Ich springe wieder über Pfützen - Angela Pundschus - E-Book

Ich springe wieder über Pfützen E-Book

Angela Pundschus

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Beschreibung

 Mats Hansen, 33 Jahre alt, erfolgreicher Geschäftsführer der MaHa Consulting, Technik-Freak, Fast Food Junkie, Smart Phone abhängig, dem Alkohol und der Zigarettensucht verfallen, erwacht nach einem Zusammenbruch im Krankenhaus. Dort erhält er die Diagnose, wenn er so weiter macht, lebt er nicht mehr lange. Beim Männerabend mit seinem Freund, einem Arzt, geht er eine Wette ein, die sein ganzes Leben auf den Kopf stellen und seine Ansichten zum Leben ändern wird. >Ein Jahr leben in einer Kate am Meer, ohne fließend Wasser, ohne Strom, ohne Telefon, ohne Heizung 

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Angela Pundschus

Ich springe wieder über Pfützen

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Ich springe wieder über Pfützen

Angela Pundschus Ich springe wieder über Pfützen Seite 1 v. 130

 

 

 

 

  

Todesangst

Piep! Piep! Piep! »Scheiß Wecker!«

 

Er zog seinen Arm unter der Decke hervor, schlug in Richtung des Piepens, aber da stand kein Wecker. Verwundert öffnete er die Augen und starrte an die Decke. Wo war der Spiegel? Das musste ein Traum sein. Mats schloss die Augen, schüttelte kurz den Kopf, probierte es erneut. Sie erblickten nur weiße Farbe, kein Spiegel weit und breit. Er drehte den Kopf nach links. Eine Tür, ein Vorhang und schon wieder weiße Wände. Eines wurde ihm klar, er befand sich nicht in seinem Bett. Er ließ den gestrigen Abend Revue passieren, an eine Frau konnte er sich jedoch nicht erinnern. Das verdammte Piepen hörte nicht auf. Sein Kopf pochte. Er drehte sich nach rechts; die Erkenntnis überfiel ihn schlagartig, dies war ein Krankenhausbett und er angeschlossen an ein Überwachungsgerät.

 

Wie kam er hierher und vor allem, was war passiert? Die letzte Erinnerung, die er hatte, war das Anstecken einer Zigarette, während er mit seiner Sekretärin stritt, dann wurde es dunkel. Er musste hier raus. Mats riss sich die Infusionsnadel aus dem Arm, dann die Herztonüberprüfer ab und richtete sich auf. Bevor er aus dem Bett hüpfen konnte, hörte er, wie die Tür geöffnet wurde. Die entsetzte Stimme einer Frau: »Was soll denn das werden, Herr Hansen?« Zwei Dinge geschahen jetzt auf einen Schlag, die Frau kam näher und ihm wurde schwindelig. Fast freiwillig ließ er sich zurück ins Bett fallen. »Was hat Dr. Lohmeyer sich jetzt wieder für einen Scherz ausgedacht? Ich finde es gar nicht lustig. Das können sie ihm gleich mal sagen. Und jetzt will ich hier raus.« »Welcher Dr. Lohmeyer? Kenn ich nicht, der arbeitet hier nicht. Sie wurden heute Morgen per Krankenwagen eingeliefert.« Mats starrte sie fragend an. »Das erfahren sie alles nachher von Dr. Braunhausen.« »Wo ist mein Handy? Ich muss dringend telefonieren.« »Handys sind hier verboten! Außerdem hatten sie keines dabei.« Sie schüttelte sein Bett auf, legte die Infusionsnadel und Pfropfen neu an, dann verließ sie den Raum. Mats schlief erschöpft ein.

 

Ein Klopfen sowie ein vorsichtiges Öffnen der Tür weckten ihn. Seine Mutter. Die hatte ihm gerade noch gefehlt. Sie lächelte ihn an. In der Hand hielt sie eine Tasche. Renate Hansen ging ans Bett ihres Sohnes, streichelte seine Wange; hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn. »Was machst du nur für Sachen, Matse? Dein Vater und ich haben uns echt Sorgen gemacht, als wir heute Morgen von deinem Zusammenbruch erfahren haben. Wie geht es dir, mein Schatz?« Ihre Fragen nervten ihn. Woher sollte er das alles wissen, was sie da von sich gab? »Hast du mein Handy und Tablet mitgebracht?« »Das brauchst du jetzt nicht. Es gibt wichtigere Dinge als Handy und Tablet, zum Beispiel gesund werden. Soll ich dir etwas Wasser einschenken?« »Hör auf damit, Mama. Ich brauch jetzt einen Kaffee und eine Zigarette, nichts anderes! Wenn ich Hannes erwische, dem drehe ich den Hals um!« »Was hat er mit deinem Zusammenbruch zu tun?« Mats winkte ab. Die waren hier alle verrückt, aber das würde er denen schon heimzahlen. Heute Nacht würde er hier abhauen, wenn alles schlief. Sollten sie doch morgen vor Angst umkommen; war ihm doch egal. Im Nebel des Einschlafens vernahm er noch, dass sein Vater den Chefsessel von Hansen Consulting wieder eingenommen hatte.

 

Die Tür schlug hinter ihm zu. Wie erstarrt wandelte er den Krankenhausflur entlang. Der Schock musste erst mal verdaut werden. Er drückte den Knopf für den Fahrstuhl. Wenn sie so weitermachen, haben sie nicht mehr viel von ihrem Leben. Immer wieder schwirrten diese Worte in seinem Kopf herum. Blutdruck zu hoch, Cholesterinwerte zu hoch, von den Zuckerwerten wollte der Arzt gar nicht erst reden. Übergewicht und Nikotinsucht machten das Problem nicht kleiner und der Alkohol erst recht nicht. Er fuhr hinunter, dort befand sich eine Telefonzelle, sowie ein kleines Café. Mats brauchte erst mal einen starken Kaffee, dann sein Handy. Weniger Stress, hatte der Arzt noch gesagt. Ha, wie sollte er das denn bewerkstelligen? Manchmal machten sich die Ärzte keine Gedanken darüber, dass von seiner Arbeit auch noch andere Leben abhingen. Er schüttete den Kaffee in sich hinein, orderte sofort einen neuen. Das tat gut nach all diesen Gläsern stillen Wassers. Die Nummer seiner Sekretärin war schnell gewählt, doch auf seine Anfrage nach seinem Handy bekam er nur zu hören, »Ihr Vater hat gesagt, das darf ich ihnen nicht bringen, sonst verlier ich meinen Job.« Er legte auf. Naja das würde sich heute Nacht ändern. Morgen saß er wieder auf seinem Stuhl und dann würde er die Schnepfe rausschmeißen. Das grenzte ja schon an Arbeitsverweigerung. Mats wurde erneut schwindelig. Das kam heute bereits das fünfte Mal vor. Der Herzinfarkt ist vorprogrammiert. Die Worte des Arztes hallten wieder und wieder in seinem Kopf herum.

 

Er nutzte die Dunkelheit der Nacht, zog sich an, öffnete fast lautlos die Tür und schlich sich aus dem Krankenhaus. Der Gang bis zur Hauptstraße machte ihn fertig; kalter Schweiß bildete sich auf seiner Stirn und im Nacken. Er winkte ein Taxi herbei. Zuhause angekommen, galt sein erster Griff seinen Zigaretten. Wie hatte er das vermisst, dabei lag der Genuss des letzten Glimmstängels erst 18 Stunden zurück. Er nahm einen tiefen Zug. Was für ein Genuss. Es tat ihm gut. Okay, der Husten sprach eine andere Sprache, aber sonst.... Er ging zum Weinschrank, nahm sich eine Flasche Rotwein, einen Öffner und ein Glas. Die Nacht war lau; er schwitzte noch immer. Mats drückte die Zigarette im Aschenbecher auf dem Balkon aus, öffnete die Weinflasche, schenkte sich ein Glas ein und zündete die nächste an. Alles Quatsch, was der Arzt gesagt hatte. Er fühlte sich gut, genoss die Nacht, den Mondschein, das Nikotin und den Alkohol. Er mummelte sich in die Wolldecke, trank und rauchte weiter. Das Leben konnte so schön sein.

 

Geistesblitz

Punkt acht Uhr am nächsten Morgen saß Mats an seinem Schreibtisch. Den Starbucks-Kaffee frisch gekauft, die Zigarette im Mundwinkel, klappte er sein Laptop auf, während er mit der anderen Hand auf seinem Smartphone rumwischte. Wütend murmelte er vor sich hin. »Die blöde Kuh, alles voll. Die ganze Mailbox läuft über, 15 Anrufe in Abwesenheit, sieben SMS, und sie hat mir das Ding nicht gebracht. Das hat Konsequenzen!« Mats öffnete Word und tippte wild in die Tastatur. Das Telefon klingelte. Hektisch drückte er den Anruf weg. Das musste jetzt warten, erst die Kündigung, dann konnte er zurückrufen. Er druckte das Schreiben aus, unterzeichnete es und legte das Blatt seiner Sekretärin auf den Tisch. Er warf einen Blick auf das Display seines Smartphones. Hannes hatte angerufen. Ein paar Fingertipps und er hatte seinen Freund am Telefon. Dieser überhäufte ihn sofort mit Fragen und Vorwürfen.

 

»Habe ich es dir nicht immer gesagt, das musste ja mal so enden, hör endlich auf mich!« Mats würgte ihn ab. »Mir geht es gut. Ich arbeite und fühl mich blendend!« Was für eine Lüge, blendend stellte nun nicht gerade seinen Zustand dar, eher bescheiden hätte es hier besser getroffen, das jedoch würde er niemals Hannes gegenüber zugeben. Er war kein Schwächling, der sich gleich wegen jedes kleinen Wehwehchens zur Ruhe begab.

 

»Mats, wir sollten mal miteinander reden. Was hältst du von heute Abend 18:00 Uhr im Sit-In auf ein Bier?« Er wusste genau, dass er seinem Freund Mats nie das Biertrinken abgewöhnen konnte, eher fiel in China ein Sack Reis um.

 

Mats knallte die Tür zu. Was wollten die alle von ihm, er war erwachsen, Punkt, aus und vorbei. Eine halbe Stunde später kam sein Vater in sein Büro gestürmt.

 

»Bist du verrückt geworden? Deine Mutter sitzt in Tränen aufgelöst zuhause rum, weil du aus dem Krankenhaus abgehauen bist. Sie macht sich Sorgen, malt sich die Welt in den schwärzesten Farben aus. Ihr geliebter Junge. Deine Sekretärin packt, was ich ihr soeben verboten habe, und last but not least, mache auch ich mir Sorgen um deine Gesundheit und nunmehr auch um deinen Geisteszustand. Du benimmst dich wie ein kleiner trotziger Junge.« »Was fällt dir ein? Ich habe ihr gekündigt. Du kannst hier doch nicht machen, was du willst. Es ist meine Firma! Verlass bitte mein Büro.« »Du kannst mich mal, Junge.«

 

Wütend drehte sich sein Vater um und verschwand. Mats nahm das Telefon. Er wählte die Kurzwahl seines Vorzimmers; keiner nahm ab. Wütend riss er seine Bürotür auf. Er blickte ins Leere. Keiner da, an dem er seine Wut auslassen konnte. Elisa hatte das Büro verlassen. Er ließ sich auf seinen Stuhl fallen, zündete eine weitere Zigarette an, inhalierte Zug um Zug und schlang den dritten Kaffee des Tages hinunter. Es war noch nicht mal zehn Uhr.

 

Sein Herz pochte. Er fühlte sich wie auf einem schwankenden Schiff. Ihm war heiß, aber das alles hielt ihn nicht davon ab, die Tür zum Sit-In aufzustoßen. Mats war zu früh. Er setzte sich an die Bar, bestellte ein Bier, zündete sich seine vierzigste Zigarette des Tages an. Während er auf Hannes wartete, starrte er die Flaschenwand an. Sein Freund schlug ihm mit der flachen Hand auf die Schulter.

 

»Na Alter, alles klar? Wie geht es dir?« Er setzte sich neben Mats, winkte den Keeper heran und orderte für beide ein weiteres Bier. Aus dem einen wurden fünf, aus der ersten Zigarette 10 weitere, und wie in einem Nebel hörte er die Stimme von Hannes. »Ich habe da eine Idee, wir machen aus dir wieder einen normalen Menschen, nicht so einen Technik-Junkie mit miesem Charakter, wie du ihn gerade gibst.« »Ha, wie soll denn das funktionieren? Willst du mich einsperren und auf Entzug setzen? Nein, dein Smartphone kriegst du nicht, Mats?« »Kein schlechter Einfall, aber soweit würde ich nicht gehen. Du solltest dich schon frei bewegen können.« »Bekloppte Idee! Hat man dir ins Hirn geschissen?« »Nein! Wir machen uns nur Sorgen um dich. Außerdem könnte ich unser Anwesen an der See darauf verwetten, dass du es da kein Jahr aushältst. Ach, was rede ich, keine zwei Tage. Du bist doch aufgeschmissen ohne deine Technik. Kannst nicht mal mehr Feuer machen, geschweige denn unter freiem Himmel schlafen. Das ist dir alles abhandengekommen; würde deiner Gesundheit allerdings guttun. Ich habe deine Unterlagen gesehen. Es wäre echt schade um dich.«

 

Hannes redete immer weiter auf ihn ein, während sich Mats ein Bier nach dem anderen gönnte. Er verstand nur noch die Hälfte von dem, was sein Freund ihm mitteilen wollte. Gesprächsfetzen wie, es gehört dir, wenn du es aushältst oder kein Strom und fließendes Wasser, suchten sich den Weg in seinen Kopf. Auf die nochmalige Aussage, dass es bald mit ihm vorbei sein könnte, antwortete er nur: »Rede keinen Quatsch, ich bleib dir noch lange erhalten. Wetten, hast du gesagt? Alles Blödsinn. So einen Schwachsinn mach ich nicht mit.«

 

 

Wettbüro

 

Piep! Piep! Piep! »Scheiß Wecker.« Er zog seinen Arm unter der Decke hervor und schlug in Richtung des Piepens, aber da stand kein Wecker. »Da sind wir ja wieder, Herr Hansen. Der kleine Ausflug scheint ihnen nicht bekommen zu sein. Machen sie mal den Mund auf.« Er gehorchte. Mats musste sich erstmal sammeln. Die Stimme kannte er. Ein schlimmer Verdacht keimte in ihm auf. Vorsichtig öffnete er ein Auge und sein Blick fiel auf das Namensschild, direkt vor seiner Nase >Schwester Hannelore

 

Fünf Minuten blieb er regungslos in seinem Bett liegen. Die Gedanken schwirrten wirr hin und her. Wieso, was war jetzt passiert? Wie kam er hierher? Fragen über Fragen. Er drehte sich zum Fenster, blickte starr hinaus. Ein leises Klopfen schreckte ihn auf. Hannes betrat, mit einem zweiten Mann im Schlepptau, den Raum.

 

»Na Digger, wieder wach? Du hast mir einen schönen Schrecken eingejagt, als du einfach so vom Barhocker gekippt bist. Ein Wink mit dem Zaunpfahl reichte wohl nicht, dich zu überzeugen, deinem Leben eine Wendung zu geben.«

 

»Zwei auch nicht! Du kriegst mich nicht in dieses Behelfsheim an der See!« Hannes setzte sich auf die Bettkante, während der Arzt amFußende stand und über seinen Körper referierte. Da schien nichts mehr so zu funktionieren, wie es in seinem Alter sein sollte. Wortfetzen drangen durch den Nebel in seinem Hirn. Kurz vorm Herzinfarkt, das nächste Mal könnte es einer werden, Bluthochdruck, er konnte nicht mehr folgen. Hannes verschwamm vor seinen Augen. Er sah das Meer im Nebel liegen, hörte das Rauschen der Wellen, nackte Frauen hüpften am Strand entlang. Er rannte hinter ihnen her und versuchte sie zu fangen.

 

»Mund auf!« Jäh wurde Mats aus seinem Traum gerissen. Er schlug die Augen auf und blickte in die rehbraunen von Schwester Hannelore, dann spürte er auch schon das Fieberthermometer in seinem Mund. Er hatte nichts diesem Überraschungsangriff entgegenzusetzen.

 

Während sie seine Temperatur maß, überprüfte sie seinen Puls, pikte in sein Ohrläppchen und kontrollierte seinen Zuckerspiegel, »Na, das sieht doch schon besser aus, Herr Hansen. So ein bisschen Ruhe scheint ihnen gut zu tun. Gleich gibt es Essen.«

 

Sie verließ das Zimmer und er blieb mit seinen Gedanken zurück. Es musste etwas geschehen. So jedenfalls konnte es nicht weitergehen. Herzinfarkt hatte der Arzt gesagt und Schlaganfall fiel auch, alles Dinge, die ihm Angst einflößten. Vielleicht sollte er doch Hannes beweisen, dass er in der Lage war, ohne all diesen technischen Kram auszukommen, ach Quatsch. Er entschied sich für einen Urlaub in der Sonne, das sollte als Entspannung und Erholung reichen.

 

Zwei Wochen später saß er zuhause vor seinem Laptop. Er besuchte Seiten einiger Reiseanbieter. Es war Anfang März, da sollte es schon etwas Warmes sein. Malediven, Kuba, Seychellen, sagten ihm einfach nicht zu. Seine Finger tippten wilder auf der Tastatur herum. Hawai, Haiti, Thailand auch nicht seins. Ihm wurde schwindelig, das Bild verschwamm, wie so oft in letzter Zeit, vor seinen Augen. Er nahm die Hände von der Tastatur, blickte sich auf seinem Schreibtisch um. Das konnte nicht wahr sein. Er hatte sich fest vorgenommen, gesünder zu leben, und was war das hier? Der Aschenbecher voll, der Becher schwarzen starken Kaffees vor ihm, das Smartphone daneben, die Pizzaverpackung lugte unter der Chipstüte hervor. Sein Herz begann zu pochen. Er griff zum Handy, betätigte die Wahlwiederholung. Seine letzten Worte an Hannes lauteten: »Ich glaube jetzt habe ich den Infarkt.«

 

Hannes wählte den Notruf, rannte raus, sprang in seinen Wagen und fuhr unter Missachtung aller Straßenverkehrszeichen zur Wohnung von Mats. Hätte es eine Weltmeisterschaft im Brechen der Verkehrsregeln gegeben, er hätte sie auf alle Fälle gewonnen. Die Feuerwehr und der Notarzt standen vor dem Haus und mittendrin ein wütender Mats. Kaum erblickte er seinen Freund, stürmte er auf ihn zu. »Bist du des Wahnsinns? Die haben meine Tür aufgebrochen. Die teure Mahagoni-Haustür. Guck dir den Mist an!« Er zog Hannes hinter sich her, der überhaupt nicht zu Wort kam. Wild fuchtelte Mats mit den Händen und zeigte immer wieder auf die Haustür, da hing sie. Das Holz des Rahmens gesplittert, die Angel schief, wiegte sie sich im Wind. »Selber Schuld, Digger, was rufst du mich auch voll panisch an. Ich sterbe Alder.« Hannes ließ seinen Freund stehen, ging zum Notarzt und diskutierte mit ihm. Mats schritt wutschnaubend in die Wohnung. Er suchte seine Zigaretten und das Feuerzeug. In dem Moment kam Hannes rein. Er schlug ihm die brennende Zigarette aus dem Mund, fegte seinen Schreibtisch mit einem Wisch leer und brüllte Mats an. »Tu endlich was! Ich sehe mir das nicht länger an, wie du dich kaputtmachst.« Er schüttelte Mats und brüllte ohne Unterlass. Plötzlich hob der die Hand. »Okay, ich gebe klein bei. Ich beweis es dir. Ich komme ohne den ganzen Mist hier aus. Die Wette gilt. Ich halte das mindestens bis zum Herbst aus.« Hannes hielt verdattert inne. »Das sagst du jetzt doch nur zum Spaß. Außerdem war von einem Jahr die Rede« »Nein, ich meine es ernst. Es geht mir nicht gut. Ich denke mal, wir sollten das Ding nächste Woche in Angriff nehmen. Von mir aus auch ein Jahr. Du siehst zu, dass meine Tür repariert wird. Ich erledige morgen alles in der Firma, rede mit meinen Eltern und du holst mich nächsten Sonnabend ab. Ich habe dann gepackt.« Denk dran, keinen modernen Schnickschnack, kein Handy, keinen Fernseher und so weiter.« »Ja, ja.«

 

 

Trickbetrügereien

 

Mats beobachtete seinen Freund, wie dieser sein Gepäck durchsuchte. Plötzlich zog Hannes triumphierend eine Packung Cornflakes aus dem Lebensmittelkarton, hielt sie sich ans Ohr und schüttelte einmal kräftig. Ein erstaunter Anblick auf seinem Gesicht, vorsichtig öffnete er die Box. Ihm fielen mehre Päckchen Zigaretten entgegen. »Habe ich dich! Wir sagten, keinen Alkohol, keine Zigaretten, keine elektronischen Geräte. Und was ist das hier?« »Verstoß eins gegen die Regel?«

 

»Mats, du kannst mich mal. Ich bin dein Freund und dann machst du so etwas mit mir. Obwohl, ich muss sagen, wie immer hast du fein säuberlich gearbeitet. Man muss schon ordentlich sein, wenn man die Cornflakes öffnen und wieder verschließen will, ohne dass es einer bemerkt. Deine Ordnung sollte man dir auch mal austreiben. Hier sieht es so sauber aus, so hygienisch, als ob niemand hier wohnt. Wo ist dein Handy?« Mats zog ein IPhone aus der Hosentasche. Er reichte es Hannes. Dabei hätte er nicht grinsen sollen, wie ihm gleich darauf klar wurde. »Los, sag schon, wo das andere ist. Du gibst doch nicht freiwillig dein Handy ab. Wenn du nicht sofort den Mund aufmachst, räum ich den ganzen Scheiß hier wieder aus.« »Das ist mein Handy.« Klappe halten wäre gerade besser gewesen. Hannes öffnete den ersten Koffer, räumte den ordentlich zusammengelegten und gepackten Inhalt aus. Allerdings nicht so, wie der Packer ihn hineingetan hatte, fein säuberlich, sondern er schmiss die Klamotten einfach hinter sich. Mats schrie auf, »hör sofort auf! Bist du des Wahnsinns? Die Klamotten kommen frisch aus der Reinigung!« »Na und, von deinem Fußboden kann man eh essen, so penibel sauber ist das hier. Wenn du mich fragst, würde ich sagen, sollte sich mal eine Bakterie hierher verirren, ist sie schneller tot, als sie gucken kann. Also, wo ist das Teil?« »Nein!!« Der Aufschrei kam im selben Moment, in dem das Buch durch die Luft flog, sich öffnete und das schöne neue IPhone auf die Fliesen knallte. Hannes lachte, Mats kochte vor Wur. Er hob das Smartphone auf, drehte und wendete es in seiner Hand. »Jetzt ist es kaputt.« Wie ein Kleinkind klang seine Enttäuschung. Von Hannes kam nur ein kurzes »Na und. Selber schuld, Digger. Du hast gegen die Regeln verstoßen und nicht ich. Was ist eigentlich in der großen Verpackung an der Wand?« »Mein Schlauchboot. »Siehst du nicht den Motor danebenstehen?« Hannes traute ihm nicht über den Weg und ging auf das Teil zu. »Ist ja schon gut.« Mats öffnete den Reißverschluss, tauchte bis zum Ellbogen in das Gummi ein und kam mit zwei Flaschen Rotwein wieder zum Vorschein.

 

Piep! Piep! Piep! Scheiß Wecker! Er zog seinen Arm unter der Decke hervor und schlug in Richtung des Piepens. Mats fuhr hoch, blickte sich ungläubig im Zimmer um, das Piepen klang weiterhin in seinen Ohren nach. Keine Schwester Hannelore, keine weißen Wände. Er kniff sich in den Arm. Kein Traum; der Wecker hatte ihn geweckt und nicht seine Herztöne. Er schwang sich aus dem Bett und stellte sich vor den deckenhohen Spiegel. Mats drehte sich, begutachtete seinen Körper. Fahle Haut, eine Kugel vor dem Rückgrat, eine Speckrolle an den Hüften und am Unterbauch. Die Brust wabbelte ein wenig, das war keine schöne Silhouette mehr, die er da erblickte. Wenn er an früher dachte.... Scheiß auf früher, da konnte er sich nur eine Einzimmerwohnung leisten und kochte noch selbst, das hatte er heute alles nicht mehr nötig. Er ging ins Bad.