Jace (River Pack Wolves, Buch 2) - Alisa Woods - E-Book

Jace (River Pack Wolves, Buch 2) E-Book

Alisa Woods

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Beschreibung

Sein Wolf ist außer Kontrolle. Sie ist ein Wildfang, der nicht gezähmt werden kann.

Ex-Armeespezialist Jace River hat ein Sicherheitsschloss an seiner Schlafzimmertür, doch es dient nicht dazu, irgendwen auszusperren, sondern seine Albträume am Ausbrechen zu hindern. Sein Wolf ist ein unkontrollierbarer Killer, weshalb er es nie riskiert zu shiften und nie ein wahrer Teil seines Rudels sein kann. Ganz zu schweigen davon, dass er niemals das Paarungsritual vollziehen könnte.

Piper Wilding arbeitet als zivile Spionin für das Militär und reist um die Welt, um die bösen Jungs zu bekämpfen und mit den guten ins Bett zu steigen. Das Beste daran – es bietet ihr genügend Abstand zu ihrem Mistkerl von Vater in Seattle, dem Rest des Wilding Rudels und dem Druck, sich einen Partner suchen zu müssen. Sesshaft zu werden ist nicht ihr Ding und nach dem, was mit ihrer Mutter geschehen ist, hat Piper sich geschworen, sich nie von Magie oder Männern binden zu lassen.

Während Jace sich in Seattle die Nächte um die Ohren schlägt, kehrt Piper nach Hause zurück, um ihren vermissten kleinen Bruder zu suchen. Als sie in das Anwesen der River-Brüder einbricht, fliegen nicht nur die Fetzen, sondern auch Funken. Ihre Verführungskünste drohen, Jaces Wolf zu entfesseln und Jaces Sexappeal und gute Seele erinnern Piper daran, wie umwerfend Shiftermänner sein können. Doch die beiden sind wie Feuer und Benzin und während sie alles daran setzen, Pipers Bruder zu finden, droht die Hitze zwischen ihnen, all ihre sorgfältig aufgebauten Mauern niederzubrennen. Sich zu verlieben war noch nie so gefährlich für sie – und zusammen zu sein bedeutet Risiken einzugehen, die beide nicht überleben könnten.

Jace ist ein vollständiges und in sich abgeschlossenes Buch, das zweite in der River Pack Wolves Trilogie.

Alle Teile der "River Pack Wolves" Trilogie:

River Pack Wolves 1 - Jaxson

River Pack Wolves 2 - Jace

River Pack Wolves 3 - Jared

Und noch mehr Shifter-Action von Alisa Woods!

Alle Teile der "Wilding Pack Wolves":

Wilding Pack Wolves 1 - Wild Game

Wilding Pack Wolves 2 - Wild Love

Wilding Pack Wolves 3 - Wild Heat

Wilding Pack Wolves 4 - Wild One

Wilding Pack Wolves 5 - Wild Fire

Wilding Pack Wolves 6 - Wild Magic

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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JACE

River Pack Wolves 2

ALISA WOODS

Übersetzt vonMICHAEL DRECKER

Text copyright © 2015 by Alisa Woods

All rights reserved.

Kein Teil dieser Publikation darf ohne die Erlaubnis des Herausgebers reproduziert, in einem Datenspeichersystem hinterlegt oder in jeglicher Art und Form weitergegeben werden, elektronisch oder mechanisch, inklusive Fotokopien, Aufnahmen oder Sonstigem.

English Copyright 2015 by Alisa Woods

2019 Deutsche Übersetzung von Michael Drecker

Herausgeber: Michael Drecker, Stühmeyerstr. 54, 44787 Bochum, Deutschland

Cover by Steven Novak www.NovakIllustration.com  

Sein Wolf ist außer Kontrolle. Sie ist ein Wildfang, der nicht gezähmt werden kann. Ex-Armeespezialist Jace River hat ein Sicherheitsschloss an seiner Schlafzimmertür, doch es dient nicht dazu, irgendwen auszusperren, sondern seine Albträume am Ausbrechen zu hindern. Sein Wolf ist ein unkontrollierbarer Killer, weshalb er es nie riskiert zu shiften und nie ein wahrer Teil seines Rudels sein kann. Ganz zu schweigen davon, dass er niemals das Paarungsritual vollziehen könnte.

Piper Wilding arbeitet als zivile Spionin für das Militär und reist um die Welt, um die bösen Jungs zu bekämpfen und mit den guten ins Bett zu steigen. Das Beste daran – es bietet ihr genügend Abstand zu ihrem Mistkerl von Vater in Seattle, dem Rest des Wilding Rudels und dem Druck, sich einen Partner suchen zu müssen. Sesshaft zu werden ist nicht ihr Ding und nach dem, was mit ihrer Mutter geschehen ist, hat Piper sich geschworen, sich nie von Magie oder Männern binden zu lassen.

Während Jace sich in Seattle die Nächte um die Ohren schlägt, kehrt Piper nach Hause zurück, um ihren vermissten kleinen Bruder zu suchen. Als sie in das Anwesen der River-Brüder einbricht, fliegen nicht nur die Fetzen, sondern auch Funken. Ihre Verführungskünste drohen, Jaces Wolf zu entfesseln und Jaces Sexappeal und gute Seele erinnern Piper daran, wie umwerfend Shiftermänner sein können. Doch die beiden sind wie Feuer und Benzin und während sie alles daran setzen, Pipers Bruder zu finden, droht die Hitze zwischen ihnen, all ihre sorgfältig aufgebauten Mauern niederzubrennen. Sich zu verlieben war noch nie so gefährlich für sie – und zusammen zu sein bedeutet Risiken einzugehen, die beide nicht überleben könnten.

KapitelEins

Die Flammen versengen sein Fell. Die Schreie zerreißen seine Seele. Doch Jaces Bestie wütet wild und unkontrollierbar durch die einstürzenden Gluten des kleinen Dorfes. Er versucht, seinen Wolf zurückzuhalten, aber dieser springt durch eine Wand aus Feuer auf zwei dahinter kauernde Menschen zu. Die Hütte ist ein einziges Inferno und der Mann und seine Frau sind darin gefangen. Knurrend nähert sein Wolf sich ihnen, was sie noch lauter kreischen lässt… und irgendwie schafft Jace es, seine Bestie davon abzuhalten, die Zähne in ihre fuchtelnden Arme und ungeschützten Hälse zu schlagen. Dann schallt ein Schrei durch die prasselnde Hitze – ein Kind. Sein Wolf lechzt danach, dem klagenden Geräusch nachzugehen. Jace versucht, dagegen anzukämpfen, aber seine Bestie ist zu stark. Sie wittert den Himbeergeruch des Kindes durch den beißenden Rauch und jagt ihm nach. Wie ein Dämon bricht sie durch eine Wellblechwand, das dünne Material stellt kein Hindernis für einen Wolf wie ihn dar – doppelt so groß wie ein normaler Shifter und entfesselt von jeglicher menschlichen Kontrolle.

Das Mädchen kreischt, als er sie findet. Sie klammert sich fester an ihre Puppe und kriecht noch weiter in die Zimmerecke, wobei sie das strähnige schwarze Haar auf ihrem Kopf mit einer winzigen Hand verdeckt. Seine Bestie stößt ein markerschütterndes Brüllen aus und stürzt auf sie zu, die Fänge entblößt⁠—

Schweißgebadet fuhr Jace in seinem Bett auf und kämpfte keuchend dagegen an, vollständig zu shiften. Er musste die Bestie in seinem Körper und seinen Träumen halten. Seine Klauen hatten sich bereits in die Matratze gekrallt – er hatte lange Schlitze tief in den Matratzenkern gerissen und sein Bettlaken war nur noch ein Nest aus zerfetzten Stoffstreifen. Er knirschte mit den Zähnen und knurrte, während er seine Klauen dazu zwang, wieder einzufahren. Das war zu knapp gewesen.

„Scheiße“, hauchte er und rieb sich mit seinen jetzt menschlichen Händen übers Gesicht. Der Mondschein strömte in sein Schlafzimmer und warf gerade genug Licht ab, um die Tür zu sehen – immer noch verschlossen. In seiner Wohnung in der Innenstadt waren drei zusätzliche Sicherheitsschlösser installiert, aber hier im Familienanwesen hatte er seine Mutter nur dazu überreden können, eines anzubringen. Sie hatte es nicht verstanden, wusste nicht, in was er sich verwandelte, wenn der Albtraum ihn ergriff. Sie war zwar ebenfalls eine Shifterin, aber sie hatte ihren Wolf unter Kontrolle… so wie jeder andere normale Shifter.

Jaces Wolf war schon immer außergewöhnlich gewesen – doppelt so groß wie die seiner Brüder, unfassbar stark und immer etwas zu wild. Selbst als Welpe hatte er sich anstrengen müssen, damit die Bestie in ihm seinen menschlichen Gedanken gehorchte und ein Teil von ihm wurde, so wie es jeder andere Shifter mit Leichtigkeit zu schaffen schien. Später trat Jace in die Armee ein, wurde in Übersee stationiert und diente seinem Land, wie er es immer gewollt hatte… doch dann passierte etwas. Es entglitt ihm. Er verlor die Kontrolle. Er wurde seine Bestie.

Und Menschen hatten dafür mit ihrem Leben bezahlt.

Ein Schaudern ergriff ihn und Jace zwang sich dazu, ruhig zu atmen und den Albtraum abzuschütteln. Das war die schnellste Art, das Biest wieder tief in sich zu vergraben. Der Albtraum brachte es immer hervor, als wäre er irgendwie in der Lage, die Vergangenheit zu ändern, wenn er die Ereignisse nur immer und immer wieder durchlebte. Aber das konnte er nicht. Er würde das nie wiedergutmachen können… aber er sollte doch wenigstens in der Lage sein, seine Bestie unter Kontrolle zu haben, während er im Haus seiner Mutter war, verdammt nochmal. Wenn nicht, würde er zurück in die Stadt müssen, doch das wollte er auf keinen Fall. Nicht bevor er und seine Brüder, Jaxson und Jared, diesen „Agent Smith“-Typen ausfindig gemacht hatten, der in Seattle Shifter auf offener Straße gekidnappt und irgendwelche medizinischen Experimente an ihnen durchgeführt hatte. Sie hatten seiner Truppe beim letzten Mal ordentlich Prügel verabreicht, doch er war entkommen und immer noch auf der Flucht. Das River-Rudel hatte bei dem Einsatz einen Haufen Shifter gerettet, aber wer wusste schon, wie viele andere Agent Smith noch irgendwo in einem Folterkeller festhielt?

Diese Scheiße musste aufhören.

Jace musste es irgendwie schaffen, sich zusammenzureißen, während sie ihr weiteres Vorgehen planten.

Er sah auf den Nachttischwecker. 3 Uhr morgens. Zu früh, um aufzustehen, aber den Rest der Nacht würde er eh nicht mehr schlafen können. Nicht, dass er das wollte – zurück in diesen Albtraum zu gleiten, war viel zu einfach, sobald sein Traumwolf einmal entfesselt war.

Jace streckte seine schmerzenden Muskeln, die sich beim Kampf gegen die Verwandlung verkrampft hatten, und schwang die Beine aus dem Bett. Seine Schlafanzughose war von seinen reißenden Klauen verschont worden und aufgrund der lauen Sommernachtsluft hatte er sich ein T-Shirt gespart, aber das Bett war ein einziges Schlachtfeld. Er seufzte und warf die Tagesdecke über die zerfetzten Laken. Darum würde er sich später kümmern. Jetzt brauchte er erst einmal was zu futtern. Etwas zu essen würde ihm einen klaren Kopf verschaffen und ihn hoffentlich durch den Tag bringen.

Bis er sich durch die nächste Nacht kämpfen musste.

Das Anwesen war riesig – mit zwei Dutzend Schlafzimmern, einem gigantischen Empfangsbereich und einer riesigen Küche. Und das war nur das Haupthaus. Nach hinten hinaus schmiegten sich noch Stallungen und weitere Unterkünfte an die Berge Washingtons… und in einer dieser Hütten hatten sein Bruder Jaxson und seine neue Partnerin Olivia gerade zweifellos die Nacht ihres Lebens. Wie ein Wirbelwind war sie in ihr Leben gebraust und hatte es dabei irgendwie geschafft, hinter das Geheimnis seines Bruders zu kommen und ihn davon zu befreien… und das alles war geschehen, bevor Jace es überhaupt mitbekam. Jaxson war immer für ihn da gewesen, nachdem er aus der Armee ausgetreten war, aber er hatte komplett dabei versagt, im Gegenzug auch für ihn da zu sein. Jace hatte nicht einmal gewusst, dass etwas nicht in Ordnung war, so sehr war er mit seinen eigenen Problemen beschäftigt gewesen oder damit, bösen Jungs hinterherzujagen, um eben diese Probleme zu vergessen. Er hätte wissen müssen, dass Jaxson ein dunkles Geheimnis mit sich herumtrug. Nur eine weitere Sache, die Jaces Wolf in seinem Leben versaut hatte.

Lautlos schloss Jace seine Schlafzimmertür auf und schlich auf leisen Sohlen die Treppe hinab, um in die Küche zu gehen. Er musste mit seinen Problemen nicht auch noch alle anderen aufwecken. Seit sein Vater gestorben war, nahm seine Mutter des Öfteren herumstreunende Shifter auf, und es war ständig jemand im Haus, der kein richtiges Mitglied der River-Familie war. Im Moment war das Anwesen so voll, dass die meisten vom River-Rudel sich die Zimmer teilten und praktisch jedes verfügbare Bett belegt war. Sie hatten sogar ein paar Leute vom Wilding-Rudel untergebracht und natürlich die Shifter-Gefangenen, die sie aus Agent Smiths Foltergriff befreit hatten.

Obwohl es bis unters Dach mit Leuten gefüllt war, war es vollkommen still im Haus, mit Ausnahme eines gelegentlichen Knarzens des Holzblockbaus, dem Knarren der Stufen, die er hinab ging, und des Flüsterns der Kiefern draußen. Als Kind hatte er dieses Geräusch geliebt – es hatte sich angefühlt, als hätte der Wind seinen Wolf gerufen und Du bist zu Hause geflüstert. Jetzt erinnerte es ihn nur daran, wie kaputt er wirklich war.

Jace zog die Tür des überdimensionalen Kühlschranks auf – seine Mutter war daran gewöhnt, hungrige Shifterhorden zu füttern, die mehr oder weniger spontan vorbei kamen, also war er immer gut gefüllt. Das gespenstische weiße Licht beleuchtete die geräumige Küche, während Jace ein paar Zutaten für Sandwiches herausholte, und brach dann wieder ab, als die Kühlschranktür zufiel. Er blinzelte, als seine Augen sich an die neuen Lichtverhältnisse gewöhnten und das Haus einmal mehr knarzte. Nur…

Jace erstarrte. Er war hier aufgewachsen. Er kannte die Geräusche des Hauses. Das war jemand auf der Treppe, die er gerade erst herunter gekommen war. Gelassen schlenderte er zur Kücheninsel und legte die Wurst und die anderen Sandwichzutaten ab. Einen Moment lang hielt er inne und lauschte. Er atmete ein. Und schnupperte.

Ein schwacher Blumenduft. Niemand, den er zuvor schon mal gewittert hätte.

Mit leichten, barfüßigen Schritten huschte Jace zurück durch die offene Küchentür, schob sich am Esstisch vorbei und bog um die Ecke ins große Wohnzimmer. Dort entdeckte er eine Gestalt in schwarzem Kapuzenpulli, die bereits auf halbem Weg die Treppe hoch war. Jace kannte dieses Haus wie seine Westentasche – er musste sich nicht umsehen, um den Beistelltischen und Stehlampen auszuweichen. Er erreichte die Treppe, bevor der Eindringling sich auch nur umdrehen konnte.

Jace packte zuerst den Pulli und riss ihn zurück, um in der nächsten Bewegung seinen anderen Arm um den Hals des Einbrechers zu schlingen und zum Würgegriff anzusetzen. Er drehte sich um die eigene Achse und versuchte, den Typen zu Boden zu ringen, aber seine Mutter musste mal wieder die Treppe gebohnert haben, denn seine Füße rutschten unter ihm weg. Gemeinsam polterten sie die fünf Stufen bis zum nächsten Treppenabsatz hinunter. Jace behielt seinen Griff bei, aber das musste ein Kind sein oder so – die Gestalt im Kapuzenpulli war ein ziemliches Leichtgewicht. Kein Gegner für ihn.

Doch dann shiftete die Person in Jaces Armen, glitt aus seinem Halt und ließ nichts als Klamotten zurück. Jace schleuderte den Pulli und die Jeans zur Seite und jagte dem Wolf nach, der durch das große Wohnzimmer vor ihm floh. Jace wusste, dass es in diese Richtung nur einen Weg nach draußen gab – durch die Hintertür in der Küche. Er rannte den Nebenflur entlang, rammte die Seitentür zur Küche auf und warf sich auf den Wolf, bevor er die Hintertür erreichen konnte. Was den Eindringling zwar erst einmal an der Flucht hinderte, aber jetzt musste Jace einen Wolf in Schach halten, der dreimal stärker als er in seiner menschlichen Form war, mit rasiermesserscharfen Klauen und schnappenden Kiefern, die versuchten, sein Gesicht zu erwischen. Er rang ihn zu Boden und hielt ihn von hinten fest. Seine Klauen kratzten über die unteren Küchenschränke und stießen sie beide über den Küchenboden nach hinten. Die Stärke des Wolfes war fast zu viel für Jace, der sich in seiner Bemühung, den Griff nicht zu lockern, den Kopf an der Küchentür stieß. Sein Gehirn kam endlich dazu, die Ereignisse zu verarbeiten, und er realisierte, dass dieser Wolf die ganze Zeit über seltsam still war. War das irgendein Streich, den ihm eines der Shifterstraßenkinder spielte, die seine Mutter aufgenommen hatte?

Jace öffnete den Mund, um nach Hilfe zu rufen – er hatte ein Haus voller Shifter, die sich tatsächlich verwandeln und diesen dämlichen Halbstarken jagen konnten, sollte er ihm doch noch entwischen – aber er schluckte seinen Hilferuf herunter, als der Wolf wieder menschliche Form annahm.

Das war kein Kind.

Ein nacktes Mädchen – nein, eindeutig eine Frau – war plötzlich in seinen Armen und versuchte mit aller Kraft, sich aus seinem Griff zu befreien. Er stieß ein überraschtes Keuchen aus, aber bevor er sie loslassen konnte, wandte sie sich herum, sodass ihre sehr prallen Brüste jetzt gegen seinen nackten Brustkorb drückten. Dann packte sie ihn mit beiden Händen am Hinterkopf… und küsste ihn.

Der Mann in ihm gefror vor Schock, doch seine Bestie sprang beinahe aus seiner Haut. Während Jace damit kämpfte, seinen Wolf zurückzuhalten, reagierte sein menschlicher Mund instinktiv auf ihre fordernde Zunge. Sie schlang die Beine um seine Hüfte und sein Schwanz erwachte zum Leben und drückte sich fest gegen die nackte Hitze ihres Körpers. Er brauchte volle zwei Sekunden, um sicher zu sein, dass sein Wolf unter Kontrolle war – dann erlangte er auch die Beherrschung über seinen menschlichen Körper zurück, riss seinen Mund von ihrem los und packte sie bei den Schultern und stieß sie von sich.

Da sie immer noch die Beine um ihn geschlungen hatte, konnte er sie allerdings nicht besonders weit wegdrücken.

„Was zum Teufel…?“, keuchte Jace schwer atmend. Die Frau in seinen Armen war umwerfend – um die fünfundzwanzig, cremefarbene, helle Haut und schwarzes Haar, das auf ihre wogenden Brüste fiel, die groß und perfekt rund waren, mit so harten Brustwarzen, dass ihm das Wasser im Mund zusammenlief. Sie sagte nichts, sondern starrte ihn bloß mit großen Augen an, so dunkel wie die Mitternacht – ihre Lippen schienen leicht geschwollen und rot von ihrem wilden Kuss.

Wenn man es überhaupt einen Kuss nennen konnte. Mehr einen Überfall. Wer war diese Frau?

Sie blinzelte, als wäre sie ebenfalls überrascht – dann stieß sie sich von ihm ab.

„Oh nein, du bleibst hier!“ Jace robbte ihr hinterher. Bevor sie auf die Beine kommen konnte, erwischte er ihren Fußknöchel und riss sie aus dem Gleichgewicht. Er fing ihren Sturz ab, rollte sich dann aber auf sie und drückte sie mit ihren Händen über ihrem Kopf auf die kalten Steinfliesen des Küchenbodens. Er hatte es irgendwie geschafft, sich im Reitersitz auf sie zu setzen.

Für einen intensiven Moment fing sie seinen Blick ein, dann wanderten ihre Augen seine Brust herab und landeten auf der steinharten Erektion, die seine Schlafanzughose ausbeulte.

Mit einem schiefen Lächeln sah sie ihm wieder in die Augen. „Schätze, du gehörst zu den Typen, die es etwas härter mögen.“

Das war doch kaum zu fassen. „Ich gehöre zu den Typen, die es nicht leiden können, wenn man in ihr Haus einbricht.“ Der Kampf ließ ihn immer noch nach Atem ringen…

„Dein Haus?“ Dafür, dass sie nackt unter einem Fremden lag, war ihre Stimme erstaunlich gefasst. „Dann bist du wohl einer der River-Brüder?“

Er sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. „Und wer zur Hölle bist du?“

Sie sah zu seinen Händen hoch, die ihre Handgelenke auf den Boden drückten, dann grinste sie ihn wieder an. „Sollen wir dieses Verhör wirklich nackt durchführen? Wenn ja, hätten wir dabei bestimmt mehr Spaß, wenn du diese niedliche Pyjamahose ausziehst.“

Sein Mund klappte auf. Dieses Mädchen war unverschämter als eine junge Hexe. „Wirst du wieder versuchen wegzulaufen, wenn ich dich loslasse? Denn ich habe hier ein ganzes Haus voller Shifter, die dich mit Vergnügen jagen und zur Strecke bringen würden.“

Sie seufzte und verdrehte die Augen. „Ich hab mich doch schon von dir schnappen lassen, oder nicht?“

„Schnappen lassen—“ Sein innerer Wolf knurrte und es gefiel ihm nicht, dass sie mehr Erregung in ihm auslöste, als nur in seinem Penis, was peinlich genug war. Er ließ ihre Handgelenke los und stieß sich von ihr hoch. Während sie langsam vom Boden aufstand, grollte er: „Du hast deine Klamotten im Eingangsbereich gelassen. Aber wenn du wieder wegrennst, werde ich beim nächsten Mal nicht so nett sein.“

Sie warf ein flirtendes Lächeln über ihre Schulter. „Versprochen?“

Aufreizend schwang sie ihre Hüften, während sie gemächlich von der Küche nach vorne stolzierte. Er folgte ihr dicht auf den Fersen, für den Fall, dass sie sich doch entschied, abzuhauen. Und er war richtig angepisst – stocksauer auf dieses Mädchen, ihr Gehabe und die Tatsache, dass sie in ihre geheime Unterkunft eingebrochen war, ohne irgendwelche Sorgen oder Schuldgefühle zu haben – aber verdammt, dieser Gang stellte Sachen in seiner Lendengegend an…

Das Mondlicht küsste ihre blasse Haut, während sie ohne Eile durchs Wohnzimmer ging, und als sie sich vornüber beugte, um ihre Kleidung aufzuheben – heilige Mutter Gottes. Jace wusste, dass sie sich ihm absichtlich präsentierte, in dem Versuch, sich aus dieser Situation mit der Verheißung auf Sex heraus zu manipulieren… aber der Wolf in ihm wurde unruhig und das ließ sein Herz eher vor Angst als vor Begierde schneller schlagen.

Dieses Mädchen war gefährlich für ihn – und zwar auf eine Art, wie es nur Shifterweibchen sein konnten. Was genau der Grund dafür war, dass seine bevorzugte Methode von sexueller Entspannung aus einer schnellen Nummer mit einer menschlichen Frau aus irgendeiner rauchigen Bar in der Stadt bestand. Oder noch öfter aus seiner eigenen Hand und der heißen Fantasie von einem Paarungsritual mit einem Shifterweibchen… etwas, das für ihn nie Realität werden würde. Aber er ließ sich nie auf Shifterinnen ein, selbst wenn sie nur etwas Spaß wollten und nicht wirklich auf der Suche nach einem Partner waren. Das konnte er nicht riskieren. Aber er konnte sich auch nicht von der Show abwenden, die dieses Mädchen ihm bot – jede Bewegung war ein sinnliches Necken. Sie schaffte es, sich die Jeans erotischer wieder anzuziehen, als die meisten Frauen sie abstreifen konnten. Und auch das ließ seinen Schwanz wieder zucken, trotz der felsenfesten Gewissheit, dass nichts passieren würde.

Was aber nicht hieß, dass er darüber nicht später fantasieren würde.

Als sie endlich wieder angezogen war, leuchtete ihr Lächeln im Mondlicht. „Du solltest besser aufhören zu sabbern, Riverjunge.“

Er ignorierte das – sie hatte offensichtlich beabsichtigt, dass er ihr bei ihrer Show zusah, und er musste sie wissen lassen, dass es nicht funktioniert hatte. Außerdem musste er diese ganze Situation hier weiter abkühlen und entspannen, inklusive seines gewaltigen Ständers, um herauszufinden, was genau sie hier machte.

Jace schritt durch den großen Raum auf sie zu, bis er direkt vor ihr stand. „Verrätst du mir jetzt, wer du bist? Oder muss ich das Folterwerkzeug rausholen?“

Sie begegnete seinem kalten Starren zunächst mit einem Stirnrunzeln und dann einem trotzigen Blick ihrerseits. „Wirst du mir verraten, warum du nicht geshiftet bist?“

Sein Mund klappte eine Sekunde lang auf, bevor er ihn wieder schloss und sie finster ansah. „Okay, nochmal deutlicher: Du wirst mir erklären, warum du in mein Haus eingebrochen bist, und du wirst es sofort tun.“

Sie lehnte sich zurück und warf ihm einen mitleidigen Blick zu. „Oh… verstehe… du kannst nicht.“

Er konnte nicht verhindern, dass ihm ein Knurren entwich. „Ich kann shiften. Ich habe mich nur dagegen entschieden.“ Verdammt, wie hatte sie es nur geschafft, ihm so schnell unter die Haut zu gehen? Er atmete durch und versuchte, die Ruhe zu bewahren. „Wirst du meine Frage jetzt beantworten oder muss ich mein Rudel holen, um dich zu überreden?“

Sie schielte zur Eingangstür, aber zu ihrem Glück entschied sie sich gegen einen Fluchtversuch.

Sie wandte sich ihm wieder zu, verschränkte die Arme vor der Brust und legte den Kopf schräg. „Warum bist du nicht einfach geshiftet, um mich zu erwischen?“

„Das geht dich überhaupt nichts an.“ Er war froh zu hören, dass seine Stimme wieder seine gewohnte Gelassenheit ausstrahlte. „Und du hast drei Sekunden, mir zu erklären, was du hier tust.“

„Das Angebot des nackten Verhörs steht noch.“ Erneut grinste sie ihn an.

„Zwei.“

Das Grinsen verschwand und sie senkte die Stimme. „Hör zu, ich will wirklich keinen Ärger⁠—“

„Eins.“ Er sah zur Treppe hoch, wo das River-Rudel immer noch ruhig schlief. Ein einziges Heulen würde sie nach unten holen.

Das Mädchen warf die Arme in die Luft. „Okay, na gut.“

Er wartete.

Sie schürzte die Lippen und zögerte. Dann sagte sie: „Ich heiße Piper Wilding.“

Jace kniff die Augen zusammen, aber er erkannte sie nicht wieder. Andererseits hatte er auch nur eine Handvoll Leute aus dem Wilding-Rudel je persönlich getroffen. Irgendwie waren diese von einem anderen Schlag – zwar unerschütterlich loyal, wie es sich für ein Rudel gehörte, aber loser organisiert. Während Jace, seine Brüder und ihr Rudel alle zusammen in ihrer privaten Sicherheitsfirma Riverwise arbeiteten, waren die Wildings ein weit verstreuter bunter Haufen. Universitätsprofessoren, Militärs, Anwälte… sie alle machten ihr eigenes Ding, nicht nur in Seattle, sondern überall auf der Welt. Und sie hatten den Ruf… psychisch instabil… zu sein. Er war schon persönlich mit dem Wilding-Wahnsinn in Kontakt gekommen – erst neulich, als Terra Wilding versucht hatte, hier im Anwesen in sein Bett zu kriechen, nachdem Jaxson sie abgewiesen hatte. Sie war eine Künstlerin, die normalerweise in der Innenstadt lebte, sich aber gerade hier auf dem Anwesen versteckte, nachdem sie ihre kleine Schwester Cassie gerettet hatten.

Terra war ein schwarzhaariger Tornado.

Und das Mädchen hier vor ihm schien ihr in der Beziehung in nichts nachzustehen.

„Eine Wilding“, sagte Jace schließlich und nickte. „Hätte ich wissen können, so wie deine Beine um mich geschlungen waren, bevor du überhaupt Hallo gesagt hast.“

Sie biss sich auf die Lippe. „Jetzt wirst du nie wissen, wie großartig das gewesen wäre, Riverjunge.“

Er hasste die Wirkung, die sie auf seinen Schwanz hatte, der sich gerade endlich wieder beruhigte.

„Ich kann gut darauf verzichten, meiner Mutter den Geruch zu erklären“, sagte er mit eiskalter Stimme. „Und außerdem erklärt das noch gar nichts. Wir haben eine Türklingel. Die hättest du benutzen können.“ Die Wildings waren vielleicht heißblütig, aber sie waren nicht vollkommen irre. Manche von ihnen waren sogar recht vernünftige und anständige Leute, wie Daniel Wilding, der junge Soldat, der ihnen bei ihrem letzten Einsatz geholfen hatte. Und der ebenfalls oben schlief und darauf wartete, gemeinsam mit ihnen Agent Smith und die anderen entführten Shifter ausfindig zu machen.

Der glühend anzügliche Blick verschwand aus Pipers Gesicht. „Ich sollte wirklich nicht hier sein, Riverjunge.“

„Was du nicht sagst.“ Er funkelte sie an. „Und ich heiße Jace.“

„Jace.“ Sie rollte seinen Namen auf eine Art in ihrem Mund herum, die ihn daran denken ließ, ihr die Klamotten direkt wieder vom Leib zu reißen. Verdammt, er konnte nicht glauben, wie viel Beherrschung ihm diese Frau abverlangte. „Nun, Jace River, der Wolf, der nicht shiften will… Ich sollte nicht hier in Seattle sein. Aber ich muss mit meinem Bruder Daniel reden. Und als ich gehört habe, dass er sich mit meinen Cousinen hier oben versteckt…“ Sie zuckte die Schultern. „Ich musste ihn irgendwie erreichen, ohne den Rest des Wilding-Familiennetzwerks zu alarmieren.“

„Schon mal was von Handys gehört?“ Er sah sie misstrauisch an. Die Geschichte klang alles andere als glaubwürdig. „Die Dinger sind echt praktisch. Verringern die Todesfälle durch unbefugtes Eindringen ums Hundertfache.“

Sie warf ihm ein leichtes Lächeln zu, welches ihn diesmal nicht komplett sauer machte… weil es das erste war, das so wirkte, als könnte es echt sein. „Dir kann man schwer was vormachen, oder, Jace?“ Dann verblasste ihr Lächeln wieder. „Daniel und ich… wie soll ich das erklären?“

„Am besten mit der Wahrheit“, sagte er kühl.

„Wir reden nicht miteinander. Nie. Ich bin das schwärzeste Schaf in einer Herde voller schwarzer Schafe und Daniel ist einer der Anständigen von uns. Und trotzdem… brauche ich seine Hilfe.“

„Also hätte ein Telefonanruf nicht ausgereicht.“ Seltsamerweise glaubte er ihr. Mit so vielen wilden Persönlichkeiten in einem Rudel war es kein Wunder, dass sie so weit verstreut waren. Er konnte sich nicht vorstellen, nicht mit seinen eigenen Brüdern zu reden, aber das River-Rudel war anders. Und anders bedeutete in diesem Fall normal, nicht verrückt.

Piper nickte und ihre Miene öffnete sich, als wäre sie überrascht, dass er das verstand. Dieser weichere Gesichtsausdruck löste etwas in ihm aus – so etwas wie Sympathie dafür, der Außenseiter in einem Rudel von verrückten Wölfen zu sein – aber Jace unterband dies rasch wieder. Wenn es eine Sache gab, die er bereits über diese Frau hier wusste, dann dass sie eine Meisterin der Manipulation war.

Piper senkte den Kopf und sagte leise: „Daniel und ich haben einen jüngeren Bruder, Noah. Er ist ein guter Kerl.“ Sie sah auf, die Augen groß und rund. „Der beste, ehrlich gesagt. Und ich bin mir nicht ganz sicher, aber… ich glaube, ihm ist irgendetwas zugestoßen. Er ist verschwunden und ich habe wirklich alles versucht, ihn zu finden, aber erfolglos. Du musst mir glauben – hierher zu kommen war mein letzter Ausweg.“

Das klang nach der Wahrheit, aber Jace zog trotzdem die Augenbrauen hoch. „Ein entführter Shifter? Da bist du definitiv an den richtigen Ort gekommen. Aber Daniel hat gar nichts von einem vermissten Bruder erwähnt.“

Ihre Miene verdüsterte sich. „Noah war in Übersee stationiert. Er ist in der Armee, wie Daniel.“

Das machte Sinn. Jace nickte. „Sporadischer Kontakt. Könnte natürlich erklären, warum seine Familie in den Staaten nicht Bescheid wusste. Zumindest nicht sofort.“ Er atmete tief durch. Vermisste Militärshifter? In Übersee? Diese Sache war gerade auf eine Art größer geworden, die ihm nicht gefiel. Überhaupt nicht. „Das hättest du auch direkt sagen können. Wenn ein Armeebruder vermisst wird, werden wir nach ihm suchen. Und das gilt doppelt für einen Shifter.“

Sie lächelte und dieses Mal war es definitiv echt. Erneut löste es etwas in ihm aus, sowohl im Mann als auch in seinem Wolf. Vielleicht war sie nicht nur manipulativ. Natürlich machte das diese heiße Shifterin noch gefährlicher für ihn. Aber nichts davon spielte eine Rolle.

Ein vermisster Armeekamerad übertraf alles.

Er neigte den Kopf in Richtung der Treppe. „Dann mal los.“

KapitelZwei

Gott, was für ein Schlamassel.

Piper hätte einfach nur in diese Bergvilla schleichen und versuchen müssen, ihren Bruder davon zu überzeugen, ihr zu helfen. Und das Hereinschleichen hätte der einfache Teil sein sollen. Wie oft hatte sie schon irgendwelche Gebäude infiltriert und dort Dokumente gestohlen oder Abhörwanzen installiert? Komm schon, Piper. Zugegebenermaßen hatte sie es normalerweise nicht mit einem Haus voller Shifter zu tun, aber sie hätte ahnen können, dass mindestens einer von ihnen nachtaktiv sein würde. Und jetzt war sie nicht nur erwischt worden, sie war auch noch gezwungen gewesen, einem fremden Mann einen Haufen Infos zu verraten, die ihn nichts angingen.

Einem extrem heißen Mann, aber trotzdem. Schlampige Arbeit.

Piper schimpfte sich innerlich, während sie Jace River leise die knarrenden Holztreppen seines riesigen Anwesens hoch folgte. So wie dieser Mann nur in seiner Pyjamahose und barfuß die Treppe vor ihr hoch ging, war er der personifizierte Sexappeal. Immerhin hatte sie bereits das Vergnügen gehabt, gegen seine herrlich muskulöse Brust gedrückt zu werden. Es war sehr lange her, dass sie einem Shifter so nah gekommen war… sie hatte vergessen, wie verdammt umwerfend die Männer sein konnten. Und dieser Kuss… meine Güte, der war absolut heiß gewesen. Sie hatte ihn eigentlich nur für einen Moment ablenken wollen, um abhauen zu können, aber dann hatte ihre Wölfin darauf bestanden, dass sie blieben und dieses Prachtexemplar von Shifter so lange wie möglich auskosteten.

Das hatte sie nicht erwartet.

Normalerweise zeigte ihre Wölfin nur schwaches Interesse an den Männern, mit denen Piper ihren Spaß hatte. Und sie hatte eine Menge Spaß gehabt. Sie war der Auffassung gewesen, dass mit einem Haufen verschiedener Männer zwischen die Laken zu hüpfen, ihren Schwur ausgleichen würde, nie einen festen Partner zu nehmen – dass eine Vielzahl von Liebhabern irgendwie das Fehlen dieses einen mythischen Shifterpartners kompensieren konnte, der angeblich ihre Welt zum Beben bringen würde. Dieser Plan war offensichtlich nicht ganz aufgegangen, daher sollte sie wohl nicht überrascht sein, dass ihre Wölfin ganz scharf auf den ersten Shifter war, den sie seit Jahren geküsst hatte. Und als Jaces großer, breitschultriger Körper auf ihren epischen Ablenkungskuss angesprungen war – war sowohl ihr als auch ihrer Wölfin aufgefallen, dass er in jeder Beziehung groß war. Piper war sich sicher, dass jede Frau sein Bett sehr zufrieden verließ. Ihre Wölfin dachte wahrscheinlich, dass dies etwas zu bedeuten hatte. Als würde sie ihren Schwur überdenken – was sie definitiv nicht tun würde.

Aber ihre Wölfin wollte keine Ruhe geben, hechelte und stampfte mit ihren Pfoten auf und lechzte nach den Fangzähnen dieses Shifters in ihrem Fleisch, was sie für immer magisch aneinander binden würde. Selbst jetzt, während Piper die Treppe hoch ging, lief ihrer Wölfin der Speichel im Maul zusammen, bei dieser ausdefinierten, geschmeidigen V-Form des Rückens dieses Mannes, die bis zu seiner Pyjamahose zulief und in einem knackigen Hinterteil endete, das sich wie eine muskulöse Verführung unter diesem dünnen Stoff bewegte. Ihre Wölfin war sich totsicher, dass mit diesem Mann zu schlafen, ihr eine bisher ungeahnte Ekstase verschaffen würde.

Okay, zumindest da waren sich Piper und ihre Wölfin einig.

Es war gut, dass sie so eine Show mit ihrer Verführungsnummer hingelegt hatte, sonst hätte der tatsächliche Duft ihrer Erregung sie verraten. Obwohl all dieses Gerede über Sex eben nur das gewesen war – Gerede – ein Teil von ihr wünschte sich trotzdem, dass dieser Jace River-Traumtyp ein bisschen weniger… beherrscht gewesen wäre.

Sie unterdrückte ihr bedauerndes Seufzen über diese versäumte Chance, während Jace sie einen Flur entlang führte, scheinbar um sie zum Zimmer ihres Bruders zu bringen. Sie musste sich wieder sammeln und auf das Treffen vorbereiten, jetzt wo die Ablenkung, durch einen lächerlich heißen Shifter erwischt worden zu sein, ihre Konzentration zerstört hatte.

Noah finden. Das war alles, was für sie jetzt zählte. Sie musste unbedingt sichergehen, dass ihr kleiner Bruder – der gute, der einzige Wilding, dem sie nicht egal war – sich nicht tatsächlich irgendwo in Afghanistan verlaufen hatte und umgebracht worden war. Sobald sie wusste, dass er in Sicherheit war – als ob im Auslandseinsatz zu sein jemals sicher war, aber immerhin – konnte sie zu ihrem eigenen Leben zurückkehren und an exotische Orte reisen, um dort die bösen Jungs ausfindig zu machen und mit den guten ins Bett zu steigen. Und die Welt der Shifter so gut es ging zu ignorieren. Dann konnte ihre Wölfin zurück in den Tiefschlaf gehen und aufhören, von Männchen zu träumen, die sie nie haben würde.

Jace klopfte leise an Daniels Zimmertür. Piper witterte den natürlichen Holzkohle-Unterton im Geruch ihres Bruders durch die grob geschnitzte Holztür. Durch seine Zeit bei der Armee musste er sich einen leichten Schlaf angeeignet haben, denn es dauerte nur einen Moment, bevor ein Schlurfen im Zimmer ertönte und die Tür einen Spalt breit geöffnet wurde.

Daniels Haar war vom Schlaf zerzaust, aber seine Augen waren scharf und landeten direkt auf Jaces Faust. „Hey, Mann. Was gibt‘s?“ Aber das letzte Wort verstummte bereits, als sein Blick auf Piper fiel. Er verdrehte die Augen und kniff sie dann kurz zusammen, als würde ihr bloßer Anblick ihm Magenschmerzen bereiten.

Schön, dich zu sehen, Bruderherz. Sie biss sich auf die Lippen und behielt diese sarkastische Begrüßung für sich. Cool bleiben, reingehen, bekommen, was du willst, und wieder raus. Das war ihr Mantra gewesen, den ganzen Weg über den Berg zu diesem Anwesen hoch. Jetzt musste sie es nur noch umsetzen.

Jace schien den Blickkontakt zwischen ihr und ihrem Bruder mitbekommen zu haben, aber er flüsterte nur: „Wir müssen reden.“

Das Haus hatte bereits ihre Rauferei mit Jace im Erdgeschoss verschlafen, aber es war wohl trotzdem besser, hinter verschlossenen Türen zu sein, bevor sie ihre Unterhaltung begannen. Für den Fall, dass diese etwas hitziger wurde.

Daniel schüttelte den Kopf, trat aber zur Seite und deutete ihnen, ins Zimmer zu kommen. Er machte sich nicht die Mühe, das Licht einzuschalten – der Mond warf genug seines silbernen Glanzes durchs Fenster, dass man alles gut erkennen konnte – sondern er schloss einfach die Tür hinter ihnen. Das River-Rudel hatte eine wirklich hübsche Einrichtung hier. Hochwertige, rustikale Möbel, echte Gemälde an den Wänden, dicke Teppiche und Bettvorleger. Hier hatte jemand reichlich Geld, benutzte es aber auf eine angenehme, unaufdringliche Art.

Daniel verschränkte die Arme und sah zu Jace. „Was hat sie jetzt wieder angestellt?“

Jace verengte die Augen. „Kann ich dir wirklich nicht sagen. Aber sie hat eine Nachricht für dich, von der ich denke, dass du sie hören willst.“

Piper sah mit hochgezogener Augenbraue zu Jace. Es schien, als würde der Riverbruder nichts über ihr kleines Gerangel und die Knutscherei unten verraten. Interessante Entscheidung. Sie warf einen verstohlenen Blick auf seine Pyjamahose, welche aber nicht länger die Erektion präsentierte, bei der ihr das Wasser im Mund zusammengelaufen war. Wahrscheinlich versuchte er, die ganze Sache so schnell wie möglich zu vergessen.

Daniel wandte sich ihr zu. „Warum bist du hier, Piper?“

Sie entschied sich, direkt zur Sache zu kommen. „Noah wird vermisst.“

Ihr Bruder öffnete die Arme. „Was meinst du mit ‘vermisst‘?“

„Vermisst wie in nicht zu finden. Wie in nicht dort, wo er sein sollte. Komm schon, Daniel, ich weiß, dass du auf der Uni warst. Irgendwas müssen sie dir da doch beigebracht haben.“

Er knurrte sie an, aber sie musste ein Grinsen unterdrücken. Und sich ins Gedächtnis rufen, warum sie hier war.

„Ich habe erst vor ein paar Wochen noch mit ihm geskypt, als ich wieder in den Staaten war“, sagte Daniel und sein Ton klang deutlich nach Piper dreht grundlos durch. „Wahrscheinlich haben sie bloß vorübergehend die Kommunikation zum MWR unterbunden. Er hat erwähnt, dass es irgendeine Sicherheitsverletzung gab und er sich vielleicht eine Weile lang nicht melden kann.“

Piper runzelte die Stirn. Jace sah sie von der Seite an, als dächte er, sie wäre in sein Haus eingebrochen und hätte dann über Noahs Verschwinden gelogen, als er sie erwischte. Aber Noah hatte nichts darüber gesagt, dass das MWR – das Zentrum, das sich um alle Belange von Soldatenfamilien kümmerte – geschlossen werden sollte, als sie vor fünf Tagen das letzte Mal mit ihm geschrieben hatte.

„Ich kontaktiere ihn doch nicht über das Zentrum, Daniel“, sagte sie und versuchte, seinen herablassenden Tonfall nachzuahmen. „Und ich sage dir, er ist von der Bildfläche verschwunden.“

Erneut verschränkte ihr Bruder die Arme. „Oh, richtig. Du bist ja jetzt Spionin.“

„Gegenspionage.“ Sie starrte ihn böse an, sich vollkommen bewusst, wie wenig er von ihrer Arbeit hielt, obwohl sie entscheidend dazu beitrug, Soldaten wie ihn und Noah am Leben zu halten. Es war fast, als dächte er, sie würde zur CIA oder NSA gehören. Eine konkurrierende Behörde, keine Unterstützung für ihn und seine Kameraden. „Aber hey, danke fürs Mitspielen und dass du dir die Spielfiguren nicht in die Nase geschoben hast.“

Er fletschte die Zähne, aber sie ignorierte das… denn etwas von dem, was er gesagt hatte, nagte an ihr. Normalerweise nutzte Noah eine Skype-Verbindung, um über das MWR zu Hause anzurufen, aber Piper war nicht öfter als absolut nötig „zu Hause“ in Seattle – und wenn sie im Ausland war, war es nie irgendwo, wo sie offen mit einem Mitglied der US-Armee in einem öffentlichen Internetcafé skypen konnte. Das war überhaupt der Grund gewesen, warum Piper einen Geheimkanal eingerichtet hatte – damit sie Kontakt zu ihrem kleinen Bruder halten konnte, während er in den finstersten Ecken der Welt versuchte, den Terror zu bekämpfen. Anfangs hatten ihre Gespräche bloß einmal die Woche stattgefunden, doch im Krieg zu sein beinhaltete in der Regel lange Phasen der extremen Langeweile, durchbrochen von kurzen Momenten des reinen Terrors. Schon bald unterhielten sie sich täglich und manchmal schrieben sie sich über eine Stunde lang Textnachrichten hin und her. Und er verpasste ihre Verabredungen nie, solange er nicht gerade in einem Feuergefecht steckte.

„Moment mal… du betreibst Gegenspionage?“, fragte Jace und das riss sie aus ihren Gedanken über dieses kleine Mysterium. Er war überrascht, aber es lag mehr Respekt in seiner Stimme, als sie von Daniel je bekommen hatte. Oder von ihrem Vater.

Sie schenkte Jace ein kurzes Lächeln. „Zivile Geheimdienstspezialistin für Spionageabwehr. Ich bin im Auftrag der Armee im Ausland tätig“, erklärte sie rasch, als sie sich erinnerte, dass Jace auch in der Armee war. Oder zumindest gewesen war, jetzt leitete er ja eine Sicherheitsfirma mit seinen Brüdern. Ein bisschen Recherche hatte sie immerhin schon betrieben, bevor sie eingebrochen war. „Was bedeutet, dass ich für manche nur Abschaum bin.“ Piper warf Daniel einen bösen Blick zu, dann wandte sie sich wieder an Jace, der bei der ganzen Sache ein ziemlich gutes Pokerface behielt. „Meistens bin ich nur in die Art von Gegenspionage involviert, bei der man Informationen über die Spione der bösen Jungs zusammenträgt. Ich nehme an keinen offensiven Einsätzen teil.“ Das hieß, dass sie nicht dort draußen war und aktiv mit feindlichen Spionen interagierte, um sie zum Beispiel zum Überlaufen zu überreden oder ihnen als Doppelagentin falsche Informationen zuzuspielen. Natürlich hätte sie auch nie offiziell zugegeben, wenn es so wäre. Und es gab Zeiten, wo diese Linie ziemlich verschwommen war.

„Ich schätze, das erklärt, warum du die Türklingel nicht benutzt hast.“ Jaces Grinsen verriet, dass er mittlerweile eher amüsiert als angepisst war. Sie entschied, dass das etwas Gutes war. Und dieses flirtende Lächeln stellte Dinge in ihrem Intimbereich an, die sie dringend ignorieren musste. Konzentrier dich, Piper.

Daniel schnaubte – sein Spott war ihr weitaus vertrauter. „Du bist einfach eingebrochen, nicht wahr? Klasse.“ Er schüttelte den Kopf, als wäre sie eine verhaltensauffällige Teenagerin, bei der er einfach nicht mehr weiter wusste. „Hör zu, große Schwester, warum nutzt du nicht einfach deine tollen Spionagefähigkeiten, um der Verschwörung über Noahs Umstationierung auf den Grund zu gehen, und lässt den Rest von uns schlafen?“

„Er ist nicht einfach bloß verlegt worden!“, schnappte Piper. „Das hätte er mir gesagt.“ Doch diese MWR-Sache zerrte an ihren Nerven. Warum würde Noah so etwas zu Daniel sagen… außer er war davon ausgegangen, aus irgendeinem Grund untertauchen zu müssen? Und warum würde er es ihr nicht erzählen? Sie zumindest warnen. Damit sie nicht in Panik geriet. So wie jetzt.

Daniel schien zu versuchen, so gut wie möglich ihren Vater nachzuahmen – mit all der Autorität und Ablehnung gegenüber dem kleinen Mädchen, das so eine Enttäuschung für ihn war. „Vielleicht hat er eine bessere Beschäftigung gefunden, als jeden Tag mit seiner Schwester zu quatschen. Oder sie haben sein Smartphone konfisziert. Oder vielleicht, nur vielleicht, hat er dieses extrem teure Satellitenhandy, das du ihm gegeben hast, in die Toilette fallen lassen.“

Sein Grinsen und seine Worte brachten ihren Magen nur dazu, sich noch enger zusammenzuziehen. All dies war zwar möglich… aber sie glaubte nichts davon.

„Klar“, schnaubte sie. „Es muss das mit dem Handy im Klo sein. Was sollte in Afghanistan sonst schief gehen?“ Ihr Starren wurde noch finsterer und wenn sie nicht gewusst hätte, dass Daniel sie in einem Kampf locker fertigmachen würde, wäre sie versucht gewesen, zu shiften und ihm ihre Klauen durchs Gesicht zu ziehen – dafür, dass er sich nicht mehr Sorgen um seinen kleinen Bruder machte. Denn irgendetwas konnte sehr schief gelaufen sein und sie bekam das Gefühl, dass es ihm wichtiger war, sie niederzumachen, als sich um Noahs Sicherheit zu kümmern. Jedes Mal, wenn sie Daniel sah, schien er mehr zu der Juniorversion ihres Vaters zu werden. Seit dem letzten Mal war ungefähr ein Jahr vergangen – ganz offensichtlich nicht annähernd lange genug.

Daniel hielt ihrem Blick ohne mit der Wimper zu zucken stand.

„Weißt du was?“, zischte Piper. „Du hast recht. Das hier war offensichtlich ein Fehler.“ Sie drehte sich auf dem Absatz herum und war schon auf halbem Weg zur Tür, bevor eine Hand an ihrem Ellbogen sie mit einem sanften Ziehen zurückhielt. Daniel hätte es nicht gewagt, sie in diesem Moment anzufassen, also unterdrückte sie ihren Instinkt, mit ausgestreckten Klauen herumzuwirbeln.

Es war Jace. „Warte bitte“, sagte er und sah zurück zu Daniel. „Ich meinte das ernst, was ich vorhin gesagt habe – wenn Noah vermisst wird, werden wir ihn finden. Wir sind auch hinter Cassie her und haben sie zurückgeholt. Für ihn werden wir dasselbe tun.“

Sachte zog Piper ihren Ellbogen aus seinem Griff. „Ja, ich weiß. Ich bekomme ja trotzdem noch mit, was im Wilding-Rudel los ist. Ich habe gehört, was ihr Jungs für Cassie getan habt.“ Sie funkelte Daniel an. „Es gibt noch ein paar Wildings, die glauben, dass ich es wert bin, mit mir zu reden.“

Daniel verdrehte die Augen. „Um Gottes Willen!“ Anklagend zeigte er mit einem Finger auf sie. „Du warst doch diejenige, die sich entschieden hat, zu gehen⁠—“

„Als wäre dir das überhaupt aufgefallen⁠—“

„Wie hätte mir das nicht auffallen können? Du bist doch wie ein Supertornado rausgestürmt!“

„Du musst dich ja auch nicht mit dem allmächtigen Oberst⁠—“

„Ich habe ständig mit ihm zu tun. Und irgendwie ist das nie ein Problem.“

„Nein, für dich natürlich nicht, warum sollte es das auch sein?“

„Wenn du meinst!“ Er warf die Arme hoch. „Es liegt nie an dir, nicht wahr, Piper? Du hast immer genau das getan, was du⁠—“

„Das reicht!“ Jaces Stimme schnitt wie ein Alphabefehl durch ihre Zankerei – Piper zuckte zusammen, aber sie stellte mit Befriedigung fest, dass Daniel es ebenfalls tat. Und dieser Ton… er ließ ihre Wölfin erschauern und schickte einmal mehr ein Kitzeln durch ihre Mädchenregion. Doch Piper verdrängte das so gut es ging. Das war keine Alphasache, sagte sie sich. Das war eine Alterssache – Jace war achtundzwanzig, laut seiner Biografie, Piper war erst fünfundzwanzig und Daniel gerade einmal dreiundzwanzig Jahre alt. Noah war praktisch noch ein Baby mit seinen einundzwanzig Jahren, weswegen sie sich ihr ganzes Leben um ihn gekümmert hatte – weil es sonst niemand tat und er noch ein Kind gewesen war, als ihre Mutter starb.

Niemand hatte es verdient, ganz ohne eine Mutter aufzuwachsen – einer der vielen Gründe, warum sie sich entschieden hatte, sich nie einen Partner zu suchen.

Jace starrte sie nieder, einen nach dem anderen, und Piper trug dabei einen inneren Kampf aus, ob sie seinen befehlenden Blick mochte oder hasste. Wahrscheinlich beides. Und sie hasste, dass es ihr gefiel, was sich also auch noch in ihr Gefühlschaos mischte. Argh! Sie war so verdammt durcheinander. Piper schlug ihrer inneren Wölfin übers Maul, die sich hungrig keuchend nach Jaces bestimmenden Worten und kraftvollen Berührungen sehnte. Ihre Wölfin zog sich schmollend in eine Ecke zurück.

Jace stieß einen tiefen, langgezogenen Atemzug aus, als wäre seine Geduld strapaziert. „Eure Familienprobleme sind mir scheißegal“, knurrte er schließlich. „Aber es interessiert mich sehr, ob ein Armeeshifter vermisst wird. Ihr beiden müsst sofort mit diesem Mist aufhören und zusammenarbeiten, um herauszufinden, was da los ist. Danach könnt ihr von mir aus wieder zu dem übergehen, was bei den Wildings als Geschwisterliebe durchgeht. Aber nicht, bevor wir stichfeste Beweise dafür haben, ob euer Bruder verschwunden ist oder nicht.“

Daniel kniff die Augen zusammen. „Du kennst meine Schwester nicht so gut wie ich, Jace. Mal abgesehen davon, dass sie jetzt ihren Lebensunterhalt mit Lügen verdient, war sie schon immer manipulativ. Man kann ihr nicht vertrauen.“

Piper wandte sich innerlich – teils, weil es stimmte, aber größtenteils, weil sie Angst hatte, dass es Jace gegen sie aufbringen würde, gerade als er sich auf ihre Seite zu schlagen schien. Er sah sie an und Zweifel warfen Schatten auf sein Gesicht.

„Soldaten werden ständig versetzt“, sagte Jace vorsichtig. „Vielleicht musste er nur für einen Spezialeinsatz untertauchen. Warum glaubst du, dass er verschwunden ist?“

„Weil ich jeden Tag mit ihm rede.“ Sie hob das Kinn in Daniels Richtung. „Wir haben eine richtige Beziehung, im Gegensatz zu diesem Chaoten hier.“ Wieder an Jace gewandt sagte sie mit gesenkter Stimme: „Er würde nicht einfach untertauchen, ohne mich zu warnen. Ich schwöre. Irgendwas stimmt da nicht.“ Das war die ungeschminkte Wahrheit. Sie betete, dass er das in ihrer Stimme hören würde.

Jace runzelte die Stirn und nickte. „Na gut.“ Er atmete tief durch. „Morgen früh diskutieren wir das mit meinen Brüdern und entwerfen einen Schlachtplan⁠—“

„Morgen?“ Pipers Stimme stieg an. „Warum glaubst du, bin ich mitten in der Nacht hierhergekommen? Wir hätten praktisch gestern schon anfangen sollen!“ Sie versuchte, ihre Stimme wieder auf eine angemessene Lautstärke zu senken. „Daniel arbeitet auf dem Militärstützpunkt. Er hat eine Zugangsberechtigung. Ich kann nicht einmal aufs Gelände, aber er kann jederzeit dort rein und ihre Aufzeichnungen sichten, um herauszufinden, was passiert ist⁠—“

Daniels Mund klappte auf. „Du willst, dass ich mich in die Datenbank des Stützpunkts hacke?“ Er tat so, als hätte sie ihn gebeten, nackt über das Militärgelände zu rennen. Obwohl, darüber hätte er vermutlich bloß gelacht. Das hier war schlimmer. Viel schlimmer. Das war das Revier ihres Vaters und sie verlangte von ihm, dort hinzupissen.

„Daniel hat recht“, sagte Jace ruhig. „Man kann da nicht einfach reinplatzen und⁠—“

„Reinplatzen?“ Sie schaffte es einfach nicht mehr, mit gesenkter Stimme zu reden. „Ich könnte das mit verbundenen Augen tun. Und selbst dieser tollpatschige Amateur⁠—“

Daniel knurrte sie an. „Ich werde dafür nicht meine Sicherheitsfreigabe riskieren!“

„Das ist keine gute Idee, Piper“, sagte Jace und klang wieder angespannt. „Durch Cassies Entführung wissen wir, dass die Regierung irgendwie in diese Sache involviert ist, aber wir haben keine Ahnung, wie weit das reicht. Lass mich und meine Brüder von außen einen Blick darauf werfen, damit wir sie nicht versehentlich vorwarnen.“

Verdammt. Er würde ihr doch nicht helfen. „Klar. Gehen wir es langsam an. Und in der Zwischenzeit wird Noah in irgendeiner dunklen Zelle gefoltert.“ Sie konnte das Zittern kaum aus ihrer Stimme halten.

„Das wissen wir nicht!“, protestierte Daniel.

„Du hast recht“, spuckte sie zurück. „Er könnte bereits tot sein.“ Sie würde ein paar ernsthafte Kratzspuren in seinem Gesicht hinterlassen, bevor sie hier wegging.

„Okay, okay!“ Jace hob die Arme und hielt Piper und Daniel auseinander. „Beruhigen wir uns alle erstmal wieder.“ Er deutete auf Daniel. „Du setzt dich hin und denkst darüber nach, wie du an Informationen kommen könntest. Und hör auf, so ein Arsch zu sein.“ Dann wandte er sich Piper zu. „Du beziehst eines der Gästezimmer hier und kommst erstmal runter. Und nimm nicht direkt das Schlimmste an, bevor wir überhaupt irgendwas wissen, okay?“

Ihr Atem ging schwer und sie hätte ihm am liebsten gesagt, dass er die Schnauze halten solle – es war ja nicht sein Bruder, der vielleicht zu Tode gefoltert wurde. Stattdessen sah sie sich flüchtig im Raum um. Daniel hatte schon immer einen Ordnungsfimmel gehabt und die Armee hatte diese Angewohnheit nur noch weiter ausgeprägt. Alles war sauber verstaut, darunter auch eine leichte Jacke, die an der Rückseite der Tür hing.

Sie sah zurück in Jaces fragende Miene und zwang sich dazu, einen versöhnlichen Ton anzuschlagen. „Na gut. Wir reden am Morgen darüber.“ Sie drehte ihm den Rücken zu und schritt zur Tür, wobei sie darauf baute, dass er einen Moment mit Daniel reden würde, bevor sie gingen.

„Wir werden uns darum kümmern“, sagte Jace zu ihrem Bruder.

Sie nutzte diesen kurzen Augenblick, um die Hand in die Jackentasche ihres Bruders gleiten zu lassen und das eine Ding herauszuziehen, das sie wirklich brauchte. Dann öffnete sie die Zimmertür und trat in den Flur, wobei ihr die aufschwingende Tür half, die Bewegung der Jacke zu überspielen. Während sie weiterging, ließ sie das Diebesgut in ihre Hosentasche gleiten.

Dann hörte sie Jaces eilige Schritte hinter sich. „Hey“, sagte er und berührte sie wieder am Ellbogen. „Hier lang.“ Er nickte den Flur runter, in die entgegengesetzte Richtung.

Sie machte kehrt und folgte ihm den Flur durch das gigantische Anwesen entlang, bis sie nach mehreren Abbiegungen zu einem Zimmer ähnlich dem von Daniel kamen, nur kleiner. Jace öffnete die Tür und deutete ihr, einzutreten.

„Es wird alles gut, Piper.“ Seine Stimme war sanft und das Feuer in seinen Augen hatte sich gelegt. „Wahrscheinlich ist mit Noah alles in Ordnung und er musste sich mit seinem Trupp nur irgendwo eingraben. Und wenn nicht, werden wir ihn finden.

---ENDE DER LESEPROBE---