James Bond 11 - Im Geheimdienst Ihrer Majestät - Ian Fleming - E-Book

James Bond 11 - Im Geheimdienst Ihrer Majestät E-Book

Ian Fleming

4,9

Beschreibung

Als Bond eine leichtsinnige, junge Frau vor der Selbstzerstörung bewahrt, stößt er auf die Spur eines der gefährlichsten Männer der Welt - Ernst Stavro Blofeld, der Kopf hinter SPECTRE. In der schneebedeckten Feste seiner alpinen Station, betreibt Blofeld Forschungen, die die Sicherheit der gesamten Welt bedrohen könnten. Um die Pläne des bösen Genies zu vereiteln, muss Bond sich selbst und die lebenswichtigen Informationen, die er gesammelt hat, aus der Station retten und den SPECTRE-Agenten aus dem Weg gehen. Das bedarf der Hilfe einer Person, die weiß, wie man auf Hochtouren läuft ... Jeder kennt sie: die teils stark von den Vorlagen abweichenden Verfilmungen der James-Bond-Romane. Pünktlich zum 50-jährigen Jubliäum der Filmreihe gilt es die Ian-Fleming-Originale erstmals im "Director's Cut" zu entdecken! Eine der größten Filmikonen überhaupt wird 50 Jahre alt! Passend dazu kommt Ende 2012 der 23. Teil der Saga mit dem Titel "Skyfall" in die Kinos! Cross Cult schließt sich den Jubilaren des Mythos mit einer Wiederentdeckung der meisterhaft erzählten Agenten- und Spionageromane aus der Feder Ian Flemings an und beginnt die schrittweise Veröffentlichung aller James-Bond-Originalromane. Endlich wird es möglich sein, Titel wie "Goldfinger", "Thunderball" oder "You Only Live Twice" komplett in ungekürzten Übersetzungen und mit den ursprünglichen Kapitelabschnitten und -überschriften zu lesen. Es verspricht eine einzigartige James-Bond-Bibliothek zu werden, die dazu einlädt, dem Kult um den britischen Gentleman-Geheimdienstler mit der "Lizenz zum Töten" auf den Grund zu gehen.

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Seitenzahl: 425

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JAMES BOND

IM GEHEIMDIENSTIHRER MAJESTÄT

von

IAN FLEMING

Ins Deutsche übertragen von Anika Klüver und Stephanie Pannen

Die deutsche Ausgabe von JAMES BOND - IM GEHEIMDIENST IHRER MAJESTÄT

wird herausgegeben von Amigo Grafik, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.

Herausgeber: Andreas Mergenthaler und Hardy Hellstern,

Übersetzung: Anika Klüver und Stephanie Pannen;

verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde;

Lektorat: Katrin Aust und Gisela Schell; Satz: Rowan Rüster/Amigo Grafik;

Cover Artwork: Michael Gillette. Printausgabe gedruckt von

CPI Morvia Books s.r.o., CZ-69123 Pohorelice.

Printed in the Czech Republic.

Titel der Originalausgabe: JAMES BOND – ON HER MAJESTY’S SECRET SERVICE

German translation copyright © 2013, by Amigo Grafik GbR.

Copyright © Ian Fleming Publications Limited 1963

The moral rights of the author have been asserted.

Die Persönlichkeitsrechte des Autors wurden gewahrt.

JAMES BOND and 007 are registered trademarks of Danjaq LLC,

used under license by Ian Fleming Publications Limited. All Rights Reseved.

Print ISBN 978-3-86425-090-3 (Dezember 2013)

E-Book ISBN 978-3-86425-091-0 (Dezember 2013)

WWW.CROSS-CULT.DE · WWW.IANFLEMING.COM

FürSable Basilisk Persevantund Hilary Bray,die mir zu Hilfe gekommen sind

INHALT

1. Seestück mit Figuren

2. Gran Turismo

3. Das Spiel der Schande

4. Alle Katzen sind grau

5. Der Capu

6. Bond wie in Bond Street?

7. Die haarige Achillesferse

8. Ausgefallene Tarnung

9. Irma die Schreckliche

10. Zehn umwerfende Frauen

11. Tod zum Frühstück

12. Zwei knappe Fehlschläge

13. Prinzessin Ruby?

14. Süße Träume – Süßer Albtraum!

15. Die Spur wird heißer

16. Nur abwärts

17. Blutiger Schnee

18. Zur Hölle links abbiegen!

19. Liebe zum Frühstück

20. M en Pantoufles

21. Der Mann vom Ministerium für Landwirtschaft und Fischerei

22. Etwas namens »B. K.«

23. Gauloises und Knoblauch

24. Blutlift

25. Freuden der Hölle usw.

26. Ungetrübtes Glück?

27. Alle Zeit der Welt

SEESTÜCK MIT FIGUREN

Es war einer dieser September, in denen es schien, als würde der Sommer niemals enden.

Entlang der gut acht Kilometer langen Promenade von Royale-les-Eaux, umsäumt von getrimmten Rasenflächen, die in regelmäßigen Abständen mit dreifarbigen Blumenbeeten voller Salbei, Steinkraut und Lobelien bepflanzt waren, waren bunte Flaggen gehisst. Es handelte sich um den längsten Strand in Nordfrankreich. Die farbenfrohen Badezelte verliefen immer noch bis zur Flutlinie und stellten eine beachtliche Einnahmequelle dar. Aus den Lautsprechern rund um das Schwimmbecken von olympischen Ausmaßen dröhnte einer dieser trällernden Akkordeonwalzer, und von Zeit zu Zeit hallte eine Männerstimme über die Musik hinweg und verkündete, dass der siebenjährige Philippe Bertrand seine Mutter suche, dass Yolande Lefèvre unter der Uhr am Eingang auf ihre Freundinnen wartete oder dass eine Madame Dufours am Telefon verlangt werde. Vom Strand her, besonders aus der Nähe der drei Spielplätze – »Joie de Vivre«, »Hélio« und »Azur« –, erklang das aufgeregte Geplapper von Kindern, das je nach Art ihrer Spiele lauter oder leiser wurde. Weiter draußen, auf dem festen Sand, den das nun ferne Meer zurückgelassen hatte, ertönte die schrille Pfeife des Fitnesstrainers, der seine Jugendlichen durch die letzte Übung des Tages scheuchte.

Es war eines dieser wunderschönen, naiven Küstenpanoramen, für die die Strände der Bretagne und der Picardie den Hintergrund lieferten – und die ihre Künstler, Boudin, Tissot, Monet, inspirierten –, seit vor über hundert Jahren Strandbäder in Mode gekommen waren.

Für James Bond, der in einem der Betonunterstände saß und sein Gesicht der untergehenden Sonne zugewandt hatte, besaß das Ganze etwas Ergreifendes und Kurzlebiges. Es erinnerte ihn fast schon zu lebhaft an seine Kindheit – an das samtene Gefühl des heißen, puderigen Sands und das schmerzhafte Reiben von nassem Sand zwischen jungen Zehen, wenn die Zeit gekommen war, seine Socken und Schuhe wieder anzuziehen, an den wertvollen kleinen Haufen aus Muscheln und interessantem Seetang auf der Fensterbank seines Schlafzimmers (»Nein, das müssen wir hierlassen, Liebling. Davon wird nur dein Koffer schmutzig!«), an die kleinen Krabben, die eilig vor den nervösen Fingern flohen, die unter dem Seetang in den Gezeitentümpeln herumtasteten, an das endlose Schwimmen durch die tanzenden Wellen – auf denen in diesen Tagen immer die Sonne gelegen zu haben schien – und dann die ärgerliche, unvermeidliche »Zeit, aus dem Wasser zu kommen«. Seine gesamte Kindheit lag vor ihm ausgebreitet, damit er sie sich noch einmal ansehen konnte. Wie lange diese Tage von Sandschaufel und Eimer doch zurücklagen! Wie sehr er sich doch verändert hatte seit den Sommersprossen und den Milchschokoladenflocken von Cadbury und der sprudelnden Limonade! Ungeduldig zündete sich Bond eine Zigarette an, streckte den Rücken, um sich gerade hinzusetzen und verbannte die rührseligen Erinnerungen wieder in ihre längst geschlossene Akte. Heute war er ein Erwachsener, ein Mann mit Jahren voller schmutziger und gefährlicher Erinnerungen – ein Spion. Er saß nicht in diesem Betonversteck, um aufgrund einer Gruppe struppiger, müffelnder Kinder an einem Strand voller Kronkorken und Lutscherstiele, hinter dem ein Meer voller Sonnenöl lag, das dank der Abwässer von Royale fürchterlich stank, sentimental zu werden. Er war aus einem ganz bestimmten Grund hier, er wollte spionieren. Er wollte eine Frau ausspionieren. Die Sonne sank tiefer. Man konnte bereits die Septemberkühle riechen, die sich den ganzen Tag unter der Hitze verborgen gehalten hatte. Die Armeen der Badegäste zogen sich schnell zurück. Sie verließen ihre kleinen Lager, strömten die Stufen hinauf und eilten über die Promenade in den Schutz der Stadt, wo die Lichter in den Cafés angingen. Der Sprecher verkündete über die Schwimmbeckenlautsprecher seinen Kunden: »Allo! Allo! Fermeture en dix minutes! A dix-huit heures, fermeteure de la piscine!« Vom Licht der untergehenden Sonne umrissen rasten die beiden Bombard-Rettungsboote, deren Flaggen ein blaues Kreuz auf gelbem Grund zeigten, in Richtung Norden, zu ihren Liegeplätzen flussaufwärts im Vieux Port. Die letzten der bunten Sandsegler flohen zur fernen Wasserlinie hinunter, um in ihren Unterstand zwischen den Sanddünen zu gelangen, und die drei Verkehrspolizisten, die für den Parkplatz verantwortlich waren, radelten durch die kleiner werdende Menge der Autos in Richtung der Polizeistation im Stadtzentrum davon. Innerhalb weniger Minuten würde die gewaltige Sandausdehnung – es war Ebbe, das Wasser zog sich zurück und befand sich bereits über anderthalb Kilometer weit draußen – den Möwen überlassen sein, die schon bald in Schwärmen kommen würden, um nach Essensresten zu suchen, die die Picknickausflügler zurückgelassen hatten. Dann würde die orangefarbene Kugel der Sonne ins Meer sinken und der Strand würde, zumindest für eine Weile, vollkommen verlassen sein, bis im Schutz der Dunkelheit die Liebenden herbeischlichen, um sich kurz in den sandigen dunklen Ecken zwischen den Badehütten und der Ufermauer zu wälzen.

Auf dem zertrampelten Sandstreifen, an dem James Bond saß, packten zwei braungebrannte junge Frauen in aufreizenden Bikinis das Jokari-Spiel ein, das sie so provokativ gespielt hatten, und liefen um die Wette die Stufen zu Bonds Unterstand hinauf. Sie präsentierten ihm ihre Körper, blieben stehen und plauderten, um zu sehen, wie er reagieren würde, und als er gar nichts tat, hakten sie sich beieinander unter und schlenderten in Richtung Stadt davon. Bond blieb zurück und fragte sich, warum Französinnen so viel stärker hervortretende Bauchnabel als andere Frauen hatten. Waren französische Ärzte selbst bei dieser Kleinigkeit darum bemüht, etwas zur zukünftigen Attraktivität der weiblichen Babys beizutragen?

Und nun ließen die Rettungsschwimmer entlang des Strands ein letztes Mal ihre Signalhupen erklingen, um zu verkünden, dass sie Dienstschluss hatten. Die Musik vom Schwimmbad verklang mitten im Lied, und die gewaltige Sandausdehnung war plötzlich menschenleer.

Zumindest fast! Hundert Meter weiter draußen lag die junge Frau immer noch in genau der gleichen Position mit dem Gesicht nach unten auf dem schwarz-weiß gestreiften Badetuch auf dem festen Stück Privatsandstrand, wo sie sich vor einer Stunde niedergelassen hatte. Sie lag reglos und ausgestreckt genau zwischen James Bond und der untergehenden Sonne, die die zurückgebliebenen Tümpel und flachen Rinnsale in blutrote Flecken und Schlangenlinien verwandelte. Bond beobachtete sie weiter – in der Stille und Leere verspürte er dabei ein wenig mehr Anspannung. Er wartete darauf, dass sie etwas tat, dass etwas – er wusste nicht was – passierte. Es wäre richtiger, zu sagen, dass er über sie wachte. Ein Instinkt warnte ihn, dass sie in Gefahr schwebte. Oder lag einfach nur allgemein der Geruch von Gefahr in der Luft? Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass er sie nicht allein lassen durfte, besonders jetzt, da alle anderen weg waren.

James Bond lag falsch. Nicht alle waren weg. Hinter ihm im Café de la Plage auf der anderen Seite der Promenade saßen zwei Männer in Regenmänteln und dunklen Mützen an einem abgelegenen Tisch am Rand des Bürgersteigs. Vor ihnen standen halb leere Kaffeetassen und sie sprachen nicht. Sie saßen einfach nur da und beobachteten den verschwommenen Fleck hinter der Milchglasscheibe des Unterstands, bei dem es sich um James Bonds Kopf und Schultern handelte. Sie beobachteten ebenfalls – allerdings weniger aufmerksam – den weiter entfernten weißen Fleck auf dem Sand, der den in einen Badeanzug gekleideten Körper der Frau darstellte. Ihre Reglosigkeit und ihre für die Jahreszeit unpassende Kleidung hätten jeden beunruhigt, der sie vielleicht seinerseits beobachtet hätte. Aber eine solche Person gab es nicht, abgesehen von dem Kellner, der sie einfach als »üble Gesellen« abgestempelt hatte und hoffte, dass sie bald verschwinden würden.

Als der untere Rand der orangen Sonne das Meer berührte, war es fast so, als wäre für die Frau ein Signal ertönt. Sie erhob sich langsam, fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar und begann gleichmäßig und entschlossen auf die Sonne und den über anderthalb Kilometer entfernten Schaum der Wasserlinie zuzugehen. Wenn sie das Meer erreichte, würde alles bereits in violettes Dämmerlicht getaucht sein. Man hätte denken können, dass es sich um ihren letzten Urlaubstag handelte und sie noch ein letztes Mal im Meer schwimmen wollte.

James Bond dachte etwas anderes. Er verließ seinen Unterschlupf, lief die Stufen zum Sand hinunter und folgte der Frau mit schnellen Schritten. Hinter ihm schienen die beiden Männer in den Regenmänteln auf der anderen Seite der Promenade ebenfalls etwas anderes zu denken. Einer von ihnen warf eilig ein paar Münzen auf den Tisch, dann standen beide auf und gingen im Gleichschritt über die Promenade zum Sand hinüber. Mit einer seltsam dringlichen militärischen Präzision marschierten sie zackig nebeneinander in Bonds Spuren.

Nun war das Muster der Gestalten auf der weiten Ausdehnung aus leerem, blutrotem Sand beunruhigend verdächtig. Dennoch wäre es eindeutig nicht ratsam gewesen, es zu stören. Das Muster hatte etwas Ungutes und Geheimnisvolles an sich. Die in weiß gekleidete Frau, der unbewaffnete junge Mann, die beiden gedrungenen, marschierenden Verfolger – es wirkte wie eine tödliche Version des Kinderspiels Ochs am Berg. Im Café nahm der Kellner die Münzen vom Tisch und starrte den fernen Gestalten hinterher, die immer noch vom orangen Glühen des letzten Viertels der untergehenden Sonne umrahmt wurden. Das Ganze roch nach einer Polizeiangelegenheit – oder dem Gegenteil. Er würde es für sich behalten, sich aber daran erinnern. Vielleicht würde sein Name so in die Zeitungen kommen.

James Bond holte schnell zu der jungen Frau auf. Jetzt wusste er, dass er bei ihr sein würde, bevor sie das Wasser erreichte. Er fragte sich, was er sagen und wie er es ausdrücken sollte. Er konnte schließlich nicht sagen: »Ich hatte so eine Ahnung, dass du dich umbringen willst, also bin ich dir nachgelaufen, um dich davon abzuhalten.« »Ich bin am Strand spazieren gegangen und habe dich zufällig gesehen. Möchtest du nach dem Schwimmen etwas trinken gehen?« wäre kindisch. Schließlich entschied er sich für: »Oh, Tracy!« und wenn sie sich dann umdrehte, würde er hinzufügen: »Ich habe mir Sorgen um dich gemacht.« Das wäre zumindest harmlos und außerdem wahr.

Das Meer schimmerte nun metallisch grau unter einem rosa Himmel. Eine leichte, von der westlichen Küste wehende Brise zog die heiße Landluft aufs Meer hinaus und warf kleine Wellen auf, die mit weißen Schaumkronen heranrollten, so weit das Augen reichte. Schwärme von Silbermöwen erhoben sich träge und ließen sich wieder nieder, als das Mädchen auf sie zukam, und die Luft war von ihrem Geschrei und dem endlosen Platschen der kleinen Wellen erfüllt. Die sanfte indigofarbene Dämmerung verlieh der leeren Einsamkeit des Sands und des Meers einen Hauch Melancholie. Alles war nun so weit entfernt von den tröstenden hellen Lichtern und der Urlaubshektik von »La Reine de la Côte Opale«, wie sich Royale-les-Eaux brillanterweise selbst getauft hatte. Bond konnte es kaum erwarten, die junge Frau zu diesen hellen Lichtern zurückzubringen. Er betrachtete die athletische goldene Gestalt in dem weißen Badeanzug und fragte sich, wann sie seine Stimme über den Lärm der Möwen und des Meers hören würde. Während sie sich der Wasserlinie näherte, hatten sich ihre Schritte ein wenig verlangsamt, und ihr Kopf mit dem Helm aus schwerem blondem Haar, das bis zu den Schultern reichte, war leicht nach vorn geneigt, als wäre sie in Gedanken versunken oder vielleicht müde.

Bond ging schneller, bis er nur noch zehn Schritte hinter ihr war. »Hey! Tracy!«

Die junge Frau zuckte nicht zusammen und wirbelte auch nicht hastig herum. Ihre Schritte wurden unsicher und verharrten schließlich, und dann, als eine kleine Welle herangerollt kam und an ihren Füßen verebbte, drehte sie sich langsam um und starrte ihn unverwandt an. Ihre Augen, die aufgequollen und tränennass waren, blickten an ihm vorbei. Dann fanden sie seine. »Was ist?«, fragte sie tonlos. »Was willst du?«

»Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Was tust du hier? Was ist los?«

Die Frau sah wieder an ihm vorbei. Ihre zur Faust geballte rechte Hand wanderte zu ihrem Mund hinauf. Dahinter murmelte sie etwas, das Bond nicht verstehen konnte. Dann sagte eine seidige und leise Stimme: »Keine Bewegung oder ich schieße Ihnen von hinten ins Knie.«

Bond wirbelte in gebückter Haltung herum und hatte die Hand bereits unter dem Jackett, um nach seiner Waffe zu greifen. Die reglosen, silbernen Augen zweier Automatikpistolen starrten ihm entgegen.

Bond richtete sich langsam auf. Er ließ seine Hand sinken und stieß seinen angehaltenen Atem mit einem leisen Zischen durch die Zähne aus. Die beiden ausdruckslosen, professionellen Gesichter verrieten ihm sogar noch mehr als die beiden silbernen Augen der Waffen. In ihnen lag weder Anspannung noch Aufregung. Das schwache Lächeln der beiden wirkte entspannt und zufrieden. Die Augen waren nicht einmal wachsam, sondern kamen ihm fast schon gelangweilt vor. Bond hatte schon viele Male zuvor in solche Gesichter geblickt. Es war Routine. Diese Männer waren Mörder – Auftragsmörder.

Bond hatte keine Ahnung, wer diese Männer waren, für wen sie arbeiteten und worum es hier überhaupt ging. Mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass übermäßige Sorge nur zu unnötigen Komplikationen führte, entspannte er sich ganz bewusst, löste seine Muskeln und verbannte sämtliche Fragen aus seinem Geist. Er stand einfach da und wartete.

»Verschränken Sie Ihre Hände im Nacken.« Die seidige, geduldige Stimme stammte aus dem Süden, aus dem Mittelmeerraum. Das passte auch zu den Gesichtern der Männer – wettergegerbt, großporig und gelblich braun. Marseiller vielleicht, oder Italiener. Die Mafia? Die Gesichter gehörten zu Mitgliedern einer guten Geheimpolizei oder harten Ganoven. Bonds Verstand klickte und surrte und ging Gesichter durch wie ein IBM-Rechner. Was für Feinde hatte er in diesen Bereichen? Konnte es Blofeld sein? Jagte der Hase nun den Hund?

Wenn eine Situation aussichtslos ist und alles verloren zu sein scheint, kommt die Zeit, ganz ruhig zu werden und Autorität zu demonstrieren – oder zumindest Gleichgültigkeit. Bond lächelte den Mann an, der gesprochen hatte. »Ich denke, Ihre Mutter würde gar nicht wissen wollen, was Sie heute Abend machen. Sind Sie katholisch? Dann werde ich tun, was Sie sagen.« Die Augen den Manns funkelten. Touché! Bond verschränkte die Hände im Nacken.

Der Mann trat zur Seite, damit er ein freies Schussfeld hatte, während sein Gehilfe Bonds Walther PPK aus dem weichen Lederholster zog und ihn dann auf professionelle Weise am ganzen Körper filzte. Dann trat der Gehilfe zurück, steckte die Walther ein und zog wieder seine eigene Waffe.

Bond warf einen Blick über seine Schulter. Die Frau hatte nichts gesagt und zeigte weder Überraschung noch Beunruhigung. Sie stand nun mit dem Rücken zu ihrer Gruppe und schaute scheinbar entspannt und sorglos aufs Meer hinaus. Worum in aller Welt ging es hier bloß? War sie als Köder eingesetzt worden? Aber für wen? Und was würde nun passieren? Würde er hingerichtet und seine Leiche zurückgelassen werden, damit sie später von der Flut an der Küste angespült wurde? Es schien die einzige Antwort zu sein. Wenn es hier um eine Art Geschäft ging, konnten die vier nicht einfach über den Strand zur Stadt zurückgehen und sich dann auf den Stufen der Promenade höflich voneinander verabschieden. Nein. Von diesem Punkt an gab es kein Zurück mehr. Aber war dem tatsächlich so? Von Norden her erklang durch die tiefe, indigofarbene Dämmerung das schnelle, ratternde Brummen eines Außenbordmotors, und Bond beobachtete, wie der weiße Schaum einer großen Bugwelle heranrollte, dem die klobigen Umrisse eines der Bombard-Rettungsschiffe folgten, jenen flachen, aufblasbaren Gummibooten mit einem einzelnen Thompson-Motor am abgeflachten Heck. Sie waren also entdeckt worden! Vielleicht von der Küstenwache? Dann gab es doch noch Rettung! Bei Gott, er würde diese beiden Schläger fertigmachen, sobald sie die Hafenpolizei im Vieux Port erreichten! Aber was sollte er ihnen wegen der Frau erzählen?

Bond drehte sich wieder zu den Männern herum. Sofort wusste er, dass ihm das Schlimmste erst bevorstand. Sie hatten ihre Hosenbeine bis zu den Knien hochgekrempelt und warteten ruhig mit den Schuhen in der einen und den Waffen in der anderen Hand. Dies war keine Rettungsaktion. Es gehörte zu ihrem Plan. Nun ja! Ohne auf die Männer zu achten, beugte sich Bond vor, krempelte wie sie seine Hosenbeine hoch, versteckte beim Herumhantieren mit seinen Socken und Schuhen das Messer aus seinem Absatz in seiner Faust und schob es, während er sich halb zum Boot umdrehte, das nun in den Untiefen auf Grund lag, in seine rechte Hosentasche.

Es wurden keine Worte ausgetauscht. Die Frau kletterte zuerst an Bord, dann folgte Bond und schließlich die beiden Männer, die dem Motor ein wenig nachhalfen, indem sie das Boot leicht anschoben. Der Bootsmann, der wie ein beliebiger französischer Hochseefischer aussah, drehte die stumpfe Nase des Bombards herum, legte den Vorwärtsgang ein, und dann bewegten sie sich durch die wogenden Wellen nach Norden, während das goldene Haar der Frau im Wind wehte und sanft gegen James Bonds Wange schlug.

»Tracy. Du wirst dich erkälten. Hier. Nimm mein Jackett.« Bond zog es aus. Sie streckte einen Arm aus, damit er es ihr anziehen konnte. Dabei fand ihre Hand die seine und drückte sie. Ach, zum Teufel damit. Bond rückte näher an sie heran. Er spürte, wie ihr Körper auf ihn reagierte. Bond warf einen Blick auf die zwei Männer. Sie saßen zusammengekauert im Fahrtwind, hatten die Hände in die Taschen gesteckt und wirkten aufmerksam, aber irgendwie desinteressiert. Hinter ihnen entfernte sich die Kette der Lichter von Royale schnell, bis sie nur noch ein goldenes Glühen am Horizont war. James Bonds rechte Hand tastete nach dem beruhigenden Messer in seiner Tasche, und er fuhr mit dem Daumen über die rasiermesserscharfe Klinge.

Während er sich fragte, wie und wann er Gelegenheit haben würde, es zu benutzen, wanderte der Rest seines Geistes zu den vergangenen vierundzwanzig Stunden zurück und durchsuchte sie nach Antworten.

GRAN TURISMO

Fast genau vierundzwanzig Stunden zuvor hatte James Bond sein Auto, den alten Continental Bentley – das »R«-Modell-Fahrgestell mit dem großen Sechszylindermotor und einer 13 zu 40 Hinterachsenübersetzung, das er nun schon seit drei Jahren fuhr –, über die schnelle, aber langweilige Strecke der N1 zwischen Abbeville und Montreuil gesteuert, über die der typische englische Tourist mit Silver City Airways von Le Touquet oder mit der Fähre von Boulogne oder Calais zurück in sein Land gelangte. Er fuhr schnell, aber sicher mit einer Geschwindigkeit zwischen hundertdreißig und hundertvierzig Stundenkilometern und verließ sich auf den inneren Autopiloten, den alle guten Rallyeklassefahrer eingebaut haben. Sein Geist war unterdessen voll und ganz mit seinem Kündigungsschreiben für den Secret Service beschäftigt.

Der Brief, der »An M persönlich« adressiert war, klang bisher folgendermaßen:

Sir,ich habe die Ehre, Sie darum zu bitten, meinen Rücktritt vom Service mit sofortiger Wirkung zu akzeptieren.

Meine Gründe für diese Entscheidung, die ich mit großem Bedauern treffe, sind folgende:

(1) Meine Pflichten beim Service standen bis vor etwa zwölf Monaten mit der Doppelnullabteilung in Verbindung, und Sie, Sir, waren von Zeit zu Zeit so freundlich, Ihre Zufriedenheit über meine Ausübung dieser Pflichten auszudrücken, die ich für meinen Teil genossen habe. Zu meinem Verdruss [Bond war stolz darauf, ein so gutes Wort gefunden zu haben] erhielt ich nach dem erfolgreichen Abschluss der Operation Feuerball von Ihnen jedoch die persönliche Anweisung, all meine Bemühungen ohne Enddatum [ein weiterer wortgewandter Ausdruck] auf die Verfolgung von Ernst Stavro Blofeld und seine Festnahme sowie die jeglicher weiterer Mitglieder von SPECTRE – auch bekannt als »Spezialeinheit für Chaos, Terrorismus, Rache und Erpressung« – zu konzentrieren, falls diese Organisation seit ihrer Zerschlagung auf dem Höhepunkt der wieder neu erschaffen worden sein sollte.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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