Ich bin immer für dich da - Gisela Reutling - E-Book

Ich bin immer für dich da E-Book

Gisela Reutling

5,0

Beschreibung

Große Schriftstellerinnen wie Patricia Vandenberg, Gisela Reutling, Isabell Rohde, Susanne Svanberg und viele mehr erzählen in ergreifenden Romanen von rührenden Kinderschicksalen, von Mutterliebe und der Sehnsucht nach unbeschwertem Kinderglück, von sinnvollen Werten, die das Verhältnis zwischen den Generationen, den Charakter der Familie prägen und gefühlvoll gestalten. Mami ist als Familienroman-Reihe erfolgreich wie keine andere! Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! »Und nach den Nachrichten sehen wir uns dann den Krimi an«, sagte Martin. Dabei stand er vom Tisch auf und ging zum Sessel, um es sich vor dem Fernseher bequem zu machen.Regine stellte das Geschirr vom Abendessen zusammen und trug es in die Küche. Eigentlich hätte sie lieber das Konzert gehört, das von einem anderen Sender übertragen wurde. Aber Martin würde sich damit wohl nur langweilen. Sie lächelte ein wenig in sich hinein. Daran hatte sie sich schon gewöhnt in den zwei Jahren, die sie nun befreundet waren, dass sie nicht ganz die gleichen Interessen hatten. Was machte das schon aus, wenn man sich liebte. Man passte sich an. Martin war nun einmal so, ein Realist, der nicht viel für die schönen Künste übrig hatte.Die kleine Küche, die zu ihrer geräumigen Einzimmer-Wohnung in dem modernen Wohnblock gehörte, war bald aufgeräumt. Sie setzte sich zu Martin, streckte spielerisch die Hand nach ihm aus, die er auch sogleich mit seiner breiten, kräftigen Hand umfasste. Doch er ließ sie bald wieder los.»Mal sehen, ob wir heute eine Million gewonnen haben«, sagte er und zog einen Lottoschein aus seiner Tasche. Regine musste lachen.»Glaubst du an Wunder?«, fragte sie mit heiterem Spott.»Na ja, warum sollen denn immer nur andere das große Geld machen«, erwiderte er. »Wir könnten's doch auch brauchen.»Das denken viele.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 120

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
5,0 (1 Bewertung)
1
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Mami Bestseller – 4 –

Ich bin immer für dich da

Für Lucia geht ein Traum in Erfüllung

Gisela Reutling

»Und nach den Nachrichten sehen wir uns dann den Krimi an«, sagte Martin. Dabei stand er vom Tisch auf und ging zum Sessel, um es sich vor dem Fernseher bequem zu machen.

Regine stellte das Geschirr vom Abendessen zusammen und trug es in die Küche. Eigentlich hätte sie lieber das Konzert gehört, das von einem anderen Sender übertragen wurde. Aber Martin würde sich damit wohl nur langweilen. Sie lächelte ein wenig in sich hinein. Daran hatte sie sich schon gewöhnt in den zwei Jahren, die sie nun befreundet waren, dass sie nicht ganz die gleichen Interessen hatten. Was machte das schon aus, wenn man sich liebte. Man passte sich an. Martin war nun einmal so, ein Realist, der nicht viel für die schönen Künste übrig hatte.

Die kleine Küche, die zu ihrer geräumigen Einzimmer-Wohnung in dem modernen Wohnblock gehörte, war bald aufgeräumt. Sie setzte sich zu Martin, streckte spielerisch die Hand nach ihm aus, die er auch sogleich mit seiner breiten, kräftigen Hand umfasste. Doch er ließ sie bald wieder los.

»Mal sehen, ob wir heute eine Million gewonnen haben«, sagte er und zog einen Lottoschein aus seiner Tasche. Regine musste lachen.

»Glaubst du an Wunder?«, fragte sie mit heiterem Spott.

»Na ja, warum sollen denn immer nur andere das große Geld machen«, erwiderte er. »Wir könnten’s doch auch brauchen.«

»Das denken viele. Aber es hieße, die Stecknadel im Heuhaufen finden. Ach, Martin«, sie wurde ernst, »wir können doch ganz zufrieden sein. Denk doch mal an all jene, denen es so viel schlechter geht auf dieser Welt. Wir haben doch unser Auskommen und können uns auch einmal etwas leisten, ein Essen in einem hübschen Restaurant, eine Ferienreise. Ist das etwa nichts?«

Martin gab ihr einen überlegenen, fast nachsichtigen Blick aus seinen graublauen Augen, so, als sei ihre Rede doch recht naiv.

»Du weißt genau, mein Schatz, dass ich nicht ewig Angestellter bei Immobilien-Möller bleiben möchte. Ich will mein eigener Chef sein. Leider fehlt mir dazu noch das nötige Startkapital. Bevor ich das Geld dafür nicht zusammengekratzt habe, können wir nicht heiraten«, schloss er entschieden und wandte sich dem Bildschirm zu, wo der Sprecher gerade mit den Nachrichten begann.

Warum eigentlich nicht, dachte Regine geistesabwesend. Warum wollte Martin unbedingt erst sein eigenes Büro haben, was hatte das mit ihnen beiden zu tun? Er wohnte doch bei seinen Eltern, er fand es bequemer so, und billiger. Aber sie sparte ja mit. Sie konnte jeden Monat von ihrem Gehalt als Fremdsprachenkorrespondentin eine bestimmte Summe zurücklegen für die gemeinsame Zukunft. Nur wollte sie die nicht in weiter Ferne sehen. Sie war jetzt achtundzwanzig, sie wünschte sich eine Familie, Kinder, ihren festen Platz im Leben.

»Möchte wissen, wann es da endlich Ruhe geben wird«, brummte Martin. Regine nickte. Ja, was sich ihren Augen bot, war schlimm. Überall Umbruch, Zerrissenheit und viel Not. Es bestätigte sie nur in ihrer Meinung, dass sie sich hier nicht beklagen durften.

Plötzlich richtete sie sich jäh auf und hielt unwillkürlich den Atem an.

Ein ihr wohlvertrautes Antlitz erschien auf dem Bildschirm: hageres Gesicht, ernste Augen mit verhangenem Blick, eine hohe, zerfurchte Stirn unter schneeweißem Haar. Dazu ein knapper, nüchterner Kommentar: »Der italienische Schriftsteller Roberto Valli starb im Alter von zweiundsiebzig Jahren in Rom. Seine Romane und Schriften wurden in mehrere Sprachen übersetzt.«

Das Bild verschwand. Regine atmete aus. Roberto Valli. Nun war er tot. Sie glaubte noch seine Stimme zu hören, seine letzten Worte: »Ich lasse Sie nicht gern gehen, Regine …«

»Das war der doch, bei dem du mal in Italien warst«, sagte Martin und streifte sie mit einem Blick. Regine nickte nur stumm.

Die Lottozahlen am Mittwoch kamen. Martin schrieb eifrig mit. »Wieder nichts!«, rief er erbost aus und zerriss den Tippzettel. »Ich hole mir ein Bier, ja, Regine?«

Da sie nicht mittrinken wollte, trank er gleich aus der Flasche. Er behauptete immer, so schmecke es besser.

Der Serien-Krimi lief. Martin machte wie üblich seine Bemerkungen dazu. Er verfolgte, im Gegensatz zu Regine, mit Interesse den Film. Ihre Gedanken zerflatterten. Vor das ziemlich brutale Geschehen, das da vor ihren Augen abrollte, schoben sich andere Bilder …

Ein weißes Haus auf den Hügeln, von Palmen und Zypressen umgeben, silbrigsprühende Wasserfontänen. Ein Garten mit Marmorstatuen von bleicher Schönheit. Stille und Kühle in den hohen Bäumen, auch wenn draußen die Hitze glühte. Und darin dieser Mann, Roberto Valli, nur mittelgroß, schmal, fast zu schmal die Gestalt für das Haupt, das er trug. Ein Mann voller Widersprüche, nicht nur im Äußeren.

Regine wäre jetzt gern in der Stille gesessen und hätte die flüchtigen Bilder vor ihrem geistigen Auge festgehalten. Aber da war der Fernseher und natürlich Martin.

Martin schlug sich auf die Schenkel. »Donnerwetter, den hätte ich nicht für den Mörder gehalten! Du?«

»Nein, ich auch nicht.« Dabei hatte sie nur eine blasse Ahnung, um was es eigentlich gegangen war.

Sie schämte sich ein bisschen, weil es ihr gar nicht ungelegen kam, dass Martin nicht bleiben konnte. Er wollte noch einen Kunden treffen, der erst am späten Abend Zeit hatte. Ehrgeizig und tüchtig war er, das musste man ihm lassen. Es war ihm deshalb auch nicht zu verdenken, dass er danach strebte, in seine eigene Tasche zu arbeiten.

Sie küssten sich, bevor er ging. »Ich freue mich aufs Wochenende, du«, raunte er verliebt, dicht an ihrem Mund.

»Ich mich auch, Martin«, flüsterte sie zärtlich und schmiegte sich in seine starken Arme. Er war ein Mann, bei dem man sich geborgen fühlen konnte.

Sein Wagen stand am Straßenrand unter der Neonbeleuchtung, die den Weg überspannte. Regine öffnete ihr Fenster im 3. Stock, und sie winkten sich noch einmal zu. Dann schloss sie das Fenster wieder. Es war Anfang Februar, und recht kalt.

Den verstorbenen Schriftsteller, den Regine doch sehr gut kannte, hatte Martin mit keinem Wort mehr erwähnt. Nun, Valli war weiter kein Begriff für ihn, auch wenn sie ihm zu Beginn ihrer Bekanntschaft davon erzählt hatte. Wie von jener Zeit in Italien, die ihr unvergesslich bleiben würde.

Nachdem sie ihr Sprachenstudium vor fünf Jahren mit einem Diplom beendet hatte, war sie nach Rom gegangen, wo ein internationaler Verlag eine Sekretärin suchte. Sie freute sich auf die Arbeit, die vielseitig und interessant war, sie war neugierig auf das Leben in dieser von Kunst und Geschichte trächtigen Metropole.

Dort, im Verlag, war sie auf Roberto Valli aufmerksam geworden. Sie hatte schon früher ein Buch von ihm gelesen, das sie sehr beeindruckt hatte. Jetzt kaufte sie sich auch seine anderen Bücher, um sie in der Originalsprache zu lesen. Sie fand seine Gedankentiefe faszinierend.

Persönlich lernte sie ihn eines Tages in dem Café nahe ihrer Arbeitsstätte kennen, wo sie manchmal einen Espresso oder ein Eis zu sich nahm. Da alle Tische mehrfach besetzt waren, näherte Roberto Valli sich dem ihren, an dem sie allein saß. Höflich bat er sie, Platz nehmen zu dürfen. Sie errötete. »Es ist mir eine Ehre, Signor Valli«, sagte sie. Sie kam sich sehr jung und unbedarft vor neben dieser Geistesgröße.

Doch schnell gewann sie ihre Unbefangenheit wieder, denn er war sehr freundlich zu ihr. Ja, er hatte sie schon im Verlag bemerkt. Große schlanke Mädchen mit echt blonden Haaren fielen hier auf. Eine Deutsche, das hatte er sich gedacht. Wie lange sie denn schon in Rom sei?

Regine erzählte von sich. Es erschien ihr leicht, diesem Menschen mit dem silberhaarigen Charakterkopf gegenüber aufgeschlossen zu sein. Sie spürte, dass sie ihm gefiel, sie erkannte es an dem warmen Schein in seinen Augen, mit denen er sie ansah. Oh, diese Begegnung war ein Erlebnis für sie!

»Vielleicht sehen wir uns einmal wieder«, sagte er, als sie wieder in ihr Büro musste und gab ihr seine schmale Hand. »Es würde mich freuen.«

Sie sahen sich wieder. Dieses Café schien sozusagen sein Stammlokal zu sein, wenn er in der Stadt zu tun hatte. Die Kellner behandelten den berühmten Mann bevorzugt, und etwas davon fiel auch auf die junge Regine ab, wenn sie in seiner Gesellschaft sein durfte.

Sie wusste jetzt, dass er außerhalb wohnte, in der Campagna, wie man das römische Umland nennt. Ansonsten wusste sie nur wenig über ihn, außer dem, was im Klappentext seiner Bücher stand: Sein Werdegang, seine Reisen, sein erstes Werk, das ihn bekannt gemacht hatte. Man spürte, dass hier ein Mensch war, der sein Privatleben nicht der Öffentlichkeit preisgab.

Eines Tages fragte er sie, ob sie bereit wäre, ihre Stellung im Verlag aufzugeben und für ihn tätig zu werden. Der Sekretär, der bisher seine Manuskripte in die Maschine geschrieben und die Korrespondenz erledigt hatte, war schon seit geraumer Zeit anderweitig beruflich gebunden. Seitdem harrte vieles auf seinem Schreibtisch der Erledigung. Auch musste in seiner umfangreichen Bibliothek manches geordnet und neu katalogisiert werden.

Regine erglühte vor Freude über dieses Angebot. Konnte sie sich etwas Schöneres denken, als neben diesem bedeutenden Mann zu arbeiten, der ihr auch persönlich sehr sympathisch war.

»Man wird mich nicht so ohne Weiteres freigeben«, wandte sie ein. »Ich habe mich für ein Jahr verpflichtet.«

Roberto Valli wischte ihre Bedenken mit einer Handbewegung fort. »Lassen Sie das meine Sorge sein. Ich werde mit Ihrem Chef sprechen.«

»Es wäre wunderbar!«, sagte sie freimütig, mit leuchtenden Augen.

Mit einem Lächeln in den Mundwinkeln betrachtete er sie. »Warten Sie es ab, Signorina Peters. Vielleicht wird es Ihnen zu einsam bei mir draußen sein …«

»Bestimmt nicht«, versicherte sie überzeugt, und bescheiden fügte sie hinzu: »Ich werde mir alle Mühe geben, Ihren Ansprüchen gerecht zu werden, Signor Valli.«

So war sie, nach nur fünf Monaten im Verlag, zu Roberto Valli gekommen, in sein schönes Haus, in dem er anscheinend allein mit seiner Wirtschafterin Maria wohnte. Jedenfalls deutete nichts auf die Anwesenheit eines Familienmitgliedes hin. Sie bekam ein Zimmer, dessen Einrichtung sie entzückte. Es hatte rosafarbene Seidentapeten, einen Baldachin über dem breiten Bett und zierliche weiße Schleiflackmöbel.

»Das ist viel zu schön für mich«, entfuhr es Regine, die in Rom in einer einfachen Pension gewohnt hatte.

»Es ist ein Tochterzimmer«, sagte Maria, eine kleine flinke Frau um die fünfzig, mit straff zurückgekämmten schwarzen Haaren. »Herr Valli wollte es so.«

»Oh, er hat eine Tochter, das wusste ich nicht. Aber wenn sie nun kommt und ihr Zimmer besetzt findet …?« Fragend sah Regine die andere an. »Ich würde mich auch mit einem bescheideneren Raum zufriedengeben«, fügte sie hinzu.

Marias Gesicht wurde undurchdringlich. »Sie wird nicht kommen«, sagte sie und presste die Lippen zusammen.

»Und …, gibt es eine Signora Valli?«, fragte Regine zögernd. »Oder ist der Signor geschieden, oder verwitwet?«

»Für einen strenggläubigen Katholiken gibt es keine Scheidung«, erklärte Maria abweisend. Mehr zu sagen schien sie nicht bereit, und Regine wagte auch nicht weiterzufragen. Sie war hier angestellt mit einem großzügigen Gehalt, alles andere hatte sie nichts anzugehen.

Dennoch entwickelte sich ihre Beziehung anders als zwischen Arbeitgeber und Angestellter. Sie verehrte Roberto Valli, ja, sie empfand eine tiefe, bewundernde Zuneigung für ihn, und er zeigte ihr, dass er nicht nur mit ihrer Arbeit zufrieden war, in die sie sich mit Feuereifer gestürzt hatte, sondern dass sie ihm auch eine liebe, angenehme Hausgenossin war. Öfter speisten sie zusammen, oder er forderte sie auf, ihn auf einem seiner ausgedehnten Spaziergänge zu begleiten, die er gern unternahm. Regine entwickelte ein feines Gespür für seine Stimmungen, sie wusste zu schweigen, wenn er nicht reden wollte, und das war häufig der Fall. Er schien dann vergessen zu haben, dass sie neben ihm stand. Manchmal wunderte sie sich, dass er sie trotzdem bei sich haben wollte. Aber irgendwie beglückte sie das auch. »Sie brauchen mir nicht immer zur Verfügung zu stehen, Regine«, sagte er einmal. Sie hatte ihn gebeten, sie beim Vornamen zu nennen. »Wenn Sie etwas unternehmen wollen, werde ich mich darauf einrichten. Sie erwähnten irgendwann einen Kollegen, der Ihnen das antike Rom gezeigt hat. Vielleicht möchten Sie ihn wiedersehen?«

Regine schüttelte den Kopf. »Ich lege keinen Wert darauf, diese Bekanntschaft zu vertiefen«, erklärte sie. »Ich will keine Hoffnungen erwecken, die ich doch nicht erfüllen kann … Nein, Signor Valli …! Ich ­brauche keine Zerstreuung. Ich bin sehr glücklich hier bei Ihnen.«

»Bei einem alten Mann, dessen Manuskripte Sie entziffern müssen?«, fragte er mit einem kleinen Lächeln.

»Ich könnte mir keine schönere und bedeutsamere Arbeit wünschen. Es ist eine Bereicherung für mich«, bekannte sie.

Sein Blick ruhte mit einem Ausdruck großer Wärme auf ihr. »Sie sind ein ganz besonderes Mädchen, Regine«, sagte er bewegt. Und, nach einigen Sekunden des Schweigens: »Eine Tochter wie Sie sollte man haben …« Seine Stimme klang rau.

Seine Tochter – zum ersten Mal in all diesen Wochen, die sich schon zu Monaten rundeten, erwähnte er sie. Denn es gab sie doch. Sie hatte ein Zimmer in ihrem Vaterhaus gehabt. Regine befeuchtete mit der Zungenspitze ihre Lippen.

»Als ich hier einzog«, begann sie stockend, »da sagte Maria, das Zimmer, das ich bewohne …«

»Hören Sie auf!«, unterbrach Roberto Valli sie mit einer Schroffheit, die Regine tief erschrocken erstummen ließ. »Maria sollte den Mund halten. Ich dulde kein Geschwätz in meinem Haus.«

Sein Blick war so hart, seine Züge so finster, dass Regine glaubte, plötzlich einen ganz anderen Menschen vor sich zu haben.

»Entschuldigung«, stammelte sie. Doch er hatte sich schon abgewandt und mit steifen Schritten den Raum verlassen.

Erst Stunden später sah sie ihn wieder. Sie saß an der Schreibmaschine in dem Zimmer, das er ihr für die Arbeit zugewiesen hatte. Er kam herein, trat von hinten auf sie zu und legte ihr in einer leichten Berührung die Hand auf die Schulter. »Es tut mir leid, dass ich unfreundlich zu Ihnen war«, sagte er.

Regine ließ die Finger von den Tasten sinken. »Mir tut es leid, dass ich offenbar an ein Tabu gerührt habe.« Mit einem klaren, ernsten Blick sah sie zu ihm auf. »Und Maria möchte ich in Schutz nehmen. Sie schwatzt nicht. Sie hat damals nur eine kurze Bemerkung gemacht. Sonst hat sie kein Wort darüber verloren.«

»Schon gut«, sagte er etwas müde. »Vergessen wir das. Ich möchte Sie bitten, mir nachher einen Brief zu übersetzen, wenn es Ihnen nichts ausmacht, mitten im Kapitel aufzuhören.«

Jetzt war er wieder höflich, rücksichtsvoll. Nie mehr, schwor sich Regine, nie mehr in der Welt wollte sie ihm wehtun.

Aber ein Zufall sollte sie doch wieder auf das Geheimnis um diese Tochter bringen.