Kaffee, Kaffee - Henrik S. - E-Book

Kaffee, Kaffee E-Book

Henrik S.

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Beschreibung

In einer Welt, die von der postkapitalistischen Start-up-Szene dominiert wird, trifft blindes Marktvertrauen auf die düstere Dynamik von BDSM. Im Start-up »LoVe-App« trifft marktgetriebene Gier auf BDSM-Leidenschaft. Zwischen Büroetagen, absurden Meetings und verführerischen Abgründen entspinnt sich ein spannungsgeladener Krimi, der gesellschaftliche und wirtschaftliche Strukturen bloßlegt. Während die Protagonisten die Grenze zwischen Macht und Unterwerfung ausloten, verschwimmen die Linien zwischen ökonomischen und persönlichen Freiheiten und Ausbeutung. Ein avantgardistisches Werk, das durch seinen experimentellen Schreibstil auffällt und die Absurditäten einer, profitgetriebenen Wirtschaft scharf ins Visier nimmt. Für alle, die den Mut haben, etwas völlig Neues zu entdecken: Ein literarisches Erlebnis, das nicht nur provoziert, sondern auch unterhält – weit entfernt von bloßer Darstellung von BDSM-Szenen, aber voller erotischer Intensität und Spannung. »Kaffee, Kaffee« ist ein Buch für die, die sich trauen, gegen den Strich zu lesen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 242

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Impressum

Henrik S.

Kaffee, Kaffee

Dominanz und Unterwerfung

ISBN 978-3-96615-035-4

1. Auflage

(c) 2024 Schwarze-Zeilen Verlag

www.schwarze-zeilen.de

Alle Rechte vorbehalten.

Dieses Buch richtet sich an erwachsene Personen, die BDSM gegenüber offen sind. Für Minderjährige ist dieses Buch nicht geeignet. Bitte achten Sie darauf, dass das Buch Minderjährigen nicht zugänglich gemacht wird.

***

Er stand auf der Straße, genauer gesagt, auf dem Mittelstreifen. Blockierte mit seiner Körperlichkeit den einzig freien Parkplatz, mindestens eine Meile entlang in beiden Richtungen, in direction east, as in direction west. Vier Spuren links, vier Spuren rechts, ok, eigentlich jeweils fünf Spuren. Nur dass die Fünfte Sonntagmorgens um Halbsechs zugeparkt war. Liegen nun mal alle in ihren Betten.

»Der Pyjama steht dir gut.«

Er drehte sich von West nach Ost, dummerweise stand sie südlich von ihm und war gerade dabei in ihr strahlend rotes Cabrio zu steigen. Ein Automobil (Made in UK), das er sofort bewunderte. Eines der letzten Überlebenden des Zeitgeistes, jener Kraft, die stets das Gute will und doch das Böse schafft.

»Können Sie mich mitnehmen?« Er verabscheute dieses anbiedernde Duzen, allerdings könnte er bei ihr eine Ausnahme machen. Nun war es zu spät, er hatte bereits gesiezt. Das Mögliche, das Nichtmögliche, das Konjunktiv. Was sollte er mit alledem nur anfangen.

Sie hatte keine Probleme. »Ok, steig ein.« Und blieb weiterhin konsequent, »Nimm mal«, ihm eine CD reichend.

Ein CD-Player! Welches Auto hatte so etwas noch? Er machte sich nützlich. Zum eingelegten Hip-Hop startete der Motor, zwei leere Parkplätze blieben indigniert zurück.

An jeder Ecke des Swimmingpools (vier mal vier Meter, max. Tiefe 1,55 m) stand ein Schild. Swim at your own risk. No lifeguard on duty. Die Warnung war höchstwahrscheinlich ernst gemeint. Achtung Absturzgefahr wäre gleichfalls sinnvoll gewesen. Das äußerst niedrige Geländer (kann man das als Geländer bezeichnen?), am Beckenrand, verwehrte zumindest nicht den Blick über die Stadt. Nur zwei sich vom Wind dahintreibend lassende Dohlen genossen eine bessere Aussicht.

»Espresso?«

Eine Drehung im Wasser in Richtung Stimme, ein Blinzeln gegen die Sonne und die Erkenntnis, dass er doch die bessere Aussicht hatte. Auf Augenhöhe blendend weiß lackierte Fußnägel in schwarzen High Heels Sandaletten, darüber aufsteigend, lange, goldgetönte Beine, am Schnittpunkt von einem äußerst knappen String eingefasst, kein Platz für Härchen dazwischen. Von Zeh bis Haarspitze, geschätzte 168 Zentimeter Botticelli-Figura in milk and coffee.

Unzweifelhaft regte sich was, pochte vehement auf halber Höhe gegen den Beckenrand. – War da nicht noch etwas?

Eine Gerade ist eine unendlich lange, unendlich dünne und in beide Richtungen unbegrenzte Linie. Gesellt sich nun eine zweite Gerade zur ersten parallel hinzu, also ohne diese zu schneiden, wird die erste Gerade – ob sie es will oder nicht – gleichfalls zur Parallele in Bezug auf die zweite Gerade.

Fruchtlose Gedankenspiele, die einfach den Zweck dienten ihn von dem Schoß, der gebar abzulenken, in der Hoffnung dadurch, nackt und bloß wie er gänzlich war, mit Anstand aus dem Wasser steigen zu können.

Der Kaffee hatte Klasse. Alles an ihr hatte Klasse. Es war sehr einfach, die Parallelwelten zu verlassen und sich der Realität zu widmen. Und auch dies war klasse. Die Dohlen könnten es bezeugen, hätten sie nichts Besseres zu tun gehabt.

»Französisch, vietnamesisch, schwarz Americano, meine Mischung.« Sie hatte halblaut mit weichem französischen Akzent vor sich hingesprochen, während sie nebeneinanderlagen, erschöpft vom Liebesspiel. Seine Finger glitten erneut über ihren Körper, sanft, verfingen sich in ihrem krausen Haar, umspannten ihren schlanken Hals. Sie reckte den Kopf nach hinten, seine Hand folgte ihrer Bewegung, verstärkte den Druck, die Spannung ihres Körpers vergrößernd. Die andere Hand verlor sich zwischen ihren Beinen, glitt hinein in die Nässe, tief. Ihr Körper bäumte sich auf, wand sich unter seinen Händen. Er lockerte den Griff um ihren Hals, fürchtete, die Kontrolle zu verlieren. Ihre Hand umschloss die seinige und drückte sie erneut an den Hals. »Fester!« Sie keuchte, Spasmen durchzuckten sie, umklammerten in Wellen seine Finger in ihrer Möse. Er stieß zu, den Widerstand überwindend, einen weiteren Finger einzwängend, während sie aufschrie und er den Schrei auf ihren Lippen erstickte, bis nur noch ein Röcheln zu hören war. Sie zitterte hemmungslos, spie seine Finger aus, ein weiter Strahl folgte, nässte seine Hand, den Arm, seine Beine. Er ließ von ihr ab, während ihr Körper nach wie vor bebte.

»Say never latte macchiato!« Sie hatte sich aufgerichtet, das Weiche in ihrer Stimme war verschwunden.

»Hatte nie die Absicht.«

Jetzt lächelte sie. »Espresso?«

Das Klavier (Marke Schimmel) wurde entführt. Unter lauten Gekicher (pssst!). Zwei kräftige Männer, wo hatte sie diese nur aufgetrieben, machten kein Federlesen, ein Gurt links ein Gurt rechts, keine zehn Minuten. Der Abtransport erfolgte natürlich nicht im Mini. Dort saßen sie beide anschließend, bei offenem Verdeck, mit Mary Jane in der einen und red wine in der anderen Hand, immer noch kichernd.

Um zwei Uhr morgens ist man selbst in Berlin am Rand einer Magistrale relativ ungestört, zumal wenn diese Magistrale einen großen Park durchschneidet. Sie saß auf ihm, rücklings, die Beine angewinkelt (jahrelang Yoga geübt) mit den Fersen auf seinen Oberschenkeln. Unter dem kurzen Rock nur nackte Haut und feuchte Spalte. Sein bloßgelegtes Ego (warum sollte er sich nicht über seinen Schwanz definieren?) glitt problemlos ein und aus, passend zu Bob Marleys schleppenden Reggae-Rhythmen, was die Federung des Minis völlig unberührt ließ, die Nachtigall im angrenzenden Park indes zum Verstummen brachte. Dunkle Schatten verkehrten im Gebüsch, es kümmerte sie nicht. Der Mini kehrte dem Geschehen ohnehin die Hinterfront zu und die im Gebüsch waren mit sich selbst beschäftigt.

Intermezzo um drei Uhr dreißig, morgens.

Der Schimmel hatte ein neues Zuhause. Anlass genug für ein kurzes Klavierspiel aus dem Stand heraus vor der Eingangstür ihrer Wohnung.

Sie liebten sich im Bett, balgten über-/untereinander. Wechselnd zwischen Zeh, Po und Klitoris, am kleinen Ring darüber mit den Zähnen ziehend. Zumeist hatte sie aber sein spezielles Ego im Mund, wenn dies nicht gerade anderweitig beschäftigt war. Gegen halb fünf, es wurde bereits hell, holte sie die Erschöpfung ein, dann war endlich Ruhe.

»Kaffee!« Ein Stöhnen. Ein Blinzeln. Ein nackter, verlockender Körper. Er war bereits wieder aufgerichtet. Der Standort der Kaffeemaschine war nicht weit, zwei Espressi zu zweit und als Belohnung ein feuchter Kuss auf die Stirn.

Den Pudel kurz an der Leine zu führen.

Arbeit stand an, denn ein neues Leben begann. Ihr Kommentar: »Auf die Form kommt es an. Sein, nicht Schein.«

Er glaubte ihr aufs Wort. »To be or not to be, that is the question.« Der frühe Nachmittag hatte noch nicht begonnen, teatime is later. Gemeinsam zogen sie den Schimmel in die Wohnung. Der Trick mit den Läufern funktionierte. Zeit für ein kleines Konzert. Solo. Er brillierte.

»Fürs Vorspielen im Wiener Kaffeehaus reichts,« urteilte sie cool, die Nase im Schnee. Nackt stand er vor ihr. Das Ego geschrumpft.

»Komm.« Bereits versöhnlicher, führte sie ihn ins Ankleidezimmer.

Er staunte nicht schlecht. Auf der Stange hingen dutzende Anzüge. »Hemden sind im Schrank«, merkte sie an.

»Und Socken?«

»Keine!«

Kategorisch, »A la moda italiana. Slipper genügen.«

Nun es war Sommer, fast. Die ausgewählten Hemden und Sakkos passten, einzelne der Hosen waren zu weit, aber die musste er auch nicht unbedingt tragen. »Wem gehört denn das Ganze?« Sie war bereits im Nebenzimmer und hörte ihn nicht mehr oder ignorierte seine Neugierde bewusst.

Chic sah er aus. »Da schaut, der gibt was her.« Wenn es sein musste, jederzeit. Sprach er nicht fünf Sprachen, davon drei fließend. BWL-Studium in Graz, Fernstudium Uni Hagen, Master Psychologie. Na ja, beinah. Und Berlin? Berlin, Jura bis zum 1. Staatsexamen. Nein, kein Prädikatsexamen. Aber, der Junge hat Talent. Einst. Inzwischen war die Silbermine versiegt. Lauf der Zeit. Alle Drachmen verjubelt, kein Obolus mehr, für niemand. Zweimal das Erbe durchgebracht, da half gar nichts mehr.

Im Halbschatten des Zimmers vor dem großen Ankleidespiegel, sein Bild. Sommersprossiger, 188 cm großer, durchtrainierter, wenn auch ein mit Ansatz zur Fülle neigender Körper. Rotblond die Haare, wie die Augenbrauen. Augen, in denen sich das Blau des Meeres eines wolkenlosen Tages wieder spiegelte. Das sonnengerötete Gesicht mit dem angeborenen, gewinnenden Lächeln auf den etwas zu schwach ausgeprägten Lippen. Zum Ausgleich dafür ein markantes Kinn, ohne jeglichen Ansatz von Grübchen, was aber nicht unangenehm wirkte. Die ganze Erscheinung frisch, gewinnend, sympathisch. Sie steckte ihn in einen hellgrauen Anzug mit einem feinen, kaum wahrnehmbaren olivgrünen Glanz. Ein weißes Hemd mit sportlichen Touch, seriös aber individuell. Die dunkelbraune Krawatte betupft mit winzigen goldenen und blauen Sternchen. Klassische Slipper, keine Socken. Punkt.

Ihr Blick auf ihn hatte etwas Schelmisches, als er sich anzog. Seiner war Voyeur und folgte jeder ihrer Bewegungen, auch als sie ihm den Rücken zuwandte. Als sie sich bückte, fielen ihm auf den Innenseiten ihrer Oberschenkel, knapp unterhalb des Pos helle, unregelmäßig verlaufende, teilweise sich überkreuzende Linien auf, die ein bizarres Muster bildeten, ähnlich Kondensstreifen, wie sie Flugzeuge am Himmel hinterlassen. Seinen Blick spürend drehte sie sich um, zog einen Hocker heran, die Beine gespreizt, ihn fixierend, gleiten provozierend langsam dunkle, transparente Strümpfe über ihre Beine. Ein, die Schulter freilassendes, eng anliegendes Kleid verdeckte knapp den Ansatz der Nylons unterhalb der Scham und ließ ihre Beine dadurch länger erscheinen, dazwischen nichts, was stören könnte. Perfect body, ready up for all!

Der Mini schlich im gemächlichen Tempo den Kurfürstendamm entlang, während Taxis und Fahrradboten längs auf der Busspur vorbeiflitzten. Ab Höhe Leibnitzstraße wurde ein Parkplatz gesucht und – welch ein Wunder! – gefunden. Die Kanzlei erstreckte sich über die dritte und vierte Etage eines repräsentativen Altbaus, Gründerzeitarchitektur, die den modernen Bedürfnissen angepasst worden war. Der Aufzug hielt in der fünften Etage.

Money makes the world go round. Um überleben zu können, erlernt man das Verkaufen. Verkäufer leben von der Handelsspanne, einfach ausgedrückt der Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis. Je niedriger der Einkaufspreis incl. angefallener Kosten und je höher der erzielte Verkaufspreis umso größer der Gewinn. Einfach zu lernen, denkt man. Angebot und Nachfrage bestimmen den jeweiligen Preis, das nennt sich dann Markt. Eine Lektion, die es zu verinnerlichen gilt. an das zu kommen, was ein Start-up am nötigsten braucht, Geld!

Kennen Sie die Szene aus Basic Instinct? Klar kennen Sie die Szene, wer nicht? Sharon Stone sitzt sehr entspannt in einem Ledersessel, im superkurzen weißen Minikleid, einen Arm lässig über die Lehne gelehnt, die nackten Beine übereinandergeschlagen, den untersuchenden Ermittlern im Verhör gegenüber. Es muss nicht betont werden, dass es sich dabei ausschließlich um Männer handelt. Fünf Männer, um genau zu sein. Während des Verhörs fokussiert sich der männliche Blick (hier die Kameraführung) fast ausschließlich auf ihre Beine, bzw. auf dem Ansatz dazwischen, und legt, als Stone die Sitzposition wechselt, für einen kurzen Moment, frei nach Courbet, den Blick auf den Ursprung der Welt bloß.

Ich will nicht behaupten, dass Lilly Sharon Stone nacheiferte, aber den gleichen Trick, den hat sie sehr wohl angewandt. Meine Rolle war eher zweitrangig, so unter ferner liefen. Wobei, bei einem der Herren, (es war eine ausschließliche Männerrunde) hatte ich das Gefühl gewisse Avancen zu spüren, aber vielleicht überschätze ich einfach mein Sex-Appeal.

Neben dem Sexualtrieb spielt die Gier eine entscheidende Rolle. Die Zauberformel, die immer wirkt, nennt sich exponentielles Wachstum, wobei es letztendlich ohne Belang ist, ob damit Umsätze, Gewinne oder Verluste gemeint sind. Lilly spielte und gewann. Als wir aus dem Gebäude traten, war das zur Verfügung stehende Budget von nahezu null auf einige Millionen angewachsen.

Wie sicher sie sich ihres Erfolges war, zeigte allein die Tatsache, dass der Champagner (bereits in gekühlten Kisten angeliefert) kurz darauf in Strömen floss. Allerdings hatte niemand an Gläser gedacht. Ihr dreiköpfiges, ausschließlich aus Nerds bestehendes Team trank den Champagner dann eben aus Plastikbecher, was der Euphorie keinerlei Abbruch tat. Sollte ich mich von nun an dazuzählen, wäre der Mitarbeiterstab an diesem Tag allein um dreiunddreißig Prozent gestiegen! Wenn das nicht Zahlen sind, die bezaubern! Die erhaltene Wildcard versetzte uns (ja, ich zählte mich nun unbedingt dazu) in eine andere Liga, dabei sollte dies erst der Anfang sein. Lillys atemraubende Vitalität setzte ihre Umgebung ständig unter Strom. Überzeugend auch in jenen Momenten, die rein aus der Improvisation heraus lebten, und das waren anfangs wahnsinnig viele. Ihr Glaube an das Machbare, ihr Ruf, that works!, wurde das Credo des Teams.

Es gibt einen Menschenschlag, der ist von einer Gier geprägt, bei der Geld oder sexuelles Begehren eine nebensächliche Rolle spielen. Objekt der Begierde ist allein die öffentliche Erscheinung, der große Auftritt auf der Bühne um den Erfolg, sei es der eigene oder den zugeschriebenen, zu präsentieren. Das für den Auftritt zur Verfügung stehende Podium war in diesem Fall das alljährlich stattfindende D.gital forum im Congress Center in Berlin Mitte. Die hierfür gesetzten Schlagworte: »innovatives« »digitales Geschäftsmodell« »gewaltiges Wachstumspotenzial« »Technologiebereich« »Unternehmensgründer*innen«.

Unter dem Motto: »Digitalisierung ist kein Selbstläufer, sind wir innovativ genug?«, fand am Eröffnungsabend die einleitende Podiumsdiskussion statt. Präsentiert wurde die übliche Mischung. Eine Politikerin der Regierungsparteien, deren Ressort mit den Schlagworten nicht allzu sehr fremdelte, ein Politiker der Opposition, der weil Opposition grundsätzlich das Gegenteil behauptete, auch wenn er sich dabei selbst widersprach. Die geflissentliche Journalistin, die mit der Gesprächsleitung betraut war. Der kritische Wissenschaftler und durch Ausgliederung aus der TU gleichsam Unternehmer, und last but not the least: Lilly, das Glanzlicht des Abends.

Nach diesem Abend häuften sich Lillys öffentliche Auftritte, was zu einem periodischen Auseinanderfallen unseres gemeinsamen Lebens führte.

Ich hatte schon immer ein Problem damit, Bezugspersonen zu teilen. Als Einzelkind gab es deshalb kaum Schwierigkeiten. Problematischer wurde es allerdings, als meine Mutter ein zweites Mal heiratete. Mein Vater starb, kurz bevor ich fünfzehn wurde. Von ihm habe ich die Liebe zur Oper übernommen und ihm verdanke ich den jahrelangen Klavierunterricht, nachdem er eingesehen hatte, dass Violine nicht das richtige Instrument für mich wäre. Er selbst war Paukist im Rundfunksinfonieorchester und damit naturgemäß der klassischen Musik zugeneigt. Nach seinem Tod dauerte es etwa ein Jahr und meine Mutter war mit einem Zahnarzt liiert, den sie kurz darauf heiratete. Ihm war kein langes Leben mit ihr vergönnt, denn fünf Jahre später verstarb er unvermittelt. In seinem Testament war ausbedungen, dass ich, um als sein Erbe berücksichtigt zu werden, seinen Namen annehmen müsste. Ein Wunsch, den er gleich nach der Heirat bereits meiner Mutter gegenüber geäußert hatte. Er fürchtete, dass ansonsten sein Familienname, der auf hugenottische Einwanderer zurückging, erlöschen würde.

Die Beziehung zu meinem Stiefvater (den ich als Vater nie akzeptierte) war, um es gelinde auszudrücken, problematisch. Und das nicht nur, weil ich keine Bereitschaft erkennen ließ, seinem Wunsch nachzukommen. Er hatte zudem ein Faible für eine national gesinnte deutsche Erziehung, wie er es nannte. Auf seinem Schreibtisch prangte ein bronzener Reichsadler, der zu Kaisers Zeiten in deutschen Amtsstuben zu finden war. Der einzige Berührungspunkt, den wir hatten, war klassische Musik. Er schwärmte für Wagner und akzeptierte meine Vorliebe für Vivaldi. In guten Momenten saßen Arthur und ich in den schweren Ledersesseln des Salons, jeder ein großes Glas Cognac in der Hand und hörten aus meterhohen Boxen rundumbeschallt die Walküren reiten. Später, wenige Monate vor seinem Tod lernte ich eine weitere Vorliebe von ihm kennen, die ich gleichfalls teilte. Wahrscheinlich war dies der Grund, weshalb ich Eingang in sein Testament fand.

Ménage-à-trois oder Einer zu viel?

Als er in die Wohnung trat, spürte er die Veränderung. Er konnte es hinterher nicht mehr genau festmachen, was ihn zuerst irritiert hatte. Vielleicht der fremde Duft, ein liegengelassenes Kleidungsstück auf einen Stuhl, ein Glas zu viel auf dem Tisch oder die angebrochene Flasche Wein. Die Tür zum Schlafzimmer war geschlossen. Behutsam, als könnte er stören, näherte er sich. Er vermeinte ihre Atemstöße zu hören, in rascher werdender Folge und ansteigender Frequenz. Dann ein tieferes Stöhnen, anhaltend. Das Vibrieren des Bettes, dessen Anschlag gegen die Wand, heftig, rhythmisch, bis zum abrupten Abbruch. – Stille.

»Kaffee?«

Er kannte diese Stimme, war sie ihm nicht wohlvertraut? Automatisch den Weg zur Kaffeemaschine einschlagend, automatisch die vorgeheizten Tassen unter den Auslauf gestellt, zwei Tassen.

»Eine zu wenig.« Er hatte sie nicht kommen hören, er drehte sich nicht um. Sie stand neben ihm und er neben sich. Sie trug ein dünnes Seidenhemd mit schmalen Trägern über den bloßen Schultern. Ihre Brustwarzen bildeten sich deutlich unter dem Stoff ab. Ihre Bewegungen waren die einer Gazelle. Verführerisch leicht, den Jägern ein Schnippchen schlagend. Sie nahm sich ein kleines Tablett vom hölzernen Bord oberhalb der Kaffeemaschine, Zuckerpäckchen aus dem Hängeschrank, drei kleine Löffel für die Espressotassen aus der Schublade darunter. Er registrierte es wie ein Buchhalter. In seinem Kopf ratterte eine Rechenmaschine, viel fehlte nicht und er würde einen Bon ausspucken. Die dritte Tasse stand auf dem Tablett, sie schritt voran, er folgte ihrem Duft.

Eigentlich hätte ihm von Anfang an klar sein müssen, dass er Lilly nicht für sich allein haben würde – und das war es auch. Dies war ihm auch von Anfang an klar gewesen. Der Stich, der ihm durchs Herz ging, bevor er das Schlafzimmer betrat, war trotzdem mörderisch.

Das Schlafzimmer war leer, die Verbindungstür zum Bad angelehnt. Durch die offene Tür war das Rauschen der Dusche zu hören. Der Bann war gebrochen, die unsägliche emotionale Spannung löste sich. Sein Denkapparat nahm die normale Tätigkeit wieder auf. Ruhig stellte er das Tablett mit den drei Tassen am Rand des Bettes ab. Mit einer gewissen Genugtuung vermerkte er bei ihr für einen Moment Anzeichen von Unsicherheit, bis sie für sich die Situation auflöste, indem sie das Schlafzimmer in Richtung Bad verließ, die Tür hinter sich schließend. Er nahm sich eine der Espressotassen und ging zurück in die Küche. Wenig später hörte er eine Tür ins Schloss fallen. Banales Geheimnis, eine Wohnung mit zwei Eingängen.

Für den Fall einer Brandbekämpfung ist es erforderlich, dass stets ein zweiter, Zugang, zugleich Fluchtweg, vorhanden ist. Der sich gleichsam, nomen est omen, für den diskreten Zu- und Abgang von Besuchern nutzen lässt.

Sie trat ihm wenig später mit einem strahlenden Lächeln entgegen, ohne über die Angelegenheit ein Wort zu verlieren, und er war so klug seine verletzten Gefühle nicht zur Schau zu stellen. Die empfundene Kränkung verlor für ihn ein wenig an Schärfe, da die Konfrontation mit dem Nebenbuhler ausgeblieben war, andererseits erwuchs hieraus eine Ungewissheit, die an seinem Selbstwertgefühl nagte.

Lilly führte ihn geschickt auf andere Gedanken, indem sie die Präsentation der App vor ihm ausbreitete. Das Geschäftsmodell war so simpel, dass sich jeder fragen musste, weshalb dieser Gedanke einem nicht selbst gekommen war.

Die Ausgangsüberlegung war die Erkenntnis des absoluten Vorrangs des Lustprinzips bei der Generation Z. Wofür Millennials neben ihrem Narzissmus am bekanntesten sind, ist ihr Anspruchsdenken. Von Kindesbeinen an verwöhnt, stets eine sofortige Befriedigung ihrer Bedürfnisse erwartend, gepaart mit dem Anspruch hierauf ein absolutes Anrecht zu haben. Dass die gesellschaftliche Realität gewöhnlicherweise anders aussieht, ruft bei dieser Generation einigen Frust hervor, den es zu kompensieren gilt, was einem geschickten Geschäftsmodell Tür und Tor öffnet.

Um es einfacher auszudrücken, die Frage, wie, wo, wann und mit wem erfülle ich mein spezielles individuelles Lustbedürfnis, ist dann ein Problem, wenn die vorhandene Antwort bzw. der betreffende Kontakt nicht zeitnah zum Fragestellenden durchdringt. Der Clou war nun, ausgehend vom taoistischen Yin-und-Yang-Prinzip, polar einander entgegengesetzte und dennoch aufeinander bezogene duale Kräfte bzw. Bedürfnisse derart zusammenzuführen, dass sie sich zu einem Ganzen ergänzten. Im Idealfall wird damit der Nachfragende zum Anbieter und der Anbieter gleichsam zum Nachfragenden, deren jeweilige, nun zusammenfallende Bedürfnisse sich ergänzend im gemeinsamen Glücksgefühl auflösen sollten.

Damit lässt sich theoretisch das angestrebte Anwendungsprinzip der App wie folgt zusammenfassen: Bei einer Vielzahl von Anwendern, die zueinander passenden Gegenpole des jeweils online gestellten Bedürfnisses erkennen, und diese binnen weniger Minuten miteinander zu verbinden. Grundvoraussetzung für die Funktionsfähigkeit der Yin-Yang-App war, möglichst sämtliche Arten von Lustfeldern auszumachen und ihnen die zur Befriedigung in Frage kommenden Gegenpole zuzuordnen. Es machte ihm sehr viel Spaß mit Lilly immer neue lustvolle Kombinationen zu kreieren.

Es war Ende Mai, seit knapp einem Monat war die App online, seit etwas über einem Monat lebten sie zusammen, lebten und arbeiteten zusammen. Und ehrlich gesagt, es kehrte langsam Langeweile ein. Unterschwellig herrschte seit geraumer Zeit eine gereizte Stimmung zwischen ihnen, die sich nicht genauer festmachen ließ und damit einer Klärung entzog. So steuerten sie unweigerlich auf den großen Knall zu.

»Jungs, einhunderttausend User! It works!«

»Schön, aber…«

»Aber was?«

»Es gibt zu wenig Verbindungen, die Erfolgsquote der App ist immer noch im einstelligen Bereich und die frustrierten Rückmeldungen häufen sich.«

»Nun, es jeder erwarten, auf Anhieb glücklich zu werden.«

»Aber genau das ist doch unser Anspruch. Wir wollen die User glücklich machen, zumindest den überwiegenden Teil.«

Die Programmierer, soweit sie zugehört hatten, grunzten beifällig. Lilly warf beißende Blicke in die Runde.

»Dann arbeitet daran. Und wenn es sein muss die ganze Nacht. Wir sind nun mal zum Erfolg verdammt. - Verdammt, wir haben Erfolg!«

»Das hilft uns nicht«, wagte ich einzuwenden.

»Was dann?«

»Es ist wie beim menschlichen Gehirn. Die Anzahl der Nervenzellen ist nicht entscheidend, entscheidend sind die Synapsen und deren Funktion.«

Einer der Nerds nickte. »Klar, je mehr Verbindungskanäle geöffnet werden, desto mehr Kommunikation und desto mehr Treffer für den User.«

»Die User müssen ein umfassenderes Profil erhalten, damit auch deren noch nicht formulierten Bedürfnisse miterfasst werden können.«

»Oder erst geweckt werden.« Lilly nickte zustimmend. »Und die App hat dann bereits die Antwort darauf. – Gut, dann setzt das um.«

»Das heißt, wir brauchen ein Programm, das die von uns geschaffenen Archetypen mit den uns vorliegenden Informationen über die einzelnen User abgleicht, entsprechenden Bedürfnisspektren zuordnet und aus der Erfolgsquote heraus sich selbst verbessert.«

»Also KI.«

Schweigen.

»Das schaffen wir nicht alleine. Dazu brauchen wir mehr Leute.«

»Und mehr User.«

Die Fahrt über zur Wohnung verlor sie kein Wort. Es war das erste Mal, dass von mir so etwas wie Kritik an ihr geäußert wurde. Trotz der positiven Wendung und der, wie ich fand, guten Aufarbeitung des Problems schien sie mir zu grollen. Das änderte sich, als sie die Tür zur Wohnung öffnete. Mit einmal war ihre Vitalität zurückgekehrt. Zielgerichtet durchschritt sie die Räume und verschwand gleich darauf im Schlafzimmer. Zumeist war dies ein Anzeichen zum Auftakt erotischer Eskapaden, nur dass sie gleich darauf, mit einer mir bislang unbekannten türkisblauen, kurzen Sportshorts in der Hand sowie speziellen Anweisungen an mich, zurückkehrte.

Lilly hatte mir vor Kurzem einen Klavierhocker gekauft. Ein Geschenk speziell für mich, wie sie sich ausdrückte. Während sie im Badezimmer unter der Dusche stand, saß ich am Klavier und spielte auf ihren Wunsch Gymnopédie No.1 von Eric Satie in einer Endlosschleife. Es war ein warmer Maitag, einer der letzten des Monats, der bereits den Sommer erahnen ließ. Es war also nicht weiter ungewöhnlich, dass ich nur mit türkisblauen Shorts bekleidet am Klavier saß und so gesehen auch nicht weiter merkwürdig, dass ich mit den Beinen, unter Zuhilfenahme von Klebeband, an den Klavierhocker gefesselt war.

Es muss die dritte oder vierte Wiederholung des Themas gewesen sein, als Lilly im weißen Bademantel sich zu mir gesellte. Schweigend stand sie da und hörte dem Klavierspiel zu. Als das Stück endete, legte sie mir eine Hand auf die Schulter und sagte »Brav«.

Ich lehnte devot den Kopf zurück, auf das sie mir bequem den Knebel anlegen konnte. Lilly zeigte auf das Klavier, Gymnopédie No.1 erklang ein weiteres Mal. Sie entnahm einem mit schwarzem Samt ausgeschlagenen Kästchen zwei silbern glänzende Brustklemmen, die sie mit ruhiger Hand, ohne mein Spiel zu stören, an meinen steif gewordenen Brustwarzen befestigte. Vielleicht wurde mein Spiel etwas nervöser. Satie hätte es sicherlich nicht gestört, dem Genuss tat es keinen Abbruch.

Es wurde Zeit für Gymnopédie No.2. Lilly zündete die vier roten Kerzen des auf dem Klavier abgestellten Leuchters an und ließ den Bademantel fallen. Nackt wie sie war, setzte sie sich breitbeinig auf einen Sessel halb rechts neben dem Klavier, sodass ich sie gut im Blick behalten konnte. Mit kreisenden Bewegungen ihrer Hand fing sie an, sich selbst zu streicheln, ließ Mittel- und Ringfinger tief in ihrer Möse verschwinden, ein Bein nun über die Lehne gestreckt. Ihre Bewegungen wurden heftiger. Der weit geöffnete Mund und die zwei auf der Stirn sich bildenden, nach oben gewölbte Bögen gaben ihr ein dämonisches Antlitz. Ein Luftzug ließ die Kerzen flackern und das Wachs nach unten perlen. Der Leuchter war nun in ihrer Hand, heißes Wachs tropfte auf meinen nackten Rücken. Die Anschlagdynamik veränderte sich und damit auch der Klang, Gymnopédie No.3.

Hinter mir stehend strichen ihre Hände über meinen Rücken, streiften und klopften das Wachs ab. Glitten weiter über die Schultern zu meinen Brustwarzen, an den Klemmen ziehend, fest, fester bis es schmerzte, um dann abrupt loslassend die abstehende Wölbung zwischen meinen Beinen zu ergreifen, den Schwanz frei zerrend, ihn umklammernd, rhythmisch die Spitze streichelnd. Ihre Brüste in meinem Nacken, ihr vor Erregung zitternder Körper, der sich an mich rieb. Sie befreite mich vom Knebel und setzte sich mit offener Möse auf das Klavier, meinen Kopf zwischen ihre Beine versenkend. Satie möge mir verzeihen, aber hier endete das Klavierspiel, während ihr Spiel mit mir einen neuen Höhepunkt zustrebte. Sie rutschte vom Klavier auf meinen Schoß, meinen Schwanz in sich aufnehmend. Sich mit ihren Händen auf meinen Schultern stützend, bewegte sie sich auf und ab, fand ihren eigenen Rhythmus, der wild und ungezähmt sich meiner bediente, bis dieses Spiel, etwas entfernt von Satie, gemeinsam im Orgasmus mündete.

Die Etage, ein im fünften Stock eines alten industriellen Backsteingebäudes gelegenes, ausgebautes Loft, direkt an der Spree, wurde unsere neue Heimat. Die Anzahl der Programmierer hatte sich verdoppelt. Zudem gab es nun ein Ressort Öffentlichkeitsarbeit/Kommunikation, dass an drei Tagen in der Woche mit Eileen, einer großartigen Kommunikatorin, besetzt war. Die Userzahlen stiegen kontinuierlich, wenn auch nicht im gewünschten Maß. Großstädte wie Berlin, Hamburg, Köln und München deckten wir bereits ziemlich gut ab, der Ruhrpott und mittlere Städte in der Provinz stellten allerdings ein Problem dar. Die Nutzerzahlen waren in diesen Bereichen unterhalb der kritischen Grenze, um zeitnah genug das gegebene Versprechen der App erfüllen zu können. Die Investoren wollten Wachstum. Also fokussierte sich Lilly auf den nächstgelegenen urbanen Großraum. Von nun an hieß es: London calling.

Obwohl Lilly London gut kannte, fehlten ihr Kontakte. Hier konnte ich etwas beisteuern. Letztendlich hatte ich, vor nicht allzu langer Zeit, fast ein Jahr meines Lebens in Shoreditch, East London verbracht. In einem abbruchreifen viktorianischen Reihenhaus, in einer verrückten Wohngemeinschaft, die das Haus, mehr oder minder illegal, kurz vor einem möglichen Abriss, zur eigenen Nutzung entdeckt hatte. Später wurde das Haus von einem der Bewohner, der tatsächlich der Eigentümer war, verkauft, saniert und dann wahrscheinlich zu einem exorbitanten Preis weiter veräußert. Der Gedanke an die vielen kreativen, wilden und zugleich genialen Momente in dieser Zeit ließ mich wehmütig werden. Inzwischen ist auch hier die Gentrifizierung im vollen Gange, der Stadtteil hip, die verbliebene Künstlerszene kommerzialisiert, money makes the world go round, eben.

Um Erfolg zu haben, sollten wir keinesfalls die bestehenden kulturellen Unterschiede ignorieren, was in Gesprächen mit englischen Freunden mehrfach subtil angedeutet wurde.

»You know, the way of expressing things is a little bit different.«

»Yeah, it has something going for it.«

Und so entstand die LoVe-App als Modifikation unserer kontinentalen App. Ein Kunstgriff, der London, love, very und App in einem Wortspiel umfasste oder besser gesagt, umfassen sollte.

Bald darauf schlenderte ich durch die mir wohlbekannten Straßen Whitechapels, im Kopf Bilder aus vergangenen Zeiten. Und dann hätte ich sie beinahe übersehen.

»Long time, no see.« In einer knalligen Kunstpelzjacke gekleidet, kam sie mir auf der Straße entgegen, umarmte mich und hakte sich selbstverständlich bei mir unter. »How are things?«

»Good. What about you?«

»Ooh, I have a small store down the street, you know fashionable clothes, shoes and stuff.«

Es war, als wäre die Zeit stehen geblieben. Mein Herz pochte wie seitdem nie wieder. Ich sog ihren Geruch ein, eine Mischung aus Räucherstäbchen und einem teuren Parfüm, das ihr einmal, vor nicht allzu langer Zeit, ein Lover geschenkt hatte. Es war seltsam, dass wir uns genau in dem Moment trafen, in dem ich einmal nicht mit Lilly auf unterwegs war.

»Let’s go for a walk.«

»Du musst nicht arbeiten?«

Sie lachte, »It’s my pleasure.«

Nun ritt mich der Teufel. »Your pleasure, is my pleasure, do you remember?«

Sie schaute kurz zu mir auf, dann machte sie, immer noch untergehakt, kehrt. Ihre Wohnung war nicht weit. Über eine schmale Treppe ging es hinauf in den ersten Stock. Sie teilte sich das Haus mit einer Freundin, die sich at work befand. Das Schlafzimmer war klein, das Bett dafür umso größer. Mit einem Satz hüpfte sie auf das Bett und zog sich das T-Shirt über den Kopf. An ihrem rechten Arm rankte sich bis zum Brustansatz ein Blumenmuster hoch, was wundervoll anzusehen waren. In Rekordzeit entledigte ich mich meiner Kleidung und stand mit steil abstehendem Schwanz vor ihr, den sie ohne weitere Umschweife mit ihren Lippen einfing. Von Natur aus bin ich recht gut ausgestattet, was für manche Frauen ein Problem war. Lyne hatte keines. Sie saugte ihn ein, im Ganzen, wie ein Hecht einen Weißfisch verschluckt. Unwillkürlich entwich mir ein Stöhnen, was Lyne noch mehr anspornte und mich paralysierte. Ihr Tempo vergrößerte sich, bis ich mich kurz vor der Eruption befand. Dann ließ sie, fast boshaft lächelnd, von mir ab, während ich hörbar nach Luft schnappte und auf Revanche sann.