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Ein Mordverdacht. Eine gefährliche Allianz. Eine Liebe, die Grenzen überschreitet.
Als der abtrünnige Jäger Jaden des Mordes an seinem Kameraden beschuldigt wird, gerät die Welt der jungen Jägerin Angel aus den Fugen. Sie weigert sich zu glauben, dass der Mann, der einst ihr Vertrauen besaß, zu einem kaltblütigen Mörder geworden ist. Um die Wahrheit ans Licht zu bringen, begibt sie sich auf eine gefährliche Suche - und ausgerechnet der geheimnisvolle Vampir Tonio scheint der Einzige zu sein, der ihr dabei helfen kann.
Gemeinsam reisen sie zu einer Voodoo-Priesterin, die einen magischen Blutzauber wirken kann, um Jaden aufzuspüren. Doch der Preis ist hoch - nicht nur Blut muss fließen, auch Angels Herz beginnt gefährlich zu schlagen, und zwar ausgerechnet für den Mann, den sie jagen sollte.
Was als Mission beginnt, wird zu einem gnadenlosen Kampf gegen alte Feinde, dunkle Verführungen und die eigene Natur. Als Angel zwischen zwei Vampiren steht - einem, den sie retten will, und einem, der ihr Herz berührt - muss sie eine Entscheidung treffen, die alles verändert.
Unfassbar fesselnd und unglaublich spicy: Band 2 der neuen Dark-Romantasy-Reihe von Sara Hill.
Bitte beachte: Die Bücher dieser Reihe enthalten explizite Darstellungen von Gewalt und Sex.
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Seitenzahl: 405
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Inhalt
Grußwort des Verlags
Über dieses Buch
Titel
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Über die Autorin
Weitere Titel der Autorin
Impressum
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Ein Mordverdacht. Eine gefährliche Allianz. Eine Liebe, die Grenzen überschreitet.
Als der abtrünnige Jäger Jaden des Mordes an seinem Kameraden beschuldigt wird, gerät die Welt der jungen Jägerin Angel aus den Fugen. Sie weigert sich zu glauben, dass der Mann, der einst ihr Vertrauen besaß, zu einem kaltblütigen Mörder geworden ist. Um die Wahrheit ans Licht zu bringen, begibt sie sich auf eine gefährliche Suche – und ausgerechnet der geheimnisvolle Vampir Tonio scheint der Einzige zu sein, der ihr dabei helfen kann.
Gemeinsam reisen sie zu einer Voodoo-Priesterin, die einen magischen Blutzauber wirken kann, um Jaden aufzuspüren. Doch der Preis ist hoch – nicht nur Blut muss fließen, auch Angels Herz beginnt gefährlich zu schlagen, und zwar ausgerechnet für den Mann, den sie jagen sollte.
Was als Mission beginnt, wird zu einem gnadenlosen Kampf gegen alte Feinde, dunkle Verführungen und die eigene Natur. Als Angel zwischen zwei Vampiren steht – einem, den sie retten will, und einem, der ihr Herz berührt – muss sie eine Entscheidung treffen, die alles verändert.
Unfassbar fesselnd und unglaublich spicy: Band 2 der neuen Dark-Romantasy-Reihe von Sara Hill.
Bitte beachte: Die Bücher dieser Reihe enthalten explizite Darstellungen von Gewalt und Sex.
SARA HILL
IMMORTALWITH YOURBLOOD
Italien 1574
Als Antonio erwachte, war der Platz neben ihm leer.
»Veronica, wo bist du?«, flüsterte er und setzte sich schlaftrunken auf. Eine laue Sommerbrise, die den Duft von Bitterorangen mitbrachte, streifte sein Gesicht. Antonios Blick glitt zu den Bogenfenstern, und zu seiner Erleichterung entdeckte er dort die Frau, die er so schmerzlich neben sich vermisste.
Sie weilte auf dem steinernen Balkon, das Mondlicht ließ sie fast erstrahlen, gab ihr etwas Engelhaftes. Nach all der Zeit konnte er noch immer nicht glauben, dass diese Schönheit zu ihm gehörte. Er schlug die seidene Decke zurück, um aufzustehen.
Die Fliesen waren kalt unter seinen Füßen. Zielstrebig durchquerte er den Raum. Erst als er hinter Veronica trat, wandte sie sich ihm zu. Zikaden sangen ihr Nachtlied mit Hingabe.
»Kannst du nicht schlafen, Liebste?«, fragte er sanft.
»Sie lässt mich nicht.« Veronica strich über ihren wohlgerundeten Bauch.
Die Nachtluft spielte mit dem seidenen Schlafgewand. Auch er trug nur ein solches Nachtkleid.
»Wer sagt dir, dass es eine Tochter wird? Ich glaube eher, darin wächst ein strammer Bursche heran.« Antonio grinste und legte die Hände auf Veronicas Bauch. Das kleine Wesen in ihr trat dagegen, worauf sein Herz beinahe vor Glück und Stolz zersprang. »Ich habe es gespürt«, sagte er beseelt.
»Ich spüre sie schon die ganze Nacht. Sie ist sehr energisch … wie ihr Vater.« Veronica streichelte Antonios Wange. Ihre Hand fühlte sich kühl an.
»Mein Engel, du solltest wieder ins Bett gehen«, erwiderte er besorgt, umfasste mit seiner Hand Veronicas Finger und zog diese von seinem Gesicht, um sie auf sein Herz zu legen. »Es schlägt nur für dich, und das vom ersten Augenblick an, an dem ich dich sah.«
»Und meines für dich. Damals, als mein Vater verkündete, er habe einen standesgemäßen Ehemann für mich gefunden, da dachte ich, mein Leben sei zu Ende. Du kennst den Gatten meiner Schwester Rosalie …« Veronicas Blick traf auf seinen.
»Ja, er ist ein Aufschneider und Tunichtgut. Zudem fünfzehn Jahre älter als sie«, erwiderte er rau.
»Und nicht sehr ansehnlich«, fügte Veronica hinzu. »Ich hatte solche Angst, mir würde das gleiche traurige Schicksal blühen, dass ich darüber nachdachte wegzulaufen. Aber wo sollte ich schon hin? Dann wurden wir einander vorgestellt, und mein Herz schlug so schnell wie die Flügel eines kleinen Vogels, als ich in deine warmen Augen sah; mir wurde gar schwindlig davon. Ab dieser Stunde konnte ich es nicht mehr erwarten, deine Frau zu werden. Dein Anblick erfreut mein Herz noch immer über die Maßen. Liebster Gatte, was habe ich nur für ein Glück mit dir.«
Veronica schmiegte sich an Antonio, der seine Arme um sie schlang. Dieses Geständnis machte ihn zum glücklichsten Mann, der jemals gelebt hatte. Er würde diese Frau niemals wieder hergeben.
»Also, woher weißt du, dass du eine Tochter in dir trägst?« Zart küsste er Veronica auf das dunkle Haar.
»Die Hebamme hat dies bei der letzten Untersuchung gesagt. Sie meinte, der runde Bauch sei ein untrügliches Anzeichen.«
»Wenn es ein Mädchen wird, möchte ich sie Maria nennen«, gab Tonio heiser zurück.
»Nach deiner Schwester?« Veronica befreite sich aus seiner Umarmung.
»Ja.« Antonio fiel das Sprechen schwer, der Klumpen in seinem Hals ließ ihn kaum atmen. Noch immer hatte er Marias Tod nicht überwunden, obwohl sie bereits vor fünfzehn Jahren von ihm gegangen war.
»Maria ist ein sehr schöner Name.« Veronica lächelte, umgriff seinen Kopf mit beiden Händen und zog ihn zu sich, bis ihre warmen Lippen auf seine trafen.
Er konnte nicht anders, als sie wieder in seine Arme zu ziehen, dabei erwiderte er ihren Kuss voller Leidenschaft und Verzweiflung. Antonio wollte nicht, dass Veronica sich von ihm löste, doch er ließ es schweren Herzens zu. Sie wandte sich um und betrachtete den Garten, während er über ihre Arme strich.
»Tonio, ich liebe es hier, und mir graut davor, wieder nach Florenz zu gehen. Es ist so friedlich an diesem Ort und weit weg von all den Intrigen. Können wir unser Kind nicht hier großziehen?«, fragte sie wehmütig.
»Die Geschäfte zwingen mich in die Stadt zurück, und ich möchte nicht ohne dich und unser Kind sein«, antwortete Antonio.
Schon seit er zu denken vermochte, verbrachte er die Sommer auf dem ländlichen Anwesen der Familie. An diesem Platz hatte er sich immer am wohlsten gefühlt, und er täte nichts lieber, als hier für immer zu verweilen.
»Lass uns nicht die schöne Zeit mit trüben Gedanken an das Morgen verderben«, fügte er hinzu.
Veronica lehnte sich an ihn und genoss mit ihm schweigend die Sommernacht. Zumindest bis zur Geburt ihres Kindes würden sie bleiben. Dies hatte ihm sein Vater gestattet.
»Mein Herz wird für immer dir gehören«, flüsterte er in Veronicas Ohr.
New York, in der Gegenwart
»Seht ihr ihn?«, vernahm Angel Collins Stimme.
So vorsichtig wie möglich pirschte sie mit der automatischen Waffe im Anschlag durch den verlassenen U-Bahn-Tunnel, während sie sich bemühte, ihren Puls ruhig zu halten. Ein aufgeregt schlagendes Herz würde dem Blutsauger kaum entgehen. Im Tunnel war es stockdunkel. Ohne die in die Waffe integrierte Lampe könnte sie nicht einmal ihre Füße sehen. Schotter knirschte leise unter ihren Kampfstiefeln.
»Negativ«, flüsterte sie ins Mikro des Headsets.
»Bei mir auch«, meldete sich Ryan, der Neue im Team, zu Wort.
Unwillkürlich kam ihr Jaden in den Sinn. Wo er wohl war? Verfluchter Idiot, schoss es durch ihre Gedanken. Er hatte alles weggeworfen und war mit dieser Vampirin, die er geschwängert hatte, untergetaucht. Vom alten Team waren nur noch Collin und sie übrig geblieben. Wenn sie an Jadens Bruder Danny oder auch an Chuck nur dachte, fühlte es sich an, als würde ihr Herz herausgerissen werden.
Angel schluckte. Die beiden waren tot. So viel hatte sich geändert, und sie vermisste die zwei unglaublich. Chuck und Danny waren für immer fort, doch sie hoffte, dass sie zumindest Jaden eines Tages wiedersehen würde.
Immer weiter drang sie in den Tunnel vor, über ihr vernahm sie das typische Rattern einer U-Bahn, alles vibrierte, und Dreck rieselte von der Decke. Einiges davon landete dummerweise auf ihrem Kopf, doch darum konnte sie sich jetzt nicht kümmern. Wenn sie wieder im Hauptquartier war, würde sie ausgiebig duschen.
Der Tunnel verzweigte sich, und Angel stoppte. Unschlüssig sah sie in die zwei dunklen Löcher, die sich vor ihr auftaten. Zur Hölle, wo war dieser verfluchte Blutsauger? Er hatte eine Spur von Opfern hinterlassen, der sie gefolgt waren. Nun versteckte sich dieser dreckige Hurensohn hier unten.
Links oder rechts? Welchen Weg sollte sie nehmen?
Hinter ihr raschelte etwas. Blitzartig drehte sie sich um, richtete die Waffe und damit das Licht auf die Quelle des verdächtigen Geräusches und konnte nicht verhindern, dass ihr Herz den Schlag verdoppelte. Eine Ratte huschte durch den Lichtkegel, und Angel atmete durch, blickte dabei wieder zu den Tunneln.
»Ich glaube, der Bastard hat sich aus dem Staub gemacht«, sagte sie ins Mikro, während sie ihr aufgeregtes Herz zu beruhigen versuchte.
»Das glaube ich auch. Der könnte sonst wo sein«, bestätigte ihr Anführer. »Wir brechen ab«, beschloss er.
Wieder raschelte es hinter Angel. Was jetzt da lauerte, war keine Ratte. Denn sämtliche ihrer Nackenhärchen stellten sich auf, und ein eiskalter Hauch streifte sie. Hastig drehte sie sich um und sah sich einer bleichen Gestalt gegenüber, deren Mund blutverschmiert war. Der Kerl, der zumindest äußerlich um die zwanzig war, grinste sie überheblich an und entblößte dabei seine Reißzähne.
»Na, hast du dich verlaufen, Kleine?«, fragte er mit samtener Stimme, starrte sie an, und Angel hatte das Gefühl, als würde sich eine Schicht Watte um ihr Gehirn winden.
Dieser Höllenhund versuchte doch tatsächlich, ihren Geist zu manipulieren. Nicht mit ihr!
Sofort errichtete sie eine mentale Barriere, wie sie es in der Ausbildung gelernt hatte, und das Gesicht ihres Gegenübers verdunkelte sich.
»Er ist hier!«, sagte Angel laut ins Mikro, während sie feuerte.
Doch der Kerl wich aus, sie hatte leider seinen Kopf verfehlt. Das Geschoss schlug in den Boden ein und explodierte. Es gab nur wenige Methoden, einen Vampir zu vernichten. Eine davon war, ihm den Schädel vom Hals zu sprengen.
Nun ging der Kerl zum Angriff über. In übermenschlicher Geschwindigkeit war er bei ihr und packte sie an der Kehle. Mit der anderen Hand entriss er ihr die Waffe und schleuderte sie weg. Angel rang nach Atem, das Herz schlug ihr bis zum Hals. Für den Bruchteil einer Sekunde wurde ihr schwarz vor Augen. Sie musste dennoch einen kühlen Kopf bewahren, denn Panik war der Anfang vom Ende.
»Ob Jägerinnen anders schmecken?« Seine Stimme klang jetzt weit weg von menschlich.
Angel zog ihr Kampfmesser, das sie am Gürtel trug, und stach damit dem Monster in den Hals.
»Du Miststück!«, schrie er und schleuderte sie wütend weg.
Als sie mit dem Rücken voran auf einen Stein knallte, entwich ihr sämtliche Luft aus der Lunge. Ihr Körper pochte schmerzhaft, und am liebsten wäre sie liegen geblieben. Trotzdem sprang sie auf die Füße und verkniff sich ein Ächzen.
»Ich reiße dir den Schädel ab und spiele damit Fußball!«, brüllte der Vampir und war einen Herzschlag später wieder bei ihr.
Angel drehte sich um die eigene Achse, um ihn mit einem gezielten Kick von den Füßen zu fegen, aber er hielt ihr Bein fest, woraufhin sie ihm das Messer wieder und wieder in den Arm rammte. Im nächsten Moment traf seine andere Faust auf ihr Gesicht, das Messer flog aus ihrer Hand, und sie sah Sterne. Blut lief aus ihrer Nase. Der Vampir wollte sie wieder packen, doch sie ließ sich fallen und rollte sich zur Seite.
»Ich werde dich Stück für Stück auseinandernehmen«, drohte er. Schon war er bei ihr.
Sie erwischte die Waffe, die jetzt in Reichweite lag.
»Friss Blei!« Sie drückte ab, und dieses Mal erreichte das Geschoss sein Ziel. Blut spritzte. Der leblose Körper klatschte zu Boden. Angel rutschte nach hinten, bis ihr Rücken die Wand berührte, und lehnte sich dagegen. Ihr Herz schlug wie wild. Das war verflucht knapp gewesen.
»Angel? Alles in Ordnung?«, vernahm sie Noahs Stimme, die aus dem Kopfhörer kam.
»Ja, der Bastard ist erledigt«, antwortete sie.
Im nächsten Augenblick knirschte Schotter unter Kampfstiefeln, dann sah sie Licht. Noah blieb vor ihr stehen, leuchtete direkt in ihr Gesicht, das sie zur Seite drehte.
»Könntest du die Waffe vielleicht woanders hinhalten?«, fragte sie gereizt, und er senkte sie.
»Du siehst scheiße aus«, stellte Noah fest.
»Ich fühle mich auch so.« Angel rappelte sich auf und wischte sich mit dem Handrücken das Blut unter der Nase weg.
»Wer räumt diesen Mist jetzt auf?« Collin hatte sich zu ihnen gesellt. Er stieß mit dem Fuß gegen den Leib des Vampirs.
»Der Neue, wer sonst?« Angel schulterte ihr Gewehr, holte das Messer, das sie in die Scheide zurückschob, und schritt erhobenen Hauptes an den Männern vorbei.
***
Tonio betrachtete die fünf Karten in seiner Hand – zwei Paare. Damit würde er keinen Blumentopf gewinnen. Die drei Kerle und die Lady hatten bereits aufgegeben. Doch der Texaner, der mit seinem Cowboyhut und den Schlangenlederstiefeln tief in die Klischeekiste gegriffen hatte, war noch dabei. Seit fünf Stunden saßen sie bereits in dem miefigen Hotelzimmer und pokerten. Hall, der Typ neben ihm, der sich für ein Genie hielt, jedoch eine absolute Niete war, gähnte, während Diane sich über die kirschroten Lippen leckte.
Das Aroma ihres süßen Blutes brachte seine Eckzähne zum Pulsieren. Wie gern würde er sie in ihre zarte Haut rammen und sie genüsslich aussaugen. Aber er hatte frischem Menschenblut aus der Vene schon seit langer Zeit abgeschworen. Das hielt ihm die Jäger vom Hals.
»Also Texas-Ranger, gehst du mit?«, fragte Tonio herausfordernd und lehnte sich lässig zurück.
Kleine Schweißperlen bildeten sich auf der Stirn seines bulligen Gegenübers, das in Gedanken abwägte, ob es das Risiko eingehen könnte. Immerhin hatte der Mann drei Neunen. Wenn er die Nerven behielt, würde er den ganzen Pott gewinnen, in dem knappe fünfzigtausend Dollar lagen. Ein akzeptabler Lohn für fünf Stunden Arbeit. Zuerst hatte Tonio, wie üblich, die anderen gewinnen lassen, um sie in Sicherheit zu wiegen, während er ihre Gedanken las.
Ich sollte aussteigen. Mehr Geld zu verlieren kann ich mir nicht leisten, schoss durch den Kopf des Texaners.
Tonio grinste ihn siegessicher an. Psychologie war in diesem Spiel alles.
Wieso grinst der so? Der muss ein richtig gutes Blatt haben, mutmaßte der Kerl in Gedanken.
Tonio hob die Hand, in der er die Karten hielt, betrachtete sie voller Zuversicht, und das Siegesgrinsen wurde breiter. Über den Rand hinweg traf sein Blick auf den des Texaners, dem eine Schweißperle über die Schläfe rann.
»Was ist jetzt? Ich hab nicht ewig Zeit«, setzte Tonio den Mann unter Druck, endlich eine Entscheidung zu treffen.
Der Texaner musterte den Geldhaufen in der Mitte.
Vielleicht sollte ich das Risiko eingehen?, überlegte er. Seine Hand schwebte über den Geldscheinen, die vor ihm lagen, dabei sah er zu Tonio, der das jedoch entspannt zur Kenntnis nahm, als würde er noch mehr Geld im Pott begrüßen.
Der scheint wirklich was Gutes auf der Hand zu haben, schlussfolgerte der Texaner aus dem Verhalten. »Ich bin raus«, sagte er schließlich und knallte die Karten auf den Tisch.
»Tja, wenn das so ist, gehört das alles wohl mir.« Tonio legte die Karten mit der Rückseite nach oben auf den Tisch und zog den Haufen Kohle mit beiden Händen zu sich.
»Zeig mir dein Blatt!«, forderte der Texaner ihn auf.
»Du hättest es gesehen, wenn du mitgegangen wärst, doch jetzt: C’est la vie, wie man so schön sagt.« Tonio schob die Scheine zusammen.
»Das ist mächtig viel Geld. Ich kann dir dabei helfen, es unter die Leute zu bringen«, sagte Diane mit rauchiger Stimme.
Oh Gott, sie sah wirklich zum Anbeißen aus. Das trägerlose kleine Schwarze zeigte mehr Haut, als gut für sie war. Tonios Eckzähne wollten etwas zu tun haben und nicht nur Blutbeutel aufreißen. In Gedanken sprang er über den Tisch, packte sie und saugte sie bis zum letzten Tropfen aus. Verdammt, er saß schon viel zu lange mit diesen Sterblichen in dem kleinen Raum.
Die Tür ging auf und Tiffy, das Anhängsel des Texaners, betrat den Raum. Sie stellte sich hinter seinen Stuhl und legte die Hände auf dessen Schultern.
»Kommst du jetzt endlich ins Bett?«, nörgelte sie.
Die Kleine war vielleicht fünfundzwanzig, er um die fünfzig. Ihr knappes Kleid verbarg noch weniger Haut als Dianes, und das Aroma ihres Blutes hatte durchaus etwas.
Den würde ich nicht von der Bettkante schubsen, geisterte durch ihre Gedanken, während sie Tonio musterte, und er stellte sich vor, wie er sie dazu brachte, mit ihm zu gehen. Das wäre für ihn ein Klacks. Sie war mental genauso wenig herausfordernd wie ihr Lover. Er würde sich an ihrem Blut berauschen und sie dabei zu höchsten Wonnen führen, bis er alles Leben aus ihr gesaugt hätte. Ihr Herz schlug kräftig in der Brust.
Bumm, bumm, bumm, bumm …
In Tonios Ohren die schönste Melodie, die es gab.
Diane räusperte sich und holte ihn ins Hier und Jetzt zurück.
Verdammt, er musste raus. Noch hatte er den Vampir in sich unter Kontrolle, doch wenn er noch länger hier mit den Sterblichen verweilte, dann konnte er für nichts mehr garantieren.
»Macht eure Einsätze, ich will eine Revanche«, verkündete der Texaner.
»Leider ohne mich, ich hab noch was vor.« Tonio stopfte die Scheine in die Taschen seines Jacketts.
»Das kannst du vergessen. Du kommst hier erst raus, wenn ich mein Geld wiederhabe«, fuhr ihn der Texaner an.
»Das muss ich leider ablehnen.«
Tonio erhob sich, und der Mann sprang wie von der Tarantel gestochen auf. Sein Gesicht lief rot an.
»Es war mir ein Vergnügen«, meinte Tonio und marschierte zur Tür.
Der Texaner schnitt ihm den Weg ab und stellte sich wie ein Türsteher davor. »Ich sagte, du kannst erst gehen, wenn ich mein Geld zurückgewonnen habe«, knurrte der Mann bedrohlich. Wäre Tonio kein Vampir mit übermenschlichen Kräften, hätte ihn das Gorillagehabe vielleicht beeindruckt.
»Ich sagte, dass ich gehen muss«, erwiderte Tonio in ebenso bedrohlichem Ton.
»Bürschchen. Ich glaube, du hast betrogen. Lass das Geld da, dann kannst du abhauen.« Der Mann packte ihn am Hemd.
»Er hat es redlich gewonnen«, meldete sich Diane zu Wort.
»Halt die Klappe, Schlampe!«, fuhr er sie an.
»Sweetheart, reg dich nicht so auf. Dein Herz«, sagte Tiffy besorgt.
Tonio könnte ihm mit Leichtigkeit jeden einzelnen Knochen im Leib brechen, aber das würde wohl die Jäger auf den Plan rufen.
Du drohst zu ersticken, befahl er stattdessen mental seinem Gegenüber. Dieser japste plötzlich wie ein Ertrinkender nach Luft. Er gab Tonio frei, taumelte durch das Zimmer und griff sich an den Hals, während sich sein Gesicht langsam blau färbte.
»Darling, was ist denn?«, fragte Tiffy besorgt.
»Was hat er?«, meldete sich Hall zu Wort.
»Wir sollten einen Krankenwagen rufen«, meinte Diane ziemlich gefasst. Geübte Pokerspieler ließen sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen.
Tonio ordnete sein Hemd, zog an den Manschetten und strich sich dann über das Jackett, während der Mann röchelnd zu Boden sank.
Atme!, befahl Tonio in Gedanken, woraufhin sein Gegenüber hustend Sauerstoff in seine Lunge zog. Er ging vor dem Texaner in die Hocke. »Ich hätte dich verrecken lassen können«, raunte er dem Mann zu. »Er wird schon wieder. Hat sich wahrscheinlich verschluckt«, sagte er laut und tätschelte die Wange des Kerls, der noch immer schwer atmete. Anschließend erhob er sich, um das Zimmer zu verlassen.
Dieses Arschloch hatte Glück, dass Tonio ein geläuterter Vampir war und Menschen nur im Notfall tötete. Er schritt den Gang entlang in Richtung Aufzüge, passierte dabei unzählige Zimmer. Nun wollte er nur noch nach Hause, sich einen Blutbeutel genehmigen und die traute Einsamkeit genießen. In der kommenden Nacht würde er einen seiner liebsten Clubs im Untergrund aufsuchen, den er einige Zeit gemieden hatte, und die heute gewonnenen Scheinchen mindestens verdreifachen. Im Club ging es wesentlich zivilisierter zu als bei diesen Hotelzimmerspielen, und die Gewinne waren höher. Denn er brauchte jeden gewonnenen Cent, da er nicht mehr an seine Konten herankam oder an die Geldreserve im Penthouse. Und gerade in diesen Zeiten konnte man niemals zu viel Geld besitzen. Vor allem, wenn man alles in bar bezahlen musste. Mit Geld kam ein Vampir heutzutage weiter als mit seinen mentalen Kräften. Viele Menschen taten fast alles für die Kohle. Wenn er genug zusammenhatte, würde er New York schweren Herzens in Richtung Europa verlassen und dort neu beginnen.
Er hatte es lange herausgezögert, da er diese Stadt liebte, doch jetzt war es an der Zeit. Zuerst hatte er noch überlegt, auf eine seiner anderen Immobilien, die er in den USA besaß, auszuweichen, doch er war zu dem Schluss gekommen, dass es besser war, für eine Weile abzuhauen. Denn die amerikanischen Jäger waren ihm einfach zu dicht auf der Spur. Sie hatten sein Penthouse gründlich durchsucht. Dies wusste er durch die integrierten Kameras, die zu seinem Leidwesen die Jäger ebenfalls entdeckt und deaktiviert hatten.
Er könnte eventuell auch ein paar der Immobilien verkaufen. Viele davon waren so gut wie nicht zurückverfolgbar, da sie über Strohmänner liefen. Die Jäger dürften davon also nichts mitbekommen haben. Doch auf der einen Seite würde es zu lange dauern, bis Geld floss, und zum anderen trennte er sich nur ungern von Immobilien. Denn die Zeit arbeitete für ihn. Wenn er in hundert Jahren wieder nach Amerika kam und diese Jägergeneration schon lange zu Staub zerfallen war, konnte er seine Wohnungen wieder nutzen. Nein, er hielt sich weiter an seinen Plan. Diesen Abend gab er sich noch, danach hieß es Goodbye.
Tonio seufzte tief.
Angel stand unter der Dusche und genoss das warme Wasser auf ihrer Haut. Der verfluchte Rücken schmerzte noch immer. Leider besaß sie keine Selbstheilungskräfte wie die Vampire. Zumindest blutete die Nase nicht mehr. Sie tippte dagegen und zischte. Verdammt, tat das weh. Müde senkte sie ihre Lider und ließ den Kampf mit dem Blutsauger in Gedanken Revue passieren. Sie hätte sich niemals das Gewehr abnehmen lassen dürfen.
Seufzend hob sie ihr Gesicht und spürte das angenehme Nass. Es ging nichts über eine heiße Dusche, um wieder in die Spur zu kommen, und am liebsten würde sie sich die nächsten Stunden im Bett verkriechen. Doch Noah hatte jetzt noch eine Nachbesprechung anberaumt, die konnte sie nicht schwänzen. Also drehte sie das Wasser ab, um sich trocken zu reiben. Das Föhnen ihrer langen Haare würde einige Zeit in Anspruch nehmen.
Ein Piepton erklang, was hieß, dass jemand vor ihrer Tür stand. Sie wickelte sich das Handtuch um den Leib, trat aus dem Bad und durchmaß ihr kleines Zimmer. Wie alle Jägerzellen hier im Bunker war der Raum eher spartanisch eingerichtet. Es gab ein Bett, einen Schrank und den Nachttisch. Dazu das winzige Bad. Aber mehr brauchte Angel auch nicht. Okay, vielleicht noch ein Fenster und eine schöne Aussicht. Doch einige Meter tief unter der Erde wäre ein Fenster eh nutzlos.
Wieder piepte es.
»Ich komm ja schon.« Angel betätigte den Öffner der Tür, und diese glitt umgehend zurück.
Sam lächelte honigsüß und sah trotzdem oder gerade deshalb ein wenig beängstigend aus.
»Was willst du …?«
»Wenn der Prophet nicht zum Berg … Bla, bla, bla.« Sam schob sie energisch zur Seite, betrat das Zimmer und stellte die Arzttasche auf dem Bett ab. »Du hättest zu mir auf die Krankenstation kommen sollen.«
Die zierliche Inderin verschränkte die Arme vor der Brust, während die Tür wieder zuglitt.
»Mir fehlt nichts«, brummte Angel.
»Das hast nicht du zu entscheiden. Komm zu mir und löse das Handtuch«, befahl Sam streng, woraufhin Angel grinste.
»Jetzt noch eine Peitsche und enges Leder …«
»Wird’s bald?«, bellte Sam ungeduldig.
Angel kam ihrer Aufforderung nach, denn die Ärztin zeichnete sich zwar meist durch ein sonniges Gemüt aus, aber zu sehr reizen sollte man sie nicht, vor allem nicht, wenn sie Nachtschicht hatte.
Sie ließ das Handtuch zu Boden fallen.
»Ihr Jäger seid echt wie kleine Kinder. Auf der Krankenstation ist es ruhig. Ich könnte jetzt im Bett liegen, das im Bereitschaftszimmer steht, und eine Mütze voll Schlaf kriegen«, schimpfte die Ärztin, die zuerst ihre Vorderseite untersuchte. »Jetzt umdrehen«, meinte Sam streng, und Angel gehorchte. »Was haben wir denn da?« Sie drückte auf ihrem lädierten Rücken herum.
Mehrmals musste Angel die Luft anhalten, um nicht vor Schmerz aufzukeuchen.
»Es ist nur geprellt. Das wird dauern, bis dieser mächtige Bluterguss verschwunden ist«, stellte Sam fest.
»Na, zum Glück trage ich nicht gern rückenfrei«, erwiderte Angel amüsiert und sog sogleich wieder Luft ein, denn die Stelle, die Sam mit ihren Fingern gerade bearbeitete, war ziemlich empfindlich.
»Jetzt dreh dich zu mir, ich schau mir noch dein Gesicht an. Deine Nase soll geblutet haben«, forderte Sam sie auf und drückte auf besagter Nase herum.
»Aua«, blaffte Angel.
»Sei nicht so zimperlich. Sie ist nicht gebrochen«, gab Sam zurück.
»Ich sagte dir doch, dass mir nichts fehlt.«
»Studiere Medizin und mach den Abschluss, dann kannst du dir deine Dienstfähigkeit in Zukunft selbst bescheinigen. Bis dahin brauchst du das Go von mir. Das nächste Mal, wenn du im Einsatz verletzt wirst, will ich dich gleich nach deiner Rückkehr auf der Krankenstation sehen. Nun guck wieder zur Tür. Ich mach noch eine Salbe auf deinen Rücken«, sagte sie im Befehlston, woraufhin Angel sich umdrehte.
Sie hörte, wie Sam die Tasche öffnete und etwas herausholte. Dann rieb sie mit der Hand zart über ihre Haut. »Als sie sagten, der Vampir habe dich verletzt, habe ich mir echt Sorgen gemacht«, meinte Sam in einem sanfteren Ton.
»Du weißt doch: Was einen nicht umbringt, macht einen nur härter«, scherzte Angel.
»Das ist nicht lustig. Jedes Mal, wenn du da hinausgehst, um diese Kreaturen zu jagen, habe ich eine Scheißangst davor, eines Tages deine Leiche obduzieren zu müssen. Du bist meine beste Freundin, ich möchte mir nicht vorstellen, wie es hier ohne dich wäre«, erwiderte Sam, und Angel drehte sich zu ihr. Ihre Blicke trafen sich.
Angel streckte die Hand aus und fuhr tröstend über ihre Wange. Sams Sorge rührte sie.
»So schnell wirst du mich nicht los. Wer würde denn sonst mit dir um die Häuser ziehen?«
Eine halbe Stunde später folgte Angel dem Gang, der auch ein Krankenhausflur hätte sein können, in Richtung Zentrale. Na ja, eventuell passte der polierte Granitboden nicht ganz ins Krankenhausbild. Sie hatte sich wieder in ihre Kampfmontur geworfen. Der Bunker lag einige Stockwerke tief unter einer Kirche, die dem Mönchsorden gehörte, für den die Jäger arbeiteten. Früher einmal waren die Jäger Ordensritter gewesen. Heutzutage wurden die Regeln etwas großzügiger ausgelegt, um die Jäger bei Laune zu halten.
Angel erreichte die Tür, hinter der das Großraumbüro lag. Ein Wirrwarr von Stimmen empfing sie. Bereits zu dieser frühen Stunde saßen Mönche und auch Menschen in Zivil an ihren kleinen, durch halbhohe Wände abgetrennten Schreibtischen. Sie nahmen Notrufe entgegen, durchforsteten das Internet, um seltsame Todesfälle aufzuspüren, in denen blutleere Leichen im Mittelpunkt standen, und recherchierten für die Jäger, die sich gerade im Einsatz befanden. Die Frühschicht hatte begonnen, und Angel vermisste die Ruhe der menschenleeren Flure.
Steriles Weiß war hier wie im gesamten Bunker die dominierende Farbe. Kaltes, in die Decke integriertes Licht beleuchtete die Szenerie. Ein breiter Weg führte von der Tür direkt zum Aufzug gegenüber. Angel bog ab und schritt an den Einzelbüros entlang. Ihr Blick fiel auf Zoey, die gerade via Headset telefonierte. Sie trat zu ihrem Schreibtisch, der wie alle anderen von brusthohen Wänden umrahmt wurde.
»Einen Moment, bitte.« Zoey nahm das Headset ab.
»Wie ist die Stimmung?«, erkundigte sich Angel.
»Die anderen sind schon da, und es herrscht dicke Luft«, warnte Anja sie. »Wie geht es dir? Ich hörte, du wurdest während der Mission verletzt?« Sorge lag in Anjas Blick.
»Es ist nur ein riesiger Bluterguss am Rücken. Nichts Dramatisches.«
»Der Innendienst hat auch was für sich. Man kann weiterhin rückenfrei tragen«, gab Anja mit einem Augenzwinkern zurück.
»Hier den ganzen Tag im Bunker sitzen? Das wäre nichts für mich. Wie du weißt, brauche ich die Action. Apropos Action, wir sollten mit Sam unbedingt mal wieder einen draufmachen.« Angels Blick traf auf den ihres Gegenübers.
»Ja, ich weiß, dass du ein Adrenalin-Junkie bist.« Anja seufzte theatralisch, dann hellte sich ihre Miene auf. »Unbedingt sollten wir mal wieder feiern gehen. Du bist dauernd im Einsatz, und Sam habe ich in letzter Zeit auch so gut wie nicht gesehen«, beschwerte sie sich. Etwas hinter Angel zog Anjas Aufmerksamkeit auf sich. »Noah winkt ständig und sieht nicht gerade erfreut aus, um es nett auszudrücken. Ich glaube, du solltest reingehen.« Sie schaute wieder zu Angel.
»Dann wollen wir mal herausfinden, welche Laus ihm über die Leber gelaufen ist. Wir sehen uns«, sagte Angel noch, dann steuerte sie Noahs Büro an.
Sie blieb an der Glastür stehen, atmete durch. Ihr Teamleiter sowie Collin und Ryan waren, wie von Anja erwähnt, bereits da. Genau genommen war das früher Dannys Büro gewesen, doch jetzt hatte es Noah übernommen, da Danny … Angel verdrängte den Gedanken so schnell, wie er gekommen war, und schluckte auch das Gefühl, dass es falsch gewesen war, Dannys Büro so schnell einem anderen zuzuweisen, hinunter. Noah hatte den alten Mahagonischreibtisch und die braune Ledercouch behalten. Was es für Angel noch unangenehmer machte.
Der Teamleiter winkte sie herein.
Nachdem Angel noch mal tief durchgeatmet hatte, öffnete sie die Tür. Es roch hier sogar noch nach Danny. Vielleicht auch deshalb, weil er vor wenigen Wochen noch in dem Stuhl hinter dem Schreibtisch gesessen hatte, in dem sich jetzt Noah breitmachte.
»Na, dann sind wir ja endlich alle da«, stellte Noah fest.
Collin und Ryan saßen auf der Couch.
»Hier zwischen uns ist noch Platz«, meinte Collin.
»Nein, schon gut, ich stehe lieber.« Angel stellte sich an die Wand gegenüber dem Schreibtisch. Ihr Blick fiel auf den Briefbeschwerer in Form der New Yorker Skyline. Auch diesen hatte Noah behalten. Der räusperte sich laut und lehnte sich auf dem Stuhl zurück, während seine eisblauen Augen sie musterten.
»Sam meinte, du seist einsatzfähig«, begann er. »Vielleicht solltest du dich trotzdem ein paar Tage ausruhen.« Noahs Blick begegnete Angels.
»Ich brauche keine Pause«, brauste sie auf, und ein Grinsen umspielte Noahs Lippen.
»Ich hatte nichts anderes erwartet«, sagte er. »Nun, dann lasst uns über den Einsatz sprechen.«
»Hätten wir das nicht auch am Vormittag machen können? Wie spät ist es jetzt? Bald sieben Uhr morgens? Ein wenig Schlaf wäre nicht schlecht.« Collin hob die dunklen Brauen.
»Was du heute gleich kannst besorgen, das verschiebe nicht … und so weiter.« Noah stand auf und umrundete den Schreibtisch. »Fakt ist: Der Einsatz ist alles andere als gut verlaufen.« Vor Angel blieb er stehen. »Wie konnte der Vampir dich so zurichten? Sam berichtete mir von deinen Verletzungen. Zum Glück ist nichts gebrochen. Mit einem gezielten Schuss wäre alles schnell vorbei gewesen, ohne blaue Flecken. Der Kerl war als Vampir noch sehr unerfahren. Daher hat er auch seine Spuren nicht verschleiert«, meinte er.
»Der Bastard war verdammt schnell, und ich habe ihn verfehlt, dann gelang es ihm, mir das Gewehr zu entreißen«, erwiderte sie.
»Er hat dich entwaffnet? Bist du eine blutige Anfängerin?« Noah hob die Brauen und wartete auf eine Antwort.
»Nein«, gab Angel zähneknirschend zurück.
»Die Kreaturen sind uns in Stärke und Schnelligkeit überlegen. Der kleinste Fehler kann unseren Tod bedeuten. Du hast Glück, dass du noch atmest. Vielleicht solltest du den Schießstand aufsuchen und für die nächste Begegnung mit einem Blutsauger trainieren, damit du ihn gleich zwischen den Augen triffst.« Wieder wartete er auf eine Antwort.
»Ja, Sir«, presste Angel heraus. Wie ihr der Kerl auf die Nerven ging!
Jetzt sah er zu Collin und Ryan, dann kehrte sein Blick wieder zu Angel zurück. »Nun zu einem anderen Thema«, sagte er. »Chucks Untersuchung ist abgeschlossen.« Erneut musterte ihr Anführer die Anwesenden der Reihe nach.
»Das hat ziemlich lange gedauert. Normalerweise äschern wir gefallene Jäger so schnell wie möglich ein«, meldete sich Collin zu Wort.
»Die Umstände von Chucks Tod mussten gründlich geprüft werden.«
»Welche Umstände? Ihm wurde die Kehle herausgerissen. So gehen Vampire vor, um Bisswunden zu verschleiern«, sagte Angel.
»Das tun sie in der Tat. Darum würde ein Jäger, der den Mord an einem anderen Jäger verbergen möchte, wahrscheinlich ebenso handeln«, erwiderte Noah.
»Soll heißen?«, hakte Collin nach, während Ryan unruhig neben ihm hin und her rutschte.
Ihm war die ganze Situation offensichtlich unangenehm. Kein Wunder, er war erst seit Kurzem bei der Truppe und hatte mit all dem nichts zu tun.
»Bekannt ist, dass Jaden Chuck dazu angestiftet hat, der Vampirin zur Flucht zu verhelfen. Wir konnten nämlich nachvollziehen, dass die Überwachungskameras am fraglichen Tag manipuliert worden waren. Alles weist auf Chuck hin. Er und die Vampirin flohen durch den Zugang zu den U-Bahn-Tunneln. In den Tunneln stieß Jaden, wahrscheinlich wie vorher verabredet, zu ihnen und ermordete Chuck, um ihn loszuwerden, dann setzte er die Flucht mit der Vampirin fort«, führte Noah aus.
Angel wollte ihm am liebsten die Worte Das ist doch Bullshit ins Gesicht schleudern. Doch sie presste die Lippen zusammen und schwieg. Würde sie jetzt vehement widersprechen, würde sie in Noahs Fokus gelangen. Das konnte sie keinesfalls gebrauchen. Ihr Blick glitt zu Collin, der die Stirn runzelte. Auch ihm schienen Widerworte auf der Zunge zu liegen.
»Was bedeutet, Jaden wurde exkommuniziert. Wenn von euch irgendjemand weiß, wo er sich aufhält, dann sollte er oder sie mit der Sprache rausrücken. Das ist jetzt Prio eins. Sämtliche Jäger des Landes sind auf der Suche nach ihm. Sie werden ihn finden und seiner gerechten Strafe zuführen.« Noah sah von Angel zu Collin.
»Früher hätte ich meine Hand für Jaden ins Feuer gelegt. Doch seit er diese Vampirin vögelt, weiß ich nicht mehr, was ich von ihm halten soll. Er hat sich verändert, und ich traue ihm sogar den Mord an Chuck zu. Wenn ich wüsste, wo er ist, würde ich es sagen.« Collin hielt Noahs durchdringendem Blick stand, und Angel hatte das Gefühl, ihr würde der Boden unter den Füßen weggezogen. Was zur Hölle redete Collin da? Jaden sollte Chuck ermordet haben? Waren jetzt alle irre geworden?
Noah schenkte nun ihr seine Aufmerksamkeit.
»Ich habe auch keine Ahnung, wo er ist«, sagte sie barsch und nahm Collin ins Visier, der ihrem Blick auswich. Von ihm war also keine Unterstützung für Jaden zu erwarten. Auch wenn sie diese Sache mit der Vampirin für einen Riesenfehler hielt, konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Jaden etwas mit Chucks Tod zu tun hatte.
»Vielleicht weiß der Bruder der Vampirin mehr. Sein Name ist Tonio«, meldete sich Collin zu Wort, und Angel hatte das Gefühl, ihr Herz würde einen Schlag aussetzen. Nicht nur, dass er so einen Bullshit über Jaden herausposaunte, jetzt kam er sogar noch mit so etwas.
»Kollegen haben dessen Penthouse bereits durchsucht und einen Bericht darüber erstellt. Leider war die Aktion erfolglos, denn das Vögelchen ist seit Längerem ausgeflogen. Zudem überwachen wir seine Konten«, erwiderte Noah.
»Wenn du mich fragst, hätte Danny den Blutsauger damals auf keinen Fall laufen lassen dürfen. Doch er hatte Jaden nie etwas abschlagen können, und der wiederum tat alles für diese Vampirschlampe, die um das Leben ihres Bruders gebettelt hatte.« Collin schnaubte laut. »Jeder halbwegs vernünftige Jäger weiß: Nur ein toter Vampir ist ein guter Vampir, auch wenn er noch so sehr darauf schwört, keine Menschen umzubringen. Es sind letztendlich Raubtiere, getrieben von ihrer Gier nach Blut.«
»Wir werden den Kerl schnappen, und wenn wir von ihm alles erfahren haben, dann holen wir das nach, was Danny nicht zu tun imstande war«, meinte Noah. Er betrachtete der Reihe nach alle Anwesenden. »Gibt es noch Fragen, Anregungen oder Widersprüche?«, wollte er wissen, woraufhin es im Raum still blieb, obwohl Angel ihm gern so viel an den Kopf geworfen hätte.
Er hatte gerade die Dreistigkeit besessen, Danny als inkompetent zu bezeichnen. Erstens war Danny ein sehr fähiger Jäger und Teamleiter gewesen, zweitens trat man bei gefallenen Kameraden einfach nicht nach. Das war schäbig. Doch das behielt sie für sich, denn es war besser, nicht negativ aufzufallen.
»Dann ist die Besprechung beendet«, verkündete er, und Angel war froh, das Büro verlassen zu können.
Sie sollte ja zum Schießstand gehen, und das würde sie jetzt tun. Mit einer Knarre auf eine Zielscheibe zu feuern war genau das Richtige, um über alles nachzudenken und sich dabei abzureagieren. Damit sie nicht jemandem, wie dem Verräter Collin zum Beispiel, fürchterlich wehtat.
***
Tonio schritt auf das Brownstone House zu, in dem er ein Apartment bewohnte. Eigentlich bevorzugte er Luxusimmobilien. Aber nachdem die Jäger von seinem Penthouse erfahren hatten und er sich unter dem verlassenen Theater auch nicht mehr sicher fühlte, da er nun durch Maria auf dem Radar dieser Vampirschlächter aufgetaucht war, hatte er beschlossen, lieber unauffällig zu bleiben. In einer kleinen Zweizimmerwohnung, die inmitten einer normalen, stinklangweiligen Gegend lag, würden sie ihn nicht so schnell vermuten. Außerdem stand er sowieso kurz davor, New York zu verlassen. Also würde er das Apartment eh nicht mehr lange bewohnen, und in Europa gönnte er sich dann wieder etwas Luxuriöses.
Vielleicht in Monaco? Auf jeden Fall war das Pokergeschäft heute sehr lukrativ gewesen. Er klopfte auf seine gefüllte Jacketttasche. Es ging auf sieben Uhr zu, und er konnte die Sonne bereits spüren. Bald würden ihre Strahlen über die Dächer kriechen.
Als er die Treppe erreichte, die zur Haustür führte, hielt ein Taxi neben ihm. Mrs. Hoffman saß auf dem Rücksitz, eine nette alte Dame, die ihm gegenüber wohnte.
»Was, das kostet fünfzig Dollar? Ihr Kollege, der mich vor einer Woche zum Bahnhof gefahren hat, hat nur fünfzehn verlangt. Ich habe leider nur zwanzig«, sagte sie verzweifelt.
Durch sein übernatürliches Gehör konnte er trotz der geschlossenen Tür jedes Wort vernehmen. Dieser Taxifahrer wollte die alte Dame abzocken.
»Misses, falls Sie es nicht gemerkt haben, es ist alles teurer geworden«, blaffte der Fahrer sie an. »Zahlen Sie eben mit Kreditkarte!« Der Kerl wurde lauter.
Tonio trat neben den Wagen und öffnete die Tür. »Mrs. Hoffman, gibt’s Probleme?«
»Der Mann verlangt für die Fahrt vom Bahnhof hierher fünfzig Dollar. Mehr als dreimal so viel, wie es sonst kostet.«
»Die alte Wachtel will nicht zahlen. Wenn sie die Kohle nicht abdrückt, kriegt sie ihren Koffer nicht«, sagte der Fahrer barsch, und er hatte Glück, dass Mrs. Hoffman hier war, denn Tonio war versucht, für diesen Bastard von seiner Ich-töte-keine-Menschen-Regel eine Ausnahme zu machen. Doch dann kam ihm eine bessere Idee.
Die Fahrt ist für sie kostenlos, pflanzte er dem Mann in den Kopf.
»Oh, Misses, ich sehe gerade, dass Sie gar nichts bezahlen müssen«, meinte der Mann nachdenklich.
»Wirklich?« Mrs. Hoffman sah ungläubig zu Tonio, der ihr seine Hand hinhielt, während der Fahrer ausstieg. Sie roch nach Veilchen, wie sie es immer tat. Das Haar trug sie akkurat hochgesteckt, und sie war stets elegant gekleidet, obwohl ihr Kaschmirmantel schon sehr abgetragen wirkte.
»Kommen Sie.«
Die alte Dame nahm die Handtasche, ergriff die dargebotene Hand, und Tonio half ihr aus dem Wagen. Der Fahrer holte das Gepäck aus dem Kofferraum und blickte Tonio irritiert an, als könnte er sich selbst nicht verstehen. Tja, man sollte alte Damen, die unter dem Schutz eines Vampirs standen, nicht abzocken. Mrs. Hoffman wollte den Koffer ergreifen, den der Fahrer ausgeladen hatte, doch Tonio kam ihr zuvor.
»Ich mach das schon.«
»Sie sind so freundlich, Tonio. Warum hat so ein zuvorkommender und eleganter Mann, wie Sie es sind, keine hübsche Frau?«, fragte sie, als sie nebeneinander zur Treppe liefen.
Hinter ihnen knallten Türen, dann rauschte das Taxi davon.
»Ein wenig erinnern Sie mich an die großen Stars des alten Hollywoods, wie Gary Grant oder Rock Hudson. Ich bin als junges Mädchen so gern ins Kino gegangen.« Mrs. Hoffman seufzte.
»Im Moment gibt es für eine Frau keinen Platz in meinem Leben«, erwiderte Tonio, während sie beide die Treppe nahmen. Aber einst hatte es in seinem Leben einen Platz für eine wunderbare Frau gegeben. Tonio spürte diesen tiefen Schmerz, wie immer, wenn er an Veronica dachte. Niemals wieder würde er jemanden so sehr lieben können.
»Sie kennen wahrscheinlich Gary Grant und Rock Hudson gar nicht mehr, mein Junge. Dazu sind Sie viel zu jung«, holte Mrs. Hoffman ihn aus seinen Gedanken.
»Ich bin älter, als ich aussehe«, gab Tonio zurück.
Sie erreichten die Haustür. Mrs. Hoffman zog die Schlüssel aus ihrer Tasche und schloss auf. Das Licht sprang automatisch an.
»Wenn ich ehrlich bin, erinnern Sie mich auch sehr an den seligen Mr. Hoffman. Mein Herbert war ein äußerst eleganter Mann, trug auch gern Anzüge, und ich war ebenso nicht zu verachten.« Die alte Frau kicherte.
»Sie sind noch immer sehr attraktiv«, sagte Tonio.
»Machen Sie sich nicht über mich lustig«, meinte sie streng, während Tonio hinter ihr den ersten Stock erreichte.
»Das würde ich niemals tun.«
Jetzt standen sie vor Mrs. Hoffmans Tür.
»Wenn ich meine Joani ansehe, bilde ich mir ein, mein junges Ich in ihr zu erkennen. Joani ist meine Tochter, wissen Sie. Sie lebt mit ihrem Mann Steven und meinem kleinen Enkel Max in Pittsburgh. Dort arbeitet sie als Ärztin«, erklärte Mrs. Hoffman, während sie ihre Wohnungstür aufsperrte. »Ich habe sie für ein paar Tage besucht.«
Die Frau schritt in ihre Wohnung, und Tonio folgte ihr mit dem Koffer, den er neben eine kleine antike Kommode stellte.
»Ich habe den Nachtzug genommen, denn ich fliege nicht gern. Mir wird da immer fürchterlich schlecht. Doch die lange Fahrt wird mir langsam zu beschwerlich, und dabei fahre ich doch so gern mit der Bahn. Mein Herbert und ich sind früher oft Zug gefahren«, erzählte sie weiter.
Tonios Blick glitt über das berüschte Blümchensofa.
»Joani möchte, dass ich zu ihr nach Pittsburgh ziehe. Aber ich kann Mr. Hoffman hier doch nicht allein zurücklassen. Er ist hier begraben.« Sie stellte die Handtasche auf den Couchtisch, legte die Schlüssel daneben und wandte sich Tonio zu.
Seine Augen wanderten über die Bilder auf der Kommode. Ein schwarz-weißes zeigte eine junge, sehr elegante Dame.
Mrs. Hoffman gesellte sich zu ihm. »Das bin ich mit zwanzig«, sagte sie stolz.
Auf dem gerahmten Foto daneben war sie mit einem Mann zu sehen, der den Arm um sie gelegt hatte, höchstwahrscheinlich Mr. Herbert Hoffman. Sie sah darauf nur ein wenig jünger als heute aus und wirkte sehr glücklich. Es musste vor ein paar Jahren aufgenommen worden sein.
»Und hier ist mein Mann. Sieht er nicht wie Gary Grant aus?« Sie seufzte leise und deutete auf ein leicht vergilbtes Foto in einem silbernen Bilderrahmen. Der Mann im Anzug war die jüngere Ausgabe des Kerls, der auf dem anderen Bild den Arm um sie gelegt hatte. »Da haben wir Joani, Steven und Max.« Sie nahm das besagte Foto.
Die junge Frau, die das Baby im Arm hielt, erinnerte Tonio mit ihren warmen braunen Augen und dem dunklen Haar an Veronica, und er hatte das Gefühl, sein Herz würde in kleine Stücke geschnitten werden. Ein Mann, der stolzer nicht sein könnte, hatte den Arm um sie gelegt. Es war Tonio nie vergönnt gewesen, Vater zu werden. Schlimmer, er hatte …
Diesen Gedanken wollte Tonio nicht zu Ende bringen. Die Erinnerung an längst vergangene Zeiten rief die Bestie in ihm auf den Plan. Verflucht, schon zu lange hatte er kein frisches Blut mehr zu sich genommen, und Mrs. Hoffmans roch so verflucht appetitlich.
»Ich muss jetzt wirklich nach Hause«, meinte er rau, hatte Mühe, seine Stimme unter Kontrolle zu halten. Denn wenn die Bestie die Oberhand gewann, klang er nicht mehr menschlich.
Mrs. Hoffmans Herz schlug gleichmäßig und ruhig in ihrer Brust. Sie war völlig arglos, vertraute ihm, zum Teufel, denn sie wusste gar nicht, in welcher Gefahr sie sich in diesem Augenblick befand. Mit jedem Schlag pumpte das Herz ihren süßen Lebenssaft durch die Adern.
»Tut mir leid, ich muss jetzt gehen«, murmelte er und verließ die ältere Dame fluchtartig.
Während er zu seiner Wohnung eilte, holte er den Schlüssel aus der Jacketttasche und schloss auf. Hastig machte er die Tür hinter sich zu und lehnte sich dagegen. Noch immer vernahm er Mrs. Hoffmans Herz, das ihn zu rufen schien wie Sirenen die Seefahrer. Oh Mann, er hatte viel zu lange nichts mehr getrunken.
Tonio hörte seine Nachbarin nebenan herumhantieren, und er senkte die Lider. In seiner Brust war nur Stille, kein Leben. Ihm kamen die Bilder auf deren Kommode in den Sinn. Sie war mit ihrem Mann alt geworden, hatte eine Tochter bekommen, und nun war da der kleine Enkel. Ein Leben, das er für sich und Veronica auch so unglaublich gern gehabt hätte. Es war sein größter Wunsch gewesen, ein kleines Wesen in den Armen zu halten, in dem er sich wiedererkannte, und es schmerzte ihn, wenn er nur daran dachte, wie nahe er der Erfüllung dieses Wunsches gewesen war. Schon lange hatte er die Erinnerungen an die Nacht im ländlichen Anwesen seiner Familie nicht mehr zugelassen, aber jetzt prasselten sie regelrecht auf ihn ein. Schreie, Blut und Tod.
Außer Angel befand sich niemand am Schießstand. Sie zielte mit ihrem Automatikgewehr auf den Schattenumriss, der gute Hundert Schritte von ihr entfernt hing, und drückte ab. Durch die Ohrschützer nahm sie den Knall nur gedämpft wahr. Wieder und wieder feuerte sie auf den Schattenmann, bis das Magazin leer war.
Anschließend deponierte sie die Waffe auf der Ablage vor sich, neben dem Karton mit Munition, als Ryan neben sie trat. Er erinnerte sie ein wenig an Chuck, denn auch er hatte etwas von einem Nerd, der sich zu den Jägern nur verirrt hatte. Was eigentlich nicht verwunderlich war, denn Ryan ersetzte Chuck als Computerspezialist der Einheit. Genau genommen war er damit ein Nerd. Angel nahm die Ohrschützer ab und legte sie neben die Waffe, dann drückte sie den Knopf, um den Schattenumriss an einem Seilzug zu sich zu bewegen.
»Respekt, alle zwischen die Augen«, stellte Ryan fest.
»Kontrollierst du mich für Noah?«, fragte sie herausfordernd, ohne ihn anzusehen.
»Nein, ich bin zwar der Neue, aber kein Verräter«, erwiderte Ryan aufgebracht, und sie wandte sich ihm zu.
»Warum bist du dann hier?«, fragte sie geradeheraus und erforschte das knabenhafte Gesicht ihres Gegenübers, in dem nur ein leichter Bartwuchs zu erkennen war. Die dunkelblonden Wellen versuchte er, durch Haarwachs zu bändigen. Er trug wie sie eine schwarze Kampfmontur.
»Du hast heute in Noahs Büro den Eindruck gemacht, als wärst du bezüglich dieses Jadens nicht seiner Meinung.«
»Hab ich das?«, erwiderte sie in einem möglichst gelangweilten Ton und wandte sich ihrer Waffe zu, um das Magazin herauszuholen. Doch in ihr machte sich Unruhe breit. Wenn schon der Neue ihre innere Abwehrhaltung mitbekommen hatte, dann auch Collin und vielleicht sogar Noah. Sie musste unbedingt unter dessen Radar fliegen.
»Ein Jäger, der es mit einer Vampirin treibt. Das ist unvorstellbar. Diese Frau soll sogar schwanger und zu einem Menschen geworden sein. Ist da was dran?«
»So sieht’s wohl aus.« Angel lud nach. Noch immer würde sie Jaden gern schütteln, bis er zur Vernunft kam. Aber er hatte sich für diese Frau entschieden.
»Wie ist das möglich?«, fragte Ryan, und Angel seufzte.
»Es hat wohl mit seinen Kräften zu tun«, erwiderte sie.
»Er wurde dieser Prozedur unterzogen, in der einem gesunden Menschen mit den richtigen genetischen Voraussetzungen ein Serum aus Vampirblut gespritzt wird. Wenn Menschen dies überleben, verfügen sie über vampirische Kräfte, sind aber keine Blutsauger. Nun … Jaden hat es überlebt.«
»Ich hörte von dieser Prozedur, habe aber noch nie einen derartig modifizierten Superjäger getroffen.« Ryan rieb nachdenklich sein Kinn. »Wie war er so?«, wollte er wissen.
»Er war ein sehr guter Jäger, tötete viele dieser Bestien.« Angel legte das Gewehr auf den Tresen.
»Glaubst du, dass er Chuck eiskalt umgebracht hat?« Ryans Blick begegnete ihrem.
»Ich weiß es nicht. Früher hätte ich ihm jederzeit mein Leben anvertraut und habe es genau genommen auch einige Male getan«, erwiderte sie vage. Vielleicht war er ja doch ein Spion.
»Mit den übernatürlichen Kräften ist er eigentlich so was wie ein Superheld. Nur ohne Cape.« Ryan grinste, wurde aber wieder ernst. »Das ist wohl auch der Grund, warum sie so aus dem Häuschen sind, weil sie eine Spur gefunden haben«, überlegte er.
»Wie meinst du das?«, fragte Angel vorsichtig.
»Als du weg warst, hat Noah zu Collin gesagt, dass die ermittelnden Jäger einige vielversprechende Fährten verfolgen, die zu ihm führen könnten. Wenn sie ihn aufgespürt haben, werden sie erst schießen und dann Fragen stellen«, erklärte er, und Angel schluckte.
»Das können sie nicht tun. Er ist noch immer ein Mensch, und wir töten keine Menschen. Jaden ist einer von uns, er hat ein Recht auf einen Prozess«, sagte sie rau.
