Imaginationen - Antje Abram - E-Book

Imaginationen E-Book

Antje Abram

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Beschreibung

Imagination beschreibt die Fähigkeit, Bilder im Geiste selbstständig zu entwickeln und mit möglichst vielen Sinneskanälen innerlich lebendig werden zu lassen. Dabei kann es sich um Bilder aus der Vergangenheit handeln, um Ziele oder Visionen für die Zukunft. In diesem Buch erläutert die Autorin prägnant und übersichtlich die psychologischen und neurobiologischen Hintergründe, spezifische Anwendungsmöglichkeiten und das konkrete Vorgehen beim Einsatz von Imaginationen in verschiedenen Psychotherapieformen sowie im Alltag, in der Kommunikation und in den Bereichen Lernen, Entspannung und Heilung. Anhand von theoretischen Ausführungen und den vorgestellten Imaginationsübungen erfährt der Leser außerdem, - worauf der Therapeut oder Anleiter bei Imaginationen achten sollte, - auf welche Weise die Vorstellungskraft des Klienten geschult wird - welche Rolle der Körper und die Körpererhaltung beim Imaginieren spielen, - wie Imagination mit Körperbewegungen kombiniert werden können.

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Seitenzahl: 259

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Antje AbramImaginationen

Reihe Therapeutische Skills kompakt

Über dieses Buch

Die Kraft der inneren Bilder 

Imagination beschreibt die Fähigkeit, Bilder im Geiste selbstständig zu entwickeln und mit möglichst vielen Sinneskanälen innerlich lebendig werden zu lassen. Diese dem Menschen innewohnende Technik wird zunehmend auch in der Psychotherapie und im Coaching genutzt, da sie den Klienten einen schnelleren Zugang zu Ressourcen eröffnet. 

Anschaulich und anhand von 30 Imaginationsanleitungen erläutert Antje Abram in diesem Buch die psychologischen und neurobiologischen Hintergründe sowie Anwendungsmöglichkeiten und Umsetzung in verschiedenen Psychotherapieformen. 

 Zudem erfährt der Leser, 

worauf der Therapeut oder Anleiter bei Imaginationen achten sollte, auf welche Weise die Vorstellungskraft des Klienten geschult wird, welche Rolle Körper und Körperhaltung spielen, wie Imaginationen mit Körperbewegungen kombiniert werden können.

Antje Abram ist Gestalttherapeutin, Dipl.- Sportwissenschaftlerin und Heilpraktikerin Psychotherapie. Sie arbeitet seit 1998 in eigener Praxis in Köln.

Copyright: © Junfermann Verlag, Paderborn 2017

Coverfoto: © Aniko G Enderle – fotolia.com

Covergestaltung / Reihenentwurf: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn

Satz, Layout & Digitalisierung: JUNFERMANN Druck & Service, Paderborn

Alle Rechte vorbehalten.

Erscheinungsdatum dieser eBook-Ausgabe: 2017

ISBN der Printausgabe: 978-3-95571-634-9

ISBN dieses E-Books: 978-3-95571-635-6 (EPUB), 978-3-95571-637-0 (PDF), 978-3-95571-636-3 (MOBI).

Für Andreas, Dagmar, Judith, Olaf, Myanna und Viola aus meiner Intervisionsgruppe, die entscheidend dazu beigetragen haben, dieses Buch auf den Weg zu bringen.

Einleitung

Ich sitze in einem Wald, an einem kleinen Bach. Das Wasser gurgelt beruhigend vor sich hin, die kleinen Pflanzen an der Böschung wiegen sich leicht im Wind. Die Sommersonne streift durch das Blätterdach über mir nur teilweise meine Haut, es ist angenehm warm. Ich höre vereinzelt ein paar Vögel zwitschern. Der Wind weht durch die Blätter und erzeugt ein beruhigendes Rascheln. All die Pflanzen und das Wasser lassen einen wunderbaren Geruchscocktail entstehen. Ich fühle mich wohl, genieße diese Sommeridylle und freue mich, dass ich gerade nichts anderes tun muss.

Nachdem ich alles auf mich habe wirken lassen, spüre ich den Drang, mich zu bewegen, stehe auf und folge einem kleinen Trampelpfad am Bach entlang. Ich sehe kleine Blumen am Rand des Wasserlaufes, herumliegende Zweige, rundliche Grasbüschel und das Glitzern der Sonne im plätschernden Wasser. Ich fühle meine Füße, die in den Turnschuhen heiß geworden sind, und mein Gesicht, das sich genüsslich ein wenig der Sonne entgegenreckt. Die Bewegung tut mir gut, meine Arme schlenkern rhythmisch und locker im Takt meiner Schritte. Ich folge dem Lauf des Baches gegen seine Fließrichtung, mehrere kleine Kurven und Schlenker wandere ich Seite an Seite mit ihm entlang. Der Wasserstand wird immer niedriger und meine Neugier ist geweckt, was wohl der Grund dafür sein könnte. Nach den nächsten drei Biegungen finde ich dann überraschend schnell den Grund: Ich stehe vor der Quelle! Noch nie habe ich den Ursprung eines Wasserlaufes gesehen und bin fasziniert: Aus einem schroffen bräunlichen Felsen ergießt sich die Quelle zunächst in eine Art kleinen Teich. Dort sammelt sich eine beträchtliche Menge Wasser und sucht sich anschließend leise gluckernd durch eine Rinne im Boden seinen Weg. Ich bin ganz aufgeregt und genieße den Anblick. Das sich mir bietende Bild scheint perfekt zu sein, wie eine Postkarte von unberührter Natur. Und plötzlich geht mir durch den Kopf: Das ist sie, meine Kraftquelle! Dieses frische reine Wasser, diese kleine Quelle, die zu einem Bach und später zu einem größeren Fluss werden wird. Dieser sonnendurchtränkte friedliche Flecken Erde. Ich hole tief Luft und lasse alle Kraft in mich hineinströmen, die dieser Ort mir gibt. Ich kann sie spüren, all die Energie!

Liebe Leserin, lieber Leser – wie sehen Ihre inneren Bilder jetzt gerade aus? Sind Sie innerlich mit mir auf diese Reise zur Quelle gegangen? Haben Sie sich die Natur genau so vorstellen können, wie ich sie beschrieben habe, oder haben Sie Dinge verändert? Wie waren Ihre Gefühle, während ich diesen für mich angenehmen Sommertag beschrieben habe?

Was auch immer bei Ihnen innerlich geschehen sein mag, ihr Kopf hat während der kleinen Wanderung durch die Natur innere Bilder entwickelt. Ob diese nun den oben beschriebenen Szenen ähnlich waren oder nicht, ob Sie nun genau den Beschreibungen gefolgt sind oder völlig andere Gedanken oder Bilder dazwischenkamen – entscheidend ist: Es formen sich ständig Bilder in unserem Gehirn!

Übrigens: Ich bin nie an diesem Bach und dieser Quelle gewesen. Das alles ist schon vor vielen Jahren meiner Fantasie entsprungen und begleitet mich seither als beruhigendes und Kraft gebendes inneres Bild.

Dieses Buch möchte Sie als Coach oder Therapeut dazu einladen, den Einsatz von Imaginationen als wirksame Methode besser kennenzulernen. Zugleich finden Sie im Praxisteil des Buches die für Ihre jeweiligen Belange passenden Imaginationen und lernen, diese effektiv in Ihrem (Arbeits-)Alltag einzusetzen: für die Klienten, denen Sie auf diese Weise in sehr verschiedenen Problemfeldern zusätzliche Hilfe und Lösungsansätze anbieten können, und natürlich für sich selbst als innere Unterstützung.

TEIL I: THEORETISCHE GRUNDLAGEN FÜR DEN EINSATZ VON IMAGINATIONEN

1. Was sind Imaginationen?

1.1 Der Versuch einer Definition

Der Versuch einer kurzen Definition von Imagination könnte lauten:

Das innere Bild des nicht wirklich Realen.

Wenn ich Sie bitten würde, die Augen zu schließen und ein Zimmer Ihrer Wohnung möglichst präzise zu beschreiben, so würde zweifelsohne ein inneres Abbild entstehen. Sie würden Ihr Zimmer mit vielen Details innerlich vor sich sehen. Vielleicht wären sogar noch weitere Sinneswahrnehmungen mit diesem Bild verbunden: im auditiven Bereich Geräusche, Töne oder Musik, im olfaktorischen Bereich Gerüche. Möglicherweise sehen Sie sich sogar selbst gemütlich auf der Couch liegen oder Sie sitzen am Schreibtisch. In diesem Falle könnte aus dem kinästhetischen Bereich auch noch ein bestimmtes Körpergefühl zu Ihrem inneren Bild hinzukommen, beispielsweise die Wahrnehmung der Raumtemperatur oder Verspannungen im Körper oder Müdigkeit oder Wohlgefühl. Eventuell sehen Sie sich selbst etwas Leckeres essen, und so wäre auch noch der gustatorische Sinneskanal in Ihrem inneren Bild enthalten. – Den meisten Menschen fällt es recht leicht, solche inneren Bilder zu erzeugen, doch es handelt sich dabei um eine Fähigkeit, die alles andere als selbstverständlich ist! Darüber hinaus sind sie nicht nur in der Lage, etwas Reales wie ein Zimmer ihrer Wohnung vor ihrem geistigen Auge entstehen zu lassen, sondern auch nicht reale Dinge wie Fantasiewelten. Ebenso funktioniert es, „im Geiste“ Pläne zu schmieden, Probleme zu lösen, sich einen unbekannten Urlaubsort in den schönsten Bildern vorzustellen, die Zukunft zu visualisieren, Verläufe von Prozessen und Konstruktionen zu imaginieren, Wünsche wahr werden zu lassen und vieles mehr. Zwischen all diesen inneren Bildern können sie beliebig und in Sekundenschnelle hin und her gleiten. Mit diesen immensen Möglichkeiten ist unsere Vorstellungskraft ein überaus wichtiges Werkzeug und Hilfsmittel in unserem Leben.

Auch unsere Vergangenheit haben wir in Unmengen von inneren Bildern abgespeichert: Erinnern Sie sich an Ihr Kinderzimmer? An Ihre Schule im Jugendalter? An Ihre beste Freundin oder Ihren besten Freund? An ein sehr schönes Erlebnis in Kindertagen? An eine Person, die Sie verehrt oder geliebt haben im jungen Erwachsenenalter? All diese Fragen können innere Bilder erwecken, Erinnerungen werden wachgerufen und oft auch Emotionen reaktiviert. Manchmal schalten sich auch reale Bilder aus der Gegenwart dazwischen, beispielsweise wenn zur besten Freundin aus Kindertagen noch Kontakt besteht und auch ein inneres Bild von ihr als erwachsene Person auftaucht.

Das Wort Imagination findet seinen Ursprung im Lateinischen imago und bedeutet nichts anderes als Bild oder Vorstellung. Es geht dabei sowohl um reale Bilder, die tatsächlich gesehen werden, als auch um Bilder, die „nur“ in der Vorstellung der Menschen Gestalt annehmen.

Offensichtlich ist unser Gehirn ein Organ, das stetig Bilder produziert und uns damit maßgeblich darin unterstützt, uns in der Welt zurechtzufinden und diese mitzugestalten. Es ist meiner Meinung nach überaus sinnvoll, Techniken zu erlernen, die ein bewusstes Steuern der Vorstellungskraft ermöglichen. Dies wird bereits in vielen Lebensbereichen angewendet, wie beispielsweise zum Erreichen von beruflichen oder privaten Zielen, im Mentaltraining beim Sport, in der Psychotherapie, bei der Findung von kreativen Ideen und Lösungen, zur Festigung von sich immer wiederholenden Abläufen oder Bewegungen, zur Steigerung des Wohlbefindens, zur Förderung von Heilungsprozessen oder zur Inspiration und Weiterentwicklung.

Aufgrund der Komplexität unseres leistungsfähigen Gehirns und der daraus resultierenden Relevanz von Imaginationen möchte ich nachfolgend einige Zusammenhänge aus der Neurobiologie beschreiben. Dabei will ich meine Ausführungen nicht unnötig mit Fachbegriffen spicken, sondern möglichst verständlich die wesentlichen Sachverhalte darlegen, die das Thema Imaginationen berühren. Interessierten Lesern, die nach weiterführender Literatur suchen, seien die Bücher vom Neurobiologen Gerald Hüther ans Herz gelegt.

1.2 Wie das Gehirn Bilder erzeugt

Alles, was unsere Sinnesorgane wahrnehmen, kommt in den sensorischen Arealen der Hirnrinde an und erzeugt dort einen Sinneseindruck mit einem charakteristischen Erregungsmuster, das wiederum in das assoziative Rindenareal weitergeleitet wird. Nun trifft dieses Erregungsmuster auf Nervenzellverschaltungen, die bereits von früheren Sinneseindrücken gebildet wurden. Es kommt also quasi zu einem Treffen von Neu und Alt, zu einer sogenannten Überlagerung beider Erregungsmuster und daraus resultierend entsteht ein neues Aktivierungsmuster für die entsprechende Sinneswahrnehmung. Dieses erweiterte und damit neue Aktivierungsmuster produziert das innere Bild des jeweils Wahrgenommenen. Kurz ausgedrückt: Aus all dem bisher Gesehenen und dem neu Hinzugekommenen entsteht ein aktuelles „Sehbild“. Gleiches gilt auch für die anderen Sinnesorgane, es werden „Hörbilder“, „Geruchsbilder“, „Tastbilder“ und „Geschmacksbilder“ kreiert. All diese Prozesse des Gehirns werden vom Bewusstsein nicht wahrgenommen. Erst wenn ein Erregungsmuster so stark ist, dass es auch in die Bewertung einfließt, also als wichtig eingestuft wird, geht die Aufmerksamkeit eines Menschen bewusst zu diesem inneren Bild. Dies bedeutet, dass nur ein sehr kleiner Teil aller generierten inneren Bilder auch in unser Bewusstsein gelangt. Entscheidend ist also nicht, wie „wahr“ ein Sinneseindruck ist, sondern einzig und allein, wie wichtig er von einem Menschen genau in der Situation eingeschätzt wird, in der er sich gerade befindet. Die Erregungsmuster sind dabei umso „mächtiger“, je stärker sie sich auch auf andere Gehirnareale ausbreiten können. Dies gilt vor allem für die älteren, tiefer liegenden Hirnregionen, die auch für die Regulation von körperlichen Funktionen zuständig sind. Dieses Ausbreiten geschieht, wenn Sinneseindrücke besonders einschneidend, neuartig oder auch unerwartet sind. (Hüther 2006). Dazu zählen beispielsweise Verletzungen, die selbst verschuldet wurden, wie der Griff auf die heiße Herdplatte oder der Schmerz bei dem Kontakt mit Brennnesseln, aber auch alles, was wir zum ersten Mal und intensiv erleben wie der erste Kuss, allein Fahrrad fahren können oder ein ganz besonderes Erlebnis wie ein Fallschirmsprung. Diese Beispiele gehören oft zu den Bildern, die einem Menschen nicht mehr „aus dem Kopf gehen“ – und zwar deshalb, weil sie sich so stark körperlich ausgewirkt haben. Manchmal schafft es auch ein inneres Bild ins Bewusstsein, das einfach nicht recht dazu „passen“ will, was schon im Kopf verankert ist. Es entsteht ein vorübergehendes Durcheinander, eine Art Unruhe im Gehirn, die wiederum einen Zustand erzeugt, der „fokussierte Aufmerksamkeit“ genannt wird. Der Kopf ist „wach“ und arbeitet daran, das neue Aktivierungsmuster mit all den älteren Mustern abzugleichen, ehe ein völlig neues Bild integriert werden kann (Hüther 2006).

Man könnte auch sagen, dass dieses „Nicht-so-recht-zueinander-Passen“ Interesse hervorbringt, manchmal auch Überraschung oder Erstaunen. Es gibt einige Bereiche in unserer Gesellschaft, die sich genau diesen Effekt zunutze machen, um Aufmerksamkeit zu erlangen: Werbung, Kunst oder Humor, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Wichtig ist auch zu wissen: Je häufiger ein Aktivierungsmuster wieder in Erregung versetzt wird, desto stärker werden auch die beteiligten Nervenzellverbindungen gebahnt und stabilisiert. Dies geschieht, wenn gleiche oder ähnliche Sinneseindrücke immer wieder auftreten. Einfach ausgedrückt: Durch Wiederholung und Übung können Nervenzellverbindungen so gut eingerichtet werden, dass die entsprechenden Bilder stets zur Verfügung stehen. Dazu passt auch das mittlerweile recht bekannte Zitat: „Use it or loose it“. Denn alles, was ein Mensch nicht mehr „benutzt“ in seinem Gehirn, wird auch nicht weiter mithilfe der Nervenzellverbindungen gefestigt und „verliert“ sich. So hat eine Person beispielsweise in der Schule einige Jahre intensiv und erfolgreich Französisch gelernt, diese Sprache aber in den folgenden Jahrzehnten gar nicht mehr benutzt. Entsprechend existiert oft der Eindruck, „eingerostet“ zu sein, der Zugriff auf das vor vielen Jahren Erlernte ist schwierig und teilweise „verloren“ gegangen. Wird die Fremdsprache dann aber durch Reize von außen wie ein Auffrischungskurs oder ein Auslandsaufenthalt wieder aktiviert, so kehrt vieles von dem früher Gelernten erfreulicherweise schnell zurück, die entsprechenden Nervenzellverbindungen werden wieder genutzt und stabilisieren sich. In diesem Zusammenhang wird auch von der „Gedankenautobahn“ gesprochen: Alles, was wir häufig denken, bahnt sich einen immer stabileren und „breiteren“ Weg in unserem Bewusstsein, teilweise läuft sogar der „Autopilot“, wie bei Denkmustern und Handlungen, die wir sehr häufig ausführen. Das kann eine Aufgabe am Computer sein, das Zubereiten einer Mahlzeit oder das Zurücklegen einer bestimmten Wegstrecke. Wenn eine Person schon Tausende Male im Leben Spaghetti mit Tomatensoße gekocht hat, muss sie dabei nicht mehr nachdenken. Wenn diese Person aber eine für sie neue Mahlzeit kochen möchte, beispielsweise Gemüsebratlinge, muss sie sich sehr darauf konzentrieren, denn hier existiert noch keine gut gebahnte „Autobahn“ für die Gedanken, sondern, im Gegenteil, es handelt sich um einen gerade erst in der Entstehung befindlichen „Feldweg“. Sollten zukünftig öfter Gemüsebratlinge auf dem Kochplan stehen, wird sich dieser „Feldweg“ der Gedanken verbreitern und stabilisieren und zu einer „Landstraße“ werden, später vielleicht sogar zu einer „Autobahn“.

Wenn eine Nervenzellverbindung einmal vorgenommen und stabilisiert ist, dann ist der Mensch in der Lage, ein inneres Bild auch ohne eine äußere sinnliche Wahrnehmung aus dem Gedächtnis abzurufen. Diese Tatsache erscheint auf den ersten Blick vielleicht selbstverständlich zu sein, sie birgt aber erhebliche Vorteile im Vergleich zu anderen Lebewesen, denn Menschen können sich alles innerlich vorstellen, ganze Fantasiewelten erschaffen oder viele Schritte vorausdenken, wie beispielsweise bei einem Schachspiel. Auch für psychotherapeutische Verfahren hat diese Fähigkeit der inneren Vorstellungskraft und Fantasie erhebliche Bedeutung, was in Kapitel 4 noch ausführlich beschrieben wird.

Mithilfe der Magnetresonanztomografie (MRT) lassen sich Bilder vom Gehirn darstellen, die sowohl Aufschluss darüber geben, wie die verschiedenen Regionen in ihrer Größe ausgeprägt sind, als auch, welche Anteile gerade aktiv arbeiten. So lässt sich nachvollziehen, welche Hirnstrukturen sich bei Demenz auflösen, welche Regionen bei Denkaufgaben aktiviert werden oder beim Anblick von emotional aufwühlenden Bildern oder bei verschiedenen Musikstücken. Außerdem können strukturelle Besonderheiten des Gehirns erforscht werden, wie ein Beispiel an Taxifahrern in London zeigte: Vermessen wurde der Hippocampus, der im Gehirn für die räumliche Orientierung zuständig ist. Das Ergebnis: Je länger ein Taxifahrer schon in seinem Beruf tätig war, desto stärker war auch die Struktur des Hippocampus ausgebildet (Hüther 2001). Neben dem bildgebenden Verfahren des MRT wird mittlerweile auch eine neuere Technik eingesetzt, das sogenannte „diffusion tensor imaging“(Diffusions-Tensor-Bildgebung), kurz „DTI“. Mithilfe dieses Verfahrens ist es möglich, die Verbindungen von verschiedenen Hirnarealen zu kartografieren, und nicht nur die Hirnareale selbst. Das DTI macht sichtbar, wie Wassermoleküle sich im Gewebe des Gehirns verteilen. Diese Diffusion wird aufgezeichnet und nach einiger Zeit ergibt sich eine Art „Karte“ der verschiedenen Netzwerke, der man entnehmen kann, welche Region mit welchem anderen Teil des Gehirns verbunden ist (Fox 2012). Nun kann man sich fragen, wozu es gut sein soll, die Verbindungen der Hirnbereiche zu kartografieren. Als Beispiel soll ein Experiment von Kim und Whalen dienen, die beide am Darthmouth College (USA) tätig sind. Freiwilligen Probanden zeigte man Menschen mit unterschiedlichen Gesichtsausdrücken. Dabei wurde festgestellt, dass die Gehirnaktivität generell zunahm, wenn sie ein ängstlich aussehendes Gesicht vor sich hatten. Mithilfe des DTI konnte diese gesteigerte Aktivität zu einem dicken Nervenbündel zurückverfolgt werden, zum sogenannten Fasciculus uncinatus. Er verbindet einen Bereich, der die Amygdala (den Schläfenlappen) birgt, mit dem präfrontalen Kortex. Dabei wurde interessanterweise festgestellt: Je dünner oder schwächer ausgebildet die Verbindung war, umso ängstlicher waren die Probanden ihrer eigenen Aussage nach. Die weniger Ängstlichen besaßen dagegen eine starke Verbindung beim Fasciculus uncinatus (Fox 2012).

Hat man früher noch angenommen, dass die einmal entstandenen Verschaltungsmuster in unserem Kopf unveränderlich sind, so ist heute klar: Das Gehirn ist in hohem Maße formbar und die Verschaltungsmuster sehr flexibel. Dieses Phänomen wird Neuroplastizität genannt und besagt auch, dass Menschen aller Altersstufen jederzeit „umdenken“ und neu dazulernen können!

Zum besseren Verständnis sei an dieser Stelle noch etwas zur Entwicklung des menschlichen Gehirns gesagt: Bei unserer Geburt existiert ein erheblicher „Überschuss“ an Vernetzungen und synaptischen Verbindungen zwischen den verschiedenen Hirnbereichen. Alle „synaptischen Angebote“, die nicht durch tatsächliche Erregungsübertragungen stabilisiert werden konnten, werden jedoch im Laufe der Zeit wieder aufgelöst. Aus diesem Grunde bleiben auch nur Nervenverschaltungen erhalten, die stets aktiviert werden. Das eben beschriebene Prinzip der „Ausdünnung“ von Nervenverschaltungen ist bei der Geburt eines Menschen nur in den älteren Hirnregionen weitgehend abgeschlossen, dazu zählen der Hirnstamm, der Thalamus und der Hypothalamus. Diese Hirnregionen sind für alles zuständig, was bei einem Säugling auf jeden Fall funktionieren muss: die Regulation von Atmung, Kreislauf, angeborenen Reflexen und allen Körperfunktionen, die für das Überleben essenziell sind. Bei anderen Teilen des Gehirns, wie dem Kortex und dem jüngeren Bereich des limbischen Systems, dauert die „Ausdünnung“ der Nervenverschaltungen noch länger nach der Geburt an.

In den „jüngsten“ Hirnregionen, dem präfrontalen Kortex, auch Stirnlappen genannt, ist die Stabilisierung von Nervenverschaltungen bis zur Pubertät noch nicht abgeschlossen (Hüther 2001).

Unser Gehirn besteht aus zwei Hälften: Die rechte Gehirnhälfte kontrolliert die linke Körperseite und arbeitet nicht logisch oder folgerichtig, sondern mehr simultan und in einem ganzheitlichen Sinne. Darüber hinaus ist die rechte Gehirnhemisphäre für Emotionen zuständig, für Intuitionen und den Umgang mit der Wahrnehmung von Räumen. Im rechten Teil des Gehirns befinden sich auch überwiegend die Fähigkeiten für das Verständnis von bildhaften Darstellungen, das auch für die Vorstellungskraft wichtig ist.

Die linke Gehirnhemisphäre kontrolliert die rechte Körperseite und ist verantwortlich für das logische Denken, für Sprache und verbale Aktivität, für Lesen, Schreiben und analytisches Vorgehen. Somit beschäftigt sich die linke Gehirnhälfte überwiegend mit rationalem und geordnetem Denken. Bewusste Übungen der geistigen Vorstellungskraft scheinen eine Art Harmonie zwischen beiden Gehirnhemisphären zu bewirken und erzeugen häufig Gefühle von Entspannung, Selbstvertrauen und einem „In-sich-selbst-Ruhen“ (Lazarus 2006, S. 38 f.).

Zusammenfassend können wir festhalten, dass die Entwicklung im Gehirn ein sich selbst organisierender Prozess ist, der durch die Interaktion mit der äußeren Welt gelenkt wird. Natürlich ist dabei entscheidend, wie genau die äußere Welt für ein heranwachsendes Individuum beschaffen ist und welche Lernimpulse und Entwicklungsmöglichkeiten davon ausgehen.

1.3 Spiegelneurone und Vorstellungskraft

Durch einfache Untersuchungen mit Affen entdeckte der italienische Forscher Giacomo Rizzolatti 1992 die sogenannten Spiegelneurone (mirror neurons). Es handelt sich dabei um eine neurobiologische Resonanz im Gehirn, die allein durch Beobachtung hergestellt werden kann. Was an Affen durch Messung der Gehirnströme festgestellt wurde, bestätigte sich auch bei Menschen: Fertigkeiten können allein durch Beobachtung erlangt und müssen nicht zwangsläufig durch eigenes Versuchen erlernt werden. Während ein Mensch eine andere Person bei einem bestimmten Verhalten beobachtet, läuft im Gehirn genau das gleiche motorische Programm ab, das zuständig wäre, um die Handlung selbst auszuführen. Dieser Prozess läuft unwillkürlich und unbewusst ab. Es entsteht innerlich quasi eine neuronale Kopie von der beobachteten Handlung, als würde der Beobachter mit der gleichen Tätigkeit selbst aktiv sein. Beim Menschen werden Spiegelneurone nicht nur durch Beobachtung aktiviert, es reicht schon, wenn von einer Handlung gesprochen wird (Vössing 2007). Dieses Phänomen ist für den gezielten Einsatz von Imaginationen von großem Interesse, denn es muss nicht allein bei der Vorstellung bleiben, sondern die Handlung kann mithilfe des inneren Bildes auch leichter in der Realität umgesetzt werden. So ist es beispielsweise in der Therapie sinnvoll, Ziele nicht nur zu besprechen, sondern mithilfe imaginativer Methoden zu visualisieren.

Auch Intuition lässt sich zumindest zum Teil durch den Einsatz von Spiegelneuronen in unserem Gehirn erklären: Durch Versuche konnte festgestellt werden, dass es nicht notwendig ist, eine komplette Handlung einer anderen Person zu beobachten, um die eigenen Spiegelneurone feuern zu lassen, sondern dass schon eine Momentaufnahme, ein kurzer Ausschnitt, ausreicht, damit der Beobachter einen intuitiven Eindruck von der Gesamtsituation bekommt und somit vorhersehen kann, was als Nächstes kommen wird. Vor unserem inneren Auge „sehen“ wir also den Gesamtablauf einer Handlung, obwohl wir zuvor nur eine Teilsequenz wahrgenommen haben. Diese intuitiven Ahnungen entstehen auch dann, wenn uns die zugrunde liegenden Wahrnehmungen nicht bewusst sind (Vössing 2007). Bei jeder Art von Teamwork ist solch eine Form der Intuition relevant, besonders bei Mannschaftssportarten, bei denen beispielsweise intuitiv erahnt werden muss, wohin der Mitspieler laufen wird, um entsprechend schnell den Ball in diesen Laufweg zu passen.

In der therapeutischen Arbeit wird die Existenz der Spiegelneurone auch dazu genutzt, dem Klienten Sicherheit, Unterstützung und Vertrauen zu vermitteln. Im Neurolinguistischen Programmieren (NLP; s. Abschn. 3.3) wird dies als Rapport bezeichnet, als guter Draht zum Klienten, der eine vertrauensvolle Verbindung herstellt. Sitzen Klient und Therapeut einander gegenüber im Gespräch, so kann der Therapeut ganz bewusst die Körperhaltungen des Klienten spiegeln: Sitzt der Klient mit übereinandergeschlagenen Beinen da, so nimmt auch der Therapeut diese Körperhaltung gegenverkehrt ein, als wäre er das Spiegelbild. Oder der Therapeut passt die Lautstärke, das Tempo und die Tonart seiner Stimme an die des Klienten an. Auch die Atmung ist relevant: Wenn es dem Therapeuten gelingt, ziemlich synchron mit dem Klienten zu atmen, unterstützt dies ebenfalls die gute Beziehung zueinander.

1.4 Evolutionsvorteil Imagination

Im Laufe der Evolution konnten sich diejenigen Lebensformen am besten durchsetzen, die in der Lage waren, sich schnell und gut an die jeweiligen Umgebungsbedingungen anzupassen, die also flexibel im Denken und Handeln waren. Die genetischen Programme sind in diesem Fall so beschaffen, dass auch nachträgliche Veränderungen von neuronalen Verschaltungsmustern möglich sind. Diese flexiblen Anpassungsleistungen bieten Raum für Modifikationen auf der kognitiven, der emotionalen und der Handlungsebene.

Die Öffnung genetischer Programme in Richtung Flexibilität bietet zwar eine sehr große Chance in Hinsicht auf überlebensnotwendige Anpassungsleistungen, aber es liegt auch eine Gefahr darin: Wenn genetische Programme nicht mehr genau festlegen, wie sich ein Nervensystem entwickeln soll, müssen andere Mechanismen gefunden werden, die diese Prozesse lenken können. Die Lösung dieses Dilemmas liegt in der Elterngeneration, die sowohl pränatal, vor allem aber postnatal die Entwicklung der Kinder entscheidend mitprägt (Hüther 2001).

Molekularbiologen haben mittlerweile zahlreiche Belege dafür, dass neue Erfahrungen eines Menschen bis auf die Ebene der Gene wirken. Es hört sich vielleicht abenteuerlich an, doch Nervenzellen sind zum Beispiel in der Lage, neue Gensequenzen „abzuschreiben“ und andere Sequenzen wiederum stillzulegen. Dies bedeutet, dass neue Erfahrungen die Genexpression, also den Vorgang, bei dem die genetische Information für die Zelle nutzbar gemacht wird, verändern und damit die Grundlage für die lebenslange Plastizität und Lernfähigkeit bilden.

Die meisten Erfahrungen machen wir als kleine Menschen am Anfang unseres Lebens. Zu diesem Zeitpunkt sind die Neuroplastizität und die damit verbundene Genexpression im Gehirn am stärksten ausgeprägt (Hüther 2001).

Sprachlich gesehen begann die Evolutionsgeschichte des Menschen natürlich nicht mit den Kommunikationsformen, wie wir sie heute kennen, sondern die Sinneswahrnehmungen und das Handeln standen im Vordergrund. Darüber hinaus spielten aber auch innere Bilder eine Rolle, nämlich die erinnerten Abbilder des Erlebten. Diese Bilder können als überlebenswichtig bezeichnet werden, da sie Erfahrungen abspeichern, die zum Beispiel vor Gefahren warnen oder an die besten Orte zur Nahrungsbeschaffung erinnern. Unsere heutige Sprache geht letztendlich zurück auf gesehene und wahrgenommene Handlungen oder Handlungsmöglichkeiten. Joachim Bauer merkt an, dass sich Sprache nur dort sinnvoll entwickeln kann, wo zwischenmenschliche Beziehungen das Terrain für Handlungs- und Interaktionserfahrungen bieten (2006). Dies bedeutet, dass unsere gegenwärtige Sprache ihre Komplexität angenommen hat, um zwischenmenschliche Beziehungen zu vereinfachen, möglichst konkrete Angaben machen zu können und die Zahl der Missverständnisse so gering wie möglich zu halten. Die Schwierigkeiten der gesprochenen Sprache werden allerdings schnell klar, wenn wir auf Menschen aus anderen Kulturen treffen, mit denen uns keine gemeinsame verbale Sprache verbindet. Auf was können wir dann zurückgreifen? Eine „universelle Sprache“ besteht tatsächlich in Bildern. Wenn ich in China auf der Suche nach einer Sehenswürdigkeit bin, könnte ich mithilfe einer Abbildung des Gesuchten einen Chinesen nach dem Weg fragen. Dieser würde das Bild erkennen, wenn er ortskundig ist, und wahrscheinlich mithilfe seiner Körpersprache in die entsprechende Richtung weisen. Bilder sind also eine Art „Universalsprache“. Auch in der Kunst können wir diese „Universalsprache“ auf uns wirken lassen in Form von Malerei, Installationen oder Bildhauerei. Letzteres ist auch sprachlich ein gutes Beispiel dafür, wie ein tatsächlich gesehenes Bild in die Sprache Einzug findet: Ein „Bild“ wird „gehauen“, in den meisten Fällen „herausgehauen“ aus einem bestimmten Material. Auch Musik vermittelt mithilfe von Lauten und Tönen eine Art „Universalsprache“, die aber wesentlich mehr Spielraum für unterschiedliche Interpretationen und Empfindungen lässt als etwa die Abbildung von einer Sehenswürdigkeit.

Nach Tausenden Jahren Evolutionsgeschichte reagieren wir Menschen immer noch stärker auf Bilder, die wir sehen, als auf verbale Sprache. Ein schönes Beispiel dafür liefert Thorsten Havener, deutscher Mentalist und Zauberkünstler, gerne in seinen Bühnenshows. Er beschäftigt sich eingehend mit der Frage, wie Menschen beeinflusst und manipuliert werden können, und führt dazu gerne kleine Experimente durch: Er steht vor seinem Publikum, hebt seinen rechten Arm und fordert alle Menschen im Saal auf, dies ebenfalls zu tun. Dann sagt er: „Ich zähle nun bis drei und sage ‚jetzt‘ und dann nehmen Sie bitte alle ihren Arm wieder runter.“ Tatsächlich zählt er anschließend bis drei und nimmt selbst seinen Arm herunter – und fast alle im Publikum folgen ihm und lassen ebenfalls die Arme sinken. Dann sagt Thorsten Havener „jetzt“ – und nun wird vielen Zuschauern erst klar, dass sie zu früh den Arm gesenkt haben, denn sie sind nonverbal mit den Augen gefolgt. Das Bild, hier sogar ein „Vorbild“ im Sinne von „etwas vorgemacht bekommen“, hat in diesem Falle also stärker gewirkt als ein Wort (Havener 2011, 10. Audiokapitel).

Bei Kindern kann man sehr gut beobachten, wie sie sich die Welt über spielerisches Erkunden aneignen. Dabei werden häufig reale Dinge, wie eine Puppe, mit Vorstellungen aus der Fantasie kombiniert, beispielsweise dass die Puppe müde ist und ins Bett muss. Kinder erfinden auch häufig innere Spielgefährten oder Wegbegleiter wie Tiere, Fabelwesen oder Schutzengel. Diese Fähigkeit, sich innerlich etwas Unterstützendes vorzustellen und „so zu tun, als ob“, bleibt auch im Erwachsenenalter erhalten, rückt aber leider, je nach kulturellem Hintergrund und Sozialisation, immer mehr in den Hintergrund. Genau diese Fähigkeit des Menschen, in der Fantasie alles kreieren zu können, macht sich der Therapeut in der Arbeit mit Imaginationen zunutze.

1.5 Imagination, Emotion und Glück

Wenn Vorstellungsbilder wachgerufen werden, egal ob ausschließlich vorgestellt oder tatsächlich durchgeführt, muss es bereits vorher etwas geben, damit der Mensch überhaupt auf bestimmte Bilder zurückgreifen kann. Dies bedeutet, dass ein inneres Bild von einem Handlungsablauf bereits in bestimmter Form als Verschaltungsmuster im Gehirn vorhanden sein muss. Deshalb können wir nur das denken und uns nur das vorstellen, was wir bereits erfahren und erlebt und als inneres Bild in unserem Hirn verankert haben.

Und auch hier gilt: Je häufiger bestimme Erfahrungen und Erlebnisse innerlich aktiviert werden, desto stärker werden die daran beteiligten synaptischen Verbindungen gebahnt und das innere Bild entsprechend deutlich ausgeprägt. Dies trifft vor allem dann zu, wenn auch emotionale Erregung hinzukommt, die wiederum eine vermehrte Freisetzung von neuroplastischen Signalstoffen fördert. Kurz gesagt: Mit wachsender emotionaler Erregung werden die inneren Bilder immer stärker (Hüther 2001).

In diesem Zusammenhang ist es interessant, für sich selbst folgendes kleines Experiment zu machen: Schließen Sie die Augen mit der Absicht, ein klares Erinnerungsbild hervorzuholen – egal aus welcher Phase des Lebens es auch stammen mag. Anschließend prüfen Sie, welche Emotion Sie mit diesem inneren Bild verbinden. Höchstwahrscheinlich werden Sie feststellen, dass die Zuordnung eines Gefühls zu dem inneren Bild nicht weiter schwierig ist – und zwar deshalb, weil es eben so ein klares Bild ist und es automatisch von einer starken Emotion begleitet wurde. Wenn Sie sich etwas Positives vorgestellt haben, beispielsweise eine lustige und ereignisreiche Geburtstagsfeier, dann haben Sie wahrscheinlich Freude gespürt. Wenn allerdings ein für Sie negatives Erinnerungsbild aufgetaucht ist, wird Ihr Gefühl vielleicht Angst oder Wut oder Trauer gewesen sein.

Negative Erinnerungsbilder sind auch für das Verständnis von traumatischen Erfahrungen und deren Behandlungsmöglichkeiten wichtig (s. Abschn. 4.10 und 9.14).

„Bildhaftes“ Denken kann aber auch richtig Spaß machen! Die Leichtigkeit ist dabei von Bedeutung, die am ehesten erreicht wird, wenn es um nichts Konkretes geht, wenn die Gedanken einfach umherschweifen können, ohne Druck, ohne Ziel. Dieser spielerische Umgang mit unterschiedlichsten Bildassoziationen wird häufig als entspannend empfunden. Es können nach Lust und Laune wahllos innere Bilder aneinandergefügt werden, einfach so, dass sie das Weiterdenken anregen und vielleicht sogar gute Ideen hervorbringen. Die Leichtigkeit und das Spielerische der unabsichtlich aneinandergefügten inneren Bilder enden dann leider oft damit, dass im Hier und Jetzt eine konkrete Aufgabe oder gar ein Problem auftaucht, um das wir uns kümmern müssen.

Das limbische System liebt Bilder

„Bilder, die die Welt bewegen“ – was fällt Ihnen dazu ein? Je nach Geburtsjahr vielleicht die erste Landung auf dem Mond? Oder die schrecklichen Bilder vom 11. September in New York? Oder der Mauerfall zwischen Ost- und Westberlin? Vielleicht auch ein völlig anderes Ereignis? Was es auch sein mag, es sind Bilder, die starke Emotionen ausgelöst haben, die „sich ins Gehirn gebrannt haben“, nicht nur bei Ihnen, sondern auch bei vielen anderen Menschen. Bilder lösen wesentlich mehr Emotionen aus, als es beispielsweise Wörter vermögen. Wenn Sie niemals irgendwelche Filmaufnahmen oder Bilder zum Mauerfall gesehen hätten und stattdessen hätte Ihnen jemand nur verbal davon berichtet, glauben Sie, dass Ihre emotionale Anteilnahme gleich stark gewesen wäre? Höchstwahrscheinlich nicht, denn Bilder, die stark emotional wirken, bleiben im Gehirn sehr eng mit dem limbischen System verbunden und werden neuronal fest verankert (Hüther 2005).

Ein weiteres Beispiel dafür, dass Bilder die Emotionen von Menschen stärker beeinflussen als Worte, liefert folgendes Gedankenexperiment: Ich gebe Ihnen ein Wort, beispielsweise „Kuchen“.

Vermutlich entsteht nun vor Ihrem geistigen Auge ein Kuchen, den Sie gerne mögen. Wenn ich Ihnen nun aber diesen Kuchen auf einem Foto präsentieren würde, dann würde Ihnen wahrscheinlich das Wasser im Munde zusammenlaufen, denn ein Bild wirkt „realer“ als ein Wort.

Auch Rednerinnen und Redner erzielen bei Vorträgen eine gute Wirkung, wenn sie Bilder in Form von Metaphern, Anekdoten oder witzigen Analogien einsetzen, um ihr Publikum emotional zu erreichen und den Vortrag lebhaft und interessant zu gestalten. In den Köpfen der Zuhörer formen sich quasi parallel zum Vortrag innere Bilder und halten die Aufmerksamkeit aufrecht.

In den letzten Jahren haben das Thema Glück und die Glücksforschung immer mehr Raum eingenommen mit der wichtigen Kernfrage: Wie schaffen es Menschen, glücklich zu sein, und was brauchen sie dafür? Einige Menschen denken, Glück zu haben sei abhängig davon, dass man glücklich gemacht wird von wem oder was auch immer. Das könnte beispielsweise eine größere Summe Geld sein oder eine tolle Reise oder ein Geschenk von einem Freund. Wenn die äußeren Umstände nicht entsprechend ausfallen, dann kann ein Mensch auch nicht glücklich sein. Dies ist eine mögliche Anschauungsweise, die aber nicht unbedingt das Wohlbefinden und Glück erhöht, denn letztendlich bedeutet es, dass nur äußere Faktoren glücklich machen. Der Buddhismus beispielsweise vertritt eine andere Haltung: Glück ist eine Frage unserer Glücksfähigkeit, und diese Fähigkeit steht uns allen generell zur Verfügung und wir können sie nutzen. Mehr noch, wir können beschließen, uns darauf zu konzentrieren, welche inneren Bilder und Gedanken und welche Menschen und Dinge uns glücklich machen, und all dies in unserem Leben (mehr) Raum einnehmen zu lassen (Reddemann 2001). Eine einfache Übung, um unsere Glücksfähigkeit zu schulen, besteht im Führen einer Strichliste: Führen Sie einen oder auch mehrere Tage lang eine Strichliste, auf der einen Seite eines Blatt Papiers markieren Sie mit einem Strich, wenn Sie sich selbst innerlich etwas Nettes, Aufbauendens, Nährendes sagen, und auf der anderen Seite kommen Striche für das innere Kritisieren und Nörgeln, bei dem Sie sich selbst in irgendeiner Form abwerten. Am Ende eines Tages schauen Sie dann, welche Spalte mehr Striche zu verzeichnen hat, und vielleicht inspiriert es Sie ja, Ihre Gedanken umzulenken, sodass Sie mehr Striche auf der netten, nährenden Seite eintragen können – und so Ihre Selbstbotschaften und inneren Bilder in eine positive Richtung steuern (Reddemann 2001).

Die Bilder machen den Unterschied