Gruselkrimi Romanpaket Extraband 1004 - W. A. Hary - E-Book

Gruselkrimi Romanpaket Extraband 1004 E-Book

W. A. Hary

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Beschreibung

Mark Tate ist der Geister-Detektiv. Mit seinem magischen Amulett, dem Schavall, nimmt er es mit den Mächten der Finsternis auf und folgt ihnen in andere Welten und wenn es sein muss, bis in die Hölle. Ihm zur Seite steht May Harris, die weiße Hexe. (599) Dieser Band enthält folgende Romane: W.A.Hary: New-York-Cops: Der Geisterboss von der Westküste W.A.Hary: Blutiges Herz W.A.Hary: Ort des Schreckens W.A.Hary: Wo das Böse wohnt W.A.Hary: Herberge der frommen Schwestern Alfred Bekker: Blutige Tränen Hendrik M. Bekker: Nights of New York: Aufstand

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W.A.Hary. Hendrik M. Bekker, Alfred Bekker

Gruselkrimi Romanpaket Extraband 1004

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Inhaltsverzeichnis

Gruselkrimi Romanpaket Extraband 1004

Copyright

​W. A. Hary New-York-Cops - Der Geisterboss von der Westküste

W. A. Hary Blutiges Herz

​W. A. Hary Ort des Schreckens

W. A. Hary Wo das Böse wohnt

​W. A. Hary Herberge der frommen Schwestern

Blutige Tränen

Nights of New York: Aufstand

Gruselkrimi Romanpaket Extraband 1004

W.A,Hary, Alfred Bekker, Hendrik M. Bekker

Mark Tate ist der Geister-Detektiv. Mit seinem magischen Amulett, dem Schavall, nimmt er es mit den Mächten der Finsternis auf und folgt ihnen in andere Welten und wenn es sein muss, bis in die Hölle. Ihm zur Seite steht May Harris, die weiße Hexe.

Dieser Band enthält folgende Romane:

W.A.Hary: New-York-Cops: Der Geisterboss von der Westküste

W.A.Hary: Blutiges Herz

W.A.Hary: Ort des Schreckens

W.A.Hary: Wo das Böse wohnt

W.A.Hary: Herberge der frommen Schwestern

Alfred Bekker: Blutige Tränen

Hendrik M. Bekker: Nights of New York: Aufstand

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author /

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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​W. A. Hary New-York-Cops - Der Geisterboss von der Westküste

Ich wusste von meinem zweiten Ich in einer jenseitigen Sphäre, hatte aber zurzeit völlig andere Sorgen, nämlich in New York. Das neue Konzept scheint dort aufzugehen: Ich, gemeinsam mit meinem Freund Don Cooper, als Cops beim FBI. Ich, wohlgemerkt! Und Don Cooper! Aber schlecht war das nicht, denn dadurch konnte ich als jener mysteriöse Dr. Niemand von der Bildfläche verschwinden. Bei so vielen Feinden eine gute Idee – und als Cop hatte ich ganz andere Möglichkeiten gegen diese Feinde. Dachte ich zumindest…

*

Chester Finish lachte hart. Sein kantiges Gesicht lachte nicht mit. Es blieb unbewegt wie immer.

„Ihr seid Versager. Eigentlich seid ihr es gar nicht wert, dass ich den weiten Weg hierher gemacht habe. Werdet ohne mich nicht einmal mit so 'nem kleinen Fisch fertig wie diesem Dr. Niemand. Wenn ihr mich fragt: Der Tarnname für irgend so einen FBI-Bullen, mehr nicht. Wo also liegt euer Problem?

Ich sage es euch: Bei euch selber. So 'ne Type wird schlicht und einfach zertreten, und ich werde euch einmal zeigen, wie man da vorgeht.“

Keiner zweifelte daran, obwohl jeder von ihnen wusste, dass Dr. Niemand alles andere als ein kleiner Fisch war. Sonst hätte sich Chester Finish, der Boss von der Westküste, ja wohl kaum persönlich herbemühen müssen.

„Ihr kennt meine Devise: Ich dulde keinerlei Versager. Und was diesen Niemand betrifft – welch treffender Name! -, habt ihr nachhaltig versagt. Dieser Typ kostet uns jeden Tag im Schnitt immerhin eine runde Million harte Dollar.“

Er schüttelte den Kopf und seufzte.

„Vielleicht hat es sich inzwischen sogar bis zu euch herumgesprochen, wie ich mit Versagern umzugehen pflege.“

Mit diesen Worten zog er seinen großkalibrigen Revolver, Marke individuelle Spezialanfertigung.

Sein stahlharter Blick ging in die Runde.

Die selbsternannten Könige von New Yorks Unterwelt, die sich allesamt hatten kaufen lassen von der weltumspannenden sogenannten X-Organisation, duckten sich unwillkürlich. Was hatte Finish vor?

Sie bereuten auf einmal den Beschluss, mit der Westküste zu fusionieren, anstatt weitgehend autark zu bleiben, obwohl sie eigentlich keine andere Wahl gehabt hatten, weil dazu der Befehl von ganz oben gekommen war, angeblich sogar von Mister X persönlich.

Ihr Vorsitzender, Glenn T. Silver, zuständig für die gesamte Sektion New York in der X-Organisation, hatte ihnen vorgeschwärmt, dass sie dadurch den Markt endgültig beherrschen konnten, gerade in den Spezialbereichen Waffenschmuggel und Menschenhandel. Also in den Bereichen, in denen sie in erster Linie zuständig waren. Zwar wussten sie, dass die X-Organisation nicht nur aus Gangstern ihres Kalibers bestand, sondern auch aus Typen mit irgendwie unglaublich anmutenden Fähigkeiten, aber das nahmen sie nicht so richtig ernst, denn diese Typen waren ja sozusagen auf ihrer Seite. Und dann diese Fusion, ganz nach dem Motto: Einigkeit macht stark. Einigkeit der Nichtmagier, damit sie als solche innerhalb der Organisation eine noch größere Nummer wurden. Dabei herausgekommen war jedoch eher eine Angliederung. Wenn man es genauer nahm, sogar eine Art Unterordnung. Denn dieser Finish war gleich mit einer ganzen Armee angerückt. Dem waren sie nicht gewachsen.

Dabei hatten sie alle den Beschluss am Ende einhellig getragen! Sie waren verblendet gewesen, und dieser Finish, der so genannte Boss von der Westküste, bewies es ihnen gerade recht drastisch.

„Zum Beispiel fliegt jeder bei mir an der Westküste raus, der auch nur ein einziges Mal seinen Fuß in ein Gefängnis gesetzt hat“, behauptete er. „Im Gefängnis landet nur, wer sich schnappen lässt, und wer sich schnappen lässt, ist in meinen Augen ein Versager. Mit solchen Leuten kann man nichts mehr anfangen. Sie sind zu unzuverlässig.

Am schlimmsten jedoch ist eindeutig, wenn einer immer denselben Bullen zum Zuge kommen lässt.

Und das als oberster Verantwortlicher einer Organisation wie dieser hier. Also beginnen wir die Aktion zunächst einmal beim Hauptversager von New York City.“

Er legte an, und bevor noch der eigentliche Vorsitzende der dunklen Versammlung, Glenn T. Silver, begriffen hatte, wie ihm geschah, donnerte die schwere Waffe los. In dem abgeschlossenen Raum ein ohrenbetäubender Laut.

Die tödliche Kugel traf Glenn T. Silver mitten zwischen die Augen. Vom Aufprall wurde der alte Mann der New Yorker Unterwelt hochgetrieben und rücklings über den Stuhl gerissen.

Die nahebei saßen, wandten den Blick ab, als sie sahen, was die Kugel angerichtet hatte. Obwohl einiges schon erlebt, drehte sich ihnen der Magen um.

Einen solchen Vorfall, ein solch drastisches Exempel hatte es lange nicht mehr gegeben. Um genauer zu sein: seit Al Capone nicht mehr!

Ihr Gast hatte zu handeln begonnen, und keiner von ihnen hätte in der Haut von Dr. Niemand stecken mögen. Das war aber auch der einzige Vorteil, den sie im Moment für sich sahen.

Einer dachte sogar: Die Geister, die wir riefen. Wie bekommen wir die bloß wieder los? Der dies dachte, war Gil Mandozzi, der selbsternannte König von Little Italy.

Und dann wurde er wie alle anderen Zeuge davon, dass der Boss seine Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft hatte, auch nicht, was sie betraf, denn er beugte sich über die Sauerei, die er mit seiner Waffe angerichtet hatte, zog ein buntes Taschentuch, steckte die Waffe weg und hob den Toten hoch, als sei er nur eine Strohpuppe. Hinten fehlte der halbe Kopf. Was über das Gesicht des Toten gespritzt war, wischte der Boss mit dem Taschentuch notdürftig weg, und dann tat er etwas, was allen den Atem stocken ließ: Er schöpfte tief Luft und presste seinen Mund auf die Lippen des Toten. Dann blies er kräftig.

Ein Zucken ging durch den Leichnam. Chester Finish stellte ihn auf die Beine und ließ ihn los.

Der Leichnam schwankte ein wenig. Dann öffnete er die Augen!

„So bist du wesentlich billiger für die Organisation“, behauptete Finish zynisch und wandte sich in die Runde. „Oder hat von euch schon mal einen Untoten erlebt, der irgendwo auf einer Gehaltsliste stand?“

Er lachte wie ein Wahnsinniger, während der Untote mit einem Kopf, der eigentlich aus kaum mehr als vorn aus Gesicht bestand, sich wieder auf seinen Platz setzte und dabei so tat, als sei überhaupt nichts geschehen.

Irgendwer übergab sich. Niemand konnte es ihm verdenken. Und die anderen begannen allmählich richtig zu begreifen, worauf sie sich überhaupt eingelassen hatten. Aber es war leider viel zu spät, um aus dieser Erkenntnis noch irgendeinen Nutzen zu ziehen.

Niemand konnte indessen die Blicke von dem grauenhaften Untoten lassen, der einmal ihrer aller Vorbild gewesen war…

*

New York besitzt einen natürlichen Hafen entlang des Hudson und der New York Bay, der jedoch längst nicht mehr die Bedeutung von früher hat. So werden zum Beispiel nur noch wenige Piers für den Passagierverkehr genutzt und da vor allem die Anlegestellen am Ende der 50er Straßen, das Passenger Ship Terminal 90. Von hier geht es zumeist per Schiff hinunter zur Kreuzfahrt in die Karibik.

Aber auch der Warenumschlag hat im New Yorker Hafen enorm an Bedeutung verloren. Kein Wunder, seit das New York sozusagen direkt gegenüberliegende Port Elizabeth als Container-Terminal dient.

Es sei denn, es handelte sich um Waren, die illegal hier ankommen oder New York verlassen sollten.

Was das betrifft, hatten Don und ich, Mark Tate, wieder einmal die Aufgabe, einem heißen Tipp nachzugehen, den wir für diese Nacht bekommen hatten. Nicht im bekanntesten Terminal 90, sondern am Pier 84, wo das alte, beeindruckende, aber doch schon ein wenig baufällige Terminalgebäude den Bulldozern zum Opfer gefallen war. Eine Maßnahme, die verständlicherweise nicht nur Freunde gewonnen hatte, weshalb bereits erwogen wurde, hier im alten Stil ein neues Gebäude zu errichten.

Noch war es jedoch nicht soweit. Ben Atleff hatte uns persönlich in Marsch gesetzt, denn es sollte sich um eine illegale Waffenausfuhr handeln.

Nun, der Waffenverkauf war schon immer ein recht einträgliches Geschäft gewesen. Vor allem, wenn die Käufer dort saßen, was die Europäer ihren nahen Osten nannten. Da reagierte nicht nur ›jeder rechtschaffene Amerikaner‹ allergisch, bestand doch die Gefahr, dass mit denselben Waffen vielleicht schon bald wieder auf amerikanische Söhne an vorderster Front geschossen wurde.

Die Waffen sollten diesmal mit einem der Passagierschiffe außer Landes gehen. Zunächst einmal in Richtung Karibik, was das erklärte Ziel des Schiffes war - ausnahmsweise einmal nicht vom Terminal 90 weg. Aus der Karibik erst sollte die heiße Ware ihren Weg in Richtung Europa und letztlich Irak nehmen. Noch nicht einmal eine allzu große Sendung, wie man uns versichert hatte. In den letzten Wochen hatten wir immerhin ganze Panzer und sogar komplette Bausätze von Jagdfliegern zurückhalten können.

Objekt unserer Beobachtung war das Passagierschiff ›MARY ANN‹.

Und dann kam der Lieferwagen. An den Seiten trug er die gewundene Aufschrift ›CATERING SERVICE‹, was vermuten ließ, dass damit normalerweise Bordvorräte für die Schiffe angeliefert wurden. Die ›MARY ANN‹ sollte planmäßig früh am Morgen in See stechen. Es waren nur noch wenige Stunden hin. Also erschien es eigentlich nur logisch, dass man mit der Lieferung jetzt schon begann.

Der Lieferwagen stoppte genau an der Gangway zur ›MARY ANN‹, und wir beide näherten uns, jeden Schatten ausnutzend.

Das Passagierschiff, das am Morgen in Richtung Karibik in See stechen wollte, würde wohl kaum mit so wenig Proviant zufrieden sein, wie so ein relativ kleiner Lieferwagen anliefern konnte. Aber möglicherweise war das weder die notwendige Lieferung von Proviant, noch die Lieferung, die Don und ich erwarteten, sondern eher so etwas wie eine Vorhut, um die Lage zu checken? Denn die Schläge, die uns in den letzten Wochen gegen die Organisation gelungen waren, hatten die Bosse gewiss doppelt vorsichtig gemacht.

Deshalb hielten wir uns zunächst zurück.

Eine junge Dame stieg aus dem Lieferwagen - und was für eine! Ihre Beine waren so lang, dass sie gar kein Ende mehr nehmen wollten, und ihr knackiges Hinterteil wackelte bei jedem Schritt - Absicht oder nicht -, dass kein normaler Mann mehr für etwas anderes Interesse haben konnte. Dabei wippte das kurze Röckchen recht kokett.

Sie trug über den endlos langen Beinen und dem schwarzen Nichts von einem Minirock eine superkurze, rote Windjacke. Da stimmte wirklich alles. Als Blickfang war die Kleine bestens geeignet.

Sonst schien niemand an Bord des Lieferwagens zu sein. Die Langbeinige mit dem schulterlangen Blondhaar stakste auf kurzhackigen Pumps die paar Schritte zur Passagierrampe hinüber und wartete ein paar Sekunden.

Von oben kam ein Zeichen. Man sah nur die winkende Hand, sonst nichts. Es zeigte sich niemand.

Das war eigentlich schon Bestätigung genug für unseren anfänglichen Verdacht, dass es sich hier um eine Falle handelte. Der Gegner wurde offensiv. Er begnügte sich nicht mehr länger damit, seine Handlungen im Verborgenen bleiben zu lassen, sondern er schlug aktiv zurück.

Ziel dieser Aktion waren offensichtlich wir beide. Man schien sich genau ausgemalt zu haben, was geschah, wenn ein solcher Tipp beim FBI einging. Man würde natürlich die Agenten einsetzen, die zur Zeit am meisten mit dem illegalen Waffenschmuggel beschäftigt waren - und das waren wir beide nun mal.

Die Falle war perfekt organisiert. Sie schnappte zu.

*

Sofort nach dem verabredeten Zeichen steppte die Blondine auf ihren kurzhackigen Pumps erstaunlich behände zur Seite, in die Deckung des Lieferwagens. Von irgendwo auf dem Schiff züngelte fast gleichzeitig ein kurzes Mündungsfeuer. Kein Schuss war zu hören, aber das Sirren der Kugel, die mich tiefer in Deckung zwang.

Man setzte also Schalldämpfer ein, um kein zu großes Aufsehen zu erregen. Schüsse am Kai würden relativ schnell die City-Police auf den Plan rufen.

Die Rechnung ging allerdings nur zur Hälfte auf: Don und ich hatten keine Schalldämpfer auf unseren Smith & Wessons. Wir hatten auch nichts dagegen, wenn unsere Kollegen von der City-Police auf die Schießerei aufmerksam wurden.

Ich schickte eine Kugel ungefähr in die Richtung, in der ich das Mündungsfeuer gesehen hatte. Es sollte den Schützen davon abhalten, weiter auf mich Zielschießen zu veranstalten.

Aber es nutzte wenig. Ganz im Gegenteil: Wie als Antwort züngelten mehrere Mündungsfeuer an anderen Stellen auf, und alle benutzten Schalldämpfer.

Es hatte den Vorteil für uns, dass man damit nicht ganz so präzise schießen konnte, vor allem nicht auf die Entfernung.

Nur die Smith & Wessons von Don und mir brüllten also durch die Nacht.

Drei Fahrzeuge bogen vorn auf das Pier ein und brausten heran. Nur bis auf höchstens fünfzig Yards Abstand zu uns. Dann stoppten sie mit kreischenden Pneus. Die Türen flogen auf. Ein paar bewaffnete Typen sprangen heraus, gingen hinter ihren Fahrzeugen in Deckung und legten mit ihren Waffen auf uns an. Sie wussten ganz genau, wo wir uns in Deckung duckten. Offenbar hatte man uns vom Schiff aus trotz all unserer Vorsicht entdeckt, bevor man die Falle zuschnappen ließ.

Es hätte für uns bereits tödlich enden können. Aber das wollte man vielleicht gar nicht? Wenigstens nicht hier am Pier?

Die Typen bei den drei Fahrzeugen schossen jedenfalls vorerst nicht.

Und dann rief die Blondine aus ihrer Deckung hinter dem Lieferwagen: „He, ihr beiden. Widerstand hat keinen Zweck mehr. Wir wollen euch nicht töten, sondern nur gefangen nehmen. Unser Boss will euch sehen. Gebt auf.“

Eine nette Stimme, aber eine Einladung, die niemand gern annahm.

Ein Ausbruchsversuch wäre tatsächlich sinnlos gewesen. Wir hatten zwar eine gute Deckung, in der wir uns allerdings nicht lange würden halten können. Da gab es durchaus einige Möglichkeiten für unsere Gegner, uns auszuräuchern. Zum Beispiel Handgranaten. Vielleicht auch Gas? Wir mussten in dieser Beziehung mit allem rechnen.

Was die Gegner jedoch nicht wussten: Wir hatten sozusagen einen Trumpf im Ärmel, mit dem wir sehr leicht den Spieß umdrehen konnten. Und den wir jetzt ausspielten.

Wir hatten schließlich von vornherein mit einer Falle rechnen müssen. Vor allem, weil wir schon seit Wochen an dieser Sache dran waren und inzwischen immerhin soviel Erfolg verbuchten, dass dem Gegner eigentlich gar nichts anderes mehr übrig blieb, als endlich offensiv zu werden.

Und so lange die sich hier sicher fühlten und nur uns ihre Aufmerksamkeit schenkten, dachten sie gar nicht an eine Gefahr, die ihnen von anderer Seite her drohen könnte.

Blondy meldete sich wieder: „Ihr habt nicht lange Bedenkzeit. Werft eure Waffen weg und verlasst eure Deckung! Sonst müsst ihr leider sterben. Verlasst euch nicht darauf, dass man eure Schüsse gehört hat. Bevor die City-Police oder eure Kollegen hier sein können, seid ihr nicht mehr am Leben. Also los, auf geht's, G-men!“

Ich enthielt mich einer Antwort, nahm stattdessen das winzige Walkie-Talkie aus der Tasche, drückte die Sprechtaste und sagte: „Ihr seid dran!“ Das genügte. Alles war verabredet. Die Kollegen vom FBI, die City-Police und auch die River-Squad-Police standen bereit. Für sie war das Folgende schon fast Routine. Nur die City-Police blieb vorläufig noch im Hintergrund, gewissermaßen als Nachhut. Unsere Gegenaktion spulte sich ab wie ein Uhrwerk. Und es war mehr als nur eine Gegenaktion: Wir machten aus der soeben noch so perfekt erschienenen Falle für uns beide eine noch perfektere Falle für unsere Belagerer.

Das begann zunächst damit, dass auf dem Hudson von zwei Seiten je ein Schnellboot heranbrauste. Kugelsichere Scheinwerfer wurden in Position gebracht, um die ›MARY ANN‹ damit von der Flussseite her auszuleuchten.

Aber auch die Gangster, die vorn die Ausfahrt vom Pier abriegelten, wurden nicht vergessen. Mehrere Streifenfahrzeuge fegten herbei. Die Kollegen sprangen heraus und warfen sich in Deckung hinter ihre Fahrzeuge.

Einer der Gangster verlor die Nerven und gab einen ungezielten Schuss ab. Der Schuss wurde nicht erwidert. Stattdessen erscholl eine Megaphonstimme: „Hier spricht der FBI. Gebt auf!“

„Scheiße!“, rief ein anderer Gangster. Sein Schuss kam gezielter. Aber er traf trotzdem niemanden. Es ging nur eine Frontscheibe von einem der FBI-Fahrzeuge in Scherben.

„Diesmal sind die dran“, sagte Don neben mir. „Eine Falle für zwei FBI-Beamte. Sie haben uns sogar unter Feuer genommen und wollten uns damit zur Aufgabe zwingen. Beabsichtigt war Kidnapping. Das reicht für eine saftige Anklage.“

Gegenüber sonst ein Fortschritt. Darin hatte er recht. Denn sonst hatten wir zwar die Waren sicherstellen können, aber wir waren kaum an Personen herangekommen. Eine Beteiligung an dem Geschäft war so gut wie keinem nachzuweisen gewesen.

Dafür waren die stets zu geschickt vorgegangen. Profis, mit allen Wassern gewaschen. Jeder hatte so getan, als sei er die Unschuld in Person. Als wäre die Ware sozusagen aus dem Nichts aufgetaucht...

Und dann waren wir an der Reihe, in das Geschehen wieder aktiv einzugreifen. Alle Kollegen waren in Position. Zwei weitere kugelsichere Scheinwerfer flammten auf. Diesmal von der Landseite her. Einer erleuchtete hell das Pier. Der Lichtfinger des anderen tastete über das Schiff.

Die Gegner machten allerdings keinerlei Anstalten zur Aufgabe. Auch wenn jetzt ihre Chancen noch so klein erschienen.

„Gebt uns Feuerschutz!“, sagte ich in das Mikrophon des Walkie-Talkie. Von den Kollegen waren Gewehre mit Zielfernrohr in Anschlag gebracht worden, wie ich wusste. Damit war es kein Problem, das Schiff erfolgreich unter Feuer zu nehmen.

Eigentlich schade um das schöne Schiff, dachte ich. Es würde kaum ohne Beschädigungen abgehen.

Wir sprangen auf und sprinteten los, zuerst in Richtung Lieferwagen.

Keine Sekunde zu früh. Etwas wummerte heran.

Es schlug haargenau dort ein, wo wir soeben noch in Deckung gelegen hatten. Der Abschussknall kam einen Sekundenbruchteil später, zeitgleich mit der Detonation der kleinen Granate.

Wir warfen uns zu Boden und pressten die Hände auf Ohren und Nacken.

Unsere ehemalige Deckung wurde zerfetzt. Im Pier entstand ein großes Loch. Die Druckwelle fuhr über uns hinweg, erfasste auch den Lieferwagen und schob ihn ein Yard weiter. Dabei schwankte er bedenklich.

Splitter wirkten wie Geschosse, ließen die Scheiben des Lieferwagens platzen und schlugen Dellen und kleine Löcher in das Blech der Karosserie auf dieser Seite.

Wir warteten das Ende des Infernos ab und sprangen wieder auf.

Der Lieferwagen sah aus wie nach einem schlimmen Verkehrsunfall. Er hatte nur noch Schrottwert.

Die Kollegen hatten den Schützen am tragbaren Granatwerfer entdeckt. Sie nahmen ihn unter Beschuss, als er sich für den nächsten Abschuss zu weit aus seiner Deckung wagte. Wir hörten einen gellenden Schrei. Im nächsten Moment löste sich von oben ein Schatten und segelte herab.

Er schlug auf der Wasseroberfläche zwischen Pier und Schiffskörper auf.

Mit einer weiteren Granate war nicht mehr zu rechnen.

Von oben wurde jetzt überhaupt nicht mehr geschossen. Die Kollegen hatten Zielfernrohre mit Restlichtverstärker. Sie zwangen jeden Schützen auf dem Schiff in Deckung, auch wenn er sich nicht gerade im Lichtfinger eines Scheinwerfers befand.

Aber die Gangster wollten trotzdem noch nicht aufgeben. Sie machten immer noch keinerlei Anstalten dazu.

Wir erreichten den Lieferwagen.

Blondy trat in Aktion.

Sie sprang hervor, behielt den Lieferwagen jedoch geschickt zwischen sich und den FBI-Schützen. Leicht geduckt stand sie vor uns, wie eine Tigerkatze kurz vor dem Sprung. Ihre Pistole hielt sie beidhändig gegen uns im Anschlag. Hass verzerrte ihr Gesicht.

Wir hatten ebenfalls die Waffen in den Händen, schussbereit. Wir hätten ihr nur zuvorzukommen brauchen, sie einfach über den Haufen knallen müssen. Es wäre nur Notwehr gewesen, denn sie wollte die Aktion gegen uns mit ihrer eigenen Waffe doch noch halbwegs erfolgreich beenden.

Indem sie uns umlegte.

Aber keiner von uns beiden brauchte sie niederzuschießen: Einer der Gangster auf dem Schiff gab jetzt doch noch ein paar ungezielte Schüsse in unsere Richtung ab. Zu mehr als ungezielten Schüssen reichte es nicht, weil er sich nicht weit genug hervorwagen konnte. Er musste immer noch genügend Deckung zwischen sich und den FBI-Schützen lassen, um nicht selber getroffen zu werden.

Auf Blondy nahm er dabei überhaupt keine Rücksicht. Es war ihm offensichtlich egal, ob sie getroffen wurde oder nicht.

Die Kugeln pfiffen uns um die Ohren, trafen aber niemanden. Auch Blondy nicht. Sie wurde nur davon kurz abgelenkt. Als wäre sie darüber überrascht, dass ihr Kumpan keinerlei Rücksicht auf sie nahm.

Wir gewannen durch die unüberlegten Schüsse nur Sekundenbruchteile. Aber Blondy rettete es letztlich das Leben. Denn wir brauchten nur noch einen einzigen Schritt, um ihr nahe genug zu kommen.

Bevor sich ihr Finger doch noch um den Abzug der Pistole krümmen konnte, zuckte mein Fuß hoch und traf ihr Handgelenk.

Die Waffe flog davon und klatschte ins Wasser.

Don neben mir schoss. Der Kerl oben hatte weniger Glück als Blondy. Gerade hatte er sich wieder ein Stückchen vorgewagt, um erneut auf uns zu schießen. Zwar hatte er genügend Deckung zwischen sich und unseren FBI-Scharfschützen, aber zu wenig, um nicht von Don tödlich getroffen zu werden.

Blondy schrie schmerzerfüllt und rieb ihr Handgelenk. Dass ihr Kumpan oben soeben sein Leben gelassen hatte, schien sie nicht im Mindesten zu interessieren.

Der Hass auf uns verzerrte nach wie vor ihr Gesicht.

„Ihr sollt elend verrecken! Ihr habt sowieso keine Chance. Der Boss wird euch platt walzen!“

Don drehte ihr den Arm auf den Rücken. Wir machten nicht viel Worte. Blondy konnte sich auch noch so heftig sträuben und uns mit unflätigen Schimpfwörtern bedenken. Wir zwangen sie am Lieferwagen vorbei und ketteten sie hinten mit Handschellen an die Abschleppöse. Dabei passten wir auf, dass wir nicht ins Schussfeld der Gangster bei den drei Fahrzeugen kamen.

Die hatten nämlich auch noch nicht aufgegeben und begannen jetzt, sich ein Feuergefecht mit den Kollegen zu liefern.

Blondy legte sich zwangsläufig flach auf den Boden, zerrte vergeblich an den Handschellen und schrie vor Zorn.

Wir ließen sie schreien und liefen zum Reep hinüber. Das war nicht ungefährlich, denn wir mussten die Deckung verlassen, die uns der Lieferwagen gegen die Gangster bot.

„Schwenkt den Scheinwerfer weg!“, sagte ich in das Mikrophon meines Walkie Talkie.

Die Kollegen gehorchten prompt. Es wurde dunkel auf dem Reep, wenn auch nicht dunkel genug: Vom Schiff her wurde nicht mehr geschossen. Aber kaum traten wir auf die Passagierrampe, als die Gangster bei den drei Fahrzeugen erwartungsgemäß das Feuer auf uns eröffneten. Wir mussten wieder zurück in Deckung springen.

Hinter dem Lieferwagen luden wir unsere Waffen nach. Die Entfernung zu den drei Fahrzeugen war eigentlich zu groß für Handfeuerwaffen. Wir würden kaum einen gezielten Schuss anbringen können. Jeder Treffer würde ein Zufallstreffer sein.

Aber wir sahen im Moment keine andere Möglichkeit.

Plötzlich hörten wir eine kleine Detonation. Wir spähten an dem Lieferwagen vorbei. Das mittlere der drei Gangsterfahrzeuge hatte zu brennen begonnen. Die Gangster, die dort Deckung genommen hatten, stieben auseinander. Einer wurde von einer Kugel an der Schulter erwischt, bevor er an einem der Nachbarfahrzeuge Deckung nehmen konnte.

Die Fahrzeuge mussten teilweise gepanzert sein. Sonst hätten die Kollegen die Gangster längst zur Aufgabe gezwungen. Aber die Panzerung war nicht vollständig genug. Ganz offensichtlich. Sonst hätten die Kollegen nicht das eine Fahrzeug in Brand schießen können.

Jetzt ging der Tank hoch. Als würde eine Bombe detonieren. Eine Stichflamme fetzte empor, Teile der Karosserie flogen umher.

Für uns war das die einmalige Chance, auf das Schiff zu kommen. Die Gangster waren im Moment anderweitig beschäftigt. Sie würden nicht auf uns achten.

Wir sprangen auf das Reep und hetzten empor, immer drei Stufen auf einmal nehmend.

In der Tat wurde nicht mehr auf uns geschossen.

Ein Teil der Reling war oben zur Seite hin aufgeklappt. Wir sprangen durch den dadurch entstandenen Durchgang auf das erste Oberdeck.

Vor uns war eine Sonnenterrasse bis zum Bug des Schiffes. Der erste Aufbau, der sich hinten an die Terrasse anschloss, barg ein Restaurant. Es hatte eine große Panoramascheibe zur Terrasse hin. Über dem Restaurant erhob sich, leicht nach hinten versetzt, die Kommandobrücke und darüber wiederum befanden sich Radarstation und Funkzentrale.

Von der Wasserseite her erschollen jetzt ebenfalls Megaphonstimmen. Die restlichen Gangster auf dem Schiff wurden wiederholt zur Aufgabe aufgefordert.

Aber die dachten gar nicht daran.

Und die Blondine rief uns von unten mit inzwischen heiser gewordener Stimme zu: „Freut euch nicht zu früh, ihr beiden. Diese Runde habt ihr nur zum Teil gewonnen. Und ihr seid tot, praktisch tot. Ihr wisst es nur noch nicht.“

Ihr darauf folgendes Lachen klang eine Spur zu hysterisch.

Wie sollten wir ihre Worte verstehen?

Sie schien sich nicht damit abfinden zu wollen, zu den Verlierern zu gehören. Klammerte sie sich jetzt nur noch an die Vorstellung, dass auch wir bald zu den Verlierern gehörten? Oder gab es da noch etwas, von dem wir noch nichts ahnten? Irgendein versteckter Trumpf?

*

Wir hatten keine Zeit, darüber zu philosophieren. Wir hatten uns gut gemerkt, von wo aus auf uns geschossen worden war, als wir unten in Deckung gelegen hatten. Das war zunächst der Typ am Granatwerfer gewesen. Dann der Kerl, den Don vorhin erst ausgeschaltet hatte. Blieb jetzt als nächstes das Restaurant.

Die Panoramascheibe war größtenteils bereits zu Bruch gegangen. Geduckt liefen wir über das Deck näher heran.

Die Kollegen hatten das Feuer auf das Schiff eingestellt, um uns nicht zu gefährden. Die restlichen Gangster hier oben hatten sich sowieso längst weiter zurückgezogen.

Der eine Scheinwerfer strahlte wieder herauf, erfasste die Kommandobrücke, aber nicht das Restaurant. Es blieb im toten Winkel.

Als wir durch die geborstene Panoramascheibe hindurch in das Restaurant eindrangen, geschah nichts. Es war anscheinend niemand mehr da.

Trotzdem: Vorsichtig und jede Deckung ausnutzend, durchquerten wir das Restaurant. Kein Licht brannte hier, und der Widerschein des Scheinwerfers reichte kaum aus. Es reichte lediglich grob zur Orientierung.

Leider beleuchteten die Scheinwerfer der beiden Schnellboote nur den rückwärtigen Teil des Schiffes, denn die Schnellboote kamen nicht nahe genug heran. Sie riegelten nur den Rückweg zum Hudson ab. Falls einer der Gangster ins Wasser springen würde, um hier sein Heil in der Flucht zu suchen, würde er nicht weit kommen. Sogar Froschmänner standen bereit. Wir hatten an alles gedacht.

Im Hintergrund des Restaurants zeichnete sich das Halbrund einer Bar ab. An einer Seite war die Essens- und Getränkeausgabe an die Kellner.

Die Tür zur Küche stand anscheinend offen. Wir konnten es undeutlich sehen: Sie befand sich hinter der Theke und war ein pechschwarzes Viereck.

Don flankte über die Theke, während ich sicherte.

Don blieb seitlich versetzt zu der Tür, damit von drinnen nicht auf ihn geschossen werden konnte. Wer ihn erwischen wollte, musste die Küche verlassen.

Kaum daran gedacht, trat auch schon jemand aus dem schwarzen Viereck der Tür, um auf Don zu schießen.

Mit mir rechnete er anscheinend gar nicht.

Ich kam ihm zuvor. Meine Kugel traf seinen Arm.

Der Mordschütze schrie auf und ließ die Waffe fallen.

Und dann war Don bei ihm. Er drehte ihm den unverletzten Arm auf den Rücken und bugsierte ihn zum Durchgang an der Theke.

Ich klappte die Abdeckung hoch.

Don brauchte nicht meine Hilfe, um den Überwältigten abzuführen. Er brachte ihn auf das Deck. Der verletzte Arm des Gangsters blutete stark. Das sah man trotz des dürftigen Lichtes.

Ich suchte den Lichtschalter.

Hinter der Theke gab es einen Lichtkasten. Die Tür war nur angelehnt. Ich öffnete sie und sah undeutlich mehrere Reihen von Schaltern vor mir. Die Beschriftungsschilder darüber konnte ich unmöglich entziffern. Ich betätigte einfach alle Schalter.

Sogleich flammte die Deckenbeleuchtung auf. Das Restaurant wurde taghell beleuchtet. Auch draußen auf der Sonnenterrasse ging das Licht an.

Ich näherte mich der offenen Küchentür. Drinnen brannte jetzt ebenfalls das Licht.

In einer Hechtrolle sprang ich durch die offene Tür in die Küche hinein.

Eine Kugel ging knapp über mich hinweg.

Ich fand Deckung vor dem Küchenblock, der mitten in der Küche aufgebaut war. Über ihm war eine ganze Batterie von Dunstabzugshauben angebracht.

Da der Gegner mit Schalldämpfer arbeitete, konnte ich nicht sagen, wo genau er in Deckung lag: Irgendwo auf der anderen Seite des Küchenblocks.

*

Don benutzte den festgenommenen Gangster als lebenden Schild. Er spähte nach unten.

Das eine Fahrzeug war bereits total ausgebrannt. Die Gangster, die sich bei ihren Fahrzeugen verschanzt hatten, verließen ihre Deckung und rannten geduckt und im Zickzack in Richtung Lieferwagen. Ein verzweifelter Versuch, doch noch zu fliehen? Die FBI-Scharfschützen gaben ein paar Warnschüsse vor die Füße der Fliehenden ab. Funken stoben. Aber die Gangster stoppten nicht. Sie schossen ungezielt aus vollem Lauf heraus zurück.

Wollten sie denn unbedingt auf der Flucht erschossen werden? Ja, so sah es fast aus.

Seltsam war das schon. Auf Don wirkte es, als hätten sie vor ihrem Boss mehr Angst als vor dem Tod. Sonst hätten sie vernünftigerweise längst aufgegeben.

Noch zögerten die FBI-Schützen, ein aus ihrer Sicht eigentlich sinnloses Blutbad anzurichten.

Auch Don wartete, bis die Gangster fast den Lieferwagen erreicht hatten. Die Blondine feuerte sie unten sogar noch begeistert an.

Eine absolut groteske Situation, wie Don fand.

Er setzte drei Kugeln den Gangstern direkt vor die Füße. Da verlangsamten sie endlich, anscheinend überrascht, auch von anderer Seite unter Beschuss genommen zu werden. Sie schauten herauf und sahen ihn mit seinem Gefangenen. Und sie sahen, dass er ansonsten allein war.

Einer hob den Arm und wollte auf Don schießen.

Er hätte sowieso nur seinen Kumpan getroffen, den Don immer noch vor sich hielt, auch wenn der sich jetzt in Todesangst in seinem Griff wand.

Die Kugel aus einem FBI-Gewehr kam dem Mordschützen zuvor. Sie traf seinen Arm und vereitelte den Schuss.

Die Gangster wollten weiter in Deckung des Lieferwagens fliehen. Eine sehr dürftige Deckung, zumal sie sich nach wie vor direkt in der Schusslinie von Don befinden würden.

Und jetzt hielten sich die FBI-Schützen nicht mehr länger zurück. Sie schossen auf die Beine von den beiden vordersten der Fliehenden.

Die Getroffenen stürzten zu Boden, und bei den anderen siegte endlich die Vernunft, bevor auch sie getroffen wurden. Sie blieben stehen und hoben die Arme über Schulterhöhe.

Blondy quittierte dies mit einer wahren Schimpfkanonade.

Während die FBI-Kollegen herbeisprinteten, von den Scharfschützen gedeckt, stieß Don seinen Gefangenen zur Passagierrampe hinüber.

Die Kollegen würden sich seiner annehmen. Er war entwaffnet, und mit dem verletzten Arm würde er ansonsten sowieso keine Gefahr mehr darstellen. Außerdem wusste er, dass ihn die Scharfschützen im Visier hatten. Weit konnte er jedenfalls nicht kommen, falls er trotz allem zu fliehen versuchte.

Don lief zum Restaurant zurück. Alles war jetzt hier taghell beleuchtet.

Don orientierte sich kurz. Er durchquerte das Restaurant und trat die breite Tür zum Kabinendurchgang auf. Gleichzeitig warf er sich in Deckung. Aber es wurde nicht auf ihn geschossen.

Don sprang hindurch und duckte sich nieder.

Nein, hier befand sich niemand.

Don lief um die halbrunde Trennwand zur Küche herum und fand den hinteren Eingang.

Vorsichtig fasste er nach dem Drehgriff, drehte ihn, bis das Schloss schnappte und zog die Tür auf.

*

Ich sah, dass sich der Griff drehte, und wischte mit einer einzigen Bewegung die Töpfe vom Küchenblock, die sich vor mir auftürmten.

Das machte einen Höllenlärm, der alles andere übertönte. Auch das Öffnen der Tür.

Der eindringen wollte, blieb nicht in Deckung. Der Gangster musste direkt vor ihm liegen.

Don kam herein.

Ich war erleichtert, denn ich hatte nicht sicher sein können, dass er es war.

Der Killer hörte etwas und warf sich herum. Zu spät für ihn: Er schaute genau in die Mündung von Dons Waffe.

Ich rannte um den Küchenblock herum und erreichte Don.

Der Killer lag vor uns am Boden. Er ließ die Waffe fallen und hob die Hände zum Zeichen des Aufgebens.

Sein Gesicht war hasserfüllt, aber er hatte eingesehen, dass er keine Chance mehr hatte.

„Wie viele sind noch an Bord?“, fragte ich ihn.

„Finde es heraus, G-man!“, antwortete er und spuckte zu Boden. „Vielleicht ist es aber auch tödlich für dich?“

„Ihr gebt wohl nicht so schnell auf, was?“

„Der Boss mag das eben nicht. Ihm ist ein toter Kämpfer immer noch lieber als ein festgenommener.“

„Dann wird er diesmal genug Gelegenheit haben, sich fürchterlich aufzuregen“, bemerkte Don sarkastisch. „Nach Lage der Dinge gab es nur wenige Tote und dafür viele Festgenommene - bis jetzt.“

„Nur vorübergehend“, versprach der Gangster. „Wir wissen, dass der Boss letzten Endes gewinnen wird. New York ist so gut wie sein. Dann sind wir wieder frei.“

Ich hatte den Mann noch nie zuvor gesehen. Genauso wenig wie die Blondine. Dessen war ich sicher.

Und es gab noch eine weitere Gemeinsamkeit: Sie sprachen den unverkennbaren Akzent von der Westküste. Ein Zufall?

Ich fesselte den Kerl mit Handschellen an den Küchenblock und sagte über Funk Bescheid, wo die Kollegen ihn finden konnten.

Gerade wollten wir uns zum Gehen wenden, um das Schiff weiter zu durchsuchen, als ein Zittern durch das Schiff ging.

Uns stockte unwillkürlich der Atem: Da hatte jemand die schweren Turbinen angeworfen.

Das Zittern verstärkte sich. Die Turbinen brauchten Minuten, um ihre volle Kraft zu entfalten. Es war offensichtlich, dass die restlichen Gangster mitsamt dem Schiff fliehen wollten.

Absolut hoffnungslos, denn notfalls würde man sie von den Schnellbooten aus mit leichten Schiffskanonen zur Aufgabe zwingen. Außerdem kamen schon die Kollegen die Passagierrampe herauf.

Verhindern konnten die Gangster das nicht, denn schon beim Anlaufen der Turbinen nahmen die Scharfschützen die Kommandobrücke wieder unter Beschuss.

Allerdings, einen Vorteil hatte diese Verzweiflungstat der Gangster durchaus: Wir wussten definitiv, wo sie zu finden waren. Nämlich auf der Brücke. Nur von dort aus konnten die Turbinen gestartet und das Schiff geführt werden.

*

Wir liefen auf den Gang zu den Passagierkabinen hinaus. Ein paar Schritte weiter gab es einen Aufgang.

Von draußen auf die Kommandobrücke zu steigen, war ein unnötiges Risiko. Aber auch von hier drinnen war es nicht gerade ungefährlich.

Wir stiegen hinauf.

Ein deutliches Rucken ging durch den Schiffsleib. Die Gangster wollten nicht warten, bis die Turbinen heiß genug waren. Sie gingen das Risiko ein, schon vorher mit dem ganzen Schiff die Flucht zu wagen.

Damit würden sie im Moment sehr beschäftigt sein, zumal sie immer noch unter dem Feuer der Scharfschützen lagen.

„Das sind alles Verrückte“, zischelte Don neben mir. „Und ihr Boss ist der Oberverrückte. Die ganze Zeit über hatten wir es mit gewieften Waffenschmugglern großen Stils zu tun. Und jetzt scheint bei denen der helle Wahnsinn zu regieren.“

„Es mag daran liegen, dass der Boss gewechselt hat?“, vermutete ich.

Ich dachte wieder daran, dass zumindest zwei der Gangster den Slang von der Westküste sprachen. Ein wichtiger Hinweis?

Wir waren oben.

Ich trat die Tür zur Kommandobrücke auf und ging in Deckung neben der Türöffnung.

Von drinnen wurde prompt geschossen.

Don war auf der anderen Seite. Er gab mir ein Zeichen, sobald die Gangster drinnen eine Feuerpause machten, und sprang geduckt vor die offene Tür. Dabei gab er in das Innere der Kommandobrücke mehrere Schüsse ab.

Ich sprang an ihm vorbei hinein.

Sie waren zu dritt. Einer war vollauf mit dem Ruder beschäftigt.

Er drehte daran wie ein Verrückter.

Der zweite stand an den Kontrollen für die Turbinen. Der dritte wurde von den Schüssen aus Dons Waffe in Deckung gezwungen.

Als ich mich weiter vorwagte, legte er auf mich an.

Ich war schneller und schoss ihn kampfunfähig.

Er schrie auf und verlor seine Waffe. Mit verzerrtem Gesicht griff er sich an die Schulterwunde.

Der am Ruder ließ sich nicht beirren. Er wollte mit dem Schiff ablegen. Das hatte er sich in den Kopf gesetzt, und das Kämpfen wollte er den anderen beiden überlassen.

Der an den Kontrollen für die Turbinen ließ von der verwirrenden Anordnung von Schaltern und Hebeln ab und warf sich herum. Dabei brachte er seine Waffe in Anschlag.

Er wollte nicht aufgeben, auch jetzt noch nicht.

Meine Kugel traf seinen Oberarm. Er ließ die Waffe fallen. Der Treffer trieb ihn halb über die Kontrollen. Dabei verstellte er ungewollt einige Schalter und Hebel. Das Schiff schüttelte sich, als wäre es darüber unwillig.

Der Mann am Ruder brüllte außer sich: „Verdammter Mist!“ Und: „Ihr verfluchten Schweine!“

Don und ich mussten ihn mit Gewalt vom Ruder wegzerren.

„Wie ich schon sagte“, meinte Don: „Alles Verrückte.“

Ich machte über Funk Meldung.

Offenbar hatten wir alle restlichen Gangster vom Schiff. Um ganz sicher zu sein, schwärmten die Kollegen aus, um jeden Winkel zu durchsuchen.

*

Es wurde niemand sonst mehr gefunden.

Wir forderten Krankenwagen an für die Verletzten - und auch für die Toten.

Als wir uns vor dem Abtransport mit den Überlebenden der dramatischen Aktion näher beschäftigten, gaben sie sich überwiegend verstockt. Das hieß, unsere Fragen beantworteten sie höchstens mit Beschimpfungen. Nein, die würden jegliche Aussage verweigern.

Sie schienen vor ihrem Boss eine gehörige Angst zu haben. Die hätten lieber ihr Leben gelassen, als ihn zu verraten.

Aber eines fanden wir doch heraus: Es handelte sich größtenteils um Leute von der Westküste!

Leute von der Westküste? Das schien ja insgesamt gesehen eine halbe Armee zu sein. Und ein neuer Boss, der hier die Initiative ergriffen und als erstes diese Falle für uns geschaffen hatte? Vielleicht ebenfalls von der Westküste?

„Verdammt, was geht hier vor?“, murmelte Don an meiner Seite, was bewies, dass er ähnliche Gedanken hegte.

Waren das so eine Art Söldner?

Wenn ja, war das hier die erste große Niederlage in ihrem Leben. Denn keiner von ihnen war jemals zuvor mit dem Gesetz in Konflikt geraten - wenigstens offiziell nicht. Es gab nicht den mindesten Fahndungshinweis, wie wir uns überzeugten. Auch gegen die Blondine lag offiziell nichts vor.

Natürlich zogen wir auch die Möglichkeit in Betracht, dass bei diesen Leuten schwarzmagische Mächte mit im Spiel waren, doch sogar das konnten wir ausschließen: Einerseits handelte es sich also um quasi normale Gangster, aber andererseits…?

Blondy war im übrigen die einzige Frau bei der ganzen Aktion gewesen. Und sie war mehr als nur ein Blickfang oder Lockvogel. Schließlich hatte sie sich ja zur Wortführerin gemacht.

FBI-Pilot Crown kam mit dem FBI-Hubschrauber, einer sechssitzigen Hughes Cayuse. Ben Atleff, unser Chef, saß darin. Nach dem, was hier gelaufen war, bemühte er sich persönlich. Das war nur logisch.

Don und ich erstatteten ihm Bericht. Er hörte sich alles mit ernstem Gesicht an.

„Wusste ich doch gleich, dass euer Einsatz in New York keine vorübergehende Kleinigkeit ist. Die Sache eskaliert.“ Er schöpfte tief Atem. „Ich habe die Vorführung des Reedereibesitzers bereits veranlasst“, berichtete er nun seinerseits. „Schon nach dem ersten Schusswechsel. Es ist schließlich interessant zu erfahren, wieso sich die Gangster auf seinem Schiff so ungestört einrichten konnten. Oder habt ihr irgendwelche überwältigten Wachen gefunden?“

Wir verneinten.

Auch wir hatten uns schon über diese Tatsache gewundert. Der Reedereibesitzer war uns eine Erklärung schuldig. Das war ja wohl das Mindeste.

Nicht nur, dass die Gangster hier ungehindert hatten agieren können: Sogar mit einem tragbaren Granatwerfer.

Sie hätten sogar das ganze Schiff entführen können. Soweit mir bekannt war, ging das nur, wenn man den Code vom Bordcomputer kannte, und der wurde täglich gewechselt.

Ohne den Bordcomputer wäre es nicht möglich gewesen, ein so großes Schiff praktisch mit zwei Leuten zu bedienen. Der Rest der Besatzung wurde lediglich als Reserve und für Wartungsarbeiten gebraucht. So kam es, dass moderne Ozeanriesen nur höchstens dreißig bis vierzig Besatzungsmitglieder hatten. Je nach Fracht, die zu befördern war. Die meisten Besatzungsmitglieder waren sowieso für Wartungs- und Reparaturarbeiten bestimmt. Und auf Passagierschiffen waren echte Seeleute sozusagen die Ausnahme. Das meiste Personal bestand da aus Stewardessen und Stewards...

Wir hatten es nicht versäumt, unserem Chef auch unseren Verdacht mitzuteilen, betreffend die Leute von der Westküste. Er verlangte daraufhin, persönlich die Blondine zu sehen.

Wir hatten uns im unbeschädigten Teil des Restaurants vorläufig eingerichtet.

Während die Kollegen von der Spurensicherung schon dabei waren, das ganze Schiff ein zweites Mal auf den Kopf zu stellen. Eine reine Routineangelegenheit. Wir glaubten nicht wirklich, dass es großartig Anhaltspunkte bringen würde.

Blondy war nicht abtransportiert worden. Wir teilten die Auffassung vom Chef, dass sie in dieser Sache eine besondere Rolle spielte. Und deshalb war sie für uns auch von besonderer Bedeutung.

Sie erwies sich zunächst als nicht weniger verstockt als ihre Kumpane.

Wir beschäftigten uns trotzdem mit ihr, nicht nur, um die Minuten zu überbrücken, bis der Reedereibesitzer endlich hier eintraf. Man hatte ihn aus dem Bett holen müssen. Deshalb dauerte das anscheinend so lange.

Ben Atleff überließ uns das Verhör von Blondy. Er hielt sich zurück und beobachtete nur.

Und dann taute sie tatsächlich vorübergehend etwas auf: „In wessen Auftrag ist die Aktion gegen uns abgelaufen?“, fragte Don zum wiederholten Mal.

„Finde es heraus, G-man!“, riet sie ihm und grinste ihn frech an. Und sie fügte hinzu: „Ihr habt einen großen Fehler gemacht, ihr beiden. Hättet ihr aufgegeben, wäret ihr jetzt einen entscheidenden Schritt weiter: Ihr würdet längst vor dem Boss stehen und könntet ihm die Fragen alle selber stellen. Aber ihr wolltet es ja unbedingt anders. Die Einladung war für euch beide so etwas wie eine besondere Ehre. Ihr habt euch deren nicht als würdig erwiesen. Im Nachhinein muss ich sagen: Es wäre besser gewesen, euch gleich umzulegen, schon als ihr auf das Pier gekommen seid. Die Schützen hatten euch immer wieder kurz im Visier, obwohl ihr so vorsichtig getan habt. Man hat Rücksicht auf euch genommen. Und jetzt das...“

„Ihnen ist es anscheinend egal, was aus Ihnen wird?“

„Das nicht gerade, aber ich sagte bereits, das eigentliche Finale steht euch noch bevor. Bei dir wird es noch ziemlich schnell gehen, Don Cooper.“

„Du kennst meinen Namen?“, rief Don erschrocken aus.

Sie lachte nur gehässig und fuhr ungerührt fort: „Du bist dem Boss nicht ganz so wichtig. Aber ich möchte nicht in der Haut von Dr. Niemand stecken. Dass es euch so vortrefflich gelungen ist, den Spieß umzudrehen und das Ganze zur Falle für meine Leute werden zu lassen, wird ihn nur noch wütender machen.“

„Deine Leute?“, echote Don. Wir tauschten kurz einen Blick. Konnte es sein, dass die Gegenseite inzwischen sowieso Bescheid wusste über meine Rolle als Dr. Niemand – und hier als FBI-Mann? Alles schien darauf hinzuweisen. Sonst hätte Blondy nicht den Namen von Don gewusst…

„Dann warst du so eine Art Leiterin der Aktion?“, schob Don nach. „Ich weiß nicht, auf wen dein Boss jetzt wütender ist: auf Dr. Niemand oder auf dich...?“

Sie wechselte die Farbe.

Dann sprang sie auf.

„Verdammt, G-men, ich sage jetzt überhaupt nichts mehr. Ihr begreift das sowieso nicht. Ihr reißt hier gewaltig das Maul auf, aber ihr seid tot, praktisch schon tot.“

„Ich kann ja seinen Zorn gut verstehen“, fuhr Don ungerührt fort. „Ihr habt das ziemlich stümperhaft angestellt, sonst wäre es nicht ganz so gründlich ins Auge gegangen. Dabei wollte er alles besser machen als die anderen, nicht wahr? Dir gab er die Chance zur Durchführung, und du hast diese Chance gründlich versiebt.“

Don wollte nur auf den Busch klopfen, mehr nicht. Die einzigen echten Anhaltspunkte, die wir hatten, waren Gangster mit Slang von der Westküste. Dann die erste Aktion, bei der wir unmittelbar Zielobjekte waren, was vielleicht eine neue Führung vermuten ließ. Schließlich eine Blondine, die sich bis jetzt für sehr clever gehalten hatte und von diesem Glauben nur ungern Abschied nahm. Insgesamt gesehen eigentlich eher dürftig.

Aber die Reaktionen der Blondinen schienen zu beweisen, dass Don haargenau ins Schwarze getroffen hatte. Mehr war durch sie allerdings nicht mehr zu erfahren.

Auch Ben Atleff schien zur Auffassung zu kommen, dass eine Fortführung des Verhörs nur noch Zeitverschwendung war. Auf sein Zeichen hin ließen wir die Blondine von Kollegen abführen.

Ein anderer Kollege kam und berichtete uns, dass der Lieferwagen erst kurz vor der Aktion bei der betreffenden Firma gestohlen worden war. Die Leute von der Firma hatten das noch gar nicht bemerkt.

Und dann kam endlich der Reeder.

Bevor er vorgeführt wurde, kam mir eine Idee: „Vielleicht ist es besser, ich halte mich im Hintergrund?“

Der Chef und Don schauten mich an.

Ich begründete meinen Vorschlag: „Der Reedereibesitzer kennt mich nicht. Es könnte von Vorteil sein, wenn es so bleibt.“

Ben Atleff vertraute meiner Intuition. Er nickte nur.

Ich zog mich soweit zurück, dass ich die folgende Befragung einigermaßen mitverfolgen konnte, ohne von dem Reedereibesitzer gesehen zu werden.

*

Gil Mandozzi rechnete mit allem, als er zum Boss von der Westküste gerufen wurde. Er hatte inzwischen erfahren, dass die Sache am Pier gehörig misslungen war. Dr. Niemand war wieder einmal als Sieger hervorgegangen. Und das, obwohl Chester Finish großspurig versprochen hatte, alles besser zu machen.

Genau genommen, war dies sogar die größte Niederlage geworden, seit Dr. Niemand dem Waffenschmuggel auf die Spur gekommen war. Zwar hielt sich der materielle Verlust in Grenzen, aber dafür hatte es jede Menge personellen Ausfall gegeben.

Er dachte an die Szene zurück, als Finish ihren alten Boss Glenn T. Silver vor aller Augen einfach niedergeknallt hatte. Und jetzt war ihr ehemaliger Boss so eine Art Untoter?

Ein furchtbares Erlebnis, das noch allen in den Knochen steckte. Und als er die Tür zum Büro erreichte, erwartete er schon, dahinter in die Mündung dieses großkalibrigen Revolvers sehen zu müssen. Genauso wie Silver eine Sekunde vor seinem Tod. Vielleicht sollte er der nächste Untote auf der Liste dieses Wahnsinnigen sein?

Dabei war er zunächst heilfroh gewesen, dass er nicht für die Aktion verantwortlich zeichnete, die sich Finish so ›grandios‹ ausgedacht hatte.

Aber inzwischen rechnete er ernsthaft damit, dass er als eine Art Sündenbock herhalten musste.

Deshalb hatte Finish ihn auch wahrscheinlich so dringend zu sich gebeten. Denn die eigentlich Schuldige konnte Chester Finish nicht erreichen. Die war bei der Aktion gleich mit verhaftet worden.

Ja, er hatte verdammte Todesangst, mehr als jemals zuvor in seinem Leben.

Und er hatte schon eine ganze Menge erlebt. Nicht umsonst durfte er sich unangefochten ›König von Little Italy‹ nennen.

So nannten sie ihn auf den Straßen, auf denen er einst angefangen hatte. Seine engen Freunde und Verwandten nannten ihn allerdings anders. Nicht einmal mit seinem amerikanischen Vornamenkürzel Gil, sondern so, wie es in der berüchtigten Mandozzi-Familie üblich war, nämlich mit dem italienischen Vornamen. Für sie war er Gilberto.

Als er in der Organisation, die sich hochtrabend ›Könige von New York‹ nannte, bis auf die zweite Stelle aufgerückt war, direkt hinter Silver, hatte das den absoluten Höhepunkt in seiner Karriere bedeutet: Endlich hatte er seiner Meinung nach das erreicht, wozu er als echter Mandozzi sozusagen geboren war.

Gewiss, er war noch nie bescheiden gewesen. Das erwartete auch kein Mensch von ihm. Mandozzi war ein harter, unerbittlicher König in seinem Reich. Er hatte sich rücksichtslos bis ganz nach oben geboxt.

Aber jetzt hatte er diese Todesangst.

Und jetzt wäre er lieber doch wieder dieses kleine Licht irgendwo auf den Straßen von Little Italy gewesen, als das er angefangen hatte. Viel lieber, als einer der großen Bosse zu sein, der vor so einem wie Chester Finish Angst haben musste.

Doch seine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiteten sich nicht. Ganz im Gegenteil. Als sich Gil Mandozzi endlich überwand und eintrat, rekelte sich Chester Finish gerade genüsslich im Chefsessel des toten Glenn T. Silver, der nirgendwo zu sehen war – zur Beruhigung von Mandozzi. Seine großkalibrige Waffe lag vor ihm auf dem Schreibtisch.

*

Der Boss von der Westküste sah auf und winkte Mandozzi leutselig zu. Dass Mandozzi vergessen hatte anzuklopfen, ignorierte er einfach.

„Hereinspaziert, mein Lieber!“, rief Finish fröhlich.

Dies war ja eine ganz neue Seite von diesem Mann!

Gil Mandozzi wusste nicht, wie er die Situation deuten sollte.

Deshalb sagte er ein wenig unbeholfen: „Äh, dass uns dieser Niemand die ganze Zeit über anscheinend ungestört auf der Nase herumtanzen konnte, das lag nicht etwa an unserer Unfähigkeit, wie du jetzt selbst gemerkt hast.“ Irgendwie kamen ihm die eigenen Worte unpassend vor. Gingen sie zu weit?

Mandozzi zuckte zusammen, als Chester Finish schallend zu lachen begann. Als hätte Mandozzi einen besonders guten Witz gemacht. Ja, er amüsierte sich köstlich, was Mandozzi nur noch mehr verunsicherte.

Der Italo-Amerikaner verstand die Welt nicht mehr.

„Es ist ja schon gut, Gilberto“, sagte Finish und winkte mit beiden Händen ab, „du hast einfach nur gesagt, was alle denken, aber keiner sonst in den Mund zu nehmen wagt.“

Er schüttelte den Kopf.

„Falsch gedacht, Gilberto, ganz falsch. Gewiss, dieser Niemand ist ein besonders guter Mann. Das hat er mir beweisen können. Er hat anscheinend auf der ganzen Linie gesiegt. So meinen jetzt alle. Und niemand scheint begreifen zu wollen, dass das Spiel erst begonnen hat.“

Für Mandozzi war Finish jetzt endgültig übergeschnappt.

Auf seiner Stirn erschien eine steile Sorgenfalte.

„Du sollst durchaus noch deine Chance haben, Gil“, meinte Finish jovial. „Im Vergleich zu den anderen hast du einigermaßen gute Arbeit geleistet - bisher. Davon habe ich mich bereits überzeugt. Obwohl, ich werde mich hüten, hier die gleichen Maßstäbe anzulegen wie daheim an der Westküste. Zunächst einmal nicht. Und wenn du so weitermachst, vielleicht sogar von mir zu lernen beginnst, hast du eine reelle Chance, eines Tages in diesem Sessel hier zu sitzen und für mich in New York die Fäden zu spinnen. Ich habe nämlich keineswegs vor, noch lange hier zu bleiben. Nur so lange, bis das Spiel mit diesem Dr. Niemand zu meinen Gunsten entschieden ist.“

„Ein - Spiel?“, echote Mandozzi. Er dachte daran, dass es Tote gegeben hatte. So war es ihm berichtet worden: Die Leute hatten sich lieber umbringen lassen, als vernünftigerweise rechtzeitig aufzugeben. Ihre Angst vor Finish war offenbar größer gewesen als ihre Angst, erschossen zu werden...

Und dann die vielen Verletzten...

Finish beobachtete ihn amüsiert.

„Sieh mal, Mandozzi, du bist für mich so etwas wie ein Rohdiamant, der nur noch richtig geschliffen werden muss. Und allein die Tatsache, dass du hier vor mir erschienen bist, trotz deiner Todesangst, zeigt schon, dass du besonderen Mumm hast, und das imponiert mir an dir. Ganz ehrlich.“

Gil Mandozzi hörte es und glaubte kein einziges Wort. Außerdem: Für ihn war es sowieso nicht mehr erstrebenswert, auf diesem Sessel zu sitzen. Weder jetzt, noch in Zukunft. Er hatte selbst gesehen, wie es einem unter Chester Finish erging, falls man mal einen Fehler machte. Gedanken kamen auf wie zum Beispiel: Verdammt, haben wir in New York das überhaupt nötig, uns von so einem Wahnsinnigen von der Westküste so behandeln zu lassen?

Sehr ketzerische und wahrscheinlich tödliche Gedanken, falls sie jemals zum Ausdruck kommen sollten. Es erschien Mandozzi nicht abwegig, dass Finish in einem erneuten Anfall von Wahnsinn die gesamte Führung der Organisation hier in New York umbrachte und anschließend seine eigenen Leute von der Westküste einsetzte, damit die alles neu organisierten. Und dabei die toten ehemaligen Führer als untote Marionetten missbrauchten, damit ihre Anhänger gar nicht bemerkten, dass sich für sie alles dramatisch geändert hatte?

Finish betrachtete ihn immer noch amüsiert.

Ob er etwas von diesen Gedanken ahnt?, fragte sich Mandozzi erschrocken. Vielleicht kann er sogar auch noch Gedanken lesen?

„Okay, Gilberto, jetzt berufe die Versammlung ein. Ich werde tun, was ich versprochen habe: Ich erledige das Problem Dr. Niemand. Aber ich tu es auf meine Weise. Ich will dabei auch meinen Spaß haben. Dieser Niemand ist ein Spitzenmann. Das ist für mich sozusagen eine Herausforderung ganz besonderer Art, und ich will der Versammlung erklären, was eigentlich geschehen ist. Dass wir das Ganze keineswegs als Niederlage sehen dürfen, sondern als einen wesentlichen Schritt zum spektakulären Endsieg.“

„Keine Niederlage?“, erkundigte sich Gil Mandozzi fassungslos.

Chester Finish grinste diesmal nur.

„Genau erfasst, Gilberto, bravo!“

Na, auf diese Erklärung bin ich ganz besonders gespannt!, dachte Mandozzi. Aber er stellte keine Fragen mehr, sondern war vorerst froh, wieder gehen zu dürfen.

Er tat also weiter, wie ihm befohlen. Für einen Wahnsinnigen, wie er es einschätzte. Aber er sah für sich zurzeit keine Chance, etwas gegen Finish zu unternehmen.

Falls Finish jedoch glaubte, Mandozzi bereits völlig in der Tasche zu haben, irrte er sich gewaltig. Mandozzi machte vorerst nur gute Miene zum bösen Spiel. Er wartete insgeheim auf seine Chance - und sei sie noch so winzig...

*

Ein Kollege brachte den Reedereibesitzer.

Der Kollege war erst kurz in New York. Ich erinnerte mich an seinen Namen: Samuel Gold. Und ich erinnerte mich auch daran, dass er großen Wert darauf legte, mit seinem vollen Vornamen angesprochen zu werden: Samuel, nicht etwa Sam.

Don tat ihm auch diesmal den Gefallen, während ich in Sichtdeckung blieb: „Hallo, Samuel!“

Seine Augen gingen suchend in die Runde. Anscheinend vermisste er mich.

Ich gab ihm heimlich ein Zeichen.

Er tippte grüßend an seine Hutkrempe und nickte Don lächelnd zu.

In seiner Begleitung befand sich ein distinguierter Herr, ungefähr mittelalt, aber schon mit leicht angegrauten Schläfen. Er hatte einen teuren Cashmere-Mantel an und einen kunstvoll um den Hals gewickelten Seidenschal. Seine Miene war verkniffen. Mich entdeckte er nicht. Er war zu sehr mit seinem unterdrückten Zorn beschäftigt.

Als er Ben Atleff sah, begann er, wie wild mit den Armen zu gestikulieren.

„Das wird noch ein Nachspiel haben, sage ich Ihnen! Sie werden für den Schaden geradestehen müssen, den meine Gesellschaft Ihretwegen hat.“

Das Gesicht des Chefs blieb unbewegt. Er ließ sich nicht provozieren.

Don schaute ihn erwartungsvoll an.

Er nickte nur. Das bedeutete, dass er Don nach wie vor die Befragung überließ.

Samuel stellte den erregten Herrn vor: „Gestatten, das ist Mister Perry Hopkins, seines Zeichens Reeder und Besitzer der MARY ANN. Sieht so aus, als wollte er Schadenersatz, weil wir es wagen, auf seinem Schiff herumzulaufen, und weil bei der Auseinandersetzung einiges zu Bruch ging.“

„Darauf können Sie Gift nehmen!“, drohte Perry Hopkins.

Don rückte einen Sessel zurecht und sagte freundlich: „Na, dann setzen Sie sich doch erst einmal.“

Er tat es tatsächlich.

Don setzte sich gegenüber.

Samuel tippte wieder grüßend an die Hutkrempe und zog sich zurück. Sein Job war vorläufig erledigt. Er würde zur Verfügung stehen, sobald man ihn wieder brauchte. Aber es sah im Moment nicht so aus, als würden wir bei Hopkins Hilfe benötigen.

Don gab sich ausgesprochen freundlich und vor allem - verständnisvoll. Es brachte nichts, wenn er sich mit Perry Hopkins auf eine Diskussion einließ, wer nun für den entstandenen Schaden verantwortlich zeichnete und wer nicht. Vor allem brachte es keine Klärung der Angelegenheit.

Erst als sich der Reedereibesitzer dank Dons wohldosierter Freundlichkeit einigermaßen beruhigt hatte, schoss Don die entscheidende Frage ab: „Wie erklären Sie sich die Mordschützen hier an Bord? Gäste von Ihnen? Sie kannten sogar den Geheimcode, um das Schiff zu entführen. Ihre eigenen Leute?“

„Ich... ich...“, stammelte Perry Hopkins. Er gab sich überrumpelt. Ihm fehlten offensichtlich die Worte. Don ließ ihm Zeit. Bis Hopkins sagte: „Ich versichere Ihnen, ich habe keine Ahnung!“

Keiner von uns mochte ihm das abnehmen. Er war von vornherein offensiv eingestellt gewesen. Hätte er nicht ganz anders reagieren müssen, schon bei der Nachricht vom Geschehen? Vielleicht - mit Betroffenheit? Vielleicht auch mit Zorn über das, was geschehen war - immerhin auf seinem eigenen Schiff -, jedoch nicht ausgerechnet mit Zorn auf den FBI... Nein, er hatte im Gegenteil beschlossen, hart zu erscheinen, sogar Schadenersatz zu fordern. Nicht etwa von den Gangstern, sondern - von uns.

Das war zumindest eine kuriose Haltung. Ob es mehr war: Das herauszufinden, war Dons Aufgabe.

Don änderte seine Taktik. Er entschloss sich zur ein wenig härteren Gangart. Er hakte nach: „Nun, Mister Hopkins, was ist Ihrer Meinung nach denn hier abgelaufen?

War das so eine Art Tag der offenen Tür auf der MARY ANN oder wie soll man es nennen? Wissen Sie denn nie, wer auf Ihrem Schiff ist? Keinerlei Sicherheitsvorkehrungen?“ Don schüttelte den Kopf.

Hopkins schaute zu Boden, als wollte er sich sammeln.

Diesmal ließ ihm Don keine Bedenkzeit: „Da kann doch jeder machen, was er will. Und wenn nun ein Verrückter etwa eine Bombe zurücklässt, die auf hoher See erst hochgeht? Was ist mit der Sicherheit Ihrer Passagiere? Was ist mit Ihrer Verantwortlichkeit denen gegenüber? Was würden Sie denn im Ernstfall sagen? Dasselbe wie jetzt? Vielleicht sogar Schadenersatz von den betroffenen Passagieren fordern oder so? Finden Sie das nicht selber reichlich unlogisch?“

„Ich bitte Sie, das stimmt doch alles gar nicht!“, begehrte Hopkins auf.

Don winkte mit beiden Händen ab. Er lächelte wieder freundlich und sagte entschuldigend: „Es war nicht so gemeint, Mister Hopkins. Es ist halt nur, wir brauchen eine Erklärung dafür, wie es dazu kommen konnte. Verstehen Sie das?

Selbstverständlich sind wir bemüht, dass Ihr Schaden ersetzt wird. Sofern es in unseren Kräften steht. Deshalb ist es besser, wenn Sie uns alles sagen, was Sie wissen. Vielleicht ist etwas dabei, das wir entsprechend auswerten können? Sprechen Sie jeden Gedanken offen aus, auch wenn er ihnen noch so abwegig erscheinen mag. Nur so haben wir eine Chance, die wahren Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen - auch zu Ihrem eigenen Nutzen.“

Das Spiel verfehlte seine Wirkung nicht. Auf einmal gab sich Hopkins tatsächlich zugänglicher: „Es gibt immer eine Wache, auf jedem Schiff. Rund um die Uhr. Das sind schließlich Millionenwerte. Die kann man nicht unbeaufsichtigt lassen.“

„Und wo waren die Wachen von der MARY ANN?“

„Die sind in Schichten aufgeteilt, und die komplette Schicht hat gefehlt. Sie ist einfach nicht angetreten, weil man jeden einzeln angerufen hat, um ihm abzusagen. Ersatz wurde angesagt.“

Und dieser Ersatz, das waren die Gangster? Eine Frage, die Don nicht laut auszusprechen brauchte: Hopkins schöpfte tief Atem:

„Hören Sie, ich muss mich ebenfalls entschuldigen. - Sobald ich von der Sache erfahren habe - durch Ihre Kollegen -, habe ich bereits selber ein wenig recherchiert. Ist ja nur logisch. Vorhin das war nicht so gemeint. Sie müssen sich einfach mal in meine Lage versetzen. Als ich gestern Abend ins Bett ging, war sozusagen die Welt noch in Ordnung. Und jetzt...“

Kurz barg er das Gesicht in den Händen. Dann: „Das Schiff... Es - es kann jetzt nicht rechtzeitig aus dem Hafen. Das kostet mich eine ganze Menge Geld. Mehr, als Sie sich vorstellen können. Einmal ganz abgesehen von den notwendigen Renovierungsarbeiten. Die Fahrt wird ausfallen müssen. Können Sie sich denn vorstellen, was das bedeutet? Glauben Sie denn, die Passagiere sind darüber erfreut? Die freuen sich auf ihren Urlaub in der Karibik und dürfen nicht einmal auf das Schiff, wie Ihr Kollege auf dem Weg hierher schon angekündigt hat. Was wundern Sie sich denn dann noch, dass ich mich aufrege?“ Jetzt ereiferte er sich wieder.

Don war wieder an der Reihe. Er blieb ruhig.

„Womit immer noch nicht geklärt ist, wie den Gangstern dieser Coup gelingen konnte, ohne dass Sie es verhindert haben.“

„Ich weiß es nicht, ganz ehrlich nicht. Ich habe einen angerufen. Nun, vielleicht ist das Wort recherchiert zuviel gesagt, aber ich habe bei diesem Anruf in Erfahrung gebracht, dass die Wachen abgezogen wurden.“

„Und Sie haben dabei nicht erfahren, WER die Wachen abgezogen hat? Ich meine, das geht doch gewiss nicht so ohne Weiteres. Was hat die Leute denn davon überzeugt, dass die Sache rechtens ist? - Wen wollen Sie decken?“

„Nun, ich...“ Hopkins brach ab.

„Sehen Sie, Mister Hopkins, es hat überhaupt keinen Sinn, wenn Sie uns etwas verschweigen. Es ist doch klar, dass Sie in erster Linie in Frage kommen, nicht wahr? Damit sind Sie automatisch unser Hauptverdächtiger.“

„Wie bitte?“

„Wer also hat außer Ihnen solch weit reichende Befugnisse?“

Hopkins schwieg. Seine Wangenmuskeln spielten.

Don fuhr fort: „Bis geklärt ist, wer den Coup ermöglichte, sind Sie festgenommen. Das Schiff kann vorläufig nicht freigegeben werden. Ihre Passagiere müssen sich ein anderes Schiff nehmen, so leid es mir tut.“

„Ich kann doch nichts dafür!“, sagte Perry Hopkins. Es klang jetzt verzweifelt. „Also gut, ich sage es Ihnen ja schon. Was bleibt mir denn anderes übrig?“ Dann: „Es kann nur mein Koordinator gewesen sein! Anders kann ich mir das gar nicht erklären.“

„Hat das Ihr Mann bestätigt, den Sie angerufen haben?“

Hopkins nickte zögernd.

„Wie heißt dieser - Koordinator?“, erkundigte sich Don.

„Fred Steinfeld!“, antwortete Hopkins nach kurzer Bedenkzeit. Es schien ihm wirklich schwer zu fallen, einen so wichtigen Mann zu verraten. Und wie ein Verräter kam er sich jetzt auch offensichtlich vor.

„Was ist das eigentlich bei Ihnen, ein Koordinator? Ich meine, welche Funktion hat er?“

„Na, der teilt die Wachen ein, die Matrosen halt eben, die dafür vorgesehen sind. Wenn man so will, ist das mein Sicherheitschef. Nur wenn der jeden persönlich angerufen hat, konnte das klappen. Die würden doch sonst nie auf so etwas hereinfallen.“

„Und wo finden wir den Mann?“

Hopkins gab die genaue Adresse preis.

„Und wieso erzählen Sie uns das erst jetzt? Ich meine, wir hätten doch eine Menge Zeit gespart, wenn Sie mir gleich...?“

„Ja, verstehen Sie denn nicht? Er ist mein Sicherheitschef, also nach mir der Mann mit dem größten Einfluss. Ich sehe ja selbst, dass es keine andere Erklärung gibt, als dass er mit den Gangstern gemeinsame Sache gemacht hat. Aber ich wollte es einfach nicht glauben. Er hat schon für meinen Vater gearbeitet. Eigentlich ist es völlig unmöglich, dass er so etwas wirklich gemacht hat. Auch wenn alles dafür spricht. Auch wenn es überhaupt keine andere Erklärung zu geben scheint.“

„Dann können wir davon ausgehen, dass dieses Schiff - vielleicht sogar auch alle anderen in Ihrem Besitz - länger schon zu illegalen Zwecken missbraucht wurde?“

Betretenes Schweigen.

Das war eigentlich Antwort genug.

„Sie sind sich vollkommen darüber im Klaren, wie schwerwiegend Ihre Anschuldigungen sind, Mister Hopkins?“

„Hören Sie, das sind keine Anschuldigungen, sondern ganz einfach Tatsachen, vor denen ich mich nicht mehr länger verschließen darf!“

„Dann sind Sie auch bereit, dies zu Protokoll zu geben?“

„Was denn, dann war das hier überhaupt kein offizielles Verhör?“

„Sie wurden lediglich zur Sache befragt, und nun haben Sie sich als ein besonders wichtiger Zeuge erwiesen, der eine schwerwiegende Aussage zu machen hat.“ Don lächelte entwaffnend.

Hopkins winkte ab.

„Nun, ich habe noch nie mit der Polizei zu tun gehabt. Außer als Autofahrer. Ich habe keinerlei Erfahrung, was das betrifft, und kenne mich mit Ihren Gepflogenheiten nicht aus. Aber ich bin zu allem bereit. Wo soll ich meine Aussage zu Papier bringen?“

Don rief nach Samuel. Der sollte für das Weitere sorgen.

Sobald Hopkins draußen war, verließ ich meine Deckung.

„So und jetzt erkläre uns, was du mit Hopkins vorhast!“, verlangte Don zu wissen.

„Entweder, der Mann ist ein halbwegs begabter Schauspieler, oder er hat uns die Wahrheit gesagt“, antwortete ich ihm ausweichend. „Obwohl es ihn nicht automatisch zum Unverdächtigen macht, nur weil er die Schuld einem anderen in die Schuhe schiebt. - Wie dem auch sei: Zunächst einmal sollten wir uns eben um diesen anderen, nämlich um Fred Steinfeld, kümmern. Der ist im Moment wichtiger als Hopkins. Und erst, wenn der sich wirklich als unser Mann erweist, ist Hopkins sozusagen aus dem Schneider.“

Ben Atleff hatte nichts dagegen einzuwenden. Vor allem nicht, als ich ihm meinen Plan betreffend Hopkins erläuterte.

Er fand meinen Plan zwar recht riskant, aber der würde sowieso nur in Kraft treten, falls Fred Steinfeld uns nichts bringen würde. Dann würde uns keine andere Wahl bleiben. Er war deshalb damit einverstanden - und ich würde das Risiko eingehen müssen.

Bis es soweit war, wurde Hopkins festgehalten. Offiziell, weil man ja angeblich erst ein umfassendes Protokoll über seine schwerwiegende Aussage anlegen musste...

*

Die Chevys aus der FBI-Fahrbereitschaft waren nicht so beliebt, sonst hätte ich es wohl kaum vorgezogen, für gewöhnlich lieber mit meinem privateigenen Auto, zurzeit ein Alpha Romeo Spider, in den Einsatz zu gehen. Was mein Freund Don ja auch nur begrüßen konnte. Obwohl man den Wagen inzwischen bei unseren Gegnern sicher zur Genüge kannte. Ein Nachteil, zugegeben, aber es galt, keine unnötige Zeit zu verlieren. Wir waren leider mit einem Chevy hergekommen. Weil unser Chef der Meinung gewesen war, der Alpha würde in einem solchen Fall zuviel Aufsehen erregen. Also klemmte ich mich hinter das Steuer dieses Wagens und fuhr mit Don neben mir los.

Den Umweg über die Fahrbereitschaft konnten wir uns zeitlich gesehen nicht leisten. Mein Alpha würde dort stehen bleiben müssen.

Über Funk meldete Don uns kurz an. Das Funkgerät ließ er anschließend auf Empfang geschaltet. Falls es Neuigkeiten gab, wollten wir das natürlich sofort wissen.

Es war nicht sehr weit. Dieser Fred Steinfeld wohnte in der achtundvierzigsten Straße West.

Am fernen Horizont, innerhalb der Straßenschluchten von Manhattan bis jetzt eher nur zu erahnen, kündigte sich der Morgen blutrot an, aber es herrschte bereits Verkehr wie in anderen Großstädten für gewöhnlich erst während der Rush Hours.

Die Nachricht kam, ehe wir unser Ziel erreichten. Ben Atleff meldete sich persönlich: „Doc?“

Ich bestätigte, höchst alarmiert. Wenn er mich so direkt anredete, war es besonders wichtig.

„Die River Squad Police hat eine Leiche aus dem Hudson gefischt. Es war ein kleines Problem, den Toten zu identifizieren, obwohl der Mann einmal zu Lebzeiten traurig berühmt war. Aber jemand hat ihm eine großkalibrige Kugel mitten zwischen die Augen gesetzt. Das Gesicht blieb dabei noch weitgehend unbeschädigt, aber der Rest vom Kopf... Es handelt sich um Glenn T. Silver!“

Zu diesem Zeitpunkt wusste ich natürlich noch nicht, dass Silver vorübergehend eine zweite Karriere als Untoter gemacht hatte, aber anscheinend nicht befriedigend genug, sonst hätte ihn der Boss von der Westküste nicht am Ende doch noch „entsorgt“…

Diese Nachricht wirkte trotzdem wie ein Hammer. Meine Gedanken drehten sich im Kreis. Ich hatte Mühe, sie zu ordnen. Don und ich warfen uns einen Blick zu.

„Glenn T. Silver?“, echote ich.

„Derselbe!“, bestätigte unser Chef. „Seid doppelt vorsichtig.“