Laß mich an ein Wunder glauben - Gisela Reutling - E-Book

Laß mich an ein Wunder glauben E-Book

Gisela Reutling

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Beschreibung

Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! Buchstäblich ein Qualitätssiegel der besonderen Art, denn diese wirklich einzigartige Romanreihe ist generell der Maßstab und einer der wichtigsten Wegbereiter für den modernen Familienroman geworden. Weit über 2.600 erschienene Mami-Romane zeugen von der Popularität dieser Reihe. Mit leichtem Schritt ging Karin in die Diele, als sie ihren Mann kommen hörte. »Du bist schon da«, empfing sie ihn erfreut. »Hattest du nicht nach Dienstschluß noch eine Besprechung ansetzen wollen?« »Ich habe sie verschoben, weil zwei Mitarbeiter krank geworden sind. Die Grippe geht um.« Markus zog seinen Mantel aus und fuhr sich vor dem Spiegel über das windzerzauste Haar. »Das ist aber auch ein Wetter«, bemerkte er nebenher. »Um so gemütlicher ist es zu Hause.« Karin legte ihm die Arme um den Nacken und rieb den Kopf an seiner Schulter. »Ich mache uns einen Tee, ja? Das wird dich aufwärmen.« »Mir ist schon warm.« Lächelnd drehte er sich um und gab ihr einen Begrüßungskuß auf den Mund. frisch machte, hantierte Karin in der blitzblanken Küche. Dabei summte sie eine leichte Melodie vor sich hin, die sie vorhin im Radio gehört hatte. Daß man sich nach achtjähriger Ehe doch jeden Tag von neuem freuen konnte, wenn der Mann um fünf nach Hause kam. Manchmal wurde es auch später. Markus war Abteilungsleiter in einer Bank und ging immer erst als einer der letzten.

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Mami Classic – 87 –

Laß mich an ein Wunder glauben

Gisela Reutling

Mit leichtem Schritt ging Karin in die Diele, als sie ihren Mann kommen hörte.

  »Du bist schon da«, empfing sie ihn erfreut. »Hattest du nicht nach Dienstschluß noch eine Besprechung ansetzen wollen?«

  »Ich habe sie verschoben, weil zwei Mitarbeiter krank geworden sind. Die Grippe geht um.«

  Markus zog seinen Mantel aus und fuhr sich vor dem Spiegel über das windzerzauste Haar.

  »Das ist aber auch ein Wetter«, bemerkte er nebenher.

  »Um so gemütlicher ist es zu Hause.« Karin legte ihm die Arme um den Nacken und rieb den Kopf an seiner Schulter. »Ich mache uns einen Tee, ja? Das wird dich aufwärmen.«

  »Mir ist schon warm.« Lächelnd drehte er sich um und gab ihr einen Begrüßungskuß auf den Mund.

  Während Markus sich etwas

frisch machte, hantierte Karin in der blitzblanken Küche. Dabei summte sie eine leichte Melodie vor sich hin, die sie vorhin im Radio gehört hatte.

  Daß man sich nach achtjähriger Ehe doch jeden Tag von neuem freuen konnte, wenn der Mann um fünf nach Hause kam. Manchmal wurde es auch später. Markus war Abteilungsleiter in einer Bank und ging immer erst als einer der letzten.

  Als sie das Tablett mit dem Tee und einer Schale selbstgebackener Plätzchen ins Wohnzimmer trug, hatte Markus die Krawatte abgelegt und die Jacke gegen einen bequemen Pullover getauscht.

  Er deutete auf das Buch, das auf dem Tisch lag. »Du lernst wohl schon fleißig?« fragte er neckend.

  »Jawohl«, lachte Karin. »Einer von uns sollte doch wenigstens etwas Portugiesisch können, wenn wir Urlaub in Brasilien machen. Du studierst dafür die Reiseroute.«

  Anfang Mai wollten sie fliegen, um dieses weite schöne Land einmal kennenzulernen. Jedes Jahr nahmen sie sich ein neues Ziel vor. Sie waren sich einig in ihrer Freude am Reisen, am Entdecken fremder Länder und Kulturen.

  Auch heute, nach dem Abendessen um sieben und nach den Tagesnachrichten blieb der Fernseher ausgeschaltet. Sie nahmen sich die Bildbände und die Reisebeschreibungen vor, überlegten und planten. Salvador, Rio de Janeiro, Sao Paulo… Die Worte klangen ihnen wie Musik.

  Als das Telefon läutete, nahm Karin den Hörer ab.

  »Birkmann«, meldete sie sich.

  Ihre Mutter war am Apparat. Sie wollte sich nur mal erkundigen, wie es ›den Kindern‹ ging.

  »Bestens, Mutti«, antwortete Karin fröhlich. »Wir sind schon halb in Brasilien mit unseren Gedanken. Vorfreude ist doch mit die schönste Freude.«

  »Ach, Kind«, seufzte Annegret Hartwig, »muß es denn nur immer so weit sein? Voriges Jahr Südafrika. Man hört soviel, was da alles passiert. Ich werde wieder keine ruhige Minute haben, bis ihr gut gelandet seid.«

  Karin zwinkerte ihrem Mann zu. Wenn ihre geliebte Mutter sich nicht um irgend etwas Sorgen machen konnte, war sie nicht gesund.

  »In der Luft passiert weniger als auf den Autostraßen, Mutti, da kannst du ganz beruhigt sein. Es wird schon keine Bombe im Flugzeug sein oder ein Terrorist uns entführen.«

  Markus schüttelte den Kopf. Jetzt beschwor sie auch noch solche Horrorvorstellungen herauf!

  »Solche schrecklichen Dinge sagst du so dahin«, kam es denn auch vorwurfsvoll zurück. »Hast du nicht gehört, wie neulich…«

  »Mutti, bitte, bitte!« fiel Karin ihr ins Wort. »Wir werden ein anderes Mal darüber reden, ja? Wie wäre es, wenn du am Sonntag mit Papa zu uns kämst? Bringt Doris mit, wenn sie gerade nichts anderes vorhat.«

  »Deine Schwester hat immer was vor«, sagte die Mutter. »Ich möchte wissen, wann sie ihr Studium zu Ende führen wird. Jetzt will sie wieder zu Aufnahmen nach Hannover, für einen Modekatalog.«

  »Ach, hat sie wieder einen Auftrag?« warf Karin amüsiert ein.

  »Ja, ja. Sie ist ganz wild darauf, in immer neuen Klamotten, wie sie das nennt, vor der Kamera zu posieren. Als Mannequin oder Model, so sagt man wohl heute. Sie denkt wunder was daraus werden kann.«

  »Dann laß sie doch. Hübsch genug ist sie dafür. Vielleicht wird wirklich einmal einer dieser großen Modemacher auf sie aufmerksam, und sie verdient ein Heidengeld.«

  »Doris sollte Sportlehrerin werden, basta. Das ist ein ordentlicher Beruf«, meinte die Mutter ärgerlich.

  »Du hast schon deine liebe Not mit deinen Töchtern, wie?« sagte Karin in scherzhaftem Ton.

  »Na ja, es könnte schlimmer sein.« Jetzt mußte Annegret doch ein wenig lachen. Mit ein paar heiteren Sätzen endete das Gespräch zwischen Mutter und Tochter.

  »Es ist dir doch recht, daß ich die Eltern für Sonntag eingeladen habe?« wandte sich Karin an ihren Mann. Und, als Markus gleichmütig zustimmend nickte, »was sagst du zu Doris? Meine kleine Schwester bekommt tatsächlich schon Aufträge am laufenden Band.«

  »Die kleine Schwester ist immerhin schon dreiundzwanzig Jahre alt.«

  »Aber ich war acht, als sie zur Welt kam. Deshalb bleibt sie für mich die Kleine«, beharrte Karin vergnügt.

  »Karlheinz wird nicht gerade erbaut davon sein, daß seine Freundin soviel unterwegs ist«, bemerkte Markus und schenkte sich noch ein Glas Bier ein. Er mochte das zum Feierabend.

  »Das müssen die beiden unter sich ausmachen«, sagte Karin sorglos. »Sie sollen sich nur nicht zu früh binden.«

  »Na, na«, spielerisch fuhr Markus seiner Frau durch das leichtgelockte Haar, »hast du es etwa bereut, daß du dich in Doris’ Alter schon gebunden hast?«

  »Ich doch nicht!« wies Karin diese Vorstellung weit von sich. »Aber ich bin auch ein anderer Typ als Doris«, fügte sie hinzu.

  Markus wickelte eine Locke seiner Frau um den Zeigefinger.

  »Was für ein Typ bist du denn?«

  »Häuslich, sanftmütig, bescheiden… Eben eine richtig liebe, brave Ehefrau.« Übermütig funkelten ihre blauen Augen ihn an.

  »Dafür hast du ja auch einen richtig lieben, braven Ehemann«, sagte Markus im selben Ton. Er legte den Arm um sie. Karin schmiegte sich an seine Brust.

  »Das kann man wohl sagen«, sagte sie leise.

  So blieben sie eine Weile, im tiefen Gefühl der Zusammengehörigkeit.

  Wie gut haben wir es doch, dachte Karin und legte die Hand auf die Stelle, an der Markus’ Herz fest und ruhig schlug. Es blieb ihnen nichts zu wünschen übrig.

  Ein Kind, nun ja… das hatten sie sich schon immer gewünscht. In den ersten Ehejahren fast noch mehr als in den späteren. In ihrem Freundeskreis hatten sie Beispiele vor Augen, daß Kinder durchaus nicht nur eitel Freude und Wonne bedeuteten.

  Wenn es ihnen denn versagt sein würde, Kinder zu haben, so sollte es wohl so sein. Es war nicht so, daß sie sich in Sehnsucht danach verzehrten. Dafür waren sie viel zu glücklich miteinander.

  Schwungvoll richtete sie sich auf. »Du solltest doch noch abhören, was ich heute gelernt habe!« Damit griff sie zum Wörterbuch.

  »Was habe ich doch für eine sprachbegabte Frau«, lobte Markus, als ihr einfache Sätze in der fremden Sprache schon ganz geläufig über die Lippen kamen.

*

  In der Tat war Karlheinz Münzinger nicht begeistert über diese Nebentätigkeit seiner Freundin, die mehr und mehr Raum in ihrem Leben einzunehmen drohte. Er war ein ernsthafter junger Mann, er hatte sein Ingenieurstudium mit bester Note abgeschlossen und seit anderthalb Jahren eine feste Anstellung bei der Baufirma Goebel.

  »Du hast immer weniger Zeit für mich«, beklagte er sich. »Du scheinst total vergessen zu haben, daß wir in diesem Jahr heiraten wollten.«

  Doris, tief in dem breiten Sessel zurückgelehnt, ließ die hochhackige Sandalette auf ihrem hübschen Fuß wippen.

  »Du, du wolltest heiraten«, bemerkte sie lässig.

  »Du schienst aber nichts dagegen zu haben, als ich dir von den Wohnungen erzählte, die zum Ende des Jahres fertiggestellt sein werden. Davon wäre eine gerade recht für uns, wie ich dir genau erklärt habe.«

  »Ich habe dich reden lassen…«

  »Du hast ja gesagt«, erregte sich Karlheinz.

  »Wirklich?« Sie zuckte die Achseln. »Was sagt man nicht alles in einer verliebten Stunde.«

  Manchmal möchte man sie übers Knie legen, dachte der junge Mann grimmig. Und doch…

  Er stand auf und tat ein paar Schritte ins Zimmer hinein.

  Drei Jahre kannten sie sich nun schon. Er konnte sich ein Leben ohne Doris kaum noch vorstellen.

  Sich zu ihr umwendend, sagte er: »Doris, ich möchte mit dir zusammenleben und glücklich sein, als Mann und Frau, auch vor dem Gesetz.«

  »Das sind spießige Vorstellungen!«

  »So hast du nicht immer geredet.«

  »Aber gedacht. Oder jetzt jedenfalls denke ich so.«

  »Ja, seit du diese Flausen im Kopf hast«, warf Karlheinz erbittert ein. »Neuerdings erscheint es dir doch als ein erstrebenswertes Ziel, auf dem Titelblatt eines Modeheftes abgedruckt zu sein, als mich zu heiraten und eine Familie zu gründen.«

  »Jetzt hör mir mal zu.« Doris setzte sich gerade hin. Sie stellte die Füße auf den Boden. »Ein ständiges Zusammenleben stelle ich mir gräßlich banal vor. Dieser tägliche Kleinkram, die gegenseitigen Launen, ein Tag ist dann wie der andere…«

  »So ist es ja gar nicht!« fiel er ihr ins Wort.

  »Nimm nur mal dies«, fuhr sie ungerührt fort, »ich bin ein Morgenmuffel, du bist in aller Frühe schon springlebendig. Allein das nervt mich schon.«

  »Ach, Doris.« Karlheinz machte eine ungeduldige Kopfbewegung, er lächelte ein wenig dabei. »Das alles gehört auch zur Liebe. Zum Alltag der Liebe.«

  »Alltag, du sagst es«, nickte sie. »Den will ich aber nicht, verstehst du?«

  »Keine hübsche Wohnung, die uns gehört, und die wir uns gemeinsam einrichten?« fragte er mit einem bittenden Blick.

  »Vorläufig fühle ich mich noch ganz wohl zu Hause«, sagte Doris. »Gelegentliche Vorhaltungen meiner lieben Mutter gehen bei mir zum einen Ohr rein und zum anderen Ohr wieder raus.«

  »Da redest du nun so abfällig über Zusammenleben und Ehe. Nimm mal deine Schwester. Die beiden sind glücklich zusammen, auch im Alltag, und das seit vie-

len Jahren schon. Und wir werden dazu noch hoffentlich Kinder haben.«

  »Jetzt fängst du auch noch damit an!« fuhr sie auf. »Könnten wir nicht mal das Thema wechseln?« Sie warf einen Blick auf die Uhr. »Ach herrje, ich wollte doch noch bei der Agentur anrufen. Da kann jeden Tag was Neues kommen. Man muß am Ball bleiben.«

  »Du willst schon gehen?«

  Sie war schon aufgestanden, griff nach ihrer Schultertasche. Groß, so groß wie er, und superschlank stand sie vor ihm. Das streichholzkurz geschnittene rötlichblonde Haar betonte ihre schmale Kopfform, ihre aparten Gesichtszüge. Sie hatte hohe Wangenknochen und einen etwas großen, schöngeschwungenen Mund.

  Manchmal wünschte er schon bald, sie wäre weniger auffallend hübsch.

  »Nun sieh mich nicht so an, als wären dir alle Felle davongeschwommen«, sagte sie burschikos. »Ich melde mich wieder.«

  »Wie freundlich von dir.«

  Aber er legte die Hände auf ihre Schultern und zog sie näher zu sich heran. Tief sah er ihr in die Augen, die von einem hellen Goldbraun waren. Von diesen Augen war er zuerst fasziniert gewesen.

  »Liebst du mich eigentlich noch, oder hast du genug von mir?« fragte er eindringlich.

  »Ich habe nicht genug von dir, du Dummer, und ich liebe dich. Du mußt mir nur ein bißchen Freiheit lassen.«

  Sie bot ihm ihren Mund, ihre Lippen verschmolzen zu einem Kuß.

  »Tschüs, Schatz!« Schon an der Tür, warf sie ihm noch mit gespitzten Lippen einen Kuß zu.

  Es wird vorübergehen, dachte Karlheinz, ja, diese ganze Spinnerei mit den Modefotos würde vorübergehen. Er mußte eben Geduld haben mit seiner kapriziösen Doris.

*

  Wie schnell doch die Zeit verging!

  War es ihnen ganz recht gewesen, daß die Wochen bis zum ersehnten Urlaub nur so dahingeflogen waren, so hätten Karin und Markus diese erfüllten, erlebnisreichen Tage im sonnigen Brasilien am liebsten festgehalten.

  Viel hatten sie gesehen auf der Route, die Markus anhand von Karten sorgfältig vorausgeplant hatte. Mit dem Mietwagen waren sie die Küste entlanggefahren, an Zuckerrohr-, Baumwoll- und Kaffeeplantagen vorbei, wo dunkelhäutige Gestalten die Ernte einbrachten, und hin zu den Städten mit ihren Wolkenkratzern, eleganten Geschäften und palastartigen Hotels. Wo es ihnen gerade gefiel, waren sie ein paar Tage geblieben, an weißsandigen Stränden, an welche die blauen Wellen des Atlantischen Ozeans heranspülten, in Gasthöfen, in denen der Wirt ihnen landestypische Gerichte servierte.

  Freilich hatten sie unterwegs auch Armut und Not gesehen, Hütten, in denen vielköpfige Familien nebeneinanderhausten. In viele ausgestreckte braune Händchen hatten sie Münzen gegeben. Auch hier klaffte die Schere zwischen arm und reich weit auseinander.

  Die letzten zehn Ferientage wollten sie von ihren Unternehmungen ausruhen. Schwimmen, sich am palmengesäumten Strand tummeln, den Fischern beim Netzeflicken zusehen, abends auf der Hotelterrasse sitzen und den Sonnenuntergang beobachten.

  Unterhalb des Hotels breiteten sich kleinere Ansiedlungen aus. Fischerdörfer waren es, malerisch anzuschauen und von buntem Leben erfüllt.

  »Wir hätten keinen romantischeren Platz finden können«, sagte Karin an diesem Abend, als der rote Wein in ihren Gläsern funkelte.

  »Unseren Augen erscheint es sehr romantisch«, bestätigte Markus, ihrem Blick folgend. »Aber sie müssen doch recht arm sein, die da dichtgedrängt wohnen. Ich frage mich, wie die Männer allein vom Fischfang ihre vielen Kinder ernähren können.«

  »Guten Abend«, sagte in diesem Moment eine Männerstimme.

  »Oh, Herr Olden, guten Abend«, begrüßte Markus den späten Gast. »Wollen Sie auch noch einen Abendtrunk nehmen?«

  »Ja, nach einem arbeitsreichen Tag tut das gut. Sie haben es da besser«, fügte er scherzhaft hinzu.

  »Ja, wir haben wieder nur gefaulenzt«, lachte Karin. »Das haben wir uns aber auch verdient, nachdem wir so viele Kilometer hinter uns gebracht haben. Damit ist jetzt Schluß.«

  »Möchten Sie bei uns Platz nehmen, Herr Olden?« Markus machte eine Handbewegung zu dem freien Stuhl hin.

  »Wenn ich nicht störe, sehr gern, danke.«

  »Warum sollten Sie stören?« fragte Markus gutgelaunt.

  Den Geschäftsmann John Olden hatten sie in diesen Tagen hier kennengelernt. Er besaß ein Haus irgendwo in dieser Gegend, wie er erzählte, kam aber öfter zum Essen ins Hotelrestaurant. Sie waren ins Gespräch gekommen. Olden sprach Deutsch mit einem leichten harten Akzent, beherrschte aber ebenso flüssig nicht nur die Landessprache, wie das Ehepaar Birkmann bereits hatte feststellen können.

  »Was für ein Landsmann sind Sie eigentlich?« hatte Markus den gutaussehenden, weltgewandten Mann einmal gefragt.

  »Ich bin Kosmopolit«, hatte dieser geantwortet. »Ein Weltbürger.«

  Er war ein angenehmer, unterhaltsamer Mensch. Er fühlte sich offensichtlich wohl in der Gesellschaft des jungen deutschen Ehepaares.

  »War die Kleine heute wieder da?« erkundigte er sich im Laufe des nachfolgenden Gespräches, das wieder in leichtem, unverbindlichem Plauderton geführt wurde.

  »Nein, heute nicht«, gab Karin etwas einsilbig zurück.

  Sie senkte die Lider. Leibhaftig sah sie das schwarzlockige kleine Mädchen wieder vor sich, das so auffallend ihre Nähe suchte. Es gehörte wohl zu einem der Fischer, die draußen am Kai ihre Angeln auswarfen. Zwischen drei und vier Jahren mochte es sein. Es war das liebreizendste Kind, das Karin jemals gesehen hatte.

  Merkwürdigerweise verspürte Karin, wenn sie nur daran dachte, ein Gefühl des Hingezogenseins zu diesem fremden Kind. Diese dunk-len Augen, dieses Lächeln, mit dem es zu ihr emporblickte…

  Ob sie es morgen wiedersehen würde?

  Karin wünschte es sich so heftig, daß es sie selbst verwunderte.

  »Was träumst du, Liebste?« fragte Markus und legte seine Hand auf die ihre. Karin schrak empor, sie lächelte ein wenig verwirrt.