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In Wyoming stehen sich die Familien der beiden größten Ranches, die Morris und die McGrowans, als unerbittliche Rivalen gegenüber. Schon aus geringem Anlass bekämpfen sie sich bis aufs Blut. Sheriff Wade Cobb steht zwischen den Fronten und vermittelt vergebens. Dass er sich mit den hübschen Morris‘-Töchtern Shirley und Rhena heimlich vergnügt, hilft ihm dabei auch nicht weiter. Das ganze County gerät in Brand!
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Seitenzahl: 153
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Die Sache am Sweetwater River
Vorschau
Impressum
Die Sacheam Sweetwater River
In Wyoming stehen sich die Familien der beiden größten Ranches, die Morris' und die McGrowans, als unerbittliche Rivalen gegenüber. Schon aus dem geringsten Anlass bekämpfen sie sich bis aufs Blut. Sheriff Wade Cobb steht zwischen den Fronten und vermittelt vergebens. Dass er sich mit den hübschen Morris-Töchtern Shirley und Rhena heimlich vergnügt, hilft ihm dabei auch nicht weiter. Das ganze County gerät in Brand!
Die mörderische Fehde zwischen den größten Ranchern Wyomings, den McGrowans und den Morris, begann an einem heißen Augusttag in Dodge. Der Anlass war ein nackter Frauenhintern, der einer Prostituierten vom »Pretty Women Dollhouse« gehörte. Die beiden großen und starken Sippen standen in Konkurrenz. Sie züchteten Rinder und Pferde. Sie trieben seit Ende der 60er Jahre Herden nach Dodge, weil dort die besten Preise für Rinder bezahlt wurden.
An diesem Tag im Jahr 1878 waren sowohl die McGrowans als auch die Morris mit je einer großen Herde in Dodge.
Dort ging es rund. Tag und Nacht wurde Vieh verladen. Die Longhorns und mittlerweile auch viele Hereford-Rinder stauten sich in den Verladecorrals der Atchinson, Topeka & Santa Fé Railway. Über eine Viertelmillion Rinder kamen jährlich in die Königin der Rinderstädte, aus Texas und anderen Bundesstaaten, mittlerweile auch aus dem mittleren Westen.
Getrieben wurden sie von harten, heißblütigen Cowboys, durch die Bank jung, kühn und verwegen. Männer, denen der Sattel die Heimat war und die sich des Nachts mit dem Sternenzelt zudeckten, direkt bei ihren Rindern, die sie mit Leib und Leben verteidigten.
Sie waren wochenlang unterwegs und erlebten und erlitten jede Menge Strapazen, Gefahren und Härten. Feindliche Indianer, Viehdiebe und Banditen hatten es auf sie abgesehen. Der Sechsschüsser war ihr Gebetbuch; sie fürchteten nichts und niemanden und hätten ihre Herde selbst quer durch die Hölle getrieben.
Das waren die Cowboys, sie wurden Legenden. Wenn sie am Ziel ankamen, waren sie ausgehungert nach Vergnügungen. Dodge City, wo auf fünfzig Einwohner ein Saloon kam und wo es jeden Tag und jede Nacht knallte, kam ihnen gerade recht. Spielsalons, Hurenhäuser, jede Menge Weiber und Schnaps, leichte Mädchen, die ihnen das Geld aus den Taschen zogen, das war in Dodge ihre Welt.
Wyatt Earp war zu der Zeit Marshal. Seine Brüder und Doc Holliday unterstützten ihn bei dem gefährlichen Job. In der Saison ging es heiß her. Aber wir wollen von den McGrowans und den Morris erzählen.
Beide Mannschaften ließen die Puppen tanzen und waren außer Rand und Band. Nun herrschte im »Pretty Women Dollhouse« in der Benefit Street, einer Nebenstraße im Vergnügungsviertel, wenig Betrieb. Es war Nachmittag und gerade mal nichts los.
Der Puffmutter Mizzie Orrelson – jeder nannte sie Mizzie, obwohl sie schon älter, fett und verschlagen war – passte das nicht.
»Myrtle!«, rief sie schrill durch die parfümgeschwängerte, heiße Luft in dem für ihren Geschmack viel zu ruhigen Haus, »Komm mal runter! Was machst du allein im Bett und liegst auf der faulen Haut? Halt deinen Hintern zum Fenster raus, locke die Kundschaft an. Du hast den schönsten Popo von ganz Dodge, das lockt die Kerle an.«
Die Bordelltreiberin gebrauchte härtere Worte als Hintern und Popo. Doch zu krass muss es nicht erwähnt werden.
Myrtle erschien, eine gutgebaute, stramme Blondine im knappen Kleid. Sie rauchte eine Zigarette in einer langen Spitze und kam zu Mizzie Orrelson.
»Warum immer ich?«, maulte sie. »Das kann doch auch mal eine andere machen.«
»Nein, ich will deinen Hintern. Da, häng ihn aus dem Fenster.«
»Nackt?«
»Wie denn sonst? Sonst könnte ich ja auch ein Kleid raushängen.«
Myrtle murrte nicht weiter. Ihre Chefin wog gut zwei Zentner und hatte eine schnelle und feste Hand. Die Girls, die für sie arbeiteten, bekamen öfter mal Ohrfeigen.
Die blonde Myrtle entblößte sich also, rückte einen Stuhl ans Fenster rechts von der Eingangstür mit der roten Laterne darüber und stieg darauf. Die Zigarette rauchend, hielt sie ihren Allerwertesten aus dem Fenster und zeigte ihn den Passanten.
Mizzie Orrelson ging zur Tür, klatschte in die Hände und rief mit lauter Stimme den Passanten zu: »Das wird euch hier geboten! Dieser Hintern sucht Gesellschaft. Wen es juckt, der soll reinkommen. Die Pretty Women erwarten euch, eine schöner und schärfer als die andere. Sie lassen bei euch keine Wünsche offen.«
Reiter und Fußgänger starrten, stießen sich mit den Ellbogen an und machten Bemerkungen. Jack McGrowan, der älteste Sohn der McGrowan-Sippe, ritt mit Shorty Conway und dem langen Phelps um die Ecke. Aus der anderen Richtung schlenderten fünf Cowboys der Morris-Mannschaft herbei, angeführt von dem Trailboss Iron Tom Harper und Young Todd Morris, dem Jüngsten der Morris-Sippe, den sie manchmal auch Lucky nannten, weil er beim Kartenspiel so viel Glück hatte.
Es behaupteten allerdings böse Zungen, er würde tricksen. Young Todd war achtzehn Jahre alt und sollte sich bei dem Herdentreiben unter dem hartgesottenen Iron Tom Harper seine Sporen verdienen.
Jack McGrowan sah den Popo im Fenster und rief seinen Begleitern zu: »Was für ein Hintern! Rosig und prächtig, prall und voll. Ein Hintern, für den man jederzeit einen Krieg anfangen könnte. Unglaublich, unfassbar.«
»Jetzt dreh mal nicht durch, Jack«, sagte Shorty Conway. »Recht hübsch, ja, aber so ein Weltwunder nun auch wieder nicht.«
»Du hast keine Ahnung«, ermahnte ihn Long Harry mit seiner Grabesstimme. »Das ist wirklich ein Prachtstück. Da läuft mir das Wasser im Mund zusammen und platzt mir die Hose.«
Sie ritten weiter. Young Todd, Iron Tom und die drei Morris-Cowboys gafften von der anderen Straßenseite herüber.
Young Todd traten die Augen vor. Seine Hose beulte sich deutlich aus. Er schluckte.
»Nein, sowas! Diese prallen Backen, die Spalte, die präsentiert wird. Die Alte versteht es, die Kundschaft scharfzumachen und anzulocken.«
Er meinte Mizzie Orrelson, die jetzt in die Hände klatschte.
»Hereinspaziert, Gentlemen, in dieses noble Etablissement. Hier verwöhnen euch die heißesten Girls von ganz Kansas, was sage ich, des gesamten Westens! Ihr werdet Wunder erleben. Myrtle, die euch hier ist bestes Stück zeigt, ist scharf wie ein Rasiermesser auf stramme Jungs wie euch. Sie will hart geritten sein, Cowboys. Kommt ins Dollhouse, probiert es aus.«
»Die muss ich haben!«, rief Young Todd. »Der Hintern gehört mir. Und alles andere, was dazugehört.«
Er stieß einen wilden Schrei aus. Da preschte Jack McGrowan heran. Er ritt Young Todd fast um. Hart zügelte er sein Pferd.
»Diese Frau gehört mir. Ich habe sie zuerst gesehen, das heißt, ihren Hintern. Ich habe bei ihr den Vorrang, Kleiner.«
Young Todd sah ihn finster an. Jack war ein Hüne, gut einen halben Kopf größer als der Jüngste der Morris'. Doch der steckte vor niemand zurück.
»Was heißt das, du hast sie zuerst gesehen? Wie willst du das nachweisen, und was soll das überhaupt heißen? Ich bin Todd Morris, ich will das Weib.«
»Kriegst du aber nicht.« Jack saß ab. »Später vielleicht, wenn ich mit ihr fertig bin. Das wird aber eine Weile dauern, bis ich alles durch habe.«
Er band sein Pferd an dem Hitchrack an.
»Du weißt doch noch nicht mal richtig, wie es gemacht wird. Du bist noch grün hinter den Ohren. Da müssen richtige Männer ran.«
Mizzie Orrelson war zu Myrtle gegangen, sonst hätte sie vielleicht Frieden stiften können. Sie ermahnte die Blondine, genau so stehen zu bleiben.
»Gleich rennen die Kerle uns das Haus ein.«
Als sie wieder hinauskam, war es zu spät. Jack McGrowan und Young Todd Morris prügelten sich auf Teufel komm raus. Der athletischen Jack McGrowan war klar im Vorteil. Young Todds Nase blutete bereits.
Jack haute ihn um.
Er klopfte sich die Hände ab und rief: »Bleib lieber liegen, Junge! Sonst haue ich dich ungespitzt in den Boden, dass du am Nordpol herauskommst.«
Er blickte zum Fenster. Myrtle war vom Stuhl gestiegen und lehnte sich über die Fensterbrüstung. Man sah in ihr Dekolleté, die Ansicht war aufreizend, aber nichts Besonderes.
»Ich komm zu dir rein!«, rief Jack McGrowan. »Dir besorge ich es, dass dir Hören und Sehen vergeht.«
Myrtle grinste.
»Das wollen wir sehen, wer eher schlappmacht. Ich bin bereit, Cowboy.«
Da kam Iron Tom Harper mit Karacho über die Straße gerannt und rempelte McGrowan an, dass dieser strauchelte. Noch ehe sich McGrowan gefangen hatte, prügelte Iron Tom auf ihn ein und erwischte ihn seitlich am Kopf, dass er Sterne sah. McGrowan war jedoch hart im Nehmen.
Obwohl er benommen war, blockte er ab und wehrte sich. Young Todd sprang Iron Tom bei. Shorty Conway und der lange Phelps griffen zugunsten McGrowans ein. Die drei restlichen Morris-Cowboys rannten über die Straße und griffen in den Kampf ein. Eine wüste Schlägerei entstand.
Acht Mann prügelten sich auf offener Straße vor dem Bordell. Einer schoss in die Luft, aufeinander geschossen oder Messer eingesetzt wurden nicht. Es ging mit den Fäusten und Fußtritten. Das war heftig genug, denn bei solchen rauen Kämpfen im Westen konnte schon mal ein Auge ausgequetscht, ein Ohr abgebissen oder eine Nase eingeschlagen werden.
Die einzige Regel beim Freistilkampf war, dass es keine Regeln gab. Die Schüsse waren Alarmschüsse. Im Nu verbreitete es sich in der Stadt, dass sich die Morris-Mannschaft mit der McGrowan-Crew prügelte. In einem anderen Freudenhaus stieg ein Morris-Cowboy von der Hure herunter, mit der er gerade zugange war, zog sich rasch an, rannte zu seinem Pferd und ritt schleunigst zur Kampfstätte.
Die Prostituierte zuckte die Achseln.
»Bezahlt hat er ja«, sagte sie. »Wenn er nicht fertig machen will, ist das seine Sache.«
Die Keilerei in der Benefit Street nahm immer größere Ausmaße an. Zuschauer sammelten sich und gingen körperlich bei der Schlägerei mit, indem sie Faustschläge in die Luft führten und die Kontrahenten anfeuerten.
»Gib's ihm! Hau ihm die Nase platt!«
»Tritt ihm in die Hoden. Das gibt es doch nicht, den Schlag hättest du kommen sehen müssen!«
»Lass ihn nicht wieder aufstehen. Sonst erledigt er dich.«
»Haut sie, haut sie, immer in die Schnauze!«
Andere Cowboys, die zu keiner der beiden Mannschaften gehörten, beteiligten sich aktiv an dem Kampf. Sie entschieden sich für eine Seite, soweit sie sie kannten, oder suchten sich einfach irgendeinen Gegner und prügelten auf ihn ein.
Bald war eine Massenschlägerei im Gang. Die ganze Straße war von prügelnden Männern blockiert. Immer wieder gingen welche zu Boden. Meist standen oder sprangen sie wieder auf. Jack McGrowan spuckte Blut. Young Todd Morris' linkes Auge war zugeschwollen.
Iron Tom, der eigentliche Trailboss der Morris-Herde, prügelte sich mit Jack McGrowan. Staub wölkte, es gab blaue Augen und mehr. Myrtle und die anderen Huren vom »Dollhouse« schauten aus dem Fenster der Massenschlägerei zu.
Mizzie Orrelson ging zu Myrtle. Diese hatte das Kleid fallen lassen, so dass ihr Unterleib wieder bedeckt war. Draußen ertönte wildes Geschrei. Geschossen wurde nach den Alarmschüssen nicht mehr.
Die Bordelbetreiberin packte Myrtle fest am Arm.
»Willst du wohl den Hintern aus dem Fenster halten, du Aas? Wir müssen Werbung machen. Dein Hintern ist eine Attraktion.«
»Halt du doch deinen raus, Mizzie. Fett genug ist er ja.«
Zack hatte sie eine Ohrfeige weg, von der sie zu Boden ging. Greinend hielt sie sich die Wange.
Mizzie Orrelson baute sich drohend vor ihr auf.
»Den Hintern ans Fenster! Sofort! Ich reiß dir den Kopf ab wenn du nicht parierst.«
»Entschuldigung, Chefin. Was ich sagte, ist mir so rausgerutscht. Ich habe es nicht so gemeint. Draußen sehen alle der Schlägerei zu. Keiner achtet auf meinen Hintern.«
»Das meinst du. Diese Böcke sehen das schon. Wir werden, wenn die Keilerei vorbei ist, einen Ansturm haben wie noch nie zuvor. Willst du wohl?«
Myrtle gehorchte. Die Zigarette samt Spitze hatte sie weggelegt. Sie stellte sich auf den Stuhl, bückte sich, hob das Kleid, unter dem sie nichts trug, und zeigte das blanke Hinterteil.
»Ist es so gut, Chefin?«
»Bück dich was mehr. Spreiz die Beine. Etwas weiter raus mit dem Po. So ist es okay.«
Myrtle hätte sich lieber die Schlägerei angesehen. Doch sie musste gehorchen. Wie gemein, dachte sie. Alle anderen können zusehen, wie sich die Cowboys prügeln. Nur ich nicht. Doch an dem Teil, das sie zeigte, hatte sie nun mal keine Augen.
✰
»Die Earps kommen!«
Der Ruf erschallte auf der Straße. Wyatt Earp und zwei seiner drei Brüder, die bei ihm Deputys waren, kamen. Wyatt und Morgan rannten herbei, James Earp erschien hoch zu Ross in donnerndem Galopp.
Wyatt, groß, mit üppigem Schnauzbart wie alle Earps, stieg auf einen Kastenwagen, der hatte anhalten müssen, weil die Straße von der Keilerei blockiert wurde. Er schoss mit der Shotgun in die Luft. Es krachte wie ein Donnerschlag.
»Aufhören! Sofort aufhören, sage ich!«, rief er. »Ihr seid alle verhaftet.«
Keiner hörte auf ihn.
»Ja, ist denn das die Möglichkeit?« fragte er rhetorisch den Kutscher des mit Waren beladenen Farmwagens. »Die Kerle wollen nicht hören.«
Er feuerte den zweiten Lauf in die Luft.
»Aufhören!«, brüllte er in den Lärm.
Wieder ergebnislos. Sein Bruder James zügelte mühsam sein nervöses Pferd neben ihm.
»Was jetzt? Da prügeln sich achtzig Mann. Wie sollen wir die denn bändigen? Mit Schusswaffengebrauch ja wohl nicht.«
»Nein, James. Die prügeln sich nur.« Wyatt kniff die Augen zusammen. »Das sind wohl eher noch mehr als achtzig Mann.«
Er rief seinen Brüdern zu: »Wir hauen uns eine Gasse frei! Nehmt die Hickory-Holzknüppel und drescht auf alle Bummsköpfe ein, dass es raucht. Wir bahnen uns eine Gasse zum Dollhouse, dort, wo der Hintern am Fenster ist. Wir müssen uns durchsetzen und den Stadtfrieden wahren. Das ist unser Job.«
Die Earps spuckten in die Hände. Für Fälle wie diesen hatte jeder von ihnen einen Knüppel aus hartem Hickory-Holz. Die Schrotflinten blieben auf dem Wagen. Dann stießen die drei Earp-Brüder wie ein Stoßkeil in die wirre Menge der Kämpfenden. Man sah nur die sich über den Köpfen erhebenden Holzknüppel, die auf und nieder gingen.
Männer gingen zu Boden, Schmerzensschreie erschallten. Es gab dicke Beulen. Die Earps kannten keine Gnade, wenn sie angegriffen wurden. Sie schlugen mit Wucht zu, trafen in Bauch und Rippen, und droschen drein, dass es krachte.
Sie blieben eng zusammen. Wenn einer von ihnen abgedrängt worden wäre, wäre ihm das übel bekommen. Dann hätten ihn die rasenden Cowboys zu Boden geschlagen und niedergetrampelt.
Die Earp-Brüder mussten kaum etwas einstecken, viel weniger, als sie austeilten. Sie hinterließen blutige Köpfe und Beulen und schmerzvolle Männer. Sie erreichten nach harter Arbeit das »Dollhouse«, vor dem Mizzie Orrelson stand, die Fäuste in die üppige Taille gestemmt. Die Bordellchefin schaute unzufrieden drein. Sie sah ihr Geschäft dahinschwinden. An der Massenprügelei verdiente sie nichts.
Und ob die ramponierten Kampfhähne hinterher noch Lust auf Sex hatten, war die Frage. Das hatte sich anders entwickelt, als sie zunächst dachte.
»Was hat das zu bedeuten, Mizzie?«, fragte Wyatt sie wütend. Er schwitzte, sein Gesicht war hochrot, der Kampf hatte ihn angestrengt. »Was soll der Hintern im Fenster?«
»Das war eine Geschäftsidee von mir – Werbung fürs Geschäft.«
»Keine gute. Du da, geh weg!«
Das galt Myrtle. Hätte Wyatt Earp sie von Angesicht zu Angesicht gesehen, hätte er auch gewusst, wie sie hieß. Er kannte seine Schäfchen in Dodge, die Lämmer und auch die Böcke, die weißen wie schwarzen. Nur am Hinterteil konnte Wyatt Myrtle indessen nicht identifizieren.
Sie drehte sich um und stieg vom Stuhl. Sie und die anderen Girls des »Dollhouse« schauten aus den Fenstern und drängten sich. Die Schlägerei dauerte an. Nur wenige Männer waren außer Gefecht gesetzt.
»Was jetzt?«, fragte Wyatt seine Brüder. »Schießen wollen wir nicht. Das sind nur Cowboys, die über die Stränge schlagen, keine Banditen.«
»Nochmal quer durch die Meute hauen«, schlug Morgan vor.
Seine Jacke war zerrissen.
»Abwarten, bis sie genug haben«, meinte Virgil. »Irgendwann haben sie sich müde gekloppt.«
»Davon halte ich nichts«, widersprach Wyatt. »Wir können bei einer Massenschlägerei nicht einfach zusehen.« Er wendete sich an die Bordellchefin. »Da hast du was Schönes angerichtet, Mizzie. Das wird noch ein Nachspiel haben.«
»Was kann ich dazu, wenn sich die McGrowans und die Morris wegen Myrtles Hintern in die Haare kriegen? So habe ich mir das nicht vorgestellt.«
»So ist es aber gekommen. Dein Etablissement ist für eine Woche geschlossen. Was sind das denn für Sitten?«
Die Bordellchefin ließ sich nicht einschüchtern.
»Augenblick, Marshal. Dies ist ein freies Land. Es ist nicht verboten in Dodge, den Hintern aus dem Fenster zu halten. Davon steht nichts in den Stadtgesetzen. Bei den Saloongirls und anderen dürfen keine Schamhaare und keine Nippel zu sehen sein. Auch darf die Brust nicht ganz entblößt werden, außer im geschlossenen Raum bei Verrichtung der Sache. Von nackten Hintern ist nichts verzeichnet.«
»Weil niemand darauf gekommen ist, dass jemand sowas macht«, mischte sich Virgil ein. »Aber das wird noch geändert. Darauf kannst du dich verlassen, Mizzie.«
»Noch ist es nicht geändert. Ich berufe mich auf das Gesetz und auf meine Bürgerrechte. Und auf das Recht der freien Meinungsäußerung.«
»Ein nackter Hintern ist keine Meinungsäußerung.«
»Oh doch. Das bedeutet, du kannst mich mal.«
»Ruhe!«, unterbrach Wyatt Earp die ausufernde Debatte. »Das klären wir später. Jetzt müssen wir erst einmal dafür sorgen, dass die Schlägerei endet.«
Sie erhielten Hilfe. Während sie noch überlegten, sich abermals ins Gewühl zu stürzen, fuhr aus einer Seitengasse ein Buggy. Ein langer, sehr bleicher und hohlwangiger Mann kutschierte ihn. Er trug einen langschößigen Prince-Albert-Rock, der ihn als Spieler auswies. Seine dunklen Augen glimmten in einem krankhaften Schimmer.
Das war Doc Holliday, Wyatts Vertrauter und Kampfgefährte. Zu dem Zeitpunkt 27 Jahre alt, ein Zahnarzt, ausgebildet in Rhetorik, Grammatik, Mathematik und Geschichte und in Sprachen wie Latein, Französisch und Griechisch unterrichtet. Mit umfassender Bildung und einem Zahnarztdiplom in der Tasche.
Er hatte nur kurz praktizieren können, ehe die Tuberkulose ihn aus der Bahn warf und berufsunfähig machte. Wer hätte sich schon von einem Tb-kranken Zahnarzt behandeln lassen, der ihn anstecken konnte? John Henry Holliday war auf einen anderen Weg geraten und als eiskalter Spieler und tödlich gefährlicher Revolverschütze bekannt.
Er würde nicht alt werden. Den Tod durch eine Kugel hätte er dem Dahinsiechen an der Schwindsucht vorgezogen. Doch seine Kugel war noch nicht gegossen worden.
Er fuhr in die prügelnde Menge, schlug die Rockschöße zurück und stellte sich auf das Trittbrett des Buggys mit dem zurückgeschlagenen Faltdach. Blitzschnell zog er beide 45er Colts mit den Perlmuttgriffschalen und feuerte je einen Schuss in die Luft.
»Ruhe!«, befahl er, nicht einmal sonderlich laut.
Die Schüsse erregten Aufmerksamkeit. Zuerst hörten die bei dem Buggy stehenden Kämpfer mit der Prügelei auf. Sie und am Boden liegende oder kauernde Männer blickten zu der lattendürren Gestalt in der Spielerkleidung auf.