Jung im Kopf - Martin Korte - E-Book
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Jung im Kopf E-Book

Martin Korte

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Beschreibung

Besser als Sie denken: Wie unser Gehirn wirklich altert

Altern, so der bekannte Hirnforscher und Lernexperte Martin Korte, ist keineswegs gleichbedeutend mit körperlichem und geistigem Verfall. Das mittlere und das höhere Alter sind vielmehr menschliche Entwicklungsphasen mit bestimmten Eigenheiten, Schwächen, aber auch besonderen Fähigkeiten und Stärken, die wir erkennen und nutzen sollten.

Auf der Grundlage neuester Forschung stellt Korte die Alterungsprozesse des Gehirns dar. Er räumt mit dem Mythos auf, dass Denk- und Gedächtnisfähigkeiten im Alter vor allem schwinden, und zeigt, wie wir dem Älterwerden entschlossener begegnen können, und zwar frühzeitig: Denn Altern beginnt weder erst mit der Rente, noch verläuft es in starren, unveränderlichen Bahnen. So wirkt sich zum Beispiel auch die eigene Erwartungshaltung auf die geistige Leistungsfähigkeit im höheren Alter aus. Und das bedeutet: Wir können den Alterungsprozess unseres Gehirns beeinflussen.

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Martin Korte

in Zusammenarbeit mit Gaby Miketta

Jung im Kopf

Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden

Deutsche Verlags-Anstalt

Für Maria, wem sonst als Dir!

Einleitung

»Alt werden ist immer noch die einzige Möglichkeit, lange zu leben.«

Hugo von Hofmannsthal

Eigentlich altern wir konstant, vom ersten Tag der Geburt an. Denn Altern heißt sich zu entwickeln. Wir werden größer, kräftiger, schlauer. Und so ist auch unser Gehirn nach der Geburt massiven Umbauprozessen unterworfen: Es lehrt uns laufen, sprechen, denken. In der Pubertät findet abermals ein Neuordnungsprozess im Gehirn statt, um planerisch klug handeln zu können, seine Impulsivität in den Griff zu bekommen und später all das Erlernte umsichtig anzuwenden, so dass wir imstande sind, die Herausforderungen des Lebens – privat und beruflich – zu meistern. Die enorme Fähigkeit des Gehirns, sich ein Leben lang zu verändern, finden wir nicht weiter bemerkenswert, aber nur, solange dies ohne merkliche Beeinträchtigungen vor sich geht, also bis etwa zum 50. Lebensjahr. Manch einer jammert zwar schon ab dem vierten runden Geburtstag, aber das darf man getrost für Koketterie halten. Spätestens ab dem 50. Geburtstag jedoch beklagen die meisten von uns graues oder schütteres Haar, Alterssichtigkeit, lockere Zähne, Falten, ein Bäuchlein, schlaffes Bindegewebe, schmerzende Gelenke und vor allem ein nachlassendes Gedächtnis. Eine milliardenschwere Anti-Altern-Industrie ist bemüht, die Zeichen der Zeit zu minimieren. Manchmal klappt das ganz gut, oft aber auch nicht. Das Klagen über das Älterwerden gehört zu den irrationalsten Auswüchsen unserer Jugendwahn-Gesellschaft. Sollten wir nicht froh sein, älter zu werden, nachdem wir die stürmischen Jugendjahre, den Berufseinstieg oder die Familiengründung hinter uns gelassen haben?

Noch nie in der Menschheitsgeschichte sind die Menschen so alt geworden wie heute. Nur sind wir uns dieses Glücks selten bewusst. Die Angst vor Erkrankungen steigt mit jedem Lebensjahr. Herzinfarkt, Krebs, Demenz. Insbesondere gegen Letzteres, dagegen dass unser Gehirn im Laufe des Lebens an Leistungskraft einbüßt, glauben wir wenig bis gar nichts tun zu können. Und da wir anders als an unserem Äußeren unter der Schädeldecke weder Falten noch graue Haare noch andere Alterserscheinungen sehen können, wollen wir in der Blüte und gefühlten Mitte des Lebens auch nichts vom alternden Gehirn wissen. Wer informiert sich schon über Fußpilz, wenn er glaubt, keinen zu haben?

Also verschieben wir es auf später, uns mit dem Altern des Gehirns zu beschäftigen. Bis wir 80 oder 90 sind? Vielleicht gar in der Hoffnung, dass die Vergesslichkeit uns den Schrecken vor dem Verlust unserer Geisteskraft nimmt? Und genau das ist der große Irrtum, dem wir Menschen in der westlichen Zivilisation so oft erliegen. Das Altern hat hier definitiv ein Imageproblem. Dabei gibt es aus wissenschaftlicher Sicht viel Positives und Neues über das Altern im 21. Jahrhundert zu berichten. Insbesondere folgende Nachrichten habe ich für Sie:

1. Das Gehirn gehört zu den Organen, welche im »abgeschalteten Zustand« schneller altern, also dann, wenn wir fernsehen, dösen, reine Routinen bewältigen und uns, egal in welcher Situation, passiv verhalten. Umso mehr sollten wir das Gehirn und alles, was es kann und uns ein Leben lang ermöglicht hat, schützen und seine Fitness erhalten. Leider kann uns dabei weder ein Schönheitschirurg noch ein Apotheker helfen, aber – und das ist die gute Nachricht – wir können selbst einiges dafür tun. Genau dabei will ich Ihnen helfen. Es ist nämlich gar nicht so schwer und verglichen mit einer Fettabsaugung oder einer kompletten Zahnsanierung auch nicht teuer.

2. Das Gehirn kann Unglaubliches leisten, und das sehr lange – viel länger als die meisten Gelenke in unserem Körper, die früher Verschleißerscheinungen zeigen als unser Gehirn. Man muss nur wissen und verstehen, was die 100 Milliarden Neuronen und die vielen Hilfszellen des alternden Gehirns brauchen, um weiterhin gut zu funktionieren, und was Sie selbst dazu beitragen können, und zwar unabhängig davon, ob Sie 50, 60 oder 75 Jahre alt sind. Wenn Sie die Gründe dafür kennen, warum Sie immer häufiger im Gedächtnis nach dem Namen Ihres Gegenübers kramen, schwindet die Angst davor. Und Sie werden sehen, wenn Ihr Gehirn weiterhin flexibel, intelligent und fit die Anforderungen des Alltags bewältigt, macht Sie das weitaus glücklicher als ein straffer Bauch. Vergeuden Sie keinen Tag, und freuen Sie sich mit jedem Lebensjahr mehr über dieses weise und durch viel Lebenserfahrung gestählte Universum in Ihrem Kopf.

3. Sich geistig fit zu halten ist deshalb noch kein sprudelnder Jungbrunnen für den ganzen Menschen, doch profitieren zwei zentrale Organe unseres Körpers davon: Denn was dem Gehirn nützt, kommt auch dem Herzen zugute und umgekehrt. Das Herz versorgt alle anderen Organe des Körpers mit Blut, vor allem aber das Gehirn, das trotz seines marginalen Gewichts 20 % des Blutsauerstoffs verbraucht.

An dieser Stelle seien zunächst einige positive Beispiele für ein gelungenes, ja außergewöhnliches Altern genannt, denn kein rationales Argument beeindruckt uns so sehr wie ein gutes Vorbild. Kennen Sie Isa Ardey? Sie ist eine bemerkenswerte Frau. Im dritten Anlauf erreichte sie 2011 im Alter von 98 Jahren ihr Ziel: einen Doktortitel in Germanistik. Oder denken Sie nur an Charles Eugster! 2011 wurde er 91 Jahre alt und hat seit zehn Jahren in jeder Altersklasse-Weltmeisterschaft der Ruderer eine Goldmedaille gewonnen. Er hält außerdem weitere Weltmeister-Titel in verschiedenen Disziplinen. Zudem ist der Senioren-Sportstar Gastredner bei großen internationalen Fitness-Tagungen. Er selbst ist überzeugt, ein Vorbote einer Zeit zu sein, in der Leistungssport auch jenseits des 70. Lebensjahres ganz normal sein könnte. Und auch der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt, 1918 geboren, begeistert trotz seines hohen Alters noch mit seinen Büchern, Einsichten und Erkenntnissen. Obwohl seit einiger Zeit an den Rollstuhl gebunden, hindert ihn dies nicht daran, rhetorisch gestochen scharf die aktuelle politische Lage zu analysieren und mit viel jüngeren Gesprächspartnern hart ins Gericht zu gehen.

Stecken wir in einem zu starren Korsett der Lebensabschnitte, wenn wir Menschen als alt bezeichnen? Was heißt überhaupt »alt«? Meinen wir damit eine biographische, biologische, gar medizinische oder emotionale Kategorie? Wenn wir stereotyp aufzählen, was ältere Menschen weniger gut können als junge, vergessen wir die lange Liste der Dinge, die sie immer noch gut oder sogar besser können. Wer hat schon so viel Wissen angesammelt oder kann so gut und präzise Geschichten erzählen, hat einen so großen Wortschatz oder eine hohe emotionale Intelligenz wie ältere Menschen? Die obigen drei Lebensbeispiele sollten dies deutlich machen. Zu viele Mythen ranken sich um das Älterwerden, wobei viele der vermeintlichen Fakten längst von der Wissenschaft widerlegt wurden.

Ein Ziel des Buches ist es, die vielen Gesichter des kognitiven Alterns sichtbar werden zu lassen, denn nur so können wir die Chancen, die das Altern bietet, individuell und gesellschaftlich nutzen. Und wenn Sie sich »alt fühlen«, hinterfragen Sie doch einmal, woher dieses Gefühl kommt, sich nicht seinem Lebensabschnitt gemäß zu fühlen, denn genau das heißt: sich »alt fühlen«.

Alterungsprozesse des Gehirns gestalten

Altern ist nicht gleich Altern, und entsprechend ist das Alter im Personalausweis nicht gleich dem kognitiven Alter: Wir altern höchst unterschiedlich. Das betrifft nicht nur ältere Menschen untereinander, sondern auch die eigenen kognitiven Fähigkeiten, von denen es einige gibt, die in keiner Weise vom Alter beeinträchtigt sind, ja sogar besser werden, und andere, deren Leistungen deutlich abfallen. Ein Grund dafür, warum Menschen kognitiv so unterschiedlich altern, ist der, dass wir einen gewichtigen Teil dieses Alterns selbst bestimmen. Und nicht nur wir als Individuen können unseren eigenen Alterungsprozess beeinflussen, auch die Gesellschaft, die Wirtschaft, der Arbeitsmarkt und die Politik müssen sich den Herausforderungen des Älterwerdens der Menschen stellen. Natürlich sind hier Mediziner und die Gesundheitspolitiker im Besonderen gefragt: Sollte das Gehirn nicht auch von Vorsorgeuntersuchungen profitieren? Es ist eine eigentümliche Entwicklung, dass wir der Prostata des Mannes und der Brust der Frau mehr Altersvorsorge angedeihen lassen als unserem Gehirn. Was nicht heißen soll, dass die Vorsorge bei anderen Organen nicht sinnvoll ist!

Auch wenn das Gehirn nicht direkt schmerzt und keine sichtbaren Alterserscheinungen zeigt, wir sollten es stärker beachten. Warum nicht mit einer Art Präventionsprogramm für kluges Altern? Das könnte für Krankenkassen höchst interessant sein, denn immerhin machen im Gesundheitswesen die Kosten der über 65-Jährigen schon jetzt mehr als 60 % aus und werden zukünftig, wenn sich die Altersstrukturen weiter verschieben, noch steigen. Genauso lohnt es sich, angesichts der demographischen Entwicklung über neue Lebensarbeitszeitmodelle, Altersgrenzenregelungen und flexiblere Arbeitszeitstrukturen nachzudenken, die es einem erlauben, auch jenseits der 65 noch zu arbeiten. Denn auf die Expertise älterer Menschen zu verzichten kann sich eine Gesellschaft eigentlich nicht leisten.

Fakten, Mythen und Erwartungen

Gerade vor dem Hintergrund negativer Altersmythen sei eine erste kontraintuitive Schlussfolgerung über das Altern vorgestellt: Das Alter ist, historisch gesehen, jung, sehr jung sogar – und seine Bedeutung liegt eher in der Zukunft als in der Vergangenheit. Es ist genau genommen eine Errungenschaft des 20. Jahrhunderts, dass die Menschen alt werden, während viele unserer Vorstellungen (und Mythen) des Alterns noch aus vorherigen Jahrhunderten stammen. Zwar gab es schon immer einzelne Menschen, die alt, manchmal sogar sehr alt wurden, aber heute wird in den westlichen Industrienationen mehr als die Hälfte der Bevölkerung 70 Jahre alt oder älter. Zu verdanken ist dies nicht zuletzt der medizinischen Grundlagenforschung. Ergänzend muss man sich folgende Zahlen vor Augen führen: In den 5000 Jahren vor dem Stichtag 01.01.1900 hat sich allen Berechnungen nach die Lebenserwartung der Gattung Mensch um ganze 27 Jahre verlängert – ziemlich genau die Zahl, um die sich allein von 1900 bis 2000, also in nur 100 Jahren, die Lebenserwartung nochmals um 27 Jahre verlängert hat. Von allen Menschen, die auf diesem Planeten jemals über 65 Jahre alt geworden sind, leben 50 % heute – 500 Millionen sind es zur Zeit! Noch im Jahre 1900 wurden nur 19 % der Menschen in Deutschland über 65 Jahre alt, heute sind es 75 %! Im Jahre 2030 werden die Menschen über 65 zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte zahlreicher sein als die Kinder unter fünf Jahren. Wer 2005 in Europa geboren wurde, hat eine reelle Chance, (im Altersdurchschnitt!) 100 Jahre alt zu werden. Und seit 100 Jahren werden wir jeden Tag sechs Stunden älter.

»Seit das Phänomen der Langlebigkeit untersucht wird, gab es immer wieder Versuche, eine maximale, biologisch unüberwindbare Grenze der Lebenserwartung zu definieren. Gemeinsam ist solchen Obergrenzen ihre eigene begrenzte Lebensdauer«, schreibt der Altersforscher James Vaupel vom Max-Planck-Institut in Rostock. Das geht so weit, dass einige Schätzer nicht einmal merkten, dass ihre Angaben schon zum Zeitpunkt der Veröffentlichung »ver-altet« waren: So setzten die Vereinten Nationen 1979 die Obergrenze der maximal erreichbaren Lebenserwartung auf 80 Jahre fest, eine Altersgrenze, die Isländerinnen bereits drei Jahre zuvor überschritten hatten.

Heute ist es nicht einmal klar, ob es überhaupt eine biologisch festgelegte »Höchstlaufzeit« des menschlichen Lebens gibt. Aber es geht ja auch nicht darum, Rekorde aufzustellen, was das Lebensalter anbelangt, sondern um die Qualität des Lebens und Erlebens im Alter. Die Fragen, die uns umtreiben, sind weniger die, wie alt man im Extremfall im künstlichen Koma werden kann, sondern wie lange man noch in der Lage ist, zu reisen, mit den Enkeln/Urenkeln zu spielen, seinen Hobbys nachzugehen und der Familie oder der Gesellschaft nützlich zu sein.

In der Tat können wir heute den Alterungsprozess des Gehirns auf eine Art und Weise gestalten, wie man sie vor wenigen Jahren noch nicht für möglich gehalten hätte. Wie wir inzwischen wissen, wirken sich nämlich schon unsere eigene Erwartungshaltung ebenso wie gesellschaftliche Erwartungen an das kognitive Altern auf unsere geistige Leistungsfähigkeit aus.

Testen Sie jetzt bitte selbst Ihre Einstellung zum Alter in einem kleinen Experiment: Stimmen Sie unten stehenden Aussagen aufgrund Ihrer Vermutung zu – oder nicht?

Ja

Nein

Mindestens 10% der alten Menschen leben in Institutionen.

Das Vorkommen von ernsten geistigen/seelischen Erkrankungen (wie Depressionen) nimmt mit dem Alter zu.

Die Mehrzahl alter Menschen hat kein Interesse an Sexualität.

Psychotherapien haben wenig Erfolg bei alten Menschen.

Die Mehrheit älterer Menschen fühlt sich elend.

Die Mehrheit der alten Menschen ist sozial isoliert und einsam.

Wenn das letzte Kind das Haus verlässt, erleben es die meisten Eltern als ernstes Problem, sich dieser Situation anzupassen.

P. Baltes, Fakten des Alter(n)s: ein Fragebogen über »Vorurteile«. Beispiele aus 36 Fragen

Anders als Sie es wahrscheinlich aufgrund Ihres Allgemeinwissens und Ihrer Erwartungen getan haben, müssen alle (!) Fragen auf wissenschaftlicher Evidenz basierend mit »Nein« beantwortet werden! Schlimm ist hierbei nicht nur, dass wir das Alter mit Stereotypen belegen, sondern auch, dass diese Vorurteile zu einem großen Teil nicht stimmen. Noch bedenkenswerter ist, dass diese Vorstellungen vom Altern unsere eigene Leistungsfähigkeit im Alter (und auch die anderer älterer Menschen) beeinflussen: Menschen vermögen mehr zu leisten, wenn man ihnen in einem realistischen Rahmen etwas zutraut.

Alter als eine Entwicklungsstufe des Menschen

In diesem Buch wird das Altern nicht vornehmlich als Lebensphase des Verfalls, sondern als eine eigene menschliche Entwicklungsphase aufgefasst mit all ihren Eigenheiten, Stärken und Schwächen. Es gilt hier, ebenso wie in der Pubertät, Veränderungen zur Kenntnis zu nehmen, mit ihnen umzugehen und einen Rollenwechsel für sich selbst und die Gesellschaft einzuleiten.

Altern ist eine veränderte Lebenssituation und sollte als solche erlebt werden. Das alte Paradigma des Funktionsverlustes hat ausgedient. »Alter«, betont die Berliner Essayistin Silvia Bovenschen, »ist zunehmende Zukunftslosigkeit« – oder um es in den Worten Karl Valentins zu sagen: »Die Zukunft war früher auch besser.« Die Irreversibilität der Zeit wird uns beim Älterwerden besonders bewusst. Aber viele Menschen orientieren sich im Alter auch neu und erleben diese Lebensphase, die nicht zuletzt von einer neuen Freiheit, besserer emotionaler Kontrolle und der Chance, Weisheit zu erwerben, geprägt wird, ganz bewusst.

Dieses Buch möchte vor allem Mut machen, auch im Alter noch geistige und körperliche Anstrengungen zu riskieren – es lohnt sich sogar, wenn man in diesem Lebensabschnitt erst damit anfängt! Für diese gewagte These halten die neueste wissenschaftliche Literatur und das Leben allgemein viele gute Beispiele bereit. Vor allem vor dem Hintergrund, dass viele Längsschnittstudien, die nach dem Zweiten Weltkrieg begonnen wurden, nun nach 50 bis 60 Jahren zu ersten validen Aussagen kommen, was Altern kognitiv und emotional bedeutet – eine Datenqualität, die seit der berühmten Berliner Altersstudie Anfang der 90er Jahre immer besser geworden ist und manche Überraschung parat hält.

Auch gilt es von vielen Mythen über das Altern Abschied zu nehmen: Die Midlife-Crisis gibt es nicht. Es stimmt nicht, dass Hans nicht lernen kann, was Hänschen nicht schon gelernt hat. Auch die Annahme, man könne am Alterungsprozess des Gehirns nichts ändern, ist nicht weiter haltbar. Denn mindestens bis zum 85. Lebensjahr haben wir mehr Macht über unser Altern als unsere genetische Disposition. Aber Macht bedeutet auch Verantwortung, und es zeigt sich, dass wir mit der »Altersvorsorge« so früh wie möglich beginnen sollten. Denn das Risiko, z. B. an Alzheimer zu erkranken, wird schon in mittleren Jahren entscheidend durch unseren Lebenswandel beeinflusst (siehe Kapitel 7).

»Wenn es auch keine echte ›Belle Epoque‹ des Alters in unmittelbarer Zukunft gibt, so glaube ich doch, dass die Kultur des Alters ihren Höhepunkt noch nicht erreicht hat; dass unsere Gesellschaft ihre Kräfte noch nicht erschöpft hat, eine bessere Lebenslage für das Altwerden zu schaffen und dadurch mehr und mehr von uns »erfolgreich« altern zu lassen. (…) Auf jeden Fall dürfen wir nicht loslassen, über das Alter neugierig und innovativ zu sein, etwa dadurch, dass wir uns daran gewöhnen würden. Wie ein Philosoph, um Philosoph zu bleiben, sich an nichts gewöhnen darf, so dürfen wir uns auch nicht ans Alter gewöhnen. Es gibt da mehr und Besseres, als wir gegenwärtig sehen.«

Paul Baltes

Sie werden beim Lesen dieses Buches vieles entdecken, was falsch ist an unseren Vorstellungen vom Altern. Sie werden darüber lesen, wie jeder seinen persönlichen Alterungsprozess, im Guten wie im Schlechten, beeinflussen kann, und auch über das, was es in diesem Zusammenhang an offenen Fragen über das Alter und das Altern gibt. Denn dieses Buch möchte nicht nur verhindern, dass wir durch die Brille der Mythen auf das Alter schauen, sondern auch Respekt vor dem Altern entfachen, eine Neubetrachtung des Alterns einleiten sowie das Interesse am Altern wecken. Interesse wird durch Fragen geweckt und nicht durch simplifizierende Antworten, und entsprechend wird das Buch auch versuchen, die Arbeitsweise des Gehirns zu beschreiben und als denkende und fühlende Wesen besser zu begreifen.

Altern sollte eine positiv besetzte Phase des Lebens sein, in der es Freude macht, unser so wichtiges und komplexes und für unser Sein so elementares Denkorgan auf sinnvolle Weise frisch zu halten. Alte Menschen als hilfsbedürftig, unselbständig und defizitär wahrzunehmen wird dann besonders bedenklich, wenn alle älteren Menschen qua Alter gleich behandelt werden, ohne Rücksicht auf ihre individuelle Situation, Kompetenzen und Handlungsmotivation.

Dies soll nicht einem übertriebenen Altersoptimismus das Wort reden, denn das wäre nicht nur wirklichkeitsverklärend, sondern würde auch Gefahren in sich bergen. Die Bilder vom Alter dürfen die Realität des biologischen Alterns nicht aus den Augen verlieren. Denn dass in bestimmten Bereichen des Denkens die Leistungsfähigkeit abnimmt, die »Biologie des Alters dem Alter Grenzen setzt« (Paul Baltes), erlaubt dem Einzelnen, einen Bewertungsmaßstab zu nutzen, der das eigene Selbstbild vor Überforderung und Schuldgefühlen schützt.

Vielleicht sollten wir, um ein negatives Schemadenken in Bezug auf das Altern zu umgehen, anfangen, unsere Lebensjahre rückwärts zu zählen – also die Jahre zählen, die wir noch zu leben haben, statt derer, die wir schon hinter uns haben. In jedem Fall sollte man versuchen, dem Alter entschlossen zu begegnen, damit der folgende Ausspruch von Otto von Bismarck nicht zutreffen möge: »Das Leben ist wie ein geschicktes Zahnausziehen. Man denkt immer, das Eigentliche sollte erst kommen, bis man plötzlich sieht, dass alles vorbei ist.«

Was die einzelnen Kapitel bieten

Im 1. Kapitel »Das bewegte Gehirn der 50plus-Generation« erfahren Sie Grundsätzliches darüber, wie unser Gehirn lernt und vergisst und welche Alterungsprozesse man im Gehirn beobachten kann. Im 2. Kapitel sehen Sie, warum man das Altern ebenso wie das Erwachsenwerden als Entwicklungsstufe des Menschen begreifen muss. Im Zuge dieser Sichtweise sei hier der Versuch unternommen, eine lebenslange Projektion der Gehirnentwicklung zu betrachten und zu beschreiben. Im 3. Kapitel »Neuronales Denkstübchen« erkläre ich Ihnen, wie sich das Gehirn von der Kindheit über das Erwachsenenalter bis hin zum Seniorenalter verändert. Sie werden außerdem Antworten darauf bekommen, warum das Hirn asymmetrisch altert und inwiefern sich die Alterungsprozesse im Gehirn bei Männern und Frauen unterscheiden.

Im 4. Kapitel »Gedächtnis ohne Ruhestand« werden Sie verschiedene Gedächtnissysteme des Gehirns kennenlernen und wie sie sich im Laufe unseres Lebens verändern. Wie erinnern wir, und warum verändern sich die Zeitwahrnehmungen von Erinnerungen mit dem Alter? Woran merken wir, dass unser Gedächtnis schlechter wird, oder besser: anders funktioniert als noch in jungen Jahren? Hinsichtlich unseres autobiographischen Gedächtnisses wird die Frage behandelt, welche Lebensphase man am besten erinnert. Außerdem wird das Nadelöhr unseres Gedächtnisses, das Arbeitsgedächtnis, vorgestellt.

Im 5. Kapitel »Fröhliche Senioren?« geht es darum, wie sich Charakterzüge, emotionale Befindlichkeiten und unsere soziale Kompetenz im Alter verändern. Warum weinen wir schneller als in der Pubertät? Warum berühren uns Schicksale stärker? Wie gehen ältere Menschen – Männer und Frauen – mit Stress um? Insgesamt kann hier vor allem über die bemerkenswerte psychologische Widerstandsfähigkeit älterer Menschen berichtet werden. Im 6. Kapitel »Weise Greise« wenden wir uns der Frage zu, was Weisheit ist und warum man alt sein muss, um diese hochgeschätzte menschliche Tugend zu besitzen. Es wird hier weiterhin gezeigt, dass die kognitiven Fähigkeiten unterschiedlich schwinden – so nimmt der Wortschatz mit dem Alter nicht ab, die Fähigkeit, Geschichten zu erzählen, nimmt sogar zu, während das Arbeitsgedächtnis nachlässt. Im 7. Kapitel »Kahlschlag im Gehirn« gehe ich auf die häufigsten Erkrankungen des alternden Gehirns ein, ihre Ursachen, hirnphysiologische Grundlagen und Therapiemöglichkeiten. Im Mittelpunkt stehen Alzheimer-Demenz, Parkinson-Erkrankung und Schlaganfälle. Außerdem wird in diesem Kapitel eine klare Unterscheidung getroffen, was normale Alterungsprozesse sind und wann man von einer Erkrankung sprechen muss. Im 8. Kapitel »Frischekur fürs Gehirn« sind konkrete Maßnahmen dargestellt, wie jeder selbst das kognitive Altern beeinflussen kann. Die goldenen Regeln gegen die Alterungsuhr des Gehirns sollen Ihnen Anregung sein, Ihrem Gehirn eine ähnlich gute Pflege angedeihen zu lassen wie Ihrer Haut. Im 9. Kapitel »Rezepte für eine alternde Gesellschaft – ein Plädoyer« will ich Entscheidungsträgern Fakten an die Hand geben, was sich ändern muss, damit wir alten Menschen eine Chance geben, ihr Potenzial – für sich und (!) für die Gesellschaft – zu nutzen. Das Kapitel ist als Denkanstoß gedacht, ein Plädoyer für eine neue Sichtweise des kognitiven Alterns, welche für jedes alternde Individuum, aber auch gesellschaftlich und institutionell bedeutsam ist.

Aber nicht allein die Wissenschaft erkundet, was im Alter möglich ist. Dies geschieht vor allem durch ältere Menschen selbst, die mit neuen, innovativen Ansätzen und Handlungen ihre Leistungsgrenzen austesten.

KAPITEL 1

Das bewegte Gehirn der 50plus-Generation

Das Alter

Das Alter ist ein höflich’ Mann:Einmal über’s andre klopft er an;Aber nun sagt niemand: »Herein!«Und vor der Türe will er nicht sein.Da klinkt er auf, tritt ein so schnell,Und nun heißt’s, er sei ein grober Gesell.

Johann Wolfgang von Goethe

Das Janusgesicht des Alters

Altern ist oft ein Synonym für Verfall, Abstieg, Vergesslichkeit, Starrköpfigkeit. Gleichzeitig werden alte Menschen als umsichtig, weise und mit einem großen Wissensschatz gesegnet gepriesen. Kulturen unterscheiden sich in ihrem Ansehen für ältere Menschen ebenso, wie einzelne Menschen das Altern unterschiedlich für sich und bei anderen beurteilen. Und richtig: Die Gehirne der 50plus- und 60plus-Menschen scheinen alles in allem zwiespältige Geschöpfe zu sein. Sie lernen langsamer, vergessen schneller, sind leichter ablenkbar und mitunter beharrlich resistent gegenüber Neuem. Doch wir sehen auch, wie enorm leistungsfähig sie sein können: 50plus-Gehirne leiten Unternehmen, Banken, ganze Länder, sind imstande, hochkomplexe Maschinen zu bedienen, und steuern sicher durch die digitalen Welten. Zu Hause müssen dieselben Gehirne mit Teenagern umgehen, die, wenn sie überhaupt kommunizieren, eine gänzlich andere Sprache sprechen. Sie müssen Rechnungen bezahlen, ihr Privatleben organisieren und den Streit mit dem Nachbarn geschickt beilegen – und das alles vor dem Hintergrund, dass diese Gehirne manchmal schon auf dem Weg zur Arbeit vergessen, was sie zum Frühstück gegessen haben oder wie der Name des neuen Kollegen lautet.

Diese in der Tat vorhandenen Widersprüche des Alterns – eine enorme Leistungsfähigkeit einerseits, Defizite andererseits – nehmen wir häufig gar nicht wahr. Die klassische Lebenstreppe (Abb. 1) beschreibt dies so: Ab einem bestimmten Alter geht es abwärts – und was für eine Reihe körperlicher wie kognitiver Tätigkeiten auch stimmt, wird verallgemeinert für den ganzen Menschen. Einige offensichtliche Altersschwächen ziehen alle anderen Fähigkeiten in der Wahrnehmung und Selbsteinschätzung vieler Menschen mit hinunter ins Tal der Vergänglichkeit.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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