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C. - A. Rebaf sucht in seinem Archiv nach Dokumenten, die mit seinem Alkoholkonsum in Verbindung stehen. In Tagebüchern, Kurzgeschichten, aber auch in bereits veröffentlichten Texten findet er immer wieder Hinweise, die er zusammenträgt und in dieser Abhandlung veröffentlicht. Eigentlich hielt er sich nicht für einen Alkoholiker, deswegen wählte er auch diesen Titel 'subtiler Alkoholiker' und zeigt den Grund auch hinlänglich auf. Schreiben ist seine Art, sich mit der Sucht auseinanderzusetzen. Schließlich findet er die Sammlung so erschreckend, dass er sofort mit dem Alkoholtrinken aufhört. Der Text richtet sich an alle, die nicht so lange trinken, bis sie ins Koma verfallen, aber dennoch sehr viel Alkohol konsumieren, wenn sie einmal Bilanz ziehen würden. Vielleicht kann ich auch einigen Menschen helfen, von der Sucht loszukommen.
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Seitenzahl: 96
Veröffentlichungsjahr: 2025
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selfpublishing wespen-kontor
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Ich bin (war?) ein subtiler Alkoholiker
Die Erinnerungen eines immerwährenden Alkoholkonsumenten
Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden Personen in diesem Roman sind rein zufällig. Alle namentlich genannten Personen des Romans sind frei erfunden.
Text, prompt und Buchumschlag: Alle Rechte bei C.- A. Rebaf 2025, mit einer KI-Abbildung (night café)
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Ich danke Caroline Knapp und Eva Biringer, die mich durch ihre Bücher in die richtige Richtung gelenkt haben.
Das größte Verdienst gebührt jedoch Sagitta, die mich durch ihren eisernen Willen hoffentlich endgültig vom Alkohol befreit hat.
Inhaltsverzeichnis
Logo und Titel
Impressum
Das trialistische Prinzip
Mein erster Filmriss in Berlin-West
Der Zweite
Der Dritte oder das grosse Kotzen
Der Alkoholdehydrogenase-Pegel im Blut meiner Urgroßmutter
Der Weinberg meines Urgrossvaters
Konfirmation als Initiationsritus zum Alkoholtrinken
Die Weinproben mit meinem Vater
Wir hangeln und von Bergfest zu Bergfest und trotzdem brummt der Laden
Ein verbogener Gepäckträger in Lichterfelde, aber kein Filmriss
Brautentführung in Hankensbüttel
Cheddar und Portwein in tief hängenden Wolken von Londons Bankenviertel
Haunshofer Affenschaukel
Italienisch Essen in der Campana bei Florenz
Schreiben wie Genazino
Betriebssportgruppe ‚Fussball‘
Die Bardolino-Tour
Heilfasten ohne Alkohol
Die Ernährung nach Montigniac in Thüringen
Alkohol beim Ehrenamt
Beim Einkaufen
Wanderung mit Nico im Bergell
Das Leben mit meiner Mutter
Die Heilige Sagitta im Thurgau
Ist der folgende Text real oder lediglich einem hohen Alkoholpegel geschuldet? Wird unter Alkoholeinfluss nicht der Sehsinn verändert? Führt es nicht zu Doppel- oder gar Mehrfachbildern?
Das trialistische Prinzip – eine Folge des Alkohols?
Eines Tages wurde es ihm bewusst; fiel es ihm quasi wie Schuppen von den Augen: Sein Leben war nicht ein einziges, es waren nicht zwei Leben, nein, es waren genau drei und er kreierten ein neues Kunstwort für diese Erscheinung:
Abgeleitet von ‚dualistisch‘ empfand er sich ‚trialistisch‘. Ja es waren drei Menschentypen in ihm zusammen vereint:
Al, der Turmschreiber,
Walt, der Manager und
Felix, der spätere Familienvater.
Literarisch gingen sie alle aus ihm hervor und verselbständigten sich eines Tages. Sie waren dann wie Drillinge. Allerdings sahen sie sich nicht ähnlich, hatten verschiedene Geschmäcker sich zu kleiden und taten das sehr ausgiebig. Dennoch hielten sie zusammen wie Pech und Schwefel, obwohl sie mit fortschreitendem Lebensalter sich in immer schwerere Verstrickungen verfingen, die ihr gemeinsames Leben nicht einfach machten. Ihre Lebensseile waren zuweilen gordisch bis zum Zerreissen verknotet. Nur durch intensive Diskussion zu dritt zu zweit ergaben sich Lösungen.
Eine weitere Facette des Trialismus war die schnelle Wandlung. Nach Aussen gab es zuweilen überraschende Wechsel:
Al, eben noch wichtige trialistische Episoden protokollierend, wandelte sich in Walt, den Manager, aufmerksam, wichtigen Geschäftsführerkonferenzen beiwohnend. Felix, derjenige, der später als einziger heirateten und eine kleine Familie mit seiner Frau Geraldine gründen wird, konnte seine Inkarnation zum Beispiel mit Al wechseln, um mit dem Turmschreiber nach langen Diskussionen die Protokolle zu erstellen, die Erzählungen und Romane zugrunde liegen werden.
Einige sagen, die drei haben auch Eigenschaften von Engeln. Andere hielten die Drei für komplett verrückt und sahen eine seltene Spielart der Schizophrenie, bei der ein Mensch nicht zwei Charaktere, sondern gleich drei in seinem einen Körper birgt. Vielleicht ist das auch so.
Konnte dieses Prinzip nicht auch auf andere Persönlichkeiten übertragen werden? War Goethe doch nicht nur Johann Wolfgang, sondern auch Otto, der zufällig genauso wie ein späterer Reichskanzler heisst und eben dessen diplomatisches Geschick an den Tag legte? Von seiner dritten Erscheinung, dem Pendant zu Felix, nämlich die des Familienvaters Goethe, gäbe es jedoch nur wenig Rühmliches zu berichten, sodass man ihn nur dual begreifen sollte. Allerdings gibt es da eine interessante Spielart des Dualismus mit einem Rotschopf namens Schiller. Später werden die beiden gerne oft nur als Duo zusammen auf Denkmälern dargestellt.
Dualisten gibt es viele mehr, etwa auch Karl, der 'mit dem Barte Marx und Friedrich, der engelgleiche, der immer im Hintergrund agierte. Dann fällt mir noch Bert der listige Augsburger und Kurt der ja …
... Wo war dieser Komponist eigentlich geboren? Ach ja, Dessau, von dem gleich wieder die Rede sein wird.
Ähnlich wie beim Begreifen der vierten Dimension wird es mit Erscheinungsformen über die Anzahl drei hinaus für den menschlichen Intellekt zu komplex, um es wirklich zu begreifen. Nur wenigen Menschen bliebe es dann vorbehalten, vielleicht durch mathematische Beschreibungen oder gar computergestützte Modelle Licht in das Dunkel eines über einen Trialismus hinausgehende Prinzip, etwa eines Quadrilismus oder eines Poly-ismus zu begreifen.
Viele Jahre später, in einem neuen Jahrtausend fand ich Al, der Turmschreiber, weitere Erklärungsversuche für das trialistische Phänomen. Ich will diese als Eselsbrücken für einige Leser hier zitieren:
In dieser Zukunft sollte Salman Rushdie2 die Geburt eines Engels beschreiben: Er stürzte aus einem zerbrochenen Flugzeug, wurde so zum Engel und breitete seine Flügel aus, um sicher auf der Erde zu landen.
Al fragte Walt und Felix, ob ein Sturz bei der Geburt der Trialisten ein Auslöser war. Diese verneinten, wo doch Rushdie im Brustton der Überzeugung schreibt: Geburt ist immer mit Sturz verbunden.
Rupert Shelldrake3 beschreibt morphogenetische Felder. Könnte die Anwendung gewisser Feldtheorien aus dem Elektromagnetismus oder der Gravitation auch zu Lösungen führen, die die Wandlung der Trialisten erklärt? Ich, Al der Turmschreiber, fühle mich diesen mathematischen Anforderungen nicht gewachsen und lasse die Behauptung als Frage verkleidet stehen.
Etwas kompetenter kann ich über eine Erklärung ausgelöst durch einen Gedanken von Michel Houellebecq in seinen Elementarteilchen4 schreiben, da es sich hier um einen biochemisch angehauchten Erklärungsversuch handelt, den ich mit Walt und seinem Chemikerhintergrund ausführlich diskutieren konnte: Die ganze Biochemie beschreibt nur die Phänomene auf molekularer Ebene und sieht alles, was sich darunter, also im subatomaren Bereich, befindet als vollkommen irrelevant und beinahe nicht-existent an.
Ja, ja, da, die Phänomene auf dieser atomaren Basis, die wir ja noch einigermassen ‚sehen‘ können, sind so reichhaltig, dass uns die Arbeit zunächst auf kommende Jahrzehnte nicht ausgehen wird.
Bisher hat diese Beschränkung reichlich positive Auswirkungen für die Menschheit gebracht, wie das Auffinden von Impfstoffen und anderen Wirkstoffen für die Medizin, die die Ausgaben für diese Forschung zu rechtfertigen scheinen. Koppelt man deshalb den atomaren und subatomaren Bereich in der Molekularbiologie bewusst und gezielt aus? Ja, man blendet Komplikationen, die sich aus den Wechselwirkungen dieser unteren Ebene mit den derzeitigen aktuellen molekularen Phänomenen gezielt aus, um sich damit nicht zu sehr zu belasten. Wie einfach ist es doch wieder und wieder ein Gen zu sequenzieren oder gar gleich einen ganzen neuen Organismus, das ist doch alles nur Technik. Am Ende stand die Wissenschaft vor einem riesigen Wust von neuen Faktoren, ohne jedoch einen blassen Schimmer zu haben, wie denn die Zusammenhänge auch auf der vereinfachenden molekularen Ebene wirklich sind.
Lässt sich unser Trialismus also als Wechselwirkung von atomarem mit subatomarem Bereich erklären, die erst in 500 Jahren beschrieben werden wird?
„Ich bin mir ganz sicher! Es war das zweite verkehrsfreie Wochenende auf dem Höhepunkt der Ölkrise“, warf Walt in die Runde.
„Na, das können wir sehr leicht googeln und haben ein exaktes Datum!“, antwortete Al, nahm seinen Laptop und töckelte auf der Tastatur. „Hier haben wir es ja!“ Er las laut vor:
Der Begriff ‚Autofreier Sonntag5‚ wurde während der ersten Ölkrise 1973 allgemein verwendet und war bald in ganz Deutschland bekannt. Westdeutschland reagierte auf die Ölkrise mit einer ungewöhnlichen Sparmassnahme und verhängte mit dem Energiesicherungsgesetz vom 9. November 1973 insgesamt vier autofreie Sonntage (25. November, 2., 9. und 16. Dezember 1973) sowie Tempolimits. Staunend nutzten viele Bundesbürger die seltene Möglichkeit, einmal eine Autobahn zu Fuss oder per Fahrrad zu erkunden.
„Das würde also bedeuten, es war am Samstag, den ersten Dezember 1973“, konstatierte Walt kühl. „Ich habe aber in Erinnerung, dass es sehr heiß war und der Kühlschrank in der neuen Wohnung, deren Einweihung wir feierten, nicht funktionierte, sodass die Flasche Bacardi brühwarm war. Kann das denn sein?“
Al klapperte weiter auf der Tastatur. Hier:
Wetter in Berlin am 1. Dezember 1973: Berlin: -5°C - stark bewölkt mit Schnee, Berlin-Tegel: -5°C - stark bewölkt mit Schnee6
„Wie passt das zusammen? Die Flasche hätte man nur auf die Fensterbank eines Nordfensters stellen müssen und er wäre bei dieser Außentemperatur gerade richtig gekühlt gewesen. Hätte, hätte, Fahrradkette. Aber ich glaube dem Internet mehr, als meinem Hirn!“,
Walt überlegte und sprach nach einigem Nachdenken weiter: „Sicher war lediglich, der Bacardi war brühwarm! Sicher war auch, ich war lange weg von zu Hause, der Kurpfalz! Das spricht für die Richtigkeit des Datums. Ich glaube, ich hatte schreckliches Heimweh!“, gab Walt kleinlaut zu.
„Sicher nicht nur zur Kurpfalz.“
„Nein, da lebte ja auch Geraldine!“
„Dann hast du alles ersäuft in einer Unmenge von Alkohol!“, mischte sich Felix jetzt ein.
„Ja, so war es!“
„Und wo war es genau?“
„Ich weiss nur noch, es muss im West-Berliner Norden gewesen sein. Ich bin sehr kompliziert mit einigem Umsteigen mit der Ost-Berliner S-Bahn dahin gekommen. Könnte Reinickendorf gewesen sein. Ich wunderte mich noch, wie weit seine Studentenbude von der TU entfernt war. Da hatte ich es viel besser getroffen.“
Walt machte eine Pause.
„Wir waren nur zu viert, glaube ich. Der neue Wohnungsbesitzer und wir, seine drei besten Kommilitonen-Kumpels. Er war ein feiner Kerl, kam, glaube ich, aus Westfalen. War auch sehr typisch für die Gegend! Ein riesiger blonder Hüne, auf den man sich verlassen konnte.“
„Dann habt ihr Bacardi getrunken.“
„Ja Bacardi weiß!“
„Und dann?“
„Brühwarmer Bacardi, weiß, in den leeren Magen, an einem späten kalten Nachmittag am 1.12.1973. Ich habe ihn getrunken wie Wasser. Irgendwann, sehr schnell am frühen Abend, weiss ich gar nichts mehr und nehme an, in Reinickendorf übernachtet zu haben.“
„Der typische Filmriss!“
„Ja, mein erster in meinem Leben. Ob ich wie viel erbrochen habe, weiss ich nicht mehr. Am nächsten Tag hatte ich einen furchtbaren Kater und schwor mir, nie, nie mehr weißen Bacardi trinken zu wollen!“
„Hast du das eingehalten?“
„Ja! Bis heute! Es gab ja genügend alkoholische Alternativen!“
„Wir sind dann alle zum Ku-Damm gefahren und mit vielen anderen Berliner mitten auf der Fahrbahn spazieren gegangen. Mein Kopf dröhnte und es hämmerte gegen meine Schädeldecke. Vielleicht, weil es so kalt war, sind wir dann ins Kino. Ein denkwürdiger Film, der zu meiner Sucht vortrefflich passte: Stanley Kubricks ‚Uhrwerk Orange‘!“
„Vielleicht finden wir noch die Kinokarte im Archiv?“, feixte Al. Was war er doch für ein penibler Turmschreiber!
Leydicke oder die Konfrontation mit der Droge7
Studentische Steppenwölfe rotteten sich zusammen. Landsmannschaften wurden gebildet und das auch noch in den post-68er Jahren in einem geteilten Berlin. Offensichtlich trieb sie ihr ähnlich klingendes, Dialekt gefärbtes Deutsch zusammen. Das ist zumindest die einzige Erklärung, die Felix, einer dieser Steppenwölfe und Al, sein schreibender Bruder in der Diskussion viel, viel später schmunzelnd über dieses Thema fanden. Dieser Gleichklang oder besser gesagt Ähnlich-Klang der Aussprache. Zu allen Zeiten brachte dies wohl die Erstsemester in den Unistädten des Landes zusammen. Im achtzehnten Jahrhundert waren die Landsmannschaften so gar die progressiven Vorreiter einer neuen Zeit, der deutschen Einheit und damit verbundenen der damals viel gepriesenen Freiheit, die dann doch noch lange auf sich warten liess. Aber das ist lange her. In Berlins Post-68-Zeiten wurden diese Burschenschaften mit Vokabeln wie ultrakonservativ oder gar revanchistisch belegt. Die progressiven Kräfte kamen aus einem anderen Lager, damals. Aber dieses Lager sollte dann auch wieder in Verruf kommen, mit dem Aufkommen der RAF.