HORROR 016 Buchausgabe: Der Pakt mit dem Teufel - W. A. Hary - E-Book

HORROR 016 Buchausgabe: Der Pakt mit dem Teufel E-Book

W. A. Hary

0,0
2,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

HORROR 016 Buchausgabe: Der Pakt mit dem Teufel W. A. Hary: »Schwarze Magie ist nichts für jeden!« Es herrschte nur ein mäßiger Verkehr an der Kreuzung der Brewer Street mit der Samt Pulteney Street, obwohl es bereits Mitternacht war und das Leben und Treiben hier, in diesem Teil von Soho, London, seinem Höhepunkt zustrebte. Lediglich ein einziger Mensch gewahrte die unheimliche Gestalt, die mitten auf der Kreuzung wie aus dem Nichts erschien: Ein Kraftfahrer, der sie gerade passiert hatte und zufällig in den Rückspiegel schaute. Er registrierte die Erscheinung, schüttelte verwundert den Kopf und vergaß den Vorfall schnell wieder, den er seinen überreizten Nerven zuschrieb. Ein Fehler!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



HORROR 016:

Der Pakt mit dem Teufel

W. A. Hary

Impressum:

Alleinige Urheberrechte: Wilfried A. Hary

Copyright Realisierung und Folgekonzept aller Erscheinungsformen (einschließlich eBook, Print und Hörbuch) by www.hary-production.de

ISSN 1614-3310

Diese Fassung:

© 2016 by HARY-PRODUCTION

Canadastr. 30

D-66482 Zweibrücken

Telefon: 06332-481150

www.HaryPro.de

eMail: [email protected]

 Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Vervielfältigung jedweder Art nur mit schriftlicher Genehmigung von Hary-Production.

Basierend auf dem gleichnamigen Geister-Krimi aus dem Jahr 1976-10

 Coverhintergrund: Anistasius

Klappentext

Es herrschte nur ein mäßiger Verkehr an der Kreuzung der Brewer Street mit der Samt Pulteney Street, obwohl es bereits Mitternacht war und das Leben und Treiben hier, in diesem Teil von Soho, London, seinem Höhepunkt zustrebte. Lediglich ein einziger Mensch gewahrte die unheimliche Gestalt, die mitten auf der Kreuzung wie aus dem Nichts erschien: Ein Kraftfahrer, der sie gerade passiert hatte und zufällig in den Rückspiegel schaute. Er registrierte die Erscheinung, schüttelte verwundert den Kopf und vergaß den Vorfall schnell wieder, den er seinen überreizten Nerven zuschrieb.

Ein Fehler!

1

Der unheimliche Mann blickte sich auf der Kreuzung kurz um, als müsse er sich orientieren, und steuerte dann auf den Bürgersteig zu. Er war etwas ungewöhnlich gekleidet. Ein nachtschwarzer Umhang umhüllte seine Gestalt. Auf dem Kopf hatte er einen tief in die Stirn gezogenen breitkrempigen Hut sitzen. Die Krempe beschattete sein Gesicht. Ein verirrter Lichtstrahl aus einer der Straßenlampen traf es für Sekundenbruchteile und spiegelte sich in den seltsamen Augen, scheinbar ein dämonisches Feuer entfachend. Das Antlitz war scharf geschnitten und wirkte abstoßend, obwohl man es nicht als hässlich bezeichnen konnte.

Der Fremde erreichte den Bürgersteig und blickte sich abermals um. Niemand achtete auf ihn. Ungewöhnlich gekleidete Menschen waren in Soho offenbar keine Seltenheit.

Der Mann verließ die Brewer Street und ging die Saint Pulteney Street entlang. Vor dem Eingang zu „Johnny's Bar“ verhielt er den Schritt. Ein teuflisches Lächeln umspielte den schmallippigen Mund. Ohne dass der Fremde die Tür berührte, schwang sie auf und ließ ihn eintreten. Stickige, verqualmte Luft umfing ihn. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss. Nur einer sah zu dem Neuankömmling hin: Johnny, der Wirt. Sein aufgedunsenes Gesicht zeigte dabei keinerlei Regung.

Der Fremde sah sich kurz um. Die Bezeichnung Bar war für das Lokal reichlich übertrieben. Es handelte sich vielmehr um ein heruntergekommenes Pub. Die leichtgeschürzten Mädchen in der Ecke erschienen reichlich deplatziert.

Der Blick des Fremden blieb an dem Mann hängen, der auf einem der Barhocker saß und dumpf in das Glas brütete, das vor ihm auf dem Tresen stand.

Der neue Gast legte Hut und Umhang ab. Er trug einen dunklen Anzug darunter. Wieder umspielte dieses teuflische Lächeln seine dünnen Lippen, als er seine Sachen auf den Kleiderständer neben der Tür hängte und sich in Richtung Tresen in Bewegung setzte. Hinter dem einsamen Mann blieb er stehen.

Auch die Animiermädchen sahen jetzt kurz auf. Sie langweilten sich, denn in „Johnny's Bar“ war heute nichts los. Die einzige Stripteasetänzerin, die sich hier allabendlich entblätterte, zögerte ihren Auftritt nun schon fast zwei Stunden hinaus, in der vagen Hoffnung, der Betrieb belebe sich doch noch. Für die drei oder vier derzeit anwesenden Gäste lohnte es sich ihrer Meinung nach gar nicht.

Die Girls erkannten, dass der Neuankömmling anscheinend bereits eine Ablenkung hatte, und verloren wieder das Interesse an ihm. Nur der feiste Wirt ließ den Fremden nicht aus den Augen. Er spürte aus ungewissen Gründen eine unangenehme Gänsehaut auf dem Rücken. Sein Herz pochte ein paar Takte schneller. Er wollte den fremden Mann nach seinen Wünschen fragen, brachte aber keinen Ton hervor.

Der unheimliche Mann legte eine Hand auf die Schulter des auf dem Hocker sitzenden Gastes. Für einen Augenblick hatte es den Anschein, als schimmere das Knochengerippe des Fremden durch. Sein Kopf verwandelte sich in einen grinsenden Totenschädel.

Der feiste Wirt erschrak fast zu Tode. Doch der Spuk war schnell vorbei. Der Gast auf dem Hocker richtete sich auf und wandte den Kopf.

„Lassen Sie mich in Frieden“, lallte er.

Der Fremde lächelte sein sardonisches Lächeln.

„Warum sollte ich? Hast du mich nicht gerufen?“

Erstaunen trat in die glasigen Augen des Betrunkenen.

„Dich gerufen? Wie kommst du darauf? Ich kenne dich nicht.“

„Und ob du mich kennst. Seit Jahren wartest du auf mein Kommen - nun, jetzt bin ich hier.“

„Ich - ich verstehe nicht.“ Das Erstaunen des Betrunkenen wuchs. Er rutschte von seinem Hocker.

Der Wirt blickte ausdruckslos, seine Neugierde war trotzdem unverkennbar. Das Ganze kam ihm recht eigenartig vor, und er löste keinen Blick von der Szene.

„Doch, du verstehst“, sagte der Fremde sanft. Schwang in seiner Stimme nicht eine leise Drohung mit?

Der Wirt schüttelte verwirrt den Kopf, blieb aber auch weiterhin einziger Zeuge.

Der Fremde schob sich auf einen Hocker.

„Setz dich wieder, Kirby Stillington“, befahl er.

Der betrunkene Kirby folgte seinen Worten. Er versuchte vergeblich, den Alkoholnebel, der seinen Verstand umhüllte, zu verscheuchen. Er wurde aus dem anderen nicht recht klug.

„Kirby, du bist jetzt zweiundvierzig und rufst mich seit über zehn Jahren. Solltest du plötzlich nicht wissen, wer ich bin?“

Kirby Stillington hatte das Gefühl, der Schlag treffe ihn. Auf einmal war er wirklich stocknüchtern. Das Grauen packte nach ihm.

Er brauchte eine Weile, bis ihm seine Stimme wieder gehorchte. Dann brachte er mühsam hervor: „Damos, du bist also gekommen?“

Das teuflische Lächeln des anderen vertiefte sich.

„Aber warum ausgerechnet hierher?“

„Spielt das denn eine Rolle?“

„Warum hast du mich so lange warten lassen?“

„Dämonen kommen und gehen, wann sie wollen - auch wenn sie von einem Sterblichen gerufen werden. Geister lassen sich nicht gern etwas vorschreiben.“

Kirby musste sich am Rand der Theke festhalten, um nicht den Halt zu verlieren. Alles drehte sich um ihn. Er konnte es nicht fassen. Er war eine gescheiterte Existenz. Mit dreißig hatte er einmal auf dem Höhepunkt seines Lebens gestanden. Die Welt hatte ihm zu Füßen gelegen. Mit zäher Unerbittlichkeit war es ihm geglückt, zu Reichtum und Ehre zu gelangen. Bis er sich mit schwarzer Magie beschäftigt hatte. Er war einem okkulten Zirkel beigetreten und hatte seine Geschäfte vernachlässigt. Sein Reichtum war ihm unter den Fingern zerronnen.

Dafür war er ein Meister des Okkulten geworden. Er beherrschte eine ganze Reihe von Tricks, seine Begabung hatte ihm jedoch nie viel genützt. Er verdiente sich inzwischen längst seinen kargen Lebensunterhalt mit kleineren Betrügereien.

All die Jahre hatte er Damos, den Dämon, der schon von den Griechen gefürchtet worden war, um Hilfe gebeten. Damos war auch der Schutzdämon seines okkulten Zirkels gewesen, der inzwischen längst auseinandergebrochen war.

„Es ist alles egal. Hauptsache, du bist endlich da.“

„Ich sehe, du freust dich über mein Kommen. Hoffentlich bereust du diese Freude nicht eines Tages.“

„Warum sollte ich?“

„Du hast nach mir verlangt, um mit mir einen Pakt einzugehen. Nun, ich bin ein Teufel, wie du weißt, aber ehrlich obendrein. Ich betrüge niemanden und will dich vor einem Pakt mit mir warnen. Du wirst letztlich den Kürzeren ziehen, glaube mir.“

„Das ist mir gleich.“ Kirby ballte die Hände zu Fäusten. „Ich will mich mit dem Teufel verbünden und bin mir über alles im Klaren. Ich weiß, was ich will, und bin bereit, dafür zu zahlen.“

Der Wirt schüttelte wieder den Kopf.

Das sind Verrückte!, konstatierte er bei sich. Einfach nur Verrückte. Hoffentlich werden sie nicht gefährlich.

Er räusperte sich vernehmlich und beugte sich vor.

„Wünschen Sie einen Drink?“, fragte er den Fremden.

Der lächelte ihn an und deutete auf die Theke vor sich.

„Wieso, Sie haben mir doch eben erst einen gebracht?“

Die Augen des Wirtes drohten schier, aus den Höhlen zu fallen. Er stierte auf den Metallbecher, der plötzlich vor dem Fremden stand. Das Ding war mit eigenartigen Zeichen versehen, die dem Betrachter ein beklemmendes Gefühl vermittelten. Aus dem Becher wallte es neblig.

Der Wirt rieb sich die Augen, aber als er sie wieder öffnete, hatte sich das Bild nicht verändert.

„Ent-entschuldigen Sie bitte“, sagte er gegen seinen Willen. „Ich scheine ein wenig zerstreut zu sein. Ich hatte es tatsächlich vergessen. Sehr zum Wohlsein!“

Der Fremde lachte blechern und führte den Trinkbecher zum Mund, um ihn schlürfend und mit großen Zügen zu leeren. Als er ihn wieder absetzte, drang ihm der Nebel erst aus dem Mund, dann aus der Nase und schließlich sogar aus Augen und Ohren.

Der Wirt taumelte mit einem erstickten Laut gegen die Regalwand hinter ihm, dass die Gläser klirrten. Beinahe wären ein paar Flaschen heruntergefallen.

Der Fremde fixierte ihn. In seinen Augen loderte es. Der Wirt hatte das Gefühl, es wären Abgründe, die ihn verschlingen wollten, konnte aber seinen Blick dennoch nicht von dem Unheimlichen wenden.

Der Dunst verebbte, der Becher verschwand. Alles war wie zuvor. Die beiden Männer vor der Theke unterhielten sich.

Der Wirt bekam nach wie vor zwar alles mit, erfasste aber den Sinn der Worte nicht mehr.

Nur eines blieb in seinem Gedächtnis haften: Es schien sich da um eine Art Vertrag zu handeln, obwohl er im Nachhinein nicht zu sagen vermochte, welcher Art dieser Vertrag war.

*

Denis Lypiatt litt unter seiner Eifersucht und kam nie so recht dagegen an. Es gelang ihm höchstens, nach außen hin die Ruhe zu bewahren. Diesmal aber brachte er noch nicht einmal dieses fertig. Er kochte innerlich, und man sah es ihm auch an.

Charity Reed war tatsächlich ein ungewöhnliches Mädchen. Sie war die hübscheste Blondine, die dem gutaussehenden Denis Lypiatt je über den Weg gelaufen war. Der junge Mann hatte über die Nachfrage in der Damenwelt nie klagen müssen, aber Charity hatte ihm gründlich den Kopf verdreht. Er hatte allen Girls den Rücken gekehrt und war der Blondine mit Haut und Haaren verfallen.

Und jetzt behauptete Charity, sich mit ihm nicht treffen zu können, da sie zu ihrer kranken Mutter nach Liverpool müsste.

Denis Lypiatt wusste erstens mit Sicherheit, dass Charity mit ihrer Mutter in offener Feindschaft lebte, seit diese ihren Vater mit einem Liebhaber verlassen hatte, und zweitens würde die Mutter ihre Tochter überhaupt nicht über eine eventuelle Krankheit in Kenntnis setzen können, da Charity ihre eigene Wohnung hatte und ihre Adresse nur dem Vater bekannt war.

Deshalb also Denis' Misstrauen und Eifersucht, denn für ihn gab es keinen Zweifel daran, dass Charity einen anderen Mann im Sinn hatte. Wäre es andernfalls notwendig gewesen, ihn zu belügen?

Charity fuhr einen kleinen roten Minicooper. Denis fiel es mit seinem Oldtimer, einem echten VW Käfer, nicht schwer, sie zu verfolgen. Schon nach einer Minute stand für ihn fest, wohin seine Freundin wollte. In ohnmächtiger Wut ballte er die Hände. Das hätte er nie gedacht!

Charity wohnte in Holborn und fuhr in Richtung Kentish Town. Beides waren Teile der City Londons. Bald hatte das Mädchen sein Ziel erreicht. Es bog von der Kentish Town Road ab in die Holmes Road. Rechts tauchte die Polizeistation auf. Denis gab der Anblick einen Stich. Mit fiebrigem Blick sah er dem spritzigen Kleinwagen seiner Freundin nach. Charity schien nicht bemerkt zu haben, dass sie verfolgt wurde. Sie ging völlig unbefangen vor. In der Nähe des Hauses mit der Nummer achtunddreißig suchte sie sich einen Parkplatz. Denis tat es ihr in gebührendem Abstand gleich. Er blieb in seinem Volkswagen sitzen, bis Charity ausgestiegen war. Sie steuerte auf das Haus zu. Vor dem Vorgartentor warf sie einen prüfenden Blick in die Runde. Ihren Freund entdeckte sie dabei nicht. Dann betätigte sie die Klingel.

Denis Lypiatt wusste, wer in dem schmucken Gebäude wohnte. Hass glühte in seinem Innern. Barry Kaye war sein bester Freund. Er also war der geheime Liebhaber Charitys. Dabei tat Barry immer so, als könnte er kein Wässerchen trüben. Er sah nicht besonders gut aus, gab sich aber außerordentlich kameradschaftlich. Vor einiger Zeit war Denis in Geldnot gewesen. Barry hatte nicht gezögert, ihm aus der Patsche zu helfen. Denis schuldete seinem Freund jetzt knappe dreihundert Pfund. Eine schöne Stange Geld. Bisher hatte er nur einen winzigen Teil zurückgezahlt. Immer wieder musste er Barry mit der Rückzahlung hinhalten, aber der Freund hatte sich stets geduldig gegeben.

Und jetzt hatte er Denis die Freundin ausgespannt. Deshalb also diese Kameradschaftlichkeit.

Es kam Denis Lypiatt nicht zu Bewusstsein, dass all die Indizien eigentlich für seinen schlimmen Verdacht noch gar nicht ausreichten. Eine blinde Eifersucht hielt ihn gepackt und ließ ihn nicht mehr aus den Krallen.

Er sah, dass Charity in die Sprechanlage am Gartentor sprach. Wenig später schwang das Tor auf und ließ das hübsche Girl eintreten.

Die großen Brüste wippten kokett, als Charity zum Haus hinüberlief. Ihre Schritte knirschten über den Kiesweg. Die Garagentür neben dem Haus stand auf. Barry Kaye fuhr einen Bentley.

So, dachte Denis, deshalb wirft sie sich diesem Verräter an den Hals. Sie weiß, dass er wesentlich mehr Geld hat als ich. Seit seine verwitwete Mutter bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam, lebt er allein in dem sehr gepflegt aussehenden Haus. Er verdient gut und fährt einen großen Wagen. Darauf fliegen die meisten Weiber.

Entschlossen stieg Denis aus. Gerade öffnete sich drüben die Haustür. Im Halbdunkel des Flures stand Barry Kaye. Charity schlüpfte ins Innere, und Barry schloss die Eingangstür wieder.

Denis wartete einen Moment. Er sah zum Horizont. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis die Nacht vollends über die Stadt hereinbrach.

Denis überquerte die Straße. Dabei bemerkte er nicht, dass er selbst bereits die ganze Zeit über beobachtet wurde. In seiner Nähe, gegen eine Hauswand gelehnt, stand ein Mann. Sein Gesicht zeigte ein spöttisches Lächeln. In den Augen leuchtete Triumph auf.

Es war Kirby Stillington.

Er hatte einen Frack an, als wollte er zum Konzert gehen. Auf seinem Kopf saß ein Zylinder.

Kirby Stillington blickte Denis Lypiatt nach, als dieser über den niedrigen Zaun flankte, der Kayes Grundstück umschloss, und auf leisen Sohlen auf das Haus zuschlich.

Die Straßenbeleuchtung flammte auf.

Auch drüben im Haus wurde das Licht eingeschaltet. Hinter dem hellerleuchteten Fenster bewegten sich Schatten.

Denis stellte sich unter das Fenster und lauschte. Er hörte, dass etwas gesprochen wurde, konnte aber nicht viel verstehen, denn immer wieder fuhr ein Wagen vorbei und übertönte mit seinem Motorengeräusch alles.

Nur ein Wort wiederholte man mehrmals: seinen Namen.

Der Hass macht Denis Lypiatt blind. Er rang mit sich. Sollte er einfach hineingehen und die beiden auf frischer Tat ertappen?

Nein, das konnte er nicht. Er war so weit, dass er die beiden ohne mit der Wimper zu zucken hätte umbringen können, aber er hielt sich zurück. Der Anblick, den Charity in den Armen seines besten Freundes geboten hätte, wäre für ihn unerträglich gewesen.

Wie betrunken wankte er zum Tor zurück.

Ohne sich umzuschauen überquerte er die Straße. Das wilde Hupen des wütenden Autofahrers, der im letzten Augenblick noch hatte bremsen können, ignorierte er.

Erst als er hinter dem Steuer seines Wagens saß, kam er wieder zu sich.

Tränen schossen in seine Augen und liefen über die hektisch geröteten Wangen. Er ballte die Hände zu Fäusten und schlug immer wieder kraftlos gegen das Lenkrad.

„Nein“, murmelte er immer wieder, „nein, Charity, warum tust du mir das an? Ich liebe dich doch so sehr!“

Plötzlich wich die tiefe Trauer endgültig seinem brennenden Hass. Er startete den Motor und fuhr los.

Denis gewahrte nicht den triumphierenden Blick von Kirby Stillington, der noch immer in der Nähe stand und sich sehr zufrieden gab. Er hatte als einziger alles genau beobachtet und konnte sich lebhaft vorstellen, wie es in dem jungen Mann aussah. Aber er hatte kein Mitleid — im Gegenteil.

Denis Lypiatt passierte das große rote Ziegelsteingebäude der Polizeistation. Im gleichen Augenblick trat ein Uniformierter aus der Eingangstür und blickte Denis forschend ins Gesicht.

Es war reiner Zufall, aber es erschien fast wie ein schlimmes Omen.

*

Charity Reed vergewisserte sich vor dem Verlassen des Hauses, dass sie unbeobachtet war. Dann hastete sie zu ihrem Kleinwagen, ohne einen einzigen Blick zurückzuwerfen. Barry Kaye stand in der halboffenen Haustür und blickte ihr mit träumerischem Gesichtsausdruck nach.

Charity wäre tatsächlich eine Sünde wert, konstatierte er im Stillen. Aber da komme ich nicht ran. Sie liebt Denis Lypiatt. Außerdem ist Denis mein bester Freund. Ich würde nie auch nur versuchen, ihm die Freundin auszuspannen.

Er wartete, bis Charity weggefahren war. Dann schloss er die Haustür und lehnte sich dagegen. Er sah sich im Flur um. Das Haus war gut eingerichtet. Dem Anschein nach fehlte es Barry an nichts. Und trotzdem fühlte er sich einsam. Er sehnte sich nach einem Mädchen wie Charity Reed. Doch solche Mädchen waren seiner Erfahrung nach äußerst dünn gesät.

Barry Kaye gab sich einen Ruck und ging ins Wohnzimmer. Auf dem Tisch lag ein aufgeschlagener Roman. Der junge Mann setzte sich in einen der bequemen Sessel, lehnte sich zurück und vertiefte sich wieder in die Lektüre, bei der ihn Charity gestört hatte.

2

---ENDE DER LESEPROBE---