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Jack Destry ist wild und blutjung, als er bei der Butterfield Overland anfängt. Mit seinem kauzigen Partner Black Adder zusammen wird der tapfere Shotgun zur Legende im Westen. Von Frauen umschwärmt, von Banditen gehasst kennt er nur ein Ziel - seine Kutsche ans Ziel zu bringen. Weder Gangster, Indianer noch Tod und Teufel konnten ihn schrecken.
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Seitenzahl: 155
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Shotgun Jacks Route
Vorschau
Impressum
ShotgunJacks Route
Jack Destry ist wild und blutjung, als er bei der Butterfield Overland anfängt. Zusammen mit seinem kauzigen Partner Black Adder wird der tapfere Shotgun zur Legende im Westen. Von Frauen umschwärmt, von Banditen gehasst, kennt Jack nur ein Ziel – seine Kutsche ans Ziel zu bringen. Weder Gangster, Indianer noch Tod und Teufel können ihn schrecken ...
»Schwätzen Sie nicht, geben Sie mir einfach den Job.«
Der backenbärtige Personalchef der Butterfield Overland Line sah Jack Destry großäugig an. Er plusterte sich auf wie eine Kröte.
»Junger Mann, du solltest keine so dicke Lippe riskieren! Wir nehmen nicht jeden, nur todesmutige, fähige, zähe, clevere und harte Männer ...«
»Sonst noch was?« Jack stützte sich auf den Schreibtisch des Personalchef ab. »Zählt ihr ihnen auch noch die Sackhaare? Sollen sie ein Führungszeugnis vorweisen? Oder blutjung mit dreißig Jahren Erfahrung im Postkutschengeschäft? Waisen mit großer Verwandtschaft? Pazifistische Revolverschützen und erstklassige Kämpfer, die mit Worten alles regeln können?«
»Ich muss doch sehr bitten, Jack Destry. Du willst den Job, ich habe ihn zu vergeben.«
»Ich will Ihnen mal was sagen, Sir. Die Butterfield Overland sucht ganz dringend Leute. Kutscher und Shotguns, also Beifahrer. Es ist eine mörderische Strecke mit vielen Gefahren – hier von St. Louis geht es nach San Francisco, das sind über dreitausend Kilometer. Durch Prärien und über Gebirgspässe, reißende Flüsse, Unwetter, und feindliche Indianer und Banditen kommen unterwegs dazu.«
Er holte Luft.
»Die Fahrt also solche ist schon eine Strapaze mit den Knochenschüttlern von Kutschen. Dazu noch ein widerspenstiges Sechsergespann. Wer will sich das antun? Die Bezahlung ist auch nicht gerade erstklassig für das, was verlangt wird. Die Butterfield Overland besteht nun gerade ein Jahr – 1857 ist sie gegründet worden. Transportiert Post und Passagiere, die verrückt genug sind, damit fahren zu wollen.«
Der Personalchef blies die Backen auf, was den Eindruck der Krötenähnlichkeit noch verstärkte.
Er hob die Hände, wollte etwas sagen. Doch der junge Mann vor seinem Schreibtisch überwältigte ihn mit seinem Redeschwall und ließ ihn nicht zu Wort kommen.
»In diesem Jahr sind schon anderthalb Dutzend Kutscher und Shotguns von euch ums Leben gekommen oder zum Krüppel oder schwer verletzt worden. Andere kündigten fristlos oder liefen davon. Ihr müsst froh sein, wenn ihr überhaupt noch Personal kriegt. Eure Scheiß-Finanziers und Aktionäre halten die Hand auf. Wells Fargo ist stark im Kommen.«
Der Personalleiter raufte sich die Haare.
»Diese Halsabschneider, dieser Krake! Wir sind viel besser als diese Pfuscher. Wir von der Butterfield Overland sind die Größten. Und das von den Finanziers will ich nicht gehört haben.« Der Backenbart pustete. »Wo nimmst du überhaupt die Chuzpe her, so mit mir zu reden? So jung, wie du bist?«
»Soll ich vielleicht warten, bis ich neunzig bin, bevor ich Klartext rede?« Jack sah auf das Namensschild auf dem Schreibtisch des Personalchefs. »Mister – Sol Guggenheimer. Entweder Sie stellen mich ein, oder ich geh zu Wells Fargo. Die nehmen mich allemal – und mit Kusshand.«
Guggenheimer schnaufte wie ein brünstiges Walross.
»Also, ich muss schon sagen! Mit dir zu verhandeln ist keine Freude. Das dreht einem das Herz um.«
»Hoffentlich auf die richtige Seite. Also, wie ist es? Ja oder nein? Von einem Topmanager der Butterfield Overland kann man eine klare Antwort erwarten.«
»Also, Kid ... Ich ... Ich ...«
Jack Destry saß auf der Schreibtischkante. Er war gut mittelgroß und hatte ein frisches, freundliches Gesicht, klare blaue Augen und eine widerspenstige braune Haartolle. Er trug eine schwarze Lederweste, blaues Hemd, Reiterstiefel und eine enge Hose.
Um den Hals hatte er ein rotes Tuch, auf dem Kopf einen schwarzen Hut mit einseitig aufgebogener Krempe. Er wirkte sehr jungenhaft; fast hätte man ihn für einen Schulbuben halten können.
Der schwere Hartford Dragoon Colt und das Messer an seinem Gürtel sprachen dagegen.
Der Personalchef hatte jedoch recht, ihn Kid zu nennen. Er blickte in seine Unterlagen.
»Du bist achtzehn Jahre alt und Waise?«
»So ist es.« Jack log, ohne mit der Wimper zu zucken.
Er war erst siebzehneinhalb und schon mit vierzehn von zu Hause weggelaufen, wo es wenig zu essen und viele Prügel gegeben hatte. Sein trunksüchtiger Vater wirtschaftete die Farm herunter. Die Frau, Jacks Mutter, war ihm fortgelaufen, die beiden Schwestern genauso.
Die jüngere davon schon mit dreizehn, weil der Alte sie hatte missbrauchen wollen. Jack hatte sich abgesetzt, nachdem sein Vater im Suff gedroht hatte, ihn an die Schweine zu verfüttern. Er wollte nie mehr heim nach Kentucky.
Seitdem hatte er sich durchgeschlagen. Jack hatte viel erlebt für sein Alter, er wusste sich sehr wohl zu behaupten.
Es gab viele wie ihn im Westen – es war kein sachtes Land, in dem alle Kinder behütet aufwuchsen.
Er sah den Personalchef an. Der überlegte.
Jack, frech wie er war, stand auf und ging zur Tür.
»Empfehle mich, Mr. Guggenheimer. Ich gehe jetzt zu Wells Fargo. Dort werden sie einen Shotgun gebrauchen können, der keine Gefahren scheut und dem keine Mühe zu viel ist.«
Jack hatte schon die Klinke in der Hand, als ihn der Personalchef zurückhielt.
»Moment.« Guggenheimer linste Jack an, der ungerührt vor ihm stand. »Ich weiß nicht, warum ich das tue, du Frechmaul. Aber ich bin doch gewillt, dir eine Chance zu geben. Du scheust tatsächlich keine Gefahren und Mühen?«
»Das sagte ich, Sir.«
»O-kay. Dann setze ich dich für die Ozark-Route ein. Du fährst bei Black Adder ... ähm, wollte sagen, Adam Griffin als Shotgun. Griffin ist ein wenig gewöhnungsbedürftig, er hat ein paar Eigenheiten. Aber er ist ein erstklassiger Kutscher. Einer der Besten, die wir haben. Du fährst mit der Frühkutsche bis nach Rolla. Dort wartest du in der Station auf Griffin und seine Kutsche. Alles weitere bekommst du unterwegs gesagt. Hast du das verstanden, Junge?«
»Ich bin nicht Ihr Junge, und ich bin nicht dumm. Geht es auch nach Fort Smith?«
»Das liegt auf der Strecke. Die genaue Einteilung, was wann wo kann ich dir jetzt nicht sagen. Das variiert.«
»Verstehe. In Fort Smith war ich noch nie. Da wollte ich immer mal hin. Mit dem da kann ich gut umgehen.« Jack klatschte zuerst auf den Revolvergriff, dann auf den des Green River Messers an seinem Gürtel. »Und auch mit der Sharps und der Shotgun bin ich gut.«
»Das will ich hoffen, Kid. Das will ich schwer hoffen. Ich gebe dir jetzt eine Anzahlung. In Springfield ...« Das kam nach Rolla. »... bekommst du weiteres Geld. Wenn du dich bewährst, hast du bei der Butterfield Overland einen guten und festen Job. Unsere Kutscher und Shotguns sind die Besten, die Elite. Unsere Kutschen und Pferde übertreffen diese Pfeifen und alten Kästen und Klepper von Wells Fargo um ein Vielfaches. Wer einmal mit der Butterfield Overland gefahren ist, vergisst das nie. Erweise dich dessen würdig, mein Junge.«
»Ich bin nicht ...«
»Ich weiß, ich weiß. Kid. Aber ich könnte dein Vater sein.«
Jack sah den Personalchef merkwürdig an. Der Begriff Vater war für ihn negativ besetzt. Sein Alter war ihm alles andere als Vorbild gewesen. Dreckig, versoffen, ein Krakeeler, verlogen, hinterlistig und gemein.
»Das sind Sie nicht, Mr. Guggenheimer. Seien Sie froh.«
Jack wollte seinen Vater nie wiedersehen. Er wurde schon zornig, wenn er nur an ihn dachte. Und er wagte nicht vorherzusagen, was passieren würde, wenn er ihn jemals wiedersah. Vielleicht würde er ihn erschlagen.
Das hatte der Alte verdient. Jack schämte sich für ihn, obwohl er nichts dafürkonnte, wie sein Vater war. Er verachtete und verabscheute ihn.
Wie auf Flügeln verließ er die Hauptstation der Butterfield Overland mit ihrem Verwaltungsgebäude, Nebengebäuden und Ställen und Kutschen. Zur Anlage gehörten eine Halle und Lagerhäuser und Schuppen sowie eine Poststation und ein Abfertigungsschalter für die Passagiere und Reisenden.
Auch zwei Werkstätten gehörten dazu, eine Stellmacherei, in der die Kutschen instandgesetzt wurden, und eine Huf- und Wagenschmiede. Er war ein großes Gelände am Ufer des Mississippi.
Dort wurde fleißig gearbeitet. Hammerschläge ertönten. Eine Kutsche kam an. Jack schlenderte pfeifend in die Stadt, wo er sein Quartier in einem Hurenhaus unterm Dach hatte.
Etwas anderes hatte er in dem geschäftigen und überlaufenen St. Louis nicht gefunden.
✰
In der Hauptstation blickte Sol Guggenheimer durch das Bürofenster im ersten Stock hinter Jack Destry her. Er feixte und rieb sich die tintenfleckigen Hände.
Der wird sich wundern, dachte er. Dem wird sein freches Maul noch vergehen. Ich habe ihm nur ein geringes Handgeld gegeben, dem Schnösel, dem frechen. Mit Black Adder zu fahren, ist kein Vergnügen – neben dem auf dem Bock hat es noch keiner lange ausgehalten. Und die Strecke von Rolla nach Fort Smith ist die gefährlichste und übelste überhaupt hier im Nordwesten.
Indianer, Banditen, ein mörderischer, halsbrecherischer Weg durch die Ozarks. Den will sonst keiner fahren. Black Adder macht das, weil er sonst nichts anderes kriegt und niemand sonst ihn nimmt, weder als Kutscher noch als sonst was.
Dem Kid wird er die Flügel stutzen. Der wird sich wundern. Ich glaube nicht, dass der Kid es lange bei ihm aushält. Dann muss ich mir einen anderen Shotgun suchen – vielleicht einen Taubstummen oder einen Dummen, dem nichts etwas ausmacht.
Wir werden sehen.
Der Personalchef nahm seine Kaffeetasse, goss einen ordentlichen Schluck Whisky hinein und trank. Dann spie er in den Spucknapf neben seinem Schreibtisch, traf daneben und schnaubte angewidert. Die Putzkraft sollte sich darum kümmern.
St. Louis war eine raue Flusshafenstadt, Verkehrsknotenpunkt zu Land und zu Wasser, wobei noch lange keine Eisenbahn in Sicht war. Im Osten gab es ein paar Eisenbahnlinien. Guggenheimer glaubte nicht, dass die Eisenbahn eine Zukunft hatte.
Zu umständlich und aufwändig zu bauen und dazu noch viel zu teuer. Wer sollte denn in so etwas Geld investieren, wo es doch gute stabile Kutschen und Frachtwagen gab?, dachte er. Und dann noch die Riesenentfernungen – in Europa hatten sie so etwas, Eisenbahnen. Doch dort waren die Entfernungen kürzer, und alles lag nahe beieinander. Im Westen oder gar über den Kontinent brauchte man so was nicht.
Wenn man dazu noch die natürlichen Hindernisse bedachte, Gebirge und Schluchten und Flüsse, alle möglichen Bodenformationen! Nein, das mit den Eisenbahnen konnte im Westen nichts werden, davon war der Personalchef der Butterfield Overland überzeugt. Ihm unterstand die nordwestliche Sektion der Kutschenlinie.
Der Wasserweg ist das einzig Wahre, dachte er. Das und die Überlandstraßen. Neumodische Fürze sind das, die eine Eisenbahn im Westen bauen wollen.
Er spuckte wieder, traf diesmal den Spucknapf und freute sich.
Dann fiel ihm Black Adder ein, wie der Spitzname dieses übel beleumdeten Kutschers lautete. Er fuhr eine Strecke, die sonst niemand haben wollte. Schwarze Natter, das hieß Black Adder. Er war nach Guggenheimers Ansicht der übellaunigste und unsympathischste Mensch, dem er jemals begegnet war.
Ein wandelndes Ekelpaket. Mit den Fahrgästen sollte er so wenig wie möglich reden, am besten gar nicht. Die strikte Auflage hatte er. Bei der Butterfield Overland wusste man warum.
Mit seinen Shotguns vertrug er sich nicht, er mochte überhaupt niemanden neben sich auf dem Bock. Zwei Shotguns hatte er verprügelt und einen in voller Fahrt vom Bock geschmissen, sodass er sich ein Bein brach.
Der Kid würde an ihm seine Freude haben.
✰
Jack Destry ahnte nichts von seinem Glück, das ihm in Gestalt von Adam Griffin alias Black Adder ins Haus stand. Er hatte den Job, und er freute sich königlich. Er liebte das Abenteuer. Allzu hart und schwer stellte er sich die Arbeit nicht vor. Auf dem Kutschbock sitzen, durch die Gegend fahren, sich den Wind um die Nase wehen lassen, das war seine Vision.
Bei schlechtem Wetter würde er sich warm oder wasserdicht anziehen. Mit einem sympathischen Kutscher konnte er sich gut unterhalten. Er würde sich die Gegend anschauen, ein wachsames Auge auf die Umgebung haben.
Wenn mal ein Strauchdieb aus dem Busch sprang oder ein Indianer, auf die man in den Ozarks nach wie vor stieß, würde er sich mit der Shotgun und seinem Revolver Respekt verschaffen. Das ist ein feiner Job, dachte er. Man fährt durch die Gegend und erhält dafür auch noch Geld.
Auf den Stationen wurde alle zwanzig Meilen das Gespann gewechselt, aber der Stationshalter und sein Personal erledigten die Arbeit. Er – Jack – konnte mit hübschen weiblichen Fahrgästen pussieren und mit Girls von den Stationen anbändeln.
Er freute sich schon darauf. Es hatte in der Nacht und am Morgen noch heftig geregnet. Jack wich Wasserpfützen aus oder sprang darüber hinweg. Er näherte sich durch die Seitenstraßen Fat Emmas Hurenhaus, wo er unterm Dach in einer Kammer wohnte.
Dort regnete es durch das Dach, im Winter war es saukalt. Auch bekam er die Betriebsgeräusche mit, das Gequieke und vorgetäuschte Lustgestöhn von Fat Emmas Huren.
»Oh, Darling, du machst es so gut! Ja, ja, ja, gib es mir! Dein Schaft ist so toll! Wunderbar!«
Und wenn der Freier dann gegangen war, hieß es in ganz anderem Tonfall zu einer anderen Hure: »Ist das Schwein endlich fort! Besoffen war er und dreckig. Hat ihn kaum hochgekriegt, das war vielleicht eine Mühe mit ihm. Saukerl, der. Ich dachte schon, er kommt überhaupt nicht mehr. Zahlt anderthalb Dollar und will die halbe Nacht bleiben. Ich dachte schon, ich muss Scarface holen, damit er ihn rausschmeißt.«
Scarface, der Narbige, war der Hausbursche und Rausschmeißer des Hafenbordells. Der Mann fürs Grobe.
Jack war bester Laune, als er um eine Straßenecke bog. Er musste an einer üblen Kaschemme vorbei – dem »River Alligator«. Dort waren immer etliche Jahre Zuchthaus versammelt, übles Gelichter, Kerle und Hafenhuren.
Als Jack an der Kneipe vorbeiging, stellte ihm ein pockennarbiger Rabauke, der an der Wand lümmelte, ein Bein. Der junge Mann fiel.
Der Pockennarbige und seine Kumpane lachten dröhnend. Sie kriegten sich schier nicht mehr ein. Ein Pfeife rauchendes Weibsbild, dem alle Laster der Welt und ein wüster Lebenswandel ins Gesicht geschrieben standen, stimmte ein.
»Hahaha. Hohoho.«
»Höhöhö.«
Die Pfeiferaucherin kicherte. Jack erhob sich und klopfte sich den Schmutz von der Kleidung. Die Vernunft riet ihm weiterzugehen. Doch er hörte nicht auf sie.
Er ging zu dem Pockennarbigen, einem Vierschrot mit derben Fäusten.
»Hast du mir das Bein gestellt?«
»Klar.«
»Absichtlich?«
»Was denn sonst? Willst du mit meinen Fäusten Bekanntschaft machen, du Milchgesicht? Was hat ein Grünschnabel wie du überhaupt hier zu suchen?«
Jack zuckte die Achseln und drehte sich um. Im nächsten Moment wirbelte er herum und verpasste dem Pockennarbigen aus der Drehung heraus einen Sidekick. Er traf ihn mit der Fußkante in den Solarplexus.
Der Pockennarbige knickte ein wie ein Taschenmesser. Jack donnert ihm den Ellbogen ins Genick. Der Mann küsste ihm die Stiefel, als er zu Boden ging.
Brüllend gingen seine Freunde fünf Mann hoch auf Jack los. Der ließ seine Fäuste wirbeln und teilte aus, was er konnte. Jack war schnell wie ein Wirbelwind. Er hatte eine ausgefeilte Kampftechnik entwickelt, indem er sich bei anderen etwas abgeschaut hatte und mal eine Weile lang mit einem Hobo durchs Land gezogen war, einem Halbchinesen, der die Technik des Kung-Fu beherrschte.
Er war Jacks Lehrmeister gewesen.
Der junge Mann setzte Fäuste, Füße und Handkanten ein, Ellbogen und Knie. Einem, der vor ihm stand, versetzte er einen Kopfstoß, der dem Kerl die Nase brach.
Dann lagen fünf Mann am Boden und der Pockennarbige mit dazu. Jack klopfte sich die Hände ab. Als er weitergehen wollte, starrte ihn die Abgehalfterte mit der Pfeife an, die sie aus dem Mund genommen hatte.
»Wie hast du das gemacht?« Jack gab keine Antwort. »He!«, rief die Raucherin in den Saloon. »Kommt alle her! Der Kid da, das Milchgesicht, hat Pock Charlie und seine fünf Freunde ausgeknockt.«
Sofort kamen Leute aus dem Saloon gelaufen.
Einer fragte: »He, Junge, wie hast du das angestellt?«
»Frag die da.«
Jack deutete mit dem Daumen auf die Pfeifenraucherin. Als er weiterging, blickte er über die Schulter zurück. Das hatte ihn sein Freund und Lehrmeister John Lee Smith beigebracht: niemals den Feind außer Augen lassen. Es sei denn, er war eine Leiche – und selbst da sollte man völlig sicher sein.
Der Pockennarbige war wieder halbwegs beisammen. Er zog einen Revolver aus dem Hosenbund. Jack wirbelte herum, blitzschnell sprang ihm der Colt in die Hand – so schien es für einen Beobachter –, und er schoss mit gestrecktem Arm.
Er traf die Revolvertrommel des Pockennarbigen. Sie explodierte. Beim Perkussionsrevolver wurden die Kammern mit Pulver und Blei geladen. Das verschloss man mit der Ladepresse am Revolver mit Filzpropfen und stieß alles fest in die Kammer.
Er krachte, die Trommel flog auseinander. Der Pockennarbige brüllte auf wie ein Stier. Die zerstörte Waffe flog weg. Jack sah die zerfetzte Hand dieses Mannes. Er machte, dass er wegkam – er wollte nicht warten, bis dem Pockennarbigen eine neue Hand wuchs oder bis die Rauf- und Saufbolde aus dem »River Alligator« auf ihn ein Preisschießen veranstalteten.
Er flitzte um ein paar Ecken. Damit hatte er die Verfolger abgeschüttelt. Hastig atmend lehnte er sich mit dem Rücken an eine Hauswand im Hinterhof. Vor ihm hing nasse Wäsche an der Leine.
Jemand hatte vergessen, sie vor dem Regen hereinzuholen. Jacks Klamotten waren es nicht. Ein gemein aussehender riesiger Hund kam knurrend auf ihn zu und fletschte die Zähne.
Jack mochte Tiere, Hunde und Pferde. Auf Menschen schoss er schon eher und leichtfertiger. Die tierische Kreatur war unschuldig und beging keine Sünden und Laster.
Der junge Mann hielt den Revolver bereit, den Lauf dem Hund in den Hals zu rammen, wenn der ihn angriff. Er hielt ihn für eine Riesendogge, eine Art, wie er sie in der Größe noch nie gesehen hatte und die es ohne weiteres mit einem Bären hätte aufnehmen können.
Es war ein Mastino, was Jack nicht wissen konnte. Ein Nachfahre der römischen Kriegshunde, der Molosser – einen Dreiviertelmeter hoch war dieser Hund und siebzig Kilo schwer. Schwerer als Jack, der siebenundsiebzig Kilogramm wog.
Der Hund war schwarz, hatte hängende Ohren und konnte mit seinem Gebiss ohne weiteres ein Pferdebein durchbeißen. Wenn er über einen Menschen herfiel, dann Gnade diesem Gott. Er wurde zerfleischt, seine Kehle durchgebissen oder jedenfalls schrecklich zugerichtet.
Jeder andere hätte auf dieses Riesenvieh wie aus einem Albtraum geschossen. Jack nicht.
Er blickte dem Mastino fest in die Augen.
»Beißer, warum bist du so böse, Beißer? Ich tu dir doch nichts. Ich will nur hier vorbeigehen. Ich weiß, das ist dein Hof, dein Revier. Ich bin gleich wieder fort.«
Beruhigend sprach Jack auf den Mastino ein. Ob es nun der Klang seiner Stimme war, die keinerlei Angst oder Aggression ausdrückte, oder ob es Jacks Ausstrahlung war, der Mastino griff ihn nicht an. Er blieb stehen.
Er winselte und wedelte mit dem Stummelschwanz. Näher kam er zu Jack. Der junge Mann kraulte ihn, nicht achtend, dass ihm Speichelfäden von den Lefzen des Mastinos auf den Ärmel troffen. Ja, Jack kniete sogar nieder und legte seinen Kopf an das seidige Fell des Mastinos.
»Du bist ein Schöner, ein Guter. Wie heißt du denn? Wenn ich wieder vorbeikomme, bringe ich dir ein saftiges Stück Fleisch mit.«