Jeden Sommer, diese eine Liebe - Angela Pundschus - E-Book

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Angela Pundschus

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Beschreibung

Es gibt die Liebe, die Liebe zu Menachen, Orten, Tieren und Dingen z.B.. Es gibt da einen Ort an der Ostsee, der eine magische Anziehungskraft besitzt. Die jedes Jahr im Frühjahr ruft, und die meisten folgen diesem Ruf, weil sie den Ort und die Menschen an diesem Ort lieben. Die liebgewonnenen Nachbarn, die im Laufe der Jahre Freunde wurden oder so gar noch mehr. Menschen die jedes Jahr diese eine Liebe spüren, der Magie des Ortes folgen und deren Familien seit Generationen dort hinfahren. Dieser Ort heißt Seekamp.

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Angela Pundschus

Jeden Sommer, diese eine Liebe

Sommer, Sonne, Strand, Seekamp

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Sommer auf Seekamp

Sommer auf Seekamp

 

Warum tat er sich das an? Er wollte nichts mehr mit seiner Vergangenheit zu tun haben. Und nun fuhr er auf dieser schmalen kleinen alten Straße von Löhrstorf zum Campingplatz seiner Kindheit. Er lenkte seinen Wagen entlang der Kornfelder am Wegesrand, die Grenzen gezeichnet durch Mohn-, Kornblumen, Margeriten und Kamillenblüten. Gleich kam der Bahnübergang. Sein Vater hatte früher immer davor angehalten, egal ob die Warnleuchte blinkte oder nicht. Dann sagte er: »Erst mal eine Schiene aufs Ohr legen.« Finn schmunzelte. Dies war eine gute Kindheitserinnerung. Er überquerte die Schienen, ohne davor zu halten. Es gab kein Warnsignal. Hier fuhr nur noch alle Stunde ein Zug. In Sütel nahm er die linke Abzweigung. Die Kurve am alten Bauernhof nahm er schnittig; dann sah er sie endlich, die Ostsee.

Dort unten schimmerte das blaue Wasser im Sonnenlicht. Davor, die Küste entlang, die Campingplätze. Er hielt am Straßenrand, stieg aus, schüttelte seine Beine, streckte sich, dann erst legte er seine Arme auf das Wagendach und darauf seinen Kopf. Ein schönes Leben war es damals. Jeden Sommer fuhren sie zum Campingplatz Seekamp. Seine Eltern und Großeltern hatten nebeneinander einen Dauercampingplatz, mit allem Komfort, den man sich vorstellen konnte, nebst Anschluss für eine Toilette im Wohnwagen. Nicht mehr die Horrorgeschichten seiner Oma und Eltern, die immer von Plumpsklos in dem ehemals kleinen Wäldchen sprachen, ohne Licht, Heizung und Spülung. Im Sommer stank es, die Fliegen umkreisten einen. Eigentlich ein fest installiertes Dixi-Klo. Er blickte nach links, dort lag das Anwesen der Betreiber. Gegenüber davon führte eine feste Straße einen Hügel hinab in eine Senke, ein paar Kurven, dann hatte man sein Ziel erreicht. Die Rezeption, den Platzwart. Seit nunmehr 17 Jahren hatte er sich hier nicht mehr blicken lassen. Seine Eltern waren bereits vor 22 Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Er verbrachte den Rest seiner Jugend bei seiner Oma. Doch auch mit und bei ihr ging es zu jeder Gelegenheit auf den Platz. Ob noch einer seiner alten Freunde die Wochenenden auf dem Platz verbrachte?

In dem Augenblick bremste ein Wagen und hielt hinter ihm. In der Stille, der Umgebung, vernahm er das Herablassen einer Seitenscheibe. Dem Geräusch folgte eine Stimme, die ihm bekannt vorkam. »Bist du das, Finn Hansen?« Er drehte sich um; erkannte sie sofort. Karina Meier, von allen nur K genannt, seine große Jugendliebe vom Campingplatz. »Du siehst richtig, K. Ja, ich bin es.« »Was machst du denn hier?« »Ich muss den Platz meiner Oma auflösen. Einer muss sich ja drum kümmern.« »Und, das willst du sein? Da lach ich doch.«

Sie drückte den Knopf des Fensterhebers. Die Scheibe fuhr vor seinen Augen hoch. Dann trat sie das Gaspedal hinunter, rauschte davon. Er blickte ihrem Wagen hinterher. Sie blinkte, bog nach rechts ab, in die Straße, die zum Platz führte.

Früher, als die Straße noch nicht asphaltiert war, gab es Staubwolken hinter einem Wagen, wenn dieser, nach einer Trockenperiode, schnell den Hügel hinunterfuhr. Heute war dies nicht mehr möglich.

Sie war einmal seine erste feste Freundin, eine Campingplatzliebe halt. »Nun werde mal nicht sentimental, Finn Hansen«, dachte er, »das war einmal und ist lange vorbei.«

Er drehte sich wieder dem Wasser zu, beobachtete die weißen Segel, die auf dem Wasser kreuzten. Die Sonne spiegelte sich im himmelblauen Wasser. Eigentlich ganz nett, aber hier den Sommer verbringen, never ever again? Da kam man ja um vor Langeweile. Als Kind mochte es schön und gut gewesen sein, aber jetzt, das ging gar nicht. Sein heutiger Traum bestand aus >All inclusiv<, sich verwöhnen lassen, bis der Arzt kommt, Massagen, einfach nur Nichtstun und abends Party, aber bestimmt nicht aus schlecht Wetter, Rasenmäher vor sich herschieben und Grillen mit Nachbarn. Das Wort Freunde kam ihm dabei nicht in den Sinn.

Er stieg in den Wagen, startete den Motor und folgte ihr langsam den Weg hinab. Hier waren nur 20 km/h erlaubt, da fuhr er doch nicht so schnell wie sie. Noch einmal um die Kurve, dann waren es nur noch 250 Meter und er stand vor der Schranke. Er wollte gerade die Keycard vor das Display halten, als bereits der Platzwart vor ihm stand. »Wohin denn, junger Mann? Sie habe ich hier ja noch nie gesehen. Wo haben sie die Karte her?« »Die haben sie mir vor Jahren geschickt. Ich hoffe mal, die ist noch gültig. Finn Hansen, mein Name.« »Hmm, Hansen? Da haben wir mehrere hier, aber sie passen zu keinem. Fahren sie mal an den Seitenrand, andere wollen auch noch durch. Dann kommen sie mal rein, wir prüfen die Angelegenheit.«

Finn fuhr rechts ran, stieg aus ,, schlenderte zum Empfangshäuschen. Mit der Hand wühlte er sich durchs streichholzkurze Haar. In dem Moment schmunzelte der Platzwart. »Die Geste kenne ich. Einer der schlimmsten Finger hier auf dem Platz. So ein junger Bengel, große Klappe und nichts dahinter, habe ich immer gesagt. Hat allen Mädels hier den Kopf verdreht, bis zu dem Tag, an dem er verschwand und nie wieder gesehen wurde. Der Enkel von Oma Hansen.« »Getroffen! Ich sollte auch in den Büchern stehen. Meine Oma hat nie aufgegeben daran zu glauben, dass ich eines Tages zurückkehren würde und hier bin ich.« »Wie geht es ihr? Hab sie lange nicht gesehen. War sie überhaupt schon einmal hier in diesem Jahr? Ich muss mal gucken.« Finn winkte ab. »Nein, war sie nicht. Sie wurde krank. Sie ist letzten Monat verstorben.« »Mein Beileid. Und, jetzt wollen sie den Platz übernehmen?« »Bestimmt nicht! Auflösen will ich ihn zum Ende des Jahres. Ich bleibe zwei Wochen hier, räume alles aus, bringe ihre Sachen nach Hamburg und dann verscherbel ich den Rest.« »Na, dann, guten Aufenthalt und gute Erholung.«

Er fuhr die Straße hoch in Richtung des Weges Seekam. Jede Straße hatte hier seinen eigenen Namen. Früher lagen auf der linken Seite noch eine Reihe Jahresplätze, doch die wurden vor einigen Jahren auf Grund behördlicher Vorgaben abgeschafft. Nun gab es einen freien Blick auf die kleine Bucht, in der viele der Bewohner ihre Boote liegen hatten. Der schmale Strand war mittlerweile durch Wind und Wetter abgetragen, das Wasser reichte bis zum niedrigen neu aufgeschütteten Deich, was das ganze Bild allerdings auch ein wenig attraktiver machte. Rechts lag die ehemalige Ponywiese, die nur noch den Namen trug, aber bereits seit 30 Jahren für die Kurzzeit-Camper im Sommer herhalten musste. Dann kam rechter Hand das Waschhaus. Das Erste überhaupt auf diesem Platz. Früher lag dahinter der Spielplatz. Dort hatten sie sich als Jugendliche abends getroffen. Sie hatten geraucht und Bier getrunken. Er fuhr weiter. Rechts ab in den Seekamp. Noch 100 Meter weiter, da lag er, der Platz seiner Oma. Heute wehte keine Fahne am Mast. Wie auch, sie war nicht im Hause. Er schmunzelte ein wenig. Seine Oma hatte das Ritual der Königin von England übernommen; war sie im Wohnwagen, wurde die Fahne gehisst. Er fuhr den Wagen rechts ran, stieg aus und entfernte das Band vom Parkplatz neben dem Wohnwagen. Dann parkte er ein. Ihm war bewusst, er wurde beobachtet. Wahrscheinlich wusste bereits der ganze Platz, Finn Hansen ist wieder aufgetaucht.

Nachdenklich stand er vor dem Vorzelt. Dann überwand er sich, riss den Verschluss auf. Warme Luft kam ihm entgegen. Er hängte den Türlappen in Omas selbstgebastelte Aufhängung, anschließend öffnete er alle Fenster im Zelt und rollte die Lappen auf. Frische Meeresluft strömte durch das Zelt. Er konnte das Salz in der Luft riechen, obwohl es war, wohl eher Fischgeruch, aber sie hatten es immer Salz genannt. Sie, waren seine Eltern und Großeltern. Seine Oma hatte 60 Jahre ihres Lebens auf diesem Platz verbracht. Kurz vor Ostern begann die Aufregung, es musste gepackt werden, der Zweitwohnsitz gehörte hergerichtet. Vollgepackt bis unters Wagendach, mit allem, was man brauchte, um die kalte und warme Jahreszeit zu überstehen, möglichst noch den Bootshänger hinten drangehängt, ging es Richtung Ostsee. Ziel Seekamp, heute fand er den Weg im Schlaf. Er brauchte kein Navi, obwohl er 15 Jahre nicht hier gewesen war. Sein körpereigenes Seelennavi führte ihn auf direktem Weg dorthin. Er zog den Schlüssel zum Wohnwagen aus seiner Hosentasche, steckte den kleinen Schlüssel in das Schloss, öffnete die Tür. Das Erste, das in sein Blickfeld kam, erschreckte ihn, Eiche rustikal, die Innenausstattung. Muffig roch es. Auch hier öffnete er zuerst alle Fenster. Dann schmiss er die Bettwäsche seiner Oma auf den Boden in das Vorzelt. Das brauchte jetzt keiner mehr.

Während er mit dem Ausräumen beschäftigt war, vernahm er ein laut gerufenes, »Tok, Tok, Tok!«. Auch die Stimme kannte er nur zu gut. Johannes Baum, auch kurz Jo genannt. »Jemand zuhause? Begrüßung!« Das Ploppen des Bügeldeckels der Bierflasche ging Finn durch Mark und Bein. Er ahnte, was nun kommen würde. Dem Plopp folgte ein Stoß von hinten. »Treffer! Versenkt!« Dann warf sich Jo neben ihn und reichte das Bier rüber. »Schön, dich wieder unter uns zu sehen. Irgendwie haben wir dich vermisst. Komm nun lächle mal. Was machst du hier überhaupt? Mit dir hat niemand mehr gerechnet.« Er schlug seine Flasche gegen die von Finn. »Prost erstmal. Welcome back!«. Er setzte die Flasche an seine Lippen und trank sie halb leer. »Was ist, kannst du das nicht mehr so gut wie früher?« Sein Ehrgeiz war geweckt. Auch er setzte an und trank die Flasche auf ex aus. »Kann ich wohl, siehste!« »Dann ist da ja auch noch Platz für mehr,« mit diesen Worten reichte ihm Jo eine zweite Flasche. Auch die, trank er auf ex aus. Als Jugendlicher gehörte er zu den Vorzeigetrinkern in ihrer Clique. Am Strand, in der Düne, im Schilf und in den Feldern überall dort, wo man sich verstecken konnte, war er derjenige, der immer etwas zu trinken dabeihatte und es auch mit Stolz zeigte, wie viel er vertrug. Nie hätte er sich die Blöße gegeben und Jo erzählt, dass er seit Jahren so gut wie keinen Alkohol mehr trank. Er war auf Tee und Kaffee oder auch die umgekehrte Reihenfolge umgestiegen. Damit lebte es sich gesünder, als mit regelmäßigem Bier trinken. Er warf einen Blick auf seinen Kumpel, der neben ihm lag. Wahrscheinlich hätte er jetzt auch diesen kleinen Bauchansatz, wenn er damals nicht damit aufgehört hätte.

Damals, sie waren jung, unerfahren und auch keine Kinder mehr. Sie waren auf dem Weg, erwachsen zu werden. Wollten sie in eine richtige Diskothek, mussten sie nach Neustadt fahren. Meist war Jo der Fahrer, nur er und K hatten einen Führerschein. Finn noch lange nicht. Wenn sie auf Jo nicht aufpassten, konnte es schon mal vorkommen, dass er etwas getrunken hatte, dann übernachteten sie im Auto, eng aneinander gekuschelt. Morgens, noch nicht nüchtern, aber im Glauben, bereits fahren zu können, machten sie sich auf den Rückweg. Die Anderen aus ihrer Clique hatten ihre eigenen Kinderwohnwagen, nur er schlief bei seiner Oma mit, die merkte natürlich jedes Mal, wenn er nicht nach Hause kam. Somit war er auch fast immer der Einzige, der richtig Ärger bekam, wenn es mal wieder später wurde. Erst recht, wenn seine Großmutter seinen Atem roch. Zigarettenrauch und Bier gaben dem Ganzen eine spezielle Note, von der Oma Käthe gar nicht hielt. Wenn dies geschah, bekam er Platzarrest, das hieß, nicht mit Freunden treffen, kein Badengehen und erst recht keine Ausflüge nach Heiligenhafen, geschweige denn Neustadt in die Diskothek. Das konnte schon mal eine langweilige Woche für ihn werden.

Finn wälzte sich auf seinen alten Kumpel, setzte sich rücklings auf ihn drauf, hielt die Arme nach hinten. »Lass das! Merk dir eins, ich trinke schon lange nicht mehr.« Jo wehrte sich, eine Rangelei entstand, nun hatte sein alter Freund die Übermacht und saß auf ihm. Er wollte gerade etwas sagen, als Finn beobachtete, wie er aus dem Fenster schaute, sich duckte und fest auf ihn drückte. »Unten bleiben, die Platzpolizei ist unterwegs. Wir wollen doch nicht, dass sie dich, gleich am ersten Tag, wieder runterschmeißen.«

Platzpolizei bedeutete, der Betreiber des Campingplatzes fuhr mit seinem Jeep Kontrolle. Er schaute nach, ob alles funktionierte, ob sich alle an die Regeln hielten, nahm Beschwerden auf, wenn ihn Camper ansprachen, und wies die jungen Leute auch schon mal zurecht, »Willst du mir etwa sagen, der ist immer noch unterwegs. Ich dachte, sein Sohn macht das .« »Diesen Job kann nur er, das weißt du doch. Hier trink noch ein Bier.« Er reichte Finn eine Flasche. »Geht nicht, du musst erst mal runterrollen.« Jo rollte sich auf den Rücken ab. Beide setzten sich und hoben die Flasche an ihre Münder. Sein Freund prustete los: »Dein Gesicht hättest du sehen sollen, als ich Platzpolizei sagte.« Auch er musste lachen. Früher hatten sie immer Respekt gehabt, Reißaus genommen, hatten sich versteckt, wenn sie in der Ferne den grünen Jeep nahen sahen. Beide legten sich auf den Bauch, guckten zum Fenster raus. Den Kopf leicht geduckt, beobachteten sie den Platzsheriff, wie er gerade die Müllcontainer-Plätze kontrollierte. Drei Bier waren einfach zu viel für ihn, den Nichttrinker. Doch ehe er sich versah, hatte er bereits die nächste Flasche in der Hand. »So, und morgen früh um fünf komm ich und hole dich zum Angeln ab. Das haben wir so lange nicht gemacht.« »Lass stecken, Jo. Ich komm bestimmt nicht so früh aus den Federn.«

Als Jo ging, hatte jeder von ihnen sechs Bier getrunken und die Flasche Eierlikör, die seine Oma noch nigelnagelneu im Vorratsschrank verwahrt hatte, weggekippt. Finn war total betrunken. »Wie damals«, dachte er. Dann fiel er aufs Bett und schlief ein.

 

Lebensgeister wecken

 Lebensgeister wecken

 

Geweckt wurde er durch einen tropfnassen Waschlappen auf dem Gesicht. »Aufstehen, Finn Hansen! Es geht los!« Er schüttelte sich. Berappeln, Augen auf, einen Griff in den Schritt, Morgenlatte vorhanden, er lebte noch. Dieser Angriff auf sein Leben war real.

»Ich sagte doch, ich geh nicht angeln«, nuschelte er. »Außerdem muss ich erstmal pinkeln.« Er erhob sich, schreckte zusammen und fiel zurück aufs Bett. Dort stand Jo in voller Montur, Wathose, Südwestern auf dem Kopf, Regenjacke an, Angelrute in der Hand. Falsch, nicht eine, es waren zwei und eine Regenjacke über den Arm. »Die sollte dir passen. Auf geht’s. Sieh zu, dass du zum Pinkeln kommst. Ded wartet schon am Strand.« Das hatte ihm noch gefehlt, mit Jo wäre er noch klargekommen, aber Ded, der war eine Nummer zu groß für ihn und das nicht erst heute, sondern schon immer gewesen.

»Ich kann nicht, mir ist schlecht. Ich wäre mitgekommen, wenn du mich nicht gestern abgefüllt hättest. Vielleicht beim nächsten Mal.« »Keine Widerrede, du kommst mit.«

 

Jo zog ihn, nachdem sie die Fenster drinnen und im Vorzelt geschlossen hatten, nach draußen. Gemeinsam gingen sie in die Bucht, wo die kleine Ilka, das Beiboot zu Deds Motorschiff, bereits im Wasser dümpelte. Schweigend enterte er die Ilka. Ded klopfte ihm auf die Schulter. »Schön, dich mal wieder dabei zu haben.« Dann ruderten sie stillschweigend zum großen Boot. »Ich will zurück!« »Das geht nicht.« »Klar geht das, ich kann doch zurückrudern. Ich komm nicht mit, das habe ich von Anfang an gesagt.« »Und wir haben gesagt, du kommst mit.« Dtd startete den Motor und fuhr langsam und vorsichtig durch die neben seinem Schiff liegenden Bootsreihen. »Ich will hier raus.« »Du kannst nicht rudern, dann kommen wir ja nicht trocken zurück.« An der Landzunge angekommen, genau zwischen ehemaliger Marine Mole und Festland, zog er sich die Jacke, sein T-Shirt, Jeans, Schuhe und Socken aus. Nur in Boxer-Shorts sprang er von Bord. Dabei rief er: »Ihr könnt mir die Sachen nachher vorbeibringen.«Früher waren sie öfter die Strecke zwischen Festland und Mole geschwommen. Es war nicht weit, höchstens 500 Meter, das würde er heute, als trainierter Schwimmer,wohl auch noch schaffen.

Er kraulte los. Er vernahm, wie der Motor des Bootes gedrosselt wurde, langsam kam es neben ihn, dümpelte vor sich hin. Sein Ex-Kumpel gab etwas Gas, damit sie ihn nicht aus den Augen verloren. Er konnte ihre Stimmen hören: »Go, Finn, go«. Wenn seine Idee nicht so beschissenen gewesen wäre, >an Land schwimmen, völliger Unsinn<, dann hätte er jetzt einen auf stahlharten Superhelden gemacht. Es war doch anstrengender als gedacht, aber endlich hatte er es geschafft. Er spürte Boden unter den Füßen, stieg aus dem Wasser, drehte sich nicht einmal um. Er hob seinen rechten Arm, streckte die Hand hoch und zeigte den beiden Bootsinsassen seinen Stinkefinger. Dann ging er am Strand der kleinen Bucht entlang zum Aufgang, der zu seinem Platz führte, bekleidet mit seiner Unterhose, jedoch glücklich, dass er den Weg an Land unbeschadet geschafft hatte.

 

Mittlerweile war es sechs Uhr am Morgen, die ersten Camper erwachten. Er wünschte sich, dass nicht allzu viele diese Blamage sahen. Doch er hatte Glück, bis er die Tür seines Windschutzes öffnen wollte, ein bewundernder Pfiff, direkt hinter ihm. »Welch ein schöner Morgenanblick, das könnte ich öfter gebrauchen. Hut ab, hast dich gut gehalten.«

Er drehte sich um, da hing K aus dem Fenster ihres Wohnwagens. Jetzt klatschte sie überflüssigerweise auch noch. Er verdrehte die Augen, öffnete die Tür und wollte gerade hineingehen, als er erneut ihre Stimme vernahm. »Lust auf einen Kaffee? Wenn ja, dann zieh dir etwas an, sonst fall ich wohlmöglich über dich her.« Ein herzhaftes Lachen folgte.

»Wenn es etwas gibt, was du garantiert nie tun wirst, dann ist es, über mich herfallen, das würde ich mit allen Mitteln zu verhindern wissen. Übrigens, nein danke.«

Er schlug die Tür hinter sich zu, der Windschutz wackelte dank seiner Gewaltanwendung. Dann riss er den Reißverschluss des Vorzeltes auf, zog sich trockene Wäsche an, schnappte sich seine Bettwäsche und warf sich auf das Bett seiner Oma. Keine fünf Minuten später schlief er tief und fest. Das Letzte, was er bemerkte, die verstopfte Nase, die er immer in Hamburg hatte, war verschwunden. Er konnte durchatmen. Das hatte er irgendwie vermisst, musste er denn doch zugeben.

 

Auf Sonne folgt Regen

 Gegen 12 Uhr weckte ihn ein Klopfen an der Scheibe neben seinem Bett. Er schreckte hoch.

 

»Alter, aufstehen! Wir grillen gleich den frischen Fisch. Sieh zu, dass du in die Puschen kommst.« »Macht das Mal alleine. Ich habe noch zu tun.« »Das kannst du auch später machen. Erst mal mampfen, dann ist immer noch Zeit.« Mittlerweile hatte er sich aus dem Bett gekämpft, die Wohnwagentür geöffnet und war in das Vorzelt getreten, wo er auch schon auf Jo stieß.

»Ich muss noch nach Heiligemhafen, etwas einkaufen.« »Das hat Zeit, grillen geht vor. Karen hat den Fang schon ausgenommen und freut sich riesig auf dich.«

 

Er gab sich geschlagen, wollte sich gerade sein Waschzeug schnappen, als Jo es ihm aus den Händen schlug. »Du bist schön genug, hast vorhin in der See gebadet, du brauchst dich nicht waschen. Schlägst uns eh um Pferdelängen.« Dabei schlug er sich mit beiden Händen auf den kleinen Bauchansatz. »Ich muss mich zumindest rasieren und Zähneputzen.« »Meine Oma sagte immer, wir müssen gar nichts, nur sterben. Also komm schon. Henrik und Ded warten bereits auf das Erscheinen des großen Finn Hansen. Shorts und T. Shirt reichen. Das musst du doch noch wissen. Ich warte hier.«

Okay, diesmal kam er wohl nicht mit einem Sprung ins Wasser davon. Er sah seine Klamotten, die er heute Morgen getragen hatte, ordentlich zusammengelegt, auf dem Campingtisch liegen. Schnell stieg er in die Jeans, streifte das T-Shirt über und schlüpfte in seine Leinenschuhe.

 

»Ganz schön blass bist du. Dir tut Sonne auch mal ein wenig gut. Wir werden Spaß haben, verlass dich drauf.«

Als sie auf Jos Platz kamen, saß die alte Bande komplett versammelt um den großen Tisch herum. Henrik, Ded, Karin, K und Inga, alle da. Mit großem Hallo wurde er empfangen. Diese Begrüßung beinhaltete den Druck einer Flasche Bier in seine Hand. »Auf alte Zeiten anstoßen, Finn. Nicht lang schnacken, Kopp in Nacken. Auf Ex.«

 

Jo setzte die Flasche an seine Lippen, die Anderen taten es ihm nach. Wie die Lemminge folgten sie seinem Beispiel. Er sah ungläubig zu K. Sie legte ihre Hand unter seine und schob sie mit leichtem Druck nach oben in Richtung seines Mundes.

»Nun hab dich nicht so. Du wirst dich nicht dermaßen verändert haben.« »Vielleicht doch.« Er setzte sich und fügte sich seinem Schicksal. Es waren ja nur ein paar Tage, dann war er wieder weg von hier. »Bald ist 13 Uhr, dann tritt hier wieder Ruhe ein. Mittagspause, keine Autos, Zeit zum Schlafen.« Er sprang auf. »Ich kann nicht bleiben, muss den Wagen noch runterbringen zum Parkplatz, damit ich nach dem Essen gleich losfahren kann.« Er hörte seinen Magen grummeln. »Seit wann fährst du besoffen Auto? Ich dachte der Unfall, deiner Eltern hätte dich für ewig davon abgehalten?« »Tu ich doch gar nicht, ich trinke jetzt nichts mehr.« »Das glaubst du doch selber nicht. Wir legen jetzt erst richtig los, feiern deine Auferstehung, die Wiederkehr unseres Bandenführers. Heute fährst du garantiert nirgendswo mehr hin. Das kannst du mir glauben.«

 

Mit diesen Worten verschwand Jo im Vorzelt, um gleich darauf mit einer Flasche, eines seiner selbstkreierten, Wodkas wieder zu erscheinen.

»Den müsst ihr probieren, angesetzt auf Büffelgras.« Jo schenkte kleine Schnapsgläschen voll und verteilte eines an jeden. »Ab geht es,« Finn stellte das Glas wütend auf den Tisch. »Ich sagte doch, ich trinke nichts. Wenn ihr das nicht akzeptieren könnt, dann bin ich gleich wieder weg!« »Spielverderber! Du bist ein Langweiler.« »Nur weil ich nicht trinken will? Ihr spinnt doch.«

Er erhob sich und wollte gerade den Platz verlassen, als ein junges Pärchen diesen betrat. Ein gutaussehender männlicher und weiblicher Teenager, Arm in Arm.

»Moinsen! Oh, gibt es was zu feiern?« »Jan, das ist Finn, ein alter Platzkumpel. Finn, das ist Jan, mein Sohn,« stellte K ihm den männlichen Part der Erscheinung vor. »Und, wer ist das Mädchen, mien Jung?« Finn fiel die Kinnlade herunter, er griff zum Glas und kippte es sich in den Rachen. Jo nutzte die Gunst der Stunde und schenkte ihm nach, während er hustend und röchelnd vor den Teenagern stand. »Oh, da hat Onkel Jo wohl eine neue Mische auf den Platz geschmuggelt.«

 

Alle lachten, während er fast verendete, so stark war der Büffelgras-Wodka, wie ihm schien. K hatte einen fast erwachsenen Sohn, mit allem hatte er gerechnet, nur damit nicht. Kleinkind wäre okay gewesen, aber ungefähr 16 Jahre, das ging gar nicht. Seine Oma hatte ihm damals erzählt, das K schwanger war, aber glauben wollte er es ihr nie. Sie hatte damals nicht auf ihn gewartet und sich einfach einem anderen an den Hals geschmissen. Das war also das Resultat. »Not bad«, dachte er. Der Bengel kam näher und klopfte ihm auf den Rücken. »Wen habt ihr denn da auf den Platz gelassen? Ist wohl ein neuer Nachbar, ansonsten könnte er eure Mische wohl ab. Nicht verzweifeln, da geht hier jeder mal durch.«

Er lachte, schnappte sich das Mädchen und ging Richtung Wohnwagen. »Wir gehen eine Runde Playstation spielen.« Ja, ja, dachte Finn, das kenn ich noch, Playstation spielen, die spielten bestimmt mit etwas anderem.