Jägermond - Die Tochter des Sphinx - Andrea Schacht - E-Book

Jägermond - Die Tochter des Sphinx E-Book

Andrea Schacht

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Beschreibung

Das Finale der Fantasy-Saga Jägermond – wohliges Schnurren inklusive

Feli gelingt es, aus einem verunglückten Auto nicht nur die Fahrerin zu retten, sondern auch ihre weiße siamesische Katze. Feli erkennt deren Ohrring, der sie als Bewohnerin des magischen Katzenreichs Trefélin ausweist. Der letzten Bitte der weißen Siamesin folgend, bringt Feli sie zurück in ihre Heimat. Dort erfährt die junge Frau Schreckliches. Irgendjemand ermordet in der Welt der Menschen Katzen. Gemeinsam mit ihren Freunden beschließt Feli, die Schuldigen aufzuspüren. Sie ahnen nicht, wie skrupellos ihr Gegner ist – bis auf sie geschossen wird.

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Seitenzahl: 435

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ANDREA SCHACHT

Jägermond

Die Tochter des Sphinx

Roman

1. Auflage© 2014 by Penhaligon Verlag,in der Verlagsgruppe Random House GmbH, MünchenLektorat: Holger KappelRedaktion: Rainer SchöttleKarten: Jürgen SpehSatz: Uhl + Massopust, AalenISBN 978-3-641-12470-0www.penhaligon.de

Träumen und Putzenist immer von Nutzen.Maunzi

Erster Teil

Das Buch der Katzen

1. Auszug aus dem »Buch der Träume« von Malte Buchbinder

Gewidmet seinem Kater Algorab.

Alter Freund, du kehrst jetzt heim.

Doch Liebe ist, wird immer sein.

… und so erschloss sich mir eine neue Welt, das Land Trefélin. Vor Jahrtausenden hat sich dieses Reich von der uns bekannten Welt entfernt. Seine Bewohner pflanzten einen Streifen Wald an der Grenze, dessen Bäume hoch aufstrebten und unter deren immergrünem Laub sich der Nebel sammelte. Zunächst war es leicht, diesen Wald zu durchqueren, heißt es. Katzen wie Menschen wechselten die Welten, besuchten einander, lernten von einander. Doch allmählich traten Veränderungen ein. Die Menschen verloren die Achtung vor den Göttern, machten sich die Erde untertan, hielten Pflanzen und Tiere für niedrigere Wesen als sich selbst und ernannten sich zur Krone der Schöpfung.

Im Reich Trefélin konnte man gut auf die Menschen verzichten. Das Volk der Katzen pflegte seine eigene Kultur, sie wurden größer und weiser und viel älter. Die wenigen Menschen, die in Trefélin geblieben waren, entwickelten sich in eine andere Richtung. Sie wurden kleiner und schlichter, wurden von den Katzen Menschel genannt und als nützliche Haustiere gehalten. Und man tat nichts dagegen, dass der Graue Wald sich ausbreitete, undurchdringlich wurde außer für einige wenige, die das Recht und die Macht dazu besaßen, ihn zu durchqueren.

Das Recht aber erhielten jene durch die kleinen goldenen Ohrringe, die vor Urzeiten geschmiedet worden waren, um die Ohren geliebter Katzen zu schmücken. Diese Ringe befähigten ihre Träger, sich mit allen Lebewesen verständigen zu können, sie halfen ihnen, die unsichtbaren Wege in den Grauen Wäldern und die Ausgänge in die Welt der Menschen zu finden. Sie halfen den großen Trefélingeborenen auch, sich in kleine Hauskatzen zu verwandeln, wenn sie denn die Menschenwelt betraten, sodass sie sich unauffällig unter den Katzengeborenen aufhalten konnten.

Manchmal geschah es, dass eine Katze aus Trefélin Freundschaft mit einem Menschen schloss. Dann lehrte diese Katze ihn und verhalf ihm zu tiefen Einsichten. Und in einigen Fällen waren es Menschen, die sich um das Wohl der Katzen kümmerten, sie pflegten und heilten und ihnen mit großer Liebe zugetan waren. Dann kam es schon vor, dass diese Menschen einen der Ohrringe erhielten und damit auch die Erlaubnis, das Land der Katzen zu besuchen.

Wenige nur besitzen dieses Privileg. Und sie schweigen darüber.

Dennoch habe ich, Malte Buchbinder, Freund von Algorab, die Erlaubnis, mein Wissen über das Reich der Katzen aufzuschreiben, damit es für jene erhalten bleibt, die wissen und lieben.

2. Einbruch

Minni, die Siamesin, lag dösend auf der blauen Decke, die so wundervoll mit ihrem weißen Fell kontrastierte und ihre blauen Augen betonte. Wenn sie denn offen waren. Derzeit aber waren ihre Lider geschlossen, und sie träumte von einem Land fern von der Welt der Menschen. Manchmal tat sie das, obgleich sie nun schon viele Jahre glücklich bei ihrer Freundin Katharina vom Wald lebte. Manchmal sehnte sie sich nach Trefélin, den weiten, blühenden Wiesen im Laubental, nach den glitzernden Wassern des Lind Siron, der Stille, die nicht von Flugzeugdröhnen, Fernsehgeplapper und Handygeklingel gestört wurde, wo die Luft – rein und frei von Abgasen und künstlichen Düften – nur nach Gras und Erde roch. Und den aufregenden Botschaften anderer Katzen.

Minni träumte, und ein Sonnenstrahl wärmte nicht nur ihr seidiges Fell, sondern ließ auch das Gold in dem kleinen Ring aufblitzen, der ihr zartes Ohr schmückte.

Dieses Ohr zuckte plötzlich, und Minni kehrte spornstreichs von ihren Wanderungen zurück in das Hier und Jetzt.

Da war ein ungewöhnliches Geräusch zu hören, ein leises Kratzen. War Katharina zu ungewohnter Zeit aufgewacht? Es war noch früh am Tag, und gewöhnlich schlief ihre Freundin morgens bis acht Uhr, denn sie musste jeden Abend lange arbeiten.

Minnis Ohren drehten sich in alle Richtungen.

Nein, da drangen die gleichmäßigen Atemzüge aus dem Nachbarzimmer.

Das Kratzen aber kam vom Fenster in der Küche.

Von einem gekippten Fenster.

Lautlos hüpfte Minni von ihrem Lager und lief zum Bett. Mit einem Sprung landete sie auf dem Kopfkissen und schnurrte lauthals in Katharinas Ohr. Auch hier glitzerte ein Ohrring.

Katharina schlug die Augen auf.

»Jemand versucht durch das Küchenfenster zu kommen«, flüsterte Minni und stellte mit Genugtuung fest, dass die Frau sogleich hellwach war. Sehr leise wickelte sie sich aus ihren Decken, schlüpfte in die Flipflops und schlich zur Tür. Minni folgte ihr.

Und dann ging plötzlich alles sehr schnell.

Eine vermummte Gestalt lief durch den Flur, ein dickes Buch unter dem Arm. Riss die Terrassentür auf und rannte durch den Garten auf die Straße zu.

»Verdammt«, zischte Katharina, warf sich ihren Pelzparka über den Schlafanzug, fuhr in die Stiefel und griff nach dem Autoschlüssel. Dann hetzte sie ebenfalls hinaus. Minni folgte ihr mit großen Sprüngen. In den Wagen, gestartet und los. Hinter dem blauen Kombi her, der mit quietschenden Reifen durch die frühmorgendliche Stille heulte.

Minni krallte sich mit allen Pfoten im Polster fest und gab ein kriegerisches Geheul von sich. Katharina ließ den Motor aufröhren.

»Der hat das Buch, verdammt, der hat das Buch gestohlen«, fauchte sie wütend.

Sie erreichten die Hauptstraße, und unter Missachtung aller Verkehrsregeln schloss sie hinter dem Kombi auf. Eben wollte sie zum Überholen ansetzen, um den dreisten Dieb an die Seite zu drängen, da machte der eine wüste Schleuderdrehung. Kurz blendeten sie die Scheinwerfer, dann raste der Wagen in entgegengesetzte Richtung davon.

Minni kreischte. Die Reifen kreischten. Katharina fluchte.

Dann kam der Kombi wieder in Sicht. Bog auf die Bundesstraße ein. Gab Vollgas. Schnitt einen Kleinwagen, der heftig bremsen musste.

Katharina bremste ebenfalls.

Minni flog an die Windschutzscheibe, blieb benommen im Fußraum liegen.

»Verzeih, Schätzchen!«

Erneut heulte der Motor auf. Die Beschleunigung verhinderte, dass Minni wieder auf den Sitz kriechen konnte.

»Ich krieg ihn. Ich krieg den verdammten Kerl!«, zischte Katharina. »Festkrallen!«

Minni fuhr die Krallen aus und hakte sich in die Fußmatte. Der Wagen schoss vorwärts, scherte aus. Wurde langsamer.

»Gleich hab ich ihn ausgebremst«, hörte Minni ihre Freundin sagen.

Doch dann gab es plötzlich einen Knall. Ein Knirschen und Krachen. Die Welt begann sich zu drehen. Im Kreis, dann über und unter, es splitterte und krachte. Katharina schrie und verstummte. Schmerz erfasste Minni. Und es wurde dunkel um sie.

3. Unfall mit Katze

Pu-Shen, der kleine rote Kater mit den weißen Pfoten, trampelte schnurrend auf Feli herum.

»Geh weg!«, murrte sie.

Pu-Shen hörte auf zu trampeln, biss stattdessen in den kurzen Zopf, der auf dem Kopfkissen lag, und zerrte daran. Feli kicherte.

»Also gut, du bekommst dein Frühstück.«

Sie schlurfte in die Küche und füllte den Napf auf, über den sich der Kater augenblicklich hermachte. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass es sich nicht mehr lohnte, noch mal in die Federn zu kriechen. Halb sechs, eine unchristliche Zeit, aber heute wollte sie ihre Tante Iris bei einer Morgenwanderung begleiten. Iris führte Gruppen durch das Waldgebiet, unterstützt von dem Förster Nathan Walker, der für heute Wild Watching angekündigt hatte.

»Ah, auch schon wach!«, begrüßte ihre Tante sie und warf einen Blick auf den schmatzenden Pu-Shen. Sie war bereits angezogen und scheuchte Feli aus der Küche. »Du hast zehn Minuten, dann starten wir.«

Es war noch dunkel, die Sonne würde erst in zwei Stunden aufgehen, doch der Himmel war klar, und die Dämmerung würde schon bald einsetzen. Mit der Dämmerung erwachten die Tiere. Auch wenn es noch biestig kalt war. Feli kuschelte sich in ihren dicken Schal und setzte sich neben Iris auf den Beifahrersitz.

»Wie viele Opfer hast du einfangen können für diese Tour?«, fragte sie ihre Tante.

»Es kommen zehn. Sofern sie nicht verschlafen.«

»Oder irgendwo angefroren sind.«

»Es hat ein Grad über null.«

»Wenn du es sagst.«

Feli klapperte leise mit den Zähnen. Das Gebläse begann aber nun warme Luft zu verbreiten, und sie rieb sich die kalten Finger in ihren Handschuhen.

»Du wirst möglicherweise deine Waldkatzen zu sehen bekommen, Feli.«

»Ja, vielleicht. Wenn die nicht auch lieber in ihren Höhlen bleiben.«

»Sicher nicht. Der Hunger wird sie zur Jagd treiben.«

Sie hatten den Ort durchquert und bogen auf die Bundesstraße ein. Eine Weile schwiegen sie beide. Noch gab es wenig Verkehr, sie würden in weniger als einer Viertelstunde am Sammelpunkt sein.

»Scheiße!«, schrie Feli auf, und im selben Augenblick bremste Iris.

»Mein Gott!«

Vor ihnen überschlug sich ein Sportwagen, flog ein Stück durch die Luft und knallte gegen einen Baum. Die Rücklichter eines anderen Wagens verschwanden im Dunkeln.

Feli wurde in die Gurte gedrückt, aber sowie der Wagen stand, wühlte sie in ihrem Rucksack und zerrte das Handy heraus. Ein seltsam süßer Geschmack lag auf ihrer Zunge, als sie den Notruf wählte. Mit gefasster Stimme gab sie Standort und Geschehen durch, dann sah sie zu Iris hin. Die saß mit starrem Gesicht am Steuer und biss sich auf die Lippen.

»Wir müssen helfen, Tante Iris.«

»Ja, ja, das müssen wir wohl.«

»Komm, du hast doch gerade erst wieder einen Ersthelferkurs gemacht.«

»Ja, ja, hab ich wohl.«

Iris schien hilflos. Also stieg Feli aus und näherte sich der Unfallstelle. Schon im vergangenen Jahr war sie einmal Zeugin eines entsetzlichen Busunglücks gewesen. Es war furchtbar, was sie erwartete, doch irgendwas in ihr gab ihr die Kraft, sich dieser Sache zu stellen. Zu ihrer Ausrüstung gehörte auch eine Stablampe, und die holte sie aus ihrem Rucksack, um sich den Weg zu beleuchten. Der schwarze Wagen lag auf dem Dach, das Glas zersplittert, der Airbag drückte gegen einen Frauenkörper. Aber die Tür war so verbogen, dass sie sie nicht öffnen konnte.

»Können Sie mich hören?«, fragte Feli in die Trümmer hinein. Doch die Frau war offensichtlich bewusstlos. Immerhin gelang es Feli, nach ihr zu fassen, und sie spürte einen leisen Puls unter ihren Fingern.

»Hören Sie mich? Hilfe kommt. Gleich kommt Hilfe.«

»Hilfe!« Ganz leise kam das Wimmern. »Hilf mir!«

Da war noch jemand im Wagen.

Feli leuchtete hinein und starrte in zwei blaue Augen.

»Katze?«

»Hilf mir!«

Das Gold des Ohrrings blinkte im Schein der Stablampe.

Das Martinshorn erklang in der Ferne.

Feli lief um den Wagen herum und schaffte es, durch das zerborstene Seitenfenster nach innen zu schauen. Eine weiße, jetzt aber blutüberströmte Katze lag dort, die Hinterläufe zerfetzt. Mit einem Stein schlug Feli den Rest der Scheibe ein und langte nach drinnen. Die Katze heulte vor Schmerzen auf, ließ sich aber willig hinausheben.

»Wer bist du?«, flüsterte Feli.

»Minni. Minerva. Bring mich zurück, Freundin.«

Blaulicht umzuckte sie, Sanitäter liefen zum Wagen, Feli schaltete die Lampe aus und verzog sich in den Schatten der Bäume.

»Ich bringe dich zur Ärztin, Minni.«

»Keinen Zweck mehr. Zurück. Bitte.«

Leise seufzte Feli. Minni hatte recht, ihr war nicht mehr zu helfen.

»Ist gut, ich bringe dich nach Trefélin.«

»Danke. Kathy. Liebe. Sagen.«

»Ja, Minerva, Schönste. Ich sage es ihr. Ich bringe dich zu Bastet Merit. Ich bringe dich nach Hause.«

»Nicht. Weinen. Buch. Liebe.«

Nur noch ein Hauch Leben war in ihr, und Feli hielt die zierliche Katze in den Armen. Aus ihrer Kehle holte sie ein langes, tröstendes Schnurren, eine Fähigkeit, die sie seit einiger Zeit unablässig übte. Niemand von den Helfern bemerkte sie, während sie die Katze streichelte, bis deren Leib erschlaffte. Dann erst sah sie auf.

Starke Scheinwerfer beleuchteten die Unfallstelle, eine Trage wurde in den Krankenwagen geschoben, neben ihm sah Feli ihre Tante stehen, die sich mit einem Polizisten unterhielt. Sie hatte ihre Sicherheit offenbar wiedergefunden. Mit Minni im Arm näherte sie sich der Gruppe, und Iris unterbrach ihr Gespräch.

»Kind!«

»Es war eine Katze im Auto. Sie ist an ihren Wunden gestorben.«

»Ach, Kind. Und die Frau ist ebenfalls schwer verletzt. Sie hatte keine Papiere bei sich.«

»Der Wagen wird auf jemanden zugelassen sein, den wir informieren können. Haben Sie, junge Frau, etwas beobachtet, das zu dem Unfall geführt hat?«

»Ich weiß nicht. Es schien mir, als ob ein Auto sie überholte und dann von der Fahrbahn drängte. Aber es ging so schnell. Ich kann mich auch irren.«

»Diese Katze …«

»Lag im Fußraum.«

»Es ist mir immer wieder ein Rätsel, warum Menschen so nachlässig sind. Ein Tier, ungesichert im Fahrzeug, das kann die furchtbarsten Unfälle verursachen.«

Er betrachtete die blutige Katze.

»Geben Sie her, ich sehe zu, dass sie entsorgt wird.«

Feli machte einen Schritt zurück und merkte, wie sich ihre Haare sträubten.

»Lassen Sie die Finger von ihr. Ich sorge selbst für diese Katze.«

»Aber …«

»Überlassen Sie das Tier meiner Nichte. Sie weiß, was zu tun ist«, sagte Iris mit bestimmtem Ton. »Und nun werden wir gehen. Sie haben meine Personalien, Sie wissen, wie Sie mich erreichen können. Komm, Kind. Es ist kalt hier.«

Feli lief ihrer Tante voraus zum Wagen, und Iris reichte ihr ein Handtuch.

»Du bist voller Blut, Feli. Wickel das arme Ding hier ein.«

»Danke. Iris, ich kann nicht mit in den Wald kommen.«

»Nein, ich habe Nathan schon angerufen. Die Führung findet heute nicht statt.«

Schweigend fuhren sie zurück, und Feli überlegte angestrengt.

Minerva war eine besondere Katze. Den Ohrring trug sie nicht nur als extravaganten Schmuck, sondern genau wie derjenige, den sie selbst im Ohrläppchen stecken hatte, befähigte er sie, sich zu verständigen: zwischen Mensch mit Katze und Katze mit Mensch. Es war ein ungeheurer Zufall, dass ausgerechnet sie Minni gefunden hatte. Und dieser Zufall hatte etwas zu bedeuten.

Die Frau in dem Sportwagen wusste ganz offensichtlich von Minnis Fähigkeiten, auch sie gehörte zu den ganz wenigen Menschen, die das Privileg hatten, einen der magischen Ringe aus Trefélin tragen zu dürfen.

Hatte sie schon einmal von ihr gehört?

Feli schloss die Augen.

Vor einem halben Jahr, im vergangenen Sommer, hatte sie einige wunderbare Wochen in jener Welt hinter den Grauen Wäldern verbracht, im Reich der Katzenkönigin Bastet Merit, in Trefélin. Und mehr als das, sie hatte diesen Aufenthalt in Gestalt einer Katze genossen, hatte sich Kenntnisse im Jagen und Schnurren angeeignet, die hochstehende Kultur jener tigergroßen Bewohner bewundern und achten gelernt, Freunde gefunden und geholfen, das Land von einer Schlangenplage zu befreien. Ihr und ihren Freunden war es auch gelungen, einen Verräter zu fangen und unschädlich zu machen. Shepsi war seines Ohrrings beraubt, verdammt, unter den Menschen als gewöhnliche Katze zu leben. Der Übergang durch die Grauen Wälder in seine Heimat war ihm versperrt, verständigen konnte er sich nur noch mit den Katzengeborenen.

Trotzdem, er war eine Person voller Ränke, und wer wusste, ob er nicht doch auf irgendeine hinterhältige Art wieder zu Macht gekommen war.

Hatte er mit diesem Zufall zu tun?

Kannte er Minni oder Kathy?

Kathy. Minerva. Da war etwas.

Feli krauste die Stirn vor Anstrengung, sich zu erinnern. Und ja, da war etwas.

Im vergangenen Jahr, als sie in Trefélin weilte, hatte sie einmal mit Che-Nupet geplaudert. Die gemütliche, manchmal etwas dümmlich wirkende Katze hatte ihr anvertraut, wie alt sie wirklich war. Unerwarteterweise hatte sie das erstens im hexadezimalen System ausgedrückt, und noch unerwarteter war sie umgerechnet hundertachtundzwanzig Jahre alt.

Man sah es ihr nicht an.

Den größten Teil ihres Lebens hatte sie als Wächterin in den Grauen Wäldern verbracht, aber sich auch einige Zeit bei den Menschen aufgehalten. Wovon nur sie, Felina, und eben jene Minerva wussten.

Und plötzlich hörte Feli Che-Nupets Stimme wie damals.

»Ist eine Hofdame. Lebt bei Katharina. Musst du mal hingehen, ja ja. Ist nett da.«

»Dann gib mir ihre Adresse«, hatte Feli geantwortet.

»Musst du suchen. Katharina vom Wald. Findest du, ne. Bist gut im Finden.«

Katharina vom Wald. Kathy.

»Iris, wir müssen herausfinden, wer die Frau in dem Auto war. Ich muss ihr von ihrer Katze berichten«, sagte Feli in die Stille.

Iris bog in die Einfahrt ein und zog den Zündschlüssel ab.

»Ja, das wirst du wohl müssen. Es war etwas Seltsames mit der Frau. Sie hatte einen Schlafanzug unter dem Mantel an. Sie muss direkt aus dem Bett in den Wagen gestürzt sein. Mitsamt der Katze. Vielleicht war die schon verletzt oder krank.«

»Und sie auf dem Weg in die Tierklinik. Möglich. Trotzdem glaube ich, dass der andere Wagen sie abgedrängt hat.«

»Sie werden es herausfinden, wenn die Frau vernehmungsfähig ist. Was wirst du mit der Katze machen? Willst du sie hier im Garten begraben?«

Feli strich leicht mit dem Finger über das helle Gesichtchen, das unter dem Handtuch hervorschaute.

»Ich bringe sie in ihr Revier zurück.«

Iris war ein nüchterner Mensch, das hatte Feli in den Monaten gelernt, in denen ihre Tante in ihr Haus eingezogen war, nachdem Gesa, ihre Großmutter, gestorben war. Sie neigte nicht zu Gefühlsüberschwang, aber auch nicht zu übermäßiger Fürsorge. Allerdings war sie so ganz von dieser Welt. Die Vorstellung, dass Katzen sprechen konnten, würde sie als Spinnerei abtun, dass es ein Reich hinter den Grauen Wäldern gab, schlichtweg als Einbildung.

»Und wo soll ihr Revier sein, Feli?«

»Sie ist eine Siamesin.«

»Thailand ist ziemlich weit. Und es dürfte einige Probleme bei der Fluggesellschaft geben, mit einer toten Katze im Gepäck.«

»Weshalb ich auch nur diesen kleinen Ohrring dorthin mitnehmen werde, den sie trägt. Ihr Grab wird sie hier im Wald finden. Ich regle das mit Nathan.«

Iris stieg aus dem Wagen, und Feli folgte ihr.

»Wir reden beim Frühstück darüber. Geh und zieh dir frischen Sachen an. Du siehst schrecklich aus, Felina.«

Feli nickte und ging in ihr Zimmer. Sacht legte sie Minni in den Weidenkorb unter ihrem Schreibtisch. Ein Korb, der einst von einem schwarzen Kater bewohnt worden war und den Pu-Shen mit seltsamer Ehrfurcht mied. Auch jetzt kam der kleine Kater nur zögerlich näher und schnüffelte.

»Lass sie ruhen, Pu-Shen. Sie hat ihr Leben gelebt, und ich bringe sie nach Hause.«

Sie kraulte den Kater, und er schlich sich leise schnurrend in ihr Bett zurück.

Es war ein spontaner Einfall gewesen, die Reise nach Thailand. Aber vielleicht stimmte Iris dem zu. Sie hatte sie immer ermutigt, selbstständig zu handeln. Vor allem deswegen, weil ihre Eltern sie gerne in Watte gewickelt in eine Glasvitrine gesteckt hätten. Aber ihre Eltern waren in China und betreuten ein gigantisches Bauprojekt.

Feli warf ihre schmutzigen, blutverschmierten Kleider in den Wäschebeutel und stellte sich noch einmal unter die heiße Dusche.

Die Zeit war für eine Reise nicht schlecht geeignet. In zwei Tagen hatte sich der Mond gerundet, das Semester war so gut wie zu Ende. Sie hatte eigentlich vorgehabt, bei der Tierärztin ihr Praktikum weiterzuverfolgen, aber dazu war auch später noch Zeit.

Mit dem großen Handtuch rubbelte sie sich trocken.

»Feli, du suchst Ausreden!«, sagte sie, als sie in den beschlagenen Spiegel schaute. Es war weniger der Wunsch, Minni nach Trefélin zu bringen, der sie all diese Überlegungen anstellen ließ, sondern vielmehr die nagende Sehnsucht, ihre kätzischen Freunde wiederzusehen. Seit sie das Land kannte, war dieses beständige Sehnen in ihr. Mit ihrer Arbeit und dem Studium konnte sie sich ablenken, aber nun …

Aus dem Spiegel sah ihr ein weißes Katzengesicht mit einem roten und einem grauen Ohr entgegen. Kurz nur, aber deutlich.

»Ich komme zu euch, egal, was passiert«, flüsterte sie. Dann zog sie sich an und lief in die Küche hinunter. Heißer Kakao und warmes Rosinenbrot erwartete sie.

»Nach Thailand also. Und Doktor Labanca?«

»Ich regle das mit ihr, Iris.«

»Dein Entschluss kommt ziemlich überraschend.«

»N…nein, eigentlich nicht. Ich habe schon länger darüber nachgedacht, hier aus diesem düsteren Winter wegzukommen. Zwei Mädchen aus meinem Semester haben vergangenes Jahr eine solche Reise gemacht. Es muss traumhaft gewesen sein. Aber – ja, die Katze war jetzt der Auslöser. Du, ich hab genug Geld für den Flug. Ich war ziemlich sparsam, und ich bin doch hier wohnen geblieben.«

»Ja, das ist richtig. Die Miete für eine Wohnung haben wir gespart. Aber deine Drachenfliegerei ist nicht ganz billig.«

Betreten kaute Feli auf ihrem Rosinenbrot herum. Ihre Tante unterstützte schon das Tiermedizin-Studium, das stimmte natürlich. Ihre Eltern waren nicht einverstanden damit. Sie hätten es lieber gesehen, wenn sie irgendwas mit Sprachen gemacht hätte. Und weder den Motorrad-Führerschein noch die Ausbildung im Drachenfliegen hätten sie gutgeheißen, wüssten sie davon. Das aber hatte Feli im vergangenen Herbst durchgesetzt und großen Spaß daran gefunden, mit dem Gleitschirm über das Land zu fliegen. Nicht ohne Hintergedanken. Trotzdem, die Stunden, die sie jetzt in der Luft verbrachte, hatte sie von dem Geld bezahlt, das sie für ihre Arbeit in der Tierarzt-Praxis von Dr. Labanca erhielt. Darum nuschelte sie: »Man kann im Land ziemlich billig leben, haben die Kommilitoninnen gesagt.«

»So hört man.«

Feli rührte in ihrem Kakao herum. Sie musste sich ziemlich schnell eine neue Ausrede einfallen lassen. Vielleicht wieder den Wildpark in Thüringen, der im letzten Sommer für ihren Ausflug nach Trefélin herhalten musste. Sie wollte eben ansetzen, ihn als Ferienziel vorzuschlagen, als Iris fragte: »Aber … willst du ganz alleine reisen?«

Feli atmete erleichtert auf und lächelte. Ihre Tante war wirklich nicht übel.

»Ich könnte Finn überreden, mich zu begleiten.« Und dann wurde ihr Lächeln noch breiter. »Oder Tanguy?«

Iris lachte auf.

»Deine Vasallen würden sicher gerne beide mitkommen. Aber das könnte deiner Erholung sehr abträglich sein.«

Feli kicherte. Finn, ihr Nachbar, und Tanguy, Nathans Neffe, waren zwar gute Freunde geworden, aber sowie sie selbst dazukam, war eine unterschwellige Rivalität zu spüren. Sie schmeichelte ihr.

»Mal sehen. Erst mal kümmere ich mich um Minni, dann um meine Begleiter.«

»Minni?«

»So heißt die Katze.«

»Woher weißt du das?«

»Ähm … ich nehme es an, weil die Frau das geflüstert hat.«

Manchmal musste man doch sehr rasch zu Notlügen greifen. Feli trank den Kakao aus und stand auf.

»Ich fahr zur Tierarzt-Praxis und dann zu Nathan.«

Nicole Labanca zeigte sich tatsächlich betrübt, als Feli ihr von den geänderten Plänen für die Semesterferien berichtete.

»Schade. Du hast ein so geschicktes Händchen für Tiere.«

»Ich bin nur einen Monat weg, Frau Doktor. Danach komme ich gerne wieder. Und – ich könnte auch während des Semesters ein-, zweimal die Woche mithelfen.«

»Das könntest du. Nun ja, ich muss dir deinen Urlaub gönnen. Solche Abenteuertouren macht man nur, wenn man jung ist. Melde dich, wenn du wieder im Land bist.«

»Ganz sicher«, versprach Feli und wollte eben gehen, als die Sprechstundenhilfe eintrat.

»Schon wieder eine Vermisste, Frau Doktor. Müllers Kater Mingo ist seit drei Tagen verschwunden. Sie bitten, dass wir den Zettel aufhängen.«

»Das ist die fünfte Katze in zwei Wochen«, knurrte die Tierärztin.

»Hier im Ort?«

»Ja, hier. So viele haben wir noch nie gehabt. Gut, es ist Februar, und manche Kater beginnen zu streunen. Aber meist kommen sie nach wenigen Tagen zurück. Hier sind es aber drei Kätzinnen, die verschwunden sind, und zwei kastrierte Kater.«

»Und das sind nur die, die bei uns in der Kartei sind«, fügte die Sprechstundenhilfe hinzu.

»Haben Sie die Polizei informiert? Oder den Tierschutz?«

»Wir werden das heute tun. Das geht nicht mit rechten Dingen zu.«

»Und unseren Lokalreporter könnte man auch zu Ermittlungen überreden. Wenn ein Artikel erscheint, achten die Leute sicher mehr auf ihre Katzen.«

»Gute Idee, Felina.«

Sie verabschiedete sich und setzte ihre Runde fort. Den Förster Nathan würde sie um die Mittagszeit vermutlich zu Hause antreffen, auf jeden Fall aber Tanguy, der ebenfalls seine Semesterferien im Forsthaus verbrachte.

Beide allerdings würden eine ganz andere Geschichte von ihr hören als Iris und die Tierärztin.

4. Tanguys Verwandlung

Tan schlug den Kragen seiner Lederjacke hoch und schritt kraftvoll aus. Die Wildbeobachtung, die für diesen Morgen anberaumt worden war, hatte nur ein frierendes Pärchen aus den Federn gelockt, die Nathan selbst betreut hatte. Schade eigentlich – Tan hatte sich auf ein Wiedersehen mit Feli gefreut. Er hatte sie seit Weihnachten nicht mehr getroffen, sein Studium hatte ihn ferngehalten. Nicht, dass er ein ehrgeiziger Streber gewesen wäre, aber noch machte ihm die deutsche Sprache einige Mühen. Vor allem, wenn es um die Fachbegriffe ging. Immerhin war es eine gute Entscheidung gewesen, zusammen mit Finn nach Göttingen zu gehen. Er hatte ihm um manche Klippe geholfen.

Das trockene Laub raschelte leise unter seinen Stiefeln, als er sich dem Dolmen näherte. Noch waren die Bäume kahl, das Unterholz braun, die Gräser vertrocknet. Der Waldkater, der hier sein Revier hatte, war in seiner Kuhle aus Blättern und Ästen kaum zu erkennen. Doch Tan hatte seine Fährte entdeckt und blieb in angemessener Entfernung stehen, um ihn durch das Fernglas zu beobachten.

Mager war der arme Kerl geworden, die Jagd im Winter war schwierig. Und es schien ihm auch, als habe er verklebte Augen. Später würde er mit Nathan darüber beraten, wie weit man den ausgewilderten Waldkatzen helfen sollte.

Eine seltsame Zuneigung zu den Katzen hatte ihn erfasst, seit er sich seinen eigenen, mehr als wunderlichen Wahrnehmungen ohne Panik gestellt hatte. Sein Kampf mit dem Puma, den er vor anderthalb Jahren ausgefochten hatte, hätte ihn fast das Leben gekostet. Mit letzter Kraft hatte er die Wildkatze getötet, doch der Biss in seinen Nacken hatte unerwartete Folgen. Es war, als würde ihn der Geist des Cougar rufen. Anfangs hatte er sich dem widersetzt und dann immer unter wahnsinnigen Kopfschmerzen gelitten. Seine Eltern hatten schließlich Nathan gebeten, sich um ihn zu kümmern. Nathan, sein Onkel, hatte vor Jahren von seinem Großvater, dem Schamanen des Stammes, eine Ausbildung erhalten. Tanguy hatte sich diesem Hokuspokus, wie er die Traditionen seines Volkes nannte, vehement widersetzt. Geisterwelten, Geistertiere, schamanische Wanderungen – das lehnte er ab. Und doch schien ausgerechnet darin die Möglichkeit der Heilung zu liegen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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