Kartoffeln und Computer - P.M. - E-Book

Kartoffeln und Computer E-Book

P.M.

4,9

Beschreibung

Während schon fast ein Konsens darüber besteht, dass wir aus dem gegenwärtigen Wirtschaftssystem heraus müssen, ist noch nicht klar, wie das geschehen soll. Der Kapitalismus kann nicht einfach durch ein anderes System, eine Alternativökonomie, ersetzt werden, denn einer seiner Fehler ist ja gerade, dass er ein einheitliches System ist, das sich über alle natürlichen und menschlichen Besonderheiten hinwegsetzt und alles über denselben Kamm schert. Der Autor plädiert statt dessen für ein Besinnen auf die Gemeinschaften: Leben kann nur gemeinsam gestaltet werden. Die Zukunft liegt in den Commons, also in Arrangements zur Herstellung und Erhaltung von gemeinsam genutzten Ressourcen. P.M. zeigt sehr konkret und detailliert, wie der Kapitalismus abgelöst werden kann, wie Gemeinschaften Märkte ersetzen können: eine Gebrauchsanweisung für das Gemeinglück.

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P.M. KARTOFFELN

UND COMPUTERMÄRKTE DURCH GEMEINSCHAFTEN

ERSETZEN

EDITION NAUTILUS

Verlag Lutz Schulenburg

Schützenstraße 49a

D - 22761 Hamburg

www.edition-nautilus.de

Alle Rechte vorbehalten

© Edition Nautilus 2012

Originalveröffentlichung

Erstausgabe August 2012

Umschlaggestaltung:

Maja Bechert, Hamburg

www.majabechert.de

Autorenporträt Seite 2: © D.H.

Druck und Bindung:

Freiburger Graphische Betriebe

1. Auflage

Print ISBN 978-3-89401-767-5

E-Book EPUB ISBN 978-3-86438-092-1

E-Book PDF ISBN 978-3-86438-093-8

Inhalt

Die Marktwirtschaft ist am Ende – was nun?

Die Commons: Zugang zu Land und Wissen

Kooperation und Nachbarschaft: Zusammen gut leben

Was bedeutet »1.000 Watt«?

Souveränität in der Versorgung: Abhängigkeiten minimieren durch Relokalisierung

Stadtteile und Kleinstädte

Großstädte und Regionen

Ein Patchwork von Territorien statt Großnationen

Subkontinentale Zweckverbände

Planetarische Organisation

Die drei Sphären der Commons

Vom Tausch zur Versorgung

Demokratische Planung als ökologische Notwendigkeit

Szenarien des Übergangs: Basisbewegungen oder Politik?

Ein Green New Deal 2.0 made in USA?

Handlungsfelder für einen Neustart

Zusammenfassung

Jenseits der Systeme: kultureller Pluralismus

Literaturliste

Die Marktwirtschaft ist am Ende – was nun?

Es ist heute nicht mehr nötig zu beweisen, dass unser Wirtschaftssystem langfristig nicht funktioniert und darüber hinaus nicht umweltverträglich und lebensfeindlich ist.

Selbst rechte Ökonomen haben sich vom Kapitalismus verabschiedet; Wissenschaftler wie Claus Leggewie erklären, dass es nur noch darum geht, seine »Abwicklung« möglichst schonend zu organisieren. Die Ratlosigkeit der Kapitaleigentümer selbst drückt sich aktuell darin aus, dass sie 4 Milliarden Euro zu einem Negativzins von -0,07 Prozent in deutschen Staatsanleihen angelegt haben (8.1.2012). Angesichts der Selbstverspottung des Systems lohnt sich eine Kritik nicht mehr.

Gemäß einer Studie der BCC glauben nur noch 11 Prozent der Weltbevölkerung, dass der Kapitalismus gut funktioniert. In Frankreich, Mexiko und der Ukraine verlangen mehr als 40 Prozent, dass er durch etwas gänzlich anderes ersetzt werden sollte. Es gibt nur zwei Länder, wo mehr als ein Fünftel der Bevölkerung glaubt, dass der Kapitalismus in seiner heutigen Form gut funktioniert: 25 Prozent in den USA und 21 Prozent in Pakistan.

Die auf Wachstumslogik basierende Marktwirtschaft ist nicht fähig, sich auf eine endliche Umwelt einzustellen. Zugleich führt sie nicht zu allgemeinem Wohlstand, sondern zu immer größerer sozialer Ungerechtigkeit. Die reichsten 10 Prozent der Weltbevölkerung besitzen inzwischen 85 Prozent des Vermögens. Das reichste Prozent besitzt immerhin 40 Prozent davon. Die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung verdient nur 1 Prozent des Gesamteinkommens, die andere Hälfte 99 Prozent. 1960 lebte das reichste Fünftel von einem 30-mal höheren Einkommen als das ärmste Fünftel, im Jahr 2000 hatte es schon 80-mal mehr. Womit wir es zu tun haben, ist nicht einfach eine »Wirtschaftsform«, sondern ein strukturelles, allerdings außer Kontrolle geratenes Machtsystem einer globalen Oligarchie. Diese Tatsache, und nicht wissenschaftliche Meinungsverschiedenheiten über »unsere« Wirtschaft, machen die heutigen Auseinandersetzungen so gehässig.

Während schon fast ein Konsens darüber besteht, dass wir aus dem gegenwärtigen Wirtschaftssystem heraus müssen, scheint es noch nicht so klar zu sein, wie das geschehen soll. Die Frage, was denn den Kapitalismus ersetzen soll, ist jedoch falsch gestellt. Er kann nicht einfach durch ein anderes System, eine Alternativökonomie, ersetzt werden, denn einer seiner Fehler ist ja gerade, dass er ein einheitliches System ist, das sich über alle natürlichen und menschlichen Besonderheiten hinwegsetzt und alles über den gleichen Kamm schert. Der Kapitalismus wird durch eine Vielfalt von Kreisläufen transformiert werden, die regional und funktional so gestaltet sind, dass punktuelle Probleme sich nicht als Laufmaschen durch das ganze Gewebe fressen können.

Heute halten sich Ängste vor Chaos, Barbarei und einem Absturz ins Elend die Waage mit der Lust auf Neues, auf eine neue Welt, wo alle gut leben können und keinen Grund mehr haben, sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Dieser Mut zur Wende, zum Wandel, kann gefördert werden, wenn wir konkrete Konzepte des Umbaus entwickeln und Abstand nehmen von zwar gut gemeinten, aber nicht anwendbaren allgemeinen Dogmen, Werten und Schlagworten. Es könnte sogar sein, dass der Postkapitalismus immer noch Kapitalismus heißt, aber im Kern schon etwas ganz anderes ist. Es geht nicht um Worte, sondern um die Sache.

Wahrung der Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaat sind für eine postkapitalistische Gesellschaft unverzichtbar. Ohne eine andere Wirtschaftsordnung, die auf sozialer Gerechtigkeit und nachhaltiger Ressourcennutzung beruht, bleiben sie jedoch illusorisch. Der losgelöste Kampf für diese Rahmenbedingungen wird daher immer im Katzenjammer enden. Ohne ein neues Gesellschaftsmodell gibt es keinen Ausweg.

In der Folge versuche ich ein paar Vorschläge zu machen, wie wir jenseits von Wachstum, Profitzwang und oligarchischer Erpressung unser Leben gestalten könnten, und zwar global. Es wird darum gehen, einen Prozess zu befördern, der nicht nur eine kleine Bewegung, sondern vielfältige gesellschaftliche Akteure und Institutionen, Parteien, Regierungen, Verbände einbezieht und sogar den der »alten Welt« Verhafteten klarmacht, dass auch ihr Leben sicherer und glücklicher wird, wenn ihre oligarchischen Privilegien verschwinden. Es gibt auch ein gutes Leben ohne Privatjets.

Wenn es gelingt, den Wandel als einen integrativen, demokratischen Prozess zu gestalten, dann wird es vielleicht möglich sein, ihn ohne den Preis gewaltsamer Konflikte zu erreichen.

Je genauer wir wissen, was wir wollen, umso weniger unnötiges Leiden wird es geben.

Die Commons: Zugang zu Land und Wissen

Als Erstes müssen wir uns von dem ökonomistischen Blick, von einer illusorischen Selbstdefinition als isolierte Wirtschaftssubjekte trennen. Und das nicht aus irgendwelchen ideologischen oder moralischen Gründen, sondern weil es so einfach nicht geht, nicht den Realitäten entspricht. Menschen können allein nicht überleben. Wir sind aufeinander angewiesen. Unser Leben kann nur gemeinsam gestaltet werden.

Wir müssen uns von einem System verabschieden, das uns zwingt, unseren Lebensunterhalt individuell zu erobern, stattdessen gehen wir davon aus, dass es von allem genug gibt und dass wir nur dafür sorgen müssen, dass alle bekommen, was sie brauchen. Die verkehrte Welt des Kapitalismus muss auf die Füße gestellt werden. Wir sehen uns als Teilhaber, mit Rechten und Pflichten, nicht als Konkurrenten.

Als commons bezeichnen wir Arrangements zur Herstellung und Erhaltung von gemeinsam genutzten Ressourcen. Es handelt sich also um eine spezifische Art der Beziehung zwischen Menschen in Bezug auf die Dinge, die für ihre Existenz notwendig sind. Commons brauchen die community, die sie durch kollektives Handeln pflegt und erhält, das commoning genannt wird. Ob etwas ein common ist, hängt also von der Art der Nutzung ab. Commons entspricht im Deutschen der Allmende, das heißt den für alle gleichermaßen nutzbaren Allgemeingütern. Ursprünglich eine Weide, auf der alle gemäß bestimmten Regeln ihr Vieh weiden konnten, wird der Begriff commons heute auf alle lebenswichtigen Güter und Dienstleistungen, seien sie nun materiell oder immateriell, angewandt. Darum verwenden wir den englischen Begriff.

Weltweit gibt es heute (noch) von allem genug: Nahrungsmittel, Energie, Wasser, Medikamente usw. Das Problem besteht nur darin, dass nicht alle Zugang dazu haben. Und das ist ein Demokratie- bzw. Machtproblem.

Das gemeinsame Wohlergehen wird in der Zukunft auf zwei elementaren Zugangsformen basieren: Zugang zu Land (Nahrung, Rohstoffe, Energie etc.) und Zugang zu Wissen (die Fähigkeit, alle Produktionsmittel zu nutzen und zu verbessern, seien sie nun materiell oder immateriell): Im Grunde geht’s also um Kartoffeln und Computer.

Ernährung und Wissen, Landwirtschaft und Ausbildung stehen im Zentrum vieler politischer Bewegungen, die eine neue globale Gemeinschaft anstreben und zum Teil bereits begründen. Während die Grundprinzipien unangefochten sind und als selbstverständlich gelten, besteht gleichzeitig noch keine Klarheit über geeignete Formen und notwendige Institutionen.