José Mourinho - Julien Wolff - E-Book

José Mourinho E-Book

Julien Wolff

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Beschreibung

José Mourinho ist eine Ausnahmeerscheinung in der Welt des Fußballs und der erfolgreichste Fußballtrainer seiner Generation. Das Buch zeigt die verschiedenen Gesichter Mourinhos und erklärt, warum ihn die einen bewundern und die anderen verachten – und wie er alle Waffen der Psychologie wirkungsvoll einsetzt. Der kluge Taktiker Mourinho ist ein Provokateur, der über Grenzen geht. Doch kennen Sie auch die andere Seite des Erfolgstrainers? Die des einfühlsamen Menschen, der ein so enges Band mit seinen Spielern knüpfen kann wie kein anderer? Und des loyalen Familienmenschen, der einem Schiedsrichter während einer Krebserkrankung in seiner schwersten Zeit hilft? Diese Biografie erklärt, wie aus Mourinho »The Special One« wurde: Wie er in einer kleinen Stadt in seiner Heimat Portugal eine Weltkarriere startete, danach mit Superstars wie Cristiano Ronaldo, Zlatan Ibrahimovic und Arjen Robben Meisterschaften, Pokale und zweimal die Champions League gewann – und nach wie vor die Fans weltweit begeistert.

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Seitenzahl: 324

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­biblio­grafie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

1. Auflage 2016

© 2016 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Dunja Reulein

Umschlaggestaltung: Kristin Hoffmann

Umschlagabbildung: FrancescoGuidicini/Camera Press/Picture Press

Satz: Carsten Klein, München

E-Book-Konvertierung: Carsten Klein, München

ISBN Print 978-3-86883-941-8

ISBN E-Book (PDF) 978-3-95971-289-7

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-95971-290-3

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.rivaverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter

www.muenchner-verlagsgruppe.de

Inhalt

Impressum

Vorwort

Kapitel 1: Tränen

Kapitel 2: Geboren für den Fußball

Kapitel 3: Endlich Trainer! The Special One

Kapitel 4: Englische Liebe und italienischer Triumph

Kapitel 5: Der Traum wird Real

Kapitel 6: Real wird zum Albtraum

Kapitel 7: Mourinho und die Deutschen

Kapitel 8: Philosophie des Gewinnens

Kapitel 9: Provozieren bis zur Morddrohung – Mind Games

Kapitel 10: Mourinho und Guardiola – zwei Picassos in einer Epoche

Kapitel 11: Jorge Mendes – Mourinhos mächtiger Macher

Kapitel 12: Chelsea 2.0

Kapitel 13: Stars und Skandale

Kapitel 14: Manchester United

Anhang

Danke!

Anmerkungen

Vorwort

Als ich die Anfrage bekommen habe, ob ich ein Vorwort für ein Buch über José Mourinho schreiben möge, brauchte ich keine lange Bedenkzeit. Nicht mal fünf Sekunden.

Weil ich José Mourinho dankbar bin für die Zeit, in der ich als sein Spieler, als sein »Zehner«, spielen durfte. Sportlich hat er hat mich stärker, selbstkritischer, hungriger und taktisch intelligenter gemacht. Er hat aus einem jungen Fußballer einen Spielmacher gemacht. Er war ein ganz entscheidender Förderer meiner Karriere.

157 Spiele durfte ich unter José Mourinhos Leitung machen. Dabei habe ich 27 Tore erzielt und 81 vorbereitet. Die drei Jahre von 2010 bis 2013 bleiben unvergesslich und gehören zu den schönsten meiner Karriere.

Ich habe jedes seiner Worte in Mannschaftsbesprechungen aufgesaugt.

Ich habe jede Kritik akzeptiert.

Ich habe Mourinho geglaubt.

Weil da ein Mann zu mir gesprochen hat, der all seine Mannschaften und viele seiner Spieler auf ein höheres Niveau gehoben hat.

Damit man die Faszination und auch die Abneigung vieler gegenüber José Mourinho verstehen kann, möchte ich eine Anekdote schildern, die ich erlebt habe.

Es war 2012 bei Real Madrid. Wir führten gegen La Coruña mit 3:1. Halbzeitpause. Kabine. Mourinho war mit meiner Leistung an diesem Tag nicht einverstanden, er schnauzte mich in der Kabine trotz der komfortablen Führung an und wechselte mich aus. Ich war damals natürlich enttäuscht, wie jeder enttäuscht gewesen wäre, der bei einem Kantersieg die zweite Halbzeit nicht mehr spielen darf.

Ich habe einige Zeit gebraucht, um das in einem anderen Licht zu sehen. Es zeigt mir, wie ehrgeizig und unnachgiebig Mourinho für den Erfolg arbeitet. Er will immer den maximalen Erfolg – auch bei einer 3:1-Führung bleibt er konsequent sich selbst gegenüber, um ein Spiel zu gewinnen. Sein Hunger nach Pokalen und Titeln ist riesig. 

Dieser vielleicht nicht so schönen Erinnerung stehen viele gemeinsame Erfolge und Geschichten gegenüber, an die ich gern denke: Meistertitel, Pokalsieg, Supercup – und viele große Siege in der Champions League. In einer Zeit, in welcher der FC Barcelona den europäischen Fußball dominierte, konnten wir El Clásico gleich zwei Mal in einer Saison gewinnen.

Mourinho plant den Erfolg akribisch, und er erwartet Disziplin mehr als jeder andere. Er ist hart – aber immer fair. Er ist keiner dieser lächelnden Typen mit freundlicher Fassade, die ihre Spieler immer nur loben, um einer Konfrontation aus dem Weg zu gehen. José Mourinho ist ein streitbarer Typ, aber er ist immer aufrecht zu mir als Spieler gewesen. 

Gerade das ist in meinen Augen Mourinhos große Stärke. Er liest nicht nur Spiele perfekt, sondern eben auch seine Spieler. Der Kontakt und die Bindung zu seinen Spielern machen Mourinho stark: Er weiß, was du denkst, wie es dir geht und was du möglicherweise brauchst, um besser zu werden.

Mourinho ist jemand, der sich auch für dich als Mensch interessiert, um dich als Fußballer besser zu machen. Indem er dich besser macht, macht er auch seine Mannschaft besser. Er hat es oft geschafft, viele große Namen auf ein kurzes Wort zu reduzieren: Wir. Wir gegen die. 

Sich selbst hat er einmal als »The Special One« bezeichnet. Für mich keine arrogante Aussage, sondern eine richtige Beschreibung. Mourinho ist besonders – ganz besonders gut!

Irgendwann werde ich meinen Kindern von diesem Mann erzählen. Von einem brillanten Fußballlehrer. Einem charakterlich starken Typen. Einem Menschen, den ich bewundere. Und über dessen Handynummer in meinem Adressbuch ich sehr stolz bin.

Mesut Özil

Sommer 2016

Kapitel 1: Tränen

Die schwarze Limousine gleitet in die Nacht. Ein Audi A8, getönte Scheiben, grelle Scheinwerfer, innen alles aus hellbeigem Leder. Solche Wagen holen Staatschefs wie Barack Obama von Regierungsgipfeln ab. Filmstars wie Angelina Jolie von der Oscar-Verleihung. Wirtschaftsbosse wie Apple-Boss Tim Cook von Milliardenverhandlungen. Solche Wagen holen Gewinner ab. In dieser magischen Nacht ist die Limousine auf dem Weg zum Gewinner dieser Fußballsaison. Sie ist auf dem Weg zu José Mourinho.

Es ist Samstag, der 22. Mai 2010, weit nach Mitternacht. Der Audi biegt in eine Gasse des Madrider Bezirks Chamartín ein, die zum Spielerausgang des legendären Estadio Santiago Bernabéu führt, dem berühmtesten Stadion der Welt.

In einer dunklen Ecke kommt der Wagen zum Stehen. Sein Motor läuft weiter. Vor dem Spielerausgang wartet José Mourinho. Er geht auf den Audi zu. Ein Sicherheitsmann öffnet ihm die rechte Hintertür der Limousine, ein paar Fans drängen sich um den Wagen und rufen seinen Namen. Mourinho lässt sich auf den Rücksitz fallen, sein dunkelgraues Jackett ist zerknittert. Er hat gerade den emotionalsten Abend seiner bisherigen Laufbahn erlebt. Den schönsten Abend. Den Abend, der sein Leben verändert. Er hat die Champions League gewonnen. Zum zweiten Mal in seiner Karriere. Das Größte, was ein Fußballtrainer mit einem Verein erreichen kann. Er hat bestätigt, dass der Triumph mit dem FC Porto 2004 für ihn keine einmalige Sache war, dass er mit verschiedenen Klubs den größten und wichtigsten Vereinswettbewerb der Welt gewinnen kann. José Mourinho hat ein neues Level erreicht.

2:0 gegen den FC Bayern. Zwei Tore von Diego Milito, dem argentinischen Topstürmer. 75 000 Zuschauer im Stadion. Rund 100 Millionen an Fernsehern und vor Leinwänden in aller Welt. 100 Millionen, die sehen, wie sich Mourinho zum König Europas krönt. Die pure Freude und Genugtuung erlebt er in dieser Nacht, aber auch Freude und Genugtuung machen müde.

Auf dem Beifahrersitz des Audis hat seine Frau Matilde Platz genommen, Mourinho nennt sie liebevoll »Tami«. Sie trägt ein blaues Kleid. Ihr Ehemann greift mit seiner rechten Hand nach der Kopfstütze des Beifahrersitzes, um sich zum Gespräch zu ihr vorzuziehen. Der Fahrer des Audis soll die beiden zur Siegesfeier in einem Restaurant in Madrids Innenstadt fahren. Er tritt aufs Gaspedal. Und dann passiert es.

Mourinho entdeckt aus dem Augenwinkel einen großen Mann. Der Inter-Trainer ruft: »Stopp!« Sein Fahrer tritt auf die Bremse, nach nur wenigen Metern steht der Audi wieder. Mourinho reißt die rechte Hintertür auf. Der Sicherheitsmann von eben ist jetzt nicht mehr zu finden, aber das ist ihm egal. Mourinho marschiert zielgerichtet los. Es riecht nach Benzin, Inters Mannschaftsbus steht mit laufendem Motor auf der Zufahrt des Spielerausgangs. Und vor dem Bus lehnt dieser große Mann in einer weißen Trainingsjacke an der Stadionwand und telefoniert mit seinem Handy. Seine Augen sind gedankenversunken auf den Asphalt gerichtet.

Mourinhos Blick fixiert ihn, seine linke Hand hängt locker in der Tasche seiner Anzugshose. Er wird beim Gehen immer schneller. So bewegt sich nur einer, der bis zum Anschlag mit Emotionen aufgeladen ist. Als Mourinho immer näher kommt, bemerkt ihn der Mann in der Trainingsjacke. Der Mann ist Marco Materazzi, italienischer Nationalspieler. Ein knallharter Verteidiger, der auf dem Spielfeld unverletzbar wirkt.

Mourinho fährt seinen rechten Arm aus und legt ihm Materazzi um die Schultern. Materazzi unterbricht sein Telefonat und umarmt ihn. Ineinander verschlungen stehen sie da. Obwohl der Motor des Inter-Busses weiter dröhnt, ist ihr Schluchzen zu hören. Materazzi weint, Mourinho weint. Materazzi klopft seinem Trainer mit der linken Hand immer wieder auf den Rücken. Die Oberkörper der Männer beben. So verharren sie. Zwei Große des Weltfußballs. In einer Busauffahrt. Zwei Stars, die gerade ein Ziel erreicht haben, auf das sie ihr Leben lang hingearbeitet hatten. Und die jetzt auseinandergehen. Auseinandergehen müssen. Für Mourinho war es das letzte Spiel als Inter-Trainer. Er hat sich entschlossen, sich den nächsten Traum zu erfüllen: Trainer von Real Madrid zu werden, dem gefühlt größten Klub der Welt.

In der Nachspielzeit des Finales stand Mourinho mit Materazzi an der Seitenauslinie des Bernabéu-Stadions. Der Sieg war Inter nicht mehr zu nehmen, nur noch wenige Sekunden zu spielen. Mourinho wollte noch etwas Zeit schinden und Materazzi mit einem Einsatz in diesem historischen Spiel für seine Leistungen der vergangenen Jahre danken. Als er den Italiener gerade für den Finalhelden Milito einwechseln wollte, sagte Materazzi: »Trainer, bitte bleib! Du wirst bei Real niemals so geliebt wie bei uns.« Der Satz trieb Mourinho bereits da Tränen in die Augen. Er sagte nur: »Ich muss gehen.«1

Jetzt stehen sie da in der Busauffahrt und umarmen sich. Zwei, die weltweit überall erkannt werden und viele Millionen Euro im Jahr verdienen. Materazzi kann kaum sprechen, seine Gefühle beuteln ihn. Vom Weinen sind seine Augen rot, sein Hals trocken, sein Körper und Geist sind in einem emotionalen Ausnahmezustand. Ganz leise presst er dann die Frage in Mourinhos Ohr, die ihn quält: »Was soll ich tun? Aufhören? Nach dir kann ich keinen anderen Trainer haben.«2

Materazzi ist 1,93 Meter groß, Mourinho 1,74 Meter klein. Mit noch mehr Tränen in den Augen löst sich Materazzi nach einer gefühlten Ewigkeit aus der Umarmung seines Trainers. Er führt seinen Kopf an Mourinhos Schläfe – und küsst ihn. Ein ganz zarter Kuss. Wie ein Sohn ihn seinem Vater bei einem Abschied schenkt.

Als die beiden Männer auseinandergehen, schauen sie sich nicht in die Augen. Das geht in diesem Moment nicht. Dann würde es sie erneut übermannen. Materazzi blickt Richtung Himmel, als würde er nach einem Stern suchen, dem er für diese magische Nacht danken kann. Er geht Richtung Eingang des Inter-Busses. Mourinho blickt auf den Boden. Er weint jetzt nicht mehr, er flennt. Die Tränen tropfen auf sein dunkelblaues Hemd. Seine linke Hand hat er immer noch in der Hosentasche. So schnell es geht, marschiert er zurück zum schwarzen Audi. Der Sicherheitsmann steht jetzt wieder da. Er öffnet Mourinho die rechte Hintertür, der Startrainer steigt ein. Sein Fahrer gibt Gas. Die Limousine schießt aus dem Stadion in die Madrider Nacht. Die Beschleunigung presst Mourinho in den Ledersessel der Rückbank.

Er schweigt. Seine Tränen sagen alles.

Über ihn. Über seinen Charakter. Über seine Liebe zum Fußball. Über seinen Erfolg. Und vor allem über das Band zwischen ihm und seinen Spielern, das so dick sein kann wie bei keinem anderen Trainer.

***

Tränen spielen im Leben des José Mourinho eine tragende Rolle. Er weint vor Freude, er weint vor Erleichterung, er weint vor Wut und vor Trauer. Und er bringt Menschen zum Weinen. Sie weinen vor Freude. Vor Wut. Und auch mal aus Angst. Aus Furcht. Furcht vor der Stärke und Unberechenbarkeit Mourinhos. Furcht vor der Niederlage.

José Mourinho ist »The Special One«, der besondere Trainer. Für manche einfach nur ein Champion. Der einzige Trainer, der in Portugal,England, Italien und Spanien die Meisterschaft, den nationalen Pokal und den Supercup gewann. Der einzige, der das kleine und große Triple des europäischen Fußballs gewann. Der Trainer, von dem das berühmte Wachsfigurenkabinett Madame Tussauds in London eine Nachbildung angefertigt hat, mit der sich täglich unzählige Touristen fotografieren lassen. Der Trainer, nach dem seine Heimatstadt Setúbal eine Straße benannt hat. Der Trainer, den die größten Firmen der Welt als Werbeträger haben wollen.

Für manche ist José Mourinho ein Genie. Das mit seinem Image spielt, psychologische Tricks clever einsetzt, das Spiel mit den Medien beherrscht und Kleinigkeiten nur deshalb zu Skandalen aufbauscht, um seine Mannschaft zu schützen. Ein Genie, das enormen Zusammenhalt erzeugen kann. Das auf die Loyalität seiner Spieler setzt und mit ihrer Hilfe eine »Wir gegen den Rest der Welt«-Mentalität erzeugen kann. Das mit Belohnungen und Strafen arbeitet.

Für manche ist Mourinho skrupellos. Arrogant, egoistisch, taktlos. Einer, der auch mal mit zweifelhaften Methoden zu seinen Erfolgen kommt. Der Fairplay nicht immer so wichtig nimmt. Der Trainern und Spielern gegenüber zu wenig Respekt zeigt. Der keinen schönen Fußball spielen lässt. Doch auch seine Kritiker erkennen an: Mourinho ist immens erfolgreich. Eben weil er ist, wie er ist.

Mourinho hat den Fußball verändert. Früher richtete sich die Abneigung der Fans ausschließlich gegen die gegnerischen Spieler. Seit Mourinho auch und vor allem gegen den gegnerischen Trainer. Schon viele Zuschauer haben sich dabei erwischt, wie sie mit ihren 100-Euro-Eintrittskarten in den Händen gebannt mehr auf Mourinhos Verhalten an der Seitenlinie denn auf das Spielgeschehen auf dem Rasen geachtet haben.

Früher war der Spieler der Star. Uwe Seeler, Pele, Günter Netzer, David Beckham, Ronaldo, Michael Ballack. Seit Mourinho ist es auch der Trainer. Auch, weil er als Erster seines Berufstands das Interesse der Medien und Fans an ihm als Waffe nutzt. Als Waffe gegen seine Gegner. Und auch mal gegen seine Spieler. Meist aber zu ihren Gunsten.

Für manche Spieler ist er eine empathische Vaterfigur, für die meisten einfach ein außergewöhnlich guter Trainer mit starker Rhetorik, der die Profifußballbranche mit all ihren Facetten durchschaut. Für andere ein skrupelloser Diktator. Für manche Experten ein Giftmischer, für andere ein Guru. Vom Übersetzer zu einem der besten Trainer der Welt – sein Lehrmeister Bobby Robson bezeichnet Mourinhos Karriere als Fußballmärchen. Frauen sehen in ihm Portugals Antwort auf George Clooney.

Verehrt und verrufen – das ist José Mourinho. In jedem Fall das wohl größte Phänomen im weltweiten Fußball. Das Phänomen, über den der schwedische Wunder-Stürmer Zlatan Ibrahimović sagt: »Ich würde für ihn töten.«

***

Januar ist Partyzeit. Die FIFA veranstaltet immer im ersten Monat des Jahres in Zürich die größte und glamouröseste Gala des internationalen Fußballs: den Ballon d’Or, den Goldenen Ball. Am 10. Januar 2011 gibt es eine Premiere: Erstmals ehrt der Weltfußballverband hier neben dem Spieler des Jahres auch den Trainer des Jahres. Nominiert sind: Spaniens Nationalcoach Vicente del Bosque, Pep Guardiola, Trainer des FC Barcelona, und José Mourinho.

Stimmberechtigt sind bei der Wahl ausgewählte Journalisten sowie die Trainer und Kapitäne der Nationalmannschaften. Mourinho sagt vor der Wahl, nur beim Trainieren einer Vereinsmannschaft müsse man Kontinuität beweisen. Er setzt del Bosque damit herab. Und gewinnt die Wahl in Zürich.

Silvia Neid, Trainerin der deutschen Frauen-Nationalmannschaft, ehrt die FIFA an diesem Abend als Trainerin des Jahres. Als es zur Kategorie »Trainer des Jahres« kommt, steht sie in einem dunklen Kleid auf der Bühne, öffnet einen Umschlag und liest von einer darin steckenden Karte den Namen des Gewinners ab: »José Mourinho.« Tosender Applaus im Saal.

Pep Guardiolas Miene gefriert in diesem Moment. Der Katalane blickt nach unten. Mourinho umarmt Mitarbeiter, Bekannte und die Spieler Iker Casillas und Wesley Sneijder. Einige Jahre später soll Casillas für ihn noch zu einem großen Problem werden. Mourinho sitzt neben Cristiano Ronaldo, gibt dem Superstar seines neuen Klubs Real Madrid beim Aufstehen einen freundschaftlichen Klaps in den Nacken und schlendert Richtung Bühne. Oben angekommen, gibt er Silvia Neid die Hand, bedankt sich und sagt: »Ich gratuliere auch den anderen beiden großartigen Trainern. Ich habe hart hierfür gearbeitet, aber nicht allein. Ich danke allen, die mich unterstützten und lieben.«3

Als Vierten bei der Wahl zum Weltfußballer des Jahres 2010 ehrt die FIFA Wesley Sneijder, den Mourinho bis zum vergangenen Sommer trainiert hat. Der Niederländer widmet seinen Auftritt und die Erfolge des Vorjahrs, in dem er UEFA-Mittelfeldspieler des Jahres geworden ist, seinem damaligen Trainer José Mourinho. Sneijder steht auf der Bühne, alle Augen und Kameras sind auf ihn gerichtet, die TV-Sender strahlen seine Dankesrede live in alle Welt aus, und Sneijder sagt mit feuchten Augen: »Es war eine Ehre, mit José Mourinho zu arbeiten. Ich will ihm das sagen, hier auf der Bühne: Du bist für mich der beste Trainer der Welt. Danke.«4

Jetzt schwenken die Kameras auf Mourinho. Er sitzt im Publikum. Er schluckt, fährt sich mit der Zunge über die Lippen. Seine Augen füllen sich mit Tränen.

Mourinho bestellt sich nach seiner Wahl zum FIFA-Trainer des Jahres einen Bentley. Auf den Armaturen lässt er eine kleine Platte anbringen, in die das Datum 22.5.2010 graviert ist. Der Tag des Gewinns der Champions League, das Datum der magischen Nacht, in der er mit Materazzi weinte. Seinen Kindern sagt José Mourinho, dass dieses Auto niemals verkauft wird. Niemals. Egal, was passiert. »Damit ihr euch immer daran erinnert, was euer Vater 2010 geschafft hat.«5

Kapitel 2:Geboren für den Fußball

Félix Mourinho läuft aufgeregt auf und ab. Er putzt seine Fußballschuhe und legt seinen Trainingsanzug bereit. Was für ein Wochenende! Am Abend dieses Samstags steht für den 24 Jahre jungen Portugiesen ein wichtiges Spiel mit seinem Verein Vitória Setúbal an. Er ist Torwart und in seiner Mannschaft einer der besten Spieler. Félix Mourinho ist wie immer fokussiert und geht in Gedanken das kommende Spiel durch. Bis er erfährt, dass er dringend zu seiner Frau muss, zu Maria Júlia Carrajola dos Santos.

Bei ihr wird er etwas sehr Besonderes sehen – seinen Sohn, den Maria an diesem Tag zur Welt bringt. In Portugal erhalten die Kinder traditionell als einen Teil ihrer Vornamen die der Eltern, und der Name ihres Sohnes lautet: José Mário dos Santos Félix Mourinho. Kurz: José Mourinho.

Vier Jahre nach der Geburt ihrer Tochter Teresa ist es für Félix und Maria Mourinho ihr zweites Kind. José Mourinho wird in den Fußball hineingeboren an diesem 26. Januar 1963. Sternzeichen Wassermann. An dem Tag dominieren die Planeten Mars und der Asteroid Varuna. Laut Astrologen ist dies eine Konstellation, die für Gradlinigkeit steht. Und auch für Sturheit.

Mourinho junior wächst sehr behütet auf. In Setúbal leben damals deutlich weniger als 100 000 Menschen. Die Stadt liegt rund 50 Kilometer südlich von Lissabon, auf der Halbinsel Península de Setúbal, wo der Fluss Sado in den Atlantik mündet. Kinder lieben es, hier vom Ufer aus Delfine zu beobachten, die an der Küste vorbeiziehen.

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