In der Oase - Pauline Gedge - E-Book

In der Oase E-Book

Pauline Gedge

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Beschreibung

Die Rebellion der Fürstenfamilie von Waset gegen den fremden Pharao Apophis ist gescheitert, das Haupt der Familie lebt nicht mehr: Doch sein Sohn Kamose kämpft gemeinsam mit den anderen Fürsten Ägyptens weiter und erobert fast das ganze Land am Nil. Als Kamose seine im Kampf verschleppte Schwester befreien will, muss er erkennen, dass Tani seit langem auf der Seite des Feindes steht. Auch der zweite Band von Pauline Gedges großer Trilogie «Herrscher der Zwei Länder» entführt seine Leser in eine geheimnisvolle Welt voller Leidenschaft, Verlangen und zornigen Widerstand.

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Seitenzahl: 722

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Pauline Gedge

In der Oase

Roman

Aus dem Englischen von Dorothee Asendorf

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Die Rebellion der Fürstenfamilie von Waset gegen den fremden Pharao Apophis ist gescheitert, das Haupt der Familie lebt nicht mehr: Doch sein Sohn Kamose kämpft gemeinsam mit den anderen Fürsten Ägyptens weiter und erobert fast das ganze Land am Nil. Als Kamose seine im Kampf verschleppte Schwester befreien will, muss er erkennen, dass Tani seit langem auf der Seite des Feindes steht.

 

Über Pauline Gedge

Pauline Gedge, geboren 1945 in Auckland, Neuseeland, verbrachte einen Teil ihrer Kindheit in England und lebt heute in Alberta, Kanada. Mit ihren Büchern, die in zahlreiche Sprachen übersetzt sind, gehört sie zu den erfolgreichsten Autorinnen historischer Romane.

Personen

Die Familie

Kamose Tao – Fürst von Waset

Aahotep – seine Mutter

Tetischeri – seine Großmutter

Ahmose – sein Bruder

Aahmes-nofretari – seine Schwester und Ahmoses Gemahlin

Tani – seine zweite Schwester

Ahmose-onch – Aahmes-nofretaris Sohn von ihrem ältesten Bruder und ersten Gemahl, dem verstorbenen Si-Amun

Hent-ta-Hent – Ahmoses und Aahmes-nofretaris Tochter

Diener

Achtoi – Oberster Haushofmeister

Kares – Aahoteps Haushofmeister

Uni – Tetischeris Haushofmeister

Ipi – Oberster Schreiber

Chabechnet – Oberster Herold

Dienerinnen

Isis – Tetischeris und später Aahoteps Leibdienerin

Hetepet – Aahoteps Leibdienerin

Heket – Tanis Leibdienerin

Raa – Ahmose-onchs Kinderfrau

Senehat – eine Dienerin

Verwandte und Freunde

Teti – Nomarch von Chemmenu, Aufseher und Verwalter der Entwässerungsgräben und Kanäle, verheiratet mit Aahoteps Base

Nofre-Sachuru – Tetis Gemahlin und Aahoteps Base

Ramose – ihr Sohn und Tanis Verlobter

Amunmose – Hoher Priester Amuns

Turi – Ahmoses Ringpartner

Die Fürsten

Hor-Aha – aus Wawat und Anführer der Medjai

Intef von Qebt

Iasen von Badari

Machu von Achmin

Mesehti von Djawati

Anchmahor von Aabtu

Harchuf, sein Sohn

Sobek-nacht von Mennofer

Meketra von Nefrusi

Andere Ägypter

Paheri – Bürgermeister von Necheb

Het-ui – Bürgermeister von Pi-Hathor

Baba Abana – Hüter der Schiffe

Kay Abana – sein Sohn

Setnub – Bürgermeister von Daschlut

Sarenput – stellvertretender Nomarch von Chemmenu

Die Setius

Awoserra Aqenenre Apophis – der König

Der-Falke-im-Nest Apophis – sein ältester Sohn

Kypenpen – sein jüngerer Sohn

Nehmen – Oberhofmeister des Königs

Yku-didi – sein Oberster Herold

Itju – sein Oberster Schreiber

Peremuah – Bewahrer des königlichen Siegels

Sachetsa – ein Herold

Yamusa – ein Herold

Pezedchu – ein General

Kethuna – ein General

Hat-Anath – ein weiblicher Höfling

Diese Trilogie ist Fürst Kamose gewidmet, einer der schillerndsten und verkanntesten Gestalten der ägyptischen Geschichte. Ich hoffe, dass sie ein wenig zu seiner Ehrenrettung beiträgt.

Dank

An dieser Stelle möchte ich Bernard Ramanauskas, der für mich recherchiert hat, von ganzem Herzen danken, denn ohne sein Organisationstalent und scharfes Augenmerk für Details hätte dieses Buch nicht geschrieben werden können.

Vorwort

Am Ende der zwölften Dynastie ging den Ägyptern auf, dass sie von einer fremden Macht regiert wurden, die sie Setius, «Herrscher des Hochlandes», nannten. Wir kennen sie unter dem Namen Hyksos. Ursprünglich waren sie aus einem weniger fruchtbaren Land im Osten, nämlich Rethennu, eingewandert, weil sie ihre Herden im üppigen Delta weiden wollten. Nachdem sie heimisch geworden waren, folgten die Händler, die nur zu gern an Ägyptens Reichtum teilhatten. Da sie fähige Verwaltungsbeamte waren, entmachteten sie allmählich die schwache ägyptische Regierung, bis sie zu guter Letzt ganz allein regierten. Es war eine weitgehend unblutige Invasion, die mit so subtilen Mitteln wie politischem und ökonomischem Druck geschah. Ihre Könige machten sich wenig aus dem Land an sich, plünderten es zu ihrem eigenen Nutzen aus und äfften die Sitten und Gebräuche ihrer ägyptischen Vorgänger nach. Sie waren darin so erfolgreich, dass sie das Volk größtenteils unterdrücken und einlullen konnten. Gegen Mitte der siebzehnten Dynastie hatten sie sich schon zweihundert Jahre lang fest in Ägypten eingenistet und herrschten von ihrer Hauptstadt Auaris, dem Palast am Nebenarm, aus.

Doch ein Mann im Süden Ägyptens, der von sich behauptete, von dem letzten wahren König abzustammen, rebellierte. In dem ersten Band dieser Trilogie, ‹Der fremde Pharao›, wird Seqenenre Tao vom Setiu-Herrscher Apophis gereizt und gedemütigt und wählt statt Gehorsam den Aufstand. Mit Wissen und Mitwirkung seiner Gemahlin Aahotep, seiner Mutter Tetischeri und seiner Töchter Aahmes-nofretari und Tani planen er und seine Söhne Si-Amun, Kamose und Ahmose eine Revolte und führen sie auch durch, eine Verzweiflungstat, die keinen Erfolg haben kann. Seqenenre wird von Mersu überfallen und ist danach teilweise gelähmt. Mersu ist Tetischeris verlässlicher Haushofmeister, aber er ist auch Spion im Hause Tao. Trotz seiner Verwundung zieht Seqenenre mit seinem kleinen Heer nach Norden, doch in der Schlacht gegen die Setiu-Übermacht des Königs Apophis und seinen brillanten jungen General Pezedchu wird er besiegt.

Sein ältester Sohn Si-Amun sollte nun den Titel Fürst von Waset annehmen. Doch Si-Amun, der zwei Herren dient, seinem Vater und dessen Anspruch auf den ägyptischen Thron und dem Setiu-König, ist dazu überlistet worden, Informationen über den Aufstand seines Vaters an Teti von Chemmenu, einen Verwandten seiner Mutter und Günstling von Apophis, durch den Spion Mersu weiterzugeben. In einem Anfall von Reue bringt er erst Mersu um und dann sich selbst.

Apophis glaubt, dass die Feindseligkeiten ein Ende gefunden haben, reist nach Waset und verkündet ein vernichtendes Urteil gegen die restlichen Mitglieder der Familie. Er nimmt die jüngere Tochter Tani als Geisel mit nach Auaris, damit Kamose, der nun Fürst von Waset ist, Ruhe gibt. Dieser weiß, dass er nur die Wahl hat, den Kampf um die Freiheit Ägyptens fortzuführen oder völlig zu verarmen und von seiner Familie getrennt zu werden. Er wählt die Freiheit.

Erstes Kapitel

Kamose bemühte sich bewusst um Gelassenheit, während er sich baden und anziehen ließ, stand ruhig inmitten seines ausgeräumten Schlafgemachs, als sein Leibdiener ihm einen schlichten weißen Schurz um die Mitte band und ihm einfache Sandalen anzog. Seine Kleidertruhen gähnten offen und leer, seine Kleidung war bereits auf dem Schiff verstaut. Der kleine Hausschrein mit dem Abbild Amuns thronte nun in der Kabine. Auf dem Fußboden, wo er gestanden hatte, war ein Abdruck im Staub. Seine Lampen, sein Lieblingsbecher, seine Kopfstütze aus Elfenbein warteten dort auch schon auf ihn. Den Großteil seines Schmucks besaß er nicht mehr, denn damit hatte er Vorräte gekauft, doch Kamose griff nach dem Pektoral, das er in Auftrag gegeben hatte, und legte es sich um den Hals. Die kühle, unpersönliche Berührung des Goldes, das sich langsam auf seiner Haut erwärmte, schien ihn mit einem Mantel göttlichen Schutzes zu umgeben, und er hob die Hand und umschloss den Gott der Ewigkeit, der unmittelbar unter seinem Brustbein ruhte, eine Geste, die ihm bereits zur Gewohnheit wurde. «Schick mir Uni», befahl er dem Diener, der jetzt seine Augen fertig geschminkt hatte und den Kosmetikkasten zuklappte, ehe auch der fortgetragen wurde. «Gib mir das Kopftuch. Ich binde es mir selbst um.» Der Mann reichte ihm die Kopfbedeckung und entfernte sich unter Verbeugungen rückwärts.

Kamose brauchte keinen Spiegel, um sich das weiße Leder um die Stirn zu binden. Die Enden stießen auf seinen Schultern auf, die Kante lag angenehm und vertraut quer über seiner Stirn. Er schob sich die Armreife des Befehlshabers über die Handgelenke und legte sich den Gurt, an dem sein Schwert und sein Dolch hingen, um die Mitte. Das alles hatte er schon unzählige Male getan, doch heute, so dachte er grimmig, kommt es mir vor, als wäre es das erste Mal. Heute sind sie Kriegsausrüstung und bedeutungsschwanger. Er schenkte Uni ein knappes Lächeln, als der Haushofmeister eintrat und sich verbeugte. «Ich nehme natürlich Achtoi mit», sagte Kamose. «Daher bist du jetzt der dienstälteste Haushofmeister. Es ist deine Pflicht, im Haus für Ordnung zu sorgen, Uni, und dich zugleich um die Bedürfnisse meiner Großmutter zu kümmern. Du kennst die Anweisungen, die ich ihr und meiner Mutter hinsichtlich der Aussaat in der gesamten Nomarche, der Überwachung des Flusses und der regelmäßigen Berichte gegeben habe, die mir nachgeschickt werden sollen. Von dir verlange ich auch Berichte. Nein», sagte er ungeduldig, als er sah, wie sich Unis Miene veränderte. «Ich bitte dich nicht um vertrauliche Informationen, wie sie kein treuer Haushofmeister weitergeben würde. Berichte mir, wie es den Frauen geht, wie ihre Stimmung ist, wie sie mit den Schwierigkeiten der Verwaltung fertig werden, die mit Sicherheit auf sie zukommen. Sie werden mir fehlen», schloss er leise. «Ich habe jetzt schon Heimweh. Mit Hilfe deiner Worte möchte ich sie vor mir sehen.» Uni nickte verständnisinnig.

«Majestät, ich verstehe und werde deinen Wunsch erfüllen. Aber falls es zu einem Widerstreit kommt zwischen dem, was du wissen möchtest, und dem, was meine Herrin geheim halten möchte, kann ich dir nicht gehorchen.»

«Gewiss doch. Erzähle Tetischeri von meiner Bitte. Und sei bedankt.» Uni räusperte sich.

«Ich bete für einen vollkommenen Erfolg deines Vorhabens, dass du, Göttlicher, den Kampf deines seligen Vaters fortsetzen und Ägypten vom Joch seiner Unterdrücker befreien kannst», sagte er, «und schnell in den Frieden dieses wunderbaren Fleckchens zurückkehrst.»

«Der Himmel möge es geben.» Kamose entließ den Mann, folgte ihm auf den Flur, durchquerte gemessenen Schrittes den menschenleeren Empfangssaal und trat hinaus in das neue Licht des frühen Morgens.

Man wartete bereits auf ihn, alles drängte sich am Rand der Bootstreppe in dem Schatten, den das dort vertäute Binsenschiff warf, sein Schiff, auf dem hektische Betriebsamkeit herrschte wie immer, wenn viel zu tun und die Zeit knapp war. Rechts und links davon dümpelten die anderen Schiffe sacht am Nilufer, in ihrem Inneren ging es genauso aufgeregt zu, und in der reglosen Luft der Morgendämmerung hing überall der süßliche, leicht ranzige Geruch von den gebündelten Binsen, aus denen sie gefertigt waren. Hinter der Familie, längs des Flusspfades, stellten sich die Rekruten in Staubwolken und unter Stimmengewirr, in das sich das Gewieher der Packesel und die scharfen Befehle der gereizten Hauptleute mischten, in Marschordnung auf. Doch rings um die ernste kleine Gruppe herrschte Schweigen.

Kamose näherte sich rasch, und sie blickten ihn gemessen an, die Mienen halb beklommen, halb bedenklich, so wie auch ihm zumute war. Nur Ahmose-onch plärrte und quengelte in den Armen seiner Kinderfrau, er hatte Hunger und langweilte sich. Es gab Kamose einen Stich ins Herz, als er sah, dass sich die Frauen so sorgfältig herausgeputzt hatten, als wären sie zu einem königlichen Fest geladen. Ihr golddurchwirktes, halb durchsichtiges Leinen, die dicke Schminke und die geölten Perücken hätten eigentlich für diese frühe Stunde überladen und unpassend wirken müssen, doch stattdessen diente der Putz dazu, sie von dem Staub und Lärm abzusondern, von den dräuenden Rümpfen der Schiffe und dem noch dunklen Wasser, das unweit plätscherte, er enthob sie diesem Augenblick und diesen Umständen und stellte sie auf eine andere, geheimnisvolle Ebene. Kamose wurde unwillkürlich daran erinnert, wie sie sich vor der gemeinsamen Bestattung seines Vaters Seqenenre und seines Zwillingsbruders Si-Amun eingefunden hatten, die auf unterschiedliche Art bei dieser furchtbaren Auseinandersetzung ums Leben gekommen waren. Seqenenre war zunächst von einem gemeinen Mörder angegriffen und später in jener ersten, verlorenen Schlacht erschlagen worden, während sich Si-Amun entleibt hatte, weil er die Pläne seines Vaters an den Feind verraten hatte. Heute umgab sie die gleiche Aura stummer Ergebung in das Schicksal und schien auch ihn einzuhüllen, als er näher kam und stehen blieb.

Eine geraume Weile blickten sie ihn nur an, und er musterte sie seinerseits. Es gab viel und wiederum gar nichts zu sagen, sodass jedes Wort nur abgedroschen klingen konnte. Dennoch erfüllten die Gefühle jedes Einzelnen, Liebe, Angst, Trennungsschmerz, den Raum zwischen ihnen. Und nun fielen sie sich in die Arme, senkten den Kopf und wiegten sich langsam, als wären auch sie ein ägyptisches Schiff, das auf unbekannten Fluten dahintrieb. Als sie sich losließen, standen Aahmes-nofretaris Augen voller Tränen und ihr hennaroter Mund bebte. «Der Hohe Priester ist unterwegs», sagte sie. «Er hat eine Botschaft geschickt. Der Bulle, der für das Morgenopfer ausgewählt war, ist vergangene Nacht gestorben, und er hat sich gedacht, dass du keinen anderen aussuchen möchtest. Ein unheilvolles Vorzeichen.» Panik durchzuckte Kamose, und er wehrte sich auch nicht gegen diesen jähen Schmerz.

«Für Apophis, nicht für uns», hielt er fest dagegen. «Der Thronräuber hat sich den Titel der Könige, Starker Stier der Maat, angeeignet, und wenn wir heute einen Bullen geschlachtet hätten, wäre nicht nur Amun auf unserer Seite gewesen, sondern wir hätten auch den ersten Zug zur Zerstörung der Setiu-Macht getan. Nun ist er ohne unser Zutun gestorben. Wir müssen ihm also nicht hier auf der Bootstreppe die Kehle durchschneiden. Aahmes-nofretari, das Vorzeichen ist gut.»

«Dennoch, Kamose», fiel ihm Tetischeri schroff ins Wort, «musst du dafür sorgen, dass die Soldaten nichts davon hören. Das sind schlichte Gemüter, die können nicht so kunstvoll auslegen wie du, für die bedeutet es kommendes Unheil. Sowie du fort bist, werde ich die Überreste des Tieres höchstpersönlich überprüfen und sie verbrennen lassen, damit sein Tod keine unheilvollen Auswirkungen hat. Vergiss den Falken nicht, Aahmes-nofretari, und bemühe dich, nicht bei jedem Vorzeichen zu erschrecken und zu zittern, sonst kommt es noch so weit, dass du im Bodensatz deines Weins böse Vorzeichen und in den Staubflocken unter deinem Lager Katastrophen siehst.» Ihre harten Worte wurden durch ihr Lächeln Lügen gestraft.

«Ihr glaubt alle, dass ich nicht stark sein kann», sagte die junge Frau, «aber ihr täuscht euch. Ich vergesse den Falken schon nicht, Großmutter. Mein Gemahl wird eines Tages König sein und ich Königin. Ich erschrecke und zittere um Kamose, nicht um Ahmose und mich, und das weiß er. Ich liebe ihn. Wie könnte ich wohl keine Angst haben und nach Zeichen Ausschau halten, die auf Sieg oder Niederlage hindeuten? Ich sage nur laut, was ihr alle im tiefsten Herzensgrund denkt.» Sie reckte das Kinn und wandte sich an Kamose.

«Ich bin kein Kind mehr, lieber Bruder», sagte sie trotzig. «Beweise, dass die Zeichen Unrecht haben. Mach Gebrauch von der geheiligten Macht eines Königs, vor der alle bösen Zeichen zunichte werden.» Er fand keine Antwort, weder auf ihre machtvollen Worte noch auf ihre angstvolle Miene. Er bückte sich, küsste sie und wandte sich seiner Mutter zu. Aahotep war unter ihrer Schminke blass.

«Ich bin eine Tochter des Mondes», sagte sie leise, «und meine Wurzeln sind in Chemmenu, der Stadt Thots. Teti ist mein Verwandter. Das weißt du, Kamose. Falls du dich fragst, was du dort tun sollst, falls du dich davor fürchtest, Gerechtigkeit walten zu lassen, nur weil Tetis Blut auch meines ist, dann sorge dich nicht. Sollte sich die Stadt als aufsässig erweisen, säubere sie. Falls Teti gegen dich kämpft, metzele ihn nieder. Er hat Si-Amun seinem Gebieter Apophis zuliebe verdorben und verdient den Tod. Aber ehe du gegen Chemmenu oder Teti vorgehst, opfere dem Gott Thot.» Ein schmales, bitteres Lächeln huschte über ihr Gesicht. «Ich zweifle nicht daran, dass der Gott meiner Jugend voll Ungeduld auf die Säuberung wartet, die dein Schwert bringt. Dennoch bitte ich dich, habe um Tanis willen Erbarmen mit Ramose, falls es sich machen lässt. Er hat sich in unserer Sache als treu erwiesen und hat gleichzeitig versucht, Teti weiter zu gehorchen. Er ist hin und her gerissen, und das muss ihm viel Kummer bereitet haben. Es lag nicht in unserer Macht, Apophis davon abzuhalten, dass er unsere Nomarche seinem Vater versprach, sowie unsere Familie in alle Winde zerstreut gewesen wäre.» Ihr Lächeln wurde immer gequälter, doch sie bemühte sich um Fassung. «Demnächst muss die Kunde von deinem Aufstand das Delta erreichen. Was das für Tani bedeutet, die dort als Geisel gefangen gehalten wird, daran wage ich nicht zu denken. Aber wir müssen darauf vertrauen, dass Apophis nicht so dumm ist, sie hinzurichten, und dass Ramose sie noch immer liebt und versuchen wird, sie zu retten, falls man sie am Leben lässt.»

«Ich werde alles tun und dir zuliebe vernünftig mit Teti reden», antwortete Kamose mit einem Kloß im Hals. «Dennoch wissen wir beide, dass man ihm nicht trauen kann. Ich töte ihn nur, wenn er mir keine andere Wahl lässt. Was Ramose angeht, so muss er selbst wissen, wo er steht, aber es wäre mir schrecklich, wenn ich ihn umbringen müsste. Das wird für ihn keine leichte Wahl.»

«Danke, mein Sohn.» Sie drehte sich um, griff sich ihren Enkel, hob ihn hoch, nahm ihn in die Arme und drückte ihn an sich, und Kamose fühlte, wie seine Großmutter sein Handgelenk im Zangengriff packte.

«Wir beide verstehen uns gut», sagte sie mit rauer Stimme. «Keine zärtlichen Abschiedsworte können die Tatsache überdecken, dass du gen Norden ziehst und ein Blutbad in diesem Land anrichten wirst. Dein Arm wird müde, dein Ka wird krank werden. Sieh dich vor, dass es nicht stirbt. Du hast meinen Segen, Kamose Tao, König und Gott. Ich liebe dich.» Ja, dachte er, als er ihr in die klugen, klaren Augen blickte. Im Geist bin ich dein Sohn, Tetischeri. Ich teile den Stolz und die Skrupellosigkeit, die dein Rückgrat aufrecht halten und dir das Blut noch immer hitzig in den Adern rinnen lassen. Er nickte ihr knapp zu und sie trat befriedigt zurück.

Eine Bewegung und ein jähes Abschwellen des Lärms ringsum, als der Hohe Priester großen Schrittes in Sicht kam. Die Soldaten auf dem Weg machten ihm und seinen Tempeldienern Platz, verbeugten sich ehrfürchtig und umgaben ihn dann erwartungsvoll. Amunmose prangte in seiner vollen Amtstracht. Das Leopardenfell seines Opferamtes lag auf seiner weiß bekleideten Schulter, und in der Hand hielt er den Amtsstab mit der goldenen Spitze. Die jungen Priester zu seiner Seite trugen Weihrauchgefäße, und unversehens stieg der Familie, als sie sich vor ihm verneigte, der beißende Geruch von Myrrhe in die Nase. Ahmose, der bislang geschwiegen und mit seinen weißen Stiefeln breitbeinig und mit ernstem Blick unter dem Rand seines Kopftuches neben seiner Schwester-Frau gestanden hatte, flüsterte jetzt Kamose zu: «Er hat weder Blut noch Milch dabei, die er uns beim Aufbruch vor die Füße spritzen könnte.»

«Stimmt», flüsterte Kamose zurück. «Der Bulle ist gestorben und wir müssen ohne die Milch des freundlichen Empfangs an den Sohlen unserer Sandalen aufbrechen. Mehr als den Schutz Amuns brauchen wir nicht.»

«Kamose, ich habe Angst», murmelte Ahmose. «Bei so viel Planung und Vorbereitung und Reden ist mir alles unwirklich vorgekommen. Aber jetzt ist die Zeit da. Heute, an diesem Morgen, in diesem hellen Sonnenschein ziehen wir los, um Ägypten den Fremdländern zu entreißen, die uns seit Hentis besetzt halten, und bislang ist mir noch immer, als ob ich träume. Ich sollte in den Sümpfen jagen und mir Hunger für das Frühstück holen, statt als Befehlshaber gekleidet von einem Heer umgeben zu sein. Sind wir toll?»

«Falls es so ist, dann ist es die Tollheit, die auf den Ruf des Schicksals reagiert», entgegnete Kamose, übertönt von dem Eingangsgebet des Hohen Priesters. «Und zuweilen ist das kein Ruf, Ahmose. Zuweilen ist es ein harter Befehl, und wenn wir nicht gehorchen, gehen wir unter. Man hat uns in die Enge getrieben, und es hat keinen Zweck zu wünschen, wir wären in ein sichereres, weniger turbulentes Zeitalter geboren worden. Wir müssen uns vor den Göttern beweisen, hier, jetzt, an diesem Tag, in diesem Monat. Mir ist das genauso zuwider wie dir.»

«Ob man sich an uns als die Retter Ägyptens erinnert, oder werden wir besiegt und gehen im Dunkel der Geschichte unter?», murmelte Ahmose mehr zu sich selbst als zu seinem Bruder, und dann richteten sie sich beide aus ihrer Verneigung auf, während sich Amunmose zu ihnen umdrehte, seinen Amtsstab ausstreckte und die Segens- und Siegesgesänge anstimmte. Die Soldaten auf den Schiffen und auf der festgetretenen Erde lagen still auf den Knien, nachdem sich Re im Osten aus dem Griff des Horizonts befreit hatte und hoch oben im Aufwind ein Falke wie ein dunkler Fleck vor seiner heißen Pracht schwebte und ihnen zusah.

Als die Zeremonie vorbei war, dankte Kamose dem Hohen Priester, gemahnte ihn, Amun jeden Tag um Segen für das Heer anzuflehen, küsste die Mitglieder seiner Familie und wandte sich mit einem letzten Blick auf sein Haus, das sonnengebadet und beschaulich hinter Weinspalier und Palmen lag, zum Laufsteg seines Schiffes. Ahmose folgte ihm. Doch ehe Kamose hinaufgehen konnte, verspürte er etwas Kaltes an seinem Schenkel. Er blickte nach unten und Behek in die flehenden Augen. Der Hund hatte sich an Ahmose vorbeigeschoben und wartete auf die Erlaubnis, vor ihm an Bord zu hüpfen. Kamose empfand ein jähes Bedauern, er hockte sich hin, nahm den großen, weichen Kopf in die Hände und liebkoste die warmen Ohren. Seit Seqenenres Tod hatte Behek seine schlichte Zuneigung auf Kamose übertragen, tapste hinter ihm her, wohin er auch ging, und schlief am Ende des Flurs zu den Männergemächern, wo auch Kamoses Zimmer lag. Kamose hatte das verstanden, denn er teilte die Einsamkeit des Tieres. Jetzt begegnete er dem vertrauensvollen Blick und schüttelte leicht den Kopf. «Du kannst nicht mit, alter Freund», sagte er bekümmert. «Du musst hier bleiben und auf den Rest der Familie aufpassen. Das beengte Schiff ist nichts für dich.» Er gab dem Hund einen Kuss auf die breite Stirn, stand auf und zeigte auf die Bootstreppe. «Geh nach Haus, Behek», befahl er, und nach kurzem Zögern gehorchte Behek bekümmert und entfernte sich mit eingekniffenem Schwanz. Kamose ging, gefolgt von seinem Bruder, an Bord. Seine Hauptleute verbeugten sich, und auf seinen Wink hin brüllte Hor-Aha den Befehl, die Laufplanken einzuholen und abzulegen. Befreit von seiner Vertäuung, legte das Schiff schwerfällig von der Bootstreppe ab. Der Steuermann packte das Ruder mit beiden Händen. Kamose und Ahmose gingen ins Heck, wo ihnen die Binsen bis zur Hüfte reichten. Die anderen Schiffe folgten bereits dem ersten und versuchten, die Mitte des Stroms zu erreichen; sie hatten den Bug nach Norden gerichtet.

Ahmose blickte hoch und Kamose, der seinem Blick folgte, sah, wie die auffrischende Morgenbrise die am Mast befestigte Fahne hob und sie mit einem Knall öffnete, sodass die Farben des königlichen Ägypten, Weiß und Blau, enthüllt wurden. Kamose erschrak und blickte seinen Bruder fragend an. Ahmose lächelte und hob die Schultern. «Keiner von uns hat an diese Kleinigkeit gedacht», sagte er. «Jede Wette, dass das Großmutters Werk ist.» Kamoses Blick wanderte zum Ufer. Der Abstand zwischen dem Deck, auf dem er stand, und den warmen Steinen, auf denen sich seine Familie zusammendrängte, war bereits größer geworden, zwischen ihnen wellte sich glitzerndes Wasser. Sie sahen so klein aus, wie sie da standen, so wehrlos und verletzlich, und Mitleid mit ihnen, mit sich selbst und mit dem Land, das er in einen Krieg stürzen musste, schnürte ihm das Herz zusammen.

Dann sah er, wie sich Tetischeri von den anderen absonderte und die geballte Faust hob. Sonnenschein funkelte auf ihren silbernen Armbändern. Die Geste strahlte so viel Trotz und Überheblichkeit aus, dass sich die mitleidigen Gefühle verflüchtigten. Als Antwort hob Kamose seinerseits die geballten Fäuste und fing an zu lachen, und dann glitt sein Heim außer Sichtweite.

«Ich bin hungrig», sagte er zu Ahmose. «Lass uns in die Kabine gehen und speisen. Bis Qebt kann uns wenig passieren, wir fahren fast den ganzen Tag durch unsere Nomarche. Hor-Aha! Leiste uns Gesellschaft!» Das ist der Anfang, jubilierte er innerlich. Die Würfel sind gefallen. Ahmose tastete nach dem Wurfstock, der an seinem Gurt hing.

«Den musste ich einfach mitnehmen», sagte er abbittend, als ihn Kamose überrascht ansah. «Vielleicht ergibt sich ja Gelegenheit zum Jagen, wer weiß? Aber ohne Turi ist es natürlich nicht das Gleiche.»

«Nein, gewiss nicht», antwortete Kamose. «Du und Turi, ihr habt von Kindesbeinen an zusammen gejagt. Hoffentlich hast du mir verziehen, dass ich ihn und seine Familie nach Süden schicken und außer Gefahr bringen musste. Die besonderen Fähigkeiten seines Vaters, der sich hervorragend mit der Errichtung von Festungen aus Stein auskennt, sind dieser Tage rar und könnten mir später nützlich werden. Diese Künste sind seit Hentis nicht mehr gefragt, obwohl das Wissen von Turis Vorfahren weitergereicht wurde.» Ahmose nickte zustimmend.

«Turis Vater ist es völlig zufrieden gewesen, Bootstreppen zu bauen», versicherte er Kamose. «Er hat keine Achtung vor den Setius, die nichts von Stein halten und ihre Garnisonen aus Lehmziegeln bauen. Sie interessieren sich überhaupt nicht für Steinmonumente und sind unter einer dünnen Schicht von Prunkentfaltung immer noch richtige Wilde.»

«Dennoch», sagte Kamose grimmig, «sollen die Mauern der Setiu-Festungen sehr hoch und unnachgiebig wie Fels sein. Wir werden ja sehen. Gibt es frisches Brot?», fragte er den geduldigen Diener. «Und ein wenig Käse? Gut. Dann wollen wir speisen.»

Am frühen Nachmittag erreichte die Flotte Qebt, und binnen kurzer Zeit nach ihrer Ankunft stellte sich Fürst Intef, gefolgt von seinen Beamten, ein. Kamose beantwortete seinen Fußfall höflich und verbarg seine Erleichterung, als Intef, ihn zu Erfrischungen in sein Haus bat. Insgeheim hatte er sich gesorgt, die Fürsten, die auf seine Aufforderung hin nach Waset gereist und nur wenig begeistert heimgefahren waren, könnten in Stunden einsamer Überlegungen an ihren eigenen Fischteichen rasch anderen Sinnes geworden sein, doch da stand zumindest ein Nomarch, der den Auftrag seines Gebieters ausgeführt hatte.

Nachdem man Intefs Gemahlin und Familie begrüßt und einen Becher Wein getrunken hatte, der in dem kühlen Empfangssaal des Fürsten gereicht wurde, schickte Kamose nach dem Rekrutenschreiber, dem Armeeschreiber und Hor-Aha. Im Arbeitszimmer des Fürsten ging es dann zur Sache. «Die Division Fußsoldaten dürfte uns erst spätabends eingeholt haben», sagte er zu Intef, als sie um dessen Schreibtisch herum Platz nahmen. «Wenn deine zusätzlichen Truppen aufgelistet sind, Intef, möchte ich mit einem kleinen Boot nach Kift fahren und Min im dortigen Tempel meine Ehrerbietung erweisen. Das ist nur sieben Meilen flussabwärts gelegen, und Min ist natürlich eine Art Amun, darum muss ich ihm huldigen. Hast du einen Stellvertreter ernannt?» Intef nickte zustimmend.

«Majestät, ich bin bereit, so gut es geht», erwiderte er.

«Diese Nomarche untersteht jetzt dem fähigen stellvertretenden Gouverneur in Kift.» Er rutschte auf seinem Sitz hin und her. «Unter den Eingezogenen hat es einige Unruhe gegeben», fuhr er freimütig fort. «Es war sehr schwierig, ihnen klarzumachen, warum sie ihr Heim verlassen und gegen Männer marschieren sollen, die sie lange Zeit als ägyptische Landsleute angesehen haben. Viele haben sich gewehrt, und meine Hauptleute mussten sie fast zum Fluss schleifen. Wir hatten auch nur wenig Zeit, sie auszubilden. Du wirst feststellen, dass sie undisziplinierter Pöbel sind.»

«Ich verteile sie unter den Männern aus Waset», antwortete Hor-Aha, während Intef Kamose abbittend ansah. «Da lernen sie schnell Disziplin und die Gründe für den Krieg.» Ein kleines, betretenes Schweigen. Intefs Blick wanderte zu dem Medjai und wurde ausdruckslos.

«Kann sein, sie haben etwas gegen Befehle von Hauptleuten, die nicht aus der Nomarche Herui stammen», äußerte er vorsichtig, und Kamose bemühte sich rasch, die verschleierte Feindseligkeit zu unterbinden.

«Intef, ich fordere viel von deinen Bauern und auch von deinen treuen Hauptleuten», beschwichtigte er. «Niemand will dir den Oberbefehl nehmen. Deine Befehlshaber unterstehen dir und niemand sonst, und du darfst deine Truppen in der Schlacht einsetzen, wie du willst, jedoch unter meinem Oberbefehl. Zuweilen werden dir diese Befehle durch den Fürsten und General Hor-Aha übermittelt. Bitte verzeih mir, dass du mich daran gemahnen musstest, dass weder du noch deine Hauptleute, ganz zu schweigen von deinen Bauern, im Gegensatz zu meinem General seit vielen Jahren nicht im Feld gestanden haben.»

«Das Verjagen von kuschitischen Wilden in die verfluchte Wüste dürfte etwas ganz anderes gewesen sein als ein Feldzug gegen zivilisierte Städte», gab Intef kühl zurück und Kamose seufzte innerlich. Müssen wir bei Iasen und Anchmahor und den anderen mit der gleichen Kleinlichkeit rechnen, ehe wir die Ägypter zu einem einheitlichen Heer zusammenschweißen können?, dachte er. Hor-Aha hatte die Arme verschränkt, lehnte sich zurück und legte den Kopf schräg.

«Wir wollen doch ehrlich miteinander sein, Fürst», sagte er gelassen. «Du magst mich nicht und traust mir nur widerwillig. Ich bin ein schwarzer Mann und ein Fremdländer. Mit welchem Recht befehlige ich die Ägypter meines Gebieters? Mit welchem Recht trage ich den Titel, der mir kürzlich verliehen wurde? Aber was du von mir hältst, ist nicht wichtig. Vergiss nicht, wenn du mich schlecht machst, zweifelst du am Urteil deines Königs, denn der hat es für richtig gehalten, mich zum General zu machen und mich in den Adelsstand zu erheben. Das hat er getan, weil ich mich in jenen Wüstenscharmützeln bewährt habe, von denen du nichts weißt, und weil ich die Gabe habe, einfache Menschen befehligen zu können. Ich unterstelle mich gern deinem Befehl, falls du im Feld größere Begabungen zeigst, und ich übergebe die Befehlsgewalt, wenn es mein Gebieter so will. Bis dahin reicht es doch, dass wir für eine Sache kämpfen, an der unser beider Herz hängt, oder? Können wir nicht wie Brüder zusammenarbeiten?» Und das ist genau das Wort, an dem Intef schwer zu schlucken hat, wenn er Hor-Aha mit seiner glänzenden schwarzen Haut und seinen rauchfarbenen Augen ansieht, dachte Kamose erneut. Aber wie schlau von Hor-Aha, dass er seine Bemerkungen als Frage formuliert hat. Da muss Intef antworten.

Ehe es jedoch dazu kam, unterbrach sie Ahmose. Er hatte unruhig gelauscht, war auf seinem Stuhl hin und her gerutscht und hatte mit den Fingern geräuschlos auf den Tisch getrommelt. Jetzt stellte er beide Füße fest auf den Boden und beugte sich vor. «Sieh es einmal so, Intef», sagte er im Plauderton. «Falls wir bis Auaris gewinnen, hat dieser Medjai jedem edlen Ägypter einen großen Dienst erwiesen. Falls wir, Gott bewahre, verlieren, kannst du ihm die ganze Schuld geben, denn er hat die Strategie für Kamose und mich ausgearbeitet. Wie auch immer, die Last der Verantwortung liegt auf seinen Schultern. Möchtest du sie wirklich übernehmen?» Dieses Mal schwieg Intef fassungslos und ungläubig. Er musterte Ahmose mit steinerner Miene, und Kamose hielt den Atem an. Jetzt bist du zu weit gegangen, sagte er im Geist eindringlich zu seinem Bruder. Bist du wirklich so einfältig, lieber Ahmose, oder verstehst du dich nur besser als ich darauf, scheinbar arglos zu tun? Hor-Aha entspannte sich, seine Miene war nicht zu deuten.

Auf einmal lachte Intef schallend. «Prinz, du hast Recht», sagte er stillvergnügt, «ich bin halsstarrig und töricht und du bist klug. Aber ich würde meine Bauern gern in jeder offenen Feldschlacht führen, die Apophis vielleicht erforderlich macht.»

«Einverstanden.» Hor-Aha hütete sich zu lächeln. Er blickte noch immer ausdruckslos. «Wie viel Mann hast du zusammenbekommen?», fragte Kamose Intef.

«Aus dem Gebiet Qebt, Kift und den Aruren der Nomarche zweitausendzweihundert», antwortete Intef sofort. «Dazu habe ich die Kornspeicher für den Heeresschreiber geöffnet, bitte dich aber, Majestät, dass du dir nicht mehr nimmst, als du brauchst. Es muss noch etwas von Ägypten übrig bleiben, wenn das hier vorbei ist.» In diesem Augenblick unterbrach sie Intefs Haushofmeister, der die beiden Schreiber anmeldete, und Kamose und Ahmose erhoben sich und wollten aufbrechen. «Ich fahre jetzt weiter zum Tempel in Kift», sagte Kamose. «Hor-Aha, kümmere du dich um die Verteilung von Intefs Männern und stelle Paheri frei, damit er alle verfügbaren Schiffe requirieren kann. Je mehr Männer auf dem Fluss fahren, desto schneller kommen wir voran.»

«Das hätte eine verletzende Auseinandersetzung werden können», meinte Ahmose, als die beiden Männer aus dem Haus und in die gleißende Nachmittagssonne traten. «Vielleicht wäre es klüger, Hor-Ahas Befehlsgewalt auf die Medjai zu beschränken.»

«Ich habe nicht die Absicht, unseren Erfolg aufs Spiel zu setzen, nur um dem Selbstwertgefühl eines kleinlich gesinnten Fürsten zu schmeicheln!», fuhr Kamose ihn an. «Hor-Aha hat sich wieder und wieder sowohl als Freund wie auch als treuer Soldat für unsere Familie und damit für Ägypten selbst bewährt. Er bleibt Oberbefehlshaber unter mir, Ahmose, und daran müssen sich die Fürsten gewöhnen.»

«Kamose, ich glaube, du hast Unrecht», hielt sein Bruder ruhig dagegen. «Wenn du die Fürsten gegen dich aufbringst, kränkst du mehr als nur eine Hand voll Männer, denn du verlierst auch das Vertrauen der ihnen unterstellten Hauptleute. Die Szene, die wir gerade erlebt haben, wird sich auf dem Weg nach Norden bei Iasen und den anderen wiederholen. Hor-Aha würde es verstehen, wenn du seine Macht beschneidest, zumindest bis Ägypten uns gehört.»

«Und ich kränke keinen Freund!», gab Kamose hitzig zurück.

«Die Fürsten haben müßig in ihren kleinen Palästen herumgehockt, haben ihren Wein getrunken und vom Überschuss ihrer Nomarchen gelebt, waren zufrieden mit ihrer Namenlosigkeit, vielleicht sogar dankbar dafür, während Apophis unseren Vater verhöhnt und auf unsere Vernichtung hingearbeitet hat. Hor-Aha jedoch hat viele Male sein Leben für uns aufs Spiel gesetzt, während sie daneben gesessen und den Göttern gedankt haben, dass sie nichts damit zu tun hatten. Sie haben Glück, dass ich sie beruhige, statt sie hart zu tadeln!» Ahmose nahm seinen Arm und zwang ihn, stehen zu bleiben.

«Was ist los mit dir?», fragte er. «Wo bleibt dein gesunder Menschenverstand, Kamose? Wir brauchen die Fürsten und den guten Willen ihrer Männer. Und das weißt du. Wenn du schon Hor-Aha in seiner Stellung belassen willst, kann man damit wirklich etwas taktvoller, etwas zuvorkommender umgehen. Wieso fühlst du dich eigentlich persönlich angegriffen?» Kamose fiel etwas in sich zusammen.

«Verzeih mir», sagte er. «Vielleicht beneide ich sie darum, dass sie keine echten Sorgen haben, während mein eigener Rachedurst nicht zu stillen ist. Alles lastet auf mir. Die Maat steht und fällt mit meinen Entscheidungen, und ich verübele euch eine so schwere Bürde. Fahren wir also zu Min.»

Sie bestiegen mit ihrer Leibwache ein kleines Boot und wurden flussabwärts nach Kift gerudert. Die Stadt, größer und geschäftiger als Qebt, träumte gelassen während der Stunden der Mittagsruhe vor sich hin und die beiden konnten in Ruhe beten. Bei ihrer Rückkehr nach Qebt erblickten sie noch nichts von den Soldaten, doch auf dem Anleger herrschte Unordnung, wölkte der Staub, wimmelte es von Männern, und mittendrin stand Hor-Aha, der sie zerstreut grüßte und seinem gehetzten Schreiber diktierte.

Kamose und Ahmose zogen sich in die Beschaulichkeit ihrer Kabine zurück. Ahmose schlief auf der Stelle auf den Polstern ein, doch Kamose brütete in der stickigen Hitze vor sich hin, das Kinn auf den Knien, die blicklosen Augen auf den schlafenden Bruder gerichtet. Zweieinhalb Divisionen, dachte er. Das ist gut. Als Nächstes kommt Aabtu. Wie viele Männer Anchmahor wohl zusammengezogen hat? Er ist ein größerer Fürst als Intef, empfindlicher bezüglich seiner Vorrechte, hat jedoch einen schärferen Verstand. Er wird es, glaube ich, nicht zulassen, dass seine kühlen Überlegungen durch irgendein Vorurteil gegenüber Hor-Aha getrübt werden.

Im Gegensatz zu dir, sagte eine leise innere Stimme. Hast du gewusst, dass du in deinem Herzen Ägyptens blaues Blut verachtest? Wie viele Männer?, überlegte er krampfhaft und bemühte sich, nur noch an die Logistik des Feldzugs zu denken. Und wann muss ich Späher vor uns herschicken? Ab Badari? Djawati? Morgen werde ich Briefe für die Frauen diktieren. Kann ich bessere Rationen an die Truppe verteilen lassen in der Hoffnung, dass wir entlang dem Nil Nahrung finden? Hat Hor-Aha den Befehl erteilt, dass in Qebt alle Waffen einzusammeln sind?

Zwei Stunden nach Sonnenuntergang kam das Heer nach Qebt hereingeschlurft, die erschöpften Männer ließen sich neben dem Fluss fallen, wo man Essen und Trinken an sie ausgab. Kamose, Ahmose und Intef hatten gerade ihr eigenes Mahl beendet, sie saßen auf dem Deck, das im Schein des weichen goldenen Lampenlichts lag, der Lampen, die an der Reling befestigt waren und vom Mast hingen, als sich Hor-Aha näherte und verbeugte. Auf Kamoses Wink hin ließ er sich auf die Planken sinken, kreuzte die Beine und nahm von Achtoi einen Becher Wein entgegen. «Sie sind müde vom Marsch und haben wunde Füße», sagte er als Antwort auf Ahmoses Frage. «Aber morgen früh sind sie ausgeruht. Unser Befehlshaber der Rekruten teilt die Männer dieser Nomarche bereits auf und weist ihnen einen Waffengefährten zu.» Er wandte sich an Intef. «Er arbeitet zusammen mit einem deiner Hauptleute, Fürst. Sei bedankt für deine Großmut in dieser Sache.» Dann wandte er sich wieder an Kamose. «Der Ausbilder der Rekruten bittet inständig darum, dass du ihnen wenigstens zwei Tage Schulung zugestehst, Majestät. Was soll ich ihm sagen?» Kamose seufzte.

«Sie müssen sich morgen beim Marschieren möglichst viel Kenntnisse aneignen», antwortete er. «Wenn wir bei jedem Halt länger bleiben, erreichen wir das Delta nicht, ehe Isis weint, und die Überschwemmung könnte die völlige Katastrophe bedeuten. Nein, Hor-Aha. Tut mir Leid. Wir müssen an unserem ursprünglichen Plan festhalten. Die Medjai und die Soldaten, die in den von Intef zur Verfügung gestellten Schiffen Platz gefunden haben, brechen morgen früh in der Morgendämmerung nach Aabtu auf. Von hier brauchen wir auf dem Fluss einen Tag bis Quena und drei bis Aabtu. Das bedeutet für die zu Fuß noch viele Stunden mehr.» Er überlegte. «Wie wäre es, wenn wir zwischen Quena und Aabtu anlegen, und während ich zu Anchmahor weiterfahre, können die Soldaten aufholen, eine Nacht schlafen und dort in den grundlegenden Dingen unterwiesen werden?»

«Es ist wirklich ärgerlich», warf Intef ein. «Wir brauchen Flöße, Majestät, aber wir haben keine.»

«Wir müssen zurechtkommen, so gut es geht», sagte Ahmose. «Schnelligkeit ist augenblicklich weniger wichtig, als Ordnung in unsere Reihen zu bringen. Kamose, deine Idee ist gut.»

«Bis Djawati muss das Heer nicht in Alarmbereitschaft sein», meinte Hor-Aha.

«Gibt es irgendwelche Anzeichen, dass Apophis Wind von uns bekommen hat?», fragte Kamose in die Runde. «Sind Herolde auf dem Fluss verhaftet worden?» Intef schüttelte den Kopf.

«Nein. Auf dem Fluss war nur wenig los. Das Delta feiert noch immer das Fest von Apophis’ Erscheinen und alle Amtsgeschäfte ruhen vorübergehend. Ich gehe davon aus, dass wir uns Chemmenu nähern können, ohne dass Alarm geschlagen wird.» Chemmenu, dachte Kamose. Auch ein mit Angst besetzter Name. Was mache ich dort? Was wird Teti tun? Vor seinem inneren Auge erschien das Gesicht seiner Mutter, bleich und unversöhnlich, und er hob den Wein zum Mund und trank rasch.

Sie legten in der Morgendämmerung ab und ließen ein verschlafenes Qebt hinter den Horizont sinken, gerade als sich Re darüber erhob. Die Soldaten, die das Ufer säumten, schüttelten ihre Decken aus und falteten sie, während Diener mit der Morgenration zwischen ihnen herumgingen. Kamose hatte Intef zwar die Wahl gelassen, doch der marschierte lieber mit seinen Bauern, damit ihnen inmitten des Getümmels nicht der Mut sank. Er hatte auch die meisten seiner Hauptleute bei sich. «Hinter Quena holen wir euch ein», versprach er, «und von da an brauchen meine Männer meinen Anblick nicht mehr. Wenn wir doch nur Streitwagen hätten, Majestät!» Streitwagen, Pferde, weitere Äxte und Schwerter und mehr Schiffe, dachte Kamose. Er verabschiedete sich recht freundlich von dem Fürsten und machte sich auf einen Tag erzwungener, unguter Muße auf dem Wasser gefasst.

Zweiundeinehalbe Nacht später wandte sich der Nil nach Westen, ehe er in Richtung Aabtu wieder gerade verlief, und hier legten die Schiffe am Ostufer an. Kift und Quena lagen hinter ihnen, und Kamose musterte zufrieden die kleine, sandige Bucht. Hier gab es zur Abwechslung einmal nicht das gewohnte Bild aus grünen Feldern, palmengesäumten Kanälen und Dörfchen, sondern die Wüste schob sich vor, verlief in Dünen bis zum Ufer. Kein Schatten milderte den Blick auf heißen Sand und sengenden Himmel. Die Stelle war bestens geeignet, um ein, zwei Tage zu drillen. Kamose drehte sich zu Hor-Aha um, der schweigend neben ihm stand. «Ich breche sofort nach Aabtu auf», sagte er. «Und die Getreuen des Königs nehme ich mit. Ich sollte gegen Abend dort eintreffen. Wenn die Landtruppen ankommen, lass sie kurz ausruhen, dann schickst du sie an die Arbeit. Und, Hor-Aha, halte sie von den Medjai fern. Das Letzte, was wir brauchen, ist eine hirnlose Schlägerei.»

«Nur keine Bange, Majestät», meinte der General. «Ein paar Kampftage dürften beiden, Ägyptern wie Medjai, deutlich machen, dass sie sich gegenseitig ergänzen. Ich denke, ich schicke die Medjai mit ihren Hauptleuten in die Wüste. Sie benötigen für ein Weilchen festen Boden unter den Füßen. Nimmst du Fürst Ahmose mit?» Kamose zögerte, dann nickte er, ihm war der überraschende Einwurf seines Bruders eingefallen, bei dem Intef in Qebt eingelenkt hatte, und da merkte er auf einmal, dass er Ahmose überhaupt nicht kannte. Der junge Mann mit dem sonnigen Gemüt, der Jagen und Schwimmen und die einfachen Freuden des Familienlebens liebte, wurde auf wundersame Weise immer reifer.

Aabtu lag auf dem Westufer, und als sein Schiff auf die breite Bootstreppe der Stadt zuhielt, erschrak Kamose zunächst, als er die vielen Männer sah, die in der staubigen roten Luft des Sonnenuntergangs herumliefen. Seine Gedanken flogen nordwärts. Apophis hatte von seinen Absichten erfahren. Das hier waren Setiu-Soldaten, und er und Ahmose würden auf der Stelle niedergemetzelt werden. Doch Ahmose sagte: «Was für ein schöner Anblick, Kamose. Es sieht so aus, als ob Anchmahor eine noch größere Streitmacht für uns zusammengebracht hat als Intef», und Kamose kam mit einem zittrigen Auflachen wieder zu sich.

«Den Göttern sei Dank», sagte er leise. «Ich hatte schon Angst …» Ahmose winkte und die Laufplanke wurde ausgelegt.

«Noch nicht», sagte er leise, als sie, umgeben von den Getreuen des Königs, ans Ufer gingen. «Noch haben wir ein wenig Zeit.» Um sie herum verbreitete sich Stille, als die Menge die Symbole erkannte, die auf Kamoses Brust prangten. Viele fielen auf die Knie, andere verbeugten sich ehrerbietig. «Aabtu ist nicht ganz so provinziell wie Kift und Qebt», fuhr Ahmose fort. «Schließlich liegt hier Osiris’ Kopf begraben, und jedes Jahr kommen viele Pilger in die Tempel und sehen sich die heiligen Spiele an. Es ist ein heiliger Ort.» Sie hatten den Fluss hinter sich gelassen und schritten am Kanal entlang, der zu Osiris’ Tempel und zu Anchmahors Palast daneben führte. Kamose merkte, dass sich ein Beamter zu ihnen durchdrängelte. Auf sein Wort hin ließen die Getreuen den Mann durch. Er verbeugte sich tief.

«Mein Gebieter hat mich angewiesen, nach dir Ausschau zu halten, Majestät», erläuterte er. «Wir stehen seit einer Woche für dich bereit. Mein Gebieter ist soeben aus dem Tempel nach Haus zurückgekehrt. Ich möchte ihm mit Verlaub melden, dass du da bist.»

«Ich würde gern Osiris huldigen, ehe ich mich mit dem Fürsten treffe», erwiderte Kamose. «Teile ihm mit, dass wir in einer Stunde zusammenkommen. Morgen früh haben wir zum Beten keine Zeit mehr», fuhr er, an Ahmose gewandt, fort. «Das Heiligtum dürfte noch geöffnet sein.»

Im letzten Zwielicht traten die beiden Männer aus dem Tempel, doch die seltsame Traurigkeit dieser Stunde verflüchtigte sich beim hellen Schein von Kochfeuern und flammenden Fackeln. Überall duftete es nach brutzelndem Fleisch. «Ich bin hungrig», sagte Ahmose. «Hoffentlich führt der Fürst eine gute Tafel.» Der Mann, der sie vorhin angesprochen hatte, wartete auf sie. Er löste sich aus den länger werdenden Schatten von Osiris’ Vorhof, verbeugte sich und bat sie, ihm zu folgen.

Weit war es nicht bis zu Anchmahors Anwesen. Der Garten des Fürsten erstrahlte im Licht vieler Lampen, und Anchmahor selbst kam durch den Lichterschein rasch auf sie zu und begrüßte sie mit einem Lächeln und unter Verneigungen. «Majestät, Prinz, ich freue mich, euch zu sehen», sagte er. «Das Badehaus steht bereit, falls ihr euch erfrischen wollt, und mein Haushofmeister meldet, dass wir in Kürze speisen können. Sagt, was möchtet ihr tun.» Sein Benehmen hat nichts von Intefs Vorsicht und auch nichts von seiner Unterwürfigkeit, überlegte Kamose, während er Anchmahor dankte und bat, dass man ihn zum Badehaus führen möge. Anchmahors Besitz zeugte von mehr Wohlstand als bei dem Nomarchen von Herui, und es war augenscheinlich, dass man hier die Anstandsregeln befolgte. Kein noch so dringliches Geschäft würde abgewickelt werden, ehe man nicht den Magen gefüllt hatte. So viel Befolgung altehrwürdiger Sitten wirkte beruhigend, und Kamose ließ die Gedanken schweifen und sich von der feuchten, duftenden Luft des Badehauses einhüllen. Doch es zeugte auch von Stolz und Wissen um eine hohe Abkunft. Ach, musst du immer alles auseinander nehmen?, schalt er sich, als er auf den Badesockel stieg und unter dem Schwall heißen Wassers, den ein Diener über ihn ausgoss, die Augen schloss. Nimm an, was ist, und sieh nicht immer Fallgruben und Gefahren, wo keine sind. Die wirklichen sind bedrohlich genug.

Später führte man die Gebadeten, Rasierten und Geölten in einen Empfangssaal, in dem sich die Düfte köstlicher Speisen, erlesener Blumen und kostbarer Duftsalben vermischten, und bat sie, vor einzelnen Tischchen Platz zu nehmen, auf deren schimmernder Platte zarte Frühlingsblumen lagen. Anchmahors Familie, seine Gemahlin, zwei Söhne und drei Töchter näherten sich und huldigten ihnen. Es waren schöne Menschen, schlank und dunkeläugig, und ihre Züge unter dem Kohl und dem Henna glichen sich, ihr Geschmeide war kein Putz, sondern gehörte zu ihnen, denn sie waren bis ins Mark von Adel. Kamose benahm sich unter seinesgleichen ungezwungen und unterhielt sich gut, während Ahmose mit Anchmahors Söhnen über die Jagd sprach und bedauerte, dass sich ihm keine Gelegenheit bot, Aabtus Enten und Wildtieren nachzusetzen, von denen viele gebraten und appetitlich auf einer Abfolge von Schüsseln gelandet waren, die man vor ihm abstellte.

Anchmahor ist tapfer, wenn er das alles aufs Spiel setzt, dachte Kamose. Für uns geht es um Überleben oder Vernichtung, er jedoch könnte diese Sicherheit für alle Zeiten genießen. Als hätte der Fürst seine Gedanken gelesen, blickte er zu Kamose hinüber und lächelte. «Das hier ist möglicherweise ein Trugbild, nicht wahr, Majestät?», sagte er. «Meine Nomarche Abetch ist reich und ich lebe gut. Aber immer liegt die Zukunft wie ein Schatten auf mir, weil ich mich weigere, die Nomarche dem niederen Adel zu überlassen und Apophis im Delta bei Hofe aufzuwarten. Als er durch Aabtu gekommen ist, um dein Haus abzuurteilen, hat er für einen Tag und eine Nacht Halt gemacht. Ich habe ihn gut bewirtet, aber ich glaube nicht, dass ihm das gefallen hat.» Er verstummte und trank einen Schluck, der zierlich eine lange Kehle hinunterrann, um die sich goldene Filigranketten schlangen. «Seinem Blick ist nichts entgangen. Die üppige Fruchtbarkeit meiner Aruren in Kornspeichern und Lägern, die Pracht meines Anwesens, die Schönheit und Anmut meiner Familie und vor allem anderen vielleicht die Zufriedenheit meiner Bauern und meiner Dienerschaft. Ich habe ihm keinen Grund zur Klage gegeben, und dennoch habe ich seinen Argwohn gespürt.» Anchmahor hob die Schultern. «Ich glaube, ohne deinen Krieg stünden mir die gleichen, allmählich zunehmenden Schikanen bevor, die deinen Vater zu so verzweifelten Maßnahmen getrieben haben.»

«Apophis mag nicht an seine fremdländische Abstammung erinnert werden», antwortete Kamose bedächtig. «Er schart den ägyptischen Adel gern im Delta um sich, denn dort kann er ihn überwachen und ihn allmählich durch Setiu-Götter und Setiu-Sitten verderben.» Er warf Anchmahor einen Blick zu. «Aber außerhalb des Deltas erinnert sich der Erbadel durchaus daran, dass Schafhirten Göttern und Menschen ein Dorn im Auge sind. Der vergisst die wahre Maat nicht so leicht. Je gastfreundlicher und ehrerbietiger du bist, Anchmahor, desto stärker reibst du ihm Salz in die Wunden seiner fremdländischen Abstammung. Dennoch könntest du sein argwöhnisches Auge abwenden, wenn du einen deiner Söhne nach Norden schicken würdest.» Anchmahor lachte und erhob sich. Sofort hörte der Harfenist auf zu spielen und die Diener zogen sich zurück.

«Das wäre, als würde ich mir eigenhändig eine Wunde beibringen und sie vereitern lassen, Majestät», sagte Anchmahor freimütig. «Solange ich lebe, wird keiner meiner Söhne einem solchen Verderben ausgeliefert. Mein Ältester, Harchuf, zieht mit uns und kämpft an meiner Seite. Und wenn es dir jetzt beliebt, Majestät, gehen wir zum Teich und reden über Geschäftliches.»

«Ich glaube, ich unternehme mit deinen Söhnen eine abendliche Angeltour, Anchmahor», sagte Ahmose im Aufstehen. Sein Blick kreuzte sich mit Kamoses. Du brauchst mich nicht, war die Botschaft, die Kamose darin las. Dieser Fürst macht uns keinen Ärger.

«Ausgezeichnet», sagte Kamose laut. «Aber wir müssen im Morgengrauen aufbrechen, Ahmose.»

«Ich brauche das», sagte sein Bruder schlicht.

Am Rand des Fischteiches hatte man Polster verteilt. Eine Kruke Wein wartete zusammen mit Fliegenwedeln und Umhängen im Gras, alles erhellt vom zuckenden goldfarbenen Schein einer einzigen Fackel, die bei gelegentlichen, schwachen Windstößen auffauchte. Kamose ließ sich zu Boden sinken und kreuzte die Beine, schüttelte verneinend den Kopf, als Anchmahor ihm einen Umhang anbot, schlug jedoch einen Fliegenwedel und einen randvollen Becher nicht aus. Unweit summten etliche Mücken, das Geräusch war durchdringend und dennoch irgendwie tröstlich, gehörte naturgemäß zu einem lieblichen ägyptischen Abend. Heuschrecken schnarrten ihr wenig melodiöses Lied. Ein unsichtbarer Frosch hüpfte und ließ sich in den Teich platschen, auf dessen dunkler Oberfläche sich träge Ringe bildeten, und die dort ruhenden Lotusblätter schaukelten.

Anchmahor ließ sich seufzend neben Kamose nieder und musterte kurz sein in sich ruhendes, duftendes Reich, ehe sein Blick zu seinem Gast zurückkehrte. «Deinen General Hor-Aha mag ich nicht», sagte er schließlich. «Den kann, glaube ich, nichts erschüttern, weil er sich für zu wichtig und für einen unschlagbaren Militärstrategen hält. Aus diesem Grund, Majestät, ist kein Verlass auf ihn. Eine derartige Überschätzung rührt in der Regel aus einer geheimen Versagensangst.»

«Dennoch bin ich der Oberbefehlshaber und ich bin ihm nicht so hörig, dass ich keine erforderlichen Abänderungen der Strategie vornehmen könnte», wehrte sich Kamose. Er wusste, dass die Worte des Fürsten nicht aus dem trüben Brunnen des Vorurteils gegen Hor-Ahas fremdländische Abstammung kamen, aber er hatte keine Lust, Anchmahor dafür zu danken. Damit hätte er angedeutet, dass er von einem Mitglied aus Ägyptens ältestem Adelsgeschlecht weniger erwartet hatte. «Außerdem, Anchmahor, planen wir unsere Strategie gemeinsam, ich, die Fürsten und der General, alle miteinander. Ich verstehe die Besorgnis der Fürsten, ich könnte in der Schuld dieses Mannes stehen und mir dadurch die klare Sicht und die Führung rauben lassen. Es stimmt, ich schulde ihm viel, aber Hor-Aha weiß, wo sein Platz ist. Er wird sich nichts herausnehmen.»

«Hoffentlich behältst du Recht.» Anchmahor schob sich ein Polster unter und lehnte sich zurück, den Ellbogen in das weiche Kissen gestützt. Er nippte an seinem Wein. «Auf dem Heimweg von unserer Beratung hat es seinetwegen einiges Gemurre unter den anderen gegeben», sagte er freimütig. «Ich selbst habe auch gemurrt. Aber lassen wir diesen Mann seinen Wert beweisen, und wir werden uns gern seinem Befehl im Feld unterstellen.»

«Bis wir das Delta erreicht haben, sind ausgeklügelte Schlachtpläne kaum erforderlich», sagte Kamose. «Es geht nur darum, von Stadt zu Stadt zu ziehen, Gegenwehr zu überwinden, Setius auszurotten und sicherzustellen, dass die Bürgermeister und Gouverneure, die wir zurücklassen, uns vollkommen treu ergeben sind. Unser erstes Problem dürfte Daschlut sein.» Anchmahor nickte.

«Ohne Zweifel, aber erst Chemmenu wird die Kunst der Medjai-Bogenschützen und den Gehorsam der Soldaten auf eine harte Probe stellen. Teti liebt dich nicht, Majestät, obwohl er mit deiner Mutter verwandt ist, und die Setiu-Garnison ist lediglich neun Meilen flussabwärts von der Stadt gelegen.»

«Ein guter Ort, uns zu erproben», bestätigte Kamose. «Nun, Fürst, wie viele Männer hast du hier zusammengezogen? Es scheinen viele zu sein.»

«So ist es.» Anchmahor setzte sich aufrecht hin. Seine Bewegung und seine Worte offenbarten einen entschuldbaren Stolz. «Aus meiner Nomarche habe ich für dich eintausendachthundert und weitere achthundert aus Quena. Zweihundert davon sind Freiwillige. Das freut mich. Dazu habe ich dreißig Schiffe aller Arten beschlagnahmt, vom Fischerboot bis zu einem Floß, auf dem Granit aus Swenet herangeschafft wurde. Aber das Floß war beschädigt. Ich habe es ausbessern lassen.»

«Sei bedankt», sagte Kamose ruhig. «Ich beabsichtige, die Berufssoldaten aus jeder Nomarche zu einer Angriffstruppe zusammenzustellen. Es wäre mir sehr lieb, wenn du die befehligen würdest.» Anchmahor, der gerade den Becher zum Mund hob, hielt mitten in der Bewegung inne und ließ den Becher wieder sinken.

«Du bist zu gütig, Majestät», sagte er leise. «Dein Vertrauen ehrt mich. Aber was ist mit Prinz Ahmose? Sollte der nicht ihr Befehlshaber sein?»

Kamose umfasste seine Knie. Er seufzte, blickte hoch zum Firmament, an dem die Sterne vor dem schwarzen Hintergrund funkelten, und schloss die Augen. Ahmose sollte nicht mit den Männern kämpfen, die die Wucht des Angriffs aushalten müssen, wollte er sagen. Ahmose ist auf mancherlei Weise noch immer ein sonniger Jüngling, schlicht und arglos, zeigt sich zwar ansatzweise unversehens reif, ist aber noch nicht so weit, dass man ihn der ganzen Härte und Brutalität des Krieges aussetzen kann. Er hat getötet, aber das gehörte noch irgendwie in den Traum, in dem er lebt. Die Zeit zum Aufwachen ist für ihn noch nicht gekommen. «Falls ich sterbe, ist mein Bruder der letzte überlebende Mann des Hauses Tao», sagte er stattdessen. «Si-Amun hat einen Sohn hinterlassen, doch der ist ein Kleinkind, und Ägypten braucht einen Mann, der den Kampf weiterführt. Ahmose soll zwar nicht verhätschelt und feige gemacht werden, andererseits möchte ich ihn aber nicht unnötig der Gefahr aussetzen. Mein Großvater Osiris Senechtenre der Ruhmreiche hat einen Sohn und drei Großsöhne hinterlassen. Davon sind nur noch wir zwei übrig.»

«Deine Gründe sind verständlich», meinte Anchmahor. «Du spielst hoch, Majestät. Wir Fürsten verlieren lediglich unsere Ländereien und unser Leben, falls du geschlagen wirst, aber das Haus Tao verliert seinen göttlichen Status.» Kamose warf ihm einen scharfen Blick zu, las aber nur Mitgefühl auf Anchmahors Gesicht.

«Dann wollen wir solch eine Möglichkeit gar nicht erst in Betracht ziehen.» Kamose entspannte sich und schenkte dem Fürsten ein Lächeln. «Berichte, Anchmahor, welche Waffen du hast, und dann muss ich vor unserem frühen Aufbruch noch schlafen.»

Er dankte dem Fürsten für seine Gastfreundschaft und kehrte durch den stillen Abend zu seinem Boot zurück. Da er den Schlaf des Erschöpften schlief, hörte er Ahmose nicht mehr in den frühen Morgenstunden an Bord kommen und wachte erst auf, als er spürte, wie das Boot unter ihm erzitterte, als es seinen Anlegeplatz verließ und sich die Ruderer abmühten, es gegen die Strömung zu drehen. «Ich habe gewusst, dass Anchmahor mehr als einverstanden sein würde», sagte Ahmose bei ihrem Mahl aus frischem, gebratenem Fisch, Salat und Brot, während ihm Kamose von der Unterhaltung am Fischteich erzählte. «Er hat Mut und außerdem weiß er, dass er als Nachkomme einer unserer ältesten Familien einen wichtigen Posten bekommt, wenn du deinen Hof nach Waset verlegst. Der Fisch ist gut, nicht wahr?» Er zeigte auf seine Messerspitze, auf der ein Bissen dampfte. «Das Angeln hat mir unwahrscheinlich Spaß gemacht, aber die anderen Fische habe ich Anchmahors jüngerem Sohn für seine Familie gegeben. Er wollte alles über Tani wissen und was du mit ihr vorhast, wenn Auaris befreit ist.» Er grinste fröhlich, als er sah, dass Kamose die Stirn verwundert in Falten legte. «Keine Bange», fuhr er mit vollem Mund fort, «ich habe ihm die Sache mit Ramose erklärt und angefügt, in diesen unsicheren Zeitläuften könne man seinen Ehrgeiz am besten auf dem Schlachtfeld ausleben. Konnte uns Anchmahor mehr liefern als ein paar stumpfe Schwerter und eine Hand voll Harken, Kamose?» Ich liebe dich, aber ich weiß nicht, was ich von dir halten soll, dachte Kamose nachsichtig, während sein Bruder weiterplauderte. Ist deine Arglosigkeit eine eingeübte Pose, die eine rasch zunehmende Vielschichtigkeit verbergen soll, oder bist du wirklich so ahnungslos? Ich könnte dir mein Leben anvertrauen wie sonst keinem. Du bist ein Liebling der Götter, und damit muss ich mich zufrieden geben.

Am Abend des dritten Tages stießen sie zum Heer und empfingen Hor-Ahas Bericht, kaum dass sie von Bord gegangen waren. Die Divisionen nahmen Gestalt an, waren aber noch weit davon entfernt, die feste Kampfeinheit zu bilden, die Hor-Aha und Intef vorschwebte. Der Stolz auf ihre Zusammengehörigkeit wuchs bereits und das Gemurre ließ nach. Drei Tage lang waren sie gedrillt und gegen einen nicht vorhandenen Feind geschickt worden, «aber bislang hat ihnen keiner gesagt, dass sie nicht nur gegen Setius, sondern auch gegen ägyptische Landsleute kämpfen müssen», stellte Hor-Aha klar, der im Schatten eines Binsenschiffes vor Kamose hockte. «Wenn das erforderlich wird, müssen sie so weit geschult sein, dass sie Befehle ohne nachzudenken ausführen. Eine harte Lektion, die sie da lernen müssen.» Kamose äußerte sich nicht dazu.

«Wir haben Botschaften von den Fürsten von Badari und Djawati», sagte Intef. «Sie sind mit der Aushebung fertig und möchten wissen, wann du eintriffst. Mesehti berichtet, dass im Norden von Djawati alles ruhig ist. Qes und Daschlut haben bislang noch nichts von uns mitbekommen.»

«Morgen haben wir den ersten Tag im Pachons», meinte Ahmose, und bei seinen Worten verstummten alle. Der Schemu hatte begonnen, die heißeste Zeit des Jahres, wenn die Ernte heranreifte und Ägypten außer Atem auf die Überschwemmung wartete. Kamose stand jäh auf.

«Schickt mir Ipi», sagte er. «Ich möchte eine Rolle an alle in Waset diktieren.» Ein überwältigendes Verlangen, sich mit den Frauen der Familie auszutauschen, hatte ihn gepackt, er musste von seiner Großmutter bestärkt und von seiner Mutter bestätigt werden, die Wurzeln berühren, aus denen er entstanden war. «Ich bin in der Kabine», warf er über die Schulter zurück, als er auf die Laufplanke zuging. «General, gib an die Hauptleute weiter, dass wir in ein paar Stunden losmarschieren.»

Als er dann in der Abgeschiedenheit der Kabinenvorhänge war, seufzte er vor Enttäuschung, schnürte seine Sandalen auf und warf sie neben sich. Die Stadt Qes lag um einiges entfernt vom Fluss an die Felsen geschmiegt. Ob sie sich bei Nacht unbemerkt daran vorbeistehlen konnten? Dann verschwendeten sie keine noch benötigten Energien, da Daschlut sie zweifelsohne feindselig empfangen würde. Ipi klopfte höflich an den Sturz der Kabinentür und Kamose rief ihn herein. Er trat ein, begrüßte seinen Gebieter und machte Palette und Pinsel zum Diktat bereit.

Ich schreibe auch an meine Heimat, dachte Kamose. An die Ranken am Spalier, die schwer von Trauben sind, an den Fischteich, auf dem trockene Sykomorenblätter schwimmen, an die warme Rundung der Säulen am Eingang, die meine Hand so gern geliebkost hat, wenn ich in den kühlen Dämmer des Empfangssaals getreten bin. Hört mich an, ihr alle, und vergesst mich nicht, denn ich liebe euch, und gewiss ist der bessere Teil meines Wesens bei euch geblieben. Er machte den Mund auf und begann zu diktieren.

Zweites Kapitel

Am achten Tag schob sich die Flotte drei Stunden nach Sonnenuntergang leise an dem festgetretenen Pfad vorbei, der vom Fluss nach Westen zu der Stadt Qes führte. Die Flotte hatte sich vergrößert, denn eine kunterbunte Mischung von Booten hatte alle Berufssoldaten aufgenommen, die die Fürsten zur Verfügung stellen konnten. Hinter Kamose fuhren Anchmahor und zweihundert Angriffskrieger auf dem Floß, das einst zum Transport von Granit benutzt worden war, gefolgt von den Medjai in ihren Binsenschiffen. Der Rest der Flotte folgte schwerfällig. Fürst Machu von Achmin hatte vierhundert Mann ausgehoben und Fürst Iasen von Badari weitere achthundert. Mesehti von Djawati hatte erstaunliche dreitausend zum Fluss getrieben, sodass sich das Heer nun fast auf vier Divisionen belief. Der Großteil jedoch wand sich als Heerwurm drei Tage hinter den Schiffen her, und seinen Schwanz konnten nicht einmal die Hauptleute an der Spitze sehen.

Seine Unterhaltungen mit den Fürsten von Achmin, Badari und Djawati, mit denen er sich der Reihe nach vereinte, waren ungefähr nach dem gleichen Muster abgelaufen wie seine Begegnung mit Intef, nicht wie die mit Anchmahor. Sie hatten ihn ehrerbietig gegrüßt und ihre Bereitschaft gezeigt, ihr Versprechen, ihm zu helfen und treu zu folgen, zu erfüllen, doch es war ihnen deutlich anzumerken, dass sie die Verantwortung nicht mit einem schwarzen Wilden aus Wawat teilen oder, schlimmer noch, Befehle von ihm entgegennehmen wollten.

Vergebens und mit zunehmender Ungeduld, aus der Wut zu werden drohte, berichtete Kamose von Hor-Ahas Treue zu Seqenenre, von seiner Rückkehr nach Waset nach Apophis’ Aufbruch, als es klüger gewesen wäre, im sicheren Wawat zu bleiben, und wie er seine Bindung an das Haus Tao dadurch besiegelt hätte, dass er die ägyptische Staatsbürgerschaft und einen Titel angenommen hatte. «Der hält zu uns, bis er genug Beute gemacht hat, dann verschwindet er», hatte Iasen unverblümt gesagt, war dann aber zu dem höflichen Für und Wider zurückgekehrt. «Fremdländer sind doch alle gleich und die Wilden aus Wawat sind die Allerschlimmsten.» Ahmose hatte den Arm seines Bruders umklammert, um Kamose von einem Wutausbruch abzuhalten, und Kamose hatte die Zähne zusammengebissen und eine lahme, beschwichtigende Antwort gegeben. Er verstand ihre Einstellung. Ägypten war ein besetztes Land. Fremdländer hatten die Macht. Setius oder Wilde aus Wawat, in den Augen dieser Männer waren sie allesamt verdächtig.

Hor-Aha seinerseits schien sich nicht viel aus diesen Kränkungen zu machen. «Ich beweise ihnen, dass sie Unrecht haben», war seine Antwort. «Gib ihnen Zeit, Majestät. Beleidigungen können einem Mann mit Zutrauen in seine Fähigkeiten nichts anhaben.» Andererseits hatte Iasen vollkommen Recht mit seiner Einschätzung der Wilden. Die Männer aus Wawat waren primitiv in Glauben und Benehmen, in ihren Rachefeldzügen und den kleinlichen Zänkereien ihrer Häuptlinge um Nichtigkeiten, doch Hor-Aha war anders. Er blickte weiter als andere seiner Landsleute. Er war der geborene Anführer. Seine Medjai gehorchten ohne zu fragen auf ihre dumpfe, fremdländische Art, und ihre Gelassenheit in der Schlacht, ihre beeindruckende Handhabung des Bogens, ihre Fähigkeit, lange Zeit ohne Essen oder Wasser auszukommen, zeugten von einer Lebensart, die den Bauern unbekannt war, die unter den scharfen Befehlen ihrer Hauptleute schwitzend gen Norden stolperten und von ihren beschaulichen, kleinen Hütten und den Annehmlichkeiten ihrer winzigen Aruren träumten.

Na schön, zum Seth mit ihnen, dachte Kamose missmutig, als er neben Ahmose im Bug seines Schiffes stand, rings um sich schwarze Nacht und unter sich schwarzes Wasser. Die umwickelten Riemen knarrten beinahe unhörbar, und das gelegentliche Flüstern des Kapitäns mit dem Steuermann hörte sich für den lauschenden Kamose irgendwie unheildrohend an.