2,99 €
Wenn das Schicksal dir bestimmt, die Seelenverwandte eines Drachen zu werden, spielt Liebe dann noch eine Rolle?
Nichts ergibt mehr einen Sinn.
Ich wache in einem Krankenhausbett auf und kann mich an nichts aus den letzten 2 Wochen erinnern. Ich habe keine Ahnung, wo ich bin, habe aber einen umwerfenden Typen an meinem Bett sitzen, der mir jeden Wunsch von den Lippen abliest. Naja, nicht jeden Wunsch… noch nicht. Aber er ist unglaublich heiß und sogar noch süßer. Und bevor ich mich versehe, beichte ich ihm all meine Sünden – und weihe ihn in die Dunkelheit ein, die ich in mir trage.
Aber was habe ich nur getan, an das ich mich nicht erinnern kann?
Dann fängt er an, mir von magischen Dunkelelfen, Drachen und Seelenverwandten zu erzählen und … ich versuche augenblicklich, zu fliehen. Denn offensichtlich habe ich jetzt endgültig den Verstand verloren – nichts von dem hier kann real sein.
Cinder ist eine warmherzige Fotografin, Aleks ein Drache, dem die Zeit davonläuft… Dabei scheint Cinder wohl für jemand anderen bestimmt zu sein, aber er schafft es nicht, das seinem Herzen klarzumachen.
„My Dragon Keeper“ ist eine heiße Drachen-Shifter-Romanze, in der Leidenschaft die Bettlaken aufheizen und Drachenfeuer euer Herz erwärmen wird.
Alle Teile der "Broken Souls"- Reihe:
Broken Souls 1 - My Dragon Lord
Broken Souls 2 - My Dragon Keeper
Broken Souls 3 - My Dragon Mate
Broken Souls 4 - My Dragon Bodyguard
Broken Souls 5 - My Dragon Lover
Broken Souls 6 - My Dragon Master
Broken Souls 7 – Akkan
Andere Bücher von Alisa Woods:
Alle Teile der "River Pack Wolves" Trilogie:
River Pack Wolves 1 - Jaxson
River Pack Wolves 2 - Jace
River Pack Wolves 3 – Jared
Alle Teile der "Wilding Pack Wolves"-Reihe:
Wilding Pack Wolves 1 - Wild Game
Wilding Pack Wolves 2 - Wild Love
Wilding Pack Wolves 3 - Wild Heat
Wilding Pack Wolves 4 - Wild One
Wilding Pack Wolves 5 - Wild Fire
Wilding Pack Wolves 6 - Wild Magic
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2025
Text copyright © 2019 by Alisa Woods
All rights reserved.
Kein Teil dieser Publikation darf ohne die Erlaubnis des Herausgebers reproduziert, in einem Datenspeichersystem hinterlegt oder in jeglicher Art und Form weitergegeben werden, elektronisch oder mechanisch, inklusive Fotokopien, Aufnahmen oder Sonstigem.
English Copyright 2019 by Alisa Woods
2021 Deutsche Übersetzung von Michael Drecker
Herausgeber: Michael Drecker, Stühmeyerstraße 54, 44787 Bochum, Deutschland
Cover by BZN Studio
* * *
Wenn das Schicksal dir bestimmt, die Seelenverwandte eines Drachen zu werden, spielt Liebe dann noch eine Rolle?
Nichts ergibt mehr einen Sinn.
Ich wache in einem Krankenhausbett auf und kann mich an nichts aus den letzten 2 Wochen erinnern. Ich habe keine Ahnung, wo ich bin, habe aber einen umwerfenden Typen an meinem Bett sitzen, der mir jeden Wunsch von den Lippen abliest. Naja, nicht jeden Wunsch… noch nicht. Aber er ist unglaublich heiß und sogar noch süßer. Und bevor ich mich versehe, beichte ich ihm all meine Sünden – und weihe ihn in die Dunkelheit ein, die ich in mir trage.
Aber was habe ich nur getan, an das ich mich nicht erinnern kann?
Dann fängt er an, mir von magischen Dunkelelfen, Drachen und Seelenverwandten zu erzählen und … ich versuche augenblicklich, zu fliehen. Denn offensichtlich habe ich jetzt endgültig den Verstand verloren – nichts von dem hier kann real sein.
Cinder ist eine warmherzige Fotografin, Aleks ein Drache, dem die Zeit davonläuft… Dabei scheint Cinder wohl für jemand anderen bestimmt zu sein, aber er schafft es nicht, das seinem Herzen klarzumachen.
„My Dragon Keeper“ ist eine heiße Drachen-Shifter-Romanze, in der Leidenschaft die Bettlaken aufheizen und Drachenfeuer euer Herz erwärmen wird.
Cinder zu beobachten ist wie einem Vögelchen bei der Heilung seines gebrochenen Flügels zuzusehen.
Nur weiß ich nicht, welcher Teil dieser wunderschönen Drachenseele gebrochen ist. Aber ihr Körper erholt sich langsam – die dunklen Ringe unter ihren Augen sind verschwunden, die rissigen Lippen sind verheilt. Dabei wäre sie fast verhungert, während sie von den Vardigah gefangen gehalten wurde, diesen verfluchten Dunkelelfen, die sie entführt und ihr irgendetwas angetan haben. Ich bin mir sicher, dass sie wegen uns verschleppt wurde – weil sie dazu bestimmt ist, die Seelenverwandte eines Drachen zu sein – und diese Schuld lastet verdammt schwer auf meinem Herzen. Aber deswegen bin ich nicht hier. Und es ist auch nicht der Grund, warum ich, seit wir sie gerettet haben, nie länger als ein paar Minuten von ihrer Seite gewichen bin.
Ich habe ihr ein Versprechen gegeben.
Zwei Versprechen, genau genommen. Das erste habe ich laut ausgesprochen, sodass auch die anderen Leute im Raum es hören konnten. Sie sagte etwas über ein Mädchen namens Julia, das ich, wir – oder irgendjemand – retten sollte. Da sie sich dabei in einer Art Fieberwahn befand, weiß ich nicht einmal, ob es dieses Mädchen wirklich gibt ... aber ich versprach es ihr trotzdem. Mein zweites Versprechen war lediglich ein Flüstern, das nur ihr galt. Ich sagte ihr, dass sie eine Drachenbeseelte sei. Und dass ich dafür sorgen werde, dass sie leben und lieben und die Gefährtin eines glücklichen Drachens wird. Selbst wenn sie das Mal nicht gehabt hätte – dasselbe wie ihre Zwillingsschwester Ember, die jetzt mit dem Lord unserer Feste gepaart ist – hätte ich ihre Drachenseele aus ihren fiebrigen Worten heraushören können. Sie bat nicht um Hilfe, wollte keinen Trost, sondern sie versuchte, jemanden zu retten, der vom selben Feind gefangen gehalten wurde, der einen vernichtenden Krieg gegen mein Volk geführt und es fast ausgelöscht hat. Das war Cinder Dubois’ Drachenseele, die direkt zu mir sprach, und sobald wir allein waren, schwor ich dieser Seele, dass ich nicht von ihrer Seite weichen würde, bis sie wieder ganz wäre. Und das gilt nicht nur für ihre körperliche Genesung von dem, was auch immer die Vardigah ihr angetan haben, sondern auch für alles andere, einschließlich der Suche nach ihrer anderen Hälfte. Denn das ist das Mindeste, was ihr bei all dem, was sie wegen uns erlitten hat, zusteht.
Cinder gibt einen kleinen murmelnden Laut von sich. Sie schüttelt den Kopf, als ob sie nein sagen würde, und sinkt dann wieder tiefer in ihr Kissen ein. Ihr hübsches dunkles Haar liegt aufgefächert auf der weißen Bettwäsche. Das Fieber, das ihre blassen Wangen in den ersten Tagen glühen ließ, ist verschwunden. Es ist jetzt zwei Wochen her, dass wir Cinder zurückgeholt haben, und mittlerweile wacht sie auch gelegentlich auf und isst, aber meistens schläft sie. Ihre Lippen öffnen sich leicht und sie gibt einen Seufzer von sich, der mich regelrecht fesselt. Sie spricht wieder mehr – zumindest manchmal, wenn sie wach ist – aber sie wirkt dabei immer noch verwirrt. Und doch hänge ich bei jedem Wort an ihren Lippen und suche nach Hinweisen, die bei ihrer Heilung helfen könnten. Die menschlichen Ärzte konnten nichts bei ihr finden und Drachen brauchen keine Medizin – unsere Körper halten uns bis zum bitteren Ende gesund und jung. Früher haben wir unser Blut den Hexen gegeben, die es für Heilzauber bei Menschen verwendet haben, und ich würde auch jetzt ohne zu zögern Blut für Cinder spenden, aber diese Heilkünste sind leider verloren gegangen.
Ich warte darauf, dass sie nach ihrem Seufzer etwas sagt, aber es kommt nichts. Sie verfällt einfach wieder in ihren leichten, unruhigen Schlaf, also schaue ich abermals aus dem Fenster.
Wir befinden uns im Flitterwochen-Häuschen für gepaarte Drachen, abgelegen auf einer der Thousand Islands, weit entfernt vom Schloss des Drachenbundes. Die Hütte ist winzig und auf Privatsphäre ausgelegt, daher verstecken wir uns hier, falls die Vardigah wegen Cinder zurückkommen sollten. Wir können nicht riskieren, dass sie die Feste finden und uns endgültig vernichten. Aber Nikolai, mein Freund und Drachenbruder, steht bereit, um sich hierher zu teleportieren und Cinder in Sicherheit zu bringen, sollten die Vardigah erneut Jagd auf sie machen. Und Ember ebenfalls – denn seit die beiden gepaart sind, haben sie neben anderen neuen Fertigkeiten auch die Befähigung zur Teleportation. Ich halte Wache und biete, wie ich hoffe, etwas Trost bei Cinders Genesung. Ember macht sich bei ihren Besuchen immer riesige Sorgen, also glaube ich, es hilft ihr, zu wissen, dass ich ständig hier bin.
Nicht, dass ich gerade irgendwo anders sein würde.
Cinder atmet hörbar ein und öffnet die Augen.
Ich begrüße sie mit einem Lächeln und beuge mich auf meinem Stuhl neben ihrem Bett nach vorne. „Hallo, Sonnenschein.“
Sie blinzelt. „Wer bist du?“
Die Frage versetzt mir einen Stich in der Brust – ich hoffe bei jedem Aufwachen, dass sie sich noch vom letzten Mal an mich erinnert. „Ich bin ein Freund von dir. Aleks. Hast du Hunger? Das Mittagessen wartet auf dich.“
Sie schüttelt den Kopf, schließt die Augen und lässt sich wieder ins Kissen sinken. Gerade als ich denke, dass sie wieder eingeschlafen ist, saugt sie einen Atemzug ein und versucht mühsam, sich aufzusetzen. Sie ist immer noch schwach, trotz der Mahlzeiten, die sie zu sich genommen hat.
„Wo willst du hin, meine Hübsche?“ Ich stehe von meinem Stuhl auf, greife ihr unter den Arm und helfe ihr beim Aufstehen, während ich auf die Bettbedienung drücke, um das Kopfteil anzuheben. Nikolai hat eines der Krankenhausbetten aus dem Hospiz hierherbringen lassen.
„Zur Toilette.“ Sie scheucht meine hilfsbereiten Hände weg, doch ich weiß, dass sie noch nicht kräftig genug ist, um allein zu gehen. Sie ist nah dran, aber eben noch nicht ganz.
„Okay, ich hole die Krankenschwester.“ Ich drücke den Rufknopf auf dem Tisch neben ihrem Bett.
„Krankenschwester?“ Verwirrt sieht Cinder mit ihren großen, wunderschönen Augen zu mir auf. Sie sind nahe der Pupille bernsteinfarben, gehen nach außen ins Grünliche über und haben am Rand ein dunkles Blaugrün, das sie erst richtig zur Geltung bringt. Sie ähneln denen von Ember, aber irgendwie sind Cinders Augen tiefer. Vielleicht sind sie auch einfach nur gebrochener. Die übrigen Gesichtszüge der beiden sind beinahe identisch – dieselben wunderschönen Linien, dieselbe Porzellanhaut – außer dass Ember ein winziges Muttermal auf ihrer Wange hat und man Cinder noch ansieht, dass sie gefoltert wurde. Beide haben sie das Geburtsmal an der Innenseite ihrer Handgelenke, das die Drachenseele in ihnen verrät.
„Da ist sie ja schon.“ Ich nicke zur Tür, als diese aufschwingt, und hoffe, Cinder damit abzulenken, bis die Krankenschwester an ihr Bett huschen kann.
„Ah, du bist wieder wach!“, flötet die Schwester und eilt durch den Raum. Sie ist eine kleine Inderin mit zartem Gesicht, erstaunlicher Kraft und einer sehr schönen Singstimme, die sie immer wieder gerne benutzt. Sie nimmt meinen Platz neben dem Bett ein und ergreift Cinders Arm, um ihr aufzuhelfen. „Müssen wir ins Badezimmer?“
„Sind Sie die Krankenschwester?“, fragt Cinder und zieht die Augenbrauen zusammen, während sie aufsteht.
„Ja, Liebes. Ich bin Biti, weißt du nicht mehr? Aber jetzt kümmern wir uns erstmal um dich.“ Als die beiden in Richtung Badezimmer schlurfen, beginnt die Krankenschwester, einen alten Jackie DeShannon Song zu singen. „I hope when you decide, kindness will be your guide. Put a little love in your heart…”
Ich muss lächeln. Biti sagte mir einmal, dass Musik beruhigend auf Patienten mit Gedächtnisproblemen wirke, aber ich glaube, sie singt einfach nur gerne. Cinder hat kein Alzheimer – sie hat eine Art Amnesie, vermutlich ausgelöst durch die dämonische Folter, der sie während ihrer Gefangenschaft ausgesetzt war. Unser Pflegepersonal ist daran gewöhnt, seltene Krankheiten und Symptome bei uns zu sehen, aber sie wissen nichts von den magischen Hintergründen, wie der Tatsache, dass sie sich um Drachen-Shifter kümmern oder dass die Vardigah überhaupt existieren. Die Schwestern tun einfach das, was sie am besten können – sie pflegen ihre Patienten.
Was mir gerade einen Moment Zeit gibt, nach draußen zu gehen.
Ich möchte jedes Mal da sein, wenn Cinder aufwacht, damit diese Kontinuität ihr hoffentlich dabei hilft, irgendwann ein paar Erinnerungen zusammenzusetzen, aber wenn ich kann, nutze ich die Chance, etwas frische Luft zu schnappen. Auf der Rückseite des Hauses befindet sich eine breite Terrasse, von der aus man einen prachtvollen Garten überblicken kann. Duftende Blumen umgeben einen kleinen Springbrunnen und dahinter hängt eine hölzerne Schaukelbank an einer mit Weinreben bewachsenen Pergola. Jeder Drache im Schloss träumt davon, seine Partnerin zu finden, sie hierher zu bringen und dann jeden Quadratzentimeter dieses Ortes mit ihrem Liebesspiel einzuweihen. Doch bisher hatten wir nur sechs Paare – jetzt sieben mit Niko und Ember, die ihre Flitterwochen aber in Nikos Privatschloss verbringen. Ich atme den Blumenduft ein und frage mich, ob Cinder wohl mit ihrem Partner hierherkommen wird, wenn sie ihn gefunden hat. Würde sie an einen Ort zurückkehren wollen, an dem sie einen so langen und schweren Genesungsprozess durchgemacht hat?
Ich nehme die Steinstufen von der Terrasse hinunter zum Gartenweg und laufe dann am Brunnen vorbei. Die Blumen in Cinders Zimmer können eine Auffrischung vertragen und jetzt, wo wir uns auf den Sommer zubewegen, fangen die Taglilien an zu blühen. Ich pflücke ein paar und verweile einen Moment, um etwas Sonne zu tanken und das glitzernde blaue Wasser zu betrachten. Wenn Cinder etwas stärker wird, möchte ich mich mit ihr auf die Schaukel setzen und die Schönheit des Gartens etwas von der Dunkelheit vertreiben lassen, die sie zu plagen scheint. Ich bin mir nach wie vor nicht sicher, ob diese Amnesie durch die Vardigah angerichtet wurde, oder ob ihr eigener Verstand sie als Schutzmechanismus aufgebaut hat. Als wir sie retteten, ragte ein alptraumhaftes Sammelsurium an Metallstreben aus dem Stuhl, an dem sie festgeschnallt war. Vielleicht ist es besser, dass sie sich daran nicht erinnert. Aber dieser verwirrte Zustand ist auch nicht gut. So kann sie ihren Partner nicht finden. Ich weiß nicht, was für eine Person sie vorher war, aber ihr Drachengeist ist stark – sie kämpft jeden Tag darum, sich ein Stück weiter zu erholen. Und ich weiß, dass sie als gepaarter Drache glücklicher wäre. Sie und ihr Partner haben jeweils eine Hälfte ihrer gemeinsamen Seele und es ist Teil ihres Schicksals, wieder zusammenzufinden.
Und da ich selbst ein Drache bin, kann ich bezeugen, wie einsam man wird, wenn sich dieses Schicksal nicht erfüllt. Drachen sind nicht dafür gemacht, sich zweihundert Jahre lang nicht zu paaren. Irgendwann geben unsere Körper den Kampf auf, aber unsere Herzen brechen schon lange vorher. Eine weibliche Drachenseele wird ständig wiedergeboren und sucht über Jahrhunderte hinweg ihren Gefährten, aber wenn der männliche Drache stirbt, vergeht auch ihre Hälfte der Seele. Es wäre möglich, dass Cinders Seelengefährte bereits gestorben ist – vielleicht war er einer der Verwelkten, die wir kürzlich verloren haben. Im Moment scheint alle paar Wochen ein Drache von uns zu gehen. Aber irgendwie bin ich mir sicher, dass ihr Partner noch am Leben ist. Ich kann nicht genau sagen, warum, aber ich fühle einfach, dass ihre Drachenseele noch lebt und sich nach ihrer anderen Hälfte sehnt, was bedeutet, dass ihr Partner irgendwo da draußen ist.
Immerhin habe ich ihr ja versprochen, ihr nicht nur bei ihrer Genesung, sondern auch bei der Partnersuche zu helfen. Und falls dieser doch schon tot sein sollte, dann könnte ich mir Schlimmeres vorstellen, als den Rest meiner Tage mit jemandem zu verbringen, der so schön und stark ist wie Cinder Dubois. Selbst wenn wir nur Freunde sein könnten.
Ich nehme einen letzten, tiefen Atemzug der duftenden Luft und wende mich wieder dem Häuschen zu.
Drinnen sind Cinder und Biti schon wieder auf halbem Weg zum Bett. „Ich habe ein paar frische Lilien für dich!“, sage ich heiter und überhole sie, um die müden Blumen von vor zwei Tagen auszutauschen. Die Vase steht auf einem Tisch neben dem Bett, wo schon ihr Mittagessen auf sie wartet. Normalerweise haben Pärchen in ihren Flitterwochen das Haus für sich allein, aber wir haben ein ganzes Team angestellt, das sich rund um die Uhr um Cinder kümmert – inklusive Koch, Haushälterin und Krankenschwestern im Schichtdienst. Ich schlafe auf der Couch im Wohnzimmer und dusche im zweiten Badezimmer. Ab und zu bringt Nikolai mir frische Klamotten vorbei. Es ist eine ausgewachsene Operation.
Ich trete zurück, damit sie die Blumen sehen kann, und genau wie beim letzten Mal ist sie ganz entzückt von dem Anblick. Biti lässt sie die letzten Schritte zum Tisch alleine gehen. Cinder sieht mich mit großen Augen an, spricht aber nicht, sondern sucht mein Gesicht ab.
„Nur zu, die sind für dich.“ Ich lächle. „Das Essen auch. Es ist nämlich Zeit fürs Mittagessen.“ Ich versuche, möglichst begeistert zu klingen und hoffe, sie damit anzustecken und zum Essen zu bewegen.
Sie umschließt den Blumenstrauß mit ihren filigranen Händen und beugt sich vor, um ihre Nase tief in die feurig-orangenen Tigerlilienblüten zu stecken. Ein Ärmel ihres Nachthemdes rutscht ihr über die Schulter, sie schiebt ihn aber nicht wieder hoch, sondern richtet sich bloß auf und flüstert ohne sich umzudrehen: „Danke. Die riechen wunderbar.“
„Gerne doch.“ Ich tausche einen kurzen, hoffnungsvollen Blick mit Biti aus – das ist die längste Aneinanderreihung von Worten, die wir bisher von ihr gehört haben.
„Dann lasse ich euch jetzt mal in Ruhe essen.“ Biti ermutigt mich mit auffordernden Handbewegungen, während sie rückwärts aus dem Zimmer geht.
Ich trete hinter Cinder und ziehe ihr sanft den Ärmel wieder über die Schulter. „Möchtest du dich zum Mittagessen an den Tisch setzen?“ Ich deute auf den Stuhl, auf dem ich vorher gesessen habe – und wo ich selber schon einige Mahlzeiten eingenommen habe – aber sie schlurft einfach zurück zum Bett. Ich will ihr beim Einsteigen helfen, aber sie schafft es auch ohne mich. Ein gutes Zeichen. „Na gut, dann eben im Bett!“ Ich trabe durch den Raum, um das höhenverstellbare Tablett an ihr Bett zu fahren, damit sie dort essen kann. Mit Schwung präsentiere ich ihr einen Teller mit einem gegrillten Käsesandwich und Beeren. Sie nimmt eine Beere und steckt sie sich in den Mund. Während sie mit dem Essen beginnt, setze ich mich hin und schreibe ihrer Schwester eine Textnachricht.
CINDER IST WACH UND ISST. UND REDET (ETWAS). EIN GUTER ZEITPUNKT FÜR EINEN BESUCH.
Es dauert nur ein paar Sekunden, dann kommt die Antwort. ZWEI MINUTEN.
ABER KOMM AUF DEM NORMALEN WEG. Das Letzte, was Cinder jetzt gebrauchen kann, ist ihre Schwester, die sich direkt in den Raum teleportiert.
Als ich aufschaue, sind die Beeren weg und Cinder isst mit beiden Händen das Sandwich. „Wie wär‘s mit etwas Milch dazu?“ Ich springe von meinem Stuhl auf.
Sie blinzelt überrascht, nickt aber, während sie still weiterkaut. Ich muss unzählige Schichten Frischhaltefolie abziehen, die der Koch um den Becher gewickelt hat, aber schließlich bekomme ich ihn frei. Als ich ihn ihr bringe, hat sie schon die Hälfte des Sandwichs verschlungen. Was großartig ist. So viele positive Signale. Ich reiche ihr den Becher. Sie schließt die Augen, legte den Kopf in den Nacken und stürzt die Milch runter, als ob sie am Verdursten wäre.
Das Bedürfnis, einfach mit ihr zu reden, lässt mich sinnlos drauflosfaseln. „Der Koch macht dir alles, was du willst. Er hat gestern etwas Sonnentee auf die Eingangstreppe gestellt – der ist mittlerweile bestimmt durchgezogen. Und wir haben auch bestimmt noch mehr Beeren. Möchtest du noch welche?“
Sie trinkt die Milch aus und stellt den Becher mit äußerster Sorgfalt auf dem Tablett ab. Sie hat einen bezaubernden Milchbart auf der Oberlippe, den ich ihr am liebsten wegwischen würde, aber das wäre nicht cool. Stattdessen setze ich mich wieder hin. Sie antwortet mir nicht, sondern starrt nur stirnrunzelnd auf das Tablett und blinzelt.
„Ist schon in Ordnung.“ Mein Herz zieht sich irgendwie zusammen. „Dann probieren wir den Tee ein andermal. Vielleicht zum Abendessen.“ Ich schließe den Mund, weil sich mir die Kehle zuschnürt.
Sie dreht sich langsam zu mir und blinzelt mich an. „Alles ist ... unscharf.“ Ich kann sehen, dass die Worte sie große Anstrengung kosten.
„Ich weiß.“ Ich rutsche auf meinem Stuhl nach vorne. Am liebsten würde ich auf der Bettkante sitzen und ihre Hand halten. „Es wird alles wieder gut. Du brauchst nur noch etwas Zeit.“ Ich brenne darauf, die Lücke zwischen Stuhl und Bett zu schließen und ihre Hand zu nehmen, so wie ich es getan habe, als sie Fieber hatte. Da schien es ihr nichts auszumachen. Sie war so verwirrt und unfokussiert ... Berührungen waren das Einzige, was sie besänftigen konnte. Das, und meine Stimme, die ihr beruhigend ins Ohr flüsterte, während sie sich hin und her wälzte. Aber jetzt ist sie wach und davon überzeugt, mich nicht zu kennen – oder sich zumindest nicht an mich zu erinnern – und das macht alles noch schwerer.
Sie quittiert meine Worte mit einem Nicken, doch dabei scheinen ihre Augenlider schwer zu werden. Bevor mir etwas einfällt, das ich noch sagen könnte, lässt sie den Kopf nach hinten sinken – nur liegt ihr Kissen an der falschen Stelle und das Kopfende des Bettes ist noch zu hoch zum Schlafen. Ich springe auf und drücke den Knopf, um das Bett abzusenken, dann greife ich hinter sie und halte ihren Kopf hoch, während ich das Kissen zurechtrücke.
Während ich das tue, öffnen sich ihre Augen wieder und sie blickt benommen zu mir auf. „Du kümmerst dich um mich“, stellt sie fest.
„Ja, das tue ich.“ Wir sind uns nah genug, dass ich ihren Atem auf meiner Brust spüren kann. „So ist‘s gut.“ Das Kopfende des Bettes ist jetzt wieder unten und das Kissen liegt an einer bequemen Stelle. Sie lässt sich darauf nieder und schließt die Augen.
Ich weiche zurück und bin mir unsicher, was ich jetzt tun soll. Das Tablett wegnehmen?
„Danke dir. Aleks.“ Die Art, wie sie meinen Namen haucht, fesselt mich.
„Gern geschehen“, flüstere ich. Ich weiß nicht, ob sie mich überhaupt hören kann.
Aber sie antwortet mit einem Seufzen.
Ein paar Sekunden später geht die Zimmertür auf und Cinders Zwillingsschwester Ember kommt hereingestürmt. Ich lege den Finger an meine Lippen und deute ihr, leise zu sein. Sie zieht eine Grimasse, als sie Cinders geschlossene Augen sieht. Das ist nicht das erste Mal, dass sie es nicht schafft, rechtzeitig herzukommen, bevor Cinder wieder in den Schlaf abdriftet. Ich winke Ember zurück in den Flur vor dem Zimmer und folge ihr nach draußen.
Biti schaut erwartungsvoll von ihrem Computer auf.
Ich schließe die Tür, damit wir Cinder nicht wecken. „Sie ist erschöpft“, sage ich den beiden. „Aber sie hat gegessen, das ist schonmal gut.“
Ember ist trotzdem enttäuscht. „Du hast gesagt, dass sie geredet hätte. Hat sie etwas über ihre Entführung gesagt? Oder was sie mit ihr gemacht haben? Vielleicht etwas über die Hexe?“
Ich schüttle den Kopf und versuche, nicht allzu finster dreinzuschauen. Ich weiß, dass jeder wissen will, was passiert ist, während Cinder von den Vardigah gefangen gehalten wurde ... und ob die Hexe, die uns bei der Flucht geholfen hat, die Vardigah erneut auf Cinder hetzen wird.
„Sie ist einfach noch nicht so weit“, sage ich.
Ember sieht auf die geschlossene Tür und die Sorge in ihrem Gesicht setzt auch mir zu. Ich weiß, dass es schwer für sie ist, ihre Schwester in diesem Zustand zu sehen. Ich kenne Cinder nicht einmal, nicht wirklich – wir haben bloß diese Verbindung, seit sie zurück ist – und selbst ich mache mir Sorgen. Ihre Zwillingsschwester muss geradezu verzweifelt sein. Nikolai erwähnte mal, dass sie sich die Schuld an Cinders Entführung gibt, was vollkommen verrückt ist. Die Hexe muss diejenige sein, die Cinder gefunden hat – das ist buchstäblich das, was Hexen tun. Nun ja, getan haben. Als es sie noch gab. Was eigentlich seit zweihundert Jahren nicht mehr der Fall ist, also, wer weiß. Aber es ist definitiv nicht Embers Schuld – jeder außer ihr weiß das.
„Willst du dich eine Weile zu ihr setzen?“, biete ich an.
„Nein. Ich meine, wenn sie sowieso schläft ...“ Sie zuckt etwas hilflos mit den Schultern. Es wirkt gequält.
Ich nicke nur.
„Sag mir Bescheid, wenn sie wieder aufwacht.“ Ember blickt betrübt auf die Tür. „Das nächste Mal komme ich schneller her.“
Ich nicke erneut und sie verabschiedet sich von Biti, bevor sie nach vorne zur Eingangstür geht. Sobald sie außer Sichtweite ist, wird sie sich teleportieren, aber die gepaarten Drachen versuchen, das nicht vor dem Personal zu tun.
„Sie sorgt sich sehr um ihre Schwester“, sagt Biti. „Zu sehr, wahrscheinlich.“
„Ich weiß.“ Ich gestikuliere zur Tür. „Ich gehe wieder rein.“
Sie nickt und widmet sich wieder ihrer Arbeit auf dem Computer.
Ich räume die Sachen vom Mittagessen weg, verbringe ein wenig Zeit in der Sonne auf der Terrasse, schreibe Niko eine Textnachricht mit dem aktuellen Stand der Dinge und benutze mein Handy dann, um ein paar Angelegenheiten zu erledigen. Als ich mich drinnen wieder auf meinen Stuhl setze, hat Cinder einen Traum – ihre Arme zucken leicht und die Augen bewegen sich unruhig unter ihren Lidern. Ich lege mein Handy beiseite und beobachte sie. Sie ist wunderschön anzuschauen, selbst wenn sie schläft, aber ich kann förmlich sehen, wie sich bei ihr ein Albtraum entfaltet. Das heftige Einatmen. Die plötzliche Bewegung der Gliedmaßen. Die Geschichte, die sich in ihrem Kopf abspielt, entwickelt eine Eigendynamik, ein Drama, das ihr Unterbewusstsein ausfüllt – ich wünschte, sie könnte mir davon erzählen, wenn sie wieder zu sich kommt. Manchmal wacht sie ruckartig auf und ist in den ersten Momenten ganz verzweifelt. Dann versuche ich immer, für sie da zu sein und sie zu beruhigen, wie anfangs bei ihrem Fieberwahn.
Ich bin also einigermaßen wachsam und warte, als sie mich auf einmal zu Tode erschreckt.
„Nein!“ Es ist kaum mehr als ein Keuchen, aber ich fahre trotzdem fast aus meiner Haut und wäre beinah vom Stuhl gefallen, als sie plötzlich senkrecht im Bett steht.
Ich springe auf und taumle ans Bett. „Hey, ist ja gut.“ Ich greife nach ihr, weiche aber wieder zurück, als ihre Augen aufspringen und sie sich beim Klang meiner Stimme ruckartig zu mir dreht.
Ihr plötzliches Aufwachen lässt sie immer noch schwer atmen, aber sie mustert mein Gesicht so eindringlich und runzelt mit einer Schärfe die Stirn, die ich bei ihr vorher noch nicht erlebt habe. „Du bist Aleks, stimmt‘s?“
Mein Herz setzt für einen Schlag aus. „Ja.“
Schnell lässt sie ihren Blick durch den Raum schweifen, dann sieht sie wieder zu mir. „Was ist das hier für ein Ort? Und wie lange war ich bewusstlos?“
Mir fehlen vor Fassungslosigkeit die Worte.
Nichts hier ergibt irgendeinen Sinn.
Ein umwerfender Typ, von dem ich irgendwie weiß, dass er Aleks heißt, an den ich aber sonst keine Erinnerung habe, starrt mich an, als wäre ich eine Außerirdische. Ich habe keine Ahnung, wo ich bin, und kann mich nicht daran erinnern, wie ich hierhergekommen bin. Und apropos Aliens: Das Letzte, woran ich mich erinnere, ist, dass mich eines aus dem Schlafzimmer in meiner Wohnung entführt hat, was eindeutig ein Traum oder eine Halluzination gewesen sein muss. Und jetzt bin ich hier. „Hier“ ist eine außerordentlich schöne Krankenhaussuite – den Blumen, dem Bett in der Mitte des Raumes und den medizinischen Überwachungsgeräten nach zu urteilen.
Und dieser Aleks wirft mir die merkwürdigsten Blicke zu – ohne auf meine Fragen zu antworten.
„Okay, ich werde einfach ...“ Ich strample mich aus der Decke frei. Meine Beine fühlen sich schwach an, aber davon lasse ich mich nicht aufhalten. „Ich finde schon nach draußen—“
„Warte!“ Aleks wirft die Hände hoch, um mich am Aufstehen zu hindern. „Cinder, du kannst nicht einfach—“
Mein wütender Blick lässt ihn verstummen. Dieser Kerl sollte sich besser nicht mit mir anlegen. Ich steige aus dem Bett und setze meine nackten Füße auf den kühlen Steinboden. Ich trage ein Nachthemd. Mist. Finster starre ich ihn an. „Du kannst mich hier nicht festhalten.“ Doch da erfasst mich ein plötzlicher Schwächeanfall. Was ist nur mit mir los?
„So ist das nicht.“ Er hat immer noch die Hände erhoben, aber seine Augen flehen mich an. Und es sind wunderschöne Augen. Hellgrau mit dunklen Rändern. Dichte Wimpern. Dunkle Brauen, die ein bisschen unordentlich und wild wirken. Es sind Augen, die ich gerne auf Film bannen würde ... in einem kaum beleuchteten Raum, nur mit einem Lichtstrahl quer über seinem Gesicht. Der Rest von ihm ist ebenfalls schön, aber diese Augen... verdammt. Wieso denke ich gerade an Filmaufnahmen?
Ich schlucke und lehne mich gegen das Bett, während ich mich an der Matratze festklammere. Die Laken sind weich und luxuriös, die Matratze ist allerdings ziemlich hart. Ich sehe mich erneut um. Ein Krankenhaus. Offenbar ein recht teures. Ein hübscher Mann, der dafür sorgt, dass ich nicht aus dem Bett steige. Aber ... warum?
„Oh Gott, ich hab was getan.“ Es ist nur ein Flüstern, aber es lässt mich weiter gegen das Bett schrumpfen.
„Was? Nein.“ Er runzelt die Stirn und lässt seine Hände sinken. „Ich will nur nicht, dass du zu schnell aufstehst. Du bist ... du warst eine ganze Weile lang bewusstlos.“
Er weicht mir irgendwie aus. Angst sickert in meine Magengrube. Habe ich es tatsächlich durchgezogen? Habe ich es versucht und dann einfach ... vergessen? Oder verdrängt? Ich schlucke das schleichende Grauen runter, drehe meine Hände und prüfe meine Handgelenke. Keine Verbände. Keine Narben von Schnittverletzungen. Ich taste meinen Hals ab, aber auch dort kann ich nichts fühlen.
Ich schaue zu diesem Typen auf, Aleks. Er wirkt ziemlich besorgt. Er hat etwas an, das wie Krankenhauskleidung aussieht – vielleicht ist er Arzt oder Krankenpfleger oder so. „Hab ich’s mit Drogen versucht?“, frage ich schwach. Auf einmal ist mir schwindelig. Ich blinzle und versuche, den Nebel in meinem Kopf zu vertreiben.
„Wie meinst du das?“ Seine Stimme ist so sanft und einfühlsam. So, wie man mit jemandem reden würde, bei dem man befürchtet, dass er am Rande eines Nervenzusammenbruchs steht. Oder ängstlich und zerbrechlich wie ein verletztes wildes Tier ist.
Ich straffe mich etwas, um ihn wissen zu lassen, dass ich nicht verrückt bin. Oder schwach. Ich bin nur ... verwirrt. „Habe ich versucht, mich mit Tabletten umzubringen?“, frage ich absichtlich unverblümt. Ich will bloß die Wahrheit wissen.
„Was? Nein. Ich meine ...“ Seine Besorgnis scheint sich noch zu steigern. „Wie kommst du denn auf sowas?“
Na toll. Wie genau ich darauf komme, werde ich ganz bestimmt keinem Typen erklären, den ich nicht einmal kenne. Obwohl mir dieser Gedanke ans Herz geht, denn irgendwie habe ich das Gefühl, ihn doch zu kennen. Aleks. Ich wusste seinen Namen. Aber wie? Mein Gedächtnis ist leer, ich kann mich von meiner Wohnung bis hierher an nichts erinnern. Und ich habe diesen Mann noch nie zuvor gesehen. Ich weiß nur, dass er hier ist und mich zu kennen scheint. Irgendetwas ist passiert.
„Okay, Aleks, hör zu ...“ Ich gestikuliere durchs Zimmer, um deutlich zu machen, wie wenig ich mit all dem hier anfangen kann. Erst jetzt bemerke ich, dass es auch eine Terrasse mit schöner Aussicht gibt. Bodentiefe Fenster zeigen einen Garten und dahinter Bäume und Wasser. Ich bin nicht in der Stadt, so viel steht fest. „Ich brauche hier dringend eine Erklärung, ich verstehe nämlich absolut nichts.“
Ein Lächeln blitzt in seinem Gesicht auf.
„Was?“, schnappe ich.
„Nichts, ich ... ich warte nur schon eine ganze Weile darauf, dass du so etwas sagst.“ Er scheint unglaublich aufgeregt zu sein.
Oh Gott. „Wie lange bin ich schon hier?“
„Zwei Wochen.“ Er antwortet ohne groß nachzudenken, also schätze ich, dass ich ihm das glauben kann.
Aber gütiger Himmel ... zwei Wochen? „Was ist passiert?“ Was ist mit mir passiert? Mir ist offensichtlich irgendetwas Schreckliches zugestoßen, das mir jeglichen Sinn für Zeit und Raum geraubt hat ... Und wenn ich nicht versucht habe, mich umzubringen ...
Sein Lächeln verschwindet. „Woran erinnerst du dich?“
„Ich erinnere mich an gar nichts, Aleks!“ Scharfe, wilde Wut steigt in mir auf. Ich klammere mich fester an die Matratze, weil mir vom Wirbel meiner Emotionen ganz schwindelig wird. Ich presse die Augen zusammen und versuche, mich zu konzentrieren. „Ich weiß noch, dass ich in meiner Wohnung war. Tagelang. Eine Woche, vielleicht? Ich ... ich kann mich nicht erinnern, was das Letzte war ...“ Ich öffne die Augen. Aleks starrt mich erwartungsvoll an. „Meine Schwester. Ich weiß noch, dass wir ... geredet haben. Sie ist die letzte Person, an die ich mich erinnere.“ Wir haben uns gestritten. Es war recht halbherzig, weil wir uns eigentlich nie streiten, und ich musste bloß ... Ich musste das Projekt verlassen. Also stritten wir und ich rannte zurück in meine Wohnung und versank langsam in einer noch tieferen und dunkleren Depression, als ich sie ohnehin schon hatte. „Und jetzt bin ich hier“, sage ich betont zu Aleks. Das Alien, das in mein Schlafzimmer kam, um mich zu entführen, verschweige ich, denn das war offensichtlich nur ein bizarrer Traum, den ich zwischendurch hatte. „Also, was zur Hölle ist mit mir passiert? Wieso bin ich hier? Und was ist das für ein Ort?“ Ein Krankenhaus. Das weiß ich schon. Ich will ihn nur zum Reden bringen, damit mein Gefühl nachlässt, die Realität nicht ganz im Griff zu haben.
„Na gut. Ich erklär‘s dir.“ Jetzt hat er wieder diese beruhigende Stimme. „Aber es ist ziemlich viel zu verkraften, also sollten wir ... es besser langsam angehen. Okay?“
Auf einmal bin ich schrecklich nervös und mich überkommt wieder dieses Schwächegefühl. „Langsam. Okay.“
Er kommt einen Schritt näher. „Wie wär‘s, wenn wir ein bisschen auf die Terrasse gehen? Du warst schon seit ein paar Wochen nicht mehr draußen. Vielleicht ist es dann ... weniger ... seltsam?“
Ich wüsste nicht, warum das einen Unterschied machen sollte. Alles hier ist seltsam. Aber er hat diesen sanften Blick in den Augen und versucht nicht, mich zu irgendwas zu zwingen. Ich habe ein verdammtes Nachthemd an und doch benimmt er sich kein Stück eigenartig oder unangenehm deswegen. Er ist einfach nur ... nett. Und er scheint aufrichtig besorgt zu sein.
„Na gut.“ Ich stehe vom Bett auf und setze meine Füße erneut auf den kühlen Boden. „Kann man sich da draußen irgendwo hinsetzen? Ich fühle mich noch nicht so super stabil.“
Er ist sofort neben mir, nimmt meinen Arm und legt seine andere Hand auf meinen unteren Rücken. „Selbstverständlich“, sagt er, während ich mich fühle, als würde ich von einem Berg Muskeln mit samtenem Griff gestützt. Ich meine, der Kerl ist echt massiv.
Ich werfe ihm einen Blick zu – er ist furchtbar nah – aber er scheint voll und ganz damit beschäftigt, sicherzustellen, dass ich auf dem glatten Steinboden nicht umkippe. Da ich alles andere als standfest bin, lasse ich es zu und konzentriere mich stattdessen auf meine Beine, die viel zu wackelig zu sein scheinen. Doch während wir zur Terrassentür schlurfen, fühle ich mich allmählich kräftiger. Als würde mein Körper gerade aufwachen. Lag ich etwa im Koma? Vielleicht hatte ich ja einen Autounfall, durch den ich mein Gedächtnis verloren und wochenlang bewusstlos im Bett gelegen habe. Aber ich sehe keine Verletzungen. Zwei Wochen sind nicht lang genug, um sich von etwas derart Schwerwiegendem zu erholen. Vielleicht habe ich mir nur den Kopf gestoßen?
