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Mutter Courage und ihre Kinder spielt während des Dreißigjährigen Kriegs zwischen 1624 und 1636 und erzählt die Geschichte der fahrenden Händlerin Mutter Courage, die versucht, ihr Geschäft mit dem Krieg zu machen, und dabei ihre drei Kinder verliert.
Eine Aufführung seines antikapitalistischen Lehrstücks soll zeigen, so Bertolt Brecht: »Daß die großen Geschäfte in den Kriegen nicht von den kleinen Leuten gemacht werden. Daß der Krieg, der eine Fortführung der Geschäfte mit anderen Mitteln ist, die menschlichen Tugenden tödlich macht, auch für ihre Besitzer. Daß er darum bekämpft werden muß.«
Der Anhang enthält neben der Zeittafel zum Dreißigjährigen Krieg und den Daten zur Entstehungsgeschichte die Vorlage zum Stück, J. L. Runebergs Ballade von »Lotta Svärd«, sowie Selbstaussagen Bertolt Brechts.
Eines der wichtigsten und meistgespielten Stücke des 20. Jahrhunderts, ein weltberühmtes Meisterwerk des politischen Dramas – in einer schön gestalteten, preiswerten Neuausgabe.
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Seitenzahl: 166
Veröffentlichungsjahr: 2025
Bertolt Brecht
Mutter Courage und ihre Kinder
Eine Chronik aus dem Dreißigjährigen Krieg Musik von Paul Dessau
Text und Materialien
Suhrkamp
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Der vorliegende Text folgt der Ausgabe:Bertolt Brecht, WerkeGroße kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe, hg. v. Werner Hecht, Jan Knopf, Werner Mittenzwei und Klaus-Detlef Müller.Band 6, Stücke 6, bearb. von Klaus-Detlef Müller. Berlin u. Weimar: Aufbau Verlag/Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1989, S. 7-86.Die »Zeittafel zum Dreißigjährigen Krieg« und die »Zeittafel zur Entstehungsgeschichte des Stücks, zu den Inszenierungen und zum Film« wurden erstellt von Wolfgang Jeske.
eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2025
Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe des suhrkamp taschenbuchs 5502.
NeuausgabeMutter Courage und ihre Kinder und Anhang:© 1949, Suhrkamp Verlag GmbH, Berlin/Bertolt-Brecht-Erben© dieser Zusammenstellung: Suhrkamp Verlag GmbH, Berlin, 2025Alle Rechte vorbehalten, insbesondere auch das der Aufführung durch professionelle Bühnen und Amateurtheater, der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags, der Speicherung in elektronischenDatensystemen, der Verfilmung und der Sendung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Abschnitte. Das Recht der Aufführung ist über die Suhrkamp Verlag GmbH zu erwerben: [email protected].
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Umschlaggestaltung und Illustration: Burkhard Neie, nach einem Foto von Konrad Reßler, Augsburg 1927
eISBN 978-3-518-78474-7
www.suhrkamp.de
Cover
Titel
Impressum
Inhalt
Informationen zum Buch
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Titel
Impressum
1 Frühjahr 1624. Der Feldhauptmann Oxenstjerna wirbt in Dalarne Truppen für den Feldzug in Polen. Der Marketenderin Anna Fierling, bekannt unter dem Namen Mutter Courage, kommt ein Sohn abhanden.
2 In den Jahren 1625 und 26 zieht Mutter Courage im Troß der schwedischen Heere durch Polen. Vor der Festung Wallhof trifft sie ihren Sohn wieder. – Glücklicher Verkauf eines Kapauns und große Tage des kühnen Sohnes.
3 Weitere drei Jahre später gerät Mutter Courage mit Teilen eines finnischen Regiments in die Gefangenschaft. Ihre Tochter ist zu retten, ebenso ihr Planwagen, aber ihr redlicher Sohn stirbt.
4 Mutter Courage singt das Lied von der Großen Kapitulation.
5 Zwei Jahre sind vergangen. Der Krieg überzieht immer weitere Gebiete. Auf rastlosen Fahrten durchquert der kleine Wagen der Courage Polen, Mähren, Bayern, Italien und wieder Bayern. 1631. Tillys Sieg bei Magdeburg kostet Mutter Courage vier Offiziershemden.
6 Vor der Stadt Ingolstadt in Bayern wohnt die Courage dem Begräbnis des gefallenen kaiserlichen Feldhauptmanns Tilly bei. Es finden Gespräche über Kriegshelden und die Dauer des Krieges statt. Der Feldprediger beklagt, daß seine Talente brachliegen, und die stumme Kattrin bekommt die roten Schuhe. Man schreibt das Jahr 1632.
7 Mutter Courage auf der Höhe ihrer geschäftlichen Laufbahn.
8 Im selben Jahr fällt der Schwedenkönig Gustav Adolf in der Schlacht bei Lützen. Der Frieden droht Mutter Courages Geschäft zu ruinieren. Der Courage kühner Sohn vollbringt eine Heldentat zu viel und findet ein schimpfliches Ende.
9 Schon sechzehn Jahre dauert nun der große Glaubenskrieg. Über die Hälfte seiner Bewohner hat Deutschland eingebüßt. Gewaltige Seuchen töten, was die Metzeleien übriggelassen haben. In den ehemals blühenden Landstrichen wütet der Hunger. Wölfe durchstreifen die niedergebrannten Städte. Im Herbst 1634 begegnen wir der Courage im deutschen Fichtelgebirge, abseits der Heerstraße, auf der die schwedischen Heere ziehen. Der Winter in diesem Jahr kommt früh und ist streng. Die Geschäfte gehen schlecht, so daß nur Betteln übrigbleibt. Der Koch bekommt einen Brief aus Utrecht und wird verabschiedet.
10 Das ganze Jahr 1635 ziehen Mutter Courage und ihre Tochter Kattrin über die Landstraßen Mitteldeutschlands, folgend den immer zerlumpteren Heeren.
11 Januar 1636. Die kaiserlichen Truppen bedrohen die evangelische Stadt Halle. Der Stein beginnt zu reden. Mutter Courage verliert ihre Tochter und zieht allein weiter. Der Krieg ist noch lange nicht zu Ende.
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Anhang
Zeittafel zum Dreißigjährigen Krieg
Daten zur Entstehungsgeschichte des Stücks, zu den Inszenierungen und zum Film
Vorlage
Johan Ludvig Runeberg (1804-1877)
Selbstaussagen Brechts
Zum Stück
Zur geplanten Verfilmung des Stoffes
Aus dem »Dreigroschenroman« (1934)
Informationen zum Buch
Mutter Courage und ihre Kinder
Redaktion: Elisabeth Hauptmann
»Mutter Courage und ihre Kinder«, geschrieben in Skandinavien vor dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges, ist der 20. Versuch. Eine Musik hierzu komponierte Paul Dessau.
Personen
Mutter Courage · Kattrin, ihre stumme Tochter · Eilif, der ältere Sohn · Schweizerkas, der jüngere Sohn · Der Werber · Der Feldwebel · Der Koch · Der Feldhauptmann · Der Feldprediger · Der Zeugmeister · Yvette Pottier · Der mit der Binde · Ein anderer Feldwebel · Der alte Obrist · Ein Schreiber · Ein junger Soldat · Ein älterer Soldat · Ein Bauer · Die Bauersfrau · Der junge Mann · Die alte Frau · Ein anderer Bauer · Die Bäuerin · Ein junger Bauer · Der Fähnrich · Soldaten · Eine Stimme
1 Frühjahr 1624. Der Feldhauptmann Oxenstjerna wirbt in Dalarne Truppen für den Feldzug in Polen. Der Marketenderin Anna Fierling, bekannt unter dem Namen Mutter Courage, kommt ein Sohn abhanden.
Landstraße in Stadtnähe. Ein Feldwebel und ein Werber stehen frierend.
der werber Wie soll man sich hier eine Mannschaft zusammenlesen? Feldwebel, ich denk schon mitunter an Selbstmord. Bis zum zwölften soll ich dem Feldhauptmann vier Fähnlein hinstelln, und die Leut hier herum sind so voll Bosheit, daß ich keine Nacht mehr schlaf. Hab ich endlich einen aufgetrieben, und schon durch die Finger gesehn und mich nix wissen gemacht, daß er eine Hühnerbrust hat und Krampfadern, ich hab ihn glücklich besoffen, er hat schon unterschrieben, ich zahl nur noch den Schnaps, er tritt aus, ich hinterher zur Tür, weil mir was schwant: Richtig, weg ist er, wie die Laus unterm Kratzen. Da gibts kein Manneswort, kein Treu und Glauben, kein Ehrgefühl. Ich hab hier mein Vertrauen in die Menschheit verloren, Feldwebel.
der feldwebel Man merkts, hier ist zu lang kein Krieg gewesen. Wo soll da Moral herkommen, frag ich? Frieden, das ist nur Schlamperei, erst der Krieg schafft Ordnung. Die Menschheit schießt ins Kraut im Frieden. Mit Mensch und Vieh wird herumgesaut, als wärs gar nix. Jeder frißt, was er will, einen Ranken Käs aufs Weißbrot und dann noch eine Scheibe Speck auf den Käs. Wie viele junge Leut und gute Gäul diese Stadt da vorn hat, weiß kein Mensch, es ist niemals gezählt worden. Ich bin in Gegenden gekommen, wo kein Krieg war vielleicht siebzig Jahr, da hatten die Leut überhaupt noch keine Namen, die kannten sich selber nicht. Nur wo Krieg ist, gibts ordentliche Listen und Registraturen, kommt das Schuhzeug in Ballen und das Korn in Säck, wird Mensch und Vieh sauber gezählt und weggebracht, weil man eben weiß: Ohne Ordnung kein Krieg!
der werber Wie richtig das ist!
der feldwebel Wie alles Gute ist auch der Krieg am Anfang halt schwer zu machen. Wenn er dann erst floriert, ist er auch zäh; dann schrecken die Leut zurück vorm Frieden, wie die Würfler vorm Aufhören, weil dann müssens zählen, was sie verloren haben. Aber zuerst schreckens zurück vorm Krieg. Er ist ihnen was Neues.
der werber Du, da kommt ein Planwagen. Zwei Weiber und zwei junge Burschen. Halt die Alte auf, Feldwebel. Wenn das wieder nix ist, stell ich mich nicht weiter in den Aprilwind hin, das sag ich dir.
Man hört eine Maultrommel. Von zwei jungen Burschen gezogen, rollt ein Planwagen heran. Auf ihm sitzen Mutter Courage und ihre stumme Tochter Kattrin.
mutter courage Guten Morgen, Herr Feldwebel!
der feldwebelsich in den Weg stellend: Guten Morgen, ihr Leut! Wer seid ihr?
mutter courage Geschäftsleut. Singt.
Ihr Hauptleut, laßt die Trommel ruhen
Und laßt eur Fußvolk halten an:
Mutter Courage, die kommt mit Schuhen
In denen es besser laufen kann.
Mit seinen Läusen und Getieren
Bagage, Kanone und Gespann –
Soll es euch in die Schlacht marschieren
So will es gute Schuhe han.
Das Frühjahr kommt. Wach auf, du Christ!
Der Schnee schmilzt weg. Die Toten ruhn.
Und was noch nicht gestorben ist
Das macht sich auf die Socken nun.
Ihr Hauptleut, eure Leut marschieren
Euch ohne Wurst nicht in den Tod.
Laßt die Courage sie erst kurieren
Mit Wein von Leibs- und Geistesnot.
Kanonen auf die leeren Mägen
Ihr Hauptleut, das ist nicht gesund.
Doch sind sie satt, habt meinen Segen
Und führt sie in den Höllenschlund.
Das Frühjahr kommt. Wach auf, du Christ!
Der Schnee schmilzt weg. Die Toten ruhn.
Und was noch nicht gestorben ist
Das macht sich auf die Socken nun.
der feldwebel Halt, wohin gehört ihr, Bagage?
der ältere sohn Zweites Finnisches Regiment.
der feldwebel Wo sind eure Papiere?
mutter courage Papiere?
jüngerer sohn Das ist doch die Mutter Courage!
der feldwebel Nie von gehört. Warum heißt sie Courage?
mutter courage Courage heiß ich, weil ich den Ruin gefürchtet hab, Feldwebel, und bin durch das Geschützfeuer von Riga gefahrn mit fünfzig Brotlaib im Wagen. Sie waren schon angeschimmelt, es war höchste Zeit, ich hab keine Wahl gehabt.
der feldwebel Keine Witze, du. Wo sind die Papiere!
mutter courageaus einer Zinnbüchse einen Haufen Papiere kramend und herunterkletternd: Das sind alle meine Papiere, Feldwebel. Da ist ein ganzes Meßbuch dabei, aus Altötting, zum Einschlagen von Gurken, und eine Landkarte von Mähren, weiß Gott, ob ich da je hinkomm, sonst ist sie für die Katz, und hier stehts besiegelt, daß mein Schimmel nicht die Maul- und Klauenseuch hat, leider ist er uns umgestanden, er hat fünfzehn Gulden gekostet, aber nicht mich, Gott sei Dank. Ist das genug Papier?
der feldwebel Willst du mich auf den Arm nehmen? Ich werd dir deine Frechheit austreiben. Du weißt, daß du eine Lizenz haben mußt.
mutter courage Reden Sie anständig mit mir und erzählen Sie nicht meinen halbwüchsigen Kindern, daß ich Sie auf den Arm nehmen will, das gehört sich nicht, ich hab nix mit Ihnen. Meine Lizenz beim Zweiten Regiment ist mein anständiges Gesicht, und wenn Sie es nicht lesen können, kann ich nicht helfen. Einen Stempel laß ich mir nicht draufsetzen.
der werber Feldwebel, ich spür einen unbotmäßigen Geist heraus bei der Person. Im Lager da brauchen wir Zucht.
mutter courage Ich dacht Würst.
der feldwebel Name.
mutter courage Anna Fierling.
der feldwebel Also dann heißts ihr alle Fierling?
mutter courage Wieso? Ich heiß Fierling. Die nicht.
der feldwebel Ich denk, das sind alles Kinder von dir?
mutter courage Sind auch, aber heißen sie deshalb alle gleich? Auf den älteren Sohn deutend. Der zum Beispiel heißt Eilif Nojocki, warum, sein Vater hat immer behauptet, er heißt Kojocki oder Mojocki. Der Junge hat ihn noch gut im Gedächtnis, nur, das war ein anderer, den er im Gedächtnis hat, ein Franzos mit einem Spitzbart. Aber sonst hat er vom Vater die Intelligenz geerbt; der konnt einem Bauern die Hos vom Hintern wegziehn, ohne daß der was gemerkt hat. Und so hat eben jedes von uns seinen Namen.
der feldwebel Was, jedes einen anderen?
mutter courage Sie tun grad, als ob Sie das nicht kennten.
der feldwebel Dann ist der wohl ein Chineser? Auf den Jüngeren deutend.
mutter courage Falsch geraten. Ein Schweizer.
der feldwebel Nach dem Franzosen?
mutter courage Nach was für einem Franzosen? Ich weiß von keinem Franzosen. Bringen Sies nicht durcheinander, sonst stehn wir am Abend noch da. Ein Schweizer, heißt aber Fejos, ein Name, der nix mit seinem Vater zu tun hat. Der hieß ganz anders und war Festungsbaumeister, nur versoffen.
Schweizerkas nickt strahlend, und auch die stumme Kattrin amüsiert sich.
der feldwebel Wie kann er da Fejos heißen?
mutter courage Ich will Sie nicht beleidigen, aber Phantasie haben Sie nicht viel. Er heißt natürlich Fejos, weil, als er kam, war ich mit einem Ungarn, dem wars gleich, er hatte schon den Nierenschwund, obwohl er nie einen Tropfen angerührt hat, ein sehr redlicher Mensch. Der Junge ist nach ihm geraten.
der feldwebel Aber er war doch gar nicht der Vater?
mutter courage Aber nach ihm ist er geraten. Ich heiß ihn Schweizerkas, warum, er ist gut im Wagenziehen. Auf ihre Tochter deutend. Die heißt Kattrin Haupt, eine halbe Deutsche.
der feldwebel Eine nette Familie, muß ich sagen.
mutter courage Ja, ich bin durch die ganze Welt gekommen mit meinem Planwagen.
der feldwebel Das wird alles aufgeschrieben. Er schreibt auf.
der werber Ihr solltet lieber Jakob Ochs und Esau Ochs heißen, weil ihr doch den Wagen zieht. Aus dem Gespann kommt ihr wohl nie heraus?
eilif Mutter, darf ich ihm aufs Maul hauen? Ich möcht gern.
mutter courage Und ich untersags dir, du bleibst stehn. Und jetzt, meine Herren Offizier, brauchens nicht eine gute Pistolen, oder eine Schnall, die Ihre ist schon abgewetzt, Herr Feldwebel.
der feldwebel Ich brauch was andres. Ich seh, die Burschen sind wie die Birken gewachsen, runde Brustkästen, stämmige Haxen: warum drückt sich das vom Heeresdienst, möcht ich wissen?
mutter courageschnell: Nicht zu machen, Feldwebel. Meine Kinder sind nicht für das Kriegshandwerk.
der werber Aber warum nicht? Das bringt Gewinn und bringt Ruhm. Stiefelverramschen ist Weibersache. Zu Eilif: Tritt einmal vor, laß dich anfühlen, ob du Muskeln hast oder ein Hühnchen bist.
mutter courage Ein Hühnchen ist er. Wenn einer ihn streng anschaut, möcht er umfallen.
der werber Und ein Kalb dabei erschlagen, wenn eins neben ihm stünd. Er will ihn wegführen.
mutter courage Willst du ihn wohl in Ruhe lassen? Der ist nix für euch.
der werber Er hat mich grob beleidigt, und von meinem Mund als einem Maul geredet. Wir zwei gehen dort ins Feld und tragen die Sach aus unter uns Männern.
eilif Sei ruhig. Ich besorgs ihm, Mutter.
mutter courage Stehen bleibst du. Du Haderlump! Ich kenn dich, nix wie raufen. Ein Messer hat er im Stiefel, stechen tut er.
der werber Ich ziehs ihm aus wie einen Milchzahn, komm, Bürschchen.
mutter courage Herr Feldwebel, ich sags dem Obristen. Der steckt euch ins Loch. Der Leutnant ist ein Freier meiner Tochter.
der feldwebel Keine Gewalt, Bruder. Zu Mutter Courage: Was hast du gegen den Heeresdienst? War sein Vater nicht Soldat? Und ist anständig gefallen? Das hast du selber gesagt.
mutter courage Er ist ein ganzes Kind. Ihr wollt ihn mir zur Schlachtbank führen, ich kenn euch. Ihr kriegt fünf Gulden für ihn.
der werber Zunächst kriegt er eine schöne Kappe und Stulpenstiefel, nicht?
eilif Nicht von dir.
mutter courage Komm, geh mit angeln, sagte der Fischer zum Wurm. Zum Schweizerkas: Lauf weg und schrei, die wollen deinen Bruder stehlen. Sie zieht ein Messer. Probierts nur und stehlt ihn. Ich stech euch nieder, Lumpen. Ich werds euch geben, Krieg mit ihm führen! Wir verkaufen ehrlich Leinen und Schinken und sind friedliche Leut.
der feldwebel Das sieht man an deinem Messer, wie friedlich ihr seid. Überhaupt sollst du dich schämen, gib das Messer weg, Vettel! Vorher hast du eingestanden, du lebst vom Krieg, denn wie willst du sonst leben, von was? Aber wie soll Krieg sein, wenn es keine Soldaten gibt?
mutter courage Das müssen nicht meine sein.
der feldwebel So, den Butzen soll dein Krieg fressen, und die Birne soll er ausspucken! Deine Brut soll dir fett werden vom Krieg, und ihm gezinst wird nicht. Er kann schauen, wie er zu seine Sach kommt, wie? Heißt dich Courage, he? Und fürchtest den Krieg, deinen Brotgeber? Deine Söhn fürchten ihn nicht, das weiß ich von ihnen.
eilif Ich fürcht kein Krieg.
der feldwebel Und warum auch? Schaut mich an: ist mir das Soldatenlos schlecht bekommen? Ich war mit siebzehn dabei.
mutter courage Du bist noch nicht siebzig.
der feldwebel Ich kanns erwarten.
mutter courage Ja, unterm Boden vielleicht.
der feldwebel Willst du mich beleidigen, und sagst, ich sterb?
mutter courage Und wenns die Wahrheit ist? Wenn ich seh, daß du gezeichnet bist? Wenn du dreinschaust wie eine Leich auf Urlaub, he?
schweizerkas Sie hat das Zweite Gesicht, das sagen alle. Sie sagt die Zukunft voraus.
der werber Dann sag doch mal dem Herrn Feldwebel die Zukunft voraus, es möcht ihn amüsieren.
der feldwebel Ich halt nix davon.
mutter courage Gib den Helm.
Er gibt ihn ihr.
der feldwebel Das bedeutet nicht so viel wie ins Gras scheißen. Nur daß ich was zum Lachen hab.
mutter couragenimmt einen Pergamentbogen und zerreißt ihn: Eilif, Schweizerkas und Kattrin, so möchten wir alle zerrissen werden, wenn wir uns in'n Krieg zu tief einlassen täten. Zum Feldwebel: Ich werds Ihnen ausnahmsweis gratis machen. Ich mal ein schwarzes Kreuz auf den Zettel. Schwarz ist der Tod.
schweizerkas Und den anderen läßt sie leer, siehst du?
mutter courage Da falt ich sie zusammen, und jetzt schüttel ich sie durcheinander. Wie wir alle gemischt sind, von Mutterleib an, und jetzt ziehst du und weißt Bescheid.
Der Feldwebel zögert.
der werberzu Eilif: Ich nehm nicht jeden, ich bin bekannt für wählerisch, aber du hast ein Feuer, das mich angenehm berührt.
der feldwebelim Helm fischend: Blödheit! Nix als ein Augenauswischen.
schweizerkas Ein schwarzes Kreuz hat er gezogen. Hin geht er.
der werber Laß du dich nicht ins Bockshorn jagen, für jeden ist keine Kugel gegossen.
der feldwebelheiser: Du hast mich beschissen.
mutter courage Das hast du dich selber an dem Tag, wo du Soldat geworden bist. Und jetzt fahrn wir weiter, es ist nicht alle Tag Krieg, ich muß mich tummeln.
der feldwebel Hölle und Teufel, ich laß mich von dir nicht anschmieren. Deinen Bankert nehmen wir mit, der wird uns Soldat.
eilif Ich möchts schon werden, Mutter.
mutter courage Das Maul hältst du, du finnischer Teufel.
eilif Der Schweizerkas will jetzt auch Soldat werden.
mutter courage Das ist mir was Neues. Ich werd euch auch das Los ziehen lassen müssen, euch alle drei. Sie läuft nach hinten, auf Zettel Kreuze zu malen.
der werberzu Eilif: Es ist gegen uns gesagt worden, daß es fromm zugeht im schwedischen Lager, aber das ist üble Nachred, damit man uns schadet. Gesungen wird nur am Sonntag, eine Stroph! und nur, wenn einer eine Stimm hat.
mutter couragekommt zurück mit den Zetteln im Helm des Feldwebels: Möchten ihrer Mutter weglaufen, die Teufel, und in den Krieg wie die Kälber zum Salz. Aber ich werd die Zettel befragen, und da werden sie schon sehen, daß die Welt kein Freudental ist, mit »Komm mit, Sohn, wir brauchen noch Feldhauptleut«. Feldwebel, ich hab wegen ihnen die größten Befürchtungen, sie möchten mir nicht durch den Krieg kommen. Sie haben schreckliche Eigenschaften, alle drei. Sie streckt Eilif den Helm hin. Da, fisch dir dein Los raus. Er fischt, faltet auf. Sie entreißt es ihm. Da hast dus, ein Kreuz! Oh, ich unglückliche Mutter, ich schmerzensreiche Gebärerin. Er stirbt? Im Lenz des Lebens muß er dahin. Wenn er ein Soldat wird, muß er ins Gras beißen, das ist klar. Er ist zu kühn, nach seinem Vater. Und wenn er nicht klug ist, geht er den Weg des Fleisches, der Zettel beweist es. Sie herrscht ihn an. Wirst du klug sein?
eilif Warum nicht?
mutter courage Klug ist, wenn du bei deiner Mutter bleibst, und wenn sie dich verhöhnen und ein Hühnchen schimpfen, lachst du nur.
der werber Wenn du dir in die Hosen machst, werd ich mich an deinen Bruder halten.
mutter courage Ich hab dir geheißen, du sollst lachen. Lach! Und jetzt fisch du, Schweizerkas. Bei dir fürcht ich weniger, du bist redlich. Er fischt im Helm. Oh, warum schaust du so sonderbar auf den Zettel? Bestimmt ist er leer. Es kann nicht sein, daß da ein Kreuz drauf steht. Dich soll ich doch nicht verlieren. Sie nimmt den Zettel.
