Herr Puntila und sein Knecht Matti - Bertolt Brecht - E-Book

Herr Puntila und sein Knecht Matti E-Book

Bertolt Brecht

4,9
6,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

"Der Gutsbesitzer Puntila ist nüchtern ein Ausbeuter und betrunken ein Menschenfreund. Nüchtern will Puntila seine Tochter mit einem Aristokraten verheiraten; er ist nicht betrunken, als er einsieht, daß der Schwächling kein Mann für das Mädchen ist; aber die Einsicht veranlaßt ihn, sich zu betrinken. Als schließlich doch der Knecht Matti zum Schwiegersohn bestimmt wird, unterzieht Matti die Tochter des Reichen einem Examen, in dem sie beweisen soll, ob sie ihn glücklich machen kann oder nicht. In einer grotesken Schlußszene werden die Motive zusammengefaßt: arm und reich können nicht zusammenkommen."

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 157

Bewertungen
4,9 (18 Bewertungen)
16
2
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Bertolt Brecht, geboren am 10. Februar 1898 in Augsburg, starb am 14. August 1956 in Berlin.

Das Volksstück Herr Puntila und sein Knecht Matti entstand 1940/41 in Finnland und wurde am 5. Juni 1948 unter der Regie von Kurt Hirschfeld mit Leonard Steckel als Puntila und Gustav Knuth als Matti am Schauspielhaus Zürich uraufgeführt.

Der Gutsbesitzer Puntila ist nüchtern ein Ausbeuter und betrunken ein Menschenfreund. Nüchtern will Puntila seine Tochter mit einem Aristokraten verheiraten; er ist nicht betrunken, als er einsieht, daß der Schwächling kein Mann für das Mädchen ist; aber die Einsicht veranlaßt ihn, sich zu betrinken. Als schließlich doch der Knecht Matti zum Schwiegersohn bestimmt wird, unterzieht Matti die Tochter des Reichen einem Examen, in dem sie beweisen soll, ob sie ihn glücklich machen kann oder nicht. In einer grotesken Schlußszene werden die Motive zusammengefaßt: arm und reich können nicht zusammenkommen. Die Lösung ist komisch, aber nicht verwendbar.

Herr Puntila und sein Knecht Matti

Suhrkamp

Herr Puntila und sein Knecht Matti erschien in der hier abgedruckten Fassung erstmals 1950 im Rahmen der Versuche Bertolt Brechts im Suhrkamp Verlag, Berlin (West).

Der vorliegende Text folgt der Ausgabe:

Bertolt Brecht, Werke. Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe, herausgegeben von Werner Hecht, Jan Knopf, Werner Mittenzwei und Klaus-Detlef Müller, Band 6: Stücke 6, bearbeitet von Klaus-Detlef Müller, Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1989, S. 283-373.

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2013

© Brecht-Erben/Suhrkamp Verlag Berlin 1950

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlag: Willy Fleckhaus

eISBN 978-3-518-73965-5

www.suhrkamp.de

»Herr Puntila und sein Knecht Matti« ist der 22. Versuch. Es ist ein Volksstück und wurde 1940 in Finnland nach den Erzählungen und einem Stückentwurf von Hella Wuolijoki geschrieben.

Personen

Puntila, Gutsbesitzer · Eva Puntila, seine Tochter · Matti, sein Chauffeur · Der Ober · Der Richter · Der Attaché · Der Viehdoktor · Die Schmuggleremma · Das Apothekerfräulein · Das Kuhmädchen · Die Telefonistin · Ein dicker Mann · Ein Arbeiter · Der Rothaarige · Der Kümmerliche · Der rote Surkkala · Seine vier Kinder · Laina, die Köchin · Fina, das Stubenmädchen · Der Advokat · Der Probst · Die Pröbstin · Waldarbeiter

Prolog

gesprochen von der Darstellerin des Kuhmädchens

Geehrtes Publikum, die Zeit ist trist.

Klug, wer besorgt, und dumm, wer sorglos ist!

Doch ist nicht überm Berg, wer nicht mehr lacht

Drum haben wir ein komisches Spiel gemacht.

Und wiegen wir den Spaß, geehrtes Haus

Nicht mit der Apothekerwaage aus.

Mehr zentnerweise, wie Kartoffeln, und zum Teil

Hantieren wir ein wenig mit dem Beil.

Wir zeigen nämlich heute abend hier

Euch ein gewisses vorzeitliches Tier

Estatium possessor, auf deutsch Gutsbesitzer genannt

Welches Tier, als sehr verfressen und ganz unnützlich bekannt

Wo es noch existiert und sich hartnäckig hält

Eine arge Landplage darstellt.

Sie sehn dies Tier, sich ungeniert bewegend

In einer würdigen und schönen Gegend.

Wenn sie aus den Kulissen nicht erwächst

Erfühlt ihr sie vielleicht aus unserm Text:

Milchkesselklirrn im finnischen Birkendom

Nachtloser Sommer über mildem Strom

Rötliche Dörfer, mit den Hähnen wach

Und früher Rauch steigt grau vom Schindeldach.

Dies alles, hoffen wir, ist bei uns da

In unserm Spiel vom Herrn auf Puntila.<Fußnote: Die dreisilbigen Eigennamen im Stück werden auf der ersten Silbe betont (Púntila, Kúrgela usw.).>

1 Puntila findet einen Menschen

Nebenstube im Parkhotel von Tavasthus. Der Gutsbesitzer Puntila, der Richter und der Ober. Der Richter fällt betrunken vom Stuhl.

PUNTILA Ober, wie lange sind wir hier?

DER OBER Zwei Tage, Herr Puntila.

PUNTILAvorwurfsvoll zum Richter: Zwei Täglein, hörst du! Und schon läßt du nach und täuschst Müdigkeit vor! Wenn ich mit dir bei einem Aquavit ein bissel über mich reden will und wie ich mich verlassen fühl und wie ich über den Reichstag denk! Aber so fallt ihr einem alle zusammen bei der geringsten Anstrengung, denn der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. Wo ist der Doktor, der gestern die Welt herausgefordert hat, daß sie sich mit ihm mißt? Der Stationsvorsteher hat ihn noch hinaustragen sehn, er muß selber gegen sieben Uhr untergegangen sein, nach einem heldenhaften Kampf, wie er gelallt hat, da ist der Apotheker noch gestanden, wo ist er jetzt hin? Das nennt sich die führenden Persönlichkeiten der Gegend, man wird ihnen enttäuscht den Rücken kehrn und zum schlafenden Richter was das für ein schlechtes Beispiel gibt für das tavastländische Volk, wenn ein Richter nicht einmal mehr Einkehren in einem Gasthof am Weg aushält, das denkst du nicht. Einen Knecht, der beim Pflügen so faul wär wie du beim Trinken, tät ich auf der Stell entlassen. Hund, würd ich ihm sagen, ich lehr dir’s, deine Pflicht auf die leichte Achsel zu nehmen! Kannst du nicht dran denken, Fredrik, was von dir erwartet wird, als einem Gebildeten, auf den man schaut, daß er ein Vorbild gibt und was aushält und ein Verantwortungsgefühl zeigt. Warum kannst du dich nicht zusammennehmen und mit mir aufsitzen und reden, schwacher Mensch? Zum Ober: Was für ein Tag ist heut?

DER OBER Samstag, Herr Puntila.

PUNTILA Das erstaunt mich. Es soll Freitag sein.

DER OBER Entschuldigens, aber es ist Samstag.

PUNTILA Du widersprichst ja. Du bist mir ein schöner Ober. Willst deine Gäst hinausärgern und wirst grob zu ihnen. Ober, ich bestell einen weiteren Aquavit, hör gut zu, daß du nicht wieder alles verwechselst, einen Aquavit und einen Freitag. Hast du mich verstanden?

DER OBER Jawohl, Herr Puntila. Er läuft weg.

PUNTILAzum Richter: Wach auf, Schwächling! Laß mich nicht so allein! Vor ein paar Flaschen Aquavit kapitulieren! Warum, du hast kaum hingerochen. Ins Boot hast du dich verkrochen, wenn ich dich übern Aquavit hingerudert hab, nicht hinaus hast du dich schaun trauen übern Bootsrand, schäm dich. Schau, ich steig hinaus auf die Flüssigkeit er spielt es vor und wandle auf dem Aquavit und geh ich unter? Er sieht Matti, seinen Chauffeur, der seit einiger Zeit unter der Tür steht. Wer bist du?

MATTI Ich bin Ihr Chauffeur, Herr Puntila.

PUNTILAmißtrauisch: Was bist du? Sag’s noch einmal.

MATTI Ich bin Ihr Chauffeur.

PUNTILA Das kann jeder sagen. Ich kenn dich nicht.

MATTI Vielleicht haben Sie mich nie richtig angesehn, ich bin erst fünf Wochen bei Ihnen.

PUNTILA Und wo kommst du jetzt her?

MATTI Von draußen. Ich wart seit zwei Tagen im Wagen.

PUNTILA In welchem Wagen?

MATTI In Ihrem. In dem Studebaker.

PUNTILA Das kommt mir komisch vor. Kannst du’s beweisen?

MATTI Und ich hab nicht vor, länger auf Sie draußen zu warten, daß Sie’s wissen. Ich hab’s bis hierher. So könnens einen Menschen nicht behandeln.

PUNTILA Was heißt: einen Menschen? Bist du ein Mensch? Vorhin hast du gesagt, du bist ein Chauffeur. Gelt, jetzt hab ich dich auf einem Widerspruch ertappt! Gib’s zu!

MATTI Das werdens gleich merken, daß ich ein Mensch bin, Herr Puntila. Indem ich mich nicht behandeln lass wie ein Stück Vieh und auf der Straß auf Sie wart, ob Sie so gnädig sind, herauszukommen.

PUNTILA Vorhin hast du behauptet, daß du dir’s nicht gefallen laßt.

MATTI Sehr richtig. Zahlens mich aus, 175 Mark, und das Zeugnis hol ich mir auf Puntila.

PUNTILA Deine Stimm kenn ich. Er geht um ihn herum, ihn wie ein fremdes Tier betrachtend. Deine Stimm klingt ganz menschlich. Setz dich und nimm einen Aquavit, wir müssen uns kennenlernen.

DER OBERherein mit einer Flasche: Ihr Aquavit, Herr Puntila, und heut ist Freitag.

PUNTILA Es ist recht. Auf Matti zeigend. Das ist ein Freund von mir.

DER OBER Ja, Ihr Chauffeur, Herr Puntila.

PUNTILA So, du bist Chauffeur? Ich hab immer gesagt, auf der Reis trifft man die interessantesten Menschen. Schenk ein!

MATTI Ich möcht wissen, was Sie jetzt wieder vorhaben. Ich weiß nicht, ob ich Ihren Aquavit trinke.

PUNTILA Du bist ein mißtrauischer Mensch, seh ich. Das versteh ich. Mit fremden Leuten soll man sich nicht an einen Tisch setzen. Warum, wenn man dann einschläft, möchtens einen ausrauben. Ich bin der Gutsbesitzer Puntila aus Lammi und ein ehrlicher Mensch, ich hab 90 Kühe. Mit mir kannst du ruhig trinken, Bruder.

MATTI Schön. Ich bin der Matti Altonen und freu mich, Ihre Bekanntschaft zu machen. Er trinkt ihm zu.

PUNTILA Ich hab ein gutes Herz, da bin ich froh drüber. Ich hab einmal einen Hirschkäfer von der Straß auf die Seit in den Wald getragen, daß er nicht überfahren wird, das ist ja schon übertrieben bei mir. Ich hab ihn auf einen Stecken aufkriechen lassen. Du hast auch ein so gutes Herz, das seh ich dir an. Ich kann nicht leiden, wenn einer »ich« mit einem großen I schreibt. Das soll man mit einem Ochsenziemer austreiben. Es gibt schon solche Großbauern, die dem Gesinde das Essen vom Maul abzwacken. Ich möcht am liebsten meinen Leuten nur Braten geben. Es sind auch Menschen und wollen ein gutes Stückel essen, genau wie ich, sollen sie! Das meinst du doch auch?

MATTI Unbedingt.

PUNTILA Hab ich dich wirklich draußen sitzen lassen? Das ist mir nicht recht, das nehm ich mir sehr übel, und ich bitt dich, wenn ich das noch einmal mach, nimm den Schraubenschlüssel und gib mir eine über den Deetz! Matti, bist du mein Freund?

MATTI Nein.

PUNTILA Ich dank dir. Ich wußt es. Matti, sieh mich an! Was siehst du?

MATTI Ich möcht sagen: einen dicken Kloben, stinkbesoffen.

PUNTILA Da sieht man, wie das Aussehen täuschen kann. Ich bin ganz anders. Matti, ich bin ein kranker Mann.

MATTI Ein sehr kranker.

PUNTILA Das freut mich. Das sieht nicht jeder. Wenn du mich so siehst, könntest du’s nicht ahnen. Düster, Matti scharf anblickend. Ich hab Anfälle.

MATTI Das sagen Sie nicht.

PUNTILA Du, das ist nichts zum Lachen. Es kommt über mich mindestens einmal im Quartal. Ich wach auf und bin plötzlich sternhagelnüchtern. Was sagst du dazu?

MATTI Bekommen Sie diese Anfälle von Nüchternheit regelmäßig?

PUNTILA Regelmäßig. Es ist so: die ganze andere Zeit bin ich vollkommen normal, so wie du mich jetzt siehst. Ich bin im vollen Besitz meiner Geisteskräfte, ich bin Herr meiner Sinne. Dann kommt der Anfall. Es beginnt damit, daß mit meinen Augen irgend etwas nicht mehr stimmt. Anstatt zwei Gabeln er hebt eine Gabel hoch sehe ich nur noch eine.

MATTIentsetzt: Da sind Sie also halbblind?

PUNTILA Ich seh nur die Hälfte von der ganzen Welt. Aber es kommt noch böser, indem ich während dieser Anfälle von totaler, sinnloser Nüchternheit einfach zum Tier herabsinke. Ich habe dann überhaupt keine Hemmungen mehr. Was ich in diesem Zustand tue, Bruder, das kann man mir überhaupt nicht anrechnen. Nicht, wenn man ein Herz im Leibe hat und sich immer sagt, daß ich krank bin. Mit Entsetzen in der Stimme. Ich bin dann direkt zurechnungsfähig. Weißt du, was das bedeutet, Bruder, zurechnungsfähig? Ein zurechnungsfähiger Mensch ist ein Mensch, dem man alles zutrauen kann. Er ist zum Beispiel nicht mehr imstande, das Wohl seines Kindes im Auge zu behalten, er hat keinen Sinn für Freundschaft mehr, er ist bereit, über seine eigene Leiche zu gehen. Das ist, weil er eben zurechnungsfähig ist, wie es die Advokaten nennen.

MATTI Tun Sie denn nichts gegen diese Anfälle?

PUNTILA Bruder, ich tue dagegen, was ich überhaupt nur kann. Was überhaupt nur menschenmöglich ist! Er ergreift sein Glas. Hier, das ist meine einzige Medizin. Ich schlucke sie hinunter, ohne mit der Wimper zu zucken, und nicht nur kinderlöffelweise, das kannst du mir glauben. Wenn ich etwas von mir sagen kann, so ist es, daß ich gegen diese Anfälle von sinnloser Nüchternheit ankämpfe wie ein Mann. Aber was hilft es? Sie überwinden mich immer wieder. Nimm meine Rücksichtslosigkeit gegen dich, einen solchen Prachtmenschen! Da nimm, da ist Rindsrücken. Ich möcht wissen, was für einem Zufall ich dich verdank. Wie bist du denn zu mir gekommen?

MATTI Indem ich meine vorige Stelle ohne Schuld verloren hab.

PUNTILA Wie ist das zugegangen?

MATTI Ich hab Geister gesehen.

PUNTILA Echte?

MATTIzuckt die Achseln: Auf dem Gut vom Herrn Pappmann. Niemand hat gewußt, warum es da spuken soll; vor ich hingekommen bin, hat’s nie gespukt. Wenn Sie mich fragen, ich glaub, es war, weil schlecht gekocht worden ist. Warum, wenn den Leuten der Mehlpapp schwer im Magen liegt, haben sie schwere Träum, oft Alpdrücken. Ich vertrag’s besonders schlecht, wenn nicht gut gekocht wird. Ich hab schon an Kündigung gedacht, aber ich hab nichts anderes in Aussicht gehabt und war deprimiert und so hab ich düster geredt in der Küch, und es hat auch nicht lang gedauert, da haben die Küchenmädchen auf den Zäunen abends Kinderköpf stecken sehn, daß sie gekündigt haben. Oder eine graue Kugel ist vom Kuhstall hergerollt am Boden, die hat nach einem Kopf ausgesehn, so daß der Futtermeisterin, wie sie’s von mir gehört hat, schlecht geworden ist. Und das Stubenmädchen hat gekündigt, wie ich abends gegen elf Uhr einen schwärzlichen Mann bei der Badestub hab herumspazieren sehn, mit’m Kopf unterm Arm, der mich um Feuer für seine Stummelpfeif gebeten hat. Der Herr Pappmann hat mit mir herumgeschrien, daß ich schuld bin und ihm die Leut vom Hof scheuch und bei ihm gibt’s keine Geister. Aber wie ich ihm gesagt hab, daß er sich irrt und daß ich zum Beispiel in der Zeit, wo die gnädige Frau zum Entbinden im Krankenhaus war, in zwei Nächten hintereinander ein weißes Gespenst hab aus dem Fenster zur Kammer der Futtermeisterin kommen und in das Fenster vom Herrn Pappmann selber hab einsteigen sehn, hat er nichts mehr sagen können. Aber er hat mich gekündigt. Wie ich gegangen bin, hab ich ihm gesagt, daß ich glaub, wenn er sorgt, daß sie auf dem Gut besser kochen, möchten die Geister mehr Ruh geben, weil sie den Geruch vom Fleisch zum Beispiel nicht vertragen solln.

PUNTILA Ich seh, du hast deine Stell nur verloren, weil sie beim Gesinde am Essen gespart haben, das setzt dich nicht runter in meinen Augen, daß du gern ißt, so lang du meinen Traktor anständig fährst und nicht aufsässig bist und dem Puntila gibst, was des Puntila ist. Da ist genug da, fehlt’s etwa an Holz im Wald? Da kann man doch einig werden, alle können mit dem Puntila einig werden. Er singt. »Warum mußt du prozessieren, liebes Kind? Da wir doch im Bette immer eines Sinns gewesen sind!« Wie gern tät der Puntila mit euch die Birken fällen und die Stein aus den Äckern graben und den Traktor dirigieren! Aber laßt man ihn? Mir haben sie einen harten Kragen umgelegt, daß ich mir schon zwei Kinne kaputtgerieben hab. Es paßt sich nicht, daß der Papa pflügt; es paßt sich nicht, daß der Papa die Mädchen kitzelt; es paßt sich nicht, daß der Papa mit den Arbeitern Kaffee trinkt! Aber jetzt paßt es mir nicht mehr, daß es sich nicht paßt, und ich fahr nach Kurgela und verlob meine Tochter mit dem Attaché und dann sitz ich in Hemdsärmeln beim Essen und hab keinen Aufpasser mehr, denn die Klinckmann kuscht, die f… ich und basta. Und euch leg ich zum Lohn zu, denn die Welt ist groß, und ich behalt meinen Wald und es reicht für euch und es reicht auch für den Herrn auf Puntila.

MATTIlacht laut und lang; dann: So ist es, beruhigen Sie sich nur, und den Herrn Oberrichter wecken wir auf, aber vorsichtig, sonst verurteilt er uns im Schrecken zu hundert Jahr.

PUNTILA Ich möcht sicher sein, daß da keine Kluft mehr ist zwischen uns. Sag, daß keine Kluft ist!

MATTI Ich nehm’s als einen Befehl, Herr Puntila, daß keine Kluft ist!

PUNTILA Bruder, wir müssen vom Geld reden.

MATTI Unbedingt.

PUNTILA Es ist aber niedrig, vom Geld reden.

MATTI Dann reden wir nicht vom Geld.

PUNTILA Falsch. Denn, frage ich, warum sollen wir nicht niedrig sein? Sind wir nicht freie Menschen?

MATTI Nein.

PUNTILA Na, siehst du. Und als freie Menschen können wir tun, was wir wollen, und jetzt wollen wir niedrig sein. Denn wir müssen eine Mitgift für mein einziges Kind herausreißen; dem heißt es jetzt ins Auge geschaut, kalt, scharf und betrunken. Ich seh zwei Möglichkeiten, ich könnt einen Wald verkaufen und ich könnt mich verkaufen. Was rätst du?

MATTI Ich möcht nicht mich verkaufen, wenn ich einen Wald verkaufen könnt.

PUNTILA Was, den Wald verkaufen? Du enttäuschst mich tief, Bruder. Weißt du, was ein Wald ist? Ist ein Wald etwa nur 10000 Klafter Holz? Oder ist er eine grüne Menschenfreude? Und du willst eine grüne Menschenfreude verkaufen? Schäm dich!

MATTI Dann das andre.

PUNTILA Auch du, Brutus? Kannst du wirklich wollen, daß ich mich verkaufe?

MATTI Wie wollens das machen: sich verkaufen?

PUNTILA Frau Klinckmann.

MATTI Auf Kurgela, wo wir hinfahren? Die Tante vom Attaché?

PUNTILA Sie hat ein Faible für mich.

MATTI Und der wollens Ihren Körper verkaufen? Das ist furchtbar.

PUNTILA Absolut nicht. Aber was wird aus der Freiheit, Bruder? Aber ich glaub, ich opfer mich auf, was bin ich?

MATTI Das ist richtig.

Der Richter wacht auf und sucht eine Klingel, die nicht vorhanden ist und die er schüttelt.

DER RICHTER Ruhe im Gerichtssaal.

PUNTILA Er meint, er ist im Gerichtssaal, weil er schläft. Bruder, du hast jetzt die Frage entschieden, was mehr wert ist, ein Wald wie mein Wald oder ein Mensch wie ich. Du bist ein wunderbarer Mensch. Da, nimm meine Brieftasche und zahl den Schnaps und steck sie ein, ich verlier sie nur. Auf den Richter. Aufheben, raustragen! Ich verlier alles, ich wollt, ich hätt nichts, das wär mir am liebsten. Geld stinkt, das merk dir. Das wär mein Traum, daß ich nichts hätt und wir gingen zu Fuß durch das schöne Finnland, oder höchstens mit einem kleinen Zweisitzer, das bissel Benzin würden sie uns überall pumpen und ab und zu, wenn wir müd sind, gingen wir in eine Schenke wie die und tränken ein Gläschen fürs Holzhacken, das könntest du mit der linken Hand machen, Bruder.

Sie gehen ab. Matti trägt den Richter.

2 Eva

Diele des Gutes Kurgela. Eva Puntila wartet auf ihren Vater und ißt Schokolade. Der Attaché Eino Silakka erscheint oben auf der Treppe. Er ist sehr schläfrig.

EVA Ich kann mir denken, daß Frau Klinckmann sehr verstimmt ist.

DER ATTACHÉ Meine Tante ist nie lang verstimmt. Ich hab noch einmal telefoniert nach ihnen. Am Kirchendorf ist ein Auto vorbeigefahren mit zwei johlenden Männern.

EVA Das sind sie. Eines ist gut, ich kenne meinen Vater unter Hunderten heraus. Ich hab immer gleich gewußt, wenn von meinem Vater die Red war. Wenn wo ein Mann mit einer Viehgeißel einem Knecht nachgelaufen ist oder einer Häuslerswitwe ein Auto geschenkt hat, war’s mein Vater.

DER ATTACHÉ