Im Haus des Vaters - Marcia Rose - E-Book

Im Haus des Vaters E-Book

Marcia Rose

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Beschreibung

Ein großer, bewegender Roman um zwei Familien zwischen Leidenschaft und Gerechtigkeit, Liebe und Verzeihen. New York: Jonah ist ein vom Schicksal gestrafter, verbitterter Mann. Seine Frau Dorothy liebt ihn über alles, aber wie lange kann sie seine Bitterkeit noch ertragen? Verständnis findet sie einzig bei ihrer Tochter, sind doch auch in deren Ehe die Romantik und die Liebe abhanden gekommen. Als eine lange schwelende Familienfehde erneut ausbricht, beschließen die Frauen zu handeln ... Eine dramatische Familiengeschichte aus dem modernen Amerika vor einem gewaltigen Zeitpanorama: vom Nachkriegsidealismus über die McCarthy-Zeit und die Romantik der 70er Jahre bis in die Gegenwart. "Marcia Rose versteht es meisterhaft, ihren Figuren Leben einzuhauchen, sie zu starken Charakteren zu formen. Große Emotionen vor einem stimmungsvollen, farbenprächtigen Hintergrund." Publishers Weekly

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Marcia Rose

Im Haus des Vaters

ins Deutsche übertragen von Andrea Brandl

Roman

Edel eBooks

KAPITEL 1

Sonntag, 12. Juli 1987

Als sie sich endlich eine Atempause gönnen wollte, läutete es erneut an der Tür. Mit einem Fluch machte Cookie Adler sich auf den Weg – »Mist!«. Na ja, eigentlich war das ja kein richtiger Fluch, aber schließlich war sie die Gastgeberin und musste als solche Haltung bewahren, selbst wenn sie sich Sorgen um ihre Eltern machte, die spät dran waren. »Die Tür ist offen!«, rief sie, wohl wissend, dass es sinnlos war, da sie im Stimmengewirr ihrer rund dreißig engsten Freunde ohnehin keiner verstand.

»Jonathan!«, schrie sie, als sie ihren Sohn in der Küche stehen sah, wo er sich schon wieder ein Glas Wein einschenkte. »Jon! Die Tür! Es ist vielleicht Großvater!«

Wo blieben die Eltern nur? Sie hatten doch versprochen, früh da zu sein, und jetzt war es fast sieben. Sollte sie sie anrufen? Die Vorstellung gefiel ihr nicht, insbesondere jetzt nicht. Sie wollte Papa nicht das Gefühl geben, sie kontrolliere ihn. Andererseits wollte sie aber auch nicht, dass sie sich im Stich gelassen fühlten. Oh Gott, es war so schwierig, mit seiner Krankheit umzugehen – Krebs im Endstadium. Nach so vielen Jahren der Nähe und Verbundenheit mit ihm war sie sich plötzlich nicht mehr sicher, wie sie sich ihm gegenüber verhalten, was sie sagen, ja sogar wie sie empfinden sollte. Sie hasste die Krankheit und ihre Unsicherheit!

Sie beugte sich aus dem großen Fenster, das auf die Straße hinausging. Nach einer Woche mit ungewöhnlich hohen Temperaturen von bis zu 35 Grad hatte es einen kurzen Regenschauer gegeben, so dass die Hitze im Augenblick einigermaßen erträglich war. Erleichtert atmete sie tief ein und musste über sich selbst lächeln – reine, frische Stadtluft mit einem Kohlenmonoxidgehalt von mindestens 45 Prozent, dazu 35 Prozent Frittierfett, 10 Prozent Hundekot und 10 Prozent Ekliges unbekannter Herkunft.

Sie liebte all das – den Lärm, den Schmutz, das Durcheinander, die Spinner, die Straßenkünstler, die Yuppies mit ihren großen Hunden und winzigen Babys und, ja, sogar Bloomingdale’s, wo sie jedes Mal dieselbe laute und deutliche Botschaft empfing: Cookie Adler, reiß dich um Himmels willen zusammen! Sie lachte, als ihr Blick auf das handgeschriebene Schild im Fenster des Hauses auf der anderen Seite der 94. Straße fiel. ES IST EIN MÄDCHEN! RACHEL ELYSE.

Cookie wandte sich amüsiert um. »Hey, Dave! Sie haben ein Mädchen.«

Eilig scharten sich einige Gäste um sie, winkten und lachten. Die Frau am Fenster gegenüber hob einen Finger und bedeutete ihnen zu warten. Als sie wieder ans Fenster trat und ein in eine Decke gehülltes rosafarbenes Etwas in die Höhe hielt, stießen alle ein bewunderndes »Ooohh« aus.

»Ist das nicht süß? Wer ist das, Cookie?«

»Wer das ist? Das sind die Leute im Haus gegenüber, die morgens zur selben Zeit aufstehen wie wir... die ihren Esstisch an derselben Stelle stehen haben wie wir, und die ihre Jalousien gern die ganze Zeit hochgezogen lassen ... Ich will ja nicht zu sehr ins Detail gehen, nur so viel: Manchmal streiten sie sich, und danach versöhnen sie sich wieder ...« Cookie verdrehte vielsagend die Augen, worauf alle in Gelächter ausbrachen. Diese Art amüsanter Kommentare erwarteten die Freunde von ihr, und es war ihr ein Vergnügen, sie nicht zu enttäuschen.

Cookie blieb noch eine Weile am Fenster stehen und hielt Ausschau nach ihren Eltern. Sie hatte angeboten, dass Dave sie mit dem Wagen abholte, aber das hatten sie abgelehnt. Papa musste zu Fuß gehen. »Es sind doch nur acht Blocks, und noch lebe ich ja.« Sie spürte Tränen aufsteigen. Seit Dr. McCormack ihm die schlechte Nachricht beigebracht hatte – der Krebs, der acht Jahre lang geruht hatte, war wieder ausgebrochen –, ging Papa völlig nüchtern damit um, hatte die Krankheit angenommen und sprach sogar offen darüber. Cookie konnte es kaum fassen. Er hatte ja schon immer eine Menge geredet, aber nur über sachliche Themen, sprich, über Politik. Nie über persönliche Angelegenheiten.

Als Cookie ein kleines Mädchen war, versammelten sich im Wohnzimmer ihres Apartments in der Coop-Siedlung immer eine Menge Leute, und die Stimme ihres Vaters war stets zu hören. Er stand immer im Mittelpunkt. Sie konnte sich noch an die Gespräche über den Kalten Krieg, die Sowjetunion, China, McCarthy und den Senatsausschuss für unamerikanische Umtriebe HUAC erinnern. Und an die Gewerkschaften, die Arbeiter und den Triumph der Arbeiterklasse, den sie für unvermeidlich hielten. An die Gespräche, die Märsche und die Flugblätter, die sich stets neben der Eingangstür stapelten. Und an ihren Vater, der diskutierte, argumentierte und Reden hielt.

Papas Stimme – das war der Klang ihrer Kindheit. Sie war eher hoch, irgendwo im Tenorbereich, aber von einer beeindruckenden Kraft. Meist sprach er leise, fast schüchtern, aber wenn man glaubte, er selbst sei schüchtern, irrte man sich gewaltig. Einmal hatte er mit einer unwirschen Handbewegung den Kaffeetisch leer gefegt, so dass Tassen, Bücher, Zeitungen, Brillen und alles andere zu Boden gefallen waren.

Doch nachdem sie gezwungen waren, nach Millville zu ziehen, war alles anders. Er war ruhiger geworden, beugte sich über seine Bücher und Zeitungen oder schlief im Sessel ein. Ein vollkommen anderer Papa. Oft stand sie schüchtern neben ihm und hoffte, er würde die Hand heben, um ihr das Haar zu zerzausen, oder ein Gespräch beginnen. Manchmal tat er es auch, aber nicht oft genug, um die Angst und die Einsamkeit zu vertreiben, die sich in ihr eingenistet hatten.

Aber nun genug mit diesen deprimierenden Erinnerungen. Die Vergangenheit lag hinter ihnen. Und heute war ein Freudentag zu Ehren ihres Mannes. Sie sollte lieber in die Küche gehen und weitere Köstlichkeiten für ihre Gäste holen.

Ihr Sohn erschien mit einem Drink in der Hand an der Küchentür. Sein langes, dunkles Haar fiel ihm ins Gesicht und verdeckte ein Auge, seine Jeans saßen tief auf den Hüften, und er lächelte ein wenig dümmlich. Sie wünschte, er müsste nicht zum Alkohol greifen, um sich mit seinem Vater im selben Zimmer aufhalten zu können. Hoffentlich wurde er nicht aggressiv, wie beim letzten Mal, als er zu viel getrunken hatte. Wenigstens lächelte er. Ein gutes Zeichen. Hoffentlich blieb es so.

»Brauchst du Hilfe, Ma?«

Sie reichte ihm zwei Schüsseln. »Ja. Stell die bitte auf den Tisch.«

»Für dich tu ich doch alles.«

Und für Dad überhaupt nichts, lautete der unausgesprochene Rest des Satzes. Vielleicht begriff Jonathan ja nach der Sendung im Fernsehen, was sein Vater in den letzten drei Jahren durchgemacht hatte. In dieser Zeit, als er der Paria war, abgeschnitten von allen anderen: der Unsichtbare im Büro, das Ziel feindseliger Nachforschungen. Drei Jahre der Frustration, der Sorge, des Kummers und der Niedergeschlagenheit.

Cookie stieß einen tiefen Seufzer aus. Allein der Gedanke daran erschöpfte sie. Doch heute würden sie feiern, und sie war die Gastgeberin. Wenn der Ehemann seinen Triumph feierte, hatte sich die Gastgeberin schließlich nicht unbehaglich und angespannt zu fühlen. Eine gute Gastgeberin und Ehefrau sollte euphorisch sein. Nun ja, zu Euphorie würde sie sich wohl nicht durchringen können, aber verhaltene Freude lag zweifellos im Bereich des Möglichen.

Als sie mit dem Essen das Zimmer betrat, hatten sich die Gäste bereits am Tisch versammelt. Sie genoss es, sie zu bewirten, auch wenn in Wahrheit alles von Zabar oder Balducci geliefert worden war. Sie musste nicht schnippeln, kochen und backen, sondern brauchte lediglich ein Pfund davon, ein Kilo hiervon auszuwählen.

Jedenfalls sah alles ganz wunderbar aus – Wagenladungen von Aufschnitt, Platten mit Räucherfisch, ein halbes Dutzend Käsesorten, jede nur denkbare Bagel-Variante, knusprige Brötchen, dicke Roggenbrotscheiben und Pumpernickel mit Rosinen. Sie griff nach einer Scheibe des dunklen, feuchten Brotes, dessen säuerliche Süße sie so liebte.

Außerdem gab es verschiedene Arten Frischkäse – natur, mit Dill, mit Knoblauch – und diverse Salate: Kartoffelsalat, Drei-Bohnen-Salat, grünen Salat, Rohkostsalat, darüber hinaus Sauerkraut, Essiggurken und Oliven. Jüdisches Essen, obwohl die Lebensmittel aus ganz Europa stammten. Die Menge, dachte sie lächelnd, war jedenfalls eindeutig jüdisch.

Sie liebte all diese Speisen; wahrscheinlich weil sie in der Zeit, als sie ein Mädchen war und in dieser Einöde namens Millville im Bundesstaat New York lebte, ganz besonderen Anlässen vorbehalten waren. Und davon hatte es scheinbar nie welche gegeben. Erstens hatten sie nie genug Geld gehabt, und zweitens hätte man den mühsamen Weg zu Troy zurücklegen müssen, um sie zu besorgen. In Millville galt jüdisches Essen als exotisch und ein wenig verdächtig. In Millville galten Juden an sich als exotisch und ein wenig verdächtig.

Sie stand da und sah sich suchend nach einem freien Platz auf dem Tisch um, als ihr jemand die Schüssel abnahm. »Ich mach das schon, Mom«, sagte Michelle, die erstaunlicherweise tatsächlich ein Plätzchen fand, die Schüssel abstellte und den Käse so arrangierte, dass alles wieder perfekt aussah. Cookie hob die Hand und tätschelte liebevoll Michelles Wange. Eine Tochter war ein wahrer Segen – zumindest ihre Tochter. So rebellisch und schwierig Jonathan sein mochte, so tüchtig und hilfsbereit war seine Schwester.

»Danke, Liebes«, sagte Cookie. »Ich bringe ein bisschen von dieser nosherei zu den Leckermäulern ins Wohnzimmer.«

Dave und zwei seiner ältesten Freunde hatten es sich auf dem Sofa bequem gemacht. Sie waren verstrickt in eine ihrer so genannten ernsthaften Diskussionen, was so viel hieß, dass sie alle gleichzeitig und so laut wie möglich redeten – es ging um Reagans letzte idiotische Aktion –, und dabei stopften sie alles in sich hinein, was sich in Reichweite befand.

»Dieser Mistkerl«, hörte sie ihren Mann über das Stimmengewirr hinweg sagen. »Er wird uns nicht retten, sondern den Dritten Weltkrieg auslösen!« Ja, Dave, wir wissen es ja, dachte Cookie mit einem Anflug von Verärgerung. Seit City Sounds sich das erste Mal wegen des Beitrags bei ihm gemeldet hatte, war er so von sich überzeugt, als wäre er plötzlich Experte auf sämtlichen Gebieten. Das war normalerweise nicht seine Art, und es gefiel ihr nicht.

»Cookie«, rief er nun, »wo du schon stehst, würdest du uns eine Flasche Soda bringen?« Wieder spürte sie einen Anflug von Unmut. Warum ging er ihr nicht ein bisschen zur Hand, statt sie wie eine Dienstbotin herumzukommandieren? Sie hatten stets eine gleichberechtigte Partnerschaft geführt – bis zu dem Augenblick, als er zur Berühmtheit avanciert war.

Zwischen der Stereoanlage und dem Raumteiler blieb sie abrupt stehen und sah ihn an. »Hast du vergessen, wo der Kühlschrank steht?«, fragte sie, während sich schlagartig ihr schlechtes Gewissen regte. Dies war nicht der richtige Zeitpunkt. Verdammt, es war seine Party, und er verdiente es, im Mittelpunkt zu stehen. Schließlich war der Weg in die Küche nicht allzu lang.

»Schon gut, Dave. Es ist dein Abend. Aber ab morgen, Freund, holst du dir dein Wasser selber.«

»Ich liebe diese Frau!«, meinte Dave lachend, und für den Bruchteil einer Sekunde blitzte sein altes Ich auf. »Sie sorgt dafür, dass ich mit beiden Füßen auf der Erde bleibe.«

Cookies Blick wanderte zu ihrem Sohn, dessen angewiderter Blick Bände sprach. Es gefiel ihr nicht, aber noch weniger gefiel ihr, wie er das Glas an die Lippen hob und den Inhalt in sich hineinschüttete, als wäre es Wasser. Sie würde mit ihm reden müssen, und zwar bald. Unwirsch schob Cookie diese typisch mütterlichen Gedanken beiseite. Sie war es leid, Mutter zu sein, außerdem feierten sie heute. Wie oft hatte sie sich das heute Abend schon gesagt? Vielleicht sollte sie sich selbst einen Drink mixen.

Sie stellte die Teller vor den Männern ab und ging in die Küche, um das Wasser zu holen, wobei sie im Vorbeigehen mit einigen Freunden plauderte. Alle waren bester Stimmung. Sie alle hatten das Gefühl, Teil von Daves Triumph zu sein. Nun, das war berechtigt, denn immerhin hatten sie alle hinter ihm gestanden, als er diese Probleme mit der Stadt hatte.

An diesem Morgen hatte sie in den Spiegel geblickt und die Spuren entdeckt, die die Zeit und die Belastung hinterlassen hatten, den Zweikampf zwischen ihren mädchenhaften Sommersprossen und den Fältchen einer reifen Frau.

Zu Ehren von City Sounds trug sie ein wenig Mascara auf ihre blassen Wimpern auf und unterzog sich einer eingehenden Betrachtung. Sie war noch immer die alte Cookie mit dem ovalen Gesicht, den großen haselnussbraunen Augen, der wohlgeformten Nase, dem üppigen Mund und dem dichten, gelockten Haar, das früher so leuchtend rot wie das ihres Vaters gewesen war und heute einen – tja – einen verblassten Kastanienton mit vereinzelten grauen Strähnen angenommen hatte. Sie trug ihr Haar kurz geschnitten, so dass sie wenig Arbeit damit hatte. War sie hübsch? Weit davon entfernt. Sie schnitt eine Grimasse und zog ihre Lippen mit einem rosafarbenen Stift nach. Aber bestimmt fiel das sowieso keinem auf.

Sam, ihr Nachbar und Freund (und zufällig auch ihr Boss), wandte sich an Dave. »Sieh dir all die Speisen an, Mann! Jetzt weiß ich, dass endgültig der Wohlstand ausgebrochen ist!« Er lachte dröhnend. »Wenn Adler bei Zabar’s Feinkost einkauft ...« Er verdrehte die Augen.

Dave lachte. »Cookie hat all das bezahlt.«

»Ich dachte, du hast bezahlt«, erwiderte Cookie mit ernster Miene.

Dave sah sich um. »Hey, wer hat das bezahlt? Und wer auch immer der Wohltäter ist, wo sind meine Shrimps?« Wie so häufig war das allgemeine Gelächter das Signal für die Gäste, die Plätze zu wechseln. Cookie ging in die Küche.

Gerade als sie sich mit neuen Speisen beladen hatte, hörte sie eine Stimme. »Deine Eltern sind hier!« Sie ließ alles stehen und liegen und stürzte los, um sie zu begrüßen. Insgeheim wappnete sie sich bereits, wie sie es neuerdings immer tat, da sie nie wusste, welcher Anblick sich ihr bieten würde.

Vor sechs Monaten noch hatte Papa wie immer ausgesehen – eigenwillig, entschlossen und forsch. Sein Haar hatte flammend rot geleuchtet, und seine Schultern waren gerade gewesen. Doch nun wirkte er bei jedem Zusammentreffen gebeugter, müder und bleicher.

So auch diesmal. Sein Anblick ließ sie innerlich zusammenzucken. Er sah aus wie ein alter Mann, obwohl er es noch gar nicht war. Aber er starb, verdammt noch mal! Die Tränen unterdrückend, damit er sich nicht noch schlechter fühlen sollte, umarmte sie ihn. Er war so dünn, so zerbrechlich! Ihre Mutter rauschte indessen ins Wohnzimmer, redete wie ein Wasserfall, begrüßte jeden, den sie kannte, auf ihre gewohnte Art mit großem Hallo. Sie war zwar nicht besonders groß, besaß aber so viel Präsenz wie zehn Frauen; sie hatte genau das, was man allgemein als Charisma bezeichnete. Trotz ihrer siebzig Jahre war sie nach wie vor eine schöne Frau mit makellosem, strahlendem Teint und lebhaften Augen – und einer erstklassigen Figur.

Als Cookie sie zwei Wochen zuvor ins Ballett im Lincoln Center ausführte, erschien sie in einem weiten Bauernrock mit Bluse und Hängeohrringen, die aus winzigen Silbersternen bestanden und bei jeder Bewegung leise klirrten. Ihr langes meliertes Haar war zu einem wunderschönen, raffinierten Knoten frisiert. Cookie hatte bemerkt, wie einige Männer (und nicht nur solche ihres Alters) sich umgewandt und ihr nachgesehen hatten – eine völlig berechtigte Reaktion, denn ihre Mutter war eine höchst attraktive Frau, die viel mehr bewundernde Blicke erntete als ihre Tochter, dachte Cookie bitter.

Es musste Jahre her sein, dass ihr ein Mann das letzte Mal auch nur irgendeinen Blick zugeworfen hatte.

Sie betrachtete Dot, die völlig entspannt im Zimmer herumging und mit einem Glas in der Hand die Gäste umarmte, die sie kannte, und den anderen die Hand schüttelte, lachte, redete. Kein Blick zurück zu ihnen. Sie wusste ja auch genau, dass Cookie sich um Papa kümmern würde.

Sobald ihre Mutter außer Hörweite war, beugte Papa sich zu ihr herüber. »Und? Hast du schon etwas gehört? Was hat Jack gesagt?«, flüsterte er.

Cookie lachte. »Papa! Jack hat noch gar nichts gesagt. Ich habe Deena doch erst vor zwei Tagen angerufen. Ich habe ihr eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen, darauf hat sie mir eine Nachricht hinterlassen... Hast du das vergessen? Ich habe es dir doch erzählt. Heute Morgen habe ich sie noch mal angerufen und ihr noch eine Nachricht hinterlassen. Deenas und mein Anrufbeantworter haben inzwischen schon eine wunderbare Beziehung zueinander entwickelt.«

»Noch bin ich geistig nicht so daneben, dass ich mich nicht erinnern könnte, was du mir gestern erzählt hast. Ich dachte ja nur. Mir bleibt eben nicht mehr genug Zeit, um darauf zu warten, bis der große macher Ja oder Nein sagt! Das ist alles. Ich dachte eben nur. Kann ein Mann nicht etwas denken, ohne dass du gleich einen Staatsakt daraus machst?«

»Nun, du wirst dich noch eine Weile gedulden müssen, weil ich zuerst mit Deena reden muss, die dann mit Jack reden muss.«

»Und was ist, wenn er Nein sagt? Das fällt mir erst jetzt ein. Er könnte doch sagen, dass er es auf keinen Fall will. Dieser Mann ist so ein starrsinniger Esel.«

Cookie sah ihn belustigt an. »Ach, ja?«

»Ja, ja, ich weiß. Das sagt genau der Richtige! Du brauchst es gar nicht auszusprechen.« Sie lachten beide.

»Jack wird schon nicht Nein sagen«, meinte Cookie beruhigend. »Bestimmt nicht. Soweit ich mich an ihn erinnere, ist er gar nicht so starrsinnig, sondern eher umgänglich. Er hat viel gelacht, gesungen und Geschichten erzählt...«

»Ja, ja, und das Geld ausgegeben, als gäbe es kein Morgen mehr. Das ist auch der Grund, weshalb ihr Kinder ihn so gemocht habt. Seine Geldbörse saß immer so schön locker.«

»Papa, das ist nicht fair. Er ist unser Onkel und war immer nett zu uns. Habt ihr euch nie gemocht?«

Er schüttelte den Kopf. »Nein, nie. Er und ich, das war wie Feuer und Wasser, vom ersten Augenblick an.«

Cookie stemmte die Hände in die Hüften. »Papa! Irwin, Paul und ich dachten immer, ihr hättet euch trotz seiner politischen Ansichten gemocht. Verdammt, du hast uns nie irgendetwas erzählt.«

»So was erzählt man kleinen Kindern auch nicht.«

Wieso nicht?, dachte Cookie, sprach es jedoch nicht aus. Warum sollte sie sich jetzt noch mit ihm streiten? Sie nahm ihren Vater am Arm und führte ihn ins Wohnzimmer. Sobald sie im Türrahmen erschienen, sprang Ron Schwartz, ein alter Freund der Familie aus Bronx-Zeiten, von seinem Stuhl auf und bot ihn Jonah an. »Wie geht’s Ihnen, Mr. Gordon?«

»Jonah, bitte. Lassen Sie diesen Mr. Gordon doch einfach weg. Es geht mir gut – für einen alten Mann.« Er lächelte, um zu zeigen, dass seine Worte scherzhaft gemeint waren, konnte sich jedoch ein Stöhnen kaum verkneifen, als er sich auf den Stuhl sinken ließ.

»An alle diejenigen, die wissen wollten, wann mein Vater kommt – er ist hier, frisch aus der 89. Straße, Apartment C«, verkündete Cookie.

»Du hast dir ja mächtig Zeit gelassen«, bemerkte Dave, »ich habe mich schon gefragt, ob du überhaupt noch kommst.«

»Soll das ein Witz sein?«, gab Jonah zurück. »Wie könnte ich ein solches Ereignis versäumen?« Mit einem Mal lag eine unüberhörbare Kraft in seiner Stimme. Alle hatten sich ihm zugewandt und lauschten. Cookie konnte nur staunen. Er brauchte ein Publikum, das war alles.

»Dave hat etwas wirklich Beeindruckendes getan... Er hat sich gegen Kochs Kumpane aufgelehnt. Alles Idioten. Sie wissen nichts über die Unterdrückten, und es kümmert sie auch gar nicht! Aber Dave schon. Sie hätten ihm einen Orden verleihen sollen. Und was hat er stattdessen bekommen?« Er streckte den Arm aus und hielt einen Augenblick inne.

»Hohn und Spott«, rief jemand.

»Ärger«, meldete sich eine zweite Stimme zu Wort. »Probleme.«

»Jede Menge Schwierigkeiten.«

»Genau!« Jonah schien völlig in seinem Element zu sein und sich prächtig zu amüsieren. »Dave hat den Mund aufgemacht und hat sie gewarnt, und statt ihm dankbar zu sein, bestrafen diese Kerle ihn dafür, dass er Recht hatte. Sie bestrafen ihn.« Seine Stimme brach. Er griff nach einem Glas Wasser und hob es in die Höhe. »Ein Toast! Heben wir die Gläser auf Dave Adler, und recken wir die Fäuste gegen diese vertrockneten Bürokraten, die es zulassen, dass unschuldige Kinder brutal misshandelt und ermordet werden.« Zustimmende Rufe wurden laut, und er fuhr fort. »Ja, ermordet. Und was ist die eigentliche Schande? Die eigentliche Schande ist« – er senkte die Stimme zu einem dramatischen Flüstern –, »dass man eine Fernsehsendung braucht, um der Welt zu zeigen, was hier los ist... Oh, mein Enkel ist ja auch schon da und sieht mich so seltsam an. Ich kann dir genau sagen, was hier los ist, Jonathan. Ich bin hip oder hep oder wie auch immer das jetzt heißt...« Er wartete, bis das allgemeine Gelächter verebbt war, ehe er fortfuhr. »Die Flimmerkiste soll Dave von der Schuld freisprechen.«

»Dem Himmel sei Dank für die Flimmerkiste, Jonah«, rief seine Frau, die aufstand und das Glas erhob. »Und für Dick Wallach, hab ich Recht? Noch ein Kerl, der Mumm in den Knochen hat.« Weiteres Gelächter und zustimmendes Gemurmel brandete auf, während alle die Gläser erhoben.

Cookie nippte an ihrem Wein, ohne auf den Geschmack zu achten. Wann immer sie ihrem Vater zusah, wie er für etwas einstand, das ihm am Herzen lag, wurde ihr schmerzlich bewusst, wie sehr ihn die Partei enttäuscht haben musste – nein, mehr als das. Sie musste ihn verletzt und ihn zu dem Grübler mit den traurigen Augen gemacht haben, an den sie sich noch aus den schlimmen Zeiten in Millville erinnern konnte. Oh Gott! Erneut schoben sich die Erinnerungen in ihr Gedächtnis. Wieso gerade jetzt? Sie hatte es doch geschafft, sie so viele Jahre im Zaum zu halten.

»Das sind die Dinge, die einen Anhänger der Fortschrittsbewegung am Leben halten, was, Jonah?«, rief einer der alten Truppe.

Jonah lachte. »Die Anhänger der Fortschrittsbewegung haben nicht mehr so viel, worauf sie stolz sein können, nachdem sich ein Kerl zum Präsidenten wählen ließ, der neben einem Schimpansen im Fernsehen gespielt hat. Oh Mann ... Es gibt ja eigentlich gar keine richtigen Fortschrittler mehr. Die jungen Leute sind nicht mehr so idealistisch wie wir.«

»Yo, Opa. Ich bin aber idealistisch.«

»Ja, ja, Jonny. Und was hast du in letzter Zeit so getrieben? Wann warst du das letzte Mal für etwas Wichtiges auf der Straße?«

»Gestern. Ich gehe jeden Sonntag auf die Straße, um die Wahrheit zu sagen«, erwiderte Jon. »Gegen Atomwaffen. Gegen die Apartheid. Gegen den Krieg der Sterne. Was auch immer du aufzählst, Opa, ich bin dagegen und gehe dafür auf die Straße.«

Jons Antwort wurde mit allgemeinem Gelächter quittiert. Cookie blickte ihren Sohn überrascht an, der die Finger in die Gürtelschlaufen gesteckt hatte und mit einem Grinsen auf dem Gesicht seelenruhig vor Papa stand. Wenn er mit seinem Großvater zurechtkam, warum nicht auch mit seinem Vater, der doch so viel umgänglicher war.

»Genauso habe ich herausgefunden, dass ich ein Kommunistenkind bin – als ich festgestellt habe, dass andere Kinder in meiner Klasse sich samstagmorgens Zeichentrickfilme angesehen haben, statt durch die Straßen zu marschieren«, sagte eine der Frauen.

Alle lachten und applaudierten. Jonah berührte Cookies Hand und bedeutete ihr, sich zu ihm herunterzubeugen. »Ist es in Ordnung, wenn sie hier so offen redet?«, flüsterte er.

Cookie richtete sich wieder auf. »Mach dir keine Sorgen, Papa. Wir sind hier unter Freunden.«

In diesem Augenblick läutete das Telefon, und Cookie wandte sich zum Gehen. »Nicht so laut, Leute«, rief sie und hob den Hörer ab. »Ja?«

»Ich hoffe, der Lärm im Hintergrund stammt nicht von deinen Kindern, Cookie«, sagte eine Stimme. »Denn als wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben, warst du noch nicht mal verheiratet.«

Cookie grinste. »Dr. Martin Luther King Jr. Der Marsch auf Washington. 28. August 1963. Du siehst, ich habe es nicht vergessen – genau vor 24 Jahren«, erwiderte sie, ohne zu zögern.

»Richtig, und wie klug du bist, dass du das sogar noch im Kopf ausrechnen kannst.«

Cookie wandte sich um. »Hey, Leute, es ist meine Cousine Deena, mit der ich schon seit einer Ewigkeit nicht mehr geredet habe, und jetzt kann ich sie nicht hören.« Sie blickte ihren Vater an, der ihren Blick mit ausdrucksloser Miene erwiderte. Nicht einmal ein winziges Lächeln erhellte seine Züge und verriet, wie sehr er sich freute.

»Wie schön, endlich einmal wieder deine Stimme zu hören, Deena. Hier sind ungefähr eine Million Leute, deshalb gehe ich lieber ins Schlafzimmer. Könnte einer von euch den Hörer hier auflegen?«

Sie ging den kurzen Korridor entlang bis zu ihrem Schlafzimmer. Nein. Nicht ihr eigenes, sondern Daves und ihres. Falsch. Nicht ihres, sondern seines. Wieder falsch. Inzwischen standen Daves Sportgeräte darin. Am Tag nach seiner Degradierung hatte er ein Rudergerät und einen Fahrradergometer gekauft, um gleichzeitig trainieren und fernsehen zu können, sprich, praktisch den ganzen Tag. Vielleicht brachte er die Sachen ja jetzt weg... in Jons altes Zimmer möglicherweise. Jon würde ohnehin nicht mehr hier einziehen. Gott sei Dank. Wenn solche Gedanken sie zu einer schlechten Mutter machten, na schön, dann sollte es wohl so sein.

»Deena? Tut mir Leid«, sagte sie ein wenig atemlos, als sie nach dem Hörer griff. Sie setzte sich auf die Bettkante und blickte aus dem Fenster auf den diesigen Himmel. Überrascht bemerkte sie, wie ruhig sie war. Seit dem Marsch auf Washington hatten sie kein Wort mehr gewechselt. Sie hatte gedacht, ihre Begegnung würde emotionsgeladener ausfallen, vielleicht sogar mit Tränen. Aber so war es nicht. »Wie geht es dir denn, Deena? Wie ist es dir ergangen? Ist das zu glauben? Nach über 24 Jahren frage ich dich als Erstes, was es Neues gibt?«

Deena lachte – ein Geräusch, das augenblicklich eine Fülle an Erinnerungen in Cookie aufsteigen ließ. Die feuchte Augusthitze in Washington, D.C. Die optimistischen, entschlossenen Menschen. Hunderttausende. Ihre Freunde vom New Yorker College. Die Gesänge, die Reden. Martin Luther King Jr. Oh Gott! Sie konnte sich noch genau an Deena erinnern, an deren hübsches Gesicht, das vor Schweiß glänzte, an ihre tränenerfüllten Augen, an die hochschwangere Cousine, die sich so gefreut hatte, weil Cookie sie in dieser Menschenmenge ausgemacht hatte.

Vor Aufregung, sich unter all den Menschen gefunden zu haben, noch dazu an einem historisch so bedeutsamen Tag, waren sie einander in die Arme gesunken.

»Ist dir eigentlich klar«, sagte Cookie jetzt, »dass du bei unserer letzten Begegnung mit deinem ersten Kind schwanger warst? Später habe ich dich ein paar Mal mit einem Kinderwagen auf der Straße gesehen, dann mit einem Sportwagen, dann mit einem Kleinkind an der Hand und einem Kinderwagen, dann mit einem Kleinkind an der Hand und einem Doppelkinderwagen.« Sie lachten. »Und dann bist du weggezogen. Wie viele hast du denn noch bekommen?«

»Insgesamt vier. Zwei Jungs, zwei Mädchen. Und du?«

»Nur zwei. Zwillinge.«

»Zwillinge! Wie deine Mutter und Yetta! Zwei Mädchen?«

»Nein, ein Pärchen ... Jonathan und Michelle. Sie sind inzwischen einundzwanzig, und Mickey ist Harvardstudentin im dritten Studienjahr.«

»Harvard! Ich bin beeindruckt.«

»Sie auch. Aber es gibt ja auch noch andere Orte auf der Welt, an denen man existieren kann.«

»Das geht vorbei. Mein Ältester war auch in Harvard und anschließend an der medizinischen Fakultät dort, aber langsam fängt er an, die Außenwelt wieder wahrzunehmen.«

Sie mussten beide lachen, und Cookie erinnerte sich, wie gut sie sich immer miteinander amüsiert hatten. Es war so schön, wieder dort anknüpfen zu können, wo ihr Kontakt vor so vielen Jahren abgerissen war.

»Jedenfalls hat sie noch ein Jahr vor sich, und dann ist es vorbei.«

»Und dein Sohn?«

»Er ist Künstler. Er ist an der Cooper Union Kunstakademie und malt. Und er lebt auf der Lower East Side, Verzeihung, im East Village mit seiner LAGMGW.«

»Wie bitte? Mit wem?«

»Mit seiner Lebensabschnittsgefährtin mit gemeinsamem Wohnsitz. Ist das nicht süß? Kannst du dir vorstellen, dass die Leute in unserer Statistikbehörde diesen Begriff erfunden haben?«

»Klingt nach einer Abkürzung, die nur von Leuten erfunden sein kann, die bei der staatlichen Statistikbehörde arbeiten.«

Sie lachten, ehe sich Stille ausbreitete. Schließlich holte Deena tief Luft. »Ich habe oft an dich gedacht. Aber... ich weiß auch nicht... da waren die Kinder, und Daddy hat auf meiner Loyalität bestanden, und ... ach, ich weiß auch nicht.«

»Das verstehe ich doch«, meinte Cookie. »Ich habe auch oft an dich gedacht, wusste aber einfach nicht, wie ich diese Barriere überwinden sollte.«

»Oh Gott, es hätte so einfach sein können. Und nach Michaels Geburt bin ich nach Brooklyn Heights gezogen. Du hättest herkommen können, ohne dass jemand etwas davon mitbekommen hätte.« Wieder Pause. »Übrigens bin ich geschieden und habe meinen Mädchennamen wieder angenommen.«

»Schon gut. Ich kannte deinen Familiennamen nach der Hochzeit sowieso nicht.«

»Danke, dass du dir den Kommentar erspart hast, wie Leid dir das mit der Scheidung tut. Das sagen sonst die meisten Leute. Aber was wissen die schon? Und Daddy tut so, als hätte ich ihm irgendetwas Schreckliches angetan. Natürlich sollte mich das nicht überraschen, weil er ja grundsätzlich von mir erwartet, dass ich mich genauso benehme, wie er es sich vorstellt. Einmal hat er gesehen, wie ich dir über die Straße zugewinkt habe – Jahre nach diesem ganzen Theater – und es tatsächlich fertig gebracht, danach anderthalb Wochen kein Wort mit mir zu reden. Und ich bin seine Lieblingstochter!« Obwohl sie lachte, entging Cookie das leichte Beben in ihrer Stimme nicht.

»Papa war keinen Deut besser, glaub mir. Und dann seine politische Rhetorik, die er bei jeder Gelegenheit eingesetzt hat.«

Deena holte tief Luft. »Du sagtest, dein Vater sei sehr krank. Ist es ... schlimm?«

»Ich fürchte, ja. Krebs.«

»Oh Gott, wie entsetzlich. Das tut mir so Leid! Und es macht mich traurig, dass ich ihn so viele Jahre nicht gesehen habe.«

»Na ja, und mich macht es wütend, dass Papa erst so krank werden musste, um zu erkennen, wie lächerlich dieser Streit ist. Aber immerhin besser spät als nie. Und jetzt kann er es kaum erwarten. Jeden Tag liegt er mir damit in den Ohren. Ob Jack bereit ist, sich mit ihm zu treffen? Was glaubst du?«

»Eine Versöhnung!«, rief Deena. »Nach all den Jahren! Das wäre wunderbar! Wir könnten uns wiedersehen. Aber... wieso reden eigentlich wir beide darüber? Wäre es nicht sinnvoller, wenn Onkel Jonah Daddy anrufen und es mit ihm selbst besprechen würde?«

»Sinnvoll? Wir reden hier von unseren Vätern.« Wieder brachen sie in Gelächter aus.

»Aber unsere Mütter könnten das Gipfeltreffen doch arrangieren.«

»Unsere Mütter! Ich muss dir erzählen, was passiert ist, Deena«, sagte Cookie. »Eines Nachts, es war an einem Dienstag, ist Papa um zwei Uhr früh aufgewacht und wusste, dass er sich mit seinem Schwager aussöhnen musste, bevor es zu spät ist. Also weckte er natürlich meine Mutter auf, um es ihr zu sagen. Sie wollte wissen, ob es nicht noch Zeit bis zum Morgen hätte oder ob er wollte, dass sie ihren Bruder sofort anrief. Du weißt ja, dass Männer manchmal brillante Ideen haben, aber am Ende bleibt es eben doch an den Frauen hängen, sie in die Tat umzusetzen. Verstehst du, was ich meine?«

»Ich verstehe ganz genau, was du meinst.«

»Na ja, meine Mutter fand es wohl seltsam, Onkel Jack ohne Vorwarnung anzurufen. Sie wollte zuerst mit Sylvia darüber reden. Also hat sie mich angerufen. Wen sonst? ›Du und Deena, ihr wart doch immer so gute Freundinnen‹, hat sie gesagt. ›Ruf doch Deena an und bitte sie, dass ihre Mutter mit ihrem Vater redet, und dann rufst du mich wieder an und erzählst mir, was sie gesagt hat.‹ Sie fand das absolut in Ordnung, und wie du siehst, habe ich genau das getan.«

»Das kenne ich«, lachte Deena. »Auch Sylvia hat die wunderbare Angewohnheit, ihre Töchter dazu zu bringen, dass sie sich über Dinge unterhalten, die eigentlich ihre Sache sind. Aber ich will mich nicht beschweren, immerhin habe ich auf diese Weise das Vergnügen, mit dir zu reden.«

»Und glaubst du, dass er einverstanden ist?«

»Oh, liebste Cookie, wer kann schon Daddys Reaktionen vorhersagen? Obwohl er nicht mehr ganz so hitzköpfig ist wie früher. Neuerdings wird es selbst ihm ein bisschen zu viel, und er wird irgendwie ... hilfloser oder so.«

»Onkel Jack? Hilflos? Das klingt so gar nicht nach ihm.«

»Es ist das Alter ... Aber ich habe gerade eine prima Idee. Wahrscheinlich wäre es zu bedrohlich für ihn, sich mit deinem Vater allein zu treffen. Du weißt schon, Gesichtsverlust und all dieser Männerkram. Aber wie wäre es denn mit einem Familientreffen? Wir alle, nicht nur die beiden! Einfach alle, die Kinder, Ehefrauen, Enkelkinder und was auch immer für Wohnsitz-Gefährten. Deine Leute, meine Leute, alle zusammen.«

»Im selben Land?«

»Im selben Zimmer. Klingt ziemlich abenteuerlich, was?«

Cookie hörte etwas hinter sich rascheln und drehte sich um. Es war ihre Mutter, die heftig gestikulierte und auf ihre Armbanduhr deutete. Oh Gott, fast sieben! Daves Interview würde gleich gesendet werden. »Das ist wirklich eine tolle Idee, Deena«, sagte sie eilig, »aber jetzt muss ich mich beeilen. Schalt Channel Two ein und sieh zu, wie mein Mann die Missstände des Wohlfahrtssystems anprangert. Aber ich will dich unbedingt sehen. Wirklich. Ich will, dass diese Versöhnung stattfindet. Hören wir endlich auf mit dieser narishkeit!«

»Alles klar. Wie wär’s mit Abendessen morgen?«

Deena machte Nägel mit Köpfen, wie immer. Sie hatte ihre Ziele schon immer ohne Umschweife verfolgt. Tja, und Cookie Adler kann genauso sein. »Sagen wir, bei Hisae’s am Cooper Square? Halb sechs?« Etwas überrascht stellte sie fest, wie sehr sie sich darauf freute, ihre Cousine wiederzusehen. »Wunderbar«, sagte sie, als Deena zustimmte. »Und... Deena...«

»Hmm?«

»Ich kann es kaum noch erwarten.«

KAPITEL 2

Sonntag, 12. Juli 1987

Die gespannte Erwartung im Wohnzimmer war buchstäblich mit Händen greifbar. Alle Gäste hatten sich hingesetzt, wo sie gerade Platz fanden; teilweise teilten sie sich sogar einen Sitzplatz, die Mehrzahl jedoch hatte es sich auf dem Fußboden bequem gemacht. »Lasst Cookie durch. Sie soll sich neben Dave setzen«, rief jemand. »Aber dann muss ich über zehn Leute hinwegklettern«, wandte sie ein. »Es ist schon okay, ich setze mich hierher.« Sie ließ sich auf die Lehne des Sessels sinken, in dem ihr Vater saß. Der nahm ihre Hand – eine überraschende Geste, die sie mit Freude erfüllte und zugleich ein wenig traurig stimmte.

»Und? Wie sieht’s aus, Cookele? Kommt mich dieser alte Starrkopf besuchen? Aber nein. Das wird er nicht tun, dazu ist er ja viel zu wichtig. Ich weiß schon, ich muss in seinen noblen Club gehen, hab ich Recht? Und du kannst Deena sagen, dass dein Vater das vielleicht auch tut. Wenn Jack Strauss mich auf Händen und Knien darum bittet, dann mach ich’s vielleicht.« Er lachte.

Cookie unterdrückte einen Seufzer, während sie die Vermutung beschlich, dass es nicht ganz einfach werden würde, die beiden alten Knaben zusammenzubringen. Aber der Applaus der Gäste beim Anblick der vertrauten Luftaufnahme von New York, die in diesem Augenblick auf dem Bildschirm erschien, ersparte ihr eine Erwiderung. Zumindest vorläufig.

Als Nächstes erschien Dick Wallachs vertrautes Gesicht und der Titel des Beitrags in fetten Lettern: AUFGEDECKT. Wieder brandete Applaus auf. »Wenn Sie den Beweis hätten, dass tagtäglich hilflose Kinder in ihren eigenen vier Wänden ermordet werden, würden Sie dann diesen Missstand nicht anprangern? Dave Adler hatte die Beweise dafür in der Hand und hat genau das getan. Dave Adler ist Sozialarbeiter und Mitarbeiter der Städtischen Sozialbehörde von New York und hat zahlreiche Fälle beobachtet, in denen Anzeigen wegen häuslicher Gewalt und Kindesmissbrauch nicht nachgegangen wurde. Nun, Dave Adler arbeitete für das System und vertraute ihm. Deshalb legte er seine Berichte bei den entsprechenden Behörden vor. Und war man ihm vielleicht dankbar dafür? Wurde er befördert? Nein, das wurde er nicht. Stattdessen wurde er in seiner Kompetenz beschnitten, man hat ihn geächtet, sein Gehalt auf die Hälfte gekürzt und seine Karriere zerstört. Und laut Dave passiert das jedem, der den Mund aufmacht.«

»Huh! So was nennt man heutzutage Nachrichten«, meinte Jonah, als das Gesicht des Reporters vom Bildschirm verschwand. »Aber habe ich das nicht auch schon früher gesagt? Glaubt mir, in Wahrheit gibt es nichts Neues mehr auf der Welt.«

»Shh, Jonah, das ist Daves Sendung«, meinte Dot, was zwar nicht ganz der Wahrheit entsprach, aber es war gut gemeint, dachte Cookie. Sie sah zu Dave hinüber, der auf dem Ehrenplatz mitten auf der Couch saß und gespannt den Bildschirm anstarrte. Eigentlich war der Fernseher viel zu klein für all diese Menschen. Dave hatte eines dieser Riesendinger mit 70-Zentimeter-Bildschirm haben wollen, aber Cookie hatte keine Lust, fast 1000 Dollar auszugeben, nur damit ein riesiges blindes Auge ihr gemütliches Wohnzimmer mit all den schönen mexikanischen Töpferwaren und dem hellen Teppich dominierte.

Dave starrte wie gebannt auf den Fernseher – wie ein Kind, das sich Zeichentrickfilme ansehen durfte, und ermahnte die Schlauköpfe, die ihre Kommentare abgaben, den Mund zu halten. Er sah so lebendig aus, und Cookie war froh, endlich wieder dieses Funkeln in seinen dunklen Augen zu entdecken wie damals, als sie sich kennen gelernt hatten. Das war ihr als Erstes an ihm aufgefallen – sein dunkler Teint und die Energie, die von ihm ausging. Sie waren einander im Bus auf dem Rückweg vom Marsch auf Washington begegnet, an dem Tag, als sie auch Deena getroffen hatte. Sie standen beide noch unter dem Bann der Magie dieses unglaublichen Tages, und es war Liebe auf den ersten Blick. Oder so etwas in dieser Art. Was auch immer es gewesen ist – sie waren bis zum heutigen Tag zusammen.

Sie betrachtete ihn so, wie sie es schon seit einer Ewigkeit nicht mehr getan hatte. Er war auf attraktive Weise älter geworden; nur ein paar vereinzelte silberne Strähnen im Haar und im Bart, sonst nichts. Die dichten, kräftigen Locken waren etwas dünner geworden, aber er zeigte keine Anzeichen einer Glatze, wie so viele seiner Freunde. Und die vergangenen drei Jahre Training im Fitness-Club, die fünf Meilen, die er täglich lief, ob bei Sonne, Regen, Schnee oder Eis, hatten ihn muskulös werden lassen.

Das war auch den Frauen im Haus nicht entgangen. »Meine Güte, einen Mann mit so einem Körper zu haben muss ja ein echter Augenschmaus sein«, hatte Molly Santangelo mit ihrem losen Mundwerk bemerkt.

Cookie wusste noch, wie erschrocken sie auf diese Bemerkung reagiert hatte. Dave war eben Dave. »Er fühlt sich nicht anders an als früher.«

»Klar, Cookie. Erzähl mir doch nichts!«

Sie fragte sich, was Molly wohl dazu sagen würde, wenn sie wüsste, dass Cookie gerade an dem Abend, als Dave nach Hause kam und erzählte, dass er degradiert und sein Gehalt auf die Hälfte gekürzt worden war, die Scheidung vorschlagen wollte. Sie erinnerte sich noch an jedes Wort ihrer kleinen vorbereiteten Ansprache und war sich nicht einmal sicher, ob sie sie nicht eines Tages doch noch halten würde.

Niemand in diesem Raum hatte auch nur die leiseste Ahnung von all dem. Würde sie jetzt die Katze aus dem Sack lassen, würden sie sie mit offenem Mund anstarren. Und dann würden sie in Gelächter ausbrechen und glauben, sie hätte einen Scherz gemacht. Cookie und Dave Adler galten als perfektes Paar, die alles miteinander teilten und eine wunderbare, harmonische Ehe führten.

Das hatte sie bis vor drei Jahren auch gedacht. Die Kinder waren ausgezogen, und mit einem Mal waren sie allein. Zumindest in gewisser Weise. Sie und Dave sahen einander ziemlich selten. Er hatte seine Sitzungen, sein Training im Fitness-Club, seine wöchentliche Pokerrunde und jede Menge Arbeit, die er jeden Abend mit nach Hause brachte. Sie hatte ihre Gymnastikstunden, die Stadtteilbehörde, die Frauengruppe, ihren italienischen Konversationskurs und jede Menge Arbeit, die sie jeden Abend mit nach Hause brachte. Sie bekam ihn kaum zu Gesicht, darauf lief es letztendlich hinaus.

Und genau um diese Zeit schien die Hälfte der Frauen um sie herum zu sagen: »Schluss. Wir kriegen es nicht in den Griff. Ich gehe!« Sogar ihre beste Freundin Lois.

Und sie saß noch immer im selben alten Apartment, mit ihrem alten Leben, während all die Frauen um sie herum die Fesseln abstreiften und sich um ihr eigenes Leben kümmerten. Die Aufregung, die Freiheit, die Möglichkeiten! Allein beim Gedanken daran wurde ihr beinahe schwindlig. Vielleicht hatte sie zu jung geheiratet und sich zu früh an jemanden gebunden, nur weil er behauptet hatte, er liebe sie. Vielleicht war das der Grund, dass sie von Zeit zu Zeit das Gefühl hatte, etwas versäumt zu haben... obwohl sie nicht sagen konnte, was.

Romantik. Das war es. Das hatte sie nie gehabt. Und das würde sie auch nie haben. Sie hatte einen Mann geheiratet, weil er gut zu ihr passte und die richtige politische Meinung hatte. Und in erster Linie, weil er sie mochte.

Es war auf der Rückfahrt vom Marsch auf Washington. Der 28. August 1963. Ein dunkelhaariger, gut aussehender junger Mann saß neben ihr, und nach einer Weile kamen sie ins Gespräch.

Natürlich fühlte sich an diesem Tag jeder mit jedem verbunden. Cookie, die sich nicht für ein Mädchen hielt, zu dem sich Männer besonders hingezogen fühlten, war einigermaßen überrascht, als sie feststellte, dass er sich mit ihr unterhalten wollte. Das Gespräch drehte sich in erster Linie um Details von Dr. Kings Rede, darum, wie einem die Macht und die Eloquenz dieses Mannes einen Schauer über den Rücken gejagt hatten. Und die Menge! All diese Menschen! Das musste das Ereignis des Jahrhunderts sein!

»In meinem ganzen Leben war ich noch nie so aufgeregt«, erklärte er, packte ihre Hand und drückte sie, ohne es zu bemerken. »Heute wurde Geschichte geschrieben, und wir waren dabei... Ist Ihnen das klar?« Sie unterhielten sich weiter, und es war so leicht und unbeschwert. Er lachte sie auf diese ganz bestimmte Weise an, die ihr Herz klopfen ließ. Fand er sie attraktiv? Sie konnte es nicht genau sagen. Sie wusste zwar, dass Jungs gern Sex haben wollten, aber das hier war anders.

»Haben Sie schon mal was von der Coop-Siedlung gehört?«, fragte er sie.

»Davon gehört? Ich habe früher dort gewohnt.«

»Ehrlich. Mein Gott, ich wünschte, wir hätten auch dort gelebt. Aber meine Eltern haben mich auf eine mittel shul geschickt.« Er warf ihr einen vielsagenden Blick zu. »Ich bin froh, dass wir uns kennen gelernt haben.«

Also musste er wohl ein richtiger Linker sein. Wie schön. Das bedeutete, sie würde ihn nicht belügen, ihre Herkunft verheimlichen und irgendwelche Geschichten erfinden müssen. Sie lächelte ihn an. »Aber das haben wir doch noch gar nicht.«

Er sah sie verwirrt an. »Was meinen Sie damit?«

»Wir haben uns noch nicht kennen gelernt.« Was war denn das? Sie war nett zu diesem Jungen, scherzte mit ihm. »Ich bin Cookie Gordon. Eigentlich Karla, aber alle nennen mich Cookie.«

»Hi, Cookie. Ich bin Dave Adler. Wieso habe ich Sie noch nie in der Siedlung gesehen?«

»Weil wir 1953 von dort weggezogen sind.« Sollte sie es riskieren? »Mein Vater musste... weg von dort.«

Er nahm ihre Hand, doch ließ er sie verwirrt gleich wieder los. »Er stand auf der schwarzen Liste«, flüsterte er. »Ich verstehe.«

Papa hatte zwar nicht auf der schwarzen Liste gestanden, aber es war angenehm, mit jemandem zu reden, der über diese Zeit Bescheid wusste. Obwohl McCarthy inzwischen tot war, hatte sie noch immer Angst und das Gefühl, aufpassen zu müssen, um nichts Falsches zu sagen. Es war, als hätte sie zwei Leben – eines zu Hause und eines in der Öffentlichkeit. Sie war all das so leid.

Als sie schwieg, griff er wieder nach ihrer Hand und hielt sie dieses Mal fest. »Tut mir Leid«, meinte er. »Wir brauchen nicht darüber zu reden. Sie sind viel zu hübsch, um so traurig zu sein.«

Hübsch. Er fand sie also hübsch. Cookie errötete und stellte dankbar fest, dass es draußen dunkel wurde und er ihr Gesicht nicht sehen konnte. Ihr Herz hämmerte noch schneller. Vielleicht war er ja der Mann, der sie aufrichtig lieben würde.

Und so war es. Von diesem Tag an verbrachten sie ihre gesamte Freizeit zusammen. Das war die Liebe – zumindest glaubte sie das.

In letzter Zeit dachte sie häufig an diese erste Begegnung zurück, rief sich in Erinnerung, wie ihre Eltern einander kennen gelernt hatten. »In dem Augenblick, als wir uns gesehen haben, wussten wir ...« Genauso sollte es sein. Und so war es auch bei ihr. Sie hatte nicht einmal Gelegenheit gehabt, ihn richtig kennen zu lernen, bevor sie geheiratet hatten. Und nun war sie an ihn gebunden. Das war nicht fair! Ihre Freundin Lois war so alt wie sie, ihre Kinder waren fast erwachsen, und sie bekam eine zweite Chance.

Vor drei Jahren! Es hätten ebenso gut drei Jahrhunderte sein können. Sie hatte ihre kleine Rede vorbereitet, mit der sie ihm erklären wollte, dass sie im Grunde keine Scheidung im klassischen Sinn anstrebte, sondern eher eine Trennung, die ihr ein wenig Raum und Zeit gewährte, um ihre Gedanken und Gefühle zu ordnen. Alles ganz vernünftig und rational, sorgfältig darauf angelegt, ihm keinen Vorwurf zu machen oder irgendeine Schuld zu geben, sondern nur ihn um Verständnis zu bitten.

Sie unternahm mehrere Anläufe, aber es schien nie der richtige Zeitpunkt zu sein. Und eines Freitags lehnte sie sich gegen das Waschbecken im Badezimmer, blickte in ihr Spiegelbild und sagte zu sich selbst: »Hör endlich auf, es hinauszuzögern, Mädchen. Heute Abend. Entweder du sagst es ihm heute Abend, oder du vergisst das Ganze.« Sie war vorbereitet und hatte sich sogar umgezogen. Im Garderobenschrank hinter den Winterstiefeln stand ein fertig gepacktes Köfferchen. Sie saß im Wohnzimmer, das Gesicht der Tür zugewandt, und fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen, während sie darauf wartete, endlich das Geräusch seines Schlüssels in der Haustür zu hören. Als es so weit war, erschrak sie fast zu Tode.

Und dann kam er herein. Sein Gesicht war aschfahl, und er sah so ganz anders aus als sonst. Seine eigene Abteilung hatte ihn im Stich gelassen. Er war abgesägt worden, ein erbitterter Krieg war ausgebrochen, und es kam eine sehr schwere Zeit auf ihn zu.

An diesem Abend sagte sie nichts. Sie wusste nur allzu gut, wie es war, mit einem Mann zusammenzuleben, der unter Druck stand. Diese Lektion hatte sie auf die schlimmste Art und Weise gelernt, damals in Millville. Mit Papa. Dave würde jede Unterstützung nötig haben. Und eines brauchte er jetzt ganz bestimmt nicht: eine Frau, die von Scheidung redete. Sein Handeln war ein Beweis für seine Gewissenhaftigkeit und seinen Mut. Sie war vielleicht nicht glücklich, doch neben dem, was er tat, waren ihre Gefühle doch absolut lächerlich. Doch immer wieder lag sie in den frühen Morgenstunden wach im Bett und weinte lautlos, während er neben ihr schnarchte.

Leises Gemurmel machte sich im Wohnzimmer breit, als Daves Gesicht auf dem Bildschirm erschien. Und all diese Besserwisser mussten natürlich irgendeinen Kommentar abgeben.

»Dave, wieso lächelst du denn nicht?«

»Weswegen sollte ich?« Pause. »Außerdem war ich verflixt nervös.« Gelächter.

»Verdammt noch mal, Dave, mir ist bisher gar nicht aufgefallen, was für ein gut aussehender Kerl du bist.«

»Das ist doch Dirk Wallach!« Noch mehr Gelächter.

Dabei war Dave wirklich ein gut aussehender Mann. Er war klug und ... nett. Er verdiente eine andere Frau, eine, die ihn liebte und bewunderte und nicht pausenlos an ihm herummäkelte und unglücklich war.

Zum Teufel! Schluss jetzt mit diesen Gedanken. Sie konzentrierte sich wieder auf seine Stimme, die bestimmt aus den Lautsprechern drang.

»Ich habe dem System vertraut«, sagte er. »Ich war naiv. Ich dachte, die Sozialbehörde will es wissen, dass es Sozialarbeiter gibt, die einfach zu überarbeitet sind, um sich um Fälle von Kindesmissbrauch zu kümmern.«

»Aber Sie haben sich geirrt.«

»Geirrt ist noch zu milde ausgedrückt. Keiner bei der Behörde wollte etwas davon wissen. Stattdessen sollte ich den Mund halten, das Ganze vergessen und von der Bildfläche verschwinden.«

Cookie ließ ihre Gedanken schweifen. Sie kannte diese Geschichte von A bis Z. Dave hingegen war wie gebannt. Wie konnte es ihm Freude bereiten, all den Schmerz noch einmal zu durchleben?

Sie konnte sich noch daran erinnern, wie er mit der Faust auf den Esszimmertisch geschlagen und mit den Tränen gekämpft hatte. »Verdammt noch mal, Cookie, während sie Zeit verschwenden und alles leugnen, während sie wegsehen und so tun, als existiere all das nicht, sterben da draußen Kinder!«

An diesem Abend schrieb er einen anonymen Brief an die Zeitungen, an den Staatsanwalt, den Gouverneur und alle, von denen er glaubte, sie besäßen genug Macht, um einzugreifen. Später räumte er ein, dass es wahrscheinlich ein Fehler gewesen war. »Es hätte mir klar sein müssen, dass niemand Notiz davon nimmt.«

Aber es kam noch schlimmer. Sie nahmen nicht nur keine Notiz, sondern machten ihn mithilfe seiner Handschrift ausfindig! Das schockierte ihn mehr als alles andere.

Cookie flehte ihn an, zu kündigen und für eine private Firma zu arbeiten. »Ich hätte mir einen anderen Job suchen können«, sagte Dave jetzt, »aber es war eine Frage des Prinzips.«

Ihr Vater beugte sich in seinem Sessel vor. »Gib’s ihnen, Dave!«

»Shh, Jonah!«

Jetzt war Dave von hinten zu sehen, wie er den Korridor in seinem Bürogebäude entlangging, wobei seine Schritte unheimlich in der Stille widerhallten. »Keine Ahnung... ich war mir so sicher, dass jeder etwas tun kann, dass man nur am Ball bleiben muss. Aber jetzt... ich weiß nicht... vielleicht sollte ich ja doch kündigen.«

Cookie wandte den Blick vom Bildschirm ab und sah ihren Mann an. Doch er zuckte nur kurz mit den Schultern, was ihr verriet, dass er nicht darüber reden wollte. Wie oft hatte Jon auf ihn eingeredet zu kündigen, sich einen anderen Job zu suchen? Doch er hatte sich niemals anmerken lassen, dass er diese Idee ernsthaft in Erwägung zog. Er hatte sich geweigert, darüber zu diskutieren, und Jons Einwände mit einer knappen Geste abgetan. »Du verstehst das nicht«, hatte er gesagt. Oder: »Ich denke darüber nach«, was offenkundig gelogen war.

Verdammt noch mal, nach all den Stunden, die sie im Bett gelegen, die Arme um ihn geschlungen und gegen den Schlaf angekämpft hatte, damit er reden, reden, reden konnte, endlos das Ganze wieder und wieder durchkauen und immer wieder neu diskutieren konnte. Man sollte doch annehmen, er hätte wenigstens mit ihr über eine neue Karriere gesprochen!

Was wollte sie eigentlich von ihm? Er entzog sich doch grundsätzlich jedem intimeren Gespräch. Er würde niemals zugeben, dass er unglücklich war. Und wenn sie etwas sagte, das vermuten ließ, dass sie selbst unglücklich war, erwiderte er, ihr sei doch nur langweilig. Er ging mit ihr ins Kino, bestellte beim Chinesen Essen oder schlief mit ihr. »Jetzt geht’s dir schon besser, oder?«, sagte er dann. Er würde alles tun, nur um nicht mit ihr reden zu müssen.

Doch derselbe Mann konnte mitten in der Nacht am Telefon sitzen, reden und geduldig einem seiner Schäfchen lauschen, wenn sie ihn anriefen. Oh ja, sie bekam so oft zu hören, was für ein einfühlsamer und verständnisvoller Mann Dave Adler war.

Sie wandte sich ihm erneut zu, doch er war inzwischen aufgestanden und streckte sich, während im Fernsehen ein Werbespot für eine Versicherung lief. Jemand erhob sich und schaltete das Gerät ab. Dave Adlers großer Moment war vorüber, und alle im Raum standen nun und applaudierten ihm, während sich ein halb verlegenes, halb selbstzufriedenes Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete. Cookie wünschte, sie könnte sich mit ihm freuen.

Papa hob sein Glas. »Unser Held... Was für ein Glückstag, als meine Tochter Cookie ihm begegnet ist«, verkündete er, und Cookie musste sich zwingen, angemessen stolz zu wirken, während sich in ihrem Inneren ein Gefühl wachsender Einsamkeit ausbreitete.

KAPITEL 3

Sonntag, 12. Juli 1987

Jonah nahm sich alle Zeit der Welt, während er die Treppe vor dem Haus hinunterstieg. Dorothy sah ihm zu und hätte am liebsten seinen Arm genommen und ihn ein wenig zur Eile angetrieben, doch wenn sie das tat, würde er nur wütend werden und schimpfen. Und Streit wollte sie heute Abend ganz bestimmt nicht. Sie war müde. In letzter Zeit war es anstrengend, an großen Partys teilzunehmen, zu plaudern, fröhlich zu wirken und den Schein zu wahren.

Auf dem Weg zum Broadway stieß Jonah sie in die Rippen. »Siehst du?« Sie sah ihn an. Er grinste. »Ich hab doch gewusst, dass dieser alte Mistkerl sich mit mir aussöhnen will. Natürlich würde er es nie zugeben, aber er weiß ganz genau, wer hier im Recht ist und wer nicht.«

»Entschuldige, Mr. Oberschlau, aber wer hat denn um ein Treffen gebeten? Für mich sieht es nicht so aus, als wäre es ein Mann namens Jack Strauss gewesen. Und außerdem wissen wir noch nicht mal, ob es überhaupt so weit kommt.«

»Ach, hör auf.« Er winkte ab. »Du hast ja gesehen, wie schnell Deena zurückgerufen hat. Das hat doch etwas zu bedeuten.«

Dorothy stieß einen Seufzer aus. »Du hast wohl vergessen, wie Jack ist, Jonah. Ich habe ihn selbst seit vielen Jahren nicht mehr gesehen, aber ich bin immerhin mit ihm aufgewachsen. Jack hat noch nie in seinem Leben gesagt: ›Es tut mir Leid‹.«

»Entschuldige, Liebes. Du vergisst, dass Jack auch nicht jünger wird. Aber es tut ihm Leid, ob er es nun sagt oder nicht, glaub mir.«

Schweigend überquerten sie die Columbus Avenue. Früher, dachte Dorothy traurig, konnten sie eine belebte Straße überqueren und sich trotzdem weiter unterhalten und dabei sogar noch die Sonderangebote in den Schaufenstern des Supermarkts ansehen. Alt zu werden war wirklich eine üble Sache. Doch jetzt war sie dankbar, einen Augenblick Zeit zu haben, um ihre Gedanken zu ordnen, ehe sie wieder miteinander sprachen. Sie würde sehr vorsichtig sein müssen. Sie bewegte sich auf sehr dünnem Eis.

»Ich verstehe das nicht«, sagte sie, als sie auf der anderen Straßenseite angekommen waren. »Du bist doch derjenige, der gedroht hat, jedes Familienmitglied zu enterben, das es wagt, auch nur den Namen dieses schmutzigen Kapitalisten in den Mund zu nehmen ... schon vergessen? Und trotz Cookies Tränen hast du ihr nicht erlaubt, sich mit Deena zu treffen oder auch nur mit ihr zu telefonieren. Weißt du das nicht mehr? Also, was soll dieses ganze Theater jetzt plötzlich?«

»Ich habe eben nicht mehr so viel Zeit zu verlieren.«

»Jonah, ich sage es ja nicht gern, aber du und mein Bruder, ihr seid heute keinen Deut anders als damals. Weißt du, was ich glaube? Ich glaube, sowie ihr einander gegenübersteht, fangt ihr wieder an zu streiten. Ich halte die Idee mit dem Familientreffen für ein Hirngespinst.«

»Hirngespinst! Wir sind doch zwei alte Männer, die gern eine Meinungsverschiedenheit aus dem Weg räumen wollen.«

Dorothy blieb stehen, und da sie sich bei ihm untergehakt hatte, blieb ihm nichts anderes übrig, als ihrem Beispiel zu folgen. »Jonah«, rief sie. »Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Eine Meinungsverschiedenheit? So nennst du das? Es war eher wie der dritte Weltkrieg! Und jetzt erwartest du allen Ernstes, dass sich siebenunddreißig Jahre Feindseligkeit einfach so vom Tisch wischen lassen.« Sie schnippte mit den Fingern.

Doch seine starrsinnige Miene und seine zusammengepressten Lippen verrieten ihr, dass er nicht von der Idee lassen würde, sich mit seinem Schwager auszusöhnen. Und wenn Jonah sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, brauchte es schon eine Atombombe, um ihn davon abzubringen. Er warf ihr von der Seite einen

argwöhnischen Blick zu, während ihn der Verdacht beschließ dass sie ... Wie nannten die Kinder es immer? Etwas im Schilde führte. Und er hatte Recht.

»Dorothy, willst du mir nicht verraten, was dir wirklich durch den Kopf geht?«

»Wovon redest du? Ich habe dir doch gesagt, was ich denke.«

Er lachte spöttisch. »Dorothy, Dorothy, ich kenne dich viel zu lange ... du kannst mich nicht zum Narren halten.«

Das glaubst du, dachte sie und zerrte ihn weiter, damit sie die Amsterdam Avenue überqueren konnten, solange die Ampel noch auf Grün stand. Sie lächelte insgeheim. Jonah hatte schon immer geglaubt, sie sei ein offenes Buch für ihn. Oh, Jo, Jo! Habe ich dir wirklich einen Gefallen getan? Sie würde unbedingt vorher mit Jack reden und ihn warnen müssen, nicht zu viel zu sagen. Einfach den Hörer abnehmen und ihn anrufen ... ein seltsamer Gedanke, nach all den Jahren des unfreiwilligen Schweigens. Wenn Jonah davon erfahren würde! Das wäre ein schönes Durcheinander! Er könnte vielleicht seine Versöhnung mit Jack bekommen ... mit ihr jedoch würde er nie wieder ein Wort wechseln.

»Du kennst mich?«, fragte sie. »Tja, aber ich kenne Jack. Und ich sage dir, er vergisst nie im Leben etwas. Er ist vielleicht bereit, sich mit dir zu treffen. Na und? Er sorgt schon dafür, dass er die Fäden in der Hand behält. Das hat er immer getan ... bei allem und jedem.«

»Aber dieses Mal kommt er nicht damit durch. Nicht mit mir!«

»Mr. Wichtigtuer. Okay, dann tun wir eben so, als wäre er butterweich. Wo liegt das Problem? Du hast seit siebenunddreißig Jahren kein Wort mehr mit ihm gewechselt, und du hast nie etwas vermisst –«

»Wer sagt das?«, unterbrach er. »Vielleicht habe ich es vermisst, mich mit ihm zu streiten. Vielleicht habe ich auch ein schlechtes Gewissen wegen dir.«

Sie sah ihn an. »Jo, du weißt genau, dass du dich mit Jack nie gut verstanden hast. Vom ersten Augenblick an nicht, als er nach Washington kam, um dich unter die Lupe zu nehmen.« Sie hielt inne und begann zu lachen. »Erinnerst du dich noch an diesen Tag?«

»Wie könnte ich das jemals vergessen?«, meinte er und stimmte in ihr Gelächter ein. »Er kam in dein Apartment, zu allem bereit...«

1942. In Washington herrschte ein ungewöhnlich strenger Winter. Der eisige Wind pfiff durch die Straßen, und über der Stadt hing eine Decke aus dichten dunkelgrauen Wolken. In ihrem kleinen Apartment in der Q Street hängte Dorothy Strauss abends Decken vor die Fenster, damit die Kälte nicht ins Zimmer drang. Aber nun war es Samstagnachmittag, und die bleiche Sonne kämpfte sich durch die Wolken und verströmte ihr fahles Licht. Ein wenig nervös blickte Dot sich im Wohnzimmer um.

Letzte Woche hatte sie den Brief abgeschickt, in dem sie Ma und Pa informierte, dass sie Jonah Golodny heiraten würde, den die Eltern noch gar nicht kennen gelernt hatten. Sie war erstaunt über ihre eigene Courage. Yetta hatte schon tausendmal zu ihr gesagt: »Du bist ein Hasenfuß, Dot. Du machst dir viel zu viele Sorgen darum, was sie denken. Tu einfach, was du für richtig hältst. Das ist das Geheimnis des Lebens.« Doch Yetta hatte gut reden. Sie machte grundsätzlich, was sie wollte, das hatte sie schon immer getan.

Sie waren Zwillinge, und vielleicht war das der Grund, weshalb sie die feigere von ihnen war, während Yetta jede Menge Mumm in den Knochen hatte und außerdem über größeres künstlerisches Talent verfügte. Yetta war stets diejenige gewesen, die sich mit ihrem Pa gestritten, Ma Widerworte gegeben hatte. Und wäre Yetta nicht gewesen, würde Dot noch heute in der Wohnung ihrer Eltern sitzen und unter den wachsamen Augen ihres aufbrausenden, strengen Vaters leben.

In der Zeit, als sie Jonah beim Picknick des Russian War Relief, einer Organisation, die Spenden für die Sowjet-Alliierten sammelte, kennen lernte, teilte sie sich ein Apartment mit Yetta. Ihre Schwester hielt es für dumm, ihren Eltern von den Männern zu erzählen, die sie kennen lernten. »Sie brauchen nicht alles zu wissen«, erklärte sie. »Wenn du erst mal den Mann gefunden hast, den du heiraten willst, ist immer noch mehr als genug Zeit, es ihnen zu sagen. Pa schreit Zeter und Mordio, egal was du tust und mit wem du es tust. Also erzähl lieber nichts über dein Privatleben. Was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß.«

Dorothy hatte ihren Rat beherzigt und den Mund gehalten. Und sie fühlte sich gut dabei. Das erste Mal in ihrem Leben genoss sie so etwas wie eine Privatsphäre; und dass Yetta zur Zeit bei der Armee war, war sogar noch besser. Denn auch Yetta hatte sie herumkommandiert. Oh, sie liebte ihre Zwillingsschwester von ganzem Herzen, aber Yetta war herrschsüchtig.

Tja, Dorothy hatte den Mann gefunden, den sie heiraten wollte, und Ma und Pa wussten Bescheid. Deshalb würde ihr Bruder Jack kommen, um sich ein Bild von ihm zu machen. Sie kannte den Inhalt des Telegramms inzwischen auswendig.

ANKOMME UNION STATION 12.15 UHR STOP MUSS MIT DIR REDEN STOP GRUSS JACK

Was meinte er damit? Sie hatte nicht die leiseste Ahnung. Bei Jack konnte man das nie so genau sagen. Meistens hielt er zu seinen Schwestern und forderte Pa geradezu heraus, sich mit ihm anzulegen. So auch, als sie nach Washington gehen wollten, um sich dort eine Arbeit zu suchen. »Willst du, dass sie eines Tages weglaufen und du nicht weißt, wo sie sind?«, hielt er ihm vor. »Willst du das etwa?« Als Jack anfing zu schreien, wusste Pa, dass er verloren hatte und sie gehen lassen musste.

Andererseits konnte Jack auch wie Pa sein, konnte schimpfen, wettern und darauf bestehen, dass alles nach seinem Kopf ging. Sie konnte nur hoffen, dass es heute nicht so war. Heute musste er ihr wunderbarer Bruder sein, der für alles Verständnis aufbrachte.