Herrschen bis der Frühling kommt - Muriel Mirak-Weißbach - E-Book

Herrschen bis der Frühling kommt E-Book

Muriel Mirak-Weißbach

4,8

Beschreibung

Mubarak, Gaddafi, Ben Ali, Saleh und Assad. Stets tauchen diese fünf Herrschernamen in den Medien auf, wenn es um den Kampf für Demokratie und um den arabischen Frühling geht. Doch wer sind diese Männer, die über einen langen Zeitraum das Schicksal ihrer Länder bestimmt haben? Woher kamen sie, und wie kamen sie an die Macht? Was hinderte sie daran zu verstehen, dass ihre Zeit abgelaufen war - selbst dann, als sie sich mit der massiven Forderung nach sozialer und politischer Veränderung konfrontiert sahen? Die Journalistin Muriel Mirak-Weißbach hat sich spezialisiert auf wirtschaftliche, politische und kulturelle Entwicklungen in der arabischen und islamischen Welt. Während der Revolutionsprozesse untersuchte sie typische Reaktionen und Verhaltensweisen dieser Staatschefs, ihre politischen Maßnahmen und öffentlichen Auftritte. Sie analysiert die Traditionen der Herkunftsfamilien sowie Prägungen der Protagonisten durch Kindheitserfahrungen. Damit liefert sie einen Verständniskontext, in dem die Persönlichkeitsstruktur sichtbar wird: Der Wahnsinn hat Methode. Im Nachwort richtet sich der Blick auch auf die zeitgenössische US-Politik, zwei narzisstische Prominente: George W. Bush und Sarah Palin. Ein hochaktuelles Buch, das Einblicke liefert in die Verhaltensmuster machtbesessener Politiker mit der Disposition zum diktatorisch-autokratischen Handeln: Herrschen bis der Frühling kommt.

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Gaddafi: »Wenn wir es mit einem Verrückten wie [dem jordanischen König] zu tun haben, der sein eigenes Volk umbringen will, dann müssen wir jemanden losschicken, der ihn einkassiert und ins Irrenhaus befördert.«

König Feisal: »Sie sollten einen arabischen König nicht als Verrückten bezeichnen, der ins Irrenhaus gehört.«

Gaddafi: »Aber seine gesamte Familie ist verrückt. Das ist belegt.«

König Feisal: »Na, vielleicht sind wir ja alle verrückt.«

Nasser: »Wenn man manchmal sieht, was in der arabischen Welt so vor sich geht, kann sich dieser Eindruck wohl aufdrängen. Ich schlage vor: Wir beauftragen einen Arzt, uns regelmäßig zu untersuchen und herauszufinden, wer verrückt ist.«

König Feisal: »Dann sollte er vielleicht mit mir beginnen, denn wenn ich mich so umschaue, bezweifele ich, ob ich meinen Verstand noch lange wahren kann.«

Kairo-Konferenz, September 19701

1 Mohamed Heikal, The Road to Ramadan, William Collins Sons & Co. Ltd., London, 1975, S.100.

IMPRESSUM

Herrschen bis der Frühling kommt

AutorinMuriel Mirak-Weißbach

Erschienen 2012 beiIthaca Press, Reading (GB)Originalausgabe:›Madmen at the Helm - Pathology and Politics in the Arab Spring‹© Copyright: Muriel Mirak-WeissbachDer Text wurde für die deutsche Fassung von der Autorin aktualisiert.

ÜbersetzerinOrtrun Cramer

SeitengestaltungGrößenwahn Verlag Frankfurt am Main

SchriftenConstantia und Lucida Calligraphy

CovergestaltungLiza Panteliadou

LektoratAlexandra von Streit

Druck und BindungPrint Group Sp. z. o. o. Szczecin (Stettin)

Größenwahn Verlag Frankfurt am MainSeptember 2014

ISBN: 978-3-942223-94-2eISBN: 978-3-942223-95-9

Muriel Mirak-Weißbach

Herrschenbis der Frühling kommt

Profil der Machthaberin Tunesien, Ägypten, Jemen, Libyen und Syrien

Aus dem Englischenvon Ortrun Cramer

INHALT

VORWORT FÜR DIE DEUTSCHE AUSGABE

EINFÜHRUNG

Herrschen1

NARZISS AUF DEM THRON

Herrschen2

MUAMMAR GADDAFI

KÖNIG DER KÖNIGE

Herrschen3

HOSNI MUBARAK

RAMSES DER NEUZEIT

Herrschen4

ZINE EL-ABIDINE BEN ALI

ALLES IN DER FAMILIE

Herrschen5

ALI ABDULLAH SALIH

GESTALT WIE AUS EINER SHAKESPEARE’SCHEN TRAGÖDIE

Herrschen6

BASCHAR AL-ASSAD

MEISTER DER VERSTELLUNG

Herrschen7

POSTSCRIPTUM

NARZISSMUS AUF AMERIKANISCHE ART

Herrschen8

DER GUTE HERRSCHER

LITERATURNACHWEIS

BIOGRAPHISCHES

VORWORT FÜR DIE DEUTSCHE AUSGABE

Seit dieses Buch im englischen Original und in arabischer Übersetzung erschien, hat sich die revolutionäre Dynamik, die in der arabischen Welt ihren Ausgang nahm, nicht nur dort, sondern auch in anderen Ländern in Form und Ausrichtung verändert. 2011 erschien zunächst die arabische Fassung bei All-Prints Distributors & Publishers, Beirut, später auch das englische Original Madmen at the Helm: Pathology and Politics in the Arab Spring bei Garnet Publishing Ltd. Der Hardcover-Ausgabe von 2012 folgte 2013 eine aktualisierte und überarbeitete Fassung im Taschenbuch-Format. Für diese erste deutsche Auflage wurde der Text erneut vollständig überarbeitet und auf den neuesten Stand gebracht. Insbesondere das Syrien-Kapitel enthält viel neues Material; die Einführung wurde neu geschrieben. Dabei konnten auch Bücher über die Arabellion einbezogen werden, die seit der ersten Ausgabe von Herrschen bis der Frühling kommt in deutscher (und englischer Sprache) erschienen sind.

EINFÜHRUNG

Fast zwei Jahre nach Ausbruch der Unruhen in Tunesien ein Buch über die arabische Revolution zu schreiben, das ist ungefähr so, als würde man versuchen, das Wesen eines Flusses zu erfassen, indem man die Hand hineinsteckt und in der hohlen Hand etwas Wasser herausschöpft. Die nassen Hände bestätigen einem, dass man es versucht hat, aber der Fluss fließt unbeirrt weiter. Die Realität im Jahr 2014, so wie sie in dem Konflikt im gesamten Nahen und Mittleren Osten – der sich jederzeit zu einen weltweiten Konflikt ausweiten kann – zum Ausdruck kommt, ist völlig anders als 2011. Doch so unterschiedlich die Lage damals und heute auch erscheint, es gibt Verbindungen zwischen beiden, die einer umfassenden Analyse unterzogen werden können.

Der junge Tunesier Mohammad Bouazizi, der sich selbst verbrannte und damit jenes Feuer entzündete, das dann auf ganz Nordafrika bis in den Nahen Osten übergriff, reagierte mit diesem extremen Schritt auf seine unerträgliche Lage. Er hatte trotz Abitur keine andere Möglichkeit gefunden, für seine verwitwete Mutter und sieben Geschwister zu sorgen, als auf der Straße Gemüse zu verkaufen. Eines Tages kontrollierte eine Polizistin seine Papiere und erklärte, er habe keine »Lizenz«. Sie ohrfeigte ihn, beleidigte seinen verstorbenen Vater und untersagte ihm den weiteren Verkauf. Die Darstellung des Streits mit der Polizistin wird angezweifelt, unbestritten ist aber, dass Bouazizi einige Tage später im Büro des Gouverneurs vorsprach, um Schadensersatz zu verlangen, dort jedoch schroff abgewiesen wurde. Daraufhin übergoss er sich mit Benzin und zündete sich an. 18 Tage später erlag er seinen schweren Verbrennungen. Was fälschlich als Geste eines verzweifelten Individuums hätte ausgelegt werden können, war in Wahrheit ein tragisches Geschehen, in dem die Misere eines ganzen Volks zum Ausdruck kam. Es war die Tat eines Mannes, der beschlossen hatte, sich selbst zu opfern und damit den Machthabern zu demonstrieren, er sei, um seine Würde als Mensch zu wahren, eher zu sterben bereit als solch eine Erniedrigung zu erdulden. Bei einer Analyse aus psychologischer Sicht zeigt sich der Zwischenfall zwischen Bouazizi und der Polizistin als narzisstischer Affront gegen seine Menschenwürde, den die Menschen im Land als Beleidigung für sie alle, nicht nur für den Betroffenen, auffassten.2 Präsident Ben Ali besuchte den Mann sogar im Krankenhaus, doch keine noch so väterliche Geste konnte die Wut in der Bevölkerung mehr eindämmen.3

Bouazizis hoch symbolische Tat verkörperte das wirtschaftliche und soziale Elend großer Schichten der arabischen Bevölkerung: Hohe Arbeitslosigkeit, vor allem unter der Jugend, die in diesen Ländern die Mehrheit der Bevölkerung stellt, und außerdem die sich immer weiter öffnende Schere zwischen den sehr Reichen – die vorher zumeist von der Korruption der regierenden Despoten und Mafia-ähnlichen Wirtschaftsstrukturen profitiert hatten – und den sehr Armen, die beispielsweise in Ägypten oft genug von nicht einmal zwei Dollar am Tag leben müssen. Schließlich die jahrzehntelange Diktatur mit Notstandsgesetzen, willkürlichen Festnahmen, langjährigen Haftstrafen ohne Anklage und der Folterung politischer Häftlinge, Schätzungen zufolge Zehntausende an der Zahl.4

Doch es war nicht die wirtschaftliche Misere an sich, die arabische Jugendliche zunächst in Tunesien, später auch in Ägypten auf die Straße brachte, sondern es war die soziale und psychische Erniedrigung, die ihre Generation erlitten hatte. Mohammed Seyyed Selim, ein befreundeter ägyptischer Professor und bekannter Intellektueller, erklärte mir schon am ersten Tag der Demonstrationen, die Jugendlichen könnten »Entbehrungen ertragen, aber keine Erniedrigung«. Schon am 23. Januar hatte er in einem Artikel in der Zeitung Al Arabi vorhergesagt, Ägypten werde denselben Weg gehen wie Tunesien, da in beiden Ländern vergleichbare Bedingungen herrschten.

Die Proteste gegen diese Erniedrigung und die Forderung nach Würde signalisierten eine Veränderung in Sicht und Selbstverständnis einer Bevölkerung, besonders einer Jugend, die bis dahin deprimiert gewesen war und sich passiv verhalten hatte. Wer wie ich in den vergangenen zwanzig Jahren Kairo besucht hat, erinnert sich an die Bilder voller Demoralisierung und Verzweiflung. Vor jedem Laden, vor jedem öffentlichen Gebäude saß ein alter Mann in einem zerschlissenen Kaftan, der an seinem Tee nippte und sich mit der »Bewachung« des Gebäudes die paar ägyptische Pfund verdiente, die er zum Leben brauchte. Den Tee brachte ihm ein kleiner Junge, der eigentlich in die Schule gehört hätte, stattdessen aber für einen erbärmlichen Lohn als Straßenkellner arbeitete. Vor Banken, Hotels und anderen großen Gebäuden waren Militärs und Polizisten mit ihren Dienstfahrzeugen postiert. Ob beim Gebäude des staatlichen Fernsehens, der Zentrale der Arabischen Liga oder eines Ministeriums, überall traf man auf Polizisten und Soldaten, deren Präsenz einschüchternd wirkte. In der Hoffnung auf ein ansehnliches Trinkgeld benahm sich das Hotelpersonal den Gästen gegenüber oft genug regelrecht unterwürfig. Händler auf der Straße und im Basar stürzten sich wie die Geier auf die ausländischen Besucher, um einen kleinen Gewinn zu ergattern, räudige Katzen prügelten sich um die Krümel, die von den Tischen der Touristen fielen.

Mehr oder weniger dasselbe trübselige Bild bot sich dem Reisenden in Tunesien. Bei einem Besuch im Jahr 1994 war ich schockiert über die vielen Polizisten und Sicherheitsleute in jedem Häuserblock, es schien mehr davon zu geben als Cafés in einer italienischen Stadt. Die unverhältnismäßig hohe Zahl von Polizisten war für die surrealistisch anmutende Einschüchterung der Bevölkerung verantwortlich. Eine Freundin, die ich damals besuchte – sie war Journalistin und Menschenrechtsaktivistin –, hatte sich dermaßen an die ständige Überwachung durch die allgegenwärtigen Sicherheitsleute gewöhnt, dass sie das Verdeck ihres Autos öffnete und alle Fenster herunterließ, bevor sie mir im Vertrauen beschrieb, welch tyrannisches Polizeistaats-Regime in ihrem Land herrschte. Ihr Name war Sihem Bensedrine, sie wurde später zu einer Inspiration für die Revolution.

Die meisten Regierungen, die sich auf die Einschätzungen ihrer Geheimdienste und Denkfabriken verließen, wurden von den Entwicklungen überrascht, doch die Saat für den Aufstand war schon mindestens zehn Jahre zuvor gelegt worden. Die Widerstandsbewegung in Tunesien, Ägypten und anderen Ländern war zwar mit großer Brutalität unterdrückt worden, hatte aber überdauert und es trotz Polizeistaatsbedingungen geschafft, den Kontakt unter den in losen Netzwerken organisierten Gleichgesinnten aufrecht zu erhalten. In Tunesien waren aktive zivilgesellschaftliche Organisationen entstanden, die sich Ben Alis PR-Kampagne zunutze gemacht hatten, mit der er den Westen von der politischen Liberalisierung in seinem Land hatte überzeugen wollen. Tunesien hatte den Vorteil einer in den 1920er Jahren gegründeten Gewerkschaftsbewegung und der Tunesischen Liga für Menschenrechte (TLHR), die in den 1970er Jahren entstanden war. Beide gehören zu den ältesten derartigen Körperschaften in der arabischen Welt.5 Sie verfügten zwar über keinerlei politische Macht, verschafften den Bürgern aber die Gelegenheit, sich in einem gesellschaftlichen Netzwerk zusammenzuschließen, das nun zur Triebfeder der Revolution wurde.

Die Revolution in Ägypten, die im Januar 2011 begann, wurde durch die Ereignisse in Tunesien ausgelöst, aber die Opposition im Lande hatte sich bereits seit dem Jahr 2000 formiert. Von 2000 bis 2004, während der zweiten Intifada in Palästina und des Irakkriegs, hatten Studenten der Kairoer Universität wiederholt zu Demonstrationen aufgerufen. Bei den Parlamentswahlen ein Jahr später hatte es massiven Wahlbetrug gegeben. Die Kifaya-Bewegung entstand nach dem Besuch des ehemaligen malaysischen Ministerpräsidenten Mahatir Mohammed, der bei einer Pressekonferenz in Kairo erklärt hatte, er sei zurückgetreten, denn »22 Jahre sind genug». »Genug« – auf Arabisch Kifaya – wurde zum Namen einer energischen Widerstandsbewegung gegen Mubarak. 2006-2007 kam es zu Streiks gegen die vom Internationalen Währungsfonds verordneten Privatisierungen, 2006 erklärten Demonstranten ihre Solidarität mit dem Libanon und 2008 mit der Bevölkerung von Gaza gegen das harte Vorgehen Israels. 2008 formierte sich die Jugendbewegung des 6. April als Streikunterstützungskomitee für Arbeiter, die sich der geplanten Privatisierung von Staatsbetrieben widersetzten. 2010, als die Frage der Präsidentschaftswahlen auf die Tagesordnung kam, entstand zusammen mit der Bewegung »El Baradei for President« auch eine Organisation »Wir sind alle Khaled Said« unter der Führung von Wael Ghonim. Khaled Said war ein ägyptischer Blogger, der im Juni 2010 von ägyptischen Sicherheitskräften brutal gefoltert und anschließend ermordet worden war. Zur gleichen Zeit fanden sogenannte Parlamentswahlen statt, deren Ergebnis in einem solchen Ausmaß gefälscht war, dass sich die Reihen der wenigen symbolischen Oppositionsmitglieder, die im Parlament geduldet wurden, lichteten. Nun bedurfte es nur noch eines Zündfunkens, um den schwelenden gesellschaftlichwirtschaftlich-politischen Konflikt zum Ausbruch zu bringen.6 Und dieser Funke war Tunesien.

Bouazizis Selbstverbrennung war der Anstoß, durch den das im Untergrund gärende Ferment in offene politische Aktion umschlug. Seine Tat überwand die Passivität, von der besonders die Jugend jahrzehntelang gelähmt war. Die Anführer der ersten Massenproteste hatten ihre Angst überwunden, jene Angst, die repressive Regimes als Mittel gesellschaftlicher Kontrolle aufgebaut hatten. Die Stärke der Demonstranten beruhte auf ihrer Bereitschaft, das Leben für ihr Anliegen einzusetzen. Fernsehzuschauern in aller Welt erklärten sie über Satelliten-Stationen, mal militant, mal ganz ruhig: Wir bleiben hier und demonstrieren bis zum Sieg. Wenn es sein muss, bleiben wir hier, bis wir sterben. Ein junger Mann sagte direkt in die Kamera: »Es ist eine Frage von Freiheit oder Tod«. Er hatte wahrscheinlich Patrick Henrys berühmten Ausspruch: »Gebt mir die Freiheit oder gebt mir den Tod« nie gehört, vermittelte aber genau dieselbe Botschaft. Auch Martin Luther King war überzeugt, dass jeder, der erfahren wolle, was es heißt, ein Mensch zu sein, bereit sein müsse, für eine Sache sein Leben zu opfern. »Ein Mensch, der nichts gefunden hat, für das er sterben würde, dessen Leben ist nutzlos.« In der arabischen Revolution entdeckten die jungen Demonstranten, was es bedeutet, ein Mensch zu sein.

Es ist eine durchgreifende Revolution des Denkens. In der Geschichte – sei es in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre oder in der friedlichen Revolution in Ostdeutschland 1989 – hat sich immer wieder gezeigt: Wenn Menschen bereit sind, für eine Sache zu sterben, gibt es kein Mittel, sie zu bekämpfen – Massenmord ausgenommen.

In beiden Fällen, in denen der Aufruhr der Massen in kürzester Zeit Diktaturen zum Einsturz brachte, gab das Festhalten an gewaltfreiem Protest und Widerstand den Ausschlag.7 Als das Mubarak-Regime mit Polizei-Übergriffen auf die Demonstrationen reagierte und die ersten Opfer gemeldet wurden, wahrte die Bewegung ihre moralische Überlegenheit: Sie antwortete nicht mit Gewalt, sondern mit einer Ausweitung der Mobilisierung. Der ehemalige deutsche Diplomat Dr. Gerhard Fulda, der sich zu Beginn der Revolution zufällig in Kairo aufhielt, war auf dem Tahrir-Platz, als die Polizei in die Menschenmenge feuerte. Er begreife sich nicht mehr als religiösen Menschen, versicherte er am 26. Februar 2011 bei einem Treffen der Deutsch-Arabischen Gesellschaft in Berlin, und sei seit Jahren nicht in der Kirche gewesen, aber in dem Moment habe er ein stilles Gebet zum Himmel geschickt. Es habe in etwa so gelautet: »Lieber Gott lass‘ sie nicht mit Gewalt antworten«. Gottseidank hätten die Demonstranten tatsächlich nicht mit Gewalt reagiert; dies habe den Ausgang der Revolution maßgeblich bestimmt.

Die Zahl der Opfer war horrende. In Ägypten starben in der ersten Phase bis zu Mubaraks Sturz mehr als 800 Menschen, trotzdem wichen die Demonstranten nicht. Weitere Hunderte verschwanden während der Mursi-Diktatur und nach dessen vom Militär unterstützten Sturz und der anschließenden Unterdrückung der Moslembruderschaft. Die Zahlen aus Libyen und Syrien sind bisher noch gar nicht bekannt. Aber wie ein junger Araber gesagt hatte: »Sie können uns ja schließlich nicht alle umbringen«. Als umgekehrt die Opposition die Strategie des zivilen Ungehorsams aufgab und sich (aus welchen Gründen auch immer) für bewaffneten Widerstand entschied, wie in Libyen und Syrien geschehen, verlor sie nicht nur den moralischen Vorteil, sondern wurde zunehmend zum Spielball geopolitischer Manipulation, wie wir später noch sehen werden.8 Auch wenn sie weitgehend unbeachtet bleiben, es gibt in Syrien Gruppen, die nach wie vor, auch in den Wirren des Krieges, ihren Protest gewaltlos zum Ausdruck bringen.9

Ein zweiter Faktor war das Militär. Die Demonstranten bewiesen erhebliche politische Reife, als sie die Streitkräfte aufriefen, sich auf ihre Seite zu schlagen und sie vor Angriffen der Polizei-Sondereinheiten zu schützen. Demonstranten rechneten damit, dass Soldaten, die zum Wehrdienst eingezogen worden waren, keinen Befehl befolgen würden, ihre eigenen Brüder zu töten. Tunesiens republikanische Armee ist in der Verfassung von 1959 verankert (und in der neuen Verfassung von 2014 bestätigt worden). Die ägyptischen Streitkräfte waren eine institutionelle Säule der ägyptischen Republik, sie stellten alle Präsidenten seit Nasser.10 Gaddafi, dem die Gefahren, die das Prinzip einer republikanischen Armee barg, offenbar bewusst war, hatte seinen Sondereinheiten längst privilegierte Posten in der regulären Armee eingeräumt und später zur Absicherung seiner Diktatur Söldner rekrutiert. In Syrien hatte die Assad-Dynastie eine Symbiose aus Armee, Ba’ath-Partei und Sicherheitsapparat geformt, die nicht zögerte, das Feuer auf die Demonstranten auf der Straße zu eröffnen. (Obwohl der Tag kommen sollte, an dem Soldaten und Offiziere den Dienst quittierten und die Freie Syrische Armee bildeten.) In Tunesien und Ägypten gab schon allein die Zahl der Demonstranten den Ausschlag. Wie viele Menschen das Regime auch aufmarschieren ließ, wie viele Killer es auch einsetzte – es gab am Ende buchstäblich mehr Demonstranten als Regierungskräfte. In der zweiten revolutionären Welle gegen Mohammed Mursi gingen schätzungsweise 33 Millionen Ägypter auf die Straße, und das bei einer Gesamtbevölkerung von 80 Millionen.

Bedeutsam für den Erfolg der Bewegung in Tunesien war, dass nicht offen von außen interveniert wurde; in Ägypten hingegen war es die ausländische Unterstützung für die Demonstranten, die das Militär unter Druck setzte, Mubarak zu stürzen.

Die Revolution beschränkte sich nicht darauf, verhasste Diktatoren zu stürzen, auch wenn das natürlich die Vorbedingung war. Sie weckte auch ein neues Selbstverständnis von Menschen, die die »neuen Araber«11 genannt wurden. Fernsehinterviews mit den jungen Aktivisten zeigen sie beseelt von einer neuen politischen, moralischen und historischen Identität. Einer erklärte vor den Kameras von CNN und anderen Satellitensendern: »Ich habe jahrzehntelang in Angst und Schrecken gelebt. Jetzt ist es vorbei, jetzt weiß ich endlich, dass ich ein Mensch bin, mit Rechten und mit Würde.« Einer der immer wieder skandierten Slogans nach Mubaraks Rücktritt am 11. Februar lautete: »Irfa rasak, anta misri! – Trage den Kopf hoch, Du bist ein Ägypter!« (Dieser Ausspruch blieb symbolhaft, obwohl Mursis Schocktruppen später versuchten, ihn in ihrem Sinne zu verdrehen: »Trage den Kopf hoch, Du bist ein Moslem«.)

Es war eine moralische Wasserscheide, die eine Veränderung in den sozialen Beziehungen zur Folge hatte. In Bengasi erlebten Bürger einen »Boom der politischen Streitkultur«, es fanden »wöchentlich mehr als vierzig Veranstaltungen statt, bei denen über politische Themen diskutiert wurde.«12 Dabei ging es auch um die Beziehung zwischen den Geschlechtern.13 In Bengasi setzten sich Freiwillige über tradierte gesellschaftliche Tabus hinweg, wonach Männer und Frauen zwar gemeinsame Aufgaben übernehmen, aber nicht zusammen arbeiten sollten. Jetzt krempelten junge Leute beiderlei Geschlechts die Ärmel hoch und wirkten Seite an Seite. Frauen übernahmen die Verantwortung für die Bereitstellung der Verpflegung, die dann von den Männern an die Front gebracht wurde; junge Männer boten den weiblichen Freiwilligen Unterstützung durch weibliche Familienangehörige an. Gaddafis seltsame Vorstellung über die untergeordnete Rolle der Frau wurde über den Haufen geworfen, und zum ersten Mal erlebten Frauen und Männer in Libyen Gleichberechtigung. Frauen spielten eine führende Rolle, angefangen von den ersten Demonstrationen in Daraa in Syrien. Nie wurde dabei die Verpflichtung zum gewaltfreien Protest aufgegeben.14 Im Jemen, einer sehr traditionsbewussten Gesellschaft, traten Frauen ebenfalls als Protagonistinnen der Bewegung auf. Eine von ihnen, Tawakul Karman, wurde für ihre Arbeit mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

DIE JUGEND FORDERT DIE ÜBERALTERTE DEKADENTE ORDNUNGSMACHT HERAUS.

Das war die gesunde Seite des Prozesses.

Die bedrängten Regimes kämpften ums nackte Überleben. Ben Ali und später Mubarak, dann Salih, Gaddafi und Assad hielten stur an der Macht fest. Sie wollten einfach nicht wahrhaben, dass die gesamte Welt sie mittlerweile abgeschrieben hatte. Brüsk lehnten sie es ab, zum Wohl ihres Volkes und ihres Landes zurückzutreten, oder der Forderung der Demonstranten nach echten Reformen und Machtteilung nachzukommen.

Es gibt viele Gemeinsamkeiten zwischen den Männern, die sich als »Präsidenten auf Lebenszeit« sahen, und gegen die sich das eigene Volk erhob.15 Sie (oder ihre jeweilige Dynastie) waren seit Jahrzehnten an der Macht (vier von ihnen seit über dreißig Jahren), hatten repressive diktatorische Regimes mit Sondereinheiten, Polizeiapparat und Geheimdienst aufgebaut. Sie regierten mit Notstandsgesetzen, wonach Oppositionelle bei der leisesten kritischen Äußerung ins Gefängnis geworfen und gefoltert werden konnten. Von Zeit zu Zeit wurden »Wahlen« veranstaltet, bei denen die Zustimmung für die herrschende Elite zwischen 95 und 98 Prozent schwankte – Ergebnisse, bei denen selbst ein Erich Honecker aus der Ex-DDR vor Neid erblasst wäre. Mit diesem Machtmonopol hatten sie ihr politisches Gewicht dazu genutzt, sich durch Korruption, Abzweigen von ausländischen Hilfsgeldern oder Anteilen an staatlich kontrollierten Wirtschaftsunternehmen riesige Privatvermögen zu verschaffen. Die so angeeigneten Milliarden landeten auf verschiedenen ausländischen Bankkonten (und wurden glücklicherweise inzwischen von den betreffenden Ländern eingefroren).

Trotz jahrzehntelanger Polizeistaatsherrschaft hatten die Menschen ihre Würde nicht aufgegeben und wurden aktiv, als sich nun die Gelegenheit bot. Dabei kam ihnen auch ein Generationswechsel zugute. Junge Menschen von 25 bis 30 Jahren, die buchstäblich in ihrem Leben nichts anderes kennengelernt hatten als den Status Quo – d.h. Präsidenten auf Lebenszeit – wussten, dass das, was sie täglich erlebten, nicht überall die Regel war. Viele waren in Europa gewesen, sie hatten dort studiert oder hatten Freunde, die ins Ausland gereist waren. Auf jeden Fall aber bot ihnen das Internet Zugang zu Informationen aus der ganzen Welt.16 Diese Generation junger Menschen führte den Aufstand gegen das senile, antiquierte System. Es war die Revolte einer gesunden, zukunftsorientierten Jugend gegen eine sterbende diktatorische Ordnung.

Der Kontrast hätte dramatischer nicht sein können: Auf der einen Seite anfangs Tausende, später Zehntausende und schließlich Millionen Bürger aller gesellschaftlichen Schichten, die ins Stadtzentrum von Tunis, Kairo oder Sanaa strömten und dort friedlich ihre Rechte einforderten – nicht nur als Bürger des jeweiligen Landes, sondern als Menschen, die mit unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind. Bürger umarmten Soldaten, die die Seiten gewechselt und sich den Demonstranten angeschlossen hatten. Fernsehzuschauer in aller Welt sahen Bilder junger Männer, die voller Stolz ihre kleinen Kinder hochhielten, die sie zu den Demonstrationen mitgebracht hatten, damit sie an dem – wie sie wussten – historischen Prozess teilnehmen konnten. Junge Mädchen mit Kopftüchern saßen auf dem Rücksitz von Mopeds, sie strahlten voller Hoffnung und reckten die Finger zum Victory-Zeichen.

Auf der anderen Seite die versteinerten Mienen der alten Machthaber, Ben Ali, Mubarak oder Salih, der wild dreinblickende Oberst Gaddafi und der deutlich jüngere Assad. In geradezu klinischer Leugnung jener Realität, mit der sie ihr eigenes Volk konfrontierte, versuchten sie zunächst, die Massen dadurch ruhigzustellen, dass sie mit großem Pathos »Reformen« versprachen. Später drohten sie mit schlimmen Konsequenzen bis hin zum Bürgerkrieg, falls die Proteste weitergingen, und zuletzt schworen sie, die eigene bankrotte Position bis zum bitteren Ende zu verteidigen. »Nach uns die Sintflut« lautete ihr Motto, wobei Gaddafi sogar so weit ging zu drohen, wenn er aus dem Amt gejagt würde, werde es sein Volk zu spüren bekommen, er werde so viele wie nur möglich mit ins Grab nehmen. Und er hielt tatsächlich Wort: Mit Gewalt ging er gegen sein eigenes Volk vor, aus dem Konflikt wurde ein blutiger Bürgerkrieg mit Zehntausenden Toten. Syrien erlebte ein ähnliches Schicksal

Doch sie alle ereilte ihr bitteres Ende – die einen eher, die anderen später.

Bei dem Aufstand in den verschiedenen Ländern kamen zwei zwar diametral entgegengesetzte, sich aber dennoch wechselseitig verstärkende soziopsychologische Tendenzen zum Ausdruck: Je mehr die Führung Zuflucht zu autoritärer Herrschaft nahm und die Sicherheitskräfte auf die Menge schießen ließ, desto entschlossener mobilisierten die Demonstranten, deren Zahl von Tag zu Tag wuchs. Je intensiver die Rebellen den Widerstand organisierten, desto unnachgiebiger wurden die Herrscher und drohten mit weiterer Repression, was nur zur Stärkung der Aufständischen führte. Die politische Führung antwortete erneut mit Gewalt und beharrte stur auf ihrer angeblich legitimen Macht. Dabei büßte sie zunächst ihre Legitimität und schließlich auch ihre Macht ein.

GEOPOLITIK KOMMT INS SPIEL

Zu diesen zwei soziologischen Prozessen kam eine dritte Dynamik geopolitischer Natur. Es war, als spielten opponierende Kräfte auf einer Bühne ihre jeweilige, aber mit den anderen verflochtenen Geschichte, als ließe sich ein Eindringling auf dem Stuhl des Regisseurs nieder, zerrisse das Regiebuch und diktiere die Bewegungen nach seinem eigenen Skript. Die Hinzukommenden wurden plötzlich immer mehr und übernahmen die Rolle von Protagonisten. Ihr Eingreifen bedeutete den Übergang von einer politischen Konfrontation zum militärischen Konflikt.

2012 war es in liberalen Kreisen der USA Mode geworden, die gesamte arabische Revolution als geopolitische Verschwörung abzutun, aber die Materie ist viel komplizierter. Weder Bouazizi noch die jungen Leute in Ägypten befolgten Befehle eines westlichen Geheimdiensts. Doch als die ursprünglich organischen Protestbewegungen ihrem Ziel näher kamen, griffen ausländische Kräfte ein, um ihre eigenen Vertreter zu unterstützen und den gesamten Prozess zu kidnappen. So erhielt das von den USA unterstützte ägyptische Militär besondere Vollmachten und einigte sich mit der Moslembruderschaft auf eine Teilung der Macht. Und so inszenierten die USA mit der Hilfe des Gulf Cooperation Council den Abgang des jemenitischen Präsidenten von der politischen Bühne.17

Besonders krasse und blutige Momente geopolitischer Manipulation gab es in Libyen und Syrien. Die Resolution des Weltsicherheitsrats, die den Weg freimachte für den Krieg der NATO gegen Libyen, war nicht nur von fragwürdiger Legitimität, sondern bedeutete auch eine Kampfansage an Russland und China, deren Regierungen bei den späteren Konflikten von ihrem Vetorecht Gebrauch machten. In Syrien wurde der Bürgerkrieg zu einem vollen geostrategischen Konflikt, einem Stellvertreterkrieg zwischen dem Westen und seinen regionalen Verbündeten Saudi-Arabien, Katar und Türkei auf der einen Seite und Russland und China plus Syriens regionalen Verbündeten Hisbollah, Iran und schiitischen Gruppierungen im Irak sowie anderen Ländern auf der Gegenseite.

Von geopolitischen Interessen motivierte Kreise, die die Ereignisse zu steuern versuchten, bewahrten seit Jahrzehnten detaillierte Pläne für die Neuordnung der gesamten Nah-Mittelost-Region in der Schublade. Kaum waren die Proteste ausgebrochen, wurden sie zur Umsetzung herausgeholt. Einige Szenarien für einen Regimewechsel in der Region stammen noch aus der Endphase des Kalten Krieges, als Neokonservative in den USA eine neue strategische Doktrin formulierten, mit der die USA als einzig verbleibende Supermacht etabliert werden sollten. Zu diesen Dokumenten gehörte ein Entwurf aus dem Jahr 1996 für die Konsolidierung der Atommacht Israel als regionale Hegemonialmacht und die Ablösung von Regimes, die als Bedrohung für diesen Plan galten – vom Irak über Syrien bis zum Libanon und Iran. Der Irakkrieg von 2003, die Destabilisierung des Libanon und Syriens von 2005-2006 oder Israels Krieg gegen Gaza von 2008 entsprachen diesem Projekt.18

Gleichzeitig »änderte« die Regierung Bush 2007 ihre Politik gegenüber der Region: Sie arbeitete jetzt mit Saudi-Arabien und extremistischen sunnitischen Gruppierungen zusammen, um den Iran zu schwächen. Zu diesen Gruppen gehörten nicht nur Mitglieder der Moslembruderschaft und Salafisten, sondern auch bewaffnete Kämpfer aus dem Dunstkreis der al-Qaida. Die feindliche Haltung gegen die Islamische Republik Iran bezog Operationen mit ein, durch die Syrien und die Hisbollah geschwächt werden sollten.19 Dieser neue Vorstoß der Bush-Regierung wurde an seinen Nachfolger weitergegeben; und als die Aufstände in Nordafrika begannen, hielten Kreise des außenpolitischen Establishments der USA die Unterstützung für sunnitische Extremisten aufrecht, darunter auch Gruppen, die später in Syrien zu den Waffen griffen. Auch wenn die Proteste nicht durch Washington in Gang gesetzt wurden, so gerieten die USA auf diese Weise doch in eine enge Beziehung zu den politischen und später auch militärischen Protagonisten des Aufstands.

Anstelle eines geordneten Überganges zu repräsentativen Regierungen befindet sich die gesamte Region im Jahr 2014 im Strudel eines sich ausweitenden Krieges. Indem sie blind ihrem vermeintlichen Selbstinteresse folgten, ohne sich um die gerechtfertigten Erwartungen und die Forderung der Bürger nach einer besseren Zukunft zu kümmern, stärkten prowestliche regionale Parteien (Saudi-Arabien, Katar, Kuwait, die Türkei und andere) mit ihrer Unterstützung für Terroreinheiten, die in das Kriegsgebiet strömten, am Ende ein Frankenstein-Monster mit vielen Tentakeln – al-Qaida, al-Nusra oder Islamischer Staat in Irak und Syrien (ISIS). Berichten zufolge fachte das Assad-Regime den islamistischen Aufstand durch die Freilassung von Extremisten aus dem Gefängnis selbst an.20 Die Folgen sind so paradox wie bitter: Die Türkei, die ihre Grenzen und Geldtaschen für bekannte Terroristen öffnete, wurde Opfer von Angriffen der ISIS;21 Saudi-Arabien musste sich gegen heimkehrende Kämpfer zur Wehr setzen, die das Königreich bedrohten; Kämpfe zwischen terroristischen Gruppen spalteten den Golfkooperationsrat und die Arabische Liga. Die USA, die die Aufständischen in Syrien offen und verdeckt unterstützt hatten, sahen ihr Irak-Projekt durch die ISIS bedroht – eine Bedrohung, mit der nur der Iran und schiitische Milizen innerhalb des Irak umgehen konnten.

Wer oder welche Kombination von Kräften wird, wenn überhaupt, in der Lage sein, die Flammen des terroristischen Ansturms zu löschen und was wird übrig bleiben, wenn sich der Rauch verzieht? Zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Buchs ist das noch nicht absehbar. Jüngste Schätzungen von Experten rechnen mit einem jahre-, wenn nicht jahrzehntelangen Konflikt.22 Lakhdar Brahimi, der im Juni 2014 sein Amt als Sondergesandter der Vereinten Nationen für Syrien niederlegte, erklärte im Spiegel, was er erwartete: »Auf lange Sicht wird die ganze Region explodieren, wenn keine Lösung gefunden wird. Dieser Konflikt bleibt nicht auf Syrien beschränkt, er destabilisiert bereits den Libanon«, und zwar durch ISIS. Auf die Frage: »Und was wird aus Syrien?« antwortete er: »Ein zweites Somalia. Es wird nicht zu einer Teilung kommen, wie viele vorhersagen, es wird ein ›failed state‹, beherrscht von Warlords.«23

Eines ist unbestritten: Die Region wird nie wieder sein wie zuvor. Eine Rückkehr zum Status quo ante wird es nicht geben. Genauso klar ist, dass die Leidtragenden (unter den Überlebenden) die Millionen Flüchtlinge sein werden, die ihre Häuser und Wohnungen verlassen und sich in Sicherheit bringen mussten. In ihrem Global Trends Jahresbericht, der am Weltflüchtlingstag, dem 20. Juni 2014, vorgestellt wurde, meldete die UN-Flüchtlingskommission die höchste Zahl von Flüchtlingen (50 Millionen) seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Der Anstieg um sechs Millionen am Ende des Jahres 2013 wurde hauptsächlich auf den Krieg in Syrien zurückgeführt, wo 2,5 Millionen Menschen als Flüchtlinge das Land verließen und weitere 6,5 Millionen im Land selbst auf der Flucht waren.24 Die Zahl der Syrer, die in den Nachbarländern Jordanien, Libanon, Irak und Türkei Zuflucht suchten, wird offiziell auf 250.000 bis eine Million geschätzt, doch wie mir im Juni 2014 arabische diplomatische Quellen in Berlin versicherten, haben Libanon und Jordanien - Länder mit einer relativ kleinen Bevölkerung - jeweils mehr als eine Million aufgenommen. Sie sind in einer deutlich schwierigeren Lage als die Türkei, die – bei einer größeren Bevölkerung und mehr verfügbaren wirtschaftlichen Mitteln – Zeltstädte für Flüchtlinge errichtet hat.

Was wird die Zukunft für jene Länder bringen, denen die Verwüstungen eines vollen Krieges bisher erspart blieben? Das ist genauso unvorhersehbar wie Aufstände in anderen Teilen der Welt in früheren Zeiten, von der Amerikanischen und Französischen Revolution im 18. Jahrhundert bis zur Russischen Revolution, der friedlichen Revolution von 1989 in Ostdeutschland und anschließend bei den Umwälzungen im ehemaligen sowjetischen Machtbereich. Keine von ihnen verlief gradlinig, in keinem Fall wurden die erklärten Ziele der Revolutionäre sofort oder vollständig erreicht, auch nicht Jahrzehnte (oder gar Jahrhunderte) später. Niemand kann vorhersehen, wie sich die Prozesse, die in Nordafrika und im Nahen Osten in Gang gesetzt wurden, langfristig auswirken werden. Selbst erfahrene deutsche Experten und Kenner der Region haben ihre Einschätzung wiederholt revidiert und fast keiner wollte sich auf konkrete Vorhersagen einlassen. Marwan Muasher, Ex-Außenminister von Jordanien, betont die Notwendigkeit einer »dritten Kraft« zwischen der »belagerten, nicht zurechnungsfähigen Elite auf der einen Seite und Islamisten auf der anderen«. Diese dritte Kraft müsse sich der Herausforderung stellen, wirklich pluralistische Systeme zu entwickeln, einschließlich »einer politischen Kultur, die zur Vielfalt einlädt« und »einem Bildungssystem, das sie unterrichtet …«. Muasher sieht diese dritte Kraft, zumindest konzeptionell, in der jungen Generation in Ägypten, Tunesien und Libyen.25 Dieser Punkt scheint von zentraler Bedeutung, um die tiefe Feindseligkeit zu überkommen, die die postrevolutionäre arabische Politik polarisiert, nicht nur zwischen wieder erstarkten autoritären Kräften und Islamisten, wie in Ägypten, sondern auch zwischen gesellschaftlichen Gruppen, die entlang Stammesgrenzen, ethnischen und/oder religiösen Linien gespalten sind, wie in Syrien, im Libanon oder Irak.

Solcherart ist die komplizierte geopolitische Dimension des Aufstands in der arabischen Welt, die die anfängliche Hoffnung in eine Katastrophe verwandelte. Verschiedene neue Studien gehen dieser Dimension auf den Grund. Dieses Buch hingegen konzentriert sich auf den individualpsychologischen Aspekt des Prozesses.

POLITIK UND PATHOLOGIE

Das Verhalten der arabischen politischen Führer, die sich so unvermittelt mit der Forderung nach sozialer und politischer Veränderung konfrontiert sahen, ist ohne eine klinische Untersuchung der jeweiligen Persönlichkeitsstörung gar nicht zu verstehen. Mubarak, Gaddafi und andere sind nicht nur eigenständige Persönlichkeiten, sondern sie repräsentieren eine »Typologie«, die in der einschlägigen psychoanalytischen Literatur abgehandelt werden.26 Im Falle der Führung der von Revolutionen erschütterten arabischen Länder haben wir es wohl mit verschiedenen Typen von Persönlichkeitsstörungen zu tun – von der narzisstischen bis zur paranoiden.

Seit der bahnbrechenden Arbeit Sigmund Freuds sind zahlreiche wichtige Studien erschienen, in denen verschiedene Aspekte dieser komplizierten Sachlage untersucht werden. Psychoanalytiker haben ihre klinische Erfahrung mit Narzissmus, Paranoia, Hysterie und Psychopathie dokumentiert. Alle die genannten Störungen sind für die Politiker, die hier zur Debatte stehen, relevante Phänomene. Einige Forscher widmen sich direkt der Untersuchung solcher psychischen Störungen im Bereich der Politik. Dieser Forschungsbereich, der als »psychohistorische Forschung« oder »angewandte Psychoanalyse« bezeichnet wird, versucht, das Verständnis pathologischer Persönlichkeitsstrukturen auf besondere Fälle politischer Führungspersönlichkeiten anzuwenden.27

In diesem Buch möchte ich die Ergebnisse solcher Studien und insbesondere auch deren analytische Herangehensweise nutzen, um das Verhalten der einzelnen Staatschefs der arabischen Welt während des Revolutionsprozesses zu untersuchen. Die vorliegende Untersuchung beruht auf der Chronik der Ereignisse, sie konzentriert sich auf Handlungen, Reden und öffentliche Erklärungen der Protagonisten im Verlauf der dramatischen Ereignisse. Hintergrundmaterial über die einzelnen Politiker – besonders über ihren familiären Hintergrund, ihre Kindheitserfahrungen, Schule und Ausbildung – ist von größter Bedeutung, wenn man verstehen will, wie sich in einer Machtposition pathologische Züge entwickeln.

Ich konzentriere mich auf die Anfangsphase, in der die Staatschefs Tunesiens, Ägyptens, des Jemen und Libyens abgesetzt wurden. Später zeigen sich bei den neu eingesetzten Führungspersönlichkeiten erneut dieselben Symptome. Man könnte von einem »Farm-der-Tiere«-Reflex sprechen: Wie in Orwells berühmtem Buch übernehmen die Tiere, die ihre bäuerlichen Unterdrücker erfolgreich vertrieben haben, schon bald das Verhalten und die Politik ihrer früheren Gegner. Relevante Beispiele sind hier Mohammed Mursi und vielleicht General Abdel-Fattah al-Sisi.28

Außerdem haben wir es nicht nur mit einzelnen Persönlichkeiten, ihrer individuellen Geschichte und Karriere zu tun. Sie alle sind in eine kulturelle Matrix eingebunden, die erlebt hat, wie die Wirklichkeit durch die Einmischung fremder Kräfte bestimmt wurde. Dabei haben es die Araber, vorsichtig formuliert, nicht gerade leicht gehabt. Die viel beschworene »arabische Einheit« ist und bleibt eine Schimäre, in erster Linie deshalb, weil die Großmächte – Großbritannien, die USA und Frankreich – entschlossen waren und sind, sie zu zerschlagen.

Nach vier Jahrhunderten unter osmanischer Herrschaft kämpften die Araber in der Zeit des Ersten Weltkriegs für ihre Unabhängigkeit, wurden dabei jedoch von europäischen Mächten manipuliert, die vordergründig den Aufstand unterstützten. Tatsächlich unterzeichneten Frankreich und England das Sykes-Picot-Abkommen, eine geheime Übereinkunft zur Aufteilung des Gebiets mit seinen reichen Ölvorkommen. Russland machte das Abkommen publik, dennoch bestimmte diese Übereinkunft die Weltordnung nach dem Ersten Weltkrieg. Die meisten der Führer der neu entstandenen arabischen Länder waren von den genannten europäischen Mächten ausgesucht worden, die Länder selbst waren kaum mehr als Marionettenstaaten. Selbst dort, wo sich unter der Führung von Männern, die wie Helden verehrt wurden, antikolonialistische nationalistische Bewegungen entwickelten, ergriffen diese neuen Führungsfiguren schon bald Maßnahmen, ihre Völker und Länder rundum unter Kontrolle zu halten.29

Genauer heißt das: Meistens wurde diese neue Führungsschicht von den westlichen Mächten unterstützt. So spielte Italien bei Gaddafis Putsch von 1969 ebenso eine Schlüsselrolle wie 1987 bei der Machtübernahme Ben Alis. Nasser bildet in dieser Hinsicht eine Ausnahme, doch sein Nachfolger Anwar Sadat wurde durch den in Camp David ausgehandelten Frieden mit Israel zum wichtigen Alliierten der Vereinigten Staaten. Seit jener Zeit ist Ägypten von amerikanischem Geld und Unterstützung abhängig. Jemen wurde im Kampf gegen den Terrorismus vom Ausland unterstützt, die Assad-Dynastie erfreute sich als Bollwerk der Stabilität im historisch instabilen Nahen Osten zeitweise der Unterstützung des Westens.30

Die Anregung zu der vorliegenden Studie lieferte die arabische Rebellion von 2010-2011, doch Analysen und Schlussfolgerungen sind weder auf diese arabische Erfahrung noch auf die arabische Region beschränkt. Deshalb ist als Nachtrag eine kurze Betrachtung zweier Fälle massiver narzisstischer Entgleisung in der amerikanischen Gegenwartspolitik eingefügt: Zunächst George W. Bush, dessen achtjährige Herrschaft eindeutige Merkmale einer schweren Persönlichkeitsstörung erkennen lässt. Wie Dr. Justin Frank31 in einer klinischen Studie detailreich dokumentiert, war Bush als emotional gestörte Persönlichkeit nicht in der Lage, ein solch hohes Amt zu bekleiden. Dr. Frank, Psychiater und Professor an der George Washington University, stützte seine Arbeit auf die Analyse der öffentlichen Erklärungen George Bushs, betrachtet vor dem Hintergrund von dessen traumatischen Kindheitserfahrungen.

Ähnliche krankhafte Züge zeigen sich bei bestimmten amerikanischen politischen Sekten und Persönlichkeitskulten, die sich als politische Organisationen tarnen, oder auch in dem relativ neuen Phänomen der Tea-Party-Bewegung, deren führende Vertreterin Sarah Palin den Stoff für eine weitere klinische Fallstudie liefert.

Zum Schluss gibt es als positiven Kontrapunkt ein kurzes Kapitel aus al-Fārābīs Schrift Der Musterstaat, worin er ein Konzept des »gerechten Herrschers« präsentiert. Es ist ein wunderbares Werk, das meisterlich das arabische Erbe in der Theorie der politischen Wissenschaft darstellt.32

2 Benslama, Fethi, Soudain la révolution! De la Tunisie au monde arabe: la signification d’un soulèvement, Editions Denoël, Paris, 2011, zitiert von Silvia Marsans-Sakly, »The Making and Meaning of an Event«, MESA conference, ebenda.

3 Bouazizi war nicht der erste Tunesier, der zum Zeichen des Protests Selbstmord beging, doch durch die Reaktion der Öffentlichkeit wurde sein Tod zum Auslöser der nachfolgenden Ereignisse. Mitglieder der Lehrergewerkschaft brachten ihn ins Krankenhaus und benachrichtigten seine Familie. Die UGTT-Gewerkschaften bezeichneten den Selbstmord als »politischen Mord«, sie bildeten Ausschüsse, die den Protest in Gang setzten. Angrist, Michèle Penner, »Old Grievances and New Opportunities; Understanding the Tunesian Revolution«, Middle East Studies Association (MESA) conference, Washington, D.C., 3. Dezember 2011.

4 Javaher-Haghighi, Peyman, Hassan Azad und Hamid Reza Noshadi, Arabellion: Die arabische Revolution für Freiheit und Brot von Kairo bis Damaskus, UNRAST-Verlag, Münster, 2013, S. 24 ff. Die Autoren beziffern die Anzahl der Menschen in Ägypten, die unter der Armutsgrenze leben, auf 44 Prozent der Bevölkerung.

5 Noueihed, Lin und Alex Warren, The Battle for the Arab Spring: Revolution, Counter-Revolution and the Making of a New Era, Yale University Press, New Haven and London, 2013, S. 68.

6 Mirak-Weißbach, Muriel, »The Birth of the New Egyptians«, Global Research, 15. Februar 2011, unter www.globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=23231, Amin, Galal, Egypt in the Era of Hosni Mubarak 1981-2011, The American University in Cairo Press, Kairo, New York, April 2011, Al Aswany, Allah, On the State of Egypt: What Made the Revolution Inevitable, translation by Jonathan Wright, Vintage Books, Random House, New York, April 2011, Jahvaher-Haghighi, Peyman, Hassan Azad und Hamid Reza Noshadi, a.a.O., S. 40 ff. Siehe auch Albrecht, Holger und Thomas Demmelhuber (Hrsg.), Revolution und Regimewandel in Ägypten, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, 2013.

7 »Special report: Inside the Egyptian revolution«, 13. April 2011, Nonviolent Action Network, http://nonviolentaction.net/?p=4186, Sharp Gene, From Dictatorship to Democracy: A Conceptual Framework for Liberation, The Albert Einstein Institution, Fourth U.S. Edition, Boston, 2010.

8 Ich erinnere mich an die hitzigen Debatten in Deutschland, als Vertreter der syrischen Opposition bei Veranstaltungen der Deutsch-Arabischen Gesellschaft sprachen und um finanzielle und logistische Unterstützung für einen bewaffneten Widerstand baten.

9 Das sind u.a. die Syrian Revolution General Commission (SRGC), Local Coordination Committees in Syria (LCC), Syrian Revolution Coordinators Union (Union). Armbruster, Jörg: Brennpunkt Nahost: Die Zerstörung Syriens und das Versagen des Westens, Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main, 2013, S. 58. Armbruster liefert einen Überblick über alle oppositionellen Gruppen (S. 60). Siehe auch Gehrcke, Wolfang und Christiane Reyman (Hg.), Syrien: Wie man einen säkularen Staat zerstört und eine Gesellschaft islamisiert, PayRossa Verlag, Köln, 2014, S. 161 ff.

10 Noueihed, Lin und Alex Warren, a.a.O., S. 99. Albrecht, Holger, »Revolution oder Coup d’État? Die Rolle des Militärs in der ägyptischen Politik«, in Holger und Thomas Demmelhuber, a.a.O. S. 63 ff.

11 Revolutionen »sind zugleich ein Aufstand gegen die bishin herrschende Kultur, gegen Angst und Selbstzensur… Sie stellen bisherige Sozialisierungsprozesse und soziale Beziehungen … infrage. Deshalb bedeuten Revolutionen nicht nur einen politischen, sondern auch einen kulturellen und politisch-kulturellen Erdrutsch mit enormen Auswirkungen.« Javaher-Haghighi, Peyman, Hassan Azad und Hamid Reza Noshadi, a.a.O. S. 216. »Für viele Ägypter liegen die wichtigsten Veränderungen … in der Gesellschaft selbst … Mehr Ägypter glauben, ihr Land verändern zu können, auch wenn es Jahrzehnte dauert. Das ist die wirkliche Revolution in Ägypten«. Noueihed, Lin und Alex Warren, a.a.O., S. 132 f.

12 Javaher-Haghighi, Peyman, Hassan Azad und Hamid Reza Noshadi, Ebenda. S. 200.

13 Ebenda, S. 50. Dieses Buch gibt einen nützlichen Überblick über die Frauenbewegungen in der arabischen Geschichte.

14 Ghanem, Mouna, »Der Schmetterlingseffekt: Syrerinnen für den Frieden«, in Gehrcke ‚Wolfgang und Christiane Reymann (Hg.), a.a.O., S. 154 ff.

15 Owen, Roger, The Rise and Fall of Arab Presidents for Life, Harvard University Press, Cambridge, Massachusetts, Mai 2012.

16 Elektronische Geräte und soziale Medien wie Facebook erleichterten zwar die Kommunikation zwischen den Organisationen der Protestbewegung, sie waren aber Werkzeuge, nicht Ursache des Ferments.

17 Javaher-Haghighi, Peyman, Hassan Azad und Hamid Reza Noshadi, a.a.O. S. 220 f. Eine detaillierte Darstellung der Rolle ausländischer Kräfte in Libyen in: Chorin, Ethan, Exit the Colonel: The Hidden History of the Libyan Revolution, Public Affairs, London, 2012.

18 »A Clean Break: A New Strategy for Securing the Realm«, www.iasps.org/strat1/htm. Die Autoren waren Dick Cheneys Assistent David Wurmser und dessen Frau Mayrav sowie Richard Perle, James Colbert, Charles Fairbank Jr., Douglas Feith, Robert Loewenberg, Jonathan Torop und andere.

19 Hersh, Seymour M., »The Redirection: Is the Administration’s new policy befitting our enemies in the war on terrorism?« The New Yorker, 5. März 2007. Über verdeckte US-amerikanische Unterstützung für Oppositionsgruppen in Iran und Syrien in Bushs zweiter Amtszeit siehe Javaher-Haghighi, Peyman, Hassan Azad und Hamid Reza Noshadi, a.a.O. S. 128.

20 Helberg, Kristin, Brennpunkt Syrien: Einblick in ein verschlossenes Land, Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau, 2014, S. 86 f. Eine Beschreibung, wie das Assad-Regime zumindest seit 2003 Extremisten, insbesondere Salafisten, manipuliert hatte, findet sich in Neumann, Peter, »Suspects into Collaborators«, London Review of Books, Bd. 36, Nr. 7, 3. April 2014, S. 19 ff.

21 Die Türkei spielte eine besonders hinterhältige Rolle. Dort wurde im August 2011 der Syrische Nationalrat gegründet, und im Mai 2012 bewaffnete die Türkei die Nationale Koalition. Jahaver-Haghighi, Peyman, Hassan Azad und Hamid Reza Noshadi, a.a.O., S. 151, 155; Armbruster, Jörg, a.a.O., S. 140. Ebenfalls in der Türkei gründeten die ersten desertierten Offiziere die Freie Syrische Armee. Ausländische Dschihadisten vor allem aus Europa sowie Waffen für den Kampf gelangten über die Türkei nach Syrien. Zur Rolle der Türkei, auch in der Geschichte, siehe Muriel Mirak-Weissbach und Jamal Wakim, Al Siyasa al harjiya al turkiya, (Türkische Außenpolitik), All-Prints Distributors & Publishers, Beirut, Dezember 2013. Helberg, Kristin, Brennpunkt Syrien, Einblicke in ein verschlossenes Land, a.a.O., S. 86 f.

22 Ein Beispiel: Rainer Hermann, der die Entwicklungen für die Frankfurter Allgemeine Zeitung genau verfolgt, schrieb Ende 2013: »Die Begeisterung im Jahr eins der Arabellion ist der Frustration des Jahres drei gewichen. Wie die arabische Welt in ein oder zwei Jahrzehnten aussehen wird, kann niemand sagen. Gewiss ist nur, dass die kommenden Jahre (und Jahrzehnte) noch viel Instabilität bringen werden.« FAZ, 21. Dezember 2013. Im März 2014 spekulierte er über die Möglichkeit, dass der Iran eine hilfreiche Rolle spielen könnte, wenn es die USA zuließen, und Mitte Juni schrieb er: »Der Vormarsch des ›Islamischen Staats‹ bedroht nicht allein den Irak, sondern den ganzen Nahen Osten, weil er Öls ins Feuer des schwelenden Konflikts zwischen Sunniten und Schiiten gießt.« FAZ, 13. Juni 2014.

23 »Keiner kann gewinnen«, Der Spiegel, Nr. 24, 7. Juni 2014, S. 92.

24 UNHCR-Jahresbericht Global Trends, http://www.unhcr.org/5399a14f9.html

25 Muasher, Marwan, The Second Arab Awakening and the Battle for Pluralism; Yale University Press, New Haven und London, 2014, S. 3, 37. Siehe auch El Difraoui, Ein neues Ägyten? Reise durch ein Land im Aufruhr, Edition Körber-Stiftung, Hamburg, 2013.

26 Siehe Literaturangaben.

27 Zu den geschichtlichen Figuren, die von diesem Standpunkt untersucht wurden, zählen viele römische Kaiser, allen voran Caligula und Nero, sowie Napoleon, Mussolini, Stalin usw.

28 Mirak-Weißbach, Muriel, »Mubarak, Morsi, and then?«, http://www.mirakweissbach.de/Publications/archive/files/80443f357ddcbeb786c350582e9b0a6171.html

29 Siehe Muasher, Marwan, a.a.O., S. 15 f.: »Hierin lag der fatale Fehler der arabischen Regierung nach der Unabhängigkeit. Alle Regimes, seien sie monarchistisch oder ›republikanisch‹, reich oder arm, hatten eines gemeinsam: Keines von ihnen kümmerte sich darum, ein pluralistisches Regierungssystem aufzubauen, eine ausgeglichene Exekutive oder die reiche Vielfalt ihrer jeweiligen Bevölkerung zu fördern. Stattdessen verhärtete sich die während des Unabhängigkeitskampfes gewonnene Legitimität zu diversen Formen autokratischer Herrschaft.«

30 Der deutsche Journalist und Nahostexperte Jürgen Todenhöfer schrieb am 12. Dezember 2011 aus Damaskus einen Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, in dem er vor internationaler Einmischung warnte: »Der Versuch, Arabien durch eine Serie gesteuerter Bürgerkriege und Interventionen umzugestalten, ist die gefährlichste aller Lösungen. Für den Nahen Osten und für uns.«

31 Justin Frank, Bush auf der Couch: Wie denkt und fühlt George W. Bush?, Psychosozial-Verlag, Gießen, 2004

32Der Musterstaat von Al Fārābi, aus dem Arabischen übertragen von Dr. Friedrich Dieterici, Professor an der Universität Berlin, E.J. Brill, Leiden, 1900.

Herrschen1

bis der frühling kommt

NARZISS AUF DEM THRON