Hexen in Hamburg: Verbrannt - Amalia Zeichnerin - E-Book

Hexen in Hamburg: Verbrannt E-Book

Amalia Zeichnerin

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Beschreibung

Hexen gibt es wirklich und sie leben mitten unter uns ... Als bei der Hexe Alannah eingebrochen wird, rätseln sie und ihre Lebensgefährtin, wer dafür verantwortlich ist, denn es wurden nur Hexengegenstände gestohlen. Die Polizei kommt mit ihren Ermittlungen kaum voran, sodass Alannah mit ihrem Hexenfreundeskreis und zwei weiteren Hexen selbst Nachforschungen anstellt. Schon bald gibt es mehrere Verdächtige, darunter auch ein spiritueller Coach, der Hexenkunst hasst und ein ehemaliger Kollege von Alannah, der sie gern daten würde und sie nicht in Ruhe lässt.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Table of Contents

Titelei

Klappentext

Inhaltshinweise und -warnungen

Playlists zum Roman

Illustration Brigid

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Nachwort und Danksagung

The Witches of Portland

Impressum

Hexen von Hamburg

Verbrannt

 

Amalia Zeichnerin

 

Hexen gibt es wirklich und sie leben mitten unter uns ...

 

Hexen in Hamburg: Verbrannt

 

Als bei der Hexe Alannah eingebrochen wird, rätseln sie und ihre Lebensgefährtin, wer dafür verantwortlich ist, denn es wurden nur Hexengegenstände gestohlen. Die Polizei kommt mit ihren Ermittlungen kaum voran, sodass Alannah mit ihrem Hexenfreundeskreis und zwei weiteren Hexen selbst Nachforschungen anstellt. Schon bald gibt es mehrere Verdächtige, darunter auch ein spiritueller Coach, der Hexenkunst hasst und ein ehemaliger Kollege von Alannah, der sie gern daten würde und sie nicht in Ruhe lässt.

 

Die Buchreihe »Hexen in Hamburg« erzählt von modernen Hexen, in einer Mischung aus Urban Fantasy, Cosy Mystery und magischem Realismus. Jeder Band dieser Reihe ist in sich abgeschlossen, und unabhängig von den anderen lesbar, jeweils mit einer eigenen Hauptfigur. Die Bände sind durch den Schauplatz Hamburg und die sechs verschiedenen Hexen verbunden, die in allen Bänden eine Rolle spielen und sich miteinander anfreunden.

 

 

 

 

Inhaltshinweise

 

Magie, Hexenkunst, moderne Hexen, modernes Heidentum/Paganismus, Hauptfigur auf dem asexuellen Spektrum, queere Nebenfiguren, keine expliziten Sexszenen, Freundschaft.

 

Inhaltswarnungen

 

Queerfeindlichkeit (wenig), Vorurteile und Aggression gegenüber Hexen, Stalking

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Playlists zum Roman

 

Alannahs Playlist

 

First Spring Day - Suburban Tribe

Brighid - Damh the Bard

Girl on Fire - Alicia Keys

We didn't start the Fire - Fall Out Boy

Firework - Katy Perry

Flames - David Guetta, Sia

Song to Brighid - Lisa Thiel

Things we Lost in the Fire - Bastille

We all come from the Goddess - Lila

Fire Transform Me - Kellianna

auf Spotify:https://bit.ly/Alannahs_Playlist

 

Hexen in Hamburg Ambience Playlist

in meinem YouTube-Kanal:

https://bit.ly/hexen_ambience

 

 

 

Kapitel 1

 

Donnerstag, 22. März

 

Arm in Arm schlenderten meine Lebensgefährtin Franziska und ich nach Hause. Verliebt schaute ich sie von der Seite an, ehe ich mich kurz an sie lehnte. Seit über fünf Jahren waren wir mittlerweile zusammen. Und vor zweieinhalb Jahren hatten wir uns auf ein neues Abenteuer eingelassen: eine gemeinsame Wohnung. Ihr rötlichbraunes Haar, das sie kurz und fransig geschnitten trug, glänzte im Schein einer Straßenlaterne ebenso wie ihre silbernen Ohrringe. Unsere Schritte hallten auf dem Gehweg, auf den weitere Straßenlaternen gelbliche Lichtkreise malten. Ein leichter Nieselregen tropfte auf meine Jacke und kribbelte in meinem Gesicht, aber ich hatte nicht an einen Regenschirm gedacht. Egal, an diesem Abend war ich guter Laune, die konnte mir selbst der Regen nicht vermiesen.

Franziska grinste mich von der Seite an. »Mal wieder bestes Hamburger Schietwetter, nicht wahr?«

»Ja«, erwiderte ich. »Aber die Party war schön, findest du nicht auch?«

»Auf jeden Fall. Ich musste so lachen bei What do you meme?«

Das war ein Gesellschaftsspiel, das uns alle amüsiert hatte. Die Geburtstagsfeier unserer Freundin Cordelia war eine Dinnerparty im kleinen Kreis gewesen und wir hatten ein paar angenehme Stunden bei ihr verbracht. Da sie auch im Stadtteil Eimsbüttel wohnte, in der Nähe der Osterstraße mit ihren vielen Geschäften, Bistros und Cafés, hatten wir zu Fuß hingehen können. Cordelia hatte sich sehr über den Wellness-Gutschein gefreut, den Franziska und ich ihr geschenkt hatten. Das Essen war lecker gewesen, Cordelia hatte uns zuliebe auch einige vegane Speisen gezaubert.

Allerdings war mein Tag lang gewesen und ich war ganz froh, als Franziska und ich gegen zehn unsere Mietwohnung erreichten, im dritten Stock eines Altbaus, der in der Jugendstilzeit gebaut worden war.

Es war die Zeit der Frühlingstagundnachtgleiche. Oder Ostara, wie es manche von uns gern nannten. Obwohl es noch recht kühl war, lag auch tatsächlich ein Hauch Frühling in der Luft und die ersten Frühlingsblumen, darunter Schneeglöckchen und Krokusse, blühten schon um die Wette.

Wir Hexen von Hennys Stammtisch hatten eigentlich überlegt, ob wir das Fest in ihrem Garten feiern könnten, so wie wir es im vergangenen Jahr mit der Wintersonnenwende gemacht hatte. Aber es hatte zu viele Terminprobleme gegeben. Nicht nur Cordelias Geburtstagsparty war dazwischen gekommen. Jannis und seine Freundin wollten an diesem Abend ein Dark-Wave-Konzert in der Markthalle besuchen. Dani, die auch in Teilzeit in Hennys Hexenladen in Altona arbeitete, steckte mitten in einem Illustrationsauftrag mit einer knappen Deadline, sodass sie Überstunden machen musste. Blieb noch Cedric, mit dem ich schon mal zusammen gefeiert hatte, aber er war gerade beruflich einige Tage unterwegs in Berlin, für die Umweltschutzorganisation, bei der er arbeitete.

Im Grunde hätten wir eine gemeinsame Feier auch verschieben können, aber es war wie so oft: Wir alle hatten volle Terminkalender. Aber immerhin hatten wir es geschafft, uns vor einigen Tagen zum Stammtisch in der Kneipe Neun Welten zu treffen. Ich hatte mir vorgenommen, am kommenden Wochenende zumindest ein kleines Ritual zu Hause zu machen, um den Frühlingsbeginn zu feiern.

Franziska zählte nicht zu dem kleinen Kreis der Hexen, die Henny um sich gescharrt hatte. Im Gegensatz zu mir konnte sie mit Magie und Hexenkunst nichts anfangen und war eine Atheistin. Früher hätte ich bestimmt laut gelacht, wenn mir jemand vorhergesagt hätte, dass ich ausgerechnet mit einer Atheistin eine Beziehung eingehen würde. Aber es funktionierte gut für uns beide. Ich nervte Franziska nicht mit meinen Hexenthemen oder meinen heidnischen Aktivitäten und sie versuchte nicht, mir meinen Glauben auszureden. Stattdessen respektierten wir gegenseitig unsere unterschiedlichen Weltanschauungen und hatten uns Gleichgesinnte gesucht, mit denen wir uns darüber austauschen konnten.

Ich schloss die alte Tür auf, an der die Farblackierung teilweise abblätterte, und trat in die Wohnung. Franziska folgte mir. In unserem Hausflur hing die Asexual Pride Flagge, neben einem schmalen langen Spiegel. Das Tuch war schwarz-grau-weiß-violett gestreift. Franziska hatte ein rotes Herz mittig darauf genäht, diese Kombination stand für die romantischen Asexuellen, wie wir es waren. Allerdings hing die Flagge nicht mehr an ihrem Platz, als wir in den Flur traten. Sie lag leicht zerknüllt auf dem Boden. Seltsam, dachte ich. Eigentlich hatte ich sie ganz gut befestigt.

Franziska und ich tauschten einen verwunderten Blick. Die Nägel in der Wand waren noch an Ort und Stelle. »Merkwürdig, die ist doch noch nie heruntergefallen«, sagte ich leise.

Franziska zupfte leicht daran. »Zugluft?«

Ich schüttelte den Kopf. »Glaube ich nicht, dann hätten wir das Problem doch schon öfter gehabt. Und alle Fenster sind geschlossen.«

Ich wollte schon nach der Flagge greifen, um sie wieder aufzuhängen, da legte Franziska mir eine Hand auf den Arm.

»Warte mal. Schauen wir lieber nach, ob noch mehr in Unordnung ist. Irgendwas ist hier faul.«

Allmählich dämmerte mir, worauf sie hinauswollte. »Du meinst …«

»Ein Einbruch?«, fuhr sie nachdenklich fort.

»Oh, scheiße«, entfuhr es mir.

Ich lief ins Wohnzimmer hinüber. Dort hatte ich einen kleinen Altar zu Ehren der keltischen Gottheiten Brigid und Dian Cécht auf einer Kommode aufgebaut, mit zwei Statuetten, Kerzen, Blumen, Kristallen und einigen Orakelkarten. All das lag normalerweise auf einem dunkelgrünen Altartuch, das mit einem keltischen Knotenmuster bedruckt war. Ich starrte auf die Kommode. Sie war leergeräumt und alle Schubladen waren aufgerissen. Ich schaute an die Wand. Das von Dani gemalte Bild, das Brigid zeigte, war ebenfalls verschwunden und auch das geflochtene Brigidskreuz. Verdammt, das war ein Original gewesen, kein Kunstdruck. Sprachlos deutete ich auf die leere Kommode, als Franziska neben mich trat.

Sie folgte meinem Blick und fluchte. Meine Freundin fasste sich als Erste wieder. »Ruf die Polizei, über 110. Ich schaue nach, ob der Einbrecher noch da ist.«

»Nein, nicht«, wehrte ich mit erstickter Stimme ab. »Was machen wir denn, wenn er uns angreift?«

»Okay, dann warten wir ab, bis die Polizei da ist.« Franziska zückte ihr Handy. »Am besten draußen. Dann verwischen wir hier auch keine Spuren.«

Bisher hatten wir weder unsere Schuhe noch die Jacken ausgezogen und verließen rasch das Haus.

Unten vor dem Eingang telefonierte Franziska mit der Polizei, während ich mit widersprüchlichen Gefühlen kämpfte. Eine kochende Wut auf den Einbrecher, aber auch Angst. Ich hatte mich noch nie in meiner Sicherheit bedroht gefühlt. Abgesehen von dem einen Mal in der Schule, als ein fieser Mobber mir Prügel angedroht hatte. Dieser Kerl hatte mehrere Schulkinder in Angst und Schrecken versetzt, nicht nur mich. Schaudernd dachte ich daran zurück, wie er mich bedroht hatte. Ich war zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Damals hatte mich das Klingeln zur nächsten Stunde gerettet. Jenem Scheusal war ich danach aus dem Weg gegangen.

Wir mussten nicht lange auf die Polizei warten, zwei Beamte in Uniform hielten mit ihrem Einsatzwagen direkt vor dem Haus in einer Parklücke. Einer von ihnen trug eine schwarze Tasche. Ich hatte noch nie näher mit der Polizei zu tun gehabt. Aber die beiden begrüßten uns freundlich, was mir etwas von dem mulmigen Gefühl nahm.

Franziska und ich schilderten ihnen kurz, was wir beobachtet hatten. Ich erzählte auch, dass die Flagge im Flur sonst noch nie heruntergefallen war und dass der Einbrecher religiöse Gegenstände von der Kommode gestohlen hatte.

»Ich verstehe«, erwiderte einer der Polizisten, der dunkelbraunes Haar hatte. Einige Strähnen lugten unter seiner Mütze hervor. »Sie und Ihre Mitbewohnerin bleiben bitte erst mal hier. Wir sagen Ihnen Bescheid, wenn Sie wieder in die Wohnung kommen können.«

Ich ersparte es mir, dem fremden Mann zu erklären, dass Franziska nicht meine Mitbewohnerin, sondern meine Lebensgefährtin war. Mit fahrigen Bewegungen tigerte ich vor dem Haus auf und ab.

»Kannst du bitte damit aufhören?«, bat Franziska mich. »Du machst mich ganz nervös.«

»Ich bin nervös.«

Sie winkte ab und rieb sich mit einer erschöpften Geste über die Nasenwurzel. »Schon gut.« Dann zerstrubbelte sie sich das Haar. Vermutlich war sie ebenso durcheinander wie ich.

Etwa zwanzig Minuten später kam der dunkelhaarige Polizist wieder zu uns nach unten. »Der Einbrecher ist nicht mehr in der Wohnung. Sie können nun wieder hinein. Wir haben Fotos gemacht und Fingerabdrücke an der Tür und von der Kommode genommen. Wir brauchen auch Ihre Fingerabdrücke, damit wir diese ausschließen können. Das können wir morgen auf dem Revier erledigen.«

»Ich muss morgen arbeiten«, sagten Franziska und ich fast gleichzeitig.

»Das ist kein Problem, Sie können nach der Arbeit zu uns aufs Revier kommen, das in der Troplowitzstraße. Schauen Sie bitte nach, ob Wertgegenstände gestohlen worden sind. Falls ja, bräuchten wir von Ihnen eine entsprechende Auflistung, die können Sie auch morgen aufs Revier bringen.«

»Wir haben so eine Liste. Für unsere Hausratsversicherung«, fiel mir ein.

Der Polizist lächelte höflich. »Das ist gut. Hatten Sie hier in letzter Zeit Besuch? Oder Handwerker, Lieferdienste, andere Leute, die die Wohnung betreten haben? Ich frage wegen der Fingerabdrücke.«

»Zuletzt hatten wir im Februar Besuch«, erklärte ich. »Keine Handwerker. Und auch keinen Lieferservice. Nur die Postbotin, aber die hat die Tür nicht angefasst. Höchstens die Klingel.«

»Aber wir haben Anfang März einen Frühjahrsputz gemacht und dabei auch unsere Türen gereinigt«, ergänzte Franziska.

Er nickte. »Okay. Mein Kollege und ich werden noch Ihre Nachbarn befragen, ob sie etwas beobachtet oder gehört haben.«

»Danke«, sagte Franziska.

Wir gingen die Treppe hinauf in den dritten Stock, während der Polizist bei einer unserer Nachbarinnen klingelte. Bald wurde uns das ganze Ausmaß des Einbruchs klar: Die gesamte Wohnung war durchwühlt worden. Schubladen und Schränke waren aufgerissen, Papiere und Bücher lagen verstreut auf dem Boden, in der Küche war ein roter Becher mit weißen Punkten zu Bruch gegangen, die Scherben lagen überall verstreut. Vor lauter Wut kamen mir die Tränen. Hilflos streichelte Franziska einen Moment lang meinen Arm. Ich ließ mich einen Moment lang auf das Sofa sacken. Atmete ein paar Mal tief durch und wischte mir über das nasse Gesicht.

»Soll ich uns einen Tee machen?«, fragte Franziska sanft.

»Ich will jetzt keinen Tee. Ich will meine Sachen zurückhaben!«, fuhr ich sie an. Im nächsten Moment tat mir der Ausbruch leid und ich entschuldigte mich bei ihr. Sie konnte doch nichts für den Diebstahl.

»Macht nichts«, erwiderte sie leise. Und dann lauter: »Ich bin auch wütend. Aber ich glaube, es wäre gut, wenn wir eine Bestandsaufnahme machen. Wir sollten schauen, ob noch mehr gestohlen wurde.«

Ich nickte und stand auf. Ich fühlte mich auf einmal zehn Jahre älter. Am liebsten hätte ich mich in unserem Bett verkrochen und mir die Decke über den Kopf gezogen. Aber das war eine kindliche Anwandlung, die mir nun nicht weiterhalf. Das innere Kind und so. Darum würde ich mich später kümmern müssen.

Ich raffte mich auf, um Franziskas Vorschlag zu folgen. Nacheinander schauten wir in all die weit aufgerissenen Schubladen und Schränke, auch nach unserem Schmuck, das Wertvollste in unserem Besitz. Seltsamerweise fehlte nichts davon. Nicht einmal die metallene Kassette mit einem kleinen Bargeldvorrat hatte der Dieb entwendet. Selbst der Tablet-PC lag noch auf dem Wohnzimmertisch, wo ich ihn am Tag zuvor abgelegt hatte. Wie konnte das angehen? »Ich begreif das nicht. Warum hat der Einbrecher meinen Altar leergeräumt?«, rätselte ich.

»Wir wissen nicht, ob es ein Mann war«, warf sie ein.

»Ja, stimmt. Aber solange wir das nicht sicher wissen, rede ich nun von dem Einbrecher«, erwiderte ich.

»Soll mir recht sein«, erwiderte meine Liebste mit einem Schulterzucken.

»Jedenfalls, das mit dem Altar, das ergibt für mich keinen Sinn«, betonte ich noch einmal. »Aber mir fällt in dem Zusammenhang noch was anderes ein. Ich schaue mal was im Schlafzimmer nach.«

Ich ging in das genannte Zimmer hinüber und öffnete die alte Holztruhe, die ich von meinem Großvater geerbt hatte. Er war Tischler gewesen und hatte sie selbst hergestellt. Darin bewahrte ich meine Ritualgegenstände auf: einen kleinen Kupferkessel, einen Ritualdolch, dessen Griff bemalt war. Einen Kelch aus Kristallglas, mehrere Halbedelsteine und Kristalle. Einen Teil meiner Sammlung an Tarot- und Orakelkarten. Außerdem eine kleine Sammlung an Kerzen in verschiedenen Farben. Meine Räucherwerksammlung war allerdings zu groß, diese bewahrte ich in einem dekorativ bedruckten Karton auf. Vorsichtig öffnete ich die recht große Truhe. Ich blinzelte, aber das änderte nichts an der scheußlichen Entdeckung: Sie war vollkommen leer. Ich schrie auf und ließ mich auf den Boden fallen.

Franziska stürzte ins Zimmer.

»Sieh dir das an«, sagte ich tonlos.

Franziska sagte gar nichts. Stattdessen setzte sie sich neben mich und zog mich in eine Umarmung. »Ach, Lana, das tut mir so leid.«

Franziska war die einzige, die mich Lana nennen durfte. Wie ein persönlicher Kosename, den man nicht mit der ganzen Welt teilen wollte. Bei allen anderen Leute bestand ich auf Alannah. Ihre Umarmung tröstete mich ein bisschen. Gleichzeitig tosten die Gedanken wild in meinem Kopf, wie eine aufgewühlte Brandung am Meer. Wer um alles in der Welt war hier eingebrochen? Und warum hatte die Person es nur auf meine rituellen Objekte abgesehen?

Ich presste hervor: »Wir müssen nachschauen, ob noch mehr gestohlen worden ist.«

Schwerfällig stand ich wieder auf. Sie tat es mir gleich. Mit einem Mal fühlte ich mich entsetzlich müde. Ich wollte nur noch schlafen und darauf hoffen, dass das hier ein Albtraum war, aus dem ich bald erwachen würde.

Ich ging ins Wohnzimmer hinüber und nahm unsere Bücherregale in Augenschein. Ein Teil war mit Belletristik gefüllt, darunter die gesammelten Scheibenwelt-Romane von Terry Pratchett, die wir beide liebten. Daneben befand sich ein Abteil mit Sachbüchern zu verschiedenen Themen, einiges davon auch über meine Arbeit, Physiotherapie. Alle diese Bücher standen unverrückt an Ort und Stelle. Ein weiterer Teil eines der Regale war meinen Hexen- und heidnischen Büchern gewidmet und dort bewahrte ich auch noch weitere Tarot- und Orakeldecks auf. Mit der Zeit hatte ich eine gewisse Sammelleidenschaft entwickelt, was die Karten betraf. Franziska zog mich gern damit auf, aber ich wusste, dass sie das scherzhaft meinte.

Aber dieser Bereich des Bücherregals war vollkommen leer. Die Bücher und die kleinen Kartonverpackungen der Karten waren verschwunden. Auch einige historische Sachbücher über die Hexenverfolgungen, die ebenfalls in diesem Bereich untergebracht waren, fehlten. Verdammt! Ich ballte die Hände zu Fäusten. »Es ist alles weg!«, rief ich voller Zorn.

»Seltsamer Einbruch …«, murmelte Franziska. »Und woher wusste der Einbrecher, dass er solche Gegenstände hier finden würde?«

Überrascht schaute ich sie an. »Du meinst doch nicht etwa, es ist jemand aus meinem Bekanntenkreis?«

Franziska hob abwehrend eine Hand. »Das habe ich nicht gesagt. Aber da fällt mir ein, die Hexen von eurem Stammtisch hatten doch neulich Ärger mit dieser anderen Hexe, wegen des Datingportals, das sie verzaubert hat? Davon hattest du mir erzählt.«

»Oh, du meinst Heidrun Seewald.«

Die Hexen von unserem Stammtisch hatten etwas über Heidruns üble Machenschaften in Bezug auf ein Datingportal herausgefunden. Um zu verhindern, dass sie sich mit einem Fluch oder Schlimmerem an uns rächte, hatten wir alle jeweils bei uns zu Hause einen Spiegelzauber gemacht, der ihre Aktionen auf sie selbst zurückwerfen würde. »Du meinst, sie könnte uns auf die Schliche gekommen sein?«, fragte ich verunsichert.

Franziska zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich nicht. Du bist die Hexe, nicht ich.«

Unser Gespräch wurde durch die Türklingel unterbrochen. Die Polizisten kamen herein und teilten uns mit, dass unsere Nachbarn nichts gesehen oder gehört hätten. Auch nicht diejenigen, die in unserem Stockwerk wohnten. »Der Einbrecher ist möglicherweise schon geübt und hat vermutlich für die Tür einen Sperrhaken oder anderes Gerät verwendet, um sie relativ leise zu öffnen.«

Ich berichtete ihnen, dass auch meine Ritualgegenstände aus der Truhe sowie mehrere Bücher gestohlen worden waren, nannte erstere aber »religiöse Objekte«. Ich fing lieber gar nicht erst an zu erklären, dass ich eine Hexe sei.

»Wie gesagt, bringen Sie uns am besten morgen eine Auflistung mit«, erwiderte der zweite Polizist, dessen Haar schon etwas schütter war.

»Das machen wir«, erwiderte Franziska. Sie klang erschöpft.

»Auf dem Revier haben wir Broschüren, wie man sich besser gegen Einbrüche schützen kann. Nehmen Sie sich am besten eine mit«, schlug der Mann vor.

Ich nickte und die Polizisten verabschiedeten sich.

Ich warf einen Blick auf die Uhr. Es war eine halbe Stunde vor Mitternacht.

»Komm, lass uns schlafen gehen«, sagte meine Lebensgefährtin. »Heute können wir sowieso nicht mehr viel ausrichten.«

Während ich kurz darauf in meinen kuscheligen Lieblings-Pyjama schlüpfte und Franziska sich die Socken auszog, fragte sie: »Sag mal, meinst du, dieser Martin hat etwas damit zu tun, dein ehemaliger Arbeitskollege? Weil du ihn hast abblitzen lassen?«

Mit Schrecken dachte ich an das Treffen mit ihm zurück. Wir hatten uns am vergangenen Sonntag im Restaurant Viva Las Vegans getroffen, zwei Tage nach dem letzten Hexenstammtisch. Ich hatte gedacht, Martin hätte einfach gern freundschaftlich-kollegial mit mir sprechen wollen, über die Arbeit und andere Dinge. Nach einer Weile war mir allerdings mit einem unangenehmen Gefühl klar geworden, dass er unser Treffen offenbar als Date betrachtete.

Ich schloss die Knöpfe meines Pyjama-Oberteils. »Das kann ich mir nicht vorstellen. Er weiß doch gar nicht, wo ich wohne.«

»Vielleicht hat er es irgendwie herausgefunden?«

»Aber warum sollte er hier einbrechen, nur weil ich kein Date mit ihm haben wollte? Das ist doch völlig übertrieben.«

Franziska zuckte mit den Schultern und strich sich eine Strähne aus der Stirn. »Manche Leute reagieren seltsam, wenn sie bei anderen nicht landen können. Ich hab da schon merkwürdige Geschichten gehört.«

Widerwillig musste ich ihr recht geben. »Da ist wohl was dran.«

In dieser Nacht fiel es mir schwer einzuschlafen. Lange Zeit wälzte ich mich in unserem Kingsize Bett hin und her, schrak bei jedem kleinen Geräusch zusammen.

Bitte, Brigid, betete ich im Stillen zu der keltischen Göttin, deren Statuette nicht länger auf dem Altar stand. Hilf der Polizei, den Einbrecher zu finden. Und wenn es irgendwie möglich ist … ich hätte gern meine Sachen wieder. Ich spürte in die nächtliche Stille hinein. Wann immer ich zu Brigid oder Dian Cécht betete, spürte ich ihre Präsenz in meiner Nähe, zumindest ein kleines bisschen. Aber an diesem Abend war da gar nichts. Nicht mal der kleinste Schimmer. Von keinem von ihnen.

Die beiden Gottheiten begleiteten mich schon seit einigen Jahren. Brigid, die in mehreren keltischen Kulturen unter verschiedenen ähnlichen Namen und mit verschiedenen Facetten bekannt war, wurde mit zahlreichen Dingen assoziiert: Dichtkunst und Schmiedehandwerk. Heilung und Frühling. Mehrere Tierarten standen unter ihrem Schutz und sie wurde auch angerufen, um Mütter und Kinder zu schützen. Das war bei weitem noch nicht alles. Später war sie mehr oder weniger mit einer katholischen Heiligen verschmolzen, sodass es mittlerweile schwierig war, die einstige keltische Göttin von der Heiligen zu trennen.

Dian Cécht war im Wesentlichen mit dem Thema Heilkunde und Heilung verbunden. Da ich in meinem Beruf Physiotherapie ebenfalls tagtäglich mit Heilung zu tun hatte, war es nicht verwunderlich, dass ich mich diesen beiden Gottheiten besonders verbunden fühlte. Waren sie nun enttäuscht oder wütend, weil mir ihre Statuetten abhandengekommen waren?Oder weil ihr Altar praktisch nicht mehr existent war?

Leise, um Franziska nicht aufzuwecken, ging ich in die Küche und kramte ein Teelicht hervor. Der Dieb hatte zwar sämtliche meiner Kerzen mitgehen lassen, aber immerhin hatte er den Beutel mit Teelichtern übersehen, den ich in unserer kleinen Vorratskammer aufbewahrte. Danach ging ich ins Wohnzimmer hinüber, ließ die Deckenbeleuchtung aus und entzündete nur das kleine Licht. Einige Minuten lang starrte ich einfach in die Flamme, bis ich mich in einem halbwegs meditativen Zustand befand. Dann betete ich erneut zu Brigid, mit mehr Inbrunst diesmal. Ich bat sie auch um Verzeihung, weil ich nicht besser auf »ihre« Gegenstände aufgepasst hatte. Im Anschluss richtete ich auch ein Gebet an Dian Cécht. Als mir die Worte ausgingen, streckte ich ein weiteres Mal meine metaphorischen Fühler aus. Aber da war nichts. Nur die Dunkelheit und Kühle des Wohnzimmers, in dem wir die Heizung für die Nacht heruntergedreht hatten. Als ob die Präsenzen meiner beiden Gottheiten zusammen mit ihren Statuetten und den Ritualgegenständen verschwunden waren. Ratlos blieb ich sitzen. Ich spürte die beiden natürlich nicht ständig. Aber immer, wenn ich zu ihnen betete, eigentlich schon. Seit mehreren Jahren, mal mehr, mal weniger. Dass sie auf einmal verschwunden waren, ängstigte mich fast noch mehr als der Diebstahl.

Frustriert blies ich das Teelicht aus und kehrte ins Schlafzimmer zurück. Im Bett war es neben Franziska angenehm warm, aber ich konnte dieses Gefühl nicht genießen. Ich erinnerte mich an das, was sie mir gesagt hatte. Hatte Martin sich an mir rächen wollen? Oder steckte die abscheuliche Heidrun hinter dem Einbruch, wie Franziska überlegt hatte? Aber Heidrun und ich kannten uns nicht und wir waren einander auch nie persönlich begegnet.

Ich hatte durch Dani und Henny von all dem Ärger erfahren, den Heidrun verursacht hatte. Woher sollte diese Frau also meine Adresse kennen? Hatte sie diese gar auf magischen Weg herausgefunden, nachdem sie gemerkt hatte, dass ich einen Spiegelzauber gegen sie gewirkt hatte? Aber nein, das war doch nicht möglich, oder? Ich grübelte weiter. Meine Adresse stand nirgends öffentlich sichtbar im Internet, ich hatte auch keine eigene Webseite mit einem Impressum, in dem ich diese Daten hätte angeben müssen. Einen Moment lang sann ich noch über all das nach. Immerhin hatte ich nun zwei Verdächtige. Meine Gedanken wanderten zurück zu Martin und unserem »Date« …

Kapitel 2Sonntag, 18. März

 

Im Restaurant Viva Las Vegans in Ottensen, das ich immer wieder gern besuchte, war es relativ voll. Ein Stimmengewirr erfüllte die Räumlichkeiten und im Hintergrund drangen geschäftige Geräusche aus der Küche. Ich hatte für Martin und mich einen Tisch reserviert, wir mussten also nicht darauf warten, dass irgendwo einer frei wurde. Wir hatten einen Fensterplatz, was mir gut gefiel, denn ich mochte es, die Straße vor dem Restaurant zu betrachten – und die Leute, die an diesem Sonntagabend vorüberschlenderten, auch wenn es mittlerweile schon dunkel war. Die Wände der Räumlichkeiten waren überwiegend in Grüntönen gestrichen, mehrere große Kunstdrucke von Bäumen und Pflanzen zierten sie.

Martin hatte sich nicht verändert, seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Ein Goatee zierte sein Kinn und das dunkle Haar war recht kurz geschnitten. Seine Kleidung war léger, ein bequem aussehender Strickpullover, dazu eine schwarze Boot Cut Jeans. Er zog mich zur Begrüßung in eine Umarmung, was mich ein bisschen irritierte, weil wir nicht eng befreundet waren. Aber ich ließ mich darauf ein. Allerdings fand ich den Geruch seines Aftershaves ziemlich aufdringlich und war froh, als wir uns wieder voneinander lösten.

»Hast du gut hergefunden?«, fragte ich ihn.

»Ja, ich war schon mal hier, kein Problem.« Er strahlte mich an.

Eine Weile beschäftigten wir uns damit, die Getränke- und Speisekarte zu studieren. Ich wählte eine würzige Suppe mit Ciabattabrot und dazu einen Salat. Außerdem einen alkoholfreien Cocktail.

»Warum bist du eigentlich Veganerin?«, wollte er wissen.

Mir fiel ein, dass wir nie darüber gesprochen hatten, auch nicht, als wir noch beide in derselben Praxis gearbeitet hatten. »Ich möchte Tierleid verhindern. Und es ist ja auch besser für die Umwelt.« Ich hätte noch viel mehr erzählen können, aber ich beließ es dabei.

Zum Glück nickte Martin einfach und fing nun keine Diskussion an, in der er sich fürs Fleischessen, Milchkonsum oder ähnliches rechtfertigte. Ich hatte solche Gespräche in den vergangenen Jahren schon unzählige Male gehabt, da kamen immer wieder dieselben Argumente und allmählich war ich es leid.

Stattdessen plauderten Martin und ich schon bald wie in alten Zeiten über Physiotherapie. Als ich mit Franziska zusammengezogen war, hatte ich auch die Arbeitsstelle gewechselt, in eine Praxis, die näher an meinem Wohnort war. Martin arbeitete wie gehabt in der Praxis, in der wir uns kennengelernt hatten. Er berichtete mir von einer interessanten Fortbildung, die sich schwerpunktmäßig mit Gelenken in Armen und Beinen befasste und wir fachsimpelten ein bisschen über dieses Thema.

»Ich möchte auch gern eine Fortbildung machen, aber ich konnte mich noch nicht entscheiden, zu welchem Thema«, erzählte ich ihm. »Entweder was im Bereich Sportmedizin, oder in Sachen Rückenbeschwerden. Ich denke, mit den Rückenbeschwerden hätte ich bei uns in der Praxis mehr Reichweite. Ich habe manchmal den Eindruck, jede zweite Person, die zu uns in die Praxis kommt, hat Rückenprobleme.«

»Das kommt bestimmt von den vielen Bürojobs und den langen Stunden im Sitzen am Schreibtisch«, sagte Martin mit Kennermiene. »Ich sage meinen Patienten immer, sie sollten sich mehr bewegen. Aber für manche scheinen selbst Treppen zu unbequem, sie nehmen lieber den Lift, wenn es einen gibt. Ich sehe das immer, wenn ich die Praxis verlasse oder reinkomme, da steigen oft welche in den Fahrstuhl, die das gar nicht nötig haben.«

Als später unser Essen serviert wurde, verlagerte sich unser Gespräch auf Sport, Hobbys, Bücher und Filme. Martin joggte regelmäßig, während ich lieber Radtouren machte.

Ich nahm einen Schluck von meinem Cocktail. Schön fruchtig-säuerlich, mit ein wenig Süße. Mir fiel auf, dass Martin gar nichts von seiner Freundin erzählte. Aber ich hatte Franziska bisher auch nicht erwähnt. »Bist du noch mit Kathrin zusammen?«, fragte ich ihn.

Seine Miene verdunkelte sich schlagartig und ich biss mir auf die Zunge. Das war wohl kein gutes Thema … vielleicht wäre es besser gewesen, das gar nicht anzusprechen?

»Nein, wir haben uns vor einem halben Jahr getrennt«, erklärte er mit Grabesstimme.

»Das tut mir leid.« Ich wollte gerade dazu ansetzen, von Franziska zu erzählen, da begann er weiterzusprechen.

»Weißt du, da gibt es etwas, das ich gern mit dir besprechen wollte.« Er blickte mir intensiv in die Augen. Was würde das denn nun werden?

»Damals, als du noch bei uns in der Praxis gearbeitet hast … ich habe es dir nie gesagt, aber ich mochte dich sehr. Nein, das ist untertrieben. Ich war verknallt in dich.« Er wurde ein bisschen rot, als er das sagte.

Mir sank das Herz. Mit einem Mal wünschte ich mich sehr weit weg. Aber Martin war noch nicht fertig. »Dann bin ich mit Kathrin zusammengekommen. Da habe ich versucht, dich zu vergessen. Das ging aber erst so richtig, als du die Arbeitsstelle gewechselt hast. Seit der Trennung von Kathrin musste ich wieder an dich denken. Ziemlich oft, um genau zu sein. Und ich habe mich gefragt, ob es vielleicht so etwas wie eine zweite Chance für uns gibt.«

Ach du Schande. Ich musste ihm das unbedingt ausreden, auf der Stelle. Ich knetete meine Finger nervös, sah ihn aber direkt an, um mehr Nachdruck in meine Worte zu legen. »Martin, ich bin lesbisch.« Das stimmte nicht ganz. Strenggenommen war ich homoromantisch und asexuell, aber ich hatte in dieser beunruhigenden Situation nicht die Ruhe, ihm das Split-Attraction-Modell zu erklären. Es basierte darauf, dass es verschiedene Formen der Anziehung gab: romantisch, sexuell und noch andere. Und dass diese Anziehungsformen unterschiedlich ausgeprägt sein konnten. Ich fuhr fort: »Und ich habe eine Lebensgefährtin.«

Martin blinzelte irritiert. »Aber … bist du dir ganz sicher, dass du lesbisch bist? Du wirkst auf mich gar nicht so.«

»Uns gibts in allen Formen und Farben«, widersprach ich ihm.

»Du hast bestimmt einfach noch nicht den richtigen Mann kennengelernt«, behauptete mein Gegenüber. Na, toll! Ich war es so leid, mir immer noch solche Vorurteile anhören zu müssen.

Mir kam eine weitere Idee, wie ich ihn vielleicht abwimmeln konnte. »Ich bin nicht nur lesbisch, ich bin auch eine Hexe.« Ich beobachtete ihn aufmerksam, um seine Reaktion abzuschätzen.

Zu meiner Überraschung lächelte er. »Oh, das ist ja interessant. Meine Tante, die in Düsseldorf lebt, ist auch eine Hexe. Sie erzählt mir manchmal davon, was sie so mit ihrem Hexenzirkel unternimmt. Bist du auch in einem?«

Ich seufzte und verneinte. So kam ich nicht weiter. Es war wohl das Beste, wenn ich mich aus dem Staub machte. Ich blickte auf meinen leeren Teller herunter. Das Essen war lecker gewesen. Ich nahm den letzten Schluck aus meinem Cocktailglas. Bei den Gottheiten, ich wollte hier nur noch weg. Ich hatte absolut keine Lust auf eine Diskussion mit einem Mann, der homofeindliche Sätze von sich gab. Das hatte ich in der Vergangenheit schon zu oft erlebt, auch im Zusammenhang mit Asexualität.

Ich stand auf und griff nach meiner Handtasche, die ich über den Stuhl gehängt hatte. »Ich gehe jetzt lieber. Ich zahle vorn am Tresen. Schönen Abend noch. Ruf mich nicht mehr an und schreib mir auch keine Textnachrichten.« Wahrscheinlich war es das Beste, ihn online überall zu blockieren, wo ich ihn fand.

»Aber, Alannah …«, begann Martin mit verblüffter Miene.

Ich wartete nicht länger, sondern ging schnurstracks zum Tresen im Empfangsbereich. Meine Hände zitterten und ich ballte sie einen Moment lang zu Fäusten. Zum Glück kam Martin nicht hinter mir her und versuchte auch nicht, weiter auf mich einzureden.

Ich zahlte mit meiner EC-Karte und wünschte der Servicekraft noch einen guten Abend. Danach verließ ich mit raschen Schritten das Restaurant, ohne mich noch einmal nach Martin umzudrehen.

Ich konnte mit dem Bus von Altona aus zurück nach Eimsbüttel fahren, das war keine lange Strecke. Auf dem Weg zur Bushaltestelle wurde mir bewusst, dass meine Hände zitterten. Kein Wunder nach all der Aufregung. Ach, der Abend hatte so gut angefangen. Ich hatte mich ehrlich darüber gefreut, einen ehemaligen Kollegen wiederzutreffen und mit ihm zu plaudern. Wenn ich geahnt hätte, dass Martin unser Treffen als Date auffassen würde … ich mochte eine Hexe sein, aber ich konnte nicht die Zukunft vorhersagen. Aber vielleicht hätte ich meine Tarot- oder Orakelkarten befragen sollen, ob die Verabredung mit Martin eine gute Idee sei.

Franziska spielte im Wohnzimmer auf ihrer Playstation, als ich heimkehrte. Ihr Haar war ganz zerzaust, vermutlich hatte sie es sich wieder mal verwuschelt. Sie unterbrach ihr Spiel und blickte mich besorgt an. »Oha. Du machst ja ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. Was ist denn passiert?«

»Das war echt mies …«, fing ich an.

»Erzähl«, bat sie mich.

Ich ließ mich aufs Sofa fallen und berichtete ich ihr von dem seltsamen Treffen mit Martin. Währenddessen stand sie von ihrem Stuhl auf und setzte sich neben mich.

»Mensch, das tut mir leid«, sagte sie mitfühlend, als ich geendet hatte. Franziska streichelte meinen Arm. »Aber nun bist du ihn ja los.«

»Ja, ich werde mich bestimmt nicht wieder mit ihm treffen. Und ich werde ihn überall online blockieren.«

Franziska machte eine Daumen-Hoch-Geste. »Guter Plan.«

Ich lachte freudlos auf.

---ENDE DER LESEPROBE---


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