Hot Like Clay: Kentucky Love - Yvonne Westphal - E-Book + Hörbuch

Hot Like Clay: Kentucky Love Hörbuch

Yvonne Westphal

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Beschreibung

Wird er ihre Rettung sein – oder ihr Untergang? Der fesselnde Liebesroman »Hot like Clay« von Yvonne Westphal jetzt als eBook bei dotbooks. Eine Unterschrift für den Chef – das ist alles, was Bildhauerin Evelyn braucht, um endlich ihre Tonskulpturen in Chicago ausstellen und den Job als Anwaltsassistentin aufgeben zu können. Dumm nur, dass sich der Unterschriftenverweigerer als höllisch heißer Mistkerl herausstellt, der in der Wildnis von Kentucky seine ganz eigenen Ziele verfolgt … Clay hat größere Probleme als die durchgestylte Citybraut, die plötzlich vor seiner Werkstatt auftaucht, auch wenn ihre Schlagfertigkeit ihn von den Füßen reißt – wortwörtlich. Evelyns Auftauchen bedroht alles, was er in den letzten Jahren so verbissen geschützt hat. Doch jede Schlacht für das Gute beginnt mit Blut, Staub und einer heißen Nacht, oder? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Das Romantik-Highlight »Hot like Clay« von Yvonne Westphal ist Band 1 der Spicy-Romance-Reihe »Kentucky Love« und wird Fans der BookTok-Hits von Ana Huang und Elsie Silver begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Zeit:9 Std. 26 min

Sprecher:Mario Lucas

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Über dieses Buch:

Eine Unterschrift für den Chef – das ist alles, was Bildhauerin Evelyn braucht, um endlich ihre Tonskulpturen in Chicago ausstellen und den Job als Anwaltsassistentin aufgeben zu können. Dumm nur, dass sich der Unterschriftenverweigerer als höllisch heißer Mistkerl herausstellt, der in der Wildnis von Kentucky seine ganz eigenen Ziele verfolgt … Clay hat größere Probleme als die durchgestylte Citybraut, die plötzlich vor seiner Werkstatt auftaucht, auch wenn ihre Schlagfertigkeit ihn von den Füßen reißt – wortwörtlich. Evelyns Auftauchen bedroht alles, was er in den letzten Jahren so verbissen geschützt hat. Doch jede Schlacht für das Gute beginnt mit Blut, Staub und einer heißen Nacht, oder?

»Hot like Clay« erscheint außerdem als Hörbuch und Printausgabe bei SAGA Egmont, www.sagaegmont.com/germany. Weitere Bände der »Kentucky Love«-Reihe sind in Planung.

Über die Autorin:

Yvonne Westphal schreibt romantisch-schlagfertige Geschichten über Bad Boys mit Herz und classy Girls mit Biss. Ihr Debütroman erreichte auf Anhieb die Top Ten beim LovelyBooks Community Award. Weitere beliebte Romances folgten.

Die Autorin auf Instagram: www.instagram.com/miss_ivythomas

Auf Facebook: www.facebook.com/miss.ivythomas

Und auf Pinterest: www.pinterest.de/miss_ivythomas/

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eBook-Ausgabe November 2023

Copyright © der Originalausgabe 2022, 2023 Yvonne Westphal und SAGA Egmont

Copyright © der eBook-Ausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Dieses Buch wurde vermittelt von der Literaturagentur erzähl:perspektive, München (www.erzaehlperspektive.de).

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Paulina Ochnio unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-98690-860-7

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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blog.dotbooks.de/

Yvonne Westphal

Hot like Clay

Kentucky Love – Band 1

dotbooks.

Für Thomas,

weil du von der ersten Sekunde an nicht lockergelassen hast.

Playlist

•Pull It Off – Kane Brown

•No Excuses – Meghan Trainor

•BFE – Kane Brown

•Something’s Got a Hold On Me – Christina Aguilera

•Like I Love Country Music – Kane Brown

•God’s Country – Blake Shelton

•My Girl – Dylan Scott

Die Playlist ist auch direkt unter HOT LIKE CLAY auf Spotify und Apple Music zu finden.

Kapitel 1Schamlos

Evelyn

Dieser nackte Männerkörper war einfach perfekt.

Ich hielt den Atem an, während meine Finger die makellos modellierten Muskeln nachfuhren. Die Bauchmuskelstränge, die Schultern und den Bizeps. Hart wie Stein und glatt wie Marmor.

Er war ein Meisterwerk.

Mein Meisterwerk.

Aus Ton.

Behutsam stellte ich die Figur auf den Sockel und schloss den Brennofen. Adam war fertig, und er war mit Abstand die beste Skulptur, die mir jemals gelungen war. Ich konnte mich gar nicht sattsehen an der makellosen Patina und den harmonischen Proportionen, auf die selbst Leonardo da Vinci stolz gewesen wäre – zumindest an dem Teil, den ich von ihm zeigen durfte, denn auf das obligatorische Feigenblatt hatte die Leiterin der Kunstausstellung bestanden. Salonfähigkeit und so.

Die zur Assemblage gehörende Eva, um deren Nacktheit sich die Schlange winden würde wie eine sinnliche Vertraute, wartete unter ihrer Plastikfolie brav wie eine verschleierte Braut darauf, dass ich auch sie vollendete. Aber nicht mehr heute. Denn in spätestens zwei Minuten würde mein Wecker … zu spät!

Obwohl ich damit gerechnet hatte, zuckte ich zusammen, bevor ich mich streckte, um mit dem am wenigsten tonverschmierten Finger den Alarm auf meinem Handy stummzuschalten. Und obwohl ich wusste, dass es halb sieben Uhr morgens war, warf ich einen kurzen Blick auf die antike Uhr unter dem Dachbalken meines winzigen Ateliers. Eigentlich konnte ich mir die zusätzliche Miete nicht leisten. Aber ich liebte diese stickigen neunundzwanzig Quadratmeter – zweiundzwanzig, wenn man die Schrägen abzog. Jeden Morgen empfing mich der Duft von altem Staub, unbehandeltem Holz und lehmigem Ton. Der Ausblick auf die trostlosen Hausfassaden von West Chicago war zwar kein Highlight, aber wenn die Sonne im richtigen Winkel stand, tanzten Staubpartikel in der Luft wie winzige Glitzerfeen.

Bonus: Das Atelier lag direkt über meiner Wohnung, weswegen ich zu jeder Tages- und Nachtzeit herkommen und arbeiten konnte. Was ich auch musste, wenn ich jemals einen Fuß in die Tür der großen Kunstgalerien und Skulptur-Vernissagen dieser Welt kriegen wollte. Vorher nicht pleite zu gehen, wäre auch nicht schlecht.

Ich verdrängte den Gedanken an das wachsende Minuszeichen auf meinem Darlehenskonto, bevor mir der Morgenkaffee hochkommen konnte. Auf der Abendschule hatten sie mir empfohlen, einen Starterkredit aufzunehmen, als ich verkündet hatte, ich wolle mich als Kunsthandwerkerin mit meinen Tonskulpturen selbstständig machen.

Sagen wir, seitdem war meine Begeisterung für feuchten Ton nicht mehr das Einzige, das mich jeden Morgen noch vor fünf Uhr aus dem Bett trieb. Schulden waren scheiße. Mein Bankberater hatte mir versichert, dass das Überziehen eines Starterkredits völlig normal war, bevor das Geschäft richtig in Gang kam. Gerade im Handwerk und ganz besonders im Kreativhandwerk – was wohl durch die Blume so viel bedeutete wie: »Sie waren von Anfang an ein hoffnungsloser Fall, Miss Tate. Aber hey, ich verdiene an Ihren Zinsen, also ist mir völlig egal, ob Sie nachts ruhig schlafen. Sie können selbstverständlich weiterhin Ihr Konto überziehen, solange Sie jeden Monat brav die Tilgung leisten.«

Bänker waren auch nur Sadisten in Anzügen, oder?

Und weil ich leider nicht nur die Sadisten bezahlen, sondern auch meinen Kühlschrank füllen wollte, brauchte ich neben meiner Selbstständigkeit einen Job – einen richtigen Job mit festem Gehaltscheck, der mich über Wasser hielt, bis ich von meinen Kunstwerken leben konnte. Was mir natürlich weniger Zeit für die Skulpturen ließ, womit sich die Katze irgendwie in den Schwanz biss.

Vielleicht hättest du noch einen Kurs in BWL und Finanzen belegen sollen, bevor du dich kopfüber in diese Schnapsidee vom Kunsthandwerk gestürzt hast.

Ich hasste diese Pessimistin in meinem Kopf, und ich hasste noch mehr, dass sie klang wie die Stimme meiner Mutter. Beeindruckend, wie genau man sich an eine Stimme erinnerte, die man zuletzt an Weihnachten übers Telefon gehört hatte.

Nein. Das hier würde ich durchziehen.

Ich würde es meiner Mutter beweisen, mir selbst und ganz Chicago bei der Ausstellung im Herbst.

Bis dahin: Brotjob! Zu dem ich zu spät kommen würde, wenn ich mich nicht langsam von Adams nacktem Oberkörper losriss.

Mit einem letzten verstohlenen Blick wusch ich mir die Hände am Waschbecken, dann konnte ich nicht widerstehen und machte noch ein paar Fotos für meine Lieblingskollegin.

Knapp drei Stunden später klappte Josie der Mund auf.

»Aber hallo, diese Muskelstränge! Drei Fragen: Wer stand dafür Modell? Ist er noch Single? Und wann kann ich ihn kennenlernen?«

Ich kicherte, als sie an das Foto heranzoomte. Josie war mit ihren siebenundzwanzig Jahren genauso alt wie ich, machte als Assistentin des Juniorpartners unserer Anwaltskanzlei genau denselben Job wie ich und hatte denselben Humor.

Sister from another Mister.

»Soll ich dich vielleicht mal kurz mit dem Handy allein lassen?«, fragte ich, um darüber hinwegzutäuschen, dass dieser Torso allein meiner Fantasie entsprungen war. Einen so perfekten Körper hatte ich noch nie in Natura gesehen, und ich bezweifelte, dass es ihn außerhalb von Modelmagazinen gab. Aber man durfte ja noch träumen.

Josie stieß mir in die Seite, gab mir schnell das Handy zurück und nahm Haltung an, als Caroline Clarke am Ende des Flurs erschien, der Hausdrachen der Anwaltskanzlei McKenzie & Partner.

Die Worte unserer Klienten, nicht unsere.

Okay, vielleicht ein bisschen unsere.

Was sollten wir auch machen? Diese Frau war unter den drei Tonnen Make-up genauso ledrig wie Smaug, hatte eine nicht minder rauchige Stimme – leider nicht halb so sexy wie die von Benedict Cumberbatch –, und wenn sie aus der Raucherpause kam, qualmten sogar ihre Nasenflügel.

»Haben Sie beide nichts zu tun?«

Josie deutete auf den To-go-Kaffeebecher, den sie auf drei Aktenordnern und zwei Mappen gestapelt balancierte. Jeder wusste, dass der Juniorpartner Bürokaffee verabscheute, weswegen der Großteil von Josies Tag darin bestand, zum nächsten Coffeeshop und wieder zurück zu pendeln.

Caroline Clarke wandte sich mir zu. »Und welche Ausrede haben Sie, Miss Tate? Mr McKenzies Kaffeemaschine steht in seinem eigenen Büro.«

Das stimmte. Und sie hatte mehr gekostet, als ich in drei Monaten verdiente. Absurd teuer, aber unbestreitbar praktisch. Immerhin musste ich meine Zeit nicht mit Coffee-Roadtrips verbringen, sondern konnte tatsächlich die Assistenzaufgaben übernehmen, für die ich bezahlt wurde. Zugegeben, ich hatte nichts von alledem gelernt. Aber ich war hartnäckig, anpassungsfähig, organisiert und höflich – meistens jedenfalls.

Nur hundertdreiundfünfzigjährige Chefsekretärin mit totem Marder über den Schultern brachten mich manchmal an meine Grenzen. Bevor ich also etwas sagen konnte, das ich bereuen könnte, zog ich bloß lächelnd den frischen Papierstapel aus dem Drucker und verschwand in Richtung des größten Eckbüros der Stadt.

Manchmal wunderte ich mich selbst darüber, wie ich es hierher geschafft hatte. Ich hatte kein kaufmännisches Studium, keine Ausbildung, nicht mal ein Praktikum vorzuweisen gehabt. Ich war nur zufällig am richtigen Abend in der richtigen Bar gewesen und hatte mit dem richtigen Kerl in Anzug geflirtet. Ich schwöre, ich hatte nicht gewusst, dass der Anzug maßgeschneidert war.

Aber wenn ich eine Gelegenheit sah, packte ich sie beim Schopf. Und als er nach fünf Tequila die überraschende Kündigung seiner persönlichen Assistentin beklagt hatte, die zu ihrem Lover nach Kuba gezogen war, hatte ich angeboten, schon am nächsten Morgen bei ihm im Büro aufzutauchen.

Das hatte ich seitdem jeden Morgen getan.

Memo an mich selbst: keinen Lover auf Kuba suchen. Dann verlierst du diesen Job nie. Easy!

Gegen-Memo: Wenn du nur halb so viel Zeit in deine Skulpturen investieren würdest wie in diesen Job, wäre die »Sündenfall«-Assemblage längst fertig.

Ich brachte die ewig kritische Stimme zum Schweigen, setzte ein Lächeln auf und betrat das Büro. Mein Chef saß genauso da wie vor zehn Minuten, als ich den Raum verlassen hatte. Mit dem exklusiven Haarschnitt und kantigen Gesicht eines Starmodels und der finsteren Miene eines Profiboxers.

Natürlich war er nichts von beidem. Gabe McKenzie war der beste Anwalt der Stadt – was er wohl genau dem Anblick verdankte, der sich mir gerade bot: unverschämte Attraktivität gepaart mit einem gnadenlosen Blick.

»Welche schamlosen Forderungen stellt die Staatsanwältin diesmal?«, fragte ich gut gelaunt, um die Stimmung zu heben. Ich kannte meinen Chef mittlerweile gut genug, um seinen Blick zu deuten.

»Schamlos.« Er schnaubte, regte sich zum ersten Mal und zielte mit dem zusammengeknüllten Papier auf den Papierkorb. Gut, dass er keine NBA-Karriere anstrebte. Ich ging in die Hocke, um das Papier vom Boden aufzusammeln. Gar nicht so leicht auf Stilettos. »Schamlos: ja. Staatsanwältin: nein.«

Gabe stand auf, schob die Hände in die Hosentaschen und sah aus dem Fenster auf die geschäftigen Straßen Chicagos.

Ich verharrte einen Moment in dem faszinierenden Anblick, balancierte auf den High Heels und kramte in meinem Gedächtnis, welcher aktuelle Fall ihm solche Kopfschmerzen bereiten mochte.

»Kniest du immer noch auf dem Boden?«, fragte er, ohne sich umzudrehen. Schnell stand ich auf und strich meinen Rock glatt.

»Kann ich irgendwas tun?« Ich legte den ausgedruckten Papierstapel auf seinen Besprechungstisch und lehnte mich vorsichtig gegen die polierte Tischplatte. Stille, während es in seinem Verstand arbeitete. Dann:

»Weißt du, Evelyn, vielleicht könntest du in der Tat etwas tun.« Ein verschlagenes Lächeln huschte über seine Züge. »Dafür müsstest du allerdings fünf Stunden ins Hinterland von Kentucky fahren.«

Ich zuckte mit den Schultern. Im Vergleich zu Josies täglichem Kaffee-Pendelmarathon kaum der Rede wert. »Und weiter?«

Er ließ den Blick über mein tadelloses Business-Kostüm wandern, während er aufstand und näher kam. »Und dich vielleicht vorher umziehen.«

Ich bewegte mich keinen Zentimeter. »Weil …?«

Er kam noch näher. »Weil man sich nicht mit Bleistiftrock im Staub wälzt.«

Jetzt verlor ich doch den Faden. »Wovon sprechen wir genau?«

Er griff an mir vorbei nach dem Stapel, den ich gerade aus dem Drucker gezogen hatte, und hielt mir das letzte Blatt vors Gesicht.

Ich lehnte den Oberkörper zurück, um das Schreiben entziffern zu können. Die gestrichelte Linie war vorgezeichnet für Clay Davis.

Mein erster Gedanke war, dass dieser Typ ernsthaft so hieß wie mein bevorzugter Werkstoff: Ton. Wie in Laguna Clay EM100 wasserbasierter Ton.

Das musste ich Josie erzählen!

Meine Mundwinkel zuckten, aber ich bemühte mich um einen professionellen Gesichtsausdruck. Immerhin stand mein Chef direkt vor mir, und er wirkte nicht im Geringsten amüsiert über diesen Ton-Typen.

»Kannst du mir diese Unterschrift besorgen?«

Ich konnte nicht mehr anders. Ich prustete los. »Wie bitte? Eine Unterschrift? Was ist daran so schwer?«

Zugegeben, was war andererseits an Kaffee holen, Termine machen und Ausdrucke bringen so schwer?

Doch Gabe verzog keine Miene. Stattdessen nahm er meine Hand, in der ich immer noch das zerknüllte Papier hielt, öffnete meine Finger und entfaltete die Seite.

Ich sah, worauf er hinauswollte.

Weil es nicht zu übersehen war.

FUCK YOU!

Die Worte prangten in fettem schwarzen Edding quer über dem Dokument – das übrigens identisch mit dem war, das ich druckfrisch und unversehrt in der Hand hielt. Darunter war eine verblüffend gelungene Edding-Zeichnung eines Mittelfingers zu sehen.

»Er hat eindeutig Talent«, kommentierte ich.

Gabe schnaubte wieder. »Apropos Talent. Hast du übernächsten Samstag schon was vor? Octavia Brown hat mich zu einem Bankett eingeladen, um dieses neue Wundertalent ihrer Herbstausstellung kennenzulernen.«

Ich glitt beinahe an der geschliffenen Tischkante ab. Octavia Brown war die Kuratorin der Kunstausstellung. Die im Herbst meine Skulpturen ausstellen wollte. Jeder wusste, dass die Herbstausstellung am Art Institute of Chicago einem künstlerischen Ritterschlag gleichkam. Kein Wunder, schließlich trat man damit in die Fußstapfen von Pablo Picasso, Andy Warhol und Francis Bacon. Paris hatte den Louvre, Chicago das Art Institute. Wenn meine Figuren erst einmal dort standen, würde ich den Kredit im Nullkommanichts zurückzahlen können.

»Es gibt ein Bankett?«

Sie nennt mich Wundertalent!

Stolz und Angst fluteten mich gleichermaßen, prickelten wie Champagner in meinem Bauch. Was sollte ich anziehen? Musste die komplette Assemblage bis dahin fertig sein? Wieso hatte sie nichts gesagt?

Gabe war längst wieder in sein Smartphone vertieft, schüttelte den Kopf über irgendeine E-Mail oder Schlagzeile auf dem Bildschirm und sagte geistesabwesend: »Ich schätze, wenn der Sohn eines echten englischen Lords und einer Hollywood-Schauspielerin Farbe auf Leinwände schmiert, ist ein Bankett eine lohnende Investition. Gib den Leuten, was sie wollen.«

Der Champagner verwandelte sich in brodelnde Lava.

Leinwände? Sohn?!

Warte mal …

Sie hat den Platz jemand anderem gegeben?

Frust explodierte in meiner Brust und raubte mir kurzzeitig den Atem. »Nein!«

Gabe sah auf. »Du kannst nicht?«

»Nein!«, rief ich erneut. »Nein, das war mein Platz! Ich habe ihn mir verdient, ich arbeite seit Monaten an diesen Skulpturen, und jetzt kommt dieses Muttersöhnchen daher und –«

Ich musste die Luft anhalten, um im Büro meines Chefs nicht zu Josies vierjähriger Nichte in der Spielzeugabteilung zu mutieren. Stattdessen verschränkte ich die Arme fest vor der Brust, um meine zitternden Hände zu verstecken.

Gabe brauchte eine Sekunde – also in seiner Zeitrechnung eine Ewigkeit –, um sich daran zu erinnern, dass sein menschlicher Siri-Ersatz ebenfalls ihre Zeit mit Kunstkram verschwendete.

»Stimmt«, sagte er schließlich.

Stimmt??

Ich war kurz davor, meinen Absatz in seinen Hoden zu bohren, als er das Handy wegsteckte und den Kopf schieflegte. Wieso mochte ich das verschlagene Wolfslächeln nicht, das jetzt auf seinen Zügen erschien?

»Wie du weißt, kenne ich Octavia seit Jahren. Da lässt sich sicherlich etwas für dich arrangieren, wenn ich sie darum bitte. Wie wäre es mit einem Deal? Du gibst mir, was ich will, und ich gebe dir, was du willst.«

Jetzt war ich diejenige, die eine Sekunde brauchte, bis ich begriff, dass er auf den Blankovertrag blickte, der auf die Unterschrift von Clay Davis aka Mr Fuck you wartete.

»Du willst mir nicht im Ernst erklären, dass du die Leiterin des Art Institute dazu bringen kannst, eine arme Tonkünstlerin einem reichen Muttersöhnchen vorzuziehen, aber nicht Mr Fuck you dazu, diesen Wisch zu unterschreiben.«

Gabe grinste. »Jeder hat seine Stärken, nicht wahr?«

Entschlossen griff ich nach dem Papier. »Ich bin morgen früh zurück.«

Kapitel 2Fuck you

Clay

Tess stöhnte.

Ich ließ den Blick über ihren halbnackten Oberkörper wandern, der sich unter mir langstreckte. Ihre Bauchmuskeln zitterten. Ihre gebräunte Haut glänzte vor Öl und Schweiß. Ihr Atem ging in Stößen.

Aber ich betrachtete sie ohne jegliche Erregung. Nicht, weil ich keine ausgeprägte Libido besaß oder sie nicht attraktiv wäre.

Sondern, weil sie meine Schwester war.

Und, weil sie unter einem Auto lag.

Seufzend ging ich neben ihr in die Hocke und stellte meinen Kaffeebecher auf den Radkasten des klapprigen Pickups. Die Tasse begann sofort zu vibrieren, der Löffel darin klirrte gegen das Porzellan.

Die Vibration kam nicht etwa davon, dass der Motor des Pick-ups lief. Sie kam aus dem Boden.

Fuck you.

»Rutsch mal.« Ich griff in den Bund ihrer Arbeitshose und zog Tess mitsamt Rollbrett unter dem Wagen hervor. »Pass auf die Tasse auf.«

Kaum ausgesprochen, musste ich auch schon die freie Hand ausstrecken, um die Tasse in der Luft aufzufangen.

Tess griff danach und nahm einen Schluck, bevor sie mir Platz machte und ich unter der Karosserie verschwand. Der Wagen hatte seine besten Tage längst hinter sich. Aber er lief noch.

»Ich verstehe nicht, wieso du diese Tasse immer noch nicht weggeschmissen hast. Man kann das Motiv doch nicht mal mehr erkennen«, hörte ich Tess sagen.

Ich knurrte, während ich die verklemmte Schraube löste und den Lappen dagegendrückte. »Schätze, aus demselben Grund, aus dem du noch diese Schrottmühle fährst.«

»Du kannst dir keine neue Tasse leisten?«, kicherte sie.

Ich warf den Lappen nach ihr. »Nicht alles ist schlecht, nur weil es alt ist.«

»Ja, ja. Ich weiß schon, früher war alles besser.«

Nein. Nicht alles. Aber das meiste.

Mit einem letzten Ruck zog ich die Schraube fest und mich unter dem Wagen hervor. »Probier’s nochmal.«

Sie saß schon am Steuer. Ich hörte die Kupplung, die Zündung, dann das satte Gluckern des Motors.

Tess jubelte. »Ich dachte wirklich, diesmal ist er hinüber.«

Ich wischte mir die Hände ab und schlug im Vorbeigehen die Motorhaube zu. »Trau ihm ein bisschen mehr zu. Und fahr nicht mehr so hochtourig, das ist kein Sportwagen.«

Sie salutierte. »Aye, aye, großer Bruder. Kommst du heute Abend zur Turnierauswahl? Ach fuck, heute ist diese Versammlung, oder?« Sie ließ die Schultern hängen, woraufhin ich ihr Kinn anstupste. »Du kümmerst dich um deine Pferde. Ich kümmere mich um die Stadt.«

Das Feuer unserer Mutter flackerte in ihren Augen auf, als sie grimmig nickte. »Zeig es diesen Scheißkerlen.«

»Du sollst nicht so viel fluchen, Tess.«

Sie lachte. »Tja, was soll ich sagen? Liegt wohl in der Familie.«

Ich trat kopfschüttelnd ans Waschbecken, um mir Hände und Unterarme zu waschen. Tess sprang zurück hinters Lenkrad, legte den Rückwärtsgang ein und fuhr mit einem solchen Affenzahn rückwärts aus der Einfahrt, dass von draußen ein lautes Hupen tönte.

Gut, das Hupen wäre auch so ertönt. Denn offenbar war gerade Ash angekommen. Grinsender Nichtsnutz. Draufgängerischer Bastard. Und mein bester Freund seit Kindertagen.

Als ich in die staubige Hitze der Straße trat, streckte er gerade den blonden Schopf aus dem Fahrerfenster.

»Sorry für die Verspätung. Graham hat sich ewig Zeit mit der Endabnahme gelassen. Ich bin ziemlich sicher, er hasst mich.«

»Ich glaube, er wollte nur sichergehen, dass du nichts mitgehen lassen hast.«

Mit dem theatralischsten Stöhnen seit Shakespeare legte er den Kopf in den Nacken. »Bei solchen Freunden braucht man keine Feinde. Bist du bereit?«

Ich schaltete das Licht aus, griff nach meinem Autoschlüssel und zog das Rolltor hinter mir herunter, während Tess’ Truck in einer Staubwolke verschwand.

Noch bevor sich der Staub gelegt hatte, wurde ein Motorgluckern laut und verursachte mir fast körperliche Schmerzen. Fingernägel auf Schiefertafeln waren ein Scheiß gegen massakrierte Motoren.

Ich hielt lauschend inne, das Rolltor halb zugezogen in der Hand. War Tess’ Pick-up doch hinüber?

Und wieso wurde das Geräusch nicht leiser?

»Erwartest du noch jemanden?«, übertönte Ashs Stimme den sterbenden Motor.

Ein silberner Prius kämpfte sich um die Kurve, dem Kennzeichen nach ein Mietwagen aus … Illinois?

Was zur Hölle …?

Mit schief gelegtem Kopf sahen wir beide dabei zu, wie der Kleinwagen auf uns zuröchelte.

»Das ist Vergewaltigung«, kommentierte Ash, als der Motor abgewürgt wurde.

Ich schüttelte den Kopf. »Das ist –«

Heilige …!

»Scheiße, die Braut ist heiß«, keuchte Ash.

Ich hätte ihm gerne einen warnenden Blick zugeworfen.

Aber gemeinsam mit meiner Stimme hatte wohl auch ein Teil meines Körpers den Geist aufgegeben: Ich konnte meine Augen verdammt nochmal nicht abwenden, als sich lange Beine aus dem Wagen schälten, umhüllt von einem höllisch heißen Businesskostüm, das locker doppelt so viel gekostet hatte wie der schäbige Prius.

Den langen Beinen folgten Kurven, die Marilyn Monroe neidisch gemacht hätten, und ein Gesicht wie aus einem französischen Film Noir, umrahmt von dunklen Strähnen, die sich aus dem viel zu strengen Knoten gelöst hatten.

Fuck.

Sie war nicht nur heiß. Sie war atemberaubend.

Und sie wusste es.

Denn kaum, dass sie aufrecht stand – beeindruckende Leistung auf den Mörderabsätzen –, stemmte sie eine Hand in die Seite und fragte: »Nachdem ihr damit fertig seid, fremde Frauen anzugaffen, könnt ihr mir sagen, wer von euch Clay Davis ist?«

Ich blinzelte. Woher kannte diese Wahnsinnsbraut meinen Namen? Dann fiel mir ein, dass er in großen, abblätternden Lettern über dem Rolltor hinter mir prangte.

Und da begriff ich: Sie war echt. Und sie hatte verdammt nochmal Eier in der Hose.

Ich hob einen Mundwinkel.

»Das wäre dann wohl ich.«

Evelyn

Natürlich.

Der Heißere von beiden.

Ich meine, sie waren beide heiß, und die Vikings-Vibes, die von dem Blonden ausgingen, ließen mich sogar meine Abneigung gegenüber Manbuns über Bord werfen.

Aber der Rechte machte seinem Namen alle Ehre und schien geradewegs aus dem Brennofen gestiegen zu sein mit dem dunklen Haar und noch dunkleren Bartschatten über kantigen Gesichtszügen. Seine schweißglänzenden Muskeln waren perfekt modelliert, und sein finsterer Blick verbrannte mich förmlich.

Das oder die staubige Hitze dieser Straße. Wie viel Grad hatte es hier, siebzig?

Ich zwang meinen Blick von seinen volltätowierten Armen und dem schmutzigen Unterhemd weg und verfluchte mich innerlich.

Was hatte ich mir nur gedacht? Männer, die nicht ein extremes Maß an übersteigertem Selbstbewusstsein hatten, schmierten keine vollseitigen Beleidigungen auf Dokumente eines der einflussreichsten Anwälte des Landes. Und dieses übersteigerte Selbstbewusstsein kam entweder von extrem viel Geld – was angesichts dieses windschiefen Schuppens mitten im Nirgendwo wohl kaum der Fall war – oder: von extrem viel Attraktivität.

Ich atmete tief durch und tat einfach so, als würde mein Körper gerade nicht versuchen, den Niagarafällen Konkurrenz zu machen.

»Mein Wagen hat ein Problem«, sagte ich also wahrheitsgemäß.

Während der Blonde etwas witzelte, das klang wie: »Tja, gut, dass du eine Autowerkstatt hast«, blieb die Miene von Mr Fuck you ausdruckslos. Beeindruckende Körperbeherrschung.

»Das sehe ich. Haben Sie getankt?«

»Überraschung: Im einundzwanzigsten Jahrhundert wissen Frauen, wie man ein Auto betankt.«

Am liebsten hätte ich ihm auch auf die Nase gebunden, dass ich immerhin so viel von Autos verstand, um das Kunststück zu vollbringen, einen Leihwagen von Chicago bis ins Hinterland von Kentucky zu fahren und genau vor seiner Werkstatt zum Krepieren zu bringen. Aber weil das meinen ausgefeilten Plan durchkreuzen würde, steckte ich mein Ego fürs Erste zurück.

Er zuckte mit den Schultern. »Acht von zehn Motorproblemen sind auf zu wenig Sprit zurückzuführen, das war keine Beleidigung. Kein Grund, die Krallen auszufahren.« Und während ich erneut meinen Stolz herunterschlucken musste, kam er näher. Gefährlich nahe. Er streckte die Hand aus und trug einen Hauch zitrus-würzigen Aftershaves in meine Nase. »Schlüssel.«

Ich gab sie ihm und trat vorsorglich einen Schritt zurück, um dem unsichtbaren Magnetfeld zu entkommen, das ihn zu umgeben schien. Trotzdem konnte ich nicht anders, als verstohlen seinen Körperbau zu betrachten, während er sich hinters Steuer des Prius setzte, den Schlüssel ins Zündschloss steckte und die Anzeigen kontrollierte.

Als er wenig später die Motorhaube entriegelte und sich darüberbeugte, saugte sich mein Blick an seinen bunten Tattoos fest. An dem Spiel seiner schweißglänzenden Muskeln. An der festen Kontur seiner Jeans.

Vielleicht sollte ich Adams Statur noch einmal überarbeiten. Adam war nach dem Vorbild antiker Statuen schlank, geradezu filigran. Aber dieser breite Rücken und große Körper von Clay Davis gefielen mir weitaus besser. Modelliert von echter, körperlicher Arbeit, nicht von Fitnessstudios.

Plötzlich fetzte ein Oldie-Rocksong über die staubige Straße und riss mich aus den feuchten Tonfantasien. Clay-Fantasien.

Oh Gott … Je schneller ich hier wegkam, desto besser.

Der Blonde hatte das Radio seines Oldtimer-Sportwagens aufgedreht und klopfte mit der flachen Hand im Takt gegen den Kotflügel, immer noch halb aus dem offenen Fahrerfenster hängend. Offenbar waren die beiden kurz vor dem Aufbruch gewesen.

Ich warf ihm ein entschuldigendes Lächeln zu. Das breite Grinsen, das er prompt erwiderte, konnte jeden australischen Surfer vor Neid erblassen lassen. Die lässige Art, wie er die Hand hob, ebenfalls.

»Ich bin Ash.«

Mein Lächeln verrutschte leicht. Nicht, weil sein Name genauso doppeldeutig war wie der von Clay und allerhand schmutzige Assoziationen hervorrief. Sondern weil mein Anstand mich förmlich anschrie, mich ebenfalls vorzustellen. Dabei wollte ich hier eigentlich so wenig Spuren wie möglich hinterlassen.

Glücklicherweise nahm mir sein heißer Mechaniker-Kumpel die Entscheidung ab: »Fahr schon mal, Ash. Aber sag diesen Typen, es wird auf keinen Fall ohne mich verhandelt! Ich komme gleich nach.« Und während der Blondschopf namens Ash mit einer lässigen Geste salutierte, den Motor startete und mitsamt des Oldie-Rocksongs in einer Staubwolke verschwand, schlug Clay Davis die Motorhaube zu und trat zu mir.

»Kürzlich Öl nachgefüllt?«

Ich blinzelte. Woher wusste er das?

Dämliche Frage, er hat eine verdammte Autowerkstatt!

»Ja …?«, versuchte ich es also mit der Wahrheit und stellte mich dumm.

Er hob einen Mundwinkel, was ich als Punkt für mich verbuchte – während ich energisch versuchte, die Reaktion meines Körpers auf seine zuckenden Lippen zu unterbinden. Er machte es mir nicht gerade leichter, als er den Blick erneut über meinen Körper wandern ließ, als würde er mich in Gedanken bereits über die Motorhaube beugen.

»Dann seien Sie beim nächsten Mal nicht ganz so großzügig mit dem Gleitmittel. Sie brauchen nicht so viel davon.«

Ich musste ein Stöhnen unterdrücken. Wie heiß konnten Gebrauchsanweisungen fürs Autofahren sein?

Sein schwelender Blick kehrte zurück zu meinem Gesicht, und mein Mund war plötzlich wie ausgedörrt. Weil alle Feuchtigkeit meines Körpers anderswo war, wie um seine Worte bestätigen zu wollen.

Ich trat einen Schritt zurück und brachte ein – hoffentlich professionelles – Lächeln zustande. »Gut zu wissen. Danke.«

Er drehte sich wieder zu dem Prius, den ich heute Morgen in Chicago geliehen hatte, und schob ihn mit einer Hand am Lenkrad in seine Werkstatt, als wäre es eine Seifenkiste anstatt ein eineinhalb Tonnen schweres Auto.

»Können Sie das Tor öffnen? Einfach hochschieben.«

Ich tat wie geheißen, dann folgte ich ihm ins schummrige Innere.

Es roch nach Gummi, Öl und Benzin, durchsetzt mit einer warmen Karamell-Note, die ich nicht zuordnen konnte – und jenem herben Orangenduft, den ich vorhin schon an ihm bemerkt hatte.

»Wohin wollten Sie?«, fragte er.

Ich wandte den Blick von den uralten Fotografien an der Wand ab und sah ihm zu, wie er den Wagen aufbockte, um die Ölwanne besser erreichen zu können.

Genau hierher, dachte ich. Aber das teilte ich ihm genauso wenig mit wie die Tatsache, dass ich absichtlich zu viel Öl eingefüllt hatte in der Hoffnung, dass der Wagen auf den fünfhundert Meilen Probleme bekommen würde. Tatvorgänge herleiten konnte ich. Vielleicht sollte ich nicht in einer Anwaltskanzlei arbeiten, sondern auf der anderen Seite des Gesetzes.

»In die Stadt«, sagte ich bloß unverbindlich. Ich hatte sogar eine kleine Reisetasche gepackt und eine Nacht in einem kleinen Hotel in der Nähe gebucht.

Er sah mich an, ließ abermals den Blick über meinen Körper wandern – noch ein inszeniertes Kostüm als Teil meines Plans. Gabe hatte mir geraten, etwas Praktisches anzuziehen. Aber Gabe war eben keine Frau, die wusste, wie sie ihre Reize in Szene setzen musste, um von Männern das zu bekommen, was sie wollte.

Was heute bloß diese Unterschrift war. Sonst nichts.

Ja, na klar!

Ich ignorierte meinen Körper, der anderer Meinung zu sein schien.

»Wozu?«, fragte der nicht mehr ganz so harte Ton-Mann weiter.

»Geschäft.«

Verdammt, ich war richtig gut darin! Nicht mal ein Lügendetektor konnte mich entlarven, weil ich ja überhaupt nicht log. Ich sollte wirklich Spionin werden oder sowas.

Du solltest erst mal deine Assemblage fertigstellen, Mädchen!

Er kam wieder unter dem Wagen her und ließ die Hebebühne per Knopfdruck herab. Ich versuchte zu ignorieren, wie sich sein Bizeps spannte, als er sich die Hände an einem alten Lappen abwischte.

»Läuft er wieder?« Meine Stimme klang dünner als beabsichtigt.

Zur Antwort startete er den Motor. Dann sah ich dabei zu, wie er den Wagen rückwärts aus der Werkstatt fuhr. Mit geöffneter Fahrertür. Weil das Tor ja nicht schon schmal genug war.

»Ja. Laufen sollte er wieder. Lassen Sie es langsam angehen, damit sich das überflüssige Öl im Motor verteilen kann.«

Schon hatte ich meinen Geldbeutel in der Hand. »Das ist wirklich nett, vielen Dank. Könnten Sie mir eine Quittung geben? Dann kann ich das bei meinem Arbeitgeber einreichen.« Um ihn zu locken, zog ich zwei Hundert-Dollar-Scheine halb heraus.

Er betrachtete die Scheine und gluckste. »Was soll das denn für ein Arbeitgeber sein?«

Kurz geriet ich ins Wanken. Darauf hatte ich mir keine Antwort zurechtgelegt. Und den wahren Namen zu nennen wäre wohl ziemlich dumm angesichts der Tatsache, dass er genau diesem Absender einen Stinkefinger auf den Briefkopf gekritzelt hatte.

Er streckte die Hand aus. Anstatt jedoch einen der angebotenen Scheine zu nehmen, griff er ungeniert zwischen meinen Fingern hindurch in meinen Geldbeutel und zog einen Fünfzig-Dollar-Schein heraus.

Ich erstarrte. Die Sekunde, in der sich unsere Finger berührten, schien alle Luft aus dem Raum zu saugen. Zumindest alle Luft aus meinen Lungen. Mir wurde so heiß, als stünde ich ohne Schutzausrüstung neben dem geöffneten Brennofen. Und es würde nicht besser werden, wenn er mich weiterhin so anstarrte!

Ich räusperte mich und setzte ein unverfängliches Lächeln auf, um zu überspielen, dass ich mir gerade vorstellte, wie er ohne dieses ölverschmierte Unterhemd aussah.

Ein Muskel zuckte in seinem Gesicht, dann trat er endlich einen Schritt zurück. Während ich noch versuchte, die Berührung seiner rauen Finger zu verdrängen, durchquerte er den Raum in großen Schritten, langte über die alte Theke hinweg und zog einen Quittungsblock hervor, der aussah, als hätte er schon zwei Weltkriege überlebt.

Mein Verstand schaltete sich wieder ein.

Schnell zog ich den Ausdruck hervor, den ich vorbereitet hatte, und schob ihn ihm unter die Nase, deutete auf die Linie, die sich praktischerweise an exakt derselben Stelle befand wie die auf Gabes Vertrag.

Seine dunklen Brauen zogen sich zusammen, während er das Blatt überflog. Schnell lenkte ich ihn mit der Summe ab, die ich ebenfalls blanko gelassen hatte, und zupfte erneut an den zwei Hundertern.

Ich hypnotisierte den Kugelschreiber in seiner Hand, bis er sich zögerlich der oberen Linie näherte. Beschwor die Spitze, bis sie die Ziffern schrieb.

5-0.

Kurz bewunderte ich seine Standfestigkeit. Er hätte die angebotenen zweihundert einfach nehmen können. Dann konzentrierte ich mich wieder auf meine Mission und zwang den Kugelschreiber mit schierer Gedankenkraft dazu, sich der unteren Linie zu nähern.

Mein Herz hämmerte so laut in meiner Brust, dass ich Angst hatte, er könnte es hören. Mein Magen war so verkrampft, dass ich mich übergeben würde, wenn er nicht bald dieses verdammte Papier unterschrieb.

Seine Hand hielt inne. Und er sah mich an.

Ich zwang mich, in seine Augen zu sehen. Sie waren hellbraun und von grünen Sprenkeln durchsetzt. Ob man das Muster seiner Iris mit Ton hinbekäme?

»Wie, sagten Sie, war Ihr Name?«

Ich schluckte. Räusperte mich, weil ich meiner Stimme nicht traute. Und setzte ein Lächeln auf. »Ich sagte ihn noch gar nicht.«

Unvermittelt hielt er mir die Hand hin. »Clay.«

Ton.

Ich starrte seine Hand an. Gebräunt und verschmiert, mit starken Fingern und kräftigen Sehnen.

Zögerlich ergriff ich sie. Wieder dieses Prickeln, das jetzt einer völlig neuen Begeisterung Platz machte. Denn seine Hand fühlte sich noch viel besser an, als sie aussah. Fest, fordernd und stark. Ein bisschen rau von der harten Arbeit, mit verhärteten Schwielen direkt unterhalb der Fingergelenke. Die Textur könnte ich durch Anpressen von Stoff auf den noch feuchten Ton erzeugen.

»Soll ich dir vielleicht zur Hand gehen?«

Ich glotzte ihn an. Er sah hinunter auf seine Handfläche, die ich umgedreht hatte, um mit den Fingerkuppen über die Verhärtungen zu tasten. Hastig zog ich meine Finger zurück und versuchte nicht an meiner Scham zu ersticken.

»Evelyn«, gab ich zu. »Ich habe nicht … ich meine, ich wollte nicht, ich …« Ich schloss den Mund, bevor ich noch mehr sinnloses Zeug stottern konnte. »Wie sieht es nun mit dieser Quittung aus? Ich will Sie … dich nicht aufhalten, Clay. – Mr Davis! Ich meine …«

Ich verzog das Gesicht. Es war seltsam, jemanden anzureden wie Modelliermasse. Vor allem, wenn man sich währenddessen vorstellte, wie man buchstäblich seine Muskeln modellierte. Er grinste, als stünden mir meine Gedanken auf die Stirn geschrieben.

»Evelyn«, wiederholte er zur Begrüßung. Und verdammt, er sollte Geld dafür nehmen, mit dieser Stimme den Namen von Frauen auszusprechen. »Heute Abend schon was vor?«

Ich knebelte meinen begeisterten Körper, bevor er etwas Dummes tun konnte, und wich mit einem unverbindlichen Lächeln aus. »Ich bin schon verabredet.«

»Schade.« Ein Ausdruck von Bedauern huschte über sein Gesicht. Nichts Großes, aber ich wollte diesen Gesichtsausdruck für immer in Tonmasse bannen.

Dann sah ich dabei zu, wie er – Ja, ja, und nochmals ja! – eine energische Unterschrift auf das Papier setzte.

Und dann machte ich mich schleunigst aus dem Staub, bevor mich das schlechte Gewissen überkommen konnte.

Wieder auf der anderen Seite des rostigen Rolltors, sicher auf dem Fahrersitz des wiederhergestellten Prius, verstaute ich das unterschriebene Dokument in meiner Aktentasche und achtete sorgfältig darauf, dass es das Kohlepapier nicht berührte. Damit würde ich die Unterschrift später auf den Vertrag durchpausen. Zugegeben, nicht besonders ehrenhaft, aber andererseits war auch nichts Ehrenhaftes daran, einen Ausstellungsplatz im Art Museum zu bekommen, nur weil man berühmte Eltern hatte. Außerdem hatte ich die Summe gesehen, die Clay »Fuck you« Davis mit dieser Unterschrift erhalten würde. Die knapp zwei Millionen würden ihn bestimmt darüber hinwegtrösten.

Eigentlich sollte er mir dankbar sein.

Wieso um alles in der Welt hatte er nicht längst unterschrieben? Er sah aus, als könnte er das Geld gebrauchen. Vielleicht war er nicht zurechnungsfähig und –

Der Rest meiner Gedanken ging in meinem Schrei unter, als die Tür aufgerissen und ich aus dem Fahrersitz gehoben wurde. Buchstäblich.

Kapitel 3Heißes Staubgerangel

Evelyn

Bevor ich wusste, wie mir geschah, stand die Welt kopf. Papiere segelten an die staubige Decke, und ich starrte auf den Arsch – eines Arschs!

»Lass mich sofort runter!« Ich schrie und strampelte und schlug mit den Fäusten auf ihn ein, aber er trug mich unbeirrt zurück zur Werkstatt. »Was soll das?«

»Dasselbe könnte ich dich fragen. Woher hast du die Visitenkarte?«

»Welche Visitenkarte?«

Oh Gott.

Bitte nicht!

Mir wurde schlecht, und es lag nicht daran, dass seine große Schulter bei jedem Schritt in meine Magengrube drückte. Die einzigen Visitenkarten, die ich bei mir führte, waren die meines Chefs. Und zwar in meinem Geldbeutel. War eine davon vorhin herausgefallen?

»Ich kann das erklären!«, rief ich im Affekt, auch wenn ich absolut keine Ahnung hatte, wie ich aus der Nummer rauskommen sollte.

»Kann’s kaum erwarten.« Eine Tür wurde aufgezogen. Nicht das Tor. Eine echte Tür. Aus Metall. »Ich wette, deine Story ist genauso fantastisch wie dein Lächeln. Leider habe ich jetzt einen Termin. Deine Erklärung muss also warten, bis ich zurück bin.«

Schon wurde ich von der heißen Schulter auf kalten Boden gewuchtet. Ich zuckte zusammen, musste mich kurz orientieren. Und sobald ich wusste, wo oben und unten war, sprang ich vor – und prallte gegen die Stahltür.

Er hatte mich nicht ernsthaft hier eingesperrt!

Fassungslos starrte ich in die Schwärze, riss die Augen weiter auf, um etwas zu erkennen, aber der Raum blieb pechschwarz. Ich tastete vor mir nach der Türklinke.

Und erstarrte, als ich bloß einen Knauf fand, der sich nicht drehen ließ.

»Spinnst du?«, schrie ich. Panik flutete meinen Körper, während ich wie wild an dem Knauf zerrte, als würde sich die Tür dadurch öffnen. »Lass mich sofort raus!«

Keine Antwort.

Stattdessen: ein Motor. Nicht mein Prius, irgendetwas Schwereres, Mächtigeres, das bis in mein Innerstes vibrierte.

Atemlos hörte ich zu, wie Reifen auf dem Kies kurz durchdrehten und sich dann entfernten. Dieser Mistkerl hatte mich hier wirklich eingesperrt!

Was, wenn er die Polizei holt?

Oder seine Schlägerkumpel?

Himmel, was, wenn er ein Gewehr holt? Gilt in Kentucky nicht noch das Selbstschutz-Gesetz?

Ich zwang meine innere Kommentatorin, für zwei Sekunden die Luft anzuhalten, damit ich nachdenken konnte. Er hatte gesagt, er hätte einen Termin und würde sich meine »Story« später anhören. Das hieß, er würde zurückkommen.

So lange würde ich auf keinen Fall hier drin warten. Entschlossen löste ich das Ohr von der Tür und streckte die Hände aus, tastete mich vor wie bei dem »Blinde Kuh«-Spiel.

Stahltür. Backsteinmauer. Stromleitung – Stromleitung! Eilig tastete ich an den Kabeln entlang, fand aber keinen Lichtschalter. Mist.

Weiter im Uhrzeigersinn: noch mehr Mauer, iiih, Spinnenweben!

Der Ekel währte nur kurz.

Denn dann … ertastete ich einen Spind. Und darin einen langen Stiel, der zu einer Eisenschaufel führte.

Clay

»Hast du den beschissenen Verstand verloren?«, fauchte Ash.

Ich fürchtete, ja.

»Was, wenn sie die Polizei ruft? Oder schlimmer noch –«

»Halt die Luft an«, unterbrach ich ihn. »Ich habe ihr Handy. Und ihr Netzbetreiber hat hier keinen Empfang.«

»Du hast auch noch ihr beschissenes Handy?« Er strich sich mit beiden Händen blonde Strähnen zurück, die sich aus seinem kurzen Zopf gelöst hatten. Sie fielen ihm sofort wieder ins Gesicht. »Du weißt schon, dass ich auf Bewährung bin? Wie soll ich das Devin erklären?«

Devin war sein Cousin – und zum Glück für ihn Deputy des hiesigen Sheriff’s Office. Ash würde ihm gar nichts erklären müssen.

»Es ist aus ihrer Handtasche gefallen, okay? Entspann dich.« Warum rechtfertigte ich mich ausgerechnet vor jemandem mit Ashs Historie dafür, dass ich tat, was wir beide seit mehr als einem Jahrzehnt mit Händen und Füßen taten? Schadensbegrenzung.

Natürlich rechtfertigte das keine Freiheitsberaubung. Aber in diesem Krieg hatten wir schon Schlimmeres getan, als heiße Frauen vorübergehend in unseren Geräteschuppen einzusperren. Vor allem, wenn sich diese Frauen als höllisch herausstellten, quasi vom Teufel persönlich geschickt.

Ja, sie war die atemberaubendste Frau, die ich jemals gesehen hatte, und der Anblick, als sie vorhin ihren Körper aus diesem Kleinwagen geschält hatte, hatte es aus dem Stand in die Top drei der besten Anblicke meines Lebens geschafft – und da war die Geburt von Pipers Sohn und Elles Gesicht bei ihrer Verlobung eingeschlossen.

Aber als sich unsere Hände berührt hatten … Ich hatte keine Erklärung dafür. Es war keine bloße statische Entladung, wie wenn einer von uns mit Gummisohlen über einen Teppich gelaufen wäre. Eher wie der elektrische Schlag der Pferdekoppeln, an die wir in unserer Kindheit als Mutprobe alle möglichen Körperteile gehalten hatten. Bloß … am ganzen Körper gleichzeitig. Im ganzen Körper.

Ich wusste, dass sie es auch gespürt hatte, denn die Art, wie sich ihre dunklen Augen geweitet und ihre geschwungenen Lippen geteilt hatten, hatte es glatt auf Platz vier der besten Anblicke geschafft.

Was es tausendfach schlimmer machte, wenn sie wirklich auf der gegnerischen Seite stand.

»Ich meine, die Visitenkarte könnte auf hundert Arten in ihre Brieftasche gekommen sein. Vielleicht hat sie sie mitgehen lassen?« Ich warf Ash einen ungläubigen Blick zu. Nicht jeder war so kleptomanisch veranlagt wie mein bester Freund.

Aber mit der ersten Aussage hatte er recht. Sie kam aus Chicago, und es gab hunderttausend Gründe, wie sie an die Visitenkarte der Anwaltskanzlei hätte gekommen sein können.

Auf bescheuertem Kraftpapier mit Reliefprägung. Geht’s noch, Gabe?

Vielleicht hatte sie einen Anwalt gebraucht oder sich dort beworben. Oder ihre Tante hatte einen Anwalt gebraucht. Oder ihre Schwester arbeitete dort. Oder – ich spannte unwillkürlich den Kiefer an – ließ sie sich gerade scheiden? Hatte sie einen Ringabdruck gehabt? Ich erinnerte mich nicht. Höchstwahrscheinlich, weil meine Augen damit beschäftigt gewesen waren, ihr Gesicht anzustarren.

»Warum fragst du sie nicht einfach?«, las Ash Fucking Mindreader meine Gedanken.

Ich schnaubte. »Sie wird bestimmt gut auf mich zu sprechen sein, wenn ich die Tür wieder aufmache.«

Nach – Verflucht! – fast eineinhalb Stunden. Ich hatte gehofft, das Treffen würde schneller vorbei sein. Aber wenn Politiker einmal quatschten, dann quatschten sie. Das war im lokalen County Council nicht anders als im Parlament in Washington. Immerhin hatten sie dem Vorhaben noch nicht zugestimmt, sondern die Entscheidung abermals vertagt.

War echt schwer, die Entscheidung zu treffen, ob man den Ast absägen wollte, auf dem man saß.

»Na ja, nicht, wenn du lange genug wartest.« Ashs schmutziges Grinsen verwandelte sich in eine Unschuldsmiene, als ich ihm einen scharfen Blick zuwarf. »Hey, es gibt Frauen, die drauf stehen.«

»Verschon mich mit den Details.«

Er hob ergeben die Hände, dann stieg er in seinen alten Ford Mustang und ich in meinen noch älteren Camaro 67.

»Ruf an, wenn du Hilfe brauchst«, rief er noch.

Ich schüttelte bloß den Kopf, während ich den Motor startete. Mit ner Mieze in Minirock und High Heels würde ich schon alleine fertigwerden.

Zehn Meilen und knapp fünfzehn Minuten später wurde ich eines Besseren belehrt.

Der silberne Prius stand noch vor meiner Werkstatt, als ich den Motor abstellte. Fünf Sekunden lang lauschte ich über das Knistern der Motorhaube hinweg auf ein Geräusch aus dem Geräteschuppen. Auf wütendes Hämmern, hysterisches Kreischen. Kratzen, Fauchen, Beißen. Fuck, der Gedanke machte mich an.

Als es still blieb, zog ich den Schlüssel ab und stieg aus.

Stille.

Ich wappnete mich für lebensrettende Maßnahmen.

Stille.

Ich öffnete die Tür.

Bäääm!

Irgendetwas riss mich von den Füßen. Hart.

Mir klingelten die Ohren, während ich die Benommenheit abschüttelte und auf den Steinsand unter mir blinzelte. Etwas Warmes lief mir über die Stirn. Blut?

Erstaunt starrte ich auf den roten Tropfen, der auf den Boden platschte, hörte das Rauschen in meinen Ohren. Und dann hörte ich noch etwas anderes. Eilige Schritte. Sie rannte. Auf den Prius zu.

Evelyn

Ich rannte, als hätte ich einen Homerun geschlagen.

Was ich gewissermaßen auch getan hatte.

Mit einer Schaufel.

An den Holzstiel geklammert, war ich wohl irgendwann weggedämmert, doch der schwere Motor und die zuschlagende Wagentür hatten mich hochschrecken lassen. Vollgepumpt mit Adrenalin vom Aufwachen und von meinem Glückstreffer spurtete ich auf den Leihwagen zu. Hoffentlich steckte der Schlüssel noch!

Für dieses Manöver hatte ich meine High Heels ausgezogen. Spitze Steinchen bohrten sich in meine Fußsohlen, aber ich ertrug den Schmerz.

Gott sei Dank, der Prius war offen!

Eilig riss ich die Fahrertür auf und –

Wurde mitten in der Luft zurückgerissen. Starke Arme umfingen meine Mitte, ließen meine Finger vom Türgriff abrutschen. Ich bäumte mich auf und kickte nach vorne in die Luft, um mich aus Clays Bärengriff zu winden. Aber alles, was ich damit erreichte, war, dass ich uns beide rücklings zu Boden warf.

Ich landete weich – so weich, wie man auf einem muskelgestählten Männerkörper nun mal fallen kann –, aber Clay ächzte hörbar. Und doch löste er seinen Klammergriff nicht eine Sekunde lang.

»Lass mich los!«

»Fuck you.«

Da war es also. Live und in Farbe. Wo Fuck you draufstand, war eben auch Fuck you drin.

Ich muss dringend aufhören, das Wort Fuck in Zusammenhang mit ihm zu benutzen.

Er knurrte. Und wenn ich nicht gerade wie eine Krabbe im Todeskampf auf dem Rücken liegen würde, hätte ich das absurderweise auch noch sexy gefunden.

Ich hatte mich gerade in eine vorteilhaftere Position gekämpft – über ihm kniend –, als ich vor Schreck einen kleinen Schrei ausstieß.

»Du blutest!«

Wieder knurrte er. »Was, glaubst du, passiert, wenn man jemandem einen Stahlspaten überzieht?«

Ja, da war was dran.

Aber bevor ich so etwas wie Reue entwickeln konnte, wuchtete er uns herum und nagelte meine Handgelenke unbarmherzig in den Staub.

Autsch, das war mein Hinterkopf!

Er lächelte grimmig.

Und offenbar ein paar verlorene Gehirnzellen. Anders war nicht zu erklären, dass ich das sexy fand.

»Schätze, damit sind wir quitt, Sugar.«

»Fuck you«, echote ich im Affekt. Mehr wegen dem »Sugar« als dem Quittsein.

Er grinste.

Und erst jetzt wurde mir bewusst, wie nah sich unsere Gesichter waren. Wie heftig unser beider Atem ging. Wie schwer sein Gewicht auf meinem Körper lag. Und wie sich seine Jeans an meiner Leiste beulte.

»Jederzeit.«

Zwischen Schock und Erregung wand ich mich unter ihm. Sein Gewicht verschwand von meinem Körper, kurz darauf streckte er die Hand aus und – wie bitte? Woher kam plötzlich diese Hilfsbereitschaft? – zog mich auf die Beine.

Hände legten sich um meine Taille.

Große Hände.

Die geradezu Löcher in Kleidung brennen konnten.

Okay, das reicht. Ich hätte dann jetzt gerne meine verlorenen Hirnzellen zurück.

Ich stieß ihn weg und strich mein Businesskostüm glatt. Das heißt das, was davon noch zu retten war.

»Danke. Wenn es dir nichts ausmacht, verschwinde ich jetzt von –«

»Doch.«

»Wie bitte?«

»Es macht mir etwas aus.«

»Entschuldige mal?« Als ich wieder aufsah, lehnte er mit verschränkten Armen an der Fahrertür meines Prius, als würde ihm der verdammte Wagen gehören.

»Erst, wenn du mir erklärt hast, was du hier willst und wie du an die hier kommst.«

Er hielt eine zerknickte Visitenkarte hoch. Meine Visitenkarte!

Natürlich stand nicht mein Name drauf, weil ich ja nur die menschliche Siri für Gabe McKenzie war. Trotzdem: Er hatte sie wirklich. Meine Knie gaben kurz nach, und diesmal lag es nicht an seiner überwältigenden Nähe.

Hätte ich mal besser die Zeit im Schuppen genutzt, um mir eine glaubwürdige Geschichte auszudenken.

»Das ist nicht meine.«

»Das ist offensichtlich. Der Name steht drauf«, antwortete er trocken. Ich schnitt ihm eine Grimasse, weil ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte. Sein Blick blieb eine Sekunde länger auf meinen Lippen haften. »Woher kennst du Gabe McKenzie?«

»Aus einer Bar.« Ha, keine Lüge!

Ich wollte nach der Karte greifen, doch er zog sie weg. In seinen braungrünen Augen flackerte Interesse. »Privat oder geschäftlich?«

Ich unterdrückte das Ziehen in meinem Innersten. »Entschuldigung, aber das geht dich nichts an. Wenn du jetzt so freundlich wärst, mich weiterfahren zu lassen, bevor –«

»Bevor was?« Er legte den Kopf schief. Seine Schläfe blutete immer noch. Ich verdrängte das schlechte Gewissen.

»Bevor ich die Polizei rufe.«

Jetzt gluckste er, blickte die verlassene Straße entlang und zog wie beiläufig ein Handy aus seiner Jeanstasche. Mein Handy! Was hatte er denn noch alles eingesteckt?

»Viel Glück, Sugar.«

Er hielt es mir hin, und ich schnappte es, bevor er es sich anders überlegen konnte. Dann sah ich auf das Display. Kein Netz!

Schock durchzuckte mich, da erinnerte ich mich, dass Notrufe immer möglich waren, solange es einen Sendemast in der Nähe gab. Ich wählte.

»Das würde ich an deiner Stelle nicht tun.«

Es war weniger seine Warnung als die unwiderstehliche Selbstsicherheit seiner Stimme, die mich innehalten ließ.

»Oh ja? Weil?«

Wieder verschränkte er die Arme, lehnte an dem Wagen wie ein verfluchter Halbgott mit Tattoos. »Weil du vor meiner Haustür stehst und mein Eigentum bedrohst. Selbst wenn ich nicht mit dem halben Polizeirevier befreundet wäre, könnte ich einen Revolver ziehen, und sie würden trotzdem nichts für dich tun.«

Ich starrte ihn an. Das würde er nicht tun! Oder?

In dem Versuch, meine Angst zu überspielen, hob ich eine Augenbraue. »Und ich soll dir jetzt dankbar sein, dass du mir nur eine Gehirnerschütterung verpasst hast?«

Er schüttelte amüsiert den Kopf und wischte sich mit dem Handrücken das halb getrocknete Blut aus der Stirn. »Hätte nichts dagegen. Nicht, dass ich etwas gegen heißes Staubgerangel am Nachmittag hätte, aber da du heute Abend ohnehin keine vierhundert Meilen mehr nach Norden fährst, bringe ich dich vorerst an einen Ort mit einer heißen Dusche und Aspirin. Deal?«

Ich blinzelte. Eine heiße Dusche und Aspirin klangen göttlich, aber das würde ich ihm nicht unter die Nase reiben. »Einverstanden«, sagte ich so würdevoll wie möglich.

Wieder umspielte dieses Zucken seine Mundwinkel. »Hast du ’nen Adelstitel oder sowas, Sugar?«

»Wie bitte?«

Aus dem Zucken wurde ein breites Lächeln, das irgendwas mit meinem Innersten anstellte. »Genau das. Selten ne Lady getroffen, die sich so höflich ausdrückt.«

»Vielleicht bringt deine ruppige Art einfach das Schlechteste in den Menschen hervor?«

Okay, Eigentor. Denn verdammt nochmal, ja! Ich wollte alles Schlechte haben, das sein schwelender Blick versprach.

Vorsorglich löste ich meinen Ellenbogen aus seinem Griff, während wir auf ein kupferbraunes Oldtimer Muscle-Car mit glänzenden Felgen zusteuerten, das ich bisher nur in Filmen gesehen hatte. Mir klappte der Mund auf. Wie konnte es sein, dass alles in dieser Gegend abgerockt und schmutzig war – einschließlich des Typen neben mir –, dieser Wagen aber glänzte wie gerade vom Band gelaufen? Wann war das überhaupt gewesen?

»Von wann ist der, 1970?«, verselbständigten sich meine Gedanken, während ich mich zur Seite lehnte, um die Marke erkennen zu können. Chevrolet. Ein Camaro!

»1967. Gutes Auge.« Ich konnte nicht verbergen, dass mich sein Kompliment absurderweise freute.

»Ich bin Künstlerin«, antwortete ich nicht ohne Stolz.

Ein weiteres amüsiertes Kopfschütteln, während er den Kofferraum öffnete und – was um alles in der Welt? – mein Handy zu meiner Handtasche warf. Er sah mich an.