Im Schatten des Feigenbaums - Sumaya Farhat-Naser - E-Book

Im Schatten des Feigenbaums E-Book

Sumaya Farhat-Naser

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Beschreibung

»Unser Land wird uns systematisch weggenommen«: Ihre politisch brisante Aussage über israelischen Landraub im palästinensischen Westjordanland belegt Sumaya Farhat-Naser in ihrem neuen Buch überzeugend und gibt damit Einblick in eine Realität der Verdrängung, die in Europa kaum wahrgenommen wird. Die palästinensische Erfolgsautorin (»Thymian und Steine«) beschreibt, wie aggressiv israelische Siedler die einheimische Bevölkerung drangsalieren, Weinberge, Olivenhaine und Felder zerstören, Ländereien und Wasserquellen rauben - alles unter dem Schutz der israelischen Armee. Wie ein roter Faden ziehen sich die Einschränkungen und Widrigkeiten des Alltags unter Militärbesatzung durch Farhat-Nasers Aufzeichnungen. Dem bitteren Befund zum Trotz lässt sie sich nicht entmutigen. In Schulen und Frauengruppen lehrt Sumaya Farhat-Naser mit großem Engagement gewaltfreie Kommunikation und den Umgang mit Konflikten, unermüdlich kämpft sie gegen Hoffnungslosigkeit und Resignation. Dabei freut sie sich selbst über jeden Fortschritt und macht auf positive gesellschaftliche Entwicklungen »von unten« aufmerksam. Enttäuscht äußert sie sich hingegen über die verbreitete Neigung hierzulande, berechtigte Kritik an Israel kleinzureden. Der Feigenbaum, der diesem Buch den Titel gegeben hat, sei »ein Zeichen für Frieden, Sicherheit und Lebensglück«, schreibt Sumaya Farhat-Naser. Hoffnungsvolle Gefühle durchdringen das Tagebuch dieser starken und couragierten Frau, obwohl es ein trauriges Kapitel der Entrechtung und Enteignung der Palästinenser in ihrer Heimat protokolliert.

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Seitenzahl: 234

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Die Autorin

Sumaya Farhat-Naser, geboren 1948 in Birseit bei Ramallah. Studium der Biologie, Geographie und Erziehungswissenschaft an der Universität Hamburg. Promotion in Angewandter Botanik. Seit 1982 Dozentin für Botanik und Ökologie an der Universität Birseit in Palästina. Mitbegründerin und Mitglied zahlreicher Organisationen, u.a. von Women Waging Peace an der Harvard-Universität und von Global Fund for Women in San Francisco. Von 1997 bis 2001 Leiterin des palästinensischen Jerusalem Center for Women. Regelmässige Vorträge in Deutschland, Österreich und der Schweiz, u.a. über Erziehung, Alltag, Ökologie, Frauen und die politische Lage in Palästina. Sie lebt in Birseit.

1989 erhielt Sumaya Farhat-Naser die Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät der Universität Münster. 1995 wurde sie mit dem Bruno-Kreisky-Preis für Verdienste um die Menschenrechte und 1997 mit dem Evangelischen Buchpreis des Deutschen Verbands Evangelischer Büchereien sowie dem Versöhnungspreis Mount Zion Award in Jerusalem ausgezeichnet. Zudem erhielt sie 2000 den Augsburger Friedenspreis, ihr wurden die Hermann-Kesten-Medaille des P.E.N.-Zentrums Deutschland (2002), der Bremer Solidaritätspreis (2002), der Profaxpreis (2003) und der AMOS-Preis für Zivilcourage in Religion, Kirchen und Gesellschaft (2011) verliehen.

Die Herausgeber

Willi Herzig, geboren 1949, Studium der Geschichte und Sozialwissenschaften mit Lizentiat in Genf. Auslandredaktor bei verschiedenen Tageszeitungen, Leiter des Ressorts International der Basler Zeitung (1989–2009). Häufige Reisen nach Israel, Palästina und in die arabischen Nachbarländer.

Chudi Bürgi, geboren 1956, Studium der Germanistik und Volksliteratur in Zürich und Berlin. Langjährige Beschäftigung mit Literatur aus verschiedenen Kulturen als Journalistin und (Mit-)Herausgeberin. Bei artlink, Büro für Kulturkooperation (www.artlink.ch) u.a. zuständig für Literatur.

E-Book-Ausgabe 2014

Copyright © 2013 by Lenos Verlag, Basel

Alle Rechte vorbehalten

Cover: Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich

Coverfoto: Andreas Flühmann

www.lenos.ch

ISBN EPUB-E-Book 978 3 85787 573 1

Im Schatten des Feigenbaums

Vorwort

Wer seine Lebensgeschichte schreibt, tut dies in der Regel in einem einzigen Buch, das die prägendsten Stationen festhält. So beschreibt Sumaya Farhat-Naser in ihrer 1995 unter dem Titel Thymian und Steine veröffentlichten Lebensgeschichte die Kindheit und Jugend in Palästina und ihren späteren Werdegang auf so eindringliche und anschauliche Weise, dass das Buch bis heute viele Leserinnen und Leser erreicht und noch 2012 in Köln zum »Buch für die Stadt« gewählt wurde.

Doch die Situation in Palästina rechtfertigt es, ja macht es gar notwendig, dass über ein einzelnes Buch hinaus weitererzählt wird, was passiert. Mit Im Schatten des Feigenbaums legt die Palästinenserin, die in Birzeit bei Ramallah lebt, bereits das vierte Zeugnis in Buchform vor. Es bündelt ihre Erfahrungen der letzten fünfeinhalb Jahre.

Sumaya Farhat-Naser habe ich vor über fünfundzwanzig Jahren kennengelernt. Bei unserer ersten Begegnung im Spätherbst 1987 in Bern schilderte sie, damals Dozentin für Botanik und Ökologie an der Universität Birzeit, den beschwerlichen Alltag in den von Israel besetzten Gebieten. Zwei Aussagen der charismatischen, fliessend Deutsch sprechenden Palästinenserin beeindruckten mich besonders: Zum einen ihre Prognose, die explosive Stimmung unter jungen Palästinensern könne jederzeit einen Gewaltausbruch auslösen; prompt brach wenige Wochen später, im Dezember 1987, im Westjordanland und im Gazastreifen die Intifada aus, ein Volksaufstand gegen die Besatzungsmacht. Zum andern blieb mir Sumaya Farhat-Nasers pessimistische Einschätzung unvergessen, Israel wolle »Frieden mit einem Land ohne Palästinenser«.

Die Entwicklung der letzten fünfundzwanzig Jahre scheint ihr recht zu geben. »Unser Land wird uns systematisch weggenommen«, zieht die Autorin heute Bilanz und belegt mit eigenen Beobachtungen und konkreten Beispielen, wie Palästinenser im Westjordanland und in Ostjerusalem durch den israelischen Siedlungsbau verdrängt werden. Damals wie heute zeigt sich der israelisch-palästinensische Konflikt als unerbittlicher Streit um Land, aber deutlicher als je zuvor zeichnet sich das Schicksal der Palästinenser als grosse Verlierer ab.

In den letzten Jahren hat Israel den Druck auf die Palästinenser massiv verstärkt und ihre Entwicklungsmöglichkeiten weiter eingeschränkt. Auf den im Gazastreifen eingesperrten Menschen lastet eine israelische Blockade. Im Westjordanland und in Ostjerusalem sind sie eingeschnürt von Mauern, Zäunen, militärischen Kontrollposten (Checkpoints) und einem dichten Geflecht von Strassen für die mehr als 500000 israelischen Siedler. Rund um die »grösseren und kleineren Gefängnisse und Käfige«, wie Sumaya Farhat-Naser die schrumpfenden Lebensräume nennt, schafft Israel mit seiner völkerrechtswidrigen Siedlungspolitik laufend neue Fakten; die international beschworene »Zwei-Staaten-Lösung« mit Israel und Palästina wird buchstäblich verbaut.

Neu an dieser Politik der Verdrängung ist, dass mehr und mehr israelische Siedler das Gesetz in die eigenen Hände nehmen. Unter dem Schutz der Armee zerstören sie Weinberge, Obstgärten und Olivenhaine, rauben das Land und die Wasserquellen, mithin die Lebensgrundlage vieler Palästinenser. Sumaya Farhat-Naser dokumentiert in diesem Buch, wie ihrem Volk gleichsam der Teppich unter den Füssen weggezogen wird. Zugleich bringt sie ihre Enttäuschung über die Passivität der Aussenwelt zum Ausdruck: »Es ist unglaublich, was geschieht, und alle schauen zu, gleichgültig und mutlos.«

Zusätzlich frustrierend ist in dieser schwierigen Lage das Neben- und Gegeneinander zweier palästinensischer Regierungen, die eine in Gaza, die andere in Ramallah; sie zerstören »mühevoll erreichte demokratische Ansätze«, wie die politisch unabhängige Autorin feststellt.

Dem bitteren Befund zum Trotz lässt sich Sumaya Farhat-Naser nicht entmutigen. In Schulen und Frauengruppen lehrt sie mit grossem Engagement gewaltfreie Kommunikation und den Umgang mit Konflikten, unermüdlich kämpft sie gegen Hoffnungslosigkeit und Resignation. Dabei freut sie sich selbst über jeden Fortschritt und macht auf positive gesellschaftliche Entwicklungen »von unten« aufmerksam. So etwa zielen lokale Initiativen auf die Erhaltung kulturhistorisch wertvoller Ortskerne und Bauten und versuchen, identitätsstiftend die Erinnerung an die eigene Geschichte zu festigen.

Neben starken Momenten der Trauer, etwa beim Tod ihrer geliebten Mutter, beschreibt Sumaya Farhat-Naser auch Momente des Glücks im wachsenden Familienkreis, wo sie Kraft und Zuversicht schöpft. Im eigenen Haus mit Terrasse und schattiger Pergola tankt die Autorin, mit fünfundsechzig Jahren immer noch vital und voller Tatkraft, neue Energie, ebenso im eigenen Weinberg, einem idyllischen Refugium etwas oberhalb von Birzeit. Dort freut sich die promovierte Botanikerin besonders auch an den Feigenbäumen und ihren süssen Früchten. Der Feigenbaum, der diesem Buch den Titel gegeben hat, sei »ein Zeichen für Frieden, Sicherheit und Lebensglück«, schreibt Sumaya Farhat-Naser. Hoffnungsvolle Gefühle durchdringen auch das vorliegende Tagebuch dieser starken und couragierten Frau, obwohl es ein trauriges Kapitel der Entrechtung und Enteignung der Palästinenser in ihrer Heimat protokolliert.

Willi Herzig

Einleitung

Mit diesem Tagebuch möchte ich meine Gefühle und Gedanken, das Schöne und Schwere der letzten Jahre erinnern, reflektieren und dokumentieren. Das Interesse an unserem Leben in Palästina unter Militärbesatzung, das ich von so vielen Seiten zu spüren bekomme, hat mich zum Schreiben motiviert. Ich möchte andere an meinem Leben teilnehmen lassen. Ich möchte von unseren Erfahrungen im Durchhalten und Bewältigen schwieriger Situationen berichten und davon, wie die Freude am Leben trotz allem erhalten werden kann. Und ich möchte andere ermutigen, sich mit dem eigenen Leben auseinanderzusetzen und sich anderen zu öffnen.

Die Lage in Palästina ist so komplex und aussichtslos, ja deprimierend wie nie zuvor. Die israelische Siedlungstätigkeit auf unserem Land ist intensiviert worden, die Sperren und die Mauer machen das Leben zur Qual und entziehen den Menschen die Existenzgrundlage. Die innerpalästinensische Situation ist frustrierend. Das Versagen der politischen Führungen in Gaza und im Westjordanland ist offensichtlich.

In diesen Jahren war der Feigenbaum die Pflanze, die mich inspiriert hat. Er krönt nach dem Thymian, dem Olivenbaum und den Disteln im Weinberg meiner früheren Bücher mein Schreiben.

In der Bibel ist der Feigenbaum nach dem Olivenbaum die zweitwichtigste Pflanze. Er gehört zu den sieben gesegneten Produkten, die das Heilige Land als wertvolle Kulturlandschaft auszeichnen und zu denen ausserdem die Weinrebe, der Granatapfel, Weizen, Gerste und Honig gehören.

Zum Frühstück und zum Abendbrot essen wir neben Thymian und Olivenöl mit Brot oft auch Feigen und manchmal Joghurt und Schafskäse, Weintrauben und Wassermelone. Die frischen Feigen sind eine nahrhafte Köstlichkeit, und getrocknet oder zu Marmelade verarbeitet versorgen sie uns bis zur nächsten Ernte.

Mit dem Feigenbaum sind viele Weisheiten verbunden. »Lernt etwas aus dem Vergleich mit dem Feigenbaum! Sobald seine Zweige saftig werden und Blätter treiben, wisst ihr, dass der Sommer nahe ist.« So heisst es in der Bibel (Matthäus 24,32) – ein Aufruf zu Zuversicht und Hoffnung: Das Leben erneuert sich, und ein Ausweg wird sich finden.

»Da sagten die Bäume zum Feigenbaum: Komm, sei du unser König! Der Feigenbaum sagte zu ihnen: Soll ich meine Süssigkeit aufgeben und meine guten Früchte und hingehen, um über den anderen Bäumen zu schwanken?« 
(Richter 9,10–11) – ein Aufruf dazu, sich selbst und dem, was man am besten kann, treu zu bleiben, ein Aufruf auch zu Bescheidenheit.

Es war der Feigenbaum bei der Ruine des Bauernhauses meines Urgrossonkels Jakub Isaak im Dorf Ein Arik, der eine besondere Bedeutung bekam. Erinnerungen an meine Kindheit in diesem Haus mit dem Feigenbaum davor haben mir die Energie gegeben, um in den Ruinen etwas Neues zu planen. Denn das ist das Besondere dieser Jahre: dass trotz der Zerstörung und des Unrechts der Wille da ist, die Tradition zu bewahren und Neues entstehen zu lassen.

In der Bibel wird auch davon gesprochen, dass man sich in Friedenszeiten im Schatten des Feigenbaums getroffen hat, um auszuruhen, mit Freunden zu reden und zu lachen – und natürlich, um die süssen Früchte zu geniessen. So ist der Feigenbaum auch ein Zeichen für Frieden, Sicherheit und Lebensglück.

2008

1.Januar

Ein neues Jahr beginnt, und ich setze mich hin, um zu schreiben. In meinem Tagebuch und den Briefen an meine Freunde versuche ich Ereignisse festzuhalten, die den Alltag prägen und die Komplexität unserer Situation aufzeigen.

Aber manchmal, wenn wieder etwas besonders Schlimmes passiert, gelingt es mir weder zu schreiben noch klar zu denken. Dann fühle ich mich dumpf und ausgelaugt. Dann möchte ich fliehen und mir einreden, es sei alles normal. Gründe zum Verzweifeln und zum Trauern gibt es genug. Ich sage mir aber: In meinem Kummer bin ich nicht allein, denn vielen Menschen geht es viel schlechter als mir. Dass wir uns elend fühlen, ist angesichts unserer Situation normal– weil unsere Sinnesorgane noch funktionieren. Weil wir fühlen, empfinden und spüren. Weil wir sehen und hören. Weil wir denken und Pläne und Träume haben und weil wir wirkliche Ängste kennen. Es ist normal, weil wir entschlossen sind, unsere Menschlichkeit zu behalten.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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