegung setzen, um auch endlich einen Job zu finden, der ihm gefällt. Dummerweise ist unsere Realität eine ganz andere, denn die beruflich Zufriedenen sind klar in der Minderheit. Deshalb wirkt der Druck der Mehrheit in die entgegengesetzte Richtung: Der »Normalfall« ist die Überzeugung, dass Arbeit nun einmal keinen Spaß macht. Punkt.

Ich treffe ziemlich oft auf Menschen, die es ganz normal finden, dass man seinen Job nicht mag. Denn in ihrem Bekanntenkreis gibt es kaum jemanden, der mit seiner Arbeit zufrieden ist. Wahrscheinlich ist dies auch kein Zufall, suchen wir doch unbewusst immer die Gesellschaft von Menschen, die unser Weltbild teilen und damit bestätigen. Nicht selten sind sich Teams, Abteilungen oder Belegschaften ganzer Firmen einig darin, dass ihre Arbeit sinnlos und blöd ist. Das ist aber gar nicht so schlimm, denn das Klagen darüber schafft Zusammengehörigkeit und jedem ein wohliges Gefühl.

Stellen Sie sich vor, Sie warten auf eine wahrscheinlich schmerzhafte Behandlung beim Zahnarzt. Sie sitzen mit anderen Patienten im Wartezimmer, die anscheinend genauso große Angst haben wie Sie. Bestimmt würden Sie deren Gesellschaft als angenehm empfinden – wenn Menschen unser Schicksal und unsere Einstellung teilen, verringert sich generell unsere Angst und steigt das Wohlbefinden. So weit, so gut.

Ist eine unangenehme Situation unvermeidlich, sind Leidensgenossen eine super Sache. Kollektives Leiden reduziert aber auch unsere Bereitschaft, eigene Wege aus der Misere zu suchen. Denn jede Gemeinschaft hat ihre eigenen Regeln. Gruppen von Gleichgesinnten fordern von ihren Mitgliedern »Sei und denk wie wir!« und verlangen, den Konsens auf keinen Fall infrage zu stellen. Denkt nämlich jemand daran, sich mit der Situation nicht mehr abzufinden und nach einem anderen, besseren Arbeitsplatz zu suchen, wird er darin von seinen Leidensgenossen höchstwahrscheinlich nicht unterstützt. Denn er könnte schließlich Erfolg haben und damit den anderen vor Augen halten, dass ihr Schicksal doch nicht so unabänderlich ist, wie sie es glauben (möchten).

Umgekehrt nutzt der einzelne Mensch gern seine Bezugsgruppe, Freunde, Bekannte und Kollegen, um sich bestätigen zu lassen, dass es keine Alternative für ihn geben kann. Deshalb lebt es sich in einer Welt der kollektiven Unzufriedenheit auch ziemlich bequem! Diese Strategie sorgt für ein hohes Maß an Sicherheit und Beständigkeit und ist damit auf ihre Weise sehr erfolgreich. Und so bleiben Menschen auf ihrem toten Pferd sitzen, weil ihre Freunde, Bekannten und Kollegen auch tote Pferde reiten. Sie finden das ganz okay – denn glückliche Reiter von gesunden Pferden kommen in ihrer Welt ja gar nicht vor! Und so veranstaltet man gemeinsame Ausritte und klagt höchstens, dass das Reittier etwas an Dynamik verloren hat – während der tote Gaul schon längst anfängt, schlecht zu riechen …

Wenn andere Menschen an ihren nicht mehr stimmigen Jobs festhalten wollen – wir können es nicht ändern. Wir können uns aber fragen, was diese Tatsache eigentlich mit uns zu tun hat. Was sagen die Anschauungen anderer tatsächlich über unsere Möglichkeiten? Es stimmt sich ja so leicht zu, wenn andere sehr pauschal über den schlimmen Arbeitsmarkt, Ungerechtigkeit, Chancenlosigkeit und so weiter klagen. Klar, gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten findet sich überall eine Menge Schatten. Aber es lohnt sich, die eigene Situation etwas differenzierter zu betrachten und sich zu fragen: Was sagt die negative Haltung einer (vermeintlichen) Mehrheit über mich und meine Chancen? Vor allem, wenn ich mich trauen würde, auch ungewöhnliche Wege zu suchen und zu gehen?

Schließlich gibt es auch viele Menschen, die einen beruflichen Umstieg tatsächlich schaffen und damit sehr glücklich sind. Sie könnten uns doch eine viel konstruktivere Orientierung geben als Leute, die es gar nicht erst versuchen.

Wie sieht es in Ihrem Kollegen- und Bekanntenkreis aus? Überwiegen dort eher (beruflich) Zufriedene oder Unzufriedene? An welcher Gruppe orientieren Sie sich stärker? Verweisen Sie manchmal auf andere, die ja auch noch ihr totes Job-Pferd reiten, um Ihre eigene Untätigkeit zu rechtfertigen?

4. Kreative Selbstbeausnahmung »Andere mögen neue Pferde finden – ich ganz sicher nicht.«

»Ich sehe ein, dass mein Job ein Auslaufmodell ist. Ich akzeptiere auch die Tatsache, dass Menschen sich Jobmodelle schaffen können, die ihnen Spaß und vielleicht sogar Erfüllung bringen. Aber das hat überhaupt nichts mit mir zu tun, denn ich habe mit Sicherheit diese Chancen nicht!«

Diese Strategie bedeutet einen gewissen Fortschritt gegenüber der zuletzt vorgestellten. Denn immerhin wird jetzt anerkannt, dass das eigene Pferd tot und es generell möglich ist, sich aktiv um ein lebendigeres Pferd zu bemühen. Mit einer klitzekleinen Einschränkung: Das gilt selbstverständlich nur für andere Menschen!

Wenn ich nämlich nicht mehr an der Tatsache vorbeisehen kann, dass andere wirklich mit ihrem Beruf zufrieden sind, könnte ich sie mir zum Vorbild nehmen und versuchen, dasselbe für mich zu erreichen. (Wenn ich jemanden mit einem leckeren Eisbecher sehe, liegt es doch auf der Hand, mich umzuschauen, wo die nächste Eisdiele ist. Warum sollte man mir dort kein Eis verkaufen?) Aber auch hier bietet sich ein Ausweg an, mögliche Veränderungen zu vermeiden: Ich erkläre mir und anderen ganz einfach, dass meine Ausgangslage eine viel schlechtere ist. Andere mögen ihren Traumberuf finden – aber die sind ja sicherlich kreativer, mutiger, jünger, finanziell unabhängiger, besser ausgebildet, stärker, intelligenter, gebildeter … als ich. Oder sie haben keine Verantwortung oder einen Beruf, in dem das geht. Ich nicht!

Ich treffe oft Menschen, die sich auf diese Weise davor schützen, aktiv zu werden. Meist versuchen sie zuerst, die Möglichkeit einer beruflichen Neuorientierung generell abzustreiten. Ein Klassiker: »In meinem Alter geht das nicht mehr.« Wenn ich darauf mit Beispielen von ähnlich alten Menschen antworte, denen dies sehr wohl gelungen ist, kommt wie aus der Pistole geschossen: »Ja, aber bei dem ist es doch etwas ganz anderes.« Viele Leute investieren viel Energie und Kreativität, um Argumente für ihre Selbstbeausnahmung zu finden. Würden sie damit nach Möglichkeiten einer Neuorientierung suchen, wären sie bestimmt schon ein ganzes Stück weiter.

Der zweifelhafte Nutzen dieser Strategie liegt darin, dass ich auf diese Weise jedes noch so gute Beispiel für mich persönlich entwerte und ungültig mache. Und ich stabilisiere damit ein Selbstbild, das man sehr kurz beschreiben könnte mit: »Ich bin nicht genug.« Wie jedes Vermeidungsverhalten hat diese Strategie die Tendenz, sich immer wieder selbst zu bestätigen und damit zu stabilisieren: Wenn ich mir immer wieder einrede, weniger Chancen als andere zu haben, und deshalb nichts an meiner Situation ändere, kann das Resultat nur sein: Alles bleibt, wie es ist. Und dies bestätigt mir, dass ich ja anscheinend Recht habe, wenn ich mir so wenig zutraue. »Ich sitze noch immer auf meinem toten Pferd? Das beweist doch, dass es für mich kein lebendigeres gibt.« Willkommen im Teufelskreis!

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ob wir uns erfolgreich beruflich verändern oder nicht, liegt an vielen Faktoren und nicht ausschließlich an einem positiven Selbstbild. Es gibt ja so einige Propheten des positiven Denkens, die uns glauben machen wollen, dass jeder Mensch jedes Ziel erreichen kann – er müsse es nur stark genug wollen. Ich halte dies für gefährlichen Unsinn, weil es etwas sehr Komplexes auf eine schlichte Frage des Glaubens reduziert. Ich denke nicht, dass die Welt für uns alle gleich große Chancen bietet. Ein Fünfzehnjähriger hat beispielsweise deutlich bessere Chancen, in diesem Leben Astronaut zu werden, als jemand in der Lebensmitte.

Aber selbst wenn wir alle die gleichen optimalen Ausgangsbedingungen und Fähigkeiten hätten, würde der eine sehr viel erreichen, und beim anderen bliebe sein beruflicher Erfolg eher bescheiden – solange sich unsere Selbstbilder unterscheiden. Wie wir unsere Möglichkeiten einschätzen, ist für unseren Erfolg wahrscheinlich nicht weniger wichtig als tatsächliche Fähigkeiten. Sieht man sich die Biografien sehr erfolgreicher Menschen an, stellt man fest, dass deren Ausgangsbedingungen nicht unbedingt optimal waren. Aber fast immer zeigten sie ein hohes Maß an Begeisterung und Optimismus und hatten ein klares Ziel vor Augen.

Wenn ich glaube, dass ich nicht in jeder Hinsicht ganz vorn bin, dass mein Profil Schwächen und Defizite aufweist, mag das nicht nur Einbildung sein. Es wird immer Menschen geben, die mir in einigen Aspekten voraus sind. Okay. Aber dass ich gar nicht erreichen kann, was viele andere geschafft haben, klingt doch nicht wirklich überzeugend. Wenn ich mich dabei beobachte, wie ich sehr pauschal und schwarz-weiß über mich und meine Möglichkeiten denke, und ich anscheinend immer die ganz schlechten Karten habe, muss meine Wahrnehmung doch verzerrt sein, oder? Leider erkennen wir bei anderen Menschen sehr viel leichter als bei uns selbst, wenn sie sich und ihre Möglichkeiten kleinreden.

Beherrschen Sie die hohe Kunst des Sich-selbst-Kleinredens auch? Denken Sie, dass Sie niemals so zufrieden mit Ihrem Job sein werden wie andere Menschen aus Ihrem Bekanntenkreis? Glauben Sie, dass Ihnen Möglichkeiten verbaut sind, die andere durchaus haben?

5. Ganz oder gar nicht »Wenn ich von meinem toten Pferd absteige, kann die Alternative nur ein Rennpferd sein.«

»Ja, ich würde mich sehr, sehr gern beruflich verändern! Aber wenn ich mir schon eine neue Tätigkeit suche, soll es natürlich auch mein Traumjob sein. Ich habe einige gute Ideen – aber leider sind sie alle viel zu groß, um sie umzusetzen. Ich muss wohl leider bleiben, wo ich bin. Schade.«

Manche Menschen haben große berufliche Träume. Der eine wäre gern Testpilot, der nächste Entwicklungshelfer, ein anderer würde gern ein eigenes Unternehmen leiten. Aber natürlich sind nicht alle beruflichen Ziele für jeden auch erreichbar – einige Traumberufe sind aufgrund bestimmter Faktoren wie Alter oder körperlicher Fitness so gut wie ausgeschlossen. Andere erfordern eine jahrelange Aufbauarbeit oder ein Engagement, das im Moment nicht zu leisten ist.