Ich liebe einen Soziopath 2. Teil - Petra S. Rosé - E-Book

Ich liebe einen Soziopath 2. Teil E-Book

Petra S. Rosé

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Beschreibung

Im 1. Teil konnten Sie Steffi kennenlernen und mit ihr lieben und leiden, sie bewundern oder kritisieren. Sie kämpfte um ihre Liebe. Auch hier im 2. Teil will sie Tomas nicht aufgeben, getragen von ihrer Hoffnung, dass die Psychologin alles medizinisch Mögliche tun wird, um die kranke Psyche von Tomas zu heilen. Seine Fortschritte sind nur klein, aber jeder Rückfall in alte Verhaltensmuster und jedes Hervortreten seiner schlechten Eigenschaften werden von Steffi als riesiger Rückfall empfunden. Sie erzählt der Psychologin in einer Einzelsitzung einige Beispiele und die Psychologin ist auch erschrocken, gibt Steffi recht und wieder Hinweise, wie sie sich verhalten soll. Kraft tanken kann die junge Frau, wenn sie mit ihren Freunden etwas unternimmt, was Tomas immer mehr missfällt, obwohl diese Vergnügungen schon viel weniger geworden sind. Steffi sieht sich vor die Wahl gestellt, entweder bei ihren Eltern auszuziehen, um freier zu sein, und mehr Zeit zu haben oder sich von Tomas zu trennen. Tomas will seine Freundin nicht verlieren, denn auch er liebt sie und versucht sie auf seine Weise zu halten.

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Inhaltsverzeichnis

Was bisher geschah

Samstag, der 10. November

Unser Dienstag und der Rest der Woche

Tamaras Geburtstag

Die Tage bis zum Umzug

Umzug am Freitag, dem 30. November

Im Dezember des Jahres angekommen

Weihnachtliches und Psychologisches

Letzte Tage bis Weihnachten

Feiertage und Jahreswechsel

Neues Jahr, neues Glück?

Die erste Fete im neuen Jahr

Das neue Jahr nimmt Fahrt auf

Verstärkte Wohnungssuche

Ein Wohnungsangebot ist da

Wieder ein Umzug

Liebe Leserinnen und lieber Leser,

Urheberrecht

Impressum

Ich liebe einen Soziopathen

2. Teil

erweiterte Auflage

von

Petra S. Rosé

Text Copyright 2016/2018/2021

von

Petra S. Rosé

Alle Rechte vorbehalten

Fotos von CC0 Creative Commons Pixabay

Was bisher geschah

Steffi, eine 33-jährige Frau aus Berlin, ist mit einem Taxi auf dem Weg nach Hause. Der Taxifahrer gibt ihr seine Visitenkarte und ermuntert sie mal anzurufen. Er heißt Tomas, ist 38 Jahre alt und auf der Suche nach einer neuen Freundin. Die Frau auf der Rückbank seines Taxis gefällt ihm.

Auch Steffi ist auf der Suche nach einem neuen Partner. Sie wohnt nach einer gescheiterten Beziehung wieder bei ihren Eltern.

Steffi nimmt das Angebot wahr und versucht über den Mann, der ihr so zufällig begegnet ist, telefonisch mehr zu erfahren.

Da Tomas am Telefon sehr wortkarg ist und kaum etwas von sich preisgibt, geht Steffi auf eine Verabredung ein.

Leider stellt sich bereits beim ersten Date heraus, dass Tomas Verhaltensweisen an den Tag legt und Ansichten hat, die für Steffi weder zu verstehen, noch zu tolerieren sind.

Es gibt nur einen Tag in der Woche, an dem sie sich nachmittags und abends treffen können. Beide einigen sich für ihre wöchentlichen Verabredungen auf den Dienstag, nach Steffis Arbeit im Büro. Mehr ist nicht drin, weil Tomas noch zwei Jahre lang eine Bank bedienen muss, von der er den Kredit für sein Taxi bekommen hat und deshalb jeden Tag, auch am Wochenende fahren muss. Steffi ist der Meinung, wenn die Stunden an jedem Dienstag effektiv genutzt werden, können sie sich trotzdem kennenlernen und eine Beziehung führen.

Den anstrengenden Arbeitstagen geht für Steffi jede Woche ein Sonntag voraus, an dem sie ihren Eltern in Haus und Garten helfen muss. Der Sonntag ist ihr deshalb verhasst. Diese Belastung versucht Steffi auszugleichen, indem sie sich fast jeden Samstag mit ihren Freunden zum Feiern trifft und die unterschiedlichsten Lokale und Veranstaltungen Berlins besucht.

Außerdem freut sich Steffi auf jeden neuen Dienstag mit Tomas, kehrt aber meist enttäuscht nach Hause zurück. Trotzdem versucht sie weiterhin, ihrem neuen Freund etwas näher zu kommen, auch telefonisch. Doch wenn sie mehr sie auf ihn zugeht, weicht er zurück.

Steffi hatte sich bereits verliebt, bevor die Beziehung intim geworden ist. Aber auch Tomas hat Gefühle für seine neue Freundin entwickelt.

Nach einem erneuten Tiefschlag innerhalb der Beziehung recherchiert Steffi im Internet und kommt zu der Erkenntnis, dass Tomas ein Soziopath sein könnte.

Sie sucht eine Paarberaterin auf, die studierte und promovierte Psychologin ist und mit modernen Methoden arbeitet.

Es gelingt den beiden Frauen, dass Tomas sich zu einer Anhörung und Rückführung in die Kindheit unter Hypnose zur Verfügung stellt. Es wird von medizinischer Seite aus bestätigt, was Steffi befürchtet hatte: Tomas ist ein Soziopath, aber zum Glück ist ein Soziopath kein Psychopath, was sehr viel schlimmer wäre.

Merkwürdigerweise kann er sich der Psychologin gegenüber öffnen und über seine Kindheit und sein bisheriges Leben sprechen.

Trotzdem benimmt sich Tomas seiner Partnerin gegenüber weiterhin sehr launisch, cholerisch und sprunghaft in seinen Verhaltensweisen. Er begründet das mit der Tatsache, dass ihm seine Wohnung gekündigt wurde und spricht von Nikotinentzug, weil er aus finanziellen Gründen aufgehört hat zu rauchen. Als Steffi bemerkt, dass er weiterhin raucht und sie über Wochen hinweg belogen hat, will sie sich endgültig von ihm trennen. Doch er lässt das nicht zu, weil er Steffi liebt und erkannt hat, wie wichtig diese Beziehung für ihn geworden ist.

Samstag, der 10. November

Aufgeregt nebeneinander herlaufend, lassen Steffi Malorny und ihr Freund Tomas Jörgens Meter für Meter des Bürgersteigs hinter sich, bis sie vor dem Hauseingang stehen, hinter dem sie gleich verabredet sind. Feiner Regen berieselt die beiden.

Tomas hat nachts keine Fahrgäste befördert, um heute früh, um zehn Uhr, die Schlüssel für seine neue Wohnung vom Hausverwalter in Empfang zu nehmen. Er drückt auf den zur Wohnung gehörenden Klingelknopf und lauscht der Wechselsprechanlage. Keine Antwort.

Steffi sieht auf ihre Uhr und sagt, um die angespannten Nerven zu beruhigen:

„Es ist ja auch noch Zeit.“

Mit ärgerlichem Gesichtsausdruck zündet sich Tomas eine Zigarette an. Das Paar schweigt.

Steffi klingelt erneut.

Nach einer kurzen Pause ertönt die Stimme des Hausverwalters:

„Wer ist da?“

„Ich bin es, Tomas Jörgens“, antwortet er und schnippt rasch den Rest der Zigarette auf den Fahrdamm.

Der Summer funktioniert. Tomas drückt die Tür auf und eilt zum Fahrstuhl. Seine Freundin folgt ihm.

Hoffentlich klappt das jetzt alles, denkt sie, während der Fahrstuhl nach oben rumpelt. Tomas hat mit Hilfe seiner Psychologin bereits Fortschritte erzielt, doch so eine Niederlage würde vermutlich die Heilerfolge zunichtemachen.

Startklar steht der Verwalter in der Tür. Er gibt beiden die Hand und beginnt dann sofort mit einem Rundgang durch die einzelnen Räume. Es riecht neu, und vieles ist auch neu, das Laminat zum Beispiel und die Sanitärkeramik im Bad.

Wie bei der Übergabe des Mietvertrages vereinbart, wird die Wohnung zwar zwanzig Tage früher, aber dafür nur besenrein übergeben.

Steffi fallen ein paar Flecke am Fußboden auf. Das Balkongitter und die Fenster sind nicht gestrichen.

Ohne Diskussion übernimmt der Hausverwalter alles, was beanstandet wird, in ein vorbereitetes Übergabeprotokoll.

Bis jetzt sieht es ja so aus, als wenn die Wohnung heute übergeben wird, hoffentlich geht das so positiv weiter, denkt Steffi.

Die Zählerstände werden abgelesen und aufgeschrieben. Alles ist stimmig. Auf dem Fensterbrett der Küche erfolgt dann ohne Vorrede die Unterschriftsleistung und Tomas übergibt schnell die erste Rate der Kaution.

Jetzt holt der Verwalter die Schlüssel für Wohnung, Haustür und Briefkasten aus seiner Kitteltasche und Tomas greift sofort zu. Ein Exemplar des Übergabeprotokolls und die Hausordnung bleiben liegen, bevor alle in den Keller fahren.

In dem Keller ist nichts Besonderes. Er ist leer und sieht aus wie bei der letzten Besichtigung. Die Seiten sind besser gesichert als die Tür, welche nur durch ein Vorhängeschloss geschlossen werden kann. Das Schloss fehlt. Der Raum ist fensterlos.

Der Verwalter verabschiedet sich hastig mit Handschlag und spricht von einem Samstag, von dem er noch etwas haben will und dass seine Telefonnummer ja bekannt sei.

Tomas und Steffi fahren wieder nach oben.

In der Wohnung angekommen stellt sich Steffi auf Zehenspitzen, damit sie an den Mund, des fast 195 cm großen Tomas auch heranreicht. Beide umarmen sich erst mal und küssen sich. Sie sind unbeschreiblich froh, dass jetzt alles in Sack und Tüten ist. Das Geld für das erste Drittel der Kaution hat Steffi geliehen.

„Eigentlich sollten meine Schwester Tamara mit ihrem Mann Karlheinz und ein guter Kumpel von mir an diesem Wochenende schon zum Helfen erscheinen. Aber das ist alles Quatsch. Ich habe das auf den 1. Dezember umgepolt, wenn ich sowieso mit allem aus der Wohnung raus sein muss. Heute machen wir beide allein eine kleine Umzugstour innerhalb Berlins von meiner alten Wohnung in Lichtenrade zu dieser neuen hier, nach Friedrichshain.“

Tomas schließt sein neues Reich sorgfältig ab.

Unterwegs lotst er seine Freundin, wie auf der Straße kurz besprochen, noch schnell zu Mc Donalds. Mehr froh als satt fahren beide weiter.

In der Wohnung von Tomas angekommen, fällt ihm ein:

„Ich weiß gar nicht, was wir einpacken sollten, weil ich alles hier noch brauche.“

„Mein Vorschlag ist, etwas zum Saubermachen und zum Fensterputzen mitzunehmen, Besen Eimer, Lappen zum Beispiel. Dann würde ich ein paar Handtücher, Seife und Duschgel eintüten. Am allerwichtigsten ist natürlich auch ein Aschenbecher für den Balkon“, meint Steffi.

„Ich stimme dir zu, würde aber jetzt schon mal ein paar Kartons aus dem Keller holen. Das kann ich alles eins zu eins in den dortigen Keller einschließen, weil ich bereits ein Vorhängeschloss gekauft habe“, entgegnet Tomas.

„Musst du denn die Kartons nicht noch durchsehen? Da kann doch sicher einiges weg.“

Das Gesicht von Tomas verfinstert sich:

„Das ist genau das, was ich an dir so hasse. Wenn ich etwas sage, musst du grundsätzlich widersprechen und mit einem neuen Vorschlag aufwarten.“

Steffi ist erschrocken:

Wieder so ein Stimmungsumschwung innerhalb von Sekunden, wegen so einer banalen Angelegenheit. Wie reagiere ich jetzt richtig?

Sie nimmt ihren erschrockenen Blick aus seinem Gesicht und sagt:

„Wir wollen jetzt nicht streiten. Lass uns einfach nach unten gehen und die Autos beladen.“

Doch Tomas hört nicht auf:

„Da vergeht mir die Lust, wenn du jetzt im Keller anfängst zu diskutieren, ob dieses mit muss oder jenes.“

„Wie kommst du denn darauf, dass ich diskutieren könnte. Es ist dein Umzug und es sind deine Sachen.“

Tomas will schon loslaufen, da sagt Steffi:

„Wir müssen doch noch raus suchen, was wir in der neuen Wohnung zum Putzen und im Bad brauchen.“

Immer noch wütend begibt sich Tomas in den Schlafraum, läuft dann ins Bad und hat schließlich eine Plastiktüte voll. Dann begibt er sich in die Nische auf der Diele, wo er unter anderem diverse Artikel zum Saubermachen lagert, packt alles Mögliche in einen Zwölf-Liter-Eimer und wirft ihn gereizt seiner Freundin zu. Zum Glück kann sie den Eimer fangen und halten.

„Wenn ich nun noch einen Besen und eine kleine Schaufel bekommen könnte, wäre ich zufrieden für heute.“

„Hier“, herrscht Tomas seine Freundin an.

Sie verlassen die Wohnung, laufen die Treppe herunter bis auf den Hof und verstauen das Putzzeug gleich im Taxi. Tomas parkt auf seinem Stellplatz und Steffi holt ihren kleinen Honda Civic von der Straße und stellt sich einfach in die Gasse zwischen die Stellplätze, in der Hoffnung, dass jetzt keiner kommt, der raus fahren will.

Die Kisten aus dem Keller sind zum Teil so schwer, dass sie zu zweit getragen werden müssen. Aber vom Keller aus, durch den Eingang bis auf den Hof ist schon der kürzeste Weg. Wenn nur der Regen nicht wäre.

Keiner spricht. Irgendwann ist es vollbracht. Beide Autos sind bestückt und das Paar macht sich auf den Weg zur neuen Wohnung, um alles wieder auszuladen.

Es ist erst nach siebzehn Uhr und damit noch Zeit, aber Steffi hat keine Lust mehr, noch alle Räume der neuen Wohnung zu wischen. Das Fensterputzen erübrigt sich aufgrund des Wetters.

Bleibt noch der Schlafraum. Der ist klein, und wenn in der nächsten Woche die Möbel kommen, sollte der Fußboden gewischt sein.

Während Steffi wischt, hält sich Tomas auf dem Balkon auf. Sie muss mehrmals das Wasser wechseln. Entweder ist das Laminat so schmutzig oder es färbt. Nach dem vierten Wasserwechsel hört sie einfach auf und denkt an den schönen Spruch:

Hausarbeit kann nicht fertig sein. Man muss sie beenden.

Inzwischen sind ihre langen, immer noch goldblonden Haare nur von der Zimmertemperatur fast trocken geworden.

Tomas lobt das saubere Laminat und schlägt vor zum gemeinsamen Abendessen irgendwo einzukehren.

Sie fahren mit dem Fahrstuhl nach unten. Tomas fährt das Taxi nach draußen und hält in der zweiten Reihe und Steffi übernimmt mit ihrem Auto den Stellplatz von Tomas.

So ein Stellplatz ist eigentlich sein Geld wert, denn der Mieter kann ihn sowohlfür sich selbst als auch für seinen Besuch nutzen, denkt sie.

Zufrieden setzten sich beide ins Taxi und suchen langsam rollend nach einer kleinen Gaststätte. Von außen sieht es an einem Restaurant mit großen Schaufenstern ganz nett aus. Steffi steigt aus, geht hinein, kommt mit erhobenem Daumen wieder raus und Tomas fährt los, um einen Parkplatz zu suchen. Es gibt nur noch einen freien Vierertisch, den Steffi jetzt besetzt. Als Tomas den Gastraum betritt, macht er zwar ein paar Bemerkungen über die Tischauswahl und das Speisenangebot, aber ansonsten klingt der Abend noch harmonisch aus. Sie stoßen mit Quellwasser an und essen ein Bauernfrühstück. Steffi, verdrängt, dass sie Vegetarierin ist. Sie lässt den Schinkenspeck, dort wo er eingebacken ist, und isst ihn einfach mit, weil sie Tomas nicht unnötig reizen will.

„Ich werde mich wohl an die einfache Gastronomie in dieser Gegend gewöhnen müssen. Heute muss ich unbedingt fahren. Ich habe das Geld für den Kleinbus, der den Umzug machen soll, noch nicht zusammen“, erklärt Tomas.

„Du warst doch gestern bei deiner Psychologin. Erzähl mir mal, was ihr gemacht habt.“

„Dazu habe ich jetzt keine Lust. Das ist sehr anstrengend immer alles ins Gedächtnis zurückzuholen, was da passiert.“

„Na gut, dann vertagen wir das auf Dienstag. Da du am Montag zum Antiaggressionstraining bist, hast du gleich doppelt so viel zu erzählen.“

„Habe heute wieder einen Brief von dem Anwalt meiner Vermieterin bekommen. Werde zur sofortigen Zahlung der rückständigen Miete aufgefordert, und er droht mir mit Kontopfändung. Alles wegen dieser Schlampe, die es wagt, im Vollbesitz ihrer Arroganz einen Anwalt einzuschalten“, grollt Tomas vor sich hin. „Das hat sie nicht umsonst getan. Ich kenne Orte, wo die keiner findet, nachdem ich sie umgebracht habe.“

„Jetzt hör doch mal auf. Wir sind hier nicht allein. Das glaubt sonst noch einer. Ich wollte noch von dir wissen, ob der Termin für die Möbellieferung steht?“

„Ja, die Möbel kommen am Donnerstagnachmittag, ab vierzehn Uhr. Das ist der 15. November. Da kann ich sogar noch ein paar Stunden schlafen. Ab Dezember muss ich mit der Ratenzahlung beginnen.“

Tomas bestellt beim Kellner die Rechnung.

„Betrachte dich als eingeladen“, sagt er.

Steffi kann sich nicht verkneifen zu sagen:

„Oh, womit habe ich das verdient?“

Wieder verfinstert sich das Gesicht von Tomas:

„Du musst, bevor wir uns trennen, mindestens eine süffisante Bemerkung machen. Ich habe heute die Schlüssel für meine neue Wohnung erhalten, und aus diesem Anlass wollte ich dich einfach mal einladen, bevor ich wieder an die Arbeit muss.“

„Vielen Dank. Es war schön heute, und wir haben auch etwas geschafft.“

„Dieses Wort „schaffen“ in allen Variationen, kann ich auch nicht mehr hören“, meckert Tomas erneut.

Das Paar verlässt das Lokal und Tomas fährt zum Haus zurück, damit Steffi ihr Auto holen kann. Beide verabschieden sich friedlich mit Umarmung und Kuss.

„Wir treffen uns am Dienstag in meiner alten Wohnung“, sagt Tomas noch.

Steffi tritt die Heimfahrt an. Die Straßen sind nicht voll.

Da werden meine Eltern keinen Grund zur Sorge haben, weil ich ja heute schon vor zweiundzwanzig Uhr zu Hause bin.

Tatsächlich. Als Steffi das Haus betritt, kommt die Mutter ihr auf der Diele der unteren Wohnung entgegen und ruft:

„Schön, dass du schon da bist. Da können wir gleich mal besprechen, was es morgen alles zu tun gibt.“

Die Tochter bleibt auf der Diele stehen, passt aber gar nicht auf.

Das höre ich mir morgen beim Frühstück alles nochmal an, denkt sie. Warum wird es eigentlich von Sonntag zu Sonntag immer schwerer, das ständige Aufgabendiktat meiner Eltern zu ertragen?

„Ich bin müde und möchte jetzt schlafen gehen“, bremst Steffi den Redeschwall der Mutter aus. „Gute Nacht.“

„Gute Nacht, ich rufe dich Morgen um acht zum Frühstück.“

Steffi eilt die Treppe nach oben, schließt ihre Einliegerwohnung auf, klappt hinter sich die Tür zu, riegelt ab und lehnt sich erschöpft dagegen. Sie holt ein leeres Wasserglas und eine angefangene Flasche Weißwein aus dem Kühlschrank und gießt erst mal das Glas voll. Nach ein paar großen Schlucken geht es ihr schon besser.

Gleich anschließend duscht sie und sitzt dann mit ihrem Tagebuch im Bett und notiert die Tagesereignisse.

Die Wohnungsübergabe ist reibungslos gelaufen. Damit fällt eine große Last von meinem Herzen und von unserer Partnerschaft ab. Seit sich Tom in der Obhut seiner Psychologin befindet, hat sich sein Verhalten mir gegenüber verbessert. Er ist kontaktfreudiger geworden, was das Telefonieren und SMS-Schreiben anbetrifft, und er geht mehr aus sich heraus, zeigt auch mal positive Gefühle. Warum ist diese Reizbarkeit immer noch da? Warum hat er keinen Sinn dafür, dass ich es nur gut und praktisch meine, wenn ich einen Vorschlag mache? Warum hört dieses krankhafte Vermeckerte nicht auf?

Neben ihrem Bett stehen der Kühler mit dem Wein und das Wasserglas.

„Prost Tom“, ruft Steffi in den Raum, schließt ihr Tagebuch wieder in der Kassette ein, legt sich zurück ins Bett und schaltet den Fernseher ein, der sich an der Wand befindet.

Sie schläft ein und wacht nach zwei Stunden wieder auf, weil die Blase drückt. Als sie aus dem Bad kommt, überlegt sie noch, ob sie jetzt versucht, ohne TV-Gerät weiterzuschlafen oder, ob sie lieber noch auf den Bildschirm starrt. Sie entscheidet sich für Letzteres. Nachts laufen immer die besten Sendungen.

Durch das Klopfen ihrer Mutter an der Wohnungstür wird Steffi aus dem Schlaf gerissen, den sie gerade erst gefunden hatte.

„Ja“, ruft sie rasch.

Wie meistens sonntags hat sie kein Weckradio eingestellt und dadurch verschlafen. Jetzt kann nicht mehr geduscht werden, sondern sie muss schnell irgendwas anziehen und nach unten laufen, sonst wird ihr Vater sauer.

Mit dem Frühstück hat sich ihre Mutter viel Mühe gegeben, wie jeden Sonntag. Bevor alle fertig sind, erläutert die Mutter nochmal, was zu tun beziehungsweise, was nicht zu tun ist:

„Zum Gardinenwaschen ist es noch zu früh. Die sollen erst zum 1. Advent fertig sein, aber es müsste Wäsche geplättet werden oder dringend ein Kellerraum aufgeräumt werden.

Steffi möchte lieber plätten. Im Keller war sie ja gestern erst. So kommt es dann auch. Es gibt einen Stapel Tischdecken, Geschirrtücher, Taschentücher und Schürzen ihrer Mutter. Die Tochter plättet grob vor und die Mutter macht den Feinschliff in Form der totalen Glättung. Es ist friedlich im Wohnzimmer. Der Vater liest Zeitung und der Hauskater Romeo liegt im Sessel auf seiner Decke.

Irgendwann geht die Mutter in die Küche, um das Sonntagsmenü fertig zu stellen, womit sie bereits gestern begonnen hatte.

Als hätte jemand geholfen, die Wäsche zu glätten, schafft Steffi es, kurz vor dem Essen fertig zu sein. Das könnte bedeuten, dass sie den Nachmittag für sich hat.

Tatsächlich verkündet ihre Mutter:

„Ich räume nachher alles weg, dann brauchst du am Nachmittag nichts mehr helfen und kannst dich um deinen eigenen Haushalt kümmern.“

Nach einer kurzen Mittagsruhe, telefoniert Steffi, wie fast jeden Sonntag, mit ihren Freunden.

Ich musste mir am Handy anhören, dass ich gar keine Zeit habe, seit Tom da ist. Was auf die letzten Monate ja auch zutrifft, aber irgendwie kommt es mir so vor, als wenn die Gruppendynamik schwächelt. Woran kann das liegen? Natürlich ist dieser oder jener sauer, dass ich jetzt nicht mehr jeden Samstag dabei bin, wenn sich meine Freunde in Berlin amüsieren. Das wird auch noch eine Weile so bleiben. Aber, was könnte es sonst noch für Gründe geben?

Steffi hat schon öfter darüber nachgedacht. Weil sie nicht weiß, was hinter ihrem Rücken auf der Party passiert ist und welche Intrigen Tomas da zu schmieden begonnen hat, kann sie auch zu keinem Ergebnis kommen. Heute am verhassten Sonntag, gibt ihr der zu erwartende Dienstag Kraft.

Den Montag im Büro blendet sie gedanklich einfach aus.

Unser Dienstag und der Rest der Woche

Steffi verlässt, wie immer am Dienstag, früher als die anderen Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz im Büro. Sie arbeitet dafür an mehreren Tagen vor, was nicht nur sie selbst, sondern auch eine Kollegin akribisch notiert.

Jetzt ist sie in ihrem Honda unterwegs, auf dem Weg vom Zentrum Berlins in die alte Wohnung von Tomas, also bis nach Berlin-Lichtenrade.

Heute muss ich sehen, dass sich die Stimmung von Tom positiv entfaltet, damit er mir erzählt, was bei seiner Psychologin gelaufen ist und wie es ihm beim Antiaggressionstraining ergangen ist. Ob er mit vollgepacktem Auto in seine neue Wohnung fahren möchte, weiß ich noch nicht. Ich werde mich nach ihm richten, wie immer.

Auf der Diele seiner alten Wohnung angekommen, ist die Begrüßung herzlich und Tomas fragt gleich, ob sie lieber Wasser oder Espresso trinken möchte.

Nach drei Minuten sitzen beide mit einem Kaffeebecher auf dem Sofa. Tomas beginnt sofort zu erzählen, wie erleichtert er sich fühlt, jetzt die Schlüssel für die neue Wohnung zu haben.

„Es hätte rein rechtlich auch so sein können, dass ich nicht früher in die Wohnung kann oder dass der ganze Mietvertrag rückabgewickelt wird. Aber das ist zum Glück nicht passiert. Damit bin ich jetzt stolzer Nutzer von zwei Wohnungen. Was für ein neureicher Gedanke…“

„Du wolltest mir berichten, was deine Psychologin am Freitag und am Montag mit dir gemacht hat.“

„Deine Fragerei nervt. Die Frau Dr. Stuckrat, hat wieder Situationen konstruiert und mich dann gefragt, wie ich mich verhalten würde.“

„Weißt du das noch genauer?“

„Es ging um eine Familienfeier. Da gab es nun Alkohol, den ich nicht trinke, Musik, die ich nicht hören will und Gäste, die nur irgendwelche lebensfernen, spießigen Sätze gelabert haben. Was auf dieser erdachten Feier alles passiert, liest sie zum Teil von Karteikarten ab. Ich sollte nun schildern, wie ich mich verhalte. Ein Tonband läuft ständig mit. Was ich gesagt habe, will sie erneut alles auswerten, und dann wird sie bei meinem nächsten Besuch nochmal mit mir darüber sprechen.“

„Interessant. Das hat dich vielleicht an meine Party im August erinnert?“

Auf die Frage nach der Erinnerung an Steffis Party, geht Tomas zunächst nicht ein.

„Nun erzähle mir noch, wie lief das beim Antiaggressionstraining?“

„Da war ich ja erst zum zweiten Mal. Wir saßen wieder alle im Kreis. Jeder musste eine Namensspange tragen, wie bei deiner Party, wenn dir dieser Zusammenhang so gefällt. Der psychologisch geschulte Trainer, ein studierter Herr Müller, ruft dann nochmal für alle in Erinnerung, was man machen kann, wenn man spürt, dass Aggression aufkommt. An erster Stelle steht, aus der Situation gehen. Man soll aus der Tür laufen, auf den Hof gehen, das Auto oder die Bahn verlassen, den Supermarkt oder das Postamt verlassen und so weiter. Das ist natürlich nicht jedes Mal möglich. Wenn man immer das Postamt verlässt, weil aufgrund der Warteschlange Aggression aufsteigt, dann wird man wohl seine Angelegenheiten da nicht regeln können. Ebenso im Supermarkt. Dann kann man eben nicht einkaufen, wenn man es nicht schafft, sich bis zur Kassiererin nach vorn zu warten.

Viele teilnehmende Personen macht es eben aggressiv, wenn Menschen so dicht an dicht stehen, nicht nur in einer Warteschlange, sondern auch in vollen Verkehrsmitteln.

Der Trainer Müller hat uns da was von einem Intimkreis erzählt, der zwangsläufig in so einer Situation von Fremden durchdrungen wird. Dann teilte er anwesende Männer ein, die verbal provozieren sollten und einen, der sich verbal verteidigen sollte. Manchmal musste er das Spiel unterbrechen, damit es nicht zu Handgreiflichkeiten kommt.“

Steffi hat aufmerksam zugehört, aber sagt und fragt lieber nichts, um Tomas nicht aufzuregen.

„Komm Steffi, wir gehen jetzt ins Bett“, ruft Tomas plötzlich und genau wissend, dass sie nicht nein sagen wird.

Es dauert noch, bis beide so weit sind. Wie meistens liegen sie zunächst nackt nebeneinander und unterhalten sich.

„Das wird vielleicht das letzte Mal sein, dass wir hier in diesem Doppelbett liegen, denn ich lasse es morgen von der Sperrmüllabteilung der Berliner Müllabfuhr abholen und schlafe dann im Wohnzimmer auf dem Sofa.“

„Ich liebe dieses Bett“, schwärmt Steffi. „Hier haben wir das erste Mal miteinander geschlafen, und hier haben wir gut Platz.“

„Deshalb werden wir es heute noch intensiv nutzen, und demnächst werden wir uns an anderen Plätzen amüsieren müssen, wo du erneut deine Elastizität unter Beweis stellen kannst. Ich liebe elastische Frauen. Wenn kein Tisch und kein Stuhl mehr bleibt, dann haben wir in beiden Wohnungen noch eine Badewanne. Das würde mir auch gut gefallen.“

„Ich bin dabei, aber erst mal bin ich auf die intensive Nutzung von heute gespannt“, entgegnet Steffi herausfordernd.

Tomas zieht sie näher heran und beide liegen auf der Seite und küssen sich minutenlang, bevor er zum ersten Mal in sie eindringt. Es fühlt sich sehr hart an und Steffi weiß sofort, er hat von dem asiatischen Potenzpulver genommen und damit wird ihre sexuelle Erregung heute mehrfach Befriedigung erfahren.

Genauso funktioniert es auch. Irgendwann bestimmt Tomas, wann Schluss ist.

Wahrscheinlich will er doch noch in seine neue Wohnung fahren, denkt Steffi.

Tatsächlich. Während sich beide nach dem kurzen Duschen anziehen, sagt er:

„Ich habe schon einige Kartons gepackt mit meinen Sommersachen und mit Büchern. Das können wir gemeinsam in die neue Wohnung bringen und dort so stehen lassen. Da habe ich gestaunt, wie viel da zusammengekommen ist. Das ist natürlich lange nicht alles, aber ich konnte nicht mehr einpacken, als wir transportieren können. Die Kisten stehen schon unten im Keller. Zwei Tüten habe ich noch hier oben. Wenn du soweit bist, können wir jetzt starten.“

Nach einem sehnsüchtigen Rundumblick im Schlafraum, lässt sich Steffi eine Tüte zuteilen und beide verlassen die Wohnung.

Wie gehabt fährt das Paar mit den Autos auf den Hof, und nachdem die Kartons aus dem Keller geholt und verstaut sind, fährt jeder für sich Richtung Friedrichshain.

Zum Glück funktioniert der Fahrstuhl zur neuen Wohnung. Um gemeinsam noch etwas zu essen, reicht für Tomas die Zeit nicht. Also trennen sie sich unten hinter dem Haus. Tomas will zum Stamm-Imbiss fahren und danach arbeiten.

Zu den Imbissbuden, wo die Taxifahrer gern essen, wenn sie Pause machen, darf Steffi nicht mit. Sie will jetzt keine Grundsatz-Diskussion anfangen, sondern genießt seine Abschiedsküsse, setzt sich in ihr Auto und tritt die Heimfahrt an.

Nach zwanzig Minuten ist Steffi schon zu Hause. Es ist nach zweiundzwanzig Uhr. Da ist anzunehmen, dass ihre Eltern bereits schlafen, und so ist es auch.

Nachdem sie es bis ins Bett geschafft hat, überlegt sie:

Jetzt wird Tom bestimmt wollen, dass ich am Samstag nochmal zum Helfen komme. Wenn er morgen fragt, mache ich das auch, obwohl ich lieber mal wieder mit meinen Freunden feiern würde.

Wenn die Weihnachtsmärkte offen sind, will ich mit allen dort hingehen. Wir versuchen auf jeden Fall, die großen Märkte zu besuchen. Das ist der am Alex, der am Gendarmenmarkt, der am Charlottenburger Schloss und der am Breitscheidplatz. Meist schaffen wir aber nur zwei oder drei Märkte, weil das Wetter nicht mitspielt.

Gern würde ich auch Tom fragen, ob er mitkommt, aber an einem Samstag macht er das garantiert schon mal gar nicht, weil er sonst Geld vom Wochenendgeschäft einbüßt. Ich versuche dann auf jeden Fall, mit ihm allein zu gehen, und wir suchen uns dafür einen Wochentag aus. Eigentlich habe ich noch Resturlaub, aber den will ich mir aufheben bis ich meine Wohnung habe, denn ansonsten wird es ein Arbeitsurlaub für meine Eltern. Die fangen vielleicht noch an zu renovieren, bevor ich ausgezogen bin.

Steffi schläft nach den anstrengenden Überlegungen erschöpft ein.

Am nächsten Abend will sie ihre Reitbeteiligung auf dem arabischen Vollblut-Pferd, Shakan, nutzen. Der Pensionsstall hat eine Reithalle. Damit ist man weder wetterabhängig, noch auf Tageslicht angewiesen. Die Leidenschaft für Pferde hat sie nie aufgegeben, egal mit welchem Partner sie gerade zusammen war, und sie würde das Reiten erst recht nicht für Tomas aufgeben. Warum erst recht nicht? Weil Tomas außer beim Sex, für wenig Entspannung und Freude sorgt, und da schafft Shakan einen gewissen Ausgleich.

Das Gleiche trifft auch auf ihren Freundeskreis zu. Sie würde sich von niemand trennen wollen. Es sei denn, irgendetwas ist vorgefallen, was einen Grund für eine Trennung liefert.

Genau daran denkt Steffi gerade, während sie im Auto sitzt und zum Reiterhof fährt:

Ein Grund, mich vielleicht von meinen Freundinnen zu trennen, wäre zum Beispiel, wenn eine von ihnen mit Tom geschlafen hätte, ein One-Night-Stand sozusagen. Das wäre sehr bitter für mich, doch dann würde ich mich vielleicht von dieser Freundin trennen, aber nicht von Tom. Damit die Nebenbuhlerin sieht, was er mir bedeutet und dass er mir wichtiger ist als Frauenfreundschaft. Einmal ist keinmal. Sollte es sich aber um mehrfache, heimliche, sexuelle Kontakte handeln, würde ich mich von beiden trennen. Eine Affäre neben der Beziehung, würde für mich heißen, dass er auf mich nicht genug Lust hat, dass ich ihm nicht genüge.

Es gibt aber auch Männer, die nie mit nur einer Bettpartnerin zufrieden sind, sondern die immer mehrgleisig fahren, ständig Abwechslung brauchen. Ich glaube der Oliver ist so ein Mann. Hoffentlich ist Tom nicht auch so, sonst müssten wir eine polymere WG eröffnen, überlegt sie.

Einer gewissen Interesselosigkeit, die in jeder langjährigen sexuellen Verbindung irgendwann eintritt, gilt es vorzubeugen. Ich lege mich mit meinem Partner gern mal in ein Hotelbett oder man könnte auch in den Kurzurlaub fahren. Pornofilme wirken bei manchen Männern wie ein Wunder. Wenn ich exhibitionistisch veranlagt wäre, hätte ich auch kein Problem damit, in einen Swinger-Club zu gehen, wenn es denn hilft. Bisher ist es in der Vergangenheit praktisch nie soweit gekommen, nur in der Theorie wurde das Thema diskutiert.

Steffi löst sich von ihren erotischen Gedanken und konzentriert sich auf die Fahrroute.

Sie verbringt einen wunderschönen, entspannten Abend mit Shakan und fühlt sich vom Pferd anerkannt und geliebt. Ein Gefühl was sicher viele Reiterinnen und Reiter erleben, wenn sie intensiven Umgang mit einem Pferd haben.

Der folgende Donnerstag beginnt und vergeht, wie gewohnt.

Der Zusage des Möbelhauses entsprechend, wurden bei Tomas das Doppelbett mit Bettkasten und der Schrank für den Schlafraum geliefert und aufgebaut, wie Tomas am gestrigen Abend telefonisch nochmal erwähnt hat.

Heute nun, nachdem Tomas ausführlich über das Ereignis des Möbelaufbaus berichtet hat, fällt ihm plötzlich ein, dass er beinahe den Geburtstag seiner Schwester vergessen hätte. Das kommt für Steffi völlig unerwartet, sogar unpassend.

Er sagt dazu:

„Tamara feiert am 17. November ihren siebenundvierzigsten oder achtundvierzigsten Geburtstag und hat uns dazu herzlich eingeladen. Da gehst du mal nicht mit deiner Gang weg, sondern begleitest mich dorthin.“

Steffi möchte am liebsten erwidern, dass sie ihre Freunde schon seit Wochen vernachlässigt hat, denkt aber:

Wenn ich jetzt so kurzfristig mit ihm dahin gehe, dann bin ich schon mal in „Vorleistung“ gegangen, und es wird leichter sein, Tom zu einem Weihnachtsmarktbesuch zu überreden.

„Ja okay, was schenken wir, und wie organisieren wir das mit dem Hinfahren?“

„Also schenken tun wir gar nichts. Meine Schwester hat alles und will nichts mehr haben. Sie weiß auch, dass ich chronisch knapp bei Kasse bin. Treffen können wir uns um fünfzehn Uhr in meiner neuen Wohnung. Dann musst du nicht so weit fahren, und wir brauchen nur mit einem Auto unterwegs sein.“

„Ja weißt du, ohne Geschenk möchte ich da nicht erscheinen. Für einen Präsentkorb habe ich jetzt auch kein Geld, aber ich könnte ihr ja ein Buch kaufen oder eine DVD. Was meinst du?“

„Na, dann mach das. Wir telefonieren morgen wieder. Tschüss, tschüss.“

Nachdenklich legt Steffi das Smartphone beiseite.

Dann muss ich morgen nach der Arbeit mal schauen, was es am Alex gibt. Vielleicht eine DVD oder CD von Loriot? Oder lieber Dieter Hallervorden? Oder Sketche mit Diether Krebs? Ich werde bei Tom per SMS nochmal anfragen. Ja, und dann die leidliche „Klamottenfrage“. Da Tom sich eher selten und nur auf Anfrage äußert, was ihm von meinen Sachen gefällt. Bin ich manchmal unsicher mit dem Anziehen.

Nun hat Tom seine neue Wohnung schon tagelang, und ich wollte eigentlich an jedem Tag danach erneut beginnen, mich selbst nach einer neuen Wohnung umzuschauen. Immer kommt etwas dazwischen. Da der Samstag nun auch dafür ausfällt, werde ich einfach heute mal theoretisch damit anfangen.

Steffi holt nochmal die alte Karte hervor, auf der sich bereits ein Zirkel befindet. Innerhalb des Zirkels liegt die Straße, in der sie jetzt mit ihren Eltern wohnt und die Straße, wo sich die Firma befindet, für die sie arbeitet. Dann kreuzt sie an, wo Thomas jetzt hingezogen ist, und vergrößert den Kreis. Irgendwo in diesem Kreis sollte ihre neue Wohnung liegen.

Sie öffnet ihren Laptop, klickt das erste große Internetportal an und prüft nochmal ihre Suchanfrage. Danach schaut sie auf einige vielversprechende Exposés, aber wenn sie sich das genauer ansieht, stimmt es mit ihren Wunschkriterien nicht so überein. Genauso war es ja bei der Wohnungssuche von Tomas auch. Bei Steffi fehlt oft die Einbauküche. Die besten Angebote liegen natürlich außerhalb des Kreises. Zwei weitere große anders aufgebaute Portale haben auch tausende von Wohnungen im Angebot, und auch hier richtet sie sich ein.

Ich will mal zusätzlich nach Kleinanzeigen schauen, die unter dem Aspekt „Nachmieter gesucht“, geschaltet werden.Da gibt es bei eBay-Kleinanzeigen ein Portal und hinter den Eingangstüren einiger Supermärkte befinden sich Wandbretter, wo auch Wohnungen angeboten werden. Am Wochenende werde ich mit der theoretischen Vorbereitung fortfahren.

Tamaras Geburtstag

Gut gelaunt steht das junge Paar am Samstagnachmittag in der achten Etage vor Tamaras Wohnungstür. Steffi hat eine Edition mit sechs DVDs von Loriot mit all seinen Fernsehproduktionen besorgt und verpackt. Vier lange Chrysanthemen in Gelb und in Weiß, machen einen sehr imposanten Eindruck. Die Blumen hat sie heute noch gekauft, bevor sie zu Tomas neuer Wohnung gefahren ist, wo sie sich verabredet hatten.

Ein Gast öffnet den beiden die Tür. Auf der kleinen Diele ist jeder Haken und jeder Kleiderbügel besetzt. Tamara kommt aus der Küche gestürmt und nimmt die Gratulationen, das Geschenk und die Blumen entgegen.

„Danke, danke. Ich wollte doch nichts haben“, sagt sie und dann: „Legt mal im Schlafzimmer ab.“

Tomas weiß, hinter welcher Tür das ist. Auf der Tagesdecke des Doppelbetts liegt schon andere Garderobe. Im Wohnzimmer angekommen scheinen alle Sitzplätze bereits belegt. Beide klopfen nur auf den Tisch, um sich nicht überall vorstellen zu müssen. Tamara hat die Chrysanthemen in einer Vase auf dem Balkon untergebracht und holt von dort zwei Klappstühle.

Ein Blick in sein Gesicht lässt Steffi erkennen, dass Tomas schon wieder sauer ist. Ein Teil der Besucher hat schon Kaffee getrunken, andere sind noch dabei. Tamara bringt zwei gefüllte Kaffeetassen aus der Küche.

„Was möchtet ihr essen, Torte oder Kuchen?“

„Unter den Bedingungen gar nichts“, lässt Tomas verlauten und trinkt schnell, den nur noch warmen Kaffee aus, ohne Steffi zu fragen, ob sie anderer Meinung ist.

Keiner der Gäste bietet seinen Platz zum Tausch an. Ein kleiner Stehtisch ist nicht vorhanden.

Tamara hat Bedenken, dass ihr Bruder wieder gehen könnte, und spricht ein Pärchen an, ob sie nicht mal vorübergehend tauschen könnten. Tatsächlich das unbekannte Pärchen steht auf. Er geht auf den Balkon um zu rauchen und sie anscheinend ins Bad.

Während Tomas noch zögert, ob er das Angebot überhaupt annimmt, hat Tamara schon Teller hingestellt und Kuchengabeln bereitgelegt. Steffi nimmt zuerst Platz und lässt sich ein Stück Sahnetorte auftun.

Weil sämtliche Thermoskannen alle sind, muss Tamara neu brühen. Die verbale Eskalation voraussehend, reicht Steffi dem Tomas ihre noch halb gefüllte Tasse und tut ihm ein Stück Apfelkuchen auf.

In der Küche macht sich Tamara Vorwürfe:

Wie konnte das passieren, ausgerechnet jetzt, wo mein Bruder kommt, sind die Thermoskannen leer? Warum sagt denn keiner was? Bis eine Acht-Tassen-Kanne voll ist, dauert circa zehn Minuten. Hoffentlich bleibt Tom solange bei Laune.

Steffi lobt die Torte und wechselt ein paar Worte mit der Dame, die rechts neben ihr sitzt. Die Frau, der sie ihren Platz verdankt, betritt wieder den Raum und will sich auf einen, der hinter Steffi und Tomas stehenden Klappstühle setzen. Dabei stolpert sie über eine Handtasche.

„Wessen Tasche ist das“, fragt sie.

Alle horchen auf. Steffi macht eine halbe Drehung und schaut auf den Boden.

„Ach, das ist meine“, sagt sie, hebt die Tasche auf und nimmt sie auf ihren Schoß.

Da ist es mit der Beherrschung von Tomas vorbei:

„Warum musst du denn deine Tasche hier mit rein schleppen. Du hast doch gesehen, wie eng das hier ist“, schnauzt er sie laut an.

Alle beenden ihre Gespräche und richten ihre Blicke auf Steffi. Keiner will ihre Reaktion verpassen.

Steffi versucht, die Situation locker zu meistern und entgegnet:

„Ach Schatz, ich habe doch meine Handtasche immer bei mir. Das weißt du doch. Nicht ohne meine Tasche, lautet die Devise. Die ist mir irgendwie von der Stuhllehne gerutscht.“

Zum Glück kommt Tamara mit einer Thermoskanne aus der Küche und fragt:

„Wer möchte noch Kaffee?“

Ohne auf die „Ich-Rufe“ zu achten, füllt sie die Tassen von Tomas und Steffi zuerst. Tomas steht auf, nimmt seine Tasse und geht auf den Balkon, wobei er beinahe mit dem ihm entgegenkommenden Raucher zusammenstößt.

Steffi lässt sich zu einem zweiten Stück Kuchen überreden, denn es ist ihr lieber, jetzt nicht sprechen zu müssen. Die anderen Gäste nehmen ihre Gespräche wieder auf. Der Kuchen ist gegessen, und weil Tamara nicht mehr im Raum ist, steht Steffi auf, um nach ihr zu suchen. Sie findet Tamara in der Küche, die gerade diverse Gläser auf zwei Tabletts stellt. Ihr Mann Karlheinz öffnet diverse Flaschen, weil jetzt auf den Geburtstag angestoßen werden soll.

„Wir sind vierzehn Personen“, sagt die Gastgeberin. „Wir gießen Sekt und Weißwein ein, dann hat jeder noch die Auswahl. Für Tom habe ich FANTA.“

Die beiden Frauen nehmen jeder ein Tablett und Karlheinz holt Tomas vom Balkon, der dort inzwischen mit einem Mann steht und sich unterhält.

Jeder Gast im Wohnzimmer steht auf, nimmt sich ein Glas und alle reden durcheinander und wünschen für das neue Lebensjahr nur das Beste. Das Gläserklingen findet nur vereinzelt statt. Es ist einfach zu eng und deshalb kann eben nicht jeder mit jedem anstoßen.

Karlheinz hat in der Küche neue Flaschen geöffnet und stellt sie im Kühler auf den Tisch. Er selbst trinkt Bier. Ein Paar verabschiedet sich. Es sind wohl Mieter aus dem Haus, denn sie haben weder Jacken noch Mäntel dabei. Damit hat sich das Sitzen in der zweiten Reihe erledigt.

Tamara bringt die Klappstühle wieder auf den Balkon und Steffi und Tomas nehmen die Plätze ein, die eben frei geworden sind.

Steffi unterhält sich mit einem Herrn, der neben ihr sitzt, über die Niveaulosigkeit des TV-Programms. Am liebsten würde sie nochmal aufstehen und beim Abräumen des Tischs helfen, aber weil das Gesicht von Tomas immer noch versteinert aussieht, bleibt sie lieber sitzen und reicht von dieser Position aus der Tamara das benutzte Kaffeegeschirr zu, was diese dann auf einem Tablett zusammenstellt.

Wie zu erwarten war, lockert die Stimmung der Gäste jetzt auf und Tomas wird gefragt, wie denn sein Taxiunternehmen so läuft. Entsprechend seiner schlechten Laune und weil es wahrscheinlich niemand wirklich interessiert, gibt er nur knappe Antworten:

„Noch schlechter als voriges Jahr, weil der Dieselpreis ständig steigt und andere Kosten auch. Der Taxi-Tarif ist derselbe geblieben.“

Jetzt wird er sich gleich wieder in seinen Pessimismus hineinsteigern, denkt Steffi.

Seine Schwester rettet die Situation, indem sie die Gäste nach ihren Wünschen für das Abendessen fragt. Sie verweist dabei auf die Fleischerei ihres Vertrauens, die heute Vormittag diverses kaltes Fleisch aufgeschnitten hat und stellt ihre zum Teil selbstgemachten Salate vor. Ergebnis ist: Alle wollen alles.

Tomas flüchtet erneut in die drei Grad kalten Balkon. Die Dunkelheit da draußen, wird inzwischen von einem kleinen Lämpchen erhellt. Wieder sitzt Steffi allein zwischen den ihr fremden Gästen. Sie zieht es vor, in der Küche zu helfen und den Tisch zu decken. Mit dem Trinken will sie sich zurückhalten, weil sie nicht weiß, wie lange Tomas bleibt, und weil sie ja nach der Geburtstagsfeier noch mit ihrem Auto nach Hause fahren muss.

Im Wohnzimmer geht es schon recht lustig zu. Ein Gast erzählt Witze und Karlheinz sorgt für immer neue alkoholische Getränke.

Steffi öffnet die Tür zum Balkon, um Tomas zum Essen zu rufen. Es wird ruhiger im Raum. Da genug Käse und auch Eiersalat da ist, fällt es niemand auf, dass Steffi vegetarisch isst.

Nach dem Essen gehen weitere Gäste, und es sind mit den Gastgebern nur noch sechs Personen am Tisch. Eine Unterhaltung kommt nicht wirklich zustande. Tamara erzählt von ihren Plänen im neuen Lebensjahr. Alle anderen hören zu.

Irgendwann sagt Tomas bestimmend:

„Wir müssen jetzt gehen.“

„Das ist schade, ich wollte noch hören, wann der Umzug läuft und wann wir uns verabreden“, bedauert Tamara.

„Ich ruf dich an und dann besprechen wir alles.“

Mit großen Schritten läuft Tomas in den Schlafraum und holt beide vorhin dort abgelegte Jacken. Er übergibt der Steffi nur ihre Jacke und hilft ihr nicht hinein, sondern verabschiedet sich kühl von allen Anwesenden und eilt zur Wohnungstür. Steffi beeilt sich, ihm zu folgen, aber als sie raus kommt, ist er nicht mehr da. Sie wartet auf den Fahrstuhl.

Was ist das wieder für eine neue Nummer? Wir sind zusammen gekommen, und er lässt mich hier einfach stehen und geht alleine los. Hoffentlich wartet er unten.

Der Fahrstuhl hält, und es öffnen sich die Türen.

Muss ich nun die 0 drücken oder die 1 oder E oder K, überlegt sie. Ich nehme die 1. Der Fahrstuhl rauscht nach unten. Wenn das falsch ist, kann ich ja den Rest laufen. Hoffentlich ist die Haustür auf. Sonst muss ich wieder hoch.

Der Fahrstuhl hält. Es geht nochmal ein paar Stufen herunter und hier ist auch eine Tür, die offen ist und nach draußen führt, aber außen keine Klinke hat.

Sind wir auch hier reingekommen? Hätte ich gewusst, dass ich allein wieder raus muss, hätte ich mehr darauf geachtet. Hoffentlich steht Tom jetzt hier nicht irgendwo, um mich zu erschrecken.

Ich glaube, das ist eine falsche Tür.

---ENDE DER LESEPROBE---