Heute an Bord, morgen ein Mord - Michael Tosch - E-Book

Heute an Bord, morgen ein Mord E-Book

Michael Tosch

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Beschreibung

Zwei Freunde haben eine Kreuzfahrt gebucht, die sie von Hamburg über Southampton nach New York bringen soll. Sie haben sich vorgenommen, auf dem Schiff Frauen kennenzulernen. Beide sind davon überzeugt, wenn sie sich als Kommissare der Kriminalpolizei ausgeben, können sie mit spannenden und aufregenden Storys Eindruck machen. Sie lernen wirklich einige Frauen kennen und es gelingt ihnen, diese mit erfundenen Geschichten zu begeistern. Als ein Passagier ermordet wird, erzählen die Damen dem Kapitän, dass da zwei Kriminalpolizisten sind und der bittet die beiden Freunde, die Aufklärung des Falles zu übernehmen. Tatsächlich werden Spuren der Tat entdeckt und die beiden falschen Polizisten erfinden ungewöhnliche Ermittlungsmethoden und müssen viele Fragen klären. Wieso ist die Leiche plötzlich aus dem Kühlraum verschwunden? Wer schrieb den ungewöhnlichen Liebesbrief an einen Mann mit einem Rosen-Tattoo? Welche der Frauen hatte eine Beziehung zu dem Opfer? Wer hat den Kommissar niedergeschlagen? Wieso verschwindet die Leiche erneut? Werden wenigstens die wichtigsten Fragen beantwortet? Was sind die wahren Hintergründe der Tat? Auf ungewöhnliche Art gelingt es die Fragen zu beantworten.

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Seitenzahl: 193

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Michael Tosch

Heute an Bord, morgen ein Mord

Kreuzfahrt Krimi

RheinWeinFeder ist eine Gemeinschaft, die das kreative Schaffen von Autorinnen und Autoren entlang des malerischen Rheins von Mainz/Wiesbaden bis Koblenz in den Fokus rückt. Ihr Ziel ist es, eine Plattform zu schaffen, auf der Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die außerhalb und innerhalb traditioneller Verlagsstrukturen publizieren, ihre Werke präsentieren und gemeinsam vermarkten können.

Das Netzwerk RheinWeinFeder soll literarische Vielfalt, Qualität und Besonderheit in der Region zeigen und zugleich Autoren unterstützen, fördern und verbinden. Die Initiative steht für Kreativität, Gemeinschaft und Liebe zur Literatur, eingebettet in die inspirierende Kulisse von Rheingau und Mittelrheintal.

Kontakt: www.RheinWeinFeder.de

Michael Tosch

Heute an Bord,

morgen ein Mord

Kreuzfahrt Krimi

Die Personen und die Handlung des Romans sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

Impressum

Auflage

7 / 24

Texte: © 2024 Copyright by Michael Tosch

Umschlag:© 2024 Copyright by Michael Tosch

Umschlagfotos© 2024 Michael Tosch

Rückseite© 2024 Michael Tosch

Verantwortlich

für den Inhalt:Michael Tosch

Gerichtsstraße 23a

65385 Rüdesheim am Rhein

[email protected]

Druck:epubli - ein Service der Neopubli GmbH, Berlin

Herzlichen Dank bei Cunard Line, für die Erlaubnis, die Queen Mary 2 in meinem Buch zum Schauplatz machen zu dürfen. Außerdem gilt mein Dank den Mitarbeitern und den Crews der vielen Kreuzfahrtschiffe, die mich inspiriert haben. Eure harte Arbeit und eure Hingabe gaben mir viele Einblicke in das Leben auf See. Und das half mir, eine authentische Atmosphäre zu schaffen.

Inhalt

Prolog

Mit der Bahn nach Hamburg

Auf der Reeperbahn nachts um halb eins

Das Schiff

Noch ein Bier

Britannia-Restaurant

Erster Seetag

Southampton

Richtung New York

Der nächste Morgen

Wo ist Mister Miller?

Nachts auf dem Schiff

Spurensicherung

Die Liste

Interrogations

Gala-Abend

Mr. Miller, wo sind Sie?

Der Besucher

Jan Wouters

Mr. David Seymour

Bill

Helden

Miller ist weg

Bowler ist weg

Welche Rolle spielt Fiete Martens?

Jagd nach dem Täter

Dinner mit Eiscreme

Zukunftspläne

Abschlussabend

Die Falle

Personen im Roman

Prolog

Mit leisem Quietschen öffnete sich die Tür zur Gaststube im ‚kleinen Ortsgericht‘. Die Leute, die am Stammtisch hockten, nahmen das Geräusch gar nicht zur Kenntnis, denn Dennis führte gerade lautstark das Wort. Geli, die Kellnerin, die von außen hereingekommen war, trat mit zwei Flaschen an den Tisch und wartete, ob jemand sein Glas gefüllt haben wollte. Doch offensichtlich war die Wutrede, die Dennis führte, von zu großer Bedeutung.

»Ich habe es genau gesehen. Jens hat dort gesessen und hatte ein fast leeres Glas vor sich. Als Werner einen Augenblick nicht aufpasste, hat Jens sein Glas gegen das volle von Werner ausgetauscht.«

Einige lachten, nur Werner war sauer.

»Warum hast du mir nichts gesagt? Ich hätte dem Kerl schon den Marsch geblasen.«

»Und neulich hat er sich bei Hildegard ein paar Münzen geliehen«, schilderte Margot, »für den Zigarettenautomaten. Ich bin sicher, der hat seine Schulden bis heute nicht zurückgezahlt.«

Getreu dem Motto, ‚zu dem Thema ist schon alles gesagt, nur noch nicht von jedem‘, fiel Hans dazu auch noch etwas ein.

»Der hat auch Zoff mit einem Nachbarn, weil der seinen Hund immer an dessen Mauer pinkeln lässt.«

Geli reichte es. Sie hob ihre beiden Flaschen sichtbar in die Höhe und fragte:

»Wer will noch etwas trinken?«

Zwei, vor denen leere Gläser standen, meldeten sich und Geli schenkte ein.

»Ich konnte den Jens noch nie leiden«, wollte Margot das Thema ‚Jens‘ fortführen, doch Gerd schaltete sich ein.

»Hört doch mal auf. Gibt es denn keine anderen Themen außer ‚Jens‘?«

»Worüber möchtest du denn reden?«, fragte Werner.

Doch bevor Gerd antworten konnte, ergriff Dennis erneut das Wort.

»Gestern hat mich in Eibingen eine Frau fast mit ihrem Fahrrad umgefahren. Ich habe laut ‚Kuh‘ gerufen. Doch sie fuhr weiter, drehte sich um und zeigte mir einen Stinkefinger. Dann ist sie voll gegen die Kuh gefahren, die dort stand, und ist gestürzt. Was sollte ich machen, ich hatte sie schließlich gewarnt.«

Fast alle lachten, nur Werner fragte: »Im Ernst?«

»Blödmann, das war ein Witz«, antwortete Dennis.

»Ich kenne auch einen. Wie heißt Schiffe versenken auf Chinesisch?«, fragte Hans. Als niemand antwortete, kam die Lösung von ihm selbst, »Dschunken-Tunken.«

Dennis fiel zu dem Thema auch noch einer ein:

»Soll ich Ihnen das Mittagessen in die Kabine bringen? Fragte der Ober auf dem Kreuzfahrtschiff den seekranken Passagier, oder sollen wir es gleich für Sie über Bord werfen?«

»Karl macht seine erste Kreuzfahrt«, erzählte Peter, »und fragt den Kapitän: Wir haben doch gar keinen Seegang. Warum schaukelt denn das Schiff so? Der antwortet: Wir haben fünf Hochzeitspaare an Bord.«

Peters Witz löste sofort bei Margot einen weiteren aus.

»An Bord eines Kreuzfahrtschiffes fährt ein Kannibale mit. Als man ihm die Speisekarte reicht, schüttelt er nur den Kopf und meint: Bringen sie mir lieber die Passagierliste.«

»Der ist uralt, den hat schon meine Oma erzählt«, meinte Karin.

»Dann erzähl doch einen neuen«, forderte Dennis.

»Gestern Nacht habe ich geträumt, mein Mann und ich hätten eine Kreuzfahrt gemacht und dabei ist er über Bord gegangen. Und da Träume manchmal wahr werden, habe ich heute Morgen eine Kreuzfahrt für uns gebucht.«

»Keine schlechte Idee. Ich habe neulich erst gelesen, dass jährlich ungefähr 20 Menschen von solchen Kreuzfahrtschiffen spurlos verschwinden«, berichtete Peter.

»Ihr könnt aber sicher sein«, schaltete sich Gerd ein, »ich komme wieder zurück.«

»Was heißt das? Machst du etwa bei so einer Kreuzfahrt mit?«, wollte Margot wissen.

Gerd lächelte und schaute sich in der Runde um.

»Ja, dabei mache ich mit. Ich habe mir eine Kreuzfahrt ausgesucht und gebucht. Also, es ist keine Kreuzfahrt im üblichen Sinne. Es ist eine Transatlantikfahrt.«

»Erzähl mal, das interessiert mich auch«, forderte Dennis ihn auf.

»Ich wollte so etwas immer schon einmal machen«, erzählte Gerd, »und da fand ich eine Tour, die von Hamburg nach New York geht. Und stellt euch vor, das Schiff fährt von Hamburg zunächst nach Southampton. Und von dort geht es dann nach New York. Das ist genau die Tour, die damals die Titanic fuhr und dann sank.«

»Und du hoffst, dass das noch einmal passiert?«, grinste Werner.

»Blödmann, ich fahre doch allein. Ich will weder, dass das Schiff sinkt, noch nehme ich jemanden mit, den ich ertrinken lassen will.«

»Wie lange bist du dann unterwegs?«, wollte Dennis wissen.

»Insgesamt zwei Wochen?«

»Zwei Wochen? Nur mit dem Schiff?«, fragte Dennis erneut.

»Nein, mit dem Schiff von Hamburg bis New York dauert es elf Tage. Wenn das Schiff in Southampton losfährt, bin ich sieben Tage ununterbrochen auf See. Danach schaue ich mir New York an und fliege von dort wieder zurück.«

»Und wann machst du das?«, Dennis schien sehr interessiert.

»Ich habe die Tour für den Monat August gebucht, dann ist es nicht so kalt auf dem Atlantik und es sind auch weniger Eisberge unterwegs.«

»Ich würde da wahnsinnig gern mitfahren«, sagte Dennis, »wäre das für dich in Ordnung, wenn ich mitkomme?«

»Wir können das versuchen, wir fragen im Reisebüro nach. Okay?«

»Was denkst du, sind da noch Plätze frei?«

»Zumindest ist ein Platz in meiner Kabine frei. Wie ich schon sagte, wir müssten im Reisebüro nachfragen. Ich habe nur für eine Person eine Doppelkabine. Wenn du mitkommst und wir die Kabine zu zweit belegen, wird es für jeden von uns billiger.«

»Was kostet denn der Spaß?«, wollte Dennis wissen.

»Wenn wir zusammen eine Balkonkabine nehmen, kostet das ungefähr 3.000 Euro pro Person. Da ist allerdings der Rückflug schon dabei.«

»Ich hätte Lust, die Fahrt über den Atlantik mitzumachen. Würdest du mich mitnehmen?«

»Das wäre toll. Wir gehen morgen früh ins Reisebüro und klären alles. Hast du morgen Zeit?«

»Das ist vormittags schlecht. Ich könnte ab Mittag. Geht das bei dir?«, fragte Dennis und Gerd stimmte zu.

Gerd hatte nicht gemerkt, dass Geli hinter ihm stand und sein Glas erneut füllen wollte. Als die Flasche plötzlich neben seinem Kopf auftauchte, erschrak er sich dermaßen, dass er aufsprang. Dabei riss er Geli die volle Flasche mit Wein aus der Hand. Die Flasche fiel auf die gefüllten Gläser von Werner und Dennis. Die Gläser zerbrachen, der Wein ergoss sich über den Tisch und auf die Hosen von Dennis und Gerd.

»Scherben bringen Glück«, kommentierte Werner die Situation.

Dennis versuchte seine nasse Hose zu trocknen und als er entdeckte, dass Gerds Hose ebenfalls vollkommen durchnässt war, konnte er sich nicht mehr halten vor Lachen.

»Vielleicht solltest du deine Hose auswringen, das gibt mindestens noch ein volles Glas.«

Mit der Bahn nach Hamburg

Gerd und Dennis saßen im ICE von Koblenz nach Hamburg. Mit der Regionalbahn waren sie in Rüdesheim um 10 Uhr gestartet.

»Ausnahmsweise war die Bahn heute mal pünktlich«, meinte Gerd, als sie ihre reservierten Plätze einnahmen.

»Übrigens, die Deutsche Bahn hat die Definition von Pünktlichkeit geändert. Pünktlich ist der Zug jetzt, wenn er am richtigen Tag ankommt«, grinste Dennis.

Es war sehr warm draußen. Das Thermometer zeigte fast 30°. Doch die Klimaanlage im Zug verschaffte ihnen eine angenehme Reisetemperatur. Beide genossen die Aussicht aus dem Zugfenster und begannen schon kurz nach dem Start in Rüdesheim für ihre Reise Pläne zu schmieden.

Jetzt im ICE tranken sie Wein. Mit dem Weinkonsum entwickelte sich auch ihre Fantasie und als sie die dritte Flasche bestellt hatten, waren sie richtig angewärmt.

»Hoffentlich sind da nicht nur Greise an Bord«, fürchtete Dennis, »ich wäre sehr damit einverstanden, ein paar junge Frauen kennenzulernen. Was ist mit dir?« 

»Heute sind mehr und mehr auch jüngere Leute auf solchen Kreuzfahrten. Kreuzfahrten sind nach wie vor ein Hit, trotz der ganzen Umweltdiskussion. Ich bin ganz sicher, wir treffen dort auch ein paar unternehmungslustige Frauen, fall du mir eine übrig lässt.«

»Dein Wort in Gottes Ohr. Ich bin sehr gespannt, ob ich als einfacher Angestellter bei Schicki-Micki-Tanten ankomme«, grübelte Dennis.

»Du musst denen ja nicht unter die Nase reiben, dass du Produktmanager in einer Pharmafirma bist«, meinte Gerd, »Mein Job als Kellermeister in einem Weingut ist für Außenstehende auch nichts Besonderes. Meinst du wirklich, wenn du mit einer Frau flirtest, dass die dich nach deinem Job fragen wird?«

»Ich denke schon«, meinte Dennis, »das habe ich auch nachts in einer Disco erlebt. Die Frauen fragen immer, wer du bist und was du so machst.«

»Und ob du verheiratet bist, wollen sie wissen. Stimmts?«, Gerd kannte sich aus.

»Als ich noch verheiratet war, habe ich nicht immer die Wahrheit gesagt«, gestand Dennis.

»Das musst du auch nicht, wenn es um deinen Job geht. Wenn dich eine Frau fragt, was du beruflich machst, kannst du ja Bankdirektor oder Rechtsanwalt antworten.«

»Nee, das ist zu hoch gestochen. Du weißt doch, unser Kumpel Werner war doch, bevor er pensioniert wurde, bei der Polizei. Bei der Kripo. Was hältst du von der Idee, wenn wir uns als Beamte von der Kriminalpolizei ausgeben? Ich bin sicher, das wird die Frauen interessieren«, Dennis war gespannt, was Gerd dazu meinte.

»Klingt gut. Dein Vorschlag gefällt mir. Hoffentlich kommen dann keine speziellen Fragen, die wir beantworten müssen.«

»Also pass auf. Ich kenne ein wenig von der Sache, weil mir Werner viel darüber erzählt hat. Werner gehörte zum Polizeipräsidium Westhessen in Wiesbaden. Und zwar zum K11. Das musst du dir merken. Wir arbeiten beide dort. Werner war Kriminalhauptkommissar, also das wird dein Titel, Gerd. Mein Dienstgrad ist Kriminaloberkommissar. Kannst du dir das merken?«

»Was ist denn mehr? Kriminaloberkommissar oder Kriminalhauptkommissar?«

»Du bist mehr als Kriminalhauptkommissar. Aber die Titel sind gar nicht so wichtig. Wir benötigen ein paar heiße Storys. Dann können wir besser auf den Putz hauen.«

»Was für Storys meinst du?«, fragte Gerd.

»Na, zum Beispiel, wie wir den einen oder anderen Mord aufgeklärt haben. Das ist doch immer aufregend. Damit wir uns nicht verplappern, müssen wir unterschiedliche Fälle erfinden. Am besten wird es sein, wenn wir beide nie zusammengearbeitet haben. Wir hatten immer unterschiedliche Fälle. Wir müssen allerdings aufpassen, dass wir unterschiedliche Erlebnisse haben. Hast du Ideen dazu?«

»Ich habe mich mal bei einer Geiselnahme austauschen lassen. Wie findest du das?«, fragte Gerd.

»Das klingt super. Ich hatte einen Fall, bei dem ich den Ehemann als Mörder im Verdacht hatte, seine Frau getötet zu haben. Ich konnte es ihm aber nicht beweisen und dann hat ihn seine Geliebte ans Messer geliefert.«

»Klingt auch gut. Wir müssen das mit mehr Details beschreiben. Ich habe eine Idee. Wir kaufen hier im Bordrestaurant eine Bild-Zeitung, da stehen doch immer Kriminalfälle jeglicher Art drin. Und daraus nehmen wir uns Einzelheiten heraus.«

»Ich bin gleich wieder zurück, ich muss mal eben auf die Toilette«, erklärte Gerd. Er stand auf und ging los. Leider war das nächste WC besetzt und er musste den ganzen Waggon durchqueren. Da war jedoch nicht so einfach. Der ICE war voll und Gerd zwängte sich durch Passagiere hindurch, die zum Teil den Gang blockierten. Von Weitem sah er, dass die Toilette am Ende des Waggons grünes Licht anzeigte, doch kurz bevor er den gewünschten Ort erreichte, bemerkte er, dass eine ältere Dame in dem WC verschwand. Gerd entschied sich, vor der Toilette zu warten, doch es dauerte.

Gerd schaute auf seine Armbanduhr, doch die fehlte. Jetzt fiel ihm ein, dass er sie in den Koffer gesteckt hatte.

Neben ihm standen zwei Männer, die sich in englischer Sprache unterhielten. Er versuchte seine spärlichen Vokabeln zusammenzukratzen und fragte höflich:

»Excuse me, can you tell me what is the time?«

Doch sein Gegenüber antwortete: »I don't have any change, sorry.«

Gerd hatte allerdings die Antwort nicht verstanden. Als er von der Toilette kam, den ebenso schweren Rückweg bewältigt hatte und gegenüber von Dennis wieder Platz nahm, versuchte er dem Freund die Situation zu erklären.

»Du musst wissen, mein Englisch ist ziemlich bescheiden. Ich verstehe relativ gut, wenn andere reden, aber ich kann nicht alles übersetzen. Und noch schlimmer ist es, wenn ich reden muss, meine Aussprache ist oft falsch und so kommt es immer wieder zu Missverständnissen. Stell dir vor, was mir gerade passiert ist. Ich fragte einen Engländer: What ist the time? Und der antwortete: I don't have any change. Was war denn da falsch?

»Sag mir noch mal, was du gefragt hast«, wollte Dennis helfen.

»What is the time?«

»Ich glaube, ich weiß, was vorgefallen ist. Was du sagst, klingt wie: What ist the dime? Ein Dime ist in den USA ein Zehn-Cent-Stück, also eine Münze. Dein Gesprächspartner war also wohl ein Amerikaner und der hat geantwortet, dass er kein Wechselgeld bei sich hat.«

Dennis wollte sich fast ausschütten vor Lachen.

Nach einiger Zeit fiel ihm ein, was vor Gerds Toilettengang das Gesprächsthema war.

»Wir sprachen über Kriminalfälle. Und das habe ich in der Zwischenzeit mal gegoogelt.«

Dennis griff zu seinem Handy und zeigte Gerd, was ihm angezeigt wurde. Gleich als Erstes kam das Ergebnis ‚Aufgeklärt – Spektakuläre Kriminalfälle‘. Das ZDF berichtete über große Kriminalfälle in Deutschland. Und Dennis scrollte durch die gefundene Seite.

»Hier wurden ganz viele Fälle beschrieben, da brauchen wir uns keine Zeitung mehr zu kaufen. Ich schlage vor, dass jeder von uns vier Fälle auswählt und sich die Geschichten merkt. Dann haben wir abends beim Dinner oder später an der Bar genug zu erzählen.«

Auf der Reeperbahn nachts um halb eins

Gerd und Dennis hatten das Hotel Hafen Hamburg gebucht, da es in unmittelbarer Nähe zur Reeperbahn auf St. Pauli gelegen war. Nachdem sie ihr Zimmer bezogen hatten, wollten sie das Nachtleben genießen.

»Kennst du eigentlich das Freudenhaus hier auf St. Pauli?«, fragte Dennis.

»Freudenhaus? Meinst du einen Puff?«

»So ähnlich«, antwortet Dennis, »komm, wir gehen in das Freudenhaus.«

Dennis, der sich in Hamburg auskannte, führte seinen Freund über die Helgoländer Allee direkt zur Reeperbahn. Sie spazierten in westlicher Richtung und erreichten nach kurzer Zeit das Operettenhaus.

»Hier habe ich vor ein paar Jahren ‚Tina‘ gesehen«, erzählte Dennis, »das war bisher mit das Schönste, was ich als Musical je sah. Und ich habe viele gesehen.«

Auf Höhe der Davidwache bogen sie nach rechts ab in die Hein-Hoyer-Straße und standen schon nach 100 Metern vor dem Freudenhaus.

»Das ist ja ein Restaurant«, staunte Gerd, »damit habe ich jetzt nicht gerechnet. Willst du mit mir zum Essen gehen? Im Freudenhaus?«

»Genau hier kannst du hervorragend essen. Ich war hier schon mal. Kommst du mit?«

Gerd ließ sich nicht lange bitten. Als sie nach fast zwei Stunden das Restaurant wieder verließen, stimmte er zu.

»Das war wirklich toll im Freudenhaus. Ich meine das Essen. Wollen wir jetzt mal schauen, was St. Pauli sonst noch zu bieten hat?«

Dennis war sofort dafür und mit wilden Erwartungen und einem Hauch von Nervosität machten sie sich auf den Weg in das berühmte Viertel.

Die Reeperbahn bei Nacht bot ein schillerndes Angebot; die Neonlichter funkelten verlockend, während sie von einer bizarren Szene zur nächsten stolperten. Plötzlich zog eine extravagante Dragqueen namens Lola ihre Aufmerksamkeit auf sich und versprach den beiden unvergessliche Erlebnisse.

Neugierig und von Lolas schillernder Persönlichkeit angezogen, folgten Dennis und Gerd ihr. In dem exotischen Nachtklub nahmen sie an der Bar Platz. Ihnen bot sich eine bunte Mischung aus atemberaubenden Tanzperformances und skurrilen Unterhaltungseinlagen.

Während sie sich amüsierten, bemerkte Dennis eine mit einem Tuch verhüllte, mysteriöse Gestalt, die ihm unauffällig zuzwinkert. Er stand von seinem Platz an der Bar auf und folgte ihr neugierig in ein Separee. Er wollte unbedingt herausfinden, was die Dame von ihm wollte.

Als sich der Vorhang hinter den beiden schloss, ließ die Dame ihr Tuch fallen. Eine Frau älteren Datums stand mit entblößtem Oberkörper vor ihm. Er folgte der Richtung, die ihre herabhängenden Brüste vorgaben, und schaute auf ihre Füße. Auch die hatte sie entblößt und ihre High Heels in die Ecke geschleudert.

Sie schaute Dennis an und war plötzlich ziemlich enttäuscht.

»Ach, du bist ja gar nicht der Renée«, meinte sie.

»Nein, ich heiße Dennis. Hast du mich mit jemandem verwechselt?«

»Ja, offensichtlich. Ich dachte, du wärest der Renée. Das ist nämlich ein Stripper, der hier bei uns auftritt. Aber Renée ist viel jünger als du, sieht dir zwar ähnlich, aber ist hübscher als du.«

»Da bin ich aber froh, dass du deine Volljährigkeit gerade erreicht hast. War das vor 40 oder vor 50 Jahren?«

»Es gibt heutzutage keine Kavaliere mehr, hau ab, du Arsch.«

Dennis ging zurück an die Bar. Dort hatten inzwischen zwei halb nackte Schönheiten Gerd in die Mangel genommen und ihn überredet, sie zu Drinks einzuladen. Dennis setzte sich daneben und schon kam eine weitere Animierdame und erklomm den anderen freien Platz neben ihm.

»Gibst du mir einen aus?«

»Was willst du denn trinken?«, fragte Dennis.

»Eine Flasche Champagner kostet bei uns nur 400 Euro. Das muss es dir doch wert sein. Ich gehe mit dir auch nach hinten.«

»Was meinst du mit ‚nach hinten‘?«, fragte Dennis nach.

»Na, ins Separee. Kommst du mit?«

»Tut mir leid, ich habe nur zwanzig Euro dabei.«

»Du Spinner«, schimpfte sie los, »dann kannst du ja nicht mal dein Bier bezahlen. Wenn du keine Kohle hast, haut dir Kalle was auf die Schnauze.«

»Was kostet denn mein Bier?«

»Das kostet fünfundzwanzig Euro.«

Dennis holte sein Portemonnaie aus der Tasche, zog fünfundzwanzig Euro heraus, legte sie auf die Theke und meinte zu Gerd:

»Komm, wir hauen ab, bevor wir pleite sind.«

»Ach nee«, meinte Gerd, »ich bleibe noch ein wenig, mir gefällt es ausgezeichnet hier. Du kannst ruhig gehen. Ich finde schon zurück zum Hotel.«

»Dann mach’s gut. Pass auf dich auf.«

Dennis drehte sich um, verließ den Nachtklub und schlenderte langsam zurück in Richtung Hotel.

An der Hotelbar nahm er noch einen Absacker zu sich, verschwand dann auf dem Zimmer und legte sich ins Bett.

Er wurde aus seinen Träumen gerissen, als sein Handy klingelte. Er schaute auf seine Armbanduhr. Es war 4:35 Uhr.

»Du musst mir helfen«, stammelte sein Freund Gerd, »ich habe hier Probleme.«

»Was ist los? Soll ich die Polizei rufen?«

»Nee, keine Polizei. Ich brauche Geld.«

»Geld? Wie viel benötigst du?«

»Die haben mir hier eine Rechnung präsentiert, ich soll 1.680 Euro bezahlen.«

»Was? Wie viel? Hast du den Laden gekauft?«

»Quatsch, bitte hilf mir, die Mädels sind weg. Dafür stehen zwei Kerle neben mir, die mir Prügel angedroht haben. Die meinen das ernst. Pass auf, ich wollte das Geld mit meiner Kreditkarte zahlen. Aber die wird hier nicht akzeptiert. Und Bargeld habe ich nicht. Die haben mir gesagt, dass sie das Geld in bar von mir wollen. Nur in bar. Hörst du? Kannst du mir helfen? Bitte.«

»Gerd, ich komme. Gib mir zwanzig Minuten. Pass aber auf, lass dir in jedem Fall deine Kreditkarte zurückgeben, nicht dass die damit noch zusätzlich Geld von deinem Konto abheben.«

Dennis stand auf und sprang in seine Klamotten. Dann ging er an den Tresor im Zimmer und zählte sein Bargeld. Eintausendfünfhundert hatte er in bar. Er nahm das Bargeld, verließ sein Zimmer und orderte beim Nachtportier eine Taxe. Er erklärte dem Taxifahrer die Situation und ließ sich erst noch zum nächsten Geldausgabeautomaten bringen und hob weitere 500 Euro ab. Dann fuhren sie zu dem Nachtklub und Dennis bat den Fahrer vor der Bar zu warten.

Dennis ging hinein und sah sich um, konnte Gerd aber nicht entdecken. Er fragte den Barkeeper und der rief laut:

»Kalle!«

Der Vorhang von einem Separee wurde aufgezogen und Dennis sah das Häufchen Elend, das da auf einem Stuhl hockte. Bei ihm stand ein großer Muskelprotz und hatte seine Arme vor der Brust verschränkt.

Dennis schaute den Barkeeper an und fragte:

»Wo ist die Rechnung?«

»Hier ist sie«, meinte der Barkeeper, schob die Rechnung über die Theke, »da stehen 1.680 Euro drauf. Da kommen allerdings jetzt noch 100 Euro dazu, weil wir so lange auf die Kohle warten mussten.«

»Wenn du das noch einmal sagst«, sprach Dennis in scharfem Ton, »draußen in der Taxe habe ich einen Freund von der Kripo dabei, der wartet schon darauf, dass ich ihn hereinhole.«

»Britta, schau mal, ob draußen ein Taxi steht«, orderte der Barkeeper eines der Mädels an die Tür.

Die kam zurück und bestätigte, dass das so wäre.

Dennis zählte 1.700 Euro ab und legte die Geldscheine auf die Theke. Misstrauisch prüfte der Barmann die Scheine auf Echtheit.

»Heute gibt es allerdings kein Trinkgeld«, meinte Dennis, »ich will die zwanzig Euro zurück.«

Ohne einen Ton zu sagen, bekam Dennis das Wechselgeld. Der Barkeeper gab Kalle ein Zeichen und der ließ Gerd laufen. Dennis zerrte seinen Freund regelrecht aus dem Nachtklub und schob ihn in die wartende Taxe und sie fuhren zurück zum Hotel. Während der Fahrt sprachen sie kein Wort. Erst als sie wieder auf dem Zimmer waren, begann Gerd das Gespräch.

»Noch einmal danke. Tut mir leid. Ich bin ein Blödmann.«

»Ich widerspreche nicht. Du hast recht. Wie kannst du die Barweiber zu Champagner einladen? Hättest du vorher nur einmal in die Getränkekarte geschaut. Da stehen die Preise drin. Die sind zwar vollkommen überteuert und wahrscheinlich war das nicht einmal Champagner, den die Ladies getrunken haben. Das war garantiert Nuttensekt.«

»Was ist denn Nuttensekt?«, wollte Gerd wissen.

»Das ist alkoholfreier Sekt, den die trinken, damit sie nicht besoffen werden.«

»Dennis, du bekommst das Geld wieder. Auf Heller und Pfennig.«

»Davon gehe ich aus. Und jetzt lass uns schlafen. In ein paar Stunden müssen wir aufs Schiff. Ich stelle den Wecker.«

Das Schiff