9,99 €
Unser Leben wird durch vielfältige Seelenkämpfe geprägt. Maßgebliche Auslöser sind unsere Laster und Fehlhaltungen: Völlerei, Sexuelle Begierde, Habsucht, Zorn, Traurigkeit, Verdrossenheit, Ruhmsucht und Hochmut' stehen dabei im Mittelpunkt. Die Tugenden 'Glaube, Hoffnung, Liebe, Barmherzigkeit, Geduld, Nüchternheit, Reue, Enthaltsamkeit, Vertrauen, Aushalten, Demut und Bescheidenheit' sollen dabei helfen, angesichts der vielfältigen Versuchungen dennoch eine ausgewogene Lebenshaltung einnehmen zu können. Es bleibt meistens außer Acht, die genaue Beschaffenheit der Laster zu erkunden. Genau an dieser Stelle möchte der Inhalt des Buches neue Erkenntnisse vermitteln. Sie werden erfahren, warum der Zorn Selbstmord begeht; die Demut für den Hochmut keine ernst zu nehmende Gegnerin ist und dennoch gewinnt; die Traurigkeit ein schlimmeres Übel ist als der Tod. Gemäß der eigenen seelischen Schieflage kann an der entsprechenden Stelle des Buches eingestiegen werden. Die Inhalte möchten Impulse vermitteln, um zu einer neuen Klarheit über die eigene Seelenlage zu kommen. Zudem wird beschrieben, wie man konkret zu einer inneren Balance zurückfinden kann. Das Buch möchte ein Ratgeber sein, um die eigenen Kämpfe in der Seele besser befrieden zu können.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 203
Veröffentlichungsjahr: 2022
Kämpfe in der Seele
Von den begrenzten Tugenden
Baldur Kirchner
in Dankbarkeit für seine Lebensbegleitung
„Wir wissen, wie im Dunkel des Herzens unser schwankender Sinn in wechselnden Kämpfen und Erfolgen sich abmüht, bald bei einer glücklichen Anlage erstarkt, bald, wenn die Kräfte gebrochen sind, unter das Joch eines schlechten Lebens gebeugt wird, sich schändlichen Lastern ausliefert und das eigene Heil wegwirft. Wie oft haben wir doch gefühlt, dass die Seele in Gott erglühte, wenn die Seuche der Laster vertrieben war. Wie oft aber ist der hohe himmlische Geist nach reinen Freuden hässlichen Leidenschaften gewichen!“
(Prudentius, Psychomachia VV 893-902, 89; Übersetzung Ursmar Engelmann OSB)
Kämpfe in der Seele
Von den begrenzten Tugenden
Udo Manshausen
© 2022 Udo Manshausen
Covergrafik von Udo Manshausen
Buchsatz von tredition, erstellt mit dem tredition Designer
ISBN Softcover: 978-3-347-65555-3
ISBN Hardcover: 978-3-347-65556-0
ISBN E-Book: 978-3-347-65557-7
ISBN Großschrift: 978-3-347-65558-4
Druck und Distribution im Auftrag des Autors:
tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Einführung
Die Psychomachia des Prudentius
Das Fundament des Lebens im christlichen Glauben nach Prudentius
Sich für ein einfaches Urvertrauen in Gott entscheiden
Die heiklen Seelenlagen eines jeden Menschen
1 Zorn – Ganz anders als die Geduld
1.1 Formulierungskatalog der Wutausbrüche
1.2 Vom allgegenwärtig wütenden Zorn
1.3 Warum der Zorn Selbstmord beging
1.4 Das Phänomen Geduld
1.4.1 Was es mit der Geduld auf sich hat
Warum habe ich mich aufgeregt?
1.4.2 Biblische Bezugspunkte zur Geduld
1.4.3 Die Geduld im Zusammenspiel mit der Hoffnung
1.5 Das Fazit zum Zorn
2 Völlerei – Darf es ein wenig mehr sein
2.1 Wenn das Essen sich zum Hochgenuss gestaltet
2.2 Die Beteiligung an Vergnügungen in Zahlen
2.3 Der Kampf gegen den Glanz der Üppigkeiten
Die Verführung durch glänzenden Schimmer
Der geistreiche Aufruf der Nüchternheit zum
Widerstand gegen die Genusssucht
Das Feldzeichen mit dem Kreuz Christi
Das unsichtbare Gewand der Auferstehung
Die Erfahrungen mit dem Glauben in den biblischen
Erzählungen
Die Möglichkeit zur Reue als Umkehr
Auf dem Weg zum Abgrund
Die Gefolgschaft der Völlerei flieht
2.4 Die Auswirkungen des Suchtverhaltens
2.5 Die Orientierungspunkte des Prudentius zur Völlerei
Die Beschreibung des Phänomens
Die konfrontierende Rede
Die Orientierung am Kreuz Christi
Die Würdigung des Menschen durch Gott
Die Reue
Die Angst zum Tode
Das wahre Gesicht der Völlerei
2.6 Abschließende Aspekte zum Kampf gegen das Laster der Völlerei und der Üppigkeiten
3 Sexuelle Begierde – Die Unzucht zerstört die Seele
3.1 Die schwierige Thematik der ‚Wollust’
3.2 Die Verführung des Wüstenvaters Antonius
3.3 Der Dialog zwischen dem Tod und der Wollust
3.4 Von der Abwehr gegen die todbringende Unzucht
Die Keuschheit tötet die Unzucht
Die Rede der Keuschheit
Die Ausrichtung nach der göttlichen Quelle
3.5 Die Taten der Unzucht sind schwerwiegend
3.6 Die moralische Besinnung mit Hilfe der Tugend der Keuschheit
3.7 Das Lösen von einer schnellen Lösung
4 Habsucht – Es fehlt jede Menge zum Glück
4.1 Von der Theorie eines Ungebundenseins
4.2 Was ist unser wesentlicher Bezugspunkt: das Endliche oder das Unendliche?
4.3 Das Eindämmen der Habgier mit Hilfe einer christlichen Grundhaltung
Raffen, Raffen, Raffen
Die Habsucht macht vor den Verwandten nicht halt
Die Habsucht stürzt die Menschen in ihren Untergang
Die Habsucht klagt über die Niederlage gegen die Christen
Die Habsucht ändert ihre Strategie – sie schleimt sich auf listige Weise ein
Die Barmherzigkeit durchkreuzt den neuen Plan der Habsucht
4.4 Das Phänomen der Habsucht nach Prudentius
4.5 Ein Beispiel von Habsucht zu Ende gedacht
4.6 Jenseits des Besitzdenkens – andere Einstellungen zum Leben
4.7 Wirkungsvolle Mittel gegen die Habsucht – das Nachdenken über persönliche Werte und das barmherzige Handeln
Habgier und Freisein
5 Traurigkeit – Schmerz mit tödlichen Qualen
5.1 Das Phänomen der Traurigkeit
5.2 Von der Ursache und der Wirkweise der Traurigkeit
5.3 Die Traurigkeit – ein Krieg ohne Waffenstillstand
5.4 Die Traurigkeit ist ein schlimmeres Übel als der Tod
5.5 Die Realität in Bezug auf die Selbstmorde
5.6 ,Tue dir Gewalt an’ und bleibe am Leben
5.7 Das Vertrauen in den Urgrund allen Daseins aktivieren
5.8 Vom Licht Gottes in der Seele jedes Einzelnen
5.9 Heilsamen Worten die Hand reichen
5.10 Die Welt bloßer Vorläufigkeiten mindert die Traurigkeit
5.11 Neue Horizonte durch die Traurigkeit entdecken .
6 Verdrossenheit – Was soll das Ganze noch
6.1 Ohne Sinn sein – einfach liegenbleiben
6.2 Die vielfältigen Windungen des Überdrusses
6.3 Von der Sinnlosigkeit des Selbstgeschaffenen
6.4 Vom ersten Hauch einer Perspektive
6.5 Das innere Liegenbleiben in sich aufnehmen
6.6 Vom bewussten Nichthandeln und der Intuition
6.7 Vom vertrauensvollen Liegenbleiben unterhalb des Abgrunds
6.8 Ohne die Tugenden Heilsames auf den Weg bringen
7 Ruhmsucht – Vom Glanz der Dunkelheit
7.1 Das Bekenntnis eines Ruhmsüchtigen
7.2 Hintergründe einer blendenden Ruhmsucht
7.3 Vom nutzlosen Sinn des Ruhmes
7.4 Die Prüfung des eigenen Werkes am Gewissen
7.5 Vom Beliebtsein jenseits des Guten
7.6 Ruhmsucht und Selbstentfremdung
7.7 Nachdenken mit Gewissen
8 Hochmut – Vom geplanten Sturz
8.1 Ich bin großartig
8.2 Ich – und hochmütig – auf gar keinen Fall
8.3 Vom Fall des Hochmuts aufgrund des Betruges
Von dem standesgemäßen Auftritt des Hochmuts,
den armseligen Waffen der Demut und ihrer Verbündeten
Von der Allmacht der Hochmütigen und der Kleinheit der
Tugendmenschen
Die armseligen Tugenden sind untauglich zum Kampf
Der Hochmut schämt sich, gegen die armseligen Tugenden
zu kämpfen
Das Trügerische bringt den Hochmut zum tödlichen Fall
Die Rede der Hoffnung: Die Niedrigen werden erhöht und Goliath wird mit Gottes Hilfe fallen
8.4 Jedweder Egothron ist endlich
Literaturverzeichnis
Vorwort
Dieses Buchprojekt ‚Kämpfe in der Seele. Von den begrenzten Tugenden’ beschäftigt sich mit den inneren Auseinandersetzungen des Menschen. Damit wir nicht zu lange darüber nachdenken müssen, durch welche Neigungen und Versuchungen wir in problematische Seelenlagen hineingeraten können, gibt uns die Aufzählung des Jesus von Nazareth im Markusevangelium erste gute Hinweise: „Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifung, Neid, Lästerung, Hochmut und Unvernunft …“1 Durch diese Fehlhaltungen entstehen seelische Tumulte, die einer Befreiung und neuen Orientierung bedürfen. Es ist naheliegend, die Tugenden als helfende Unterstützung einzusetzen. Im Laufe der Jahrhunderte hat sich jedoch herausgestellt, dass die viel gelobten Tugenden in diesen Seelenkämpfen nur eine begrenzte Wirkung haben. Dieser Umstand ist weniger im Unvermögen oder Unwillen des Einzelnen begründet, sondern liegt vielmehr an einer zu ungenauen Einschätzung der Laster an sich und an der Fixierung auf ein genaues Einhalten bestimmter Tugendinhalte.
Im Kampf mit den dunklen Seelenkräften ist es jedoch unabdingbar notwendig, sich intensiv mit der Substanz der Laster zu beschäftigen. Durch aufmerksame Beobachtung können wir erkennen, dass die Laster in sich selbst Phänomene enthalten, die wir für die seelische Befreiung nutzen können. Von daher ist es von wesentlicher Bedeutung, diese ‚Knackpunkte’ herauszufinden. Wenn es uns nicht gelingt, diese zerstörerischen Belastungen zu überwinden, können sie in bestimmten Ausprägungen das eigene Dasein völlig zugrunde richten.
Die Suche nach Aspekten für eine lebenspraktische Hilfestellung im Reflexionsfeld der Laster und Tugenden ist in der heutigen Moderne stark in den Hintergrund gerückt. Dieser Themenkomplex hat sich weitgehend in den Bereich eines ethisch-religiösen Nachdenkens verlagert. Wer kann die Kardinaltugenden noch aufzählen oder kennt die Gefahrenpunkte der Laster wirklich? Die Tugendweisheit spielt bei der Verwirklichung einer ausgewogenen Seelenlage leider nur noch eine eher untergeordnete Rolle. Die Gefährlichkeit der Laster hingegen ist geblieben. Diese entstandene Weisheitslücke kann somit als tragisch bezeichnet werden, da wesentliche und hilfreiche Reflexionsansätze angesichts der Vielzahl seelischer Nöte nicht mehr selbstverständlich zur Hand sind. Das Ziel einer friedvollen inneren Balance gemäß den Tugenden ist dadurch ebenfalls aus dem Blick geraten.
Die Inhalte dieses Projektes möchten einen Beitrag dazu leisten, dem Kampf gegen die Laster mithilfe der menschheitlichen Weisheit eine neue impulsgebende Aufmerksamkeit zu verleihen. Sie knüpfen an frühere Zeiten an, in denen die einzelnen Menschen sich mit den Tugenden und Lastern intensiv auseinandergesetzt haben, um den eigenen unguten seelischen Abhängigkeiten mit Herz und Verstand wirkungsvoll begegnen zu können.
Die Gründe für eine Abkehr von den Inhalten der Tugenden sind vielfältig. Es drängt sich jedoch ein Phänomen besonders auf, das sich vor allem mit der katholischen Kirche verbinden lässt. Durch ihre moralische Bewertung der offenkundigen Fehler der Menschen ist sie am Niedergang der Beschäftigung mit den Tugenden stark beteiligt. Sie hat – und vollzieht dies auch heute noch – das Menschsein des Einzelnen je nach dem Grad der Ausbreitung seiner unguten Leidenschaften ab- oder aufgewertet. Als religiöse Bestrafung wird den Glaubenden im schlimmsten Falle die ewige Hölle in Aussicht gestellt, in die dann – so die religiöse Vorstellung – Gott selbst die Menschen als höchste Verurteilung hineinwirft2. Auf diese Weise wird ein im wahrsten Sinne des Wortes ungeheuerliches’ Feld möglicher Schuldgefühle und Ängste ausgebreitet, die den Einzelnen zusätzlich zu seinem Kampf mit den Lastern von vorneherein in tiefe seelische Konflikte stürzen können.
Mit dem heutigen Rückgang der Bedeutung konfessioneller Religiosität hat in Bezug auf die Angst, in die ewige Verdammnis der Hölle geworfen zu werden, eine seelische Befreiung stattgefunden. Leider erfolgte in diesem Fahrwasser der Freiheit gleichzeitig ein sich ausbreitender Vorbehalt gegenüber den Tugenden an sich, da sie in der Vergangenheit oftmals unter moralischen Aspekten sogar zwangsweise ‚verordnet’ worden sind. Es wird eine längere Zeit dauern, bis eine Ausrichtung nach den Tugenden wieder als sinnvoll erkannt wird, sodass erneut ein freies, selbstverantwortetes und heilsames Verhalten durch sie unterstützt werden kann. Bis dahin bleibt ein weitreichender Verlust eines Tugendbewusstseins mit den entsprechenden Folgen für die Lebenspraxis zu beklagen.
Als inhaltliche Gegenbewegung zu einer Moralisierung der Laster – im Sinne eines umfassenden Verständnisses vom Wesen des Menschen an sich – entwickelte Sigmund Freud eine andere einschätzende ‚Bewertung’ angesichts der teilweise verheerenden seelischen Auswirkungen so mancher Laster. Im Rahmen seiner Psychoanalyse wirbt er dafür und legt einsichtig dar, jegliches problematisches Verhalten zunächst wertfrei als Phänomen zu betrachten. Dadurch ist es eher gegeben, die seelischen Abläufe und den damit verbundenen inneren seelischen Druck bis hin zu den Absichten möglicher Zerstörungsdynamiken genauer zu beschreiben. Aufgrund der gewonnenen Einschätzungen können anschließend therapeutisch gestaltete seelische Entlastungen wirkungsvoller eingeleitet werden. Manche versuchen jedoch wiederum einen solchen Betrachtungswinkel zu entschärfen oder ihn als nicht notwendig darzustellen, indem sie dazu neigen, einige Laster ‚gesellschaftsfähig’ machen zu wollen: ‚Was ist eigentlich schlimm daran, übermäßig Alkohol zu trinken, Rauschmittel zu nehmen, seine Wut herauszulassen, immer der Beste sein zu wollen und der Sexualität freien Lauf zu lassen?’
Was auf alle Fälle nicht wegzureden und somit bleibend ist, sind die seelisch irdischen Qualen, denen wir anheimfallen können, wenn sich ein Laster tief in unsere Seele hineingebohrt hat.
Selbstverständlich kann der Einzelne grundlegend infrage stellen, sich mit den Tugenden überhaupt auseinandersetzen zu sollen. Viele vertreten die Ansicht, dass wir diese Inhalte nicht unbedingt benötigen und sie eher einem antiquierten Wissen zuzuordnen sind. Um einer solchen Ansicht jedoch entgegenzuwirken, möchte dieses Projekt die grundlegende Wichtigkeit einer Beschäftigung mit den Tugenden und Lastern auf einfühlsame Weise bewahrheiten. Es ist auf jeden Fall angebracht, gegen die Laster nach abwehrenden Handlungsmöglichkeiten Ausschau zu halten, da der Ausbruch leidenschaftlicher Exzesse keineswegs durch kluge Überlegungen oder moralische Appelle – Reflexion des unguten Verhaltens mithilfe der Tugenden und die Aktivierung eines schlechten Gewissens – einfach zu stoppen ist. Ein mögliches Wissen in Sachen Kardinaltugenden mit der Note ‚sehr gut’ hilft wenig weiter, da die Wirkweisen der unguten Leidenschaften kein rein intellektuelles Problem darstellen. Die Laster nehmen Seele, Geist und Körper gleichermaßen länger anhaltend in Beschlag. Es bedarf zur Unterstützung deshalb vor allem einer seelischen Balance, die uns nach der Ausbreitung eines Lasters beruhigend tragen und uns damit vor dem seelischen Abgrund bewahren kann. Eine solche gefestigte und ausbalancierte Lebenshaltung kann jedoch nur durch eine längere persönliche Entwicklung im Sinne einer Reifung entstehen, sodass diese zu einem seelischen Habitus des Einzelnen heranwachsen kann.
Bei allen diesen Überlegungen im Hinblick auf eine neue helfende Ausrichtung gegen unsere Laster ist es angesichts eines Seelenchaos unbedingt ratsam, eine moralische Bewertung völlig außen vorzuhalten. Wir dürfen unsere für den seelischen Kampf notwendigen Kräfte nicht bereits im Feuer der Schuldgefühle zunichtewerden lassen. Vielmehr sei grundlegend ein inneres seelisches Gleichgewicht unser Lebensziel, das unser Inneres durch alle seelischen Stürme im Vertrauen auf Gottes Hilfe hindurchtragen kann. Ohne die Möglichkeit einer inneren Rückkehr zu einer herangereiften individuellen Balance werden wir unser Selbst im Nirgendwo der Dunkelheit verlieren, da uns kein Licht als Wegweiser zu einer inneren Heimat leuchten wird.
Im Laufe der Darlegungen wird deutlich werden, dass eine persönliche religiöse Einstellung oder Weltanschauung von erheblich unterstützender Bedeutung bei den seelischen Kämpfen sein kann.
Niederkassel, Juni 2022
Udo Manshausen
1 Mk 7,21-23; Einheitsübersetzung.
2 Vgl. Dan 12,2; Mt 25,46; Lk 12,4-5,
https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%B6llensturz; aufgerufen am 22.08.2021. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%BCnde; aufgerufen am 22.08.2021. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%B6lle; aufgerufen am 22.08.2021.
Einführung
Für eine aussichtsreiche Bekämpfung der Laster oder Fehlhaltungen im Sinne einer seelischen Befreiung ist ein deutlich kritischer Blick auf die tatsächliche Wirkung des Einsatzes der Tugenden vonnöten. Im Rahmen der bisherigen klassischen Tugendlehre – ein Verhalten wird als besonders gefahrvoll eingestuft und eine entsprechende Tugend als Heilmittel entgegengestellt – bleiben die offensichtlichen Grenzen der Tugenden meistens außer Acht. Eine weitreichende und tatsächlich wirkende Befriedung der eigenen Seelenlage ist somit infrage gestellt. Von daher ist es notwendig, die eingeschränkten Möglichkeiten der Tugenden eigens zu thematisieren.
Mit der Hilfe der Gedanken des christlichen Autors Aurelius Prudentius Clemens können wichtige zusätzliche Aspekte beim Kampf gegen die Laster entdeckt werden. Diese finden sich in seinem allegorischen Gedicht ‚Psychomachia’3 beschrieben, das den seelischen Kampf als bildhaftes Schlachtgetümmel intensiv in Szene setzt.
Der Dichter Prudentius wählt zunächst gemäß der traditionellen Herangehensweise die entsprechende Tugend aus, mit der ein bestimmtes Laster besiegt werden soll. Im Zuge dessen stellt er z. B. dem Hochmut die Demut folgerichtig als Gegnerin entgegen. Er hebt jedoch auch die Schwäche der Demut hervor, indem er den Hochmut die Armseligkeit der Demut belächeln lässt, da sie aus Sicht eines stolzen Kämpfers in einem echten Kampfgetümmel nichts Wirkungsvolles entgegenzusetzen hat. Der Hochmut weigert sich sogar, gegen einen solch schwachen Gegner anzutreten. Durch eine Besinnung, die durch die Demut eingeleitet wird, kann jedoch wesentlich erkannt werden, dass entscheidende Fallstricke im Hochmut enthalten sind, die ihn letztlich selbst zu Fall bringen werden. Die Begrenztheit des Einsatzes der Tugenden wird bei Prudentius dem Leser unverkennbar vor Augen geführt und durch neue Erkenntnisse wirkungsvoll ausgeglichen.
Prudentius macht mit seinem Gedicht somit unmissverständlich klar, dass wir einer besseren Einschätzung der Laster bedürfen, um sie besiegen zu können. Der bisherige klassische Betrachtungswinkel, der den Schwerpunkt ausschließlich auf den Einsatz der Tugenden legt, wird bei ihm zugunsten einer genauen Einschätzung der Laster weiterentwickelt. Das hat zur positiven Folge, dass den begrenzten Tugenden eine ergänzende, wirksame und somit heilsame Unterstützung widerfährt.
Auf ähnliche Weise geht Prudentius bei der Darstellung der Laster ‚Zorn, Völlerei, sexuelle Begierde und Habsucht’ vor. Auch diese tragen etwas in sich, dass sie letztlich selbst um Kopf und Kragen bringen wird. Durch die Konzentration auf das Epizentrum der jeweiligen Laster wird dies besonders erfahrbar. Das Laster ist im Grunde sich selbst zutiefst sein eigener Gegner. Angesichts dessen ist das Streben nach Vollkommenheit in der Sphäre der Tugenden nicht von vorrangiger Bedeutung, um eine seelische Entlastung erwirken zu können. Es wird entscheidend sein, die Ausdrucksformen der Fehlhaltungen zu entschlüsseln, um die Strategie im Seelenkampf darauf ausrichten zu können.
Für Prudentius steht zudem die Besinnung – zur herzlichen Vernunft gelangen – als entscheidendes Mittel im Zentrum jedweden Seelenkampfes. Diese ist bei ihm sowohl von den jeweiligen Tugenden als auch von den Werten des christlichen Glaubens entscheidend geprägt. Bei seinem Gedankenansatz geht es ihm auf keinen Fall um ein erzieherisches Verhaltenstraining angesichts der Laster. Für ihn ist vielmehr die Prägung des Charakters in einem guten Sinne von großer Bedeutung, da vor allem die gute Gesinnung den vielfältigen Versuchungen etwas Wirksames und Nachhaltiges entgegensetzen kann. Die Schwachstellen der Laster ‚Traurigkeit, Verdrossenheit und Ruhmsucht’ werden mithilfe der Weisheit der Wüstenväter, des alttestamentlichen Buches Kohelet, der Kirchenväter Johannes Chrysostomus und Augustinus, des Kartäusers Gigo von Kastell, des Mönches Thomas von Kempen, des Naturphilosophen Giordano Bruno, des Schriftstellers Gustave Flaubert, des Psychologen Carl Gustav Jung, des Trappisten Thomas Merton sowie der Theologen Henri Nouwen und Eugen Drewermann aufgedeckt.
In diesem Projekt wird das entsprechende Laster zunächst im Hinblick auf einen konkreten Lebensbezug beschrieben. Im Anschluss daran werden entscheidende Wendepunkte hervorgehoben, die es ermöglichen, die Einflussnahme der Laster aufzuhalten oder auszuschalten.
Begonnen wird gemäß den Ausführungen des Prudentius mit der Besinnung auf die Bedeutung einer christlichen Haltung, die um die Hilfe Gottes weiß.
3 Psychomachia – psyche Seele / mache Kampf (Seelenkampf) –, allegorisches Gedicht des christlichen Dichters Aurelius Prudentius Clemens (348405).
Die Psychomachia des Prudentius
Prudentius setzt in seinem Werk die für die Seele gefährlichen und lasterhaften Gefühlslagen anschaulich mit Bildern eines Schlachtgetümmels auf Leben und Tod in Szene. Mithilfe dieses allegorischen Stilmittels verlässt er die zu seiner Zeit klassisch philosophische Betrachtungsweise der Laster und Tugenden. Sein Ziel ist es, das selbstzerstörerische Chaos der Laster im Innern der Seele auf eindringliche Weise nahezubringen. Er beschreibt zudem, wie es gelingen kann, die ‚Schlacht’ gegen die Laster zu gewinnen. Die Wirkkraft der einzelnen Tugenden wird bei ihm deutlich relativiert.
Die oftmals animalisch und gewalttätig anmutenden Allegorien sind in der Darstellungsweise an die Erfahrungen der Kriege im 4. nachchristlichen Jahrhundert angelehnt und können das Gemüt des Einzelnen auf abstoßende Weise berühren. Durch seine radikale und schonungslose Ausdrucksweise macht Prudentius unmissverständlich klar, dass die Auseinandersetzung mit den uns zugrunde richtenden Lastern auf jeden Fall ein brutaler Kampf ist, bei dem es um Leben und Tod gehen wird. Mit wohlwollenden Ermahnungen sowie moralischen Drohungen von außen ist nur wenig zu bewirken, da die entscheidende Konfrontation im Inneren jedes Einzelnen ausgetragen werden muss.
Zu Beginn seines allegorischen Gedichtes hebt Prudentius in einer Vorrede sein persönliches Fundament hervor, das für ihn bei diesen seelischen Kämpfen ein wichtiger Ausgangspunkt ist, um angesichts der vielfältigen Bedrohungen der Seele eine standfeste Balance gewährleisten zu können. Aus seiner Sicht erfährt die Bekämpfung der Laster durch den christlichen Glauben die ausschlaggebende Unterstützung. Er ist davon überzeugt, dass Jesus – der Auferstandene – tatsächlich seine zugesagte Unterstützung zusammen mit der Hilfe Gottes einbringt. Dabei ist es für Prudentius erfahrbar geworden, dass uns Christus im Leben führt.
Das Fundament des Lebens im christlichen Glauben nach Prudentius
Für Prudentius ist es eindeutig und klar, dass ein wahrhaftiger Glaube einzig in der Einfachheit eines Vertrauens gegenüber Gott gründet, das seinen tiefen Grund in einer persönlichen Erfahrung hat. Gott allein kann es vollbringen, uns über unsere Ängste hinauszuheben. Der Kampf gegen die eigenen Ängste ist sodann das Eingangstor jedweden Kampfes gegen die Laster. Die Besinnung auf das Urvertrauen in Gott ist dafür in absoluter Weise notwendig. Gott sendet uns seinen Geist, damit wir nicht untergehen.
„Christus, immer hast du dich der schweren Drangsal der Menschen erbarmt, der du um des Vaters wie der eigenen Allmacht willen, die doch nur eine einzige ist, gerühmt wirst – denn einen einzigen Gott beten wir an unter beiden Namen, wenn auch nicht eine einzige göttliche Person. Denn auch du, Christus, bist Gott aus dem Vater – zeige, du unser König, mit welchen Soldaten ein gerüsteter Geist die Laster aus der Tiefe unseres Herzens vertreiben kann, sooft aus verwirrten Gedanken der innere Aufruhr losbricht und der Kampf der Leidenschaftendie Seele quält. Welche Hilfe schützt dann die Freiheit, welche Schlachtreihe widersteht am besten mit starker Hand den Leidenschaften, die das Herz erfüllen ? Denn, gütiger Führer, du hast die Christen hohen Tugenden überantwortet und nicht wilden, verwüstenden Lastern. Du selbst läßt im belagerten Leib Scharen von heilbringenden Helfern kämpfen, du selbst bewaffnest den Geist mit ausgezeichneten Mitteln, damit er in deiner Kraft mit den höhnenden Feinden des Herzens kämpfe und in dir siege.
Offenbar ist der Grund für den Sieg, wenn es mir erlaubt ist, den Kampf Mann gegen Mann, der Tugenden gegen die Laster, die mit erbitterten Kräften andringen, zu berichten.“4
Sich für ein einfaches Urvertrauen in Gott entscheiden
Prudentius weiß darum, dass wir die Seelenkämpfe maßgeblich nur bestehen können, indem wir uns nichts vormachen und uns nicht überschätzen. Wir müssen uns so geben, wie wir in Wahrheit sind.
Die selbst geschaffenen Götter haben in schwierigen Situationen keinerlei Tragfähigkeit. Äußerliche Riten und Kulte unterscheiden sich elementar von einem inneren Vertrauen Gott gegenüber.
Ein Vorbild in der Auseinandersetzung mit den bösen Kräften im Leben eines Menschen sind für Prudentius die Märtyrer. Sie haben ihre Todesangst angesichts dämonischer Kräfte überwunden und sind trotz vieler Bedrohungen aufgrund ihres Glaubens bei ihrer Überzeugung für die Verwirklichung des Guten geblieben – ohne dass sie dafür Menschen umgebracht haben.
„Die Fides (der Glaube) stellt sich stürmisch als erste, auf dem Feld im wechselnden Zweikampf zu streiten. Sie ist nur mit einfachem Gewand bekleidet, Schultern und Arme sind nackt, das Haar ungeschnitten. Plötzlicher Eifer für die Ehre läßt sie nach neuen Kämpfen brennen und selbst vergessen, sich mit Pfeilen und Schild zu wappnen. Voll Vertrauen auf ihre Stärke beginnt sie mit entblößten Gliedern den Kampf, um die Gefahren unheilvollen Krieges zu brechen. Siehe, als erster wagt der alte Götterglaube die gereizte Fides mit zusammengeballten Kräften zu schlagen. Jene aber richtet sich hoch auf und zerschmettert das Haupt des Feindes, seine mit Binden geschmückten Schläfen. Mit einem Mund, der vom Blut der Opfertiere schäumt, liegt der Feind am Boden. Sie tritt ihm auf die Augen, die im Sterben hervorquellen. Erstickt ist sein sündhafter Atem, der Weg der Luft ist gestört, und mit tiefen Seufzern quält ersich in einem schweren Tod. Die siegreiche Legion aber jubelt, nämlich Tausende von Märtyrern, die die Fides, ihre Königin, zum Kampf gegen den Feind angefeuert hat. Jetzt bekränzt sie die tapfern Gefährten mit Blumen, wie es ihrem Ruhm gebührt, und heißt sie, sich mit glühendem Purpur kleiden.“5
Ein brutal anmutender seelischer Kampf wird häufig durch bedrohliche äußere Lebensumstände ausgelöst. Unsere bisherige edle Haltung steht in Gefahr. Angesichts der vielfältigen Bedrohungen und Erpressungsversuchen der anderen neigen wir dazu, vor diesen zu kapitulieren oder diesen nachzugeben. Wir übernehmen dann zwangsweise die Ideologien der anderen und verraten uns somit selbst!
Die Götzen, die uns verführen, sind vielfältiger denn je geworden. Diese von uns eigens ernannten Götter fordern täglich ihren Tribut. Das seit Kindertagen ursprünglich eingepflanzte Vertrauen Gott gegenüber – dem Schöpfer allen Lebens – wird zusehends in der Seele des Einzelnen verschüttet. Dadurch wird es der Angst ermöglicht, breiteren Raum einzunehmen, wodurch wir oftmals leicht in einen tödlich endenden Wahnsinn hineingetrieben werden können.
Da für Prudentius das absolute Vertrauen in Gott die eigentliche Voraussetzung dafür ist, dass wir im Kampf für unsere innere Freiheit bestehen können, bezieht er die Bedeutung des Glaubens bei den Seelenkämpfen immer wieder mit ein.
4 Die Psychomachia des Prudentius, Lateinisch-Deutsch. Eingeführt und übersetzt von Ursmar Engelmann OSB, Freiburg i. Br. 1959, VV 1-20, 35; zukünftig zitiert als ‚Psychomachia’.
5 Ebd., VV 21-39, 35-36.
Die heiklen Seelenlagen eines jeden Menschen
Je nach einzelnen Temperamenten und seelischen Anfälligkeiten ist der Mensch im Hinblick auf bestimmte zerstörerisch wirkende Gefühlsphänomene von einer unterschiedlichen Schwere betroffen.
Der ‚Heißhunger’ entfacht die Magen- und Geschmacksgelüste oftmals zu ungewöhnlichen Zeiten und bei manchem scheinen diese Reize nie stillzustehen. Sich das Bäuchlein oder die Wampe vollzuschlagen, kann sogar den gesamten Tagesablauf vorrangig bestimmen. Die Völlerei hat sich bereits seit Längerem flächendeckend in uns ausgebreitet, wenn wir zu fett geworden sind und wir ständig ans Essen denken müssen. Ganz zu schweigen von der Entfesselung der anderen Genusssüchte. Die Neigung zum ‚Luxus’, die über die Grenze des Notwendigen weit hinausschießt, bildet seit alters her eine Verführung des Menschen, die uns geistlos und somit im Niveau hohl werden lassen kann.
Wenn unsere Wollust innerhalb kürzester Zeit zum wiederholten Male erneut entfacht wird, obwohl die Befriedigung nur einige Stunden zurückliegt und die normalen Gedanken bis zur Unkenntlichkeit von der sexuellen Lust vernebelt werden, hat uns die sexuelle Begierde fest im Griff. Ein anhaltender Befriedigungsdruck wird spürbar. Dieser entlädt sich bisweilen sogar in die Verbalisierung hinein und löst eine Art orale Befriedigung aus, die auf hörbare Weise einen lustvollen Widerhall erzeugen soll. Man kann oftmals kaum an etwas anderes denken und plant emotionale Highlights im sexuellen Sinne. Man gibt sich dann vollständig derartigen Phantasien hin.
Wer möchte nicht ständig etwas Neues besitzen? Je fixierter oder besessener wir dabei werden, indem wir sogar unser ganzes Leben in den Dienst eines konkreten materiellen Wunsches stellen, umso mehr sprechen wir von Habsucht oder Habgier. Wenn sich die Gier hin zur Sucht entwickelt hat, wird die Vernunft in Fesseln gelegt. Wir setzen sogar unseren Selbsterhaltungstrieb mit seiner Energie für unsere Objekte ein, wenn wir diese zutiefst mit unserem Lebensgefühl verknüpft haben, so als ginge es um unser Leben.