Wild One (Wilding Pack Wolves, Buch 4) - Alisa Woods - E-Book

Wild One (Wilding Pack Wolves, Buch 4) E-Book

Alisa Woods

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Beschreibung

Marcos Rudel wird gnadenlos gejagt… und er muss eine Partnerin finden, um es zu stärken.

Marco Wildings Rudel verliert ein Mitglied nach dem anderen an die Söldner des Wolfsjägers, die Wölfe auf offener Straße entführen und ihre zu Tode gefolterten Körper dann wieder in Marcos Revier abladen. Auch die Entführung eines kleinen Shifter-Jungen hätte seine Patrouille fast nicht verhindern können – als plötzlich eine wunderschöne Wölfin einschreitet, den Kidnappern in den Arsch tritt und das Kind rettet. Marco ist beinahe augenblicklich in diese mutige, ungepaarte Wölfin verknallt, die auf mysteriöse Weise in seinem Revier gelandet ist.

Nur will sie nichts mit ihm zu tun haben.

Julia Holloways Leben hätte sich endlich zum Guten wenden können – sie stand kurz vor ihrem Uniabschluss und hätte endlich aus dem Haus ihrer Mutter ausziehen und dieser Parade von miesen Stiefvätern entkommen können. Doch dann war ihre Wölfin durchgedreht und hatte ihr Leben ruiniert. Jetzt ist sie auf der Flucht und die Wölfin in ihr immer noch unkontrollierbar. Doch als sie mit deren Hilfe eine Kindesentführung vereitelt, bekommt Julia ein Angebot, das sie nicht ablehnen kann – eine sichere Bleibe bei einem Wolfsrudel, wo sie endlich durchatmen und ihr Leben wieder in den Griff bekommen kann.

Obwohl all das für sie nur vorübergehend sein soll, möchte der heiße Rudelanführer mit den funkelnden Augen unbedingt, dass sie bleibt. Doch als einsame Wölfin hat sie keine Ahnung, ob sie sich darauf einlassen soll.

Während Julia und Marco alles daransetzen, die Männer des Wolfsjägers aufzuhalten, muss Julia nicht nur lernen, im Einklang mit ihrer Wölfin zu leben, sie muss sich auch entscheiden, ob all das aufzugeben, was sie will, ihr die eine Sache bringen wird, die sie wirklich braucht.

WILD ONE ist ein eigenständiges und in sich abgeschlossenes Buch, das vierte in der „Wilding Pack Wolves“-Reihe. Alle Bücher dieser Serie sind eigenständige Geschichten, aber für die Hintergründe und maximales Lesevergnügen empfiehlt es sich, sie in der richtigen Reihenfolge zu lesen und zunächst mit der „River Pack Wolves“-Trilogie zu beginnen.

Alle Teile der "Wilding Pack Wolves":

Wilding Pack Wolves 1 - Wild Game

Wilding Pack Wolves 2 - Wild Love

Wilding Pack Wolves 3 - Wild Heat

Wilding Pack Wolves 4 - Wild One

Wilding Pack Wolves 5 - Wild Fire

Wilding Pack Wolves 6 - Wild Magic

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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WILD ONE

Wilding Pack Wolves 4

ALISA WOODS

Text copyright © 2016 by Alisa Woods

All rights reserved.

Kein Teil dieser Publikation darf ohne die Erlaubnis des Herausgebers reproduziert, in einem Datenspeichersystem hinterlegt oder in jeglicher Art und Form weitergegeben werden, elektronisch oder mechanisch, inklusive Fotokopien, Aufnahmen oder Sonstigem.

English Copyright 2016 by Alisa Woods

2020 Deutsche Übersetzung von Michael Drecker und Leonie Brinkmann

Herausgeber: Michael Drecker, Stühmeyerstr. 54, 44787 Bochum, Deutschland

Cover by Steven Novak

* * *

Marcos Rudel wird gnadenlos gejagt… und er muss eine Partnerin finden, um es zu stärken.

Marco Wildings Rudel verliert ein Mitglied nach dem anderen an die Söldner des Wolfsjägers, die Wölfe auf offener Straße entführen und ihre zu Tode gefolterten Körper dann wieder in Marcos Revier abladen. Auch die Entführung eines kleinen Shifter-Jungen hätte seine Patrouille fast nicht verhindern können – als plötzlich eine wunderschöne Wölfin einschreitet, den Kidnappern in den Arsch tritt und das Kind rettet. Marco ist beinahe augenblicklich in diese mutige, ungepaarte Wölfin verknallt, die auf mysteriöse Weise in seinem Revier gelandet ist.

Nur will sie nichts mit ihm zu tun haben.

Julia Holloways Leben hätte sich endlich zum Guten wenden können – sie stand kurz vor ihrem Uniabschluss und hätte endlich aus dem Haus ihrer Mutter ausziehen und dieser Parade von miesen Stiefvätern entkommen können. Doch dann war ihre Wölfin durchgedreht und hatte ihr Leben ruiniert. Jetzt ist sie auf der Flucht und die Wölfin in ihr immer noch unkontrollierbar. Doch als sie mit deren Hilfe eine Kindesentführung vereitelt, bekommt Julia ein Angebot, das sie nicht ablehnen kann – eine sichere Bleibe bei einem Wolfsrudel, wo sie endlich durchatmen und ihr Leben wieder in den Griff bekommen kann.

Obwohl all das für sie nur vorübergehend sein soll, möchte der heiße Rudelanführer mit den funkelnden Augen unbedingt, dass sie bleibt. Doch als einsame Wölfin hat sie keine Ahnung, ob sie sich darauf einlassen soll.

Während Julia und Marco alles daransetzen, die Männer des Wolfsjägers aufzuhalten, muss Julia nicht nur lernen, im Einklang mit ihrer Wölfin zu leben, sie muss sich auch entscheiden, ob all das aufzugeben, was sie will, ihr die eine Sache bringen wird, die sie wirklich braucht.

KapitelEins

Es war wirklich das Letzte, was Marco sehen wollte: Ein weiterer toter Wolf.

„Verdammte Scheiße“, fluchte Stefan, als sie die Leiche entdeckten. Marcos bester Freund und der Beta seines Rudels stand breitbeinig neben ihm und hatte die Hände zu Fäusten geballt. Seine Klauen fuhren rhythmisch ein und aus, als würde sein Wolf unbedingt etwas töten wollen. Marco konnte seine Frustration verstehen. Ihr Feind, derjenige, der für diese Tat verantwortlich war, war gesichtslos und schwer zu fassen. Sie kannten lediglich seinen Namen.

Der Wolfsjäger.

„Wir werden ihn dafür büßen lassen, Stefan.“ Marco kniete sich neben den leblosen Körper, den jemand wie einen Haufen Abfall achtlos in der Gasse zurückgelassen hatte, direkt neben einer mit Bratfett verschmierten und vor schimmelndem Gemüse überquellenden Mülltonne. Sanft strich Marco mit einer Hand über das weiche schwarze Fell am Kopf des Wolfes. Man konnte nicht nachweisen, welche Person sich in dieser Wolfsgestalt verbarg – wen der Wolfsjäger getötet hatte – denn mit der Gestalt veränderte sich auch die DNA eines Shifters. In ihrer Menschenform waren sie vollkommen menschlich und in ihrer Wolfsform durch und durch Tier, es gab keine Verbindung zwischen den beiden. Genau aus diesem Grund ermahnte Marco sein Rudel ständig, sich von der Polizei fernzuhalten – denn die würden sie zum Shiften zwingen, sodass sie die beiden DNA-Strukturen einander zuordnen konnten. Dieses Wissen könnte die Polizei dann gegen sie verwenden und ihnen womöglich irgendein Verbrechen anhängen, um sie hinter Gitter zu bringen. Und das Gefängnis war für Shifter ein sicheres Todesurteil.

Doch ohne jegliche Verbindung gab es natürlich auch keinen Beweis, dass sich hinter diesem Wolf sein ermordeter Freund verbarg, und nicht nur ein Tier. Genau diese Tatsache nutzte der Wolfsjäger aus, wenn er Shifter in den Straßen von Seattle aufgriff... und sie in ihrer Wolfsgestalt tötete.

„Ich werde dich rächen, Christoph“, flüsterte Marco seinem toten Freund zu. Dann strich er mit der Hand über dessen glasige, immer noch geöffnete Augen. Das Rudel vermisste ihn bereits seit einer Woche und seinem Aussehen nach zu urteilen hatte der Wolfsjäger ihn gefoltert. Seinem Körper war übel mitgespielt worden – er war mit blutigen roten Striemen überzogen, die verheilt, wieder aufgerissen und erneut verheilt waren. Christophs Kopf war von gewaltigen Prellungen entstellt und angeschwollen. Es war verdammt schwer, Shifter-Wölfe zu töten, was bedeutete, dass sich ihr Sterben sehr lange hinziehen konnte. Eines Tages würde Marco höchstpersönlich dem Wolfsjäger mit seinen Fangzähnen die Kehle rausreißen... doch erst nachdem dieses Arschloch genauso lange gelitten hatte wie Christoph.

„Es wird immer schlimmer.“ Stefans Klauen waren noch immer ausgefahren und lechzten nach Rache. „Und sie werden raffinierter.“

Sein Beta hatte recht – das hier war der dritte Wolf in ebenso vielen Wochen. Die ersten beiden waren leichtere Opfer gewesen: Meredith, eine ältere Wölfin, die ein Lebensmittelgeschäft in seinem Revier gehabt hatte, und Timmy, ein Welpe, der noch in die Shifter-Schule gegangen war, die Marco für sein großes und schnell wachsendes Rudel gegründet hatte. Aber Christoph... Christoph war ein ausgewachsener männlicher Shifter. Er hatte sich mit Sicherheit nicht kampflos ergeben. Es waren garantiert mehr als nur ein oder zwei Arschlöcher dieser Wolfsjäger-Anhänger nötig gewesen, um ihn zu überwältigen.

Marcos innerer Wolf knurrte und verlangte Rache. „Wir müssen sie auf frischer Tat ertappen. Ihr Versteck finden und sie dann ausradieren.“ Er zog sein Handy aus der Hosentasche, um nachzusehen, wie spät es war. „Aber jetzt muss ich erstmal zurück… gleich ist Schulschluss und ich habe Aufsicht.“

„Ich auch.“ Ohne den Blick von Christophs Körper abzuwenden schüttelte Stefan traurig den Kopf. „Zum Glück ist die Schule nicht irgendwo am Rand unseres Territoriums, wo sie Christoph geschnappt haben. Scheiße. Ich hatte wirklich geglaubt, Cruz‘ Rudel würde bloß etwas die Muskeln spielen lassen. Ich hätte nicht gedacht...“

Sie alle hatten geglaubt – gehofft – dass Christoph zurückkommen würde. Und wenn es nur eine Machtdemonstration einer anderen Gang gewesen wäre, weil Christoph sich versehentlich in ihr Revier verirrt hatte, wäre es möglich gewesen...

Doch das hier war etwas völlig anderes.

„Nein, das war definitiv der Wolfsjäger“, knurrte Marco und stand auf. „Cruz hätte ihn nicht einfach hier abgelegt, ohne uns wissen zu lassen, dass er dahintersteckt. Aber ich sollte mich trotzdem mit ihm treffen. Cruz ist zwar ein brutales Arschloch, aber er ist nicht dumm. Der Wolfsjäger ist für uns beide ein Problem. Soweit ich weiß, sind auch welche von seinen Leuten verschwunden.“ Marco seufzte. Kontakt zu Cruz aufzunehmen war zwar gefährlich, doch es ging nicht anders. „Aber eins nach dem anderen. Sobald wir mit der Aufsicht am Schulweg fertig sind, will ich, dass du ein Netzwerk aus Wachposten einrichtest. Wir müssen jede einzelne Straße im Auge behalten.“

Stefan runzelte die Stirn. „Das wird unseren Leuten einiges abverlangen.“

„Ich weiß.“ Marco schüttelte den Kopf. Es war ein verfluchtes Schlamassel. „Aber hast du eine bessere Idee?“ Es war nicht als Provokation gemeint – Marco war zwar der Alpha, doch Stefan war clever. Und ein kluger Alpha machte sich die individuellen Fähigkeiten seines Rudels zunutze.

„Nicht wirklich“, sagte Stefan mit finsterem Blick. „Ich will dieses verdammte Wolfsjäger-Arschloch einfach nur kaltmachen.“

„Sollten wir je die Chance dazu bekommen, beanspruche ich den ersten Schlag bei diesem Wichser.“

Stefan nickte und starrte weiter finster auf den toten jungen Wolf zu ihren Füßen. Christoph war erst kürzlich zum Rudel gestoßen, doch er war absolut loyal gewesen. Ähnlich wie Stefan, dem Marco mit seinem Leben vertraute.

Vor Jahren, nachdem Marco seinem Vater, Donald Wilding, ein für alle Mal gesagt hatte, dass er nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte, hatte er seine Sachen gepackt, das durchgeknallte Wilding-Rudel verlassen, und war hier gelandet, in der Innenstadt Seattles, im härtesten aller Shifter-Viertel. Stefan war damals schon hier gewesen, ebenfalls elternlos, wenn auch nicht aus eigener Entscheidung, und die beiden hatten sich sofort wie Brüder gefühlt. Gemeinsam hatten sie den grausamen Bandenchef getötet, der über die Shifter dieser Gegend geherrscht hatte, und Marco war zum neuen Alpha des Rudels geworden. Seitdem arbeiteten er und Stefan daran, jedem Wolf einen sicheren Hafen bieten zu können, der bereit war, ihm die Treue zu schwören und sich dem Rudel anzuschließen.

Marco war gerade einmal achtzehn Jahre alt gewesen, als er zum Alpha wurde, doch sein Rudel hatte sich prächtig unter ihm entwickelt und wuchs stetig. Der Ruf des Rudels, dass es nicht nur eine Chance zum Überleben, sondern auch eine Familie bot, zog besonders die Shifter an, die von der Gesellschaft verstoßen worden waren. Daher musste er sein Rudel auch nicht wie manch anderer Alpha mit eiserner Faust regieren. Und jetzt, wo der Wolfsjäger und seine Anhänger die Straßen unsicher machten, war der Bedarf nach einer sicheren Zuflucht größer denn je.

Die letzten Wochen waren besonders schlimm gewesen. Seine Cousine Terra Wilding war wie aus dem Nichts aufgetaucht und hatte Fotos von seinem Rudel gemacht… und diese dann für die reichen Kunstliebhaber dieser Stadt ausgestellt. Marco hatte sich mit ihrem Menschen von Seattle-Projekt einverstanden erklärt, weil er gehofft hatte, dass es manche Menschen, die sich ängstlich in ihren Häusern in den Vororten verkrochen, davon überzeugen würde, dass es keine Entschuldigung dafür gab, Shifter wie Tiere zu behandeln. Terra hatte alle Fotomodelle in ihrer Wolfsgestalt fotografiert und dazu deren Lebensgeschichte dokumentiert, in der Hoffnung, dass es sie menschlicher wirken lassen würde. Und es war zwar schwer zu sagen, aber… vielleicht funktionierte es ja wirklich. Zumindest war die Ausstellung laut der Presse ein riesiger Erfolg und schien tatsächlich bei einigen Leuten Sympathien für Shifter zu wecken. Insbesondere nachdem Terra vom Wolfsjäger persönlich entführt worden war. Seattles Bürgermeister hatte sogar versprochen, die Anti-Shifter-Gesetze der Polizei zu reformieren. Doch das würde Marco erst glauben, wenn er es mit eigenen Augen sah. Schließlich waren es am Ende seine Leute, die zu leiden hatten. Denn der Wolfsjäger war jetzt besonders hinter seinem Rudel her – seiner wahren Familie – und tötete einen nach dem anderen.

Er gab Terra keine Schuld daran, doch ihre Bilder hatten sein Rudel definitiv ins Fadenkreuz gerückt.

Marco blickte finster auf Christophs Leiche hinab. „Ich verstehe einfach nicht, woher der Wolfsjäger weiß, wer von uns ein Wolf ist und wer nicht.“

Stefan schüttelte den Kopf. „An der Ausstellung kann es nicht liegen. Die liefert zu wenig Anhaltspunkte, um uns individuell zu identifizieren. Es muss jemanden geben, der unseren Unterschlupf ausspioniert.“ Das Hauptquartier von Marcos Gang befand sich in einem riesigen Supermarkt, den er in ein Zuhause für sein Rudel umgebaut hatte. Er gab sich alle Mühe, um ihnen ein Dach über dem Kopf zu bieten und dafür sorgen zu können, dass alle genug zu essen hatten. Es war nicht immer leicht – und manche seiner Bemühungen waren auch nicht ganz legal – aber er war fest entschlossen, das Überleben seiner Leute zu sichern.

Doch die wachsende Gefahr durch den Wolfsjäger drohte, all dies zunichte zu machen.

„Falls es tatsächlich einen Spitzel gibt, müssen wir ihn unbedingt finden. Und wir müssen uns ebenfalls raffinierter anstellen, in allen Belangen.“ Marcos Handy piepte – die Erinnerung daran, dass seine Schicht als Schülerlotse bald begann. „Komm, jetzt bringen wir erstmal die Aufsicht hinter uns und dann gehen wir zurück nach Hause und überlegen uns einen Schlachtplan.“

„Klingt gut.“ Stefan holte sein eigenes Handy hervor. „Ich kümmere mich darum, dass jemand Christoph hier abholt. Und dann müssen wir seine Bestattung organisieren.“

Noch eine. Drei Beerdigungen in drei Wochen. Sie setzten ihre Brüder und Schwestern in den Olympic Mountains bei, wo sie in Frieden ruhen konnten. Keine Namen. Keine Grabsteine. Kein gebührendes Friedhofsbegräbnis, weil sie als Wölfe gestorben waren.

Selbst das hatte der Wolfsjäger ihnen genommen.

Der Gedanke daran ließ den Wolf unter Marcos Haut vor Wut rasend werden.

Er entsperrte sein Handy und rief den Leiter der Schülerlotsen an. „Hey Anthony, Stefan und ich sind jetzt auf dem Weg.“ Die Heimwege der Kinder waren klar abgesteckt – von dem roten Backsteinhaus, das ihnen als Schule diente, bis zu ihren Wohnungen in einem der schäbigen Mietshäuser, die sie ihr Zuhause nannten. Für viele ging es aber auch zurück in die Gang-Unterkunft. „Und nur um dich schon mal vorzuwarnen, wir haben Christoph gefunden.”

„Scheiße.“

Marco musste nicht erwähnen, dass sie ihn tot aufgefunden hatten. Mit so etwas wurde mittlerweile gerechnet. Und Marco spürte, wie die Angst sein Rudel zermürbte, als würde ihm förmlich die Lebensenergie entzogen. Der Unterwerfungsbund mit diesen einhundert Shiftern – mit jedem Mitglied seines schnell wachsenden Rudels – erfüllte ihn buchstäblich mit magischer Energie, und diese Kraft brauchte er, um ihr Revier zu verteidigen. Doch mit jedem weiteren Tag, den sich diese Sache hinzog, mit jedem Freund, den sie beerdigen mussten, wurde ihr Vertrauen in ihn erschüttert. Und dass er noch immer keine Partnerin gefunden hatte, half ihm auch nicht gerade. Normalerweise würde niemand von einem einundzwanzigjährigen Alpha erwarten, sich bereits fest zu binden, doch Marco hatte Verpflichtungen, die weitaus größer waren als die seiner Altersgenossen. Die Macht eines Paarungsbundes würde sein Rudel beruhigen und seinen Leuten versichern, dass er alles hatte, um sie auch weiterhin anzuführen.

Und sie mussten einfach zusammenhalten.

Shifter hatten schon immer aufeinander achtgegeben, doch jetzt, da sie im Internet und auf den Straßen zur öffentlichen Zielscheibe geworden waren, mussten sie erst recht an einem Strang ziehen... und die Sorge um sein persönliches Liebesleben verblasste im Vergleich dazu. Marcos Wolf verzog sich mürrisch in eine Ecke und erinnerte ihn daran, dass es für ihn eigentlich keine Option war, auf die langwierige Suche nach einer Seelenverwandten zu gehen. Die Sicherheit seines Rudels hatte Vorrang.

Er musste eine Partnerin finden. Und zwar bald.

Stefan steckte sein Handy weg. „Antonio kommt und kümmert sich um Christoph“, sagte er grimmig.

„Okay, dann lass uns gehen.“ Sie hatten nur noch wenige Minuten, bis sie auf ihrem Aufsichtsposten entlang des Schulwegs sein mussten.

Marco und Stefan eilten durch Seitengassen und überquerten mehrere Straßen, vorbei an leerstehenden, mit Brettern verbarrikadierten Geschäften, und den vereinzelten Läden oder Supermärkten, die noch geöffnet hatten. Menschen weigerten sich in der Regel, Shifter einzustellen, und vermieden es auch, wenn nur irgend möglich, in deren Nähe zu wohnen. Das langsame Aussterben von Marcos Revier war daher nichts Ungewöhnliches, sondern nur eine natürliche Folge dessen, dass Menschen überall dort wegzogen, wo Shifter sich niederließen. Die meisten Shifter seines Rudels waren hier gelandet, weil sie keinen Job oder keine Alternativen mehr hatten, doch manche von ihnen gingen noch immer einer Arbeit außerhalb des Reviers nach und pendelten dann in die Innenstadt zurück, um dem Rudel nah zu sein. Mit ihrem Geld konnten die wenigen Geschäfte unterstützt werden, die noch geblieben waren, und entweder von Shifter-Sympathisanten oder von Shiftern selbst betrieben wurden.

Aber es reichte hinten und vorne nicht, um alle zu versorgen – weswegen Marco notgedrungen seine Beziehungen zu Seattles Schwarzmärkten nutzte, wo sie mit Drogen, gestohlenen Autoteilen und anderen gefragten Dingen handelten. Und jetzt wurden auch noch die letzten seriösen Läden im Revier vom Wolfsjäger bedroht... so wie der von Meredith. Ihr Partner hielt das Geschäft zwar mit der Hilfe einiger Rudelmitglieder am Laufen, doch der Mann war in Trauer – er hatte seine Seelenverwandte verloren, seine Partnerin, die über dreißig Jahre an seiner Seite gestanden hatte… und das forderte seinen Tribut. Jedes Mal, wenn Marco in die leere Miene des Mannes blickte, wollte er die Folter, die er für den Wolfsjäger geplant hatte, um eine weitere Stunde verlängern, bevor er ihm schließlich erlauben würde, zu sterben.

Marco und Stefan beschleunigten ihre Schritte, um rechtzeitig zu ihrem Aufsichtsposten zu gelangen. In einer Seitenstraße, einen Block von der Hauptstraße entfernt, die sich durch die Innenstadt zog, bezogen sie Stellung. Ethan, das Kind, das diese Route nahm, wurde von den Schülerlotsen den gesamten Heimweg über nicht aus den Augen gelassen. Marco ging bei den Kindern kein Risiko mehr ein – er wollte, dass sie ständig beobachtet wurden. Er überprüfte die Uhrzeit auf seinem Handy. Sie hatten es rechtzeitig geschafft.

Der Block bestand größtenteils aus alten Mietshäusern, die zur Hälfte verlassen und zur Hälfte von Shiftern bewohnt waren. Ethan war erst zwölf Jahre alt und ein vollblütiger Shifter, aber noch nicht in der Pubertät, weshalb ihm der typische muskulöse Körperbau noch fehlte, den sich männliche Wölfe beim Heranwachsen aneigneten. Um über die Runden zu kommen, arbeiteten seine Eltern täglich bis spät abends außerhalb des Reviers, daher war Ethan wie viele andere Welpen hier ein Schlüsselkind. Dabei konnte Ethan sich glücklich schätzen, überhaupt zwei Elternteile zu haben. Die Hälfte der Kinder verbrachten ihre Nachmittage in der Gang-Unterkunft, wo ihnen ältere Shifter bei den Hausaufgaben halfen oder mit ihnen herumtobten, damit die Kinder lernen konnten, ihren Wolf zu kontrollieren, und sich andere überlebenswichtige Fähigkeiten aneigneten.

Merediths Lebensmittelgeschäft befand sich direkt um die Ecke und Marco nahm sich vor, dort noch vorbeizuschauen, um nach ihrem Partner zu sehen. Es würde nur eine Minute dauern, vielleicht konnte er Ethan einfach dorthin mitnehmen.

„Ich habe nachgedacht“, sagte Stefan mit einem Blick auf sein Handy, um die Uhrzeit zu kontrollieren. Ethan sollte jeden Moment zu sehen sein. „Viele dieser Kinder sind nachmittags allein zu Hause. Vielleicht können wir eine Art Netzwerk mit ihnen aufbauen. Ein paar Walkie-Talkies besorgen und—“ Stefan hielt abrupt inne, als auf einmal ein weißer Transporter um die Kurve schlitterte und dann eine Vollbremsung hinlegte. „Was zur Hölle?“

Genau in dem Moment kam auch Ethan um die Ecke geschlendert. Zwei Männer mit Sturmmasken und schwarzer Kampfausrüstung sprangen aus dem Heck des Transporters und rannten auf das Kind zu.

„Los, los, los!“, schrie Marco, während er seine Pistole hinten aus dem Hosenbund zog und auf den Jungen zustürmte. Scheiße! Sie waren fast einen Block entfernt und die Gangster hatten sich bereits auf Ethan gestürzt – Marco konnte nicht schießen, ohne zu riskieren, das Kind zu treffen. Da kam plötzlich eine junge Frau mit langen honigbraunen Haaren um die Ecke, ließ die Einkaufstüten, die sie auf den Armen getragen hatte, achtlos fallen, und begann, auf Ethan und die beiden Männer zuzurennen.

Verblüfft sah Marco, wie sich dieses drahtige Mädchen, das nicht viel kräftiger aussah als Ethan, auf einen der Kidnapper stürzte und ihm einen ordentlichen Tritt gegen die Brust verpasste. Ethan konnte sich losreißen, doch der zweite Mann packte ihn, bevor er davonlaufen konnte. Marco und Stefan waren fast bei ihnen, doch das Mädchen – dieses völlig durchgeknallte Mädchen – prügelte weiter mit Händen und Füßen auf den ersten Entführer ein. Als dieser sie zu packen bekam und hochhob, konnte Marco sehen, wie zierlich sie war – ein dünnes, kleines Ding – und dennoch drosch sie weiter wie wild auf den Mann ein. Aber sie hatte keine Chance, diesen Kampf zu gewinnen.

Dann shiftete sie. Sie wurde direkt in den Armen des Typen zur Wölfin, zerkratzte ihm das Gesicht und ging mit den Reißzähnen auf seine Kehle los. Dieses Mädchen war wirklich knallhart... und Marco hatte keine Ahnung, wer sie war.

Stefan hatte gerade Ethan und den zweiten Entführer erreicht, als plötzlich zwei weitere Typen aus dem hinteren Teil des Transporters sprangen. Die beiden stürzten sich auf Stefan, während der andere das Kind zum Wagen zerrte. Marco hatte noch immer keine freie Schussbahn, also steckte er seine Waffe weg und rannte mit fest auf Ethan gerichtetem Blick an Stefan und dem Mädchen vorbei, die immer noch mit den Entführern kämpften. Der Junge wehrte sich, doch er war nicht geshiftet – Marco hatte allen eingetrichtert, in menschlicher Gestalt zu bleiben. Es war zu leicht für jemanden, damit davonzukommen, wenn er sie in ihrer Wolfsgestalt tötete.

Der Kerl hatte Ethan schon fast in den Transporter geschleppt, als Marco sie erreichte und dem Kidnapper einen Schlag verpasste, der ihn weit genug ausknockte, dass Marco den Jungen befreien konnte.

„Renn!“, befahl Marco ihm. Ethan raste wie der Blitz davon... blieb allerdings am Ende des Bürgersteigs schon wieder stehen. Der Entführer berappelte sich wieder und kam jetzt mit einer Art langläufigen Pistole aus dem Transporter zurück. Marco packte die Waffe, woraufhin sich ein Schuss daraus löste – doch sie schien einen Schalldämpfer zu haben, denn es war lediglich ein seltsames Zischen zu hören. Marco entriss dem Mann die Pistole und schlug ihm damit so heftig ins Gesicht, dass dieser rücklings durch die offene Tür in den Transporter kippte. Daraufhin drehte sich der Kerl auf dem Fahrersitz herum und zielte mit einer ähnlichen langläufigen Waffe auf Marco. Er wirbelte herum und ging hinter der halb geöffneten Hecktür des Transporters in Deckung. Schon wieder dieses Zischen. Das waren keine normalen Schüsse – diese verdammten Dinger mussten Betäubungspistolen sein.

Mittlerweile hatten die beiden anderen Angreifer Stefan zu Boden gedrückt und er stand kurz davor, seinen Kampf zu verlieren. Marco eilte ihm zu Hilfe und rammte einem von ihnen die Betäubungspistole gegen den Kopf und schickte ihn zu Boden, doch ein erneutes Zischen ließ Marco aufblicken. Die Wolfsgestalt des Mädchens war in den Armen des ersten Entführers zusammengesackt und wurde jetzt von ihm in Richtung Transporter geschleppt.

Marco hob seine langläufige Pistole. „Lass das Mädchen los!“

Als der Mann ihn ignorierte, feuerte Marco und landete einen sauberen Treffer, der den Mann und das Wolfsmädchen neben dem Transporter zu Boden gehen ließ. Geduckt rannte Marco zu ihr, um nicht in das Schussfeld des Fahrers zu geraten, der noch immer versuchte, auf ihn zu zielen. Als er bei ihr war, hob er sie mit einem Arm vom Boden hoch und ließ die Waffe fallen, um dem Typen, der sich von hinten auf ihn stürzen wollte, seine Krallen durchs Gesicht zu ziehen. Er und der andere Angreifer hatten von Stefan abgelassen, um dem ersten am Boden liegenden Entführer zur Hilfe zu eilen. Marco kämpfte sich an ihnen vorbei und zog das Mädchen mit sich zu Stefan, der gerade wieder auf die Beine kam.

Marco überreichte seinem Beta den reglosen Wolfskörper des Mädchens.

Die Männer zerrten ihren bewusstlosen Partner durch die offene Hecktür in den Transporter. Sobald sie drin waren, fuhr der Wagen mit quietschenden Reifen los, während die Männer die Tür hinter sich zu knallten. Marco zog seine eigene Waffe hervor und versuchte, auf die Reifen zu zielen, bevor sie flüchten konnten. Doch der Transporter verschwand zu schnell um die Ecke und er wollte keinen Querschläger riskieren. Nicht in diesem Viertel. In den Häusern um sie herum lebten zu viele Shifter mit kleinen Kindern.

Sie waren entkommen.

Scheiße.

Stefan hatte das Wolfsmädchen vor seinen Füßen abgelegt. Ihr Fell hatte dieselbe honigbraune Farbe wir ihre Haare. Als er sich hinkniete, um sie nach Wunden abzusuchen, fand er rasch den Pfeil, der in ihrer Flanke steckte. Er zog ihn heraus und warf ihn beiseite.

Ethan kam zu ihnen herübergeeilt. „Ist sie in Ordnung?“ Sein junges Gesicht verzerrte sich vor Sorge – was Marco beinahe zum Lächeln gebracht hätte. Ethan würde eines Tages einen guten Partner abgeben. Er machte sich mehr Sorgen um das Mädchen als um sich selbst... auch wenn Marco sehen konnte, dass die Hände des Jungen zitterten.

„Die wird schon wieder“, sagte Marco. „Das war nur irgendein Betäubungspfeil. Aber wahrscheinlich wird sie noch eine Weile bewusstlos sein. Kennst du sie?“

Ethan schüttelte den Kopf. Nein.

Stefan blickte stirnrunzelnd auf sie hinab. „Hast du gesehen, wie sie auf die Typen losgegangen ist?“

Marco hatte es nicht nur gesehen, er war ziemlich beeindruckt gewesen. Und, wie er zumindest sich selbst eingestehen musste, auch ein wenig angetörnt.

„Scheiße, ja“, sagte Marco und ließ Anerkennung in seiner Stimme mitschwingen. Das Mädchen hatte selbstlos ihre Einkäufe beiseite geworfen, um einem Kind, das sie nicht einmal kannte, zur Hilfe zu eilen und zu verhindern, dass es entführt wurde. „Ich weiß nicht, ob wir es geschafft hätten, diese Typen aufzuhalten, wenn sie sich nicht dazwischengeworfen hätte.“ Mit dem Kopf deutete Marco auf das geplatzte Netz Orangen und die Ramen-Packungen, die sich auf dem Bürgersteig verteilt hatten. „Ethan, mein Mann, würdest du die Einkäufe dieser netten Frau aufheben? Sie hätte sie bestimmt gerne wieder, wenn sie aufwacht.“

Ethan nickte eifrig und hastete los, um die verstreuten Einkäufe aufzusammeln.

Dann shiftete das Mädchen plötzlich wieder in ihre menschliche Gestalt. Marco sprang auf und machte einen Schritt zurück. Shifter shifteten nicht, während sie bewusstlos waren. Egal in welcher Gestalt sie sich befanden, sie behielten sie bei, bis sie wieder zu sich kamen. Stefan und er sahen beide mit offenem Mund zu, wie sie mehrmals hin und her shiftete – von Wolf zu Mensch, Mensch zu Wolf – bis sie schließlich in ihrer Menschengestalt blieb.

Welche nackt, wunderschön, und verdammt heiß war. Trotz ihrer drahtigen und muskulösen Statur war sie an genau den richtigen Stellen kurvig – und ihre schlanke, weibliche Stärke hatte sofort die ungeteilte Aufmerksamkeit seines Wolfes.

Dann wurde ihm klar, dass er den nackten Körper einer bewusstlos auf der Straße liegenden Frau anstarrte. Gar nicht cool, Marco.

Er sah zu Stefan, der die Augenbrauen hochgezogen hatte.

Marco knurrte ihn an: „Los, hör auf rumzusabbern und hol ihre Klamotten.“

Stefan schnaubte lachend. „Fragt sich nur, wer hier rumsabbert.“ Doch er lief los, um ihre Kleidung zu holen, die noch an der Stelle lag, wo sie das erste Mal geshiftet war.

Ethan kehrte zurück, eine mit den Einkäufen gefüllte Plastiktüte in den Händen, blieb dann aber abrupt stehen und starrte perplex und mit offenem Mund auf den nackten Körper der jungen Frau.

Marco sah ihn streng an. „Dreh dich um, Ethan. Gib dem Mädchen etwas Privatsphäre.“

Ethan zuckte zusammen, als hätte er einen Stromschlag bekommen, und drehte dem Mädchen den Rücken zu.

Marco musste sich zusammenreißen, um nicht lachend loszuprusten.

Stefan grinste immer noch, als er mit der Kleidung zurückkehrte. „Als Alpha hast du natürlich ein Vorrecht auf, nun ja, alles, was diese besondere Situation verlangt. Aber ich hätte absolut nichts dagegen, dir diese Verpflichtung abzunehmen.“ Er sprach davon, das Mädchen wieder anzuziehen. Was offensichtlich erledigt werden musste, aber das würde er auf keinen Fall Stefan machen lassen.

Marco riss ihm die Anziehsachen aus den Händen. „Halt die Klappe.“

Stefan schnaubte erneut, drehte sich dann um und legte Ethan seinen Arm um die noch immer zitternden Schultern. Das Kind hielt die Einkäufe fest, als hinge sein Leben davon ab.

„Komm, Kurzer“, sagte Stefan. „Wir bringen dich zurück in die Unterkunft. Marco kommt dann mit dem Mädchen nach... wenn er mit Sabbern fertig ist.“ Er warf einen Blick über die Schulter und wackelte mit den Augenbrauen.

Marco bedachte ihn zum Abschied mit einem genervten Zähnefletschen.

Als sie davongingen, rieb Marco sich mit einer Hand übers Gesicht. Er musste es irgendwie schaffen, dieses unbekannte, schöne Mädchen anzuziehen, ohne sich dabei wie ein Perverser anzustellen. Dann entschied er, dass es umso besser war, je schneller er es hinter sich brachte. Also zog er ihr so schnell es ging die Anziehsachen über, wobei er seinen Händen nicht erlaubte, irgendwo länger zu verweilen, und seinem dämlichen Wolf befahl, mit diesem verdammten lüsternen Winseln aufzuhören. Dann hob Marco sie vom Bürgersteig auf und hielt ihren schlanken und muskulösen Körper an seine Brust.

Augenblicklich jaulte sein Wolf zustimmend auf.

Oh, Mann. Er hatte noch nicht einmal mit diesem Mädchen gesprochen und sein Wolf war schon bereit, sie zu seinem Weibchen zu machen.

Während er sie die vier Blocks zur Gang-Unterkunft trug, betrachtete er ihr Gesicht genauer und versuchte zu verstehen, wie eine so umwerfende Frau ohne sein Wissen in sein Revier hatte kommen können. Hatte sie keinen Partner? War sie schon lange hier? Verlor er den Kontakt zu seinem Rudel? Eigentlich sollte er über alles Bescheid wissen, was in seinem Revier vor sich ging. Die Sache mit dem Wolfsjäger hatte ihn offenbar ziemlich eingenommen.

Eines stand jedoch fest – er wollte dieses Mädchen in seinem Rudel haben. Unbedingt. Sie war eine Wahnsinnskämpferin und so unglaublich heiß, dass sein Wolf sie jetzt schon für sich beanspruchen wollte. Zweifellos würde auch jeder andere männliche Shifter in seinem Rudel hinter ihr her sein, daher war es gut, dass er ihr als erster begegnet war. Als Alpha hatte er traditionell ein Vorrecht auf alle ungepaarten Shifterinnen in seinem Revier – ein Anrecht, das er in erster Linie dazu benutzte, um sie vor den notgeilen Avancen anderer Rudelmitglieder zu schützen. Zumindest bis das Weibchen entschieden hatte, wen sie zum Partner haben wollte. Anders als das Monster, das dieses Revier regiert hatte, bevor Stefan und er ihn gestürzt hatten, glaubte Marco nicht an Zwangspaarungen. Doch die Traditionen waren tief verwurzelt und er nutzte sie, um alles zivilisiert zu halten. Sein Rudel mochte am Rande der Gesellschaft leben, doch das war kein Grund, sich wie Wilde zu verhalten.

Dieses Mädchen war in seinem Revier und unter seinem Schutz sicherer als sonst irgendwo in der Stadt. Auch wenn die Art, wie sie diese Typen verprügelt hatte, ihn vermuten ließ, dass sie daran gewöhnt war, sich alleine durchzuschlagen.

Was seinen Wolf nur noch interessierter hecheln ließ.

Wenn sie wieder aufwachte, würde er eine ganze Reihe Fragen an dieses Mädchen haben.

KapitelZwei

Julia wachte ruckartig auf und saugte erschrocken Luft in ihre Lungen, als wäre sie kurz vor dem Ertrinken gewesen.

Sie befand sich in einem winzigen Raum und lag auf einer schmalen Pritsche mit einer kratzigen Decke unter sich. Ihr gegenüber saß ein riesiger Typ, mit mehr Muskeln als sie je zuvor bei einem Mann gesehen hatte.

Oh, Scheiße.

Ein rascher Blick durch den Raum zeigte ihr, dass sie mit ihm allein war – keine Spur von dem Jungen. Sie hätte sich nicht einmischen sollen. Es hatte offensichtlich nicht geholfen und nur dazu geführt, dass sie jetzt beide gefangen waren.

Was zur Hölle hatte sie sich nur dabei gedacht?

Die Antwort lautete: nichts. Sie hatte einfach nur reagiert, weil Kinder zu entführen das absolut Letzte war.

Trotz seiner breiten Schultern und den massigen Muskeln wirkte der Typ ihr gegenüber noch recht jung. Er war gerade mit seinem Handy beschäftigt gewesen, als sie aus ihrer Bewusstlosigkeit aufgeschreckt war.

Jetzt schob er es zurück in seine Hosentasche. „Hey, du bist wach.“

Der Plastikstuhl, auf dem er saß, sah ziemlich klapprig aus. Wahrscheinlich würde sie nur eine einzige Chance bekommen, ihn zu überrumpeln.

Julia katapultierte sich mit aller Kraft von ihrer Liege hoch und trat ihm mit ausgestrecktem Bein in den Magen. Mit einem Schnaufen entwich ihm sämtliche Luft, während sein Stuhl nach hinten rutschte und gegen die Wand krachte. Durch den Tritt verlor Julia das Gleichgewicht und fiel zu Boden, doch sie war gewappnet, sprang umgehend wieder auf und hechtete zur Tür.

Wenn sie es nur nach draußen schaffen konnte⁠—

Aber gerade, als sie die Tür erreicht hatte, packte er sie von hinten. Sie wirbelte herum und erwischte ihn mit einem wuchtigen Faustschlag im Gesicht, der seinen Kopf zur Seite kippen ließ. Dann versuchte sie, ihr Knie hochzuziehen, um es ihm zwischen die Beine zu rammen, doch er wich ihrem Tritt aus und zog sie mit seinen massiven Armen an sich. Sie wehrte sich gegen seinen Griff, konnte sich aber nicht befreien – verdammt, war dieser Typ stark.

Er trug zwar seine Kampfausrüstung und die Maske nicht mehr, doch sie war sich sicher, dass er vorhatte, ihr wehzutun – Gangster, die Kinder entführten, schreckten wahrscheinlich auch nicht vor Vergewaltigungen zurück. Mit ihrer Verzweiflung wuchs auch die Kraft, mit der sie sich zu befreien versuchte, doch es half alles nichts – mit beiden Händen packte er ihre Arme, presste sie an ihre Seiten und drängte sie zurück auf die Pritsche. Sein massiger Körper tat den Rest, drückte sie mit seinem Gewicht herab und machte es endgültig sinnlos, sich zu wehren.

Fuck.

Ein leichtes Lächeln lag auf seinem Gesicht. „Du musst mich nicht bekämpfen.“

Doch wenn er glaubte, dass sie sich kampflos ergeben würde, irrte er sich gewaltig.

Und plötzlich stieg ihr Biest in ihr auf, wahrscheinlich als Reaktion auf das Gefühl, in die Enge gedrängt zu sein, so wie zuvor beim Transporter, als dieser Kerl sie mit irgendetwas betäubt hatte. Wild und unaufhaltsam kam es an die Oberfläche – genau wie damals, als sie völlig die Kontrolle verloren und ihr Leben ruiniert hatte. Ein Ereignis, nach dem es für sie stetig bergab gegangen war, bis sie schließlich hier gelandet war. Sie versuchte, zu verhindern, dass es nochmal geschah, denn selbst wenn dieser Typ sie womöglich vergewaltigen würde, wusste sie nicht, ob sie es verkraften konnte, das Blut eines weiteren Menschen an ihren Händen zu haben. Buchstäblich. Sie war sich nicht sicher, ob ihre Psyche das aushalten würde. Es könnte das Fass zum Überlaufen bringen und sie unwiderruflich in eine Bestie verwandeln.

Sie zog die Luft durch die Zähne ein und versuchte, sich zu beruhigen und ihre innere Wölfin im Zaum zu halten, doch es war zwecklos – Angst und Panik wuchsen weiter in ihr an, bis ihre Wölfin schließlich aus ihr herausbrach und sie direkt unter dem Mann shiftete. Ihre Krallen und Fangzähne kamen hervor und zerfetzten sein dünnes T-Shirt, während sie nach dem weichen, entblößten Fleisch an seiner Kehle schnappte.

„Scheiße“, keuchte er und versuchte angestrengt, sie weiterhin festzuhalten. Dann shiftete er ebenfalls.

Was zum... Er war ein Shifter? Heilige Scheiße. Jetzt stieg erst recht Panik in ihr auf. Sie krallte sich in ihn, biss und kratzte, doch es dauerte nicht einmal eine Sekunde, bis er sie wieder nach unten gedrückt und ihre Kehle zwischen seinen Fangzähnen hatte.

Sie erstarrte.

Ich werde dir nicht wehtun, sagte eine Stimme in ihrem Kopf.

Entsetzt fuhr sie zusammen. Gütiger Himmel. Konnte er etwa in ihren Verstand eindringen? Ihr Herz hämmerte wie ein Presslufthammer in ihrer Brust.

Shifte zurück in deine menschliche Gestalt und ich lasse dich los, sagte die Stimme.

In den Worten lag ein Befehlston, der sie durchdrang und irgendwie ihre Wölfin ansprach – die sich ihm offenbar nicht widersetzen wollte. Und es war mehr dieser Befehl als ihr eigener Wille, der sie wieder in ihre menschliche Form shiften ließ.

Er wich zurück und ließ sie nackt und allein auf der Pritsche liegen, während er ebenfalls in seine Menschengestalt zurückshiftete. Dann wandte er ihr schnell den Rücken zu, doch nicht bevor sie seinen gewaltigen Ständer bemerken konnte, den er offensichtlich zu verbergen versuchte. Sie verstand immer weniger, was hier vor sich ging, vor allem nicht, warum ihre sich Wölfin ohne zu murren in die Tiefen ihres Inneren zurückzog, einfach nur, weil er es befohlen hatte.

Immer noch mit dem Rücken zu ihr hob der Mann seine Kleidung auf. „Zieh dich an“, sagte er heiser. „Ich werde dir nicht wehtun.“

Sie zögerte, während das Adrenalin noch immer in Wellen durch ihren Körper pulsierte, doch dann beeilte sie sich, ihre Anziehsachen aufzusammeln, die beim Shiften neben die Pritsche gefallen waren. Sie drückte die Klamotten gegen ihre Brust, um ihre Nacktheit zu bedecken, und rutschte zum hinteren Ende der Pritsche – so weit weg von ihm, wie sie nur konnte. Sie war sich nicht sicher, ob sie sich anziehen oder einen weiteren Fluchtversuch unternehmen sollte, solange er ihr den Rücken zugekehrt hatte.

Als hätte er ihr Zögern gespürt, wandte er sich halb um und schielte aus dem Augenwinkel zu ihr. „Zieh dich an, damit ich mich umdrehen kann.“ Wieder dieser Befehlston. Dann ließ er seinen breiten, muskulösen Rücken unter dem zerrissenen T-Shirt verschwinden. Wenn er sie wirklich vergewaltigen wollte, ergab es wenig Sinn, dass er sich wieder angezogen hatte.

Sie beeilte sich, ebenfalls in ihre Klamotten zu schlüpfen. „Du kannst mich hier nicht festhalten.“ Sie versuchte, um einiges härter zu klingen, als sie sich fühlte.

„Du bist keine Gefangene hier.“ Er warf ihr einen weiteren verstohlenen Blick zu und sah dann wieder weg.

Sie war immer noch dabei, sich anzuziehen. „Wo ist der Junge? Was habt ihr mit ihm gemacht?“ Sie zog sich ihr T-Shirt über den Kopf und war endlich wieder vollständig bekleidet.

Er drehte sich zu ihr um. „Der Junge heißt Ethan. Und er ist draußen und macht seine Hausaufgaben.“ Sein Blick wanderte prüfend über ihren Körper, doch seine Worte verwirrten sie – wer entführte ein Kind, um es dann seine Hausaufgaben machen zu lassen?

„Ich verstehe nicht ganz, was hier läuft.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und zog ihre Knie an, nur für den Fall, dass dieser musternde Blick ihn dazu verleiten würde, sie doch wieder anzugehen. Wobei, wenn man es genau nahm, war sie diejenige gewesen, die ihn als erstes angegriffen hatte.

„Was hier läuft, ist, dass du versucht hast, Ethans Entführung zu verhindern“, sagte er, weiterhin den Blick auf sie gerichtet. „Das war ziemlich mutig von dir. Und da schien es einfach nicht richtig, dich diesen Mistkerlen zu überlassen, die dich betäubt haben.“

Sie kniff die Augen zusammen. „Also, bist du nicht der...“ Ihre Erinnerung an den Kampf war immer noch etwas verschwommen. Da waren so viele Angreifer gewesen und es war so viel gleichzeitig passiert. Sie erinnerte sich vage daran, dass noch jemand anderes hinzugekommen war, aber sie war zu sehr damit beschäftigt gewesen, um ihr Leben zu kämpfen, als dass sie das richtig wahrgenommen hätte. „Du bist nicht der Typ, der versucht hat, das Kind zu entführen?“

Er schüttelte den Kopf. „Ich bin der Typ, der es verhindert hat.“ Das leichte Lächeln von zuvor kehrte zurück. „Mit deiner Hilfe.“

Er war ungefähr so alt wie sie, vielleicht einundzwanzig, mit einem jugendlich frischen Aussehen, trotz all der Muskeln. Seine dunkelblauen Augen glühten, als sein Blick erneut über sie glitt, doch diesmal hatte ihre Wölfin keine Angst – denn er wirkte nicht feindselig. Neugierig und fragend vielleicht. Definitiv interessiert, aber zurückhaltend. Seine große und dunkle Attraktivität war nicht zu leugnen... vor allem jetzt, wo sie keinen Übergriff mehr von ihm befürchten musste. Denn offenbar hatte er sie vor den Männern gerettet, die das tatsächlich versucht hatten.

„Ich heiße Marco Wilding. Und du?“

Sie zögerte, aber warum sollte sie das jetzt noch für sich behalten? „Julia.“ Ihren Nachnamen verschwieg sie jedoch und hoffte, dass er nicht nachhaken würde.

Er nickte anerkennend, was ihr aus unerklärlichem Grund Hitze ins Gesicht steigen ließ. Ihre Wölfin reagierte auf ihn… sie wurde unruhig und aufgeregt, aber nicht auf eine schlechte Art. Was äußerst ungewöhnlich war, denn bisher hatte sich ihre Wölfin nur gezeigt, wenn Julia in Panik geraten war – dann ergriff sie Besitz von ihr und verwandelte Julia in ein wildes und unkontrollierbares Biest.

Marco schenkte ihr ein kleines Lächeln. „Du stehst jetzt unter dem Schutz meines Rudels. Wenn diese Kerle zurückkommen und versuchen sollten, dich zu schnappen, wie sie es bei Ethan versucht haben, werden wir das zu verhindern wissen. Aber vielleicht magst du mir ja erzählen, warum du überhaupt in mein Revier gekommen bist?“ Er wischte sich ein kleines Rinnsal Blut aus dem Mundwinkel, sah auf seinen verschmierten Handrücken und schüttelte den Kopf. Sein Lächeln wurde breiter.

Dieses Lächeln – und die Tatsache, dass sein zerrissenes T-Shirt die Muskeln darunter kaum verbergen konnte – weckten das Interesse ihrer Wölfin nur noch mehr und sorgten für ein kribbelndes Ziehen tief in ihrem Bauch. Was zum Teufel? Fühlte sie sich tatsächlich zu einem Typen hingezogen, der sie gerade noch irgendwie angegriffen hatte?

Nur hatte er das genau genommen gar nicht. Nicht wirklich.

Sie musste es hier mit einer der Shifter-Gangs zu tun haben. Gott, sie hätte wirklich vorsichtiger sein sollen. Immerhin war ihr durchaus klar gewesen, dass diese Gegend von irgendeiner Gang kontrolliert wurde.

Aber zu ihrer Verteidigung – sie war mit genügend anderen Dingen beschäftigt gewesen.

„Ich wusste nicht, dass das dein Revier ist.“ Sie rutschte zum Rand der Pritsche, immer noch auf einen gebührenden Abstand zu ihm bedacht, und stand langsam auf. „Dann… geh ich mal wieder...“ Sie machte einen Schritt auf die Tür zu.

Doch er schob sich vor sie und versperrte ihr den Weg.

Okay…„Hast du nicht gesagt, ich sei keine Gefangene?“ Herausfordernd reckte sie das Kinn hoch.

Er wirkte, als müsste er ein Grinsen unterdrücken. „Bist du nicht. Und jeder, der versuchen sollte, dich irgendwo gegen deinen Willen festzuhalten, tut mir jetzt schon leid.“ Dann wurde seine Miene wieder ernst. „Hör zu, es ist vollkommen okay, wenn du mir nicht sagen willst, warum du in meinem Revier bist. Hier landen ständig Shifter, und das aus den unterschiedlichsten Gründen, die Einzelheiten muss ich wirklich nicht wissen. Was ich allerdings wissen muss, ist, ob du bleiben willst oder nur auf der Durchreise bist.“

Sie runzelte die Stirn. Tatsächlich wusste sie selbst nicht so richtig, was sie vorhatte. „Ich... ich habe meinen Job verloren. Und in letzter Zeit irgendwie... auf der Straße gelebt.“ Das war nahe genug an der Wahrheit. „Ich will nur möglichst unbemerkt bleiben. Du weißt schon, nicht die Aufmerksamkeit der Polizei auf mich ziehen und so.“ Würde er dazu eine Erklärung von ihr verlangen? Oder schlimmer noch, sie ausliefern? Irgendwie fühlte es sich an, als könnte dieser Typ in sie hineinschauen und viel mehr sehen, als das, was sie laut aussprach.

Er zog eine Augenbraue hoch. „Ja, Shifter und die Polizei kommen für gewöhnlich nicht so gut miteinander aus.“

Sie nickte und wartete ab, doch er ging nicht weiter darauf ein. „Gut zu wissen.“

Jetzt runzelte er ebenfalls die Stirn und musterte sie erneut, als versuchte er, aus ihr schlau zu werden. Und gütiger Himmel, wie ihr Körper auf den interessierten Blick seiner blauen Augen reagierte. Vor allem, als er sich auf die Lippe biss und sie mit dieser durch und durch männlichen Art ansah. Diesem unterdrückten Verlangen in den Augen... War die Zimmertemperatur gerade um zehn Grad angestiegen oder kam ihr das nur so vor? Warum sprach sie derart auf einen Mann an, den sie noch nicht einmal kannte? Selbst normale Männer – nette Typen, mit denen sie tatsächlich ausgegangen war und die sie gemocht hatte – hatten nicht diese unmittelbare, brennend heiße Lust in ihr ausgelöst. War sie von ihrer pausenlosen Flucht so erschöpft und durch den Wind, dass ihr ganzes System völlig aus dem Gleichgewicht war?

Gott, sie musste sich zusammenreißen.

„Gehe ich recht in der Annahme, dass du nicht gepaart bist?“ Seine Augen leuchteten interessiert auf.

Nicht gepaart? Was zur Hölle war das denn für eine Frage? Vermutlich so ein Wolfsding. „Das scheint mir eine ziemlich persönliche Frage zu sein.“

Er grinste breit und schien ein Lachen zu unterdrücken. „Ja, ich schätze, das ist es.“

Sie war sich nicht sicher, ob sie ihm dieses Grinsen mit einer Ohrfeige aus dem Gesicht wischen... oder es einfach wegküssen wollte. Was war nur mit ihr los?

„Also, ich…“ Sie zögerte, doch warum sollte sie es für sich behalten – es musste sowieso offensichtlich sein. „Ich habe gerade erst herausgefunden, dass ich ein Wolf bin, okay? Deswegen kenne ich mich mit den ganzen Fachausdrücken noch nicht so aus.“

Mit einer Art überraschter Belustigung zog er die Stirn kraus. „Fachausdrücke?“

„Was auch immer.“ Okay, vielleicht war es doch ein Fehler gewesen, es ihm zu sagen. Sie sah zur Tür. Konnte sie wirklich einfach gehen? Oder würde er sie wieder aufhalten?

Er streckte die Hände aus und schaffte es auf bemerkenswerte Weise, ein Lachen zu unterdrücken. „Entschuldige. Das war nur... nicht die Antwort, mit der ich gerechnet hatte.“ Dann wurde er wieder ernst. „Also… gehe ich einfach mal davon aus, dass du wirklich noch nicht gepaart bist. Denn wenn du es wärest, hättest du verstanden, warum ich gefragt habe.“

Sie zuckte mit den Schultern, doch sein Paarungsgerede ließ ihr Hitze ins Gesicht steigen... und unglaublicherweise auch zwischen ihre Beine. Sie war noch nie zuvor einem Shifter von Angesicht zu Angesicht begegnet – waren diese ganzen verrückten Signale auch so ein Wolfsding?

Als wäre ihr Leben nicht schon irrsinnig genug. „Okay, ja. Dann bin ich wohl ungepaart…“ Sie senkte den Kopf und starrte zu Boden. Sie musste sich endlich zusammenreißen, aus dem kleinen Raum mit diesem schnuckeligen Jungen entkommen und ihre nächsten Schritte planen. Bevor sie in diese Sache mit dem Kind geraten war, hatte sie sich darum bemüht, irgendwie wieder von der Straße runterzukommen. Darum musste sie sich als allererstes kümmern…

Marco kam auf sie zu. „Pass auf, ich bin der Alpha hier. Ich bin dafür verantwortlich, Weibchen ohne Partner zu beschützen. Das heißt, solange du bei mir oder in meinem Revier bist, bist du in Sicherheit. Falls du darüber nachdenkst, zu gehen... tu es bitte nicht. Zumindest erstmal nicht. Du willst untertauchen? Das kannst du auch hier bei uns. Ganz abgesehen davon, brauchst du Schutz – diese Gangster würden dich jetzt wiedererkennen. Ich vermute mal, dass du schon vom Wolfsjäger gehört hast?“

Natürlich hatte sie das. Die Nachrichten waren voll mit ihm. Und was gab es besseres, als herauszufinden, dass man ein Wolf war, während ein Wahnsinniger anfing, Wölfe zu jagen? Außerdem wurden einige seiner Anhänger immer gewaltbereiter und hatten schon Bombenanschläge auf Shifter verübt.

Sie nickte einfach.

„Also, ich gehe davon aus, dass die Typen, die dich angegriffen haben, für den Wolfsjäger arbeiten. Und ich bin dir wirklich dankbar, dass du dich ihnen in den Weg gestellt hast – ohne dich hätten sie Ethan höchstwahrscheinlich entführt. Und er wäre so geendet, wie die anderen vor ihm.“

„Es gab schon andere?“ Sie runzelte die Stirn. „Was ist mit ihnen passiert?“

Seine Miene verfinsterte sich. „Sie sind tot. Und es war mit Sicherheit kein sanfter oder schneller Tod.“

Sie verzog das Gesicht. Gott, warum war diese Welt so verflucht grausam? Und beinahe wäre sie auch in die Fänge dieser Wahnsinnigen geraten. Ihr Magen drehte sich um und ihr wurde schwindelig. Wie lange hatte sie schon nichts mehr gegessen? Es schien ewig her zu sein. Hinter ihr lagen endlose Tage des Umherirrens, voller Angst vor ihrem inneren Biest und in ständiger Furcht, gefasst zu werden... Verdammt, sie fühlte sich so verloren...

„Hey, es ist alles in Ordnung.“ Irgendwie brachte der beruhigende Ton seiner Stimme sie dazu, ihm zu glauben. Auch wenn ihr Leben wirklich alles andere als in Ordnung war. „Solange du hier bist, werden ich und mein Rudel dich beschützen. Das ist das Mindeste, was wir für dich tun können, nachdem du Ethan gerettet hast.“ Er sah sie an und zögerte kurz. „Du sagtest, dass es noch neu für dich ist, ein Wolf zu sein, richtig?“

Sie nickte wieder und fühlte sich immer noch etwas benommen. Sollte sie wirklich hierbleiben? Bei einem Wolfsrudel? Ergab das überhaupt Sinn? Sie wusste gerade nicht einmal mehr, wo oben und unten war.

„Vielleicht könnte ich dir ein bisschen beibringen. Du weißt schon, darüber, wie es ist, ein Wolf zu sein. Du scheinst deine Wölfin, nun ja, nicht gerade gut unter Kontrolle zu haben. Nicht böse gemeint.“

Wieder stieg ihr diese Hitze ins Gesicht. Warum wühlte die Gegenwart dieses Typens sie so auf? Und warum dachte sie überhaupt darüber nach, zu bleiben? Er hatte sie womöglich vor einem schrecklichen Tod durch den Wolfsjäger gerettet – doch das war nicht zwingend ein Grund, hierzubleiben, und machte es auch nicht automatisch zu einer guten Idee.

„Warum willst du mir helfen?“, fragte sie stirnrunzelnd.

Sein lässiges Selbstbewusstsein schien zu verschwinden, als wäre ihm die Frage unangenehm. Er senkte den Blick und ließ ihn einen Moment über den Boden wandern. Dann nickte er, aber mehr zu sich selbst, als hätte er etwas entschieden. Als er wieder aufschaute, sagte er bestimmt: „Wir Wölfe müssen zusammenhalten.“

Sie behielt ihr Stirnrunzeln bei und war sich nicht sicher, ob sie ihm das abkaufen sollte.

---ENDE DER LESEPROBE---