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Nox ist ein englischer Goth Musiker in einer Band und lernt den Automechaniker Aidan kennen, der gern Gedichte schreibt. Gemeinsam arbeiten sie später an einem Song und kommen sich näher, aber es gibt einige Probleme … Eine queere Novelle. Eine Hommage an die Gothic-Musik und -Community.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Titelei
Ein Zitat
Playlist
Inhaltswarnungen
Kapitel 1 – Aidan
Kapitel 2 – Nox
Kapitel 3 – Aidan
Kapitel 4 – Nox
Kapitel 5 – Aidan
Kapitel 6 – Aidan
Nachwort und Danksagung
Impressum
Nox and the Shadows
Gothic Gay Romance Novelle
Amalia Zeichnerin
»Music elevates us, it transcends time and space,
bringing us to a place of shared experience.«
Ben V. von der Band Ludovico Technique
(mit freundlicher Genehmigung)
(»Musik erhebt uns, sie transzendiert Zeit und Raum,
bringt uns an einen Ort gemeinsamen Erlebens.«)
Was Nox and the Shadows gern hören?Playlist
VNV Nation – Illusion
Male Tears – Belladonna
TR/ST – Dressed for Space
Ötzi – Charms
Drab Majesty – Dot in the Sky
SR/SQ – Temporal Love
Minuit Machine – Lovers of the Night
Bootblacks – Memory Palace
London After Midnight – Spider and the Fly
Miss Teen America – Take Me Back
Twin Tribes – Shadows
Ludovico Technique – Live as Myself
Johann Sebastian Bach – Toccata und Fuge in D Moll
The Cure – Lullaby
Auf Spotify:https://bit.ly/GothicPlaylist2
Zu den Inhaltswarnungen
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Inhaltswarnungen
Folgendes wird nur erwähnt: Alkoholismus, Queerfeindlichkeit, Feindlichkeit gegenüber alternativen Lifestyles, Hassverbrechen mit Mord, Fetischisierung von Goths, Suizid, Spinne, Covid. Außerdem: sexuelle Inhalte, aber keine expliziten Szenen.
Kapitel 1 – Aidan
Juli
Aidan hatte schon Feierabend und wollte noch einen Kaffee trinken, also stellte er sich mit einem dampfenden Becher auf den Hof der Autowerkstatt, in der er tätig war. Er freute sich schon darauf, zu Hause zu duschen und den Geruch des Maschinenöls loszuwerden, der wie so oft an ihm klebte.
Er schrak zusammen, als ein großer schwarzer Multivan heranfuhr, einen Totenschädel mit dem Schriftzug Nox and the Shadows auf der Frontseite.
Aidans Boss kam heraus und wandte sich ihm zu. »Hast ja schon Feierabend, ich kümmere mich um den Multivan.«
Aidan bedankte sich und trank einen Schluck von dem Kaffee. Der war bitter und schwarz, aber beides störte ihn nicht. Er trat ein, zwei Schritte vor, um die Leute zu beobachten, die gerade aus dem Bus stiegen. Eine Frau mit einer Bobfrisur kletterte aus der Fahrerkabine. Sie schob sich die Sonnenbrille nach oben ins Haar. Der Werkstattleiter ging auf sie zu und sprach mit ihr.
Hinten öffnete sich eine weitere Tür und mehrere Leute traten nacheinander ins Freie. Ein Mann mit dunkelbrauner Haut und dekorativ geflochtenen Cornrows auf einer Seite des Schädels, während der Rest rasiert war. Er trug Eyeliner und mehrere Ohrringe, dazu eine Bondagehose und ein Netzshirt, darüber eine schwarze Jacke mit silbernen Knöpfen.
Eine weiße Frau folgte ihm, das lange Haar schwarz gefärbt, mit einer einzelnen breiten Strähne in Lila, dazu ein knielanges Kleid mit Löchern in den Ärmeln, die wohl absichtlich hineingeschnitten worden waren. Die Säume wiederum waren mit Rüschen besetzt. Viel Silberschmuck und ein Piercing am Kinn vervollständigte diesen Look. Durch die Plateausohlen ihrer schweren Stiefel wirkte sie etwas größer, als sie eigentlich war.
Hinter ihr trat eine weitere Person ins Freie, die ebenfalls weiß war und das rötliche Haar kurz trug. Ihre Beine steckten in Skinny Jeans, dazu ein patchworkartiges T-Shirt mit verschiedenen Mustern und Stoffen, alles in Schwarz, sowie DocMartens in derselben Farbe.
Danach schloss ein Mann die Tür des Fahrzeugs, dessen Gesicht so bleich geschminkt war, dass Aidan an einen Vampir denken musste. Seine Lider wirkten dramatisch in dunklen Grautönen, die Lippen schwarz. Ein silbernes Piercing steckte in seiner Unterlippe und über seine Arme und seinen Hals zogen sich die verschnörkelten Linien mehrerer Tattoos. Das kurze schwarz gefärbte Haar hatte er sich stachelig gestylt.
Aidan hatte plötzlich einen Flashback in seine Jugendzeit, als er ein Faible für Vampire gehabt hatte. Dadurch hatte er auch erst so richtig gemerkt, dass er nicht straight war. Damals hatte er die Vampire in den Filmen, Serien und Büchern einfach viel attraktiver gefunden, als ihre meist weiblichen Opfer oder Love Interests.
Mensch, schimpfte er mit sich selbst. Das da ist kein Vampir, sondern ein … ja, was waren das für Leute? Er tippte auf Goths. Oder Metalfans? War das vielleicht eine Band?
In der Kleinstadt hier in Essex, in der Aidan seit seiner Kindheit lebte, liefen nicht gerade viele Leute aus Subkulturen herum. Er selbst war auch nie Teil einer solchen Community gewesen. Es gab hier schlichtweg keine, zumindest keine größeren Gemeinschaften oder Gruppen. Auch die Queers, die er kannte, konnte er an einer Hand abzählen.
Einen Moment lang bildeten die vier Goths, oder Metaller oder was immer sie waren, einen Halbkreis um seinen Boss und die Frau mit der Bobfrisur. Sie lauschten dem Gespräch, das Aidan nicht verstehen konnte.
Dann gingen die vier auf ihn zu.
»Hi«, sagte der Schwarze. »Ich bin Jason.«
»Aidan. Schön, dich kennenzulernen.«
Eine kleine Vorstellungsrunde folgte, bei der auch alle ihre Pronomen nannten, angefangen mit Alison – »they/them«, das war die Person mit den Skinny Jeans. Der Mann mit der stachligen Kurzhaarfrisur nannte sich Nox, mit dem Pronomen er/ihm, so wie auch Jason. Die Frau mit dem langen schwarzen Haar hieß Jenny und hatte das Pronomen sie/ihr.
Aidan nannte ebenfalls seine Pronomen und fragte: »Seid ihr eine Band?«
»No shit, Sherlock. Du hast es erfasst. Steht ja auch groß dran.« Alison wies auf die Frontseite des Multivans.
Nox grinste breit. »Genau. Ich bin Nox, und das sind meine Schatten.« Er hatte eine weiche, tiefe Stimme und Aidan kamen ein paar verbotene Gedanken, die mit Telefonsex zu tun hatten. Das fehlte mir gerade noch … Eine verlegene Wärme kroch ihm in die Wangen. Mensch, Aidan. Wie so ein verknallter, unerfahrener Teenager. Du bist fast dreißig. Werd endlich erwachsen. Außerdem, der Typ ist bei deinem Glück garantiert hetero.
Jason klopfte seinem Bandkollegen auf die Schulter. »Das hättest du wohl gern. Du wärst nix ohne uns.«
Nox grinste. »Das weiß ich doch. Aber der Name macht halt was her.« Seine Miene wurde wieder ernst. »Und nun sitzen wir in diesem Kaff fest, weil unser fahrbarer Untersatz streikt. Hoffentlich könnt ihr das reparieren.«
»Bestimmt. Mein Boss hat viel Erfahrung.«
Die Frau, die mit Aidans Boss gesprochen hatte, kam zu ihnen. »Hey Leute, Mister Miller hat mir erklärt, dass es noch dauern wird. Er muss erst mal die Ursache für den Motorschaden untersuchen. Ich würde vorschlagen, ihr sucht euch einen Pub oder so was, fürs Abendessen.«
»Und du?«, fragte Jason.
»Ich bleibe hier, kein Problem. Ich nehme mir etwas von dem Proviant und melde mich bei euch, wenn es was Neues gibt.«
»Ist gut, Sally. Danke dir«, erwiderte Nox und musterte Aidan. Seine Augenfarbe erinnerte Aidan an Moos, das auf Felsen wuchs, eine Mischung aus Grün und Grau. »Gibts hier einen Imbiss oder Pub?«
»Wir haben einen Imbiss, aber der ist gerade geschlossen wegen einer Renovierung. Aber Henrys Pub ist ganz okay und da gibt es auch was zu essen.« Aidan kam eine Idee. »Ich war schon länger nicht mehr da, ich kann euch hinbringen, wenn ihr mögt. Ich würde da noch etwas essen.«
Jenny lächelte ihn an. Dann wandte sie sich an die anderen. »Was haltet ihr davon?«
Jason grinste. »Hab keine anderen Pläne für heute Abend. Aber mein Magen sagt mir, dass ich was Warmes vertragen könnte.«
Auch Nox und Alison schlossen sich an.
»Prima, gebt mir eine Minute«, bat Aidan sie. Er beeilte sich, brachte den Becher in die Teeküche, schnappte sich seine dunkelblaue Jeansjacke und den Rucksack.
In Henrys Pub dudelten Songs der aktuellen Charts aus den Lautsprechern. Aidan konnte damit wenig anfangen, aber mittlerweile gelang es ihm ganz gut, die Musik auszublenden. Der Schankraum sah aus wie immer: Plakate mit Bierwerbung, die vom Alter und unzähligen Pfeilen schon ziemlich zerlöcherte Dartscheibe an der Wand … und die Stammgäste mittleren oder fortgeschrittenen Alters, die sich nun irritiert nach der Gothicband umdrehten. Klar, hier in der Kleinstadt fielen sie auf wie bunte Hunde. Wobei, wirklich bunt waren sie ja eher nicht.
Henry, der schon die Fünfzig hinter sich gelassen hatte und an diesem Abend wie meistens persönlich hinter dem Bartresen stand, sah weniger irritiert aus. Stattdessen fragte er einfach nur: »Hallo, was darf es für euch sein?«
Nacheinander gaben sie ihre Bestellungen auf. Aidan gönnte sich ein Bier und ihm fiel auf, dass Nox keinen Alkohol bestellte, sondern eine 7 Up Limo.
»Kein Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll?«, platzte die Frage aus Aidan heraus, ehe er darüber nachdenken konnte.
Nox drehte sich zu ihm um und seine Augen wurden schmal. »Weil ich keinen Alkohol bestelle?«
Verlegen schaute Aidan auf seine Schuhspitzen herab. »Sorry, das war eine blöde Frage.«
»Schon gut. Wenn du es genau wissen willst, ich bin trockener Alkoholiker. Seit drei Jahren mittlerweile. Und ich rühre auch keine anderen Drogen an. Geht mir besser seitdem.«
»Oh.« Aidan wusste einen Moment lang nicht, was er sagen sollte. Da war er ja so richtig tief ins Fettnäpfchen getreten. Er schluckte. »Ist es okay für dich, dass ich ein Bier trinke?«
»Ja, sicher. Ich würde sonst kaum in einen Pub gehen.« Er drehte sich noch etwas näher zu Aidan und in diesem Moment fiel diesem der silberne Ohrring auf, der von Nox’ linkem Ohr herabbaumelte: Eine Fledermaus mit großen Flügeln. Darin waren sechs bunte Streifen eingefügt. Zusammen ergaben sie … den Pride Regenbogen.
Oder hatte das eine andere Bedeutung? Irgend so eine Goth-Sache, die er nicht kannte? Aidan biss sich auf die Zunge. Er wollte nicht schon wieder eine Frage stellen, die Nox vielleicht nicht hören wollte. Falls er queer war, hieß das noch lange nicht, dass er geoutet war. Selbst wenn Alison offen queer war. Zumindest ließ das their Pronomen vermuten und dass they offen davon sprach.
Henry stellte ihnen die Getränke hin. »Wenn ihr was essen wollt, bestellt es bitte auch hier am Tresen.«
»Auf jeden Fall. Setzen wir uns an einen Tisch?«, schlug Jason vor und deutete auf einen, der sich etwas weiter hinten befand.
»Gute Idee«, fand Jenny.
»Möchtet ihr unter euch sein?«, fragte Aidan. »Ich kann mich auch hier an den Tresen setzen.«
Nox lächelte ihn an. »Setz dich gern zu uns, wenn du magst.«
Aidan zog sich daraufhin einen fünften Stuhl von einem der anderen Tische heran.
»Wann ist denn euer nächstes Konzert?«, fragte er. »Ich meine, seid ihr auf Tour?«
Alison nickte. »Ja. Unser nächster Gig ist morgen Abend, in Manchester.«
»Ah, okay. Das ist so um die vier Stunden entfernt, wenn es keine Staus gibt, nicht wahr?«
»Ja, das kommt hin. Wenn dein Boss unseren Multivan wieder startklar kriegt, sollte es kein Problem werden«, erwiderte Jason, der einen Schluck von seiner Flasche nahm.
»Wo kann ich denn eure Musik hören?«, fragte Aidan.
»Gegenfrage: Hörst du Goth Musik?«, wollte Alison wissen. They musterte ihn forschend.
»Ich sehe vielleicht nicht so aus, aber ich höre mehrere Genres«, erklärte er.
Jason nickte. »Du kannst bei uns auf Spotify reinhören, oder Bandcamp. Wir haben auch einen YouTube-Kanal und sind auf Instagram.«
»Und TikTok«, ergänzte Jenny.
»Warte mal, ich kann dir unseren neuesten Song zeigen, wenn du magst?«
Das ließ sich Aidan nicht zweimal sagen.
Nox kramte in seiner Umhängetasche und holte sein Handy hervor. Er stöpselte Kopfhörer ein, tippte auf seinem Display herum und reichte sein Handy mit den Kopfhörern an Aidan weiter.
Zwar hörte er im Hintergrund immer noch den neuesten Hit von Dua Lipa, aber als er die Lautstärke aufdrehte, konnte er den Song der Gothicband gut hören. Die Musik klang rockig und gitarrenlastig, aber es waren auch Synthesizer dabei. Nox’ Stimme klang warm und tief, sie legte sich ohne Schwierigkeiten über die Riffs der Gitarre und vermischte sich mit den metallisch-hohen Tönen des Keyboards, die wie spitze, abgehackte Pfeile über den Gitarrensound hinaus schossen.
Nox sang von melancholischen Träumereien in einer Nacht auf einem verlassenen Friedhof, von verlorenen Träumen und solchen, die losgelassen werden mussten, um Platz für etwas Neues zu schaffen.
»Das gefällt mir«, sagte Aidan frei heraus, als das Lied endete.