Keeper of the Lost Cities – Der Verrat - Shannon Messenger - E-Book
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Keeper of the Lost Cities – Der Verrat E-Book

Shannon Messenger

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Beschreibung

Keeper of the Lost Cities. Der Verrat 
Ein episches Fantasy-Abenteuer der preisgekrönten Bestsellerautorin Shannon Messenger. Die fantastische Reihe um Elfen, Freundschaft und Magie mit jeder Menge Spannung für Mädchen und Jungen ab 12 Jahren.    

Der vierte Band des packenden Abenteuers
Sophie Foster ist auf der Flucht – aber wenigstens ist sie nicht allein. Ihre engsten Freunde sind bei ihr. Gemeinsam haben sie sich Black Swan angeschlossen. Sie wissen zwar nicht, ob sie dieser Geheimorganisation vertrauen können. Doch nur so können sie mehr über Sophies Herkunft herausfinden. Allerdings gibt es Elfen, die genau das mit allen Mitteln verhindern wollen. Und diese schrecken vor nichts zurück. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt – und den falschen Personen zu trauen, könnte nicht nur für Sophie tödlich enden …

  • Das ideale Geschenk: perfekter Lesestoff für Jungen und Mädchen ab 12 Jahren 
  • Wie eine richtig gute, actiongeladene Serie: ein Jugendbuch über Fabelwesen, Magie, Liebe und Freundschaft
  • So macht Lesen Spaß: fantastische Welten, starke weibliche Charaktere, verblüffende Wendungen und atemlose Spannung 
  • zeitloses Fantasy-Epos: Fans von „Woodwalkers“, „Land of Stories“ und „Harry Potter“ werden dieses Buch verschlingen
  • Extra-Motivation: Zu diesem Buch gibt es ein Quiz bei Antolin. 

„Keeper of the Lost Cities. Der Verrat“ ist der vierte Band der preisgekrönten magischen Fantasy-Reihe – voller Zauber, Action und Abenteuer!    

Alle Bände dieser Reihe:
Band 1: Keeper of the Lost Cities. Der Aufbruch (9783845840901)
Band 2: Keeper of the Lost Cities. Das Exil (9783845840918) 
Band 3: Keeper of the Lost Cities. Das Feuer (9783845844541)
Band 4: Keeper of the Lost Cities. Der Verrat (9783845846293) 
Band 5: Keeper of the Lost Cities. Das Tor (9783845846309) 
Band 6: Keeper of the Lost Cities. Die Flut (9783845846316) 
Band 7: Keeper of the Lost Cities. Der Angriff (9783845846323) 
Band 8: Keeper of the Lost Cities. Das Vermächtnis (9783845846330) 
Band 8,5: Keeper of the Lost Cities. Entschlüsselt (9783845851488) 
Band 9: Keeper of the Lost Cities. Sternenmond (9783845851495) - erscheint im August 2023

Weitere Bände sind in Planung.

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Vollständige eBook-Ausgabe der Hardcoverausgabe München 2022

Text copyright © 2015 by Shannon Messenger

Titel der Originalausgabe: Keeper of the Lost Cities – Neverseen

Die Originalausgabe ist 2015 bei Simon and Schuster (Aladdin) erschienen.

© 2022 arsEdition GmbH, Friedrichstraße 9, D-80801 München

Alle Rechte vorbehalten

Übersetzung: Doris Attwood

Covergestaltung: Grafisches Atelier arsEdition unter Verwendung des Originalcovers

Coverillustration: Jason Chan, Typografie von geen graphy/shutterstock.com und Bildmaterial von StunningArt/shutterstock.com

Design: Karin Paprocki

Innenvignetten: Bildmaterial von Spicy Truffel/shutterstock.com

Satz: Müjde Puzziferri, MP Medien, München

ISBN eBook 978-3-8458-4641-5

ISBN Printausgabe 978-3-8458-4629-3

www.arsedition.de

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Für meine Leser:innen.

Ich liebe Euch mehr, als Silveny Keefe liebt.

*Schmelzmallows und Sahnebomben für alle!*

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Widmung

Prolog

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Danksagungen

Über die Autorin

Prolog

Sophie stolperte rückwärts und taumelte auf ihre Freunde zu, als ringsum neongelbe Flammen explodierten und sie einschlossen wie in einen Käfig.

Hitze leckte über ihre Haut und Rauch quoll in ihre Lunge, während die Neverseen sich weiter vorwärtsbewegten, ihre schwarzen Umhänge verschwunden, ihre Tarnung abgelegt.

Kein Verstecken mehr.

Die Neverseen brüllten Sophie Beleidigungen und Warnungen entgegen und sie versuchte, sich darauf zu konzentrieren, aber ihr Geist war zu sehr auf andere Worte fixiert.

Täuschung.

Falle.

Verräter.

Das letzte Wort machte es ihr unmöglich, einer der Gestalten in die Augen zu blicken.

Ein weiterer Verrat.

Eine weitere Lüge.

Sophie war fertig damit.

Sie griff nach ihrem Anhänger – das Zeichen des Schwans, in kaltes, schwarzes Metall graviert und um ein Stück glattes Glas geschlungen. Sie verstand immer noch nicht, warum Black Swan ihr den Anhänger gegeben hatte. Aber sie wusste genug über seine Kraft, um zu erkennen, dass er womöglich ihre einzige Chance war.

Sie hielt das Glas in die verblassenden Strahlen der untergehenden Sonne, und das glühend weiße Licht wurde auf die Everblazeflammen reflektiert.

Es war an der Zeit, Feuer mit Feuer zu bekämpfen.

1

Wir müssen los«, sagte Fitz und platzte durch die Tür des Gästezimmers im oberen Stock von Everglen.

Sophie saß allein auf der Kante des riesigen Himmelbetts und war bereits in ihre alten Menschenkleider geschlüpft.

»Ich dachte, wir warten noch eine Stunde«, sagte sie und blickte zum Fenster hinaus in den endlosen schwarzen Himmel.

»Das können wir nicht. Der Hohe Rat hat sich schon versammelt, um über unsere Bestrafung zu beraten.«

Sophie holte langsam und tief Luft, ließ die Worte durch ihre Adern pulsieren und nahm all ihren Mut zusammen, bevor sie nach ihrem violetten Rucksack griff. Es war derselbe Rucksack, den sie dabeigehabt hatte, als sie vor fast einem Jahr ihr menschliches Leben zurückgelassen hatte. Und jetzt würde sie ihn mitnehmen, wenn sie die Verlorenen Städte verließ.

»Sind alle bereit?«, fragte sie und war stolz, dass ihre Stimme nicht zitterte. Außerdem widerstand sie dem Drang, sich eine juckende Wimper auszuzupfen. Das hier war nicht der richtige Moment für nervöse Ticks.

Es war der Moment, tapfer zu sein.

Der Hohe Rat hatte geschworen, jeden zu bestrafen, der etwas mit Black Swan zu tun hatte – der geheimnisvollen Organisation, die dafür verantwortlich war, dass es Sophie überhaupt gab. Aber Sophie und ihre Freunde wussten, dass die wahren Bösewichte einer Gruppe namens Neverseen angehörten. Fitz, Keefe und Biana hatten sogar versucht, Black Swan dabei zu helfen, die Rebellen auf dem Mount Everest einzufangen. Aber die Neverseen hatten ihren Plan durchschaut und die Mission stattdessen in einen Hinterhalt verwandelt. Sophie hatte die Falle jedoch noch rechtzeitig entdeckt, um ihre Freunde zu warnen, und sie waren mit dem Leben davongekommen. Es war ihnen sogar gelungen, einen der Rebellen gefangen zu nehmen. Allerdings hatten sie dabei gegen zahlreiche Gesetze verstoßen.

Ihre sicherste Option war es nun, zu Black Swan zu fliehen und sich zu verstecken. Aber Sophie hatte gemischte Gefühle dabei, auf so engem Raum mit ihren Erschaffern zu leben. Die Leute von Black Swan hatten im Rahmen des Projekts Mondlerche ihre Gene manipuliert, um ihre Fähigkeiten zu verstärken – aber sie hatten ihr nie einen Hinweis darauf gegeben, warum. Außerdem hatten sie ihr nie erzählt, wer ihre biologischen Eltern waren, und Sophie wusste nicht, ob sie ihnen nicht doch noch irgendwann gegenüberstehen würde.

»Wird auch langsam Zeit, dass ihr kommt«, beschwerte sich Keefe, als Sophie Fitz auf der silbernen Wendeltreppe nach unten folgte. Er stand neben Dex in dem glitzernden, runden Foyer von Everglen, und in ihren Kapuzenjacken und dunklen Jeans sahen sie beide sehr menschlich aus.

Keefe setzte sein berühmtes schelmisches Grinsen auf und tätschelte sein sorgfältig gegeltes blondes Haar, aber Sophie konnte die Traurigkeit erkennen, die seine himmelblauen Augen trübte. Während ihres Kampfs gegen die Neverseen hatte Keefe erfahren, dass seine Mutter eine der Anführerinnen der Gruppe war. Sie hatte sogar ihren eigenen Sohn angegriffen, bevor sie in die Ogerhauptstadt geflohen war und ihre Familie verlassen hatte.

»Hey, mach dir um mich keine Sorgen, Foster«, sagte Keefe und wedelte mit einer Hand zwischen ihnen hin und her. Er gehörte zu den wenigen Empathen, die Sophies Gefühle wie Wellen in der Luft spüren konnten.

»Ich mache mir Sorgen um euch alle«, erwiderte sie. »Ihr alle riskiert meinetwegen euer Leben.«

»Ach, und was gibt’s sonst noch Neues?«, fragte Dex und zeigte ihr mit einem Grinsen seine tiefen Grübchen. »Und würdest du dich bitte mal entspannen? Wir schaffen das schon! Obwohl ich gewisse Bedenken habe, was meine Schuhe angeht.« Er zeigte auf seine weichen braunen Stiefel im typischen Elfenstil. »Alle Menschenschuhe, die Fitz hatte, waren zu groß für meine Füße.«

»Ich glaube kaum, dass das irgendwem auffallen wird«, tröstete Sophie ihn. »Aber ich schätze, es kommt ganz darauf an, wie lange wir uns unter Menschen aufhalten werden. Wie weit ist das Versteck denn entfernt, wenn wir erst mal in Florenz sind?«

Fitz lächelte sein filmreifes Lächeln. »Das wirst du schon sehen.«

Black Swan hatte Fitz beigebracht, sich an Sophies mentaler Blockade vorbeizuschleichen und die geheimen Informationen zu lesen, die in ihrem Gehirn versteckt waren. Aber aus irgendeinem Grund wollte er ihr nicht verraten, was er dort gesehen hatte. Sophie wusste nur, dass sie sich zu einem runden Fenster irgendwo in der berühmten italienischen Stadt begeben würden.

»Hey«, sagte Fitz und lehnte sich näher zu ihr. »Du vertraust mir doch, oder?«

Sophies verräterisches Herz begann – wie immer – sofort zu flattern, trotz ihrer momentanen Verärgerung. Sie vertraute Fitz. Wahrscheinlich mehr als irgendjemandem sonst. Aber dass er Geheimnisse vor ihr hatte, nervte sie kolossal. Sie war versucht, ihre telepathischen Kräfte einzusetzen, um die Informationen direkt aus seinem Kopf zu klauen. Aber sie hatte diese Regel schon oft genug gebrochen, um zu wissen, dass es die Konsequenzen definitiv nicht wert war.

»Was sind das bitte für Kleider?«, unterbrach Biana sie und tauchte aus dem Nichts neben Keefe auf.

Biana war Entschwinderin, genau wie ihre Mutter, auch wenn sie erst noch lernen musste, ihre Fähigkeit richtig zu kontrollieren. Diesmal war nur eines ihrer Beine mit dem Rest von ihr aufgetaucht und sie musste auf und ab hüpfen, bis sich das andere ebenfalls zeigte. Sie trug ein Sweatshirt, das ihr drei Nummern zu groß war, und dazu verblasste Baggy Jeans.

»Wenigstens kann ich meine eigenen Schuhe tragen«, fügte sie hinzu, zog ihre Hosenbeine hoch und enthüllte violette Ballerinas, deren Spitzen mit Diamanten besetzt waren. »Aber warum haben wir nur so riesige Klamotten?«

»Weil ich einfach riesig bin«, erinnerte Fitz sie. »Und davon abgesehen ist das hier kein Schönheitswettbewerb.«

»Aber wenn es einer wäre, würde ich definitiv gewinnen. Stimmt’s, Foster?«, fragte Keefe.

Wenn sie ehrlich war, hätte Sophie Fitz den Preis verliehen: Sein blauer Schal passte perfekt zu seinem dunklen Haar und seinen aquamarinblauen Augen, und in dem eng geschnittenen grauen Mantel wirkte er größer und breitschultriger und –

»Oh, bitte.« Keefe drängte sich zwischen die beiden. »Fitz’ Menschenklamotten sind gähnend langweilig. Schaut euch lieber mal an, was Dex und ich in Alvars Kleiderschrank gefunden haben!«

Sie öffneten den Reißverschluss ihrer Jacken und präsentierten die T-Shirts mit Aufdruck darunter.

»Ich hab zwar keine Ahnung, was das bedeutet, aber es ist total cool und abgefahren, oder?«, vergewisserte sich Keefe und zeigte auf das schwarz-gelbe Oval auf seinem T-Shirt.

»Das steht für Batman«, antwortete Sophie – und bereute es sofort. Denn natürlich bestand Keefe darauf, dass sie ihm erklärte, was genau den Dark Knight so cool und abgefahren machte.

»Ich werde dieses T-Shirt nie wieder ausziehen, Leute«, beschloss er. »Außerdem will ich ein Batmobil! Dex, kriegst du das hin?«

Sophie wäre nicht überrascht gewesen, hätte Dex wirklich eines bauen können. Als Technopath konnte er wahre Wunder vollbringen, wenn es um technische Dinge ging. Er hatte schon alle möglichen genialen Sachen für Sophie gebastelt, unter anderem den nicht ganz runden Ring, den sie trug – ein spezieller Panikknopf, der ihr beim Kampf gegen einen ihrer Entführer das Leben gerettet hatte.

»Und wofür steht mein T-Shirt?«, wollte Dex wissen und zeigte auf das Logo mit ineinander verschachtelten gelben Ws.

Sophie brachte es nicht übers Herz, ihm zu sagen, dass es das Zeichen von Wonder Woman war.

»Warum hat Alvar denn Menschensachen?«, fragte sie stattdessen. »Ich dachte, er arbeitet mit den Ogern.«

»Tut er auch«, antwortete Fitz. »Oder zumindest hat er das, bevor du beinahe einen Krieg mit ihnen ausgelöst hättest.«

Fitz’ Tonfall klang heiter und neckisch, aber die Wahrheit hinter den Worten lastete trotzdem noch immer schwer auf Sophies Schultern. Sie würden in deutlich geringeren Schwierigkeiten stecken, wenn sie die Regeln der Telepathie nicht ignoriert und versucht hätte, die Gedanken des Ogerkönigs zu lesen. Ihr war bewusst gewesen, dass sie damit ein großes Risiko einging, aber sie hatte unbedingt wissen wollen, warum die Oger sich in die Zuflucht geschlichen und eines ihrer Zielsuchgeräte in Silvenys Schweif versteckt hatten. Das Weibchen der sehr seltenen Alicorns war nicht nur entscheidend für das Überleben der ganzen Spezies, Silveny gehörte auch zu Sophies besten Freunden. Wenn Sophie damals doch nur gewusst hätte, dass Oger mit ihrem Geist Telepathen entdecken konnten – selbst genetisch verstärkte Telepathen wie sie. Sie hatte bei ihrer verbotenen Aktion nicht nur nichts Nützliches herausgefunden, sie hatte nebenbei auch noch beinahe den Vertrag zwischen Elfen und Ogern gebrochen und einen Krieg ausgelöst.

»Aber das erklärt immer noch nicht, warum Alvar Menschensachen hat«, hakte Sophie nach. »Die Oger hassen die Menschen schließlich sogar noch mehr, als die Elfen es tun.«

»Das stimmt«, erwiderte Fitz. »Aber diese Kleider sind schon ein paar Jahre alt, aus der Zeit, als Alvar noch nach dir gesucht hat.«

»Hat er?«, fragte Sophie. »Ich dachte, das war deine Aufgabe.«

Fitz war derjenige gewesen, der sie bei einem Schulausflug vor ungefähr einem Jahr gefunden und in die Verlorenen Städte gebracht hatte. Es war das Beste, was ihr jemals passiert war.

Aber auch das Schwerste.

Fitz lächelte traurig, weil er sich wahrscheinlich an dasselbe erinnerte wie Sophie: an den Moment, in dem sie sich von ihrer menschlichen Familie hatte verabschieden müssen. Er war der Einzige, der wirklich verstand, was sie damals verloren hatte, und ohne Fitz hätte sie diesen Tag niemals überstanden.

»Ich habe angefangen, nach dir zu suchen, als ich sechs war«, erzählte er. »Als Alvar in die Elitestufen ging und sich nicht mehr so einfach aus der Foxfire wegschleichen konnte. Dad hat zwölf Jahre lang versucht, dich zu finden, schon vergessen? Ich konnte schließlich keine Geheimaufträge ausführen, als ich noch ein Baby war.«

»Was für ein Drückeberger«, unterbrach Keefe ihn. »Ich hätte das auf jeden Fall hingekriegt. Aber andererseits bin ich auch Batman, also …« Er legte einen Arm um Sophies Schultern. »Ich könnte jeden Tag dein Held sein.«

Dex tat, als müsste er würgen, während Biana nur auf Keefes Arm auf Sophies Schultern starrte.

Sophie löste sich von ihm, als Alden ihnen vom Kopfende der Treppe zurief: »Stopp!« Er eilte zu ihnen, um sie aufzuhalten, und sein eleganter Umhang raschelte leise dabei. »Ihr könnt nicht gehen, solange ihr eure Signaturanhänger noch um den Hals tragt.«

Sophie legte eine Hand an das Band um ihren Hals und konnte kaum glauben, dass sie dieses entscheidende Detail völlig vergessen hatte. Bei den Anhängern handelte es sich um spezielle Peilsender des Hohen Rats.

Sie fragte sich sofort, ob sie noch andere wichtige Dinge nicht bedacht hatte …

Alden holte eine schwarze Zange mit scharfer Schneide hervor und sagte: »Fangen wir mit Fitz an.« Er sprach mit demselben klaren Akzent wie seine Kinder, aber seine Stimme klang schwach und zittrig.

Fitz zuckte zusammen, als Alden das dicke Band durchschnitt und der Kristallanhänger scheppernd auf dem Boden landete.

»Wow. Das Ganze fühlt sich plötzlich richtig echt an«, murmelte Keefe.

»Allerdings.« Fitz fuhr mit den Fingern über seinen nun nackten Hals.

»Alles in Ordnung?«, fragte Alden Biana, die so verkrampft eine Faust um ihren Anhänger ballte, dass ihre Knöchel weiß hervortraten.

»Mir geht’s gut«, flüsterte sie und hob ihr langes dunkles Haar hoch, um ihm ihr Halsband zu präsentieren.

Alden zögerte nur für eine Sekunde, bevor er das silberne Band durchtrennte. Bianas Anhänger landete neben Fitz’, gefolgt von Keefes.

»Eure lassen sich schwerer entfernen«, erinnerte Alden Dex und Sophie.

Der Hohe Rat hatte die Sicherheitsmaßnahmen für sie verschärft, nachdem die Neverseen Sophies und Dex’ Anhänger dazu benutzt hatten, alle glauben zu machen, sie seien ertrunken und nicht entführt worden. Es war sogar für jeden von ihnen ein Baum in den Wanderlingwäldern gepflanzt worden – der Elfenversion eines Friedhofs –, wo ihre Familien eine Beerdigung für sie abgehalten hatten.

Auf Aldens Stirn bildeten sich Schweißperlen, als er das dicke Metall bearbeitete, bis sich die Bänder schließlich lösten. »Ich muss auch eure Nexus entfernen«, sagte er und holte eine münzgroße Scheibe hervor.

Sophie seufzte.

Ein weiteres wichtiges Detail, an das sie nicht gedacht hatte …

Bei einem Nexus handelte es sich um eine weitere Sicherheitsmaßnahme: ein Gerät, das verhinderte, dass sich ihre Körper bei einem Lichtsprung auflösten. Allerdings konnte das Kraftfeld, das dabei entstand, aufgespürt werden.

»Ich schätze, ich habe diese ganze Fluchtaktion nicht sonderlich gut geplant, was?«, murmelte Sophie.

»So etwas gehört nicht zu den Dingen, die man planen kann«, tröstete Alden sie. »Und du kannst auch nicht von dir selbst erwarten, dass du an alles denkst. Du bist nun Teil eines Teams. Und in einem Team arbeiten alle zusammen und helfen sich gegenseitig.«

Seine Worte wären viel tröstlicher gewesen, hätte ihr »Team« nicht genau dieselben wichtigen Details übersehen – auch wenn Fitz, Keefe und Biana keinen Nexus mehr trugen. Ihre Konzentrationsfähigkeit war bereits stark genug, um ohne zu springen, und auch Dex war schon beinahe so weit. Auf der Anzeige an seinem breiten blauen Nexusarmreif fehlte nicht mal mehr ganz ein Viertel.

Als Alden die winzige Scheibe daraufpresste, sprang die Anzeige auf voll.

»Ich war schon ein paarmal versucht, das selber zu machen«, gestand Dex, als er den Nexus von seinem Handgelenk schüttelte. »Aber ich wollte nicht schummeln.«

»Weise Entscheidung«, erwiderte Alden. »Nur weil man über die Fähigkeit verfügt, etwas zu tun, heißt das nicht, dass es auch die sicherste Möglichkeit ist. Und es gibt uns auch nicht die Erlaubnis, gegen Gesetze zu verstoßen.«

»Doch, wenn das Gesetz dämlich ist, dann schon«, warf Keefe ein.

»Ich wünschte, ich könnte dir da widersprechen. Aber angesichts der Situation, in der wir uns befinden …« Alden sammelte ihre heruntergefallenen Anhänger vom Boden auf und steckte sie zusammen mit Dex’ Nexus in seine Umhangtasche. »Es hat eine Zeit gegeben, in der ich an die Unfehlbarkeit unserer Welt geglaubt habe. Aber hier drin«, er legte eine Hand auf sein Herz, »wissen wir alle genau, was nötig oder wahr ist. Ihr müsst euch auf dem Weg, der vor euch liegt, stets daran halten und euch davon leiten lassen. Aber ich schweife ab. Es fehlen nur noch deine Nexus, Sophie.«

Sophie hatte es Elwin, ihrem Arzt mit übermäßig ausgeprägtem Beschützerinstinkt, zu verdanken, dass sie an jedem Handgelenk eins der Geräte trug. Außerdem hatte er ihre Nexus so eingestellt, dass sie nicht entfernt werden konnten, obwohl die Anzeigen von beiden voll waren. Sophie war bei ihren Lichtsprüngen schon mehrmals verblasst – und einmal wäre sie beinahe gestorben. Aber das war passiert, bevor Black Swan ihre Konzentration verstärkt und ihre anderen Fähigkeiten geheilt hatte.

Trotzdem griff Sophie automatisch nach dem Schwindesprit, den sie für Notfälle um den Hals trug. Er hing neben ihrer Allergiemedizin und beide Fläschchen waren sicher unter ihrem T-Shirt versteckt. Sie hatte schon seit Wochen keins der Elixiere mehr benötigt, aber sie fühlte sich trotzdem besser, wenn sie sie bei sich hatte. Vor allem als Alden einen verdrehten silbernen Schlüssel hervorholte und ihre beiden Nexus entriegelte.

Sophie hielt ihn auf, als er ihr drittes schwarzes Armband untersuchte. »Das ist eine von Dex’ Erfindungen.«

»Ich nenne es den K.-o.-Haken«, erklärte Dex stolz. »Er setzt einen Luftstoß frei, wenn man den Arm schwingt, und man kann viel härter zuschlagen als normalerweise.«

»Sehr clever«, lobte Alden ihn. »Es kann bestimmt nicht schaden, wenn du ihn trägst. Obwohl ich hoffe, dass du inzwischen begriffen hast, welche Gefahren die Erfindung neuartiger Waffen birgt, Dex.«

Dex ließ die Schultern sinken und versicherte Alden, dass er seine Lektion gelernt hatte. Dex hatte auf Befehl des Hohen Rats einen schmerzhaften Fähigkeitsbegrenzer in Form eines Reifs gebastelt, den Sophie um den Kopf hatte tragen müssen. Allerdings hatte Dex damals nicht gewusst, dass das Gerät als Sophies Bestrafung dafür gedacht war, was mit dem Ogerkönig passiert war.

Sie knuffte Dex mit dem Ellenbogen in die Seite und lächelte, um ihn daran zu erinnern, dass sie ihm verziehen hatte. Trotzdem hielt er den Blick weiter auf den Boden gerichtet.

»Ich glaube, damit wäre alles erledigt«, verkündete Alden. »Vergesst niemals, dass ihr aufeinander achtgeben müsst. Fitz und Biana, teilt eure Konzentration mit Dex, wenn ihr springt. Und Keefe, ich will, dass du dich um Sophie kümmerst.«

»Oh, das werde ich«, versprach Keefe mit einem Zwinkern.

»Das werden wir alle«, korrigierte Fitz ihn.

»Hey, ich kann selbst auf mich aufpassen«, protestierte Sophie. »Ich bin schließlich diejenige, die uns nach Florenz bringen wird, schon vergessen?«

Blaue Sprungkristalle führten jeweils an einen bestimmten Ort in einer Verbotenen Stadt, was es leichter machen würde, ihnen zu folgen. Deshalb würden die fünf nach Italien teleportieren – eine Fähigkeit, über die nur Sophie verfügte, dank eines überraschenden Nebeneffekts ihrer von Black Swan manipulierten DNA.

»Ihr seid alle in der Lage, selbst auf euch aufzupassen«, sagte Alden, »aber ihr seid stärker, wenn ihr zusammenarbeitet. Außerdem braucht ihr einen Anführer, der das Team zusammenhält, deshalb übertrage ich dir, Fitz, die Verantwortung, da du der Älteste bist.«

»Hey, Moment mal«, beschwerte sich Keefe, »er ist nur ein paar Monate älter.«

»Äh, mit ›ein paar‹ meinst du wohl elf«, widersprach ihm Fitz.

Dex gab ein Schnauben von sich. »Mann, seid ihr alt.«

Er warf Sophie einen selbstgefälligen Blick zu und sie errötete, weil ihr ziemlich unangenehm war, dass sie genau dasselbe gedacht hatte.

Oder, na ja … Sie fand nicht direkt, dass Fitz und Keefe alt waren, aber sie waren definitiv älter als sie.

Sie nahm an, dass Keefe vierzehn und Fitz mindestens fünfzehn war – obwohl es durchaus sein konnte, dass sie noch älter waren …

In den Verlorenen Städten war es gar nicht so einfach, den Überblick über Dinge wie das Alter zu behalten. Dank ihrer unbegrenzten Lebensdauer schenkten die Elfen ihm keine allzu große Beachtung. Tatsächlich hatte Sophie keine Ahnung, wie alt ihre Freunde wirklich waren. Niemand erwähnte je einen Geburtstag. Vielleicht hätte Sophie sich einfach keine Gedanken mehr darüber machen sollen, wer wie alt war. Sie war sich nur der Tatsache sehr bewusst, dass sie erst dreizehneinhalb war und sich der Altersunterschied zwischen ihr und den Jungs gewaltig anfühlte.

»Und überhaupt: Ich bin derjenige, der weiß, wo wir hingehen«, sagte Fitz. »Deshalb habe ich auch das Sagen und … ich schätze, wir sollten jetzt wahrscheinlich aufbrechen. Obwohl, Moment mal – was ist mit Mom? Sollten wir uns nicht von ihr verabschieden?«

Alden schaute Biana an. »Eure Mutter hat etwas sehr Wichtiges zu erledigen. Aber sie hat mich gebeten, euch auszurichten, dass sie euch schon bald wiedersehen wird.«

Fitz wirkte nicht sonderlich zufrieden mit dieser Antwort, aber er protestierte auch nicht.

Alden wandte sich an Sophie, sah ihr jedoch nicht richtig in die Augen. »Ich … habe Grady und Edaline vor ein paar Minuten ein Beruhigungsmittel angeboten und sie haben sich entschieden, es einzunehmen. Wir hatten Angst davor, was passieren würde, wenn sie zusehen müssen, wie du fortgehst. Aber sie haben mich gebeten, dir zu sagen, dass sie dich lieben und dass sie eine Nachricht für dich in deinem Rucksack hinterlassen haben.«

Durch den Kloß in ihrem Hals tat es Sophie richtig weh, als sie nickte, aber sie zwang sich trotzdem dazu. Grady und Edaline waren ihre Adoptiveltern und Sophie hasste den Gedanken, gehen zu müssen, ohne sie noch einmal zu sehen. Aber auch sie bezweifelte, dass die beiden nach allem, was sie bereits durchgemacht hatten, stark genug waren, um einen weiteren tränenreichen Abschied zu überstehen.

Sie hatten in einem schweren Nebel der Depression gelebt, seit sie ihre Tochter Jolie vor siebzehn Jahren durch ein Feuer verloren hatten. Und dann hatte Sophie auch noch herausgefunden, dass Brant, Jolies ehemaliger Verlobter – um den sich Grady und Edaline gekümmert hatten, als wäre er ein Teil ihrer Familie –, derjenige gewesen war, der das Feuer verursacht hatte, in dem Jolie umgekommen war. Brant hatte vor allen versteckt, dass er Pyrokinetiker war – das einzige bei den Elfen verbotene Talent – und sich den Neverseen angeschlossen hatte, weil er es hasste, sein Dasein als Talentloser fristen zu müssen. Doch als Jolie seinen Verrat entdeckt hatte und ihn davon hatte überzeugen wollen, sich zu ändern, hatte er die Beherrschung verloren und unbeabsichtigt die Flammen entzündet, in denen sie ums Leben gekommen war.

Seine Schuldgefühle und tiefe Trauer hatten Brant gefährlich und unberechenbar gemacht. Er hatte sogar versucht, Grady und Sophie zu töten, als sie ihn zur Rede gestellt hatten. Grady war damals so wütend gewesen, dass er seine Fähigkeiten als Mesmer eingesetzt und Brant dazu gebracht hatte, seine eigene Hand komplett zu verbrennen. Sophie hatte es gerade noch geschafft, Grady aufzuhalten, bevor er zu weit ging und seinen eigenen Geist zerstörte. Außerdem hatte sie Brant gehen lassen müssen, um die entscheidenden Informationen von ihm zu bekommen und ihre Freunde retten zu können.

»Gut, wir haben schon genügend Zeit vergeudet«, sagte Alden und zog alle fünf in eine Umarmung. »Vergesst nicht: Das ist kein Abschied für immer. Es ist nur ein Abschied für jetzt.«

Sophie spürte, wie Tränen über ihre Wangen kullerten, als Fitz fragte: »Willst du, dass wir dir Bescheid sagen, wenn wir angekommen sind?«

»Nein, ich darf nichts darüber wissen, was ihr tut. Keiner von uns darf das.«

»Glaubst du, der Hohe Rat wird Erinnerungsbrüche anordnen?«, fragte Sophie flüsternd.

»Nein, so tief würde der Hohe Rat nicht sinken. Außerdem wissen sie, dass wir zu bekannt und zu mächtig sind. Trotzdem ist es klug, vorsichtig zu sein. Ich verspreche euch, dass kein Grund zur Sorge besteht.«

Sophie seufzte.

Kein Grund zur Sorge waren Aldens Lieblingsworte. Und sie hatte inzwischen gelernt, sie ihm niemals zu glauben.

»Kommt jetzt«, sagte Biana und zog die schimmernden Türen von Everglen auf.

Sie trotteten schweigend den schattigen Pfad hinunter.

»Ich hätte nicht gedacht, dass ich das jemals sagen würde«, murmelte Keefe, »aber ich werde es wirklich vermissen, dass Gigantor ständig an uns klebt.«

Sophie nickte und wünschte sich ebenfalls, ihrem über zwei Meter großen Koboldleibwächter ginge es gut genug, um sie zu begleiten. Sandor war während des Hinterhalts auf dem Mount Everest einen eisigen Felsvorsprung hinuntergestoßen worden und hatte sich praktisch jeden einzelnen Knochen im Leib gebrochen. Elwin hatte ihr versichert, dass er wieder ganz gesund werden würde, auch wenn er noch einen langen Weg der Heilung vor sich hatte.

Nicht so lang wie der Weg, dem wir folgen werden, dachte Sophie, als sie Everglens mächtige Tore in der düsteren Nacht aufragen sah. Die leuchtenden gelben Stäbe absorbierten sämtliches einfallende Licht und verhinderten, dass irgendjemand von draußen hereinspringen konnte.

»Ab hier müsst ihr rennen«, flüsterte Alden.

Teleportieren funktionierte nur, wenn sie sich im freien Fall befanden, und die Klippen, von denen sie springen mussten, lagen jenseits des geschützten Anwesens.

Fitz wischte sich über die Augen. »Sag Mom, dass wir sie lieben, ja?«

»Und dich lieben wir auch, Dad«, fügte Biana hinzu.

»Und lass nicht zu, dass sich der Hohe Rat meiner Familie auch nur nähert«, flehte Dex ihn an.

»Du hast mein Wort«, versprach Alden ihm. »Und ich werde auch nicht zulassen, dass sie sich Grady und Edaline nähern.«

Sophie nickte. Ihr schwirrte der Kopf von einer Million Dinge, die sie noch sagen wollte. Aber nur eines davon war wirklich wichtig. »Lass nicht zu, dass Grady Brant nachjagt.«

Alden nahm ihre Hände. »Das werde ich nicht.«

Alle schauten Keefe an.

»Sag meinem Dad … dass ich seinen Lieblingsumhang in einem Schrank im neunundzwanzigsten Stock versteckt habe. Aber sag ihm nicht, dass die Tür mit Gulongas präpariert ist. Das soll er ruhig selbst herausfinden.«

»Ist das wirklich alles, was du ihm sagen willst, Keefe?«, fragte Alden.

Keefe zuckte mit den Schultern. »Was soll ich denn sonst sagen?«

Alden drückte Keefe ganz fest an sich und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Was immer es auch war, Keefes Augen wurden dabei ganz wässrig.

Genau wie Sophies Augen, als Alden die Tore öffnete.

Die fünf Freunde starrten auf den turmhohen Wald hinaus und hielten sich an den Händen.

Langsam, alle gemeinsam, wagten sie den ersten Schritt in die Dunkelheit. Sie waren gerade über die Schwelle getreten, als eine in einen Umhang gehüllte Gestalt aus den Schatten trat – aber es war kein schwarzer Umhang wie der, den die Neverseen trugen.

Es war ein mit Diamanten besetzter silberner Umhang.

Wie jene, die die Mitglieder des Hohen Rats trugen.

2

Schon gut«, versprach eine zerbrechlich klingende Stimme, als die Gestalt ihre schimmernde Kapuze absetzte. Blonde Ringellocken ergossen sich rund um das wunderschöne, vertraute Gesicht einer erschöpft wirkenden Rätin Oralie.

Sophie fiel auf, dass der mit rosa Juwelen besetzte Reif auf ihrem Kopf fehlte, als sie hinzufügte: »Ich bin allein hergekommen.«

Alden ließ die Hand sinken, in der er einen Schmelzer hielt – eine kleine silberne Waffe, die sofort zu einer schmerzhaften Lähmung führte. »Wie lange, bevor die anderen eintreffen?«

»Nicht lange. Bronte und Terik kämpfen weiter für euch, aber sie werden nichts erreichen. Der Verstand der anderen ist von zu viel Angst und Wut verschleiert.« Oralie zitterte im Mondlicht und rieb sich mit anmutigen Fingern über die Arme. Sie war Empathin, genau wie Keefe und sein Vater, und Sophie hatte sie noch nie so schmerzerfüllt gesehen.

»Wie wird ihre Bestrafung aussehen?«, fragte Alden.

Oralie senkte den Blick. »Dex und Keefe sollen bis zum Ende des Halbjahres suspendiert und unter permanente Aufsicht gestellt werden. Fitz und Biana werden für eine Woche suspendiert und müssen einen Monat lang Dienst in der Zuflucht tun –«

»Moment mal«, unterbrach Dex sie. »Wieso kommen die beiden so viel leichter davon?«

»Das Vermächtnis ihrer Familie in unserer Welt ist immens«, erinnerte Oralie ihn.

Die Vackers waren beinahe so etwas wie die königliche Familie der Elfen und in ihrer näheren und weiteren Verwandtschaft gehörten mehr Personen dem Adel an als bei irgendeiner anderen Familie. Dex’ Vater hingegen hatte nie eine besondere Fähigkeit manifestiert und spezielle Talente waren in den Verlorenen Städten das Einzige, was wirklich von Bedeutung war, nicht etwa persönlicher Wohlstand, die Hautfarbe oder das Alter. Die Elfen betrachteten diese Methode, ihre Gesellschaft zu trennen, als fair. Sophie war sich allerdings nicht so sicher, ob es überhaupt eine faire Methode gab, eine Gesellschaft zu trennen. Wer nicht über eine besondere Fähigkeit verfügte, konnte sich niemals dem Adel anschließen, und wenn er oder sie jemanden heiratete, der nicht ebenfalls talentlos war, wurde die Verbindung als »unpassend« eingestuft. Dex’ Mutter hatte seinen Vater trotzdem geheiratet, aber Dex musste schon sein ganzes Leben lang gegen Hohn und Verachtung kämpfen.

»So ist das also?«, fragte Keefe. »Jetzt, wo wir die Wahrheit über meine Mom wissen, ist meine Familie nur noch Abschaum?«

»Ihr seid kein Abschaum«, versicherte Oralie ihm. »Aber dein Vater wurde von seinen Aufgaben als Abgesandter entbunden. Der Hohe Rat glaubt nicht, dass ein erfahrener Empath wie er wirklich vollkommen blind für den Verrat seiner eigenen Frau hätte sein können.«

Keefe blinzelte ein paarmal und stieß dann ein lautes, kaltes Lachen aus. »Na, dann kann ich wohl nicht mehr behaupten, dass meine Mom nie irgendetwas für mich getan hätte. Ich wünschte mir fast, ich könnte dabei sein, wenn ihr die Nachricht überbringt.«

Titel und Ansehen bedeuteten Keefes Vater alles und seine Ambitionen gingen oft auf Kosten der Freundlichkeit und Liebe seinem Sohn gegenüber. Sophie konnte Keefes Schadenfreude deshalb gut verstehen – auch wenn sie überrascht war, dass sie selbst einen Anflug von Mitgefühl für Lord Cassius empfand. Er hatte in einer einzigen Nacht seine Frau und seinen geliebten Titel verloren. Und morgen früh würde er auch noch feststellen müssen, dass sein einziger Sohn davongelaufen war.

»Was ist mit mir?«, fragte Sophie. »Welche Bestrafung haben sie für mich beschlossen?«

»Darüber debattieren sie noch immer sehr energisch«, antwortete Oralie leise, »aber höchstwahrscheinlich werden sie dich verbannen und nach Exillium schicken.«

Sophie konnte sich nicht entscheiden, welcher Teil dieses Satzes ihr mehr Angst einjagte. Sie wusste so gut wie nichts über die mysteriöse Schule namens Exillium, aber man hatte ihr schon mehrfach versichert, dass sie dort nicht hinwollte. Und verbannt zu werden?

Sicher, sie hatte ohnehin vor davonzulaufen – aber eine Verbannung klang so … endgültig.

»Exillium gehört zu den Neutralen Gebieten«, flüsterte Oralie, »und damit zu einem Teil unserer Welt, der viel zu gefährlich für dich ist. Vor allem jetzt.«

»Warum vor allem jetzt?«, wollte Alden wissen.

»Die Oger werden unruhig – zumindest befürchte ich das. Das ist auch der Grund dafür, warum ich hergekommen bin, um dir das hier zu geben.« Oralie schnipste mit den Fingern und eine kleine Glaskugel tauchte in ihrer Handfläche auf. Sophie hatte keine Ahnung gehabt, dass Oralie offensichtlich auch Beschwörerin war.

»Deinen Verwahrer?«, fragte Alden und wich einen Schritt zurück.

»Nein, das ist Kenrics«, erwiderte Oralie. »Er hat ihn mir gegeben, vor seinem …«

Sie sprach das letzte Wort nicht aus, aber es traf sie alle trotzdem tief. Rat Kenric hatte zu den ersten Mitgliedern des Hohen Rats gehört, die Sophie kennengelernt hatte, und er hatte sich schnell zu einem ihrer Lieblingsräte entwickelt. Er war warmherzig und freundlich gewesen, stets mit einem Lächeln auf den Lippen, und hatte sich immer auf ihre Seite gestellt. Aber vor ein paar Wochen war er getötet worden, während Fintans versuchter Heilung, die in einer Katastrophe geendet hatte.

Fintan war der Pyrokinetiker, der Brant für die Neverseen ausgebildet hatte. Er war für seinen eigenen Verrat mit einem Erinnerungsbruch bestraft worden, aber es war ihm dennoch gelungen, seine Geheimnisse zu schützen. Als Sophie entdeckt hatte, dass sie den Geist anderer Leute heilen konnte, hatte der Hohe Rat ihr befohlen, auch Fintan zu heilen. Doch während dieser Heilung hatte Fintan irgendwie die Kraft aufgebracht, ein Inferno von Everblaze zu entfachen.

Sophie hatte es damals gerade noch rechtzeitig geschafft, sich Fitz und Oralie zu schnappen und mit ihnen an einen sicheren Ort zu teleportieren – aber sie hatten Kenric in den Flammen verloren. Sophies einziger Trost war, dass Fintan in seinem eigenen Feuer umgekommen war.

Oralie nahm Sophies Hand und legte den Verwahrer vorsichtig hinein. Darin waren sieben glitzernde Steine eingefasst, jeder in einer anderen Farbe.

»Kenric hat mir das Versprechen abgenommen, ihn dir zu geben, falls ihm irgendetwas zustoßen sollte«, hauchte sie. »Um sicherzustellen, dass du beschützt bist.«

»Soll das bedeuten, dass er den Verdacht hatte, sein Leben könnte in Gefahr sein?«, fragte Alden.

»Den hatten wir beide. Obwohl ich mehr hätte tun sollen, um zu helfen.« Tränen rannen über Oralies Wangen. »Ich hätte so viele Dinge tun sollen.«

Mitgliedern des Hohen Rats war es nicht erlaubt, zu heiraten oder Kinder zu bekommen, damit sie ihre Unparteilichkeit bei wichtigen Entscheidungen nicht verloren. Aber Sophie hatte eine besondere Verbindung zwischen Kenric und Oralie bemerkt und war sich ziemlich sicher, dass die beiden ineinander verliebt gewesen waren. Sie hätten ihr Amt als Hohe Räte niederlegen und sich entscheiden können, zusammen zu sein, aber aus irgendeinem Grund hatten sie weiter getrennte Leben geführt.

»Er hat an dich geglaubt«, sagte Oralie und strich mit einem Finger sanft über Sophies Wange. »Er hat zu mir gesagt, du seist der Funke der Veränderung, den unsere Welt braucht. Trage sein Geschenk stets bei dir, und wenn der Hohe Rat dich erwischt, benutze Kenrics Verwahrer, um dir deine Freiheit zu erkaufen. Lass nicht zu, dass sie dich nach Exillium schicken. Und den hier musst du auch mitnehmen.« Sie reichte Sophie einen Verbinder, ein kleines silbernes Quadrat, das wie ein Videotelefon funktionierte. »Er kann nicht aufgespürt oder zurückverfolgt werden – und ich bin die Einzige, die du damit erreichen kannst. So haben wir stets eine Möglichkeit, miteinander in Kontakt zu treten.«

»Was, wenn der Hohe Rat entdeckt, dass du uns geholfen hast?«, fragte Alden. »Sie würden es ganz sicher als Verrat betrachten.«

»Manchmal ist Rebellion der einzige Weg der Weisheit – wie ihr alle sehr wohl wisst.« Oralie drehte sich wieder zu Sophie um und ihre Lippen schienen ein Wort zu formen, doch als sie sprach, hatte es sich in »Ich muss jetzt gehen« verwandelt.

Sie hob ihren Wegfinder ins Mondlicht und glitzerte davon, bevor Sophie überhaupt blinzeln konnte.

»Na, das nenne ich mal geheimnisvoll«, sagte Keefe. »Du solltest dir ein paar Notizen machen, Foster. Und wer will außer mir noch mit diesem Verwahrerdings spielen und mal sehen, was es so macht?«

»Ihr werdet nichts dergleichen tun!«, warnte Alden sie. »Und ihr dürft auch niemandem verraten, dass ihr es habt – an eurer Stelle würde ich es noch nicht einmal Black Swan erzählen. Es könnte den Untergang für unsere ganze Welt bedeuten, wenn dieser Verwahrer in die falschen Hände geraten würde.«

»Wirklich?«, fragte Sophie. Er sah aus wie eine der billigen Murmeln, mit denen sie als kleines Kind oft gespielt hatte.

»Der Gegenstand an sich birgt keine Gefahren – sondern das, was der Verwahrer enthält. Was glaubst du, was die größte Bedrohung für unsere Welt ist?«, fragte Alden.

»Die Oger?«, riet Sophie.

»Nein, es ist Wissen«, korrigierte Alden sie. »Informationen bergen unvorstellbare Macht, und manche Dinge sind schlicht zu gefährlich, um sie zu wissen – selbst für die Hohen Räte. Deshalb schließen sie die verstörendsten Geheimnisse weg, bevor sie sie aus ihrem eigenen Geist löschen. Wir nennen sie die ›vergessenen Geheimnisse‹, und sie werden in dem Ding gesammelt, das du in der Hand hältst. Alle Mitglieder des Hohen Rates müssen schwören, ihren eigenen Verwahrer mit ihrem Leben zu beschützen. Oralie ist ein gewaltiges Risiko eingegangen, indem sie ihn dir gegeben hat. Und sie hat dir damit auch das wertvollste Druckmittel überlassen, das in unserer Welt existiert.«

Sophie ließ die glänzende Murmel in ihrer zitternden Handfläche hin und her rollen, versucht, diese riesige Verantwortung wieder abzugeben. Aber sie war es Kenric schuldig, sein Geschenk zu beschützen. Außerdem hatte Oralie mit ihrer vagen Warnung anklingen lassen, dass sie es vermutlich irgendwann brauchen würde.

»Kommt jetzt«, forderte sie ihre Freunde auf und steckte den Verwahrer in ihre tiefste Tasche. »Wir müssen zu Black Swan.«

Sie nahm Fitz’ Hand, während Keefe nach ihrer anderen Hand griff. Biana klammerte sich fest an ihren Bruder, und Dex konnte nur noch zwischen Keefe und Biana wählen.

»Ich beiße schon nicht«, versicherte Keefe ihm. »Au! Aber du musst ja nicht gleich so zudrücken!«

Keiner von ihnen blickte sich noch einmal um, als sie ins Dickicht der Bäume davonrannten. Sie vollführten einen Slalom um abgebrochene Äste und knorrige Wurzeln und wechselten so oft die Richtung, dass Sophie schon befürchtete, sie hätten sich verlaufen, bis das eindeutige Rauschen von Wellen an ihre Ohren drang. Ein paar Schritte weiter lichtete sich der Wald und gab den Blick auf eine steile Meeresklippe frei.

»Ich werde jetzt meinen Geist für dich öffnen, damit du mir endlich zeigen kannst, wo wir hinmüssen«, sagte Sophie zu Fitz.

»Ich kann dir aber nichts zeigen«, erwiderte er. »Ich weiß nur, dass wir am Pfad der Privilegierten anfangen sollen.«

Sophie ließ Fitz’ Hand fallen. »Ich habe keine Ahnung, was das ist. Und was meinst du denn mit ›anfangen‹?«

»Das war die erste Anweisung«, antwortete Fitz.

»Die erste Anweisung?«, fragte Sophie. »Oder das erste Rätsel?«

»Ich schätze, es könnte tatsächlich ein Rätsel sein«, murmelte Fitz. »Ich hab bloß nicht gedacht, dass sie das diesmal auch wieder machen.«

»Kumpel, du weißt schon, dass wir hier von Black Swan reden?«, fragte Keefe.

»Ja, ich weiß«, erwiderte Fitz. »Aber ich dachte, wenn es um etwas so Wichtiges geht, würden sie sich klar und deutlich ausdrücken.«

Sophie wich einen Schritt zurück, um nicht in Versuchung zu geraten, Fitz von der Klippe zu stoßen. »Okay.« Sie atmete tief durch. »Wie lautet das Rätsel ganz genau?«

Fitz reichte ihr ein Stück Papier, auf dem er die komplette Nachricht notiert hatte.

Folgt dem Pfad der Privilegierten, vorbei an ewig sehenden Augen und wertvoll gewordenem Blut. Sucht in dem Turm, der niemals weicht, nach den nächsten Schritten eurer Reise.

»Sagt dir das irgendwas, Foster?«, fragte Keefe, der über ihre Schulter mitlas.

»Natürlich nicht«, grummelte Sophie. »Warum hast du uns das nicht schon früher erzählt, dann hätten wir ein paar Recherchen anstellen können?«

Fitz fuhr sich mit den Händen durchs Haar. »Tut mir leid. Ich schätze, ich hab’s vermasselt.«

»Und sonst hast du nichts gesehen?«, fragte Keefe ihn. »Du hast Fosters Geist schließlich eine ganze Weile durchsucht.«

»Nur ein paar Minuten«, verteidigte sich Fitz.

Keefe packte ihn am Handgelenk und presste seine Finger auf die entblößte Haut. »Tut mir ja wirklich leid, dir das sagen zu müssen, aber ich kann spüren, dass du uns was verheimlichst.«

»Empathen«, brummte Fitz.

»Ich sorge nur dafür, dass du ehrlich bleibst. Also, spuck’s aus. Was hast du im Geist unserer geheimnisvollen Miss F. gesehen?«

Fitz drehte sich zu Sophie um, und selbst im spärlichen Licht konnte sie die Röte erkennen, die seine Wangen leuchten ließ. »Es könnte sein, dass ich noch mehr gesehen habe – aber es waren nicht wirklich Gedanken. Es waren eher … Gefühle.«

»Ach?«, stieß Keefe aus, während sich Sophies Magen mit blubbernder Lava füllte. »Soll das bedeuten, dass du –«

»Wir verschwenden hier nur Zeit!«, unterbrach ihn Sophie. »Der Hohe Rat könnte jeden Moment hier auftauchen und ich habe immer noch keine Ahnung, wo wir hinsollen.«

»Okay«, sagte Keefe und folgte ihr an den Rand des Abgrunds. »Also … wir müssen auf jeden Fall nach Florenz, richtig? Das hat Black Swan dir gesagt?« Als Fitz nickte, fragte Keefe Sophie: »Verstecken sich in deinem fotografischen Gedächtnis nicht irgendwo ein paar Bilder der Stadt?«

Sie hatte Fotos von Florenz gesehen, aber … »Das verrät uns trotzdem noch nicht, wo wir anschließend hinmüssen.«

»Das finden wir dann schon noch heraus. Und sobald wir es wissen, ziehen wir Fitz alle eins über und sagen Black Swan, dass sie sich diese lahmen Rätsel, die sich überhaupt nicht reimen, in Zukunft sparen können. Und in der Zwischenzeit«, Keefe nahm wieder Sophies Hand, »machen wir erst mal das hier!«

Sie hatten sich kaum wieder alle an den Händen gefasst, bevor Keefe sie über den Rand der Klippe riss.

3

keefe lachte, während alle anderen wie wild kreischten und zappelten, als sie auf den Ozean zurauschten. »Wow, was für ein Haufen Babys. Keine Sorge, Foster hat alles im Griff.«

Sein Vertrauen löste einen Teil des Nebels in Sophies Kopf auf – immerhin so weit, dass sie sich auf die Energie konzentrieren konnte, die mit dem Adrenalin durch ihren Körper strömte. Sie stieß die Kraft aus ihrem Geist, ein Donnerschlag zerriss den Himmel und sie stürzten in die Leere.

Während sie durch die Dunkelheit schwebten, beschwor Sophie ein Bild von Florenz herauf, das sie einmal gesehen hatte: Kirchen aus Marmor. Rote Dächer. Ein goldener, von bunten Häusern gesäumter Fluss.

Sie fokussierte das bekannteste Wahrzeichen: die Kathedrale Santa Maria del Fiore. Erneut knallte ein Donnerschlag und teilte die Dunkelheit mit blendendem Licht.

Sie schossen durch den leuchtenden Spalt, landeten auf einem überfüllten Platz, krachten gegen eine Marmorwand und purzelten in einem Haufen übereinander.

»An deinen Landungen musst du immer noch arbeiten«, stöhnte Keefe und kroch unter Fitz hervor.

Sophie konzentrierte sich vor allem auf den dröhnenden Schmerz in ihrem Kopf und die Hunderte von Stimmen, die sich in ihren Geist bohrten. Die Menschengedanken drangen wie Radiowellen in ihren Kopf ein, trotz ihrer ansonsten undurchdringlichen Blockade. Zum Glück hatte sie gelernt, ihren Geist zu schützen, indem sie eine unsichtbare Barriere um ihren Kopf errichtete.

Fitz massierte sich die Schläfen und tat offensichtlich dasselbe. Sophie weigerte sich jedoch, das vorsichtige Lächeln zu erwidern, das er ihr schenkte. Sie befanden sich in einer Verbotenen Stadt und hatten keine Ahnung, wo sie hinmussten, und das war alles nur seine Schuld.

»Hier riecht es komisch«, fand Biana.

»Das ist wahrscheinlich die menschliche Luftverschmutzung«, erklärte Fitz ihr. »Aber ich kann mich gar nicht daran erinnern, dass es so schlimm war.«

»Ich auch nicht«, sagte Sophie. Die Luft fühlte sich ganz dick in ihrem Hals an und roch seltsam nach Karamell. Es war überhaupt nicht das, was sie im Land von Pasta und Knoblauch erwartet hatte.

»Also, sind wir unsichtbar oder so was?«, fragte Dex und sah zu, wie das Meer aus Menschen an ihnen vorbeizog. »Oder interessieren sich alle nur für dieses große Kuppeldings da?« Er zeigte auf den berühmten Dom auf der anderen Seite der Piazza.

»Wahrscheinlich beides.« Fitz holte eine kleine schwarze Kugel aus seinem Beutel. »Dad hat mir einen Verdunkler mitgegeben, damit wir uns leichter verstecken können.«

Das Gerät konnte Licht und Geräusche in einem begrenzten Umkreis bündeln und schuf so eine perfekte Tarnung für alles, was sich darin befand.

»Ist das dein Ernst?«, fragte Biana. »Und was soll dann bitte diese hässliche Verkleidung?«

»Das nennt man ›vorsichtig sein‹«, antwortete Fitz.

»Und außerdem bin ich Batman!«, ergänzte Keefe. »Die Jacke ist allerdings zu viel des Guten. Warum ist es bitte so heiß hier?«

»Zu viele Menschen, zu wenige Bäume«, antwortete Fitz und zog Schal und Mantel aus, unter denen er nur ein ziemlich enges blaues T-Shirt trug.

Auch Biana schlüpfte aus ihrem Sweatshirt und enthüllte ein gelbes T-Shirt mit Siebdruck. »Ich fand es gut, dass auf dem hier auch ein paar Mädchen drauf waren«, sagte sie.

Sophie betrachtete das Gruppenbild der X-Men auf ihrem Shirt. »Auch wenn sie superseltsame Frisuren haben.«

»Äh, einer der Typen hat blaues Fell am ganzen Körper und du guckst auf die Haare der Mädchen?«, fragte Keefe. »Und hey, das gelbe Shirt von diesem Kerl mit den Krallen ist fast genauso eng wie das von Fitz!«

»Eifersüchtig?«, neckte Fitz ihn und spannte seine ziemlich beeindruckenden Muskeln an.

»Sollten wir nicht lieber versuchen herauszufinden, wo wir sind?«, schlug Dex vor, stopfte sein eigenes Sweatshirt in seinen Beutel und schlang sich die dünnen Arme um die Brust.

»Wahrscheinlich«, gab Keefe ihm recht. »Aber zuerst mal: Was ist das?« Er deutete auf die tropfenden Eiswaffeln, die eine Familie genüsslich verschlang. »Was immer das ist, ich will auch eins!«

»Das ist Eiscreme«, erklärte Sophie ihm. »Und: Vergiss es.«

»Ehrlich gesagt finde ich, dass das ein ausgezeichnete Idee ist«, widersprach ihr Fitz.

Keefe lehnte sich näher zu Sophie. »Falls du dich das jemals gefragt hast: Das ist der Grund, warum er mein bester Freund ist.«

Sophie seufzte. »Selbst wenn wir Zeit für so was hätten – wie wollt ihr denn dafür bezahlen?«

Ihre Freunde waren daran gewöhnt, alles aus ihrem Geburtsfond zu bezahlen – einem speziellen Konto, das für jeden Elf angelegt wurde, wenn er oder sie zur Welt kam, und auf dem sich mehr Geld befand, als sie in ihrem ganzen Leben ausgeben konnten. Außerhalb der Verlorenen Städte war es allerdings vollkommen nutzlos.

»Wird das Zeug hier denn nicht funktionieren?«, fragte Dex und zog ein Bündel mit zerknittertem bunten Papier heraus. »Das hatte ich noch vom letzten Mal übrig, als wir entführt wurden und in dieser anderen Verbotenen Stadt waren.«

In Paris zahlte man zwar genau wie in Florenz mit Euro, aber … »Wir haben keine Zeit für Eis!«, beharrte Sophie.

Keefe legte einen Arm um ihre Schultern. »Foster, Foster, Foster. Leb doch mal ein bisschen.«

»Dir ist schon klar, dass er dich nerven wird, bis er kriegt, was er will, oder?«, fragte Biana.

»Na schööööön«, stöhnte Sophie. »Gib mir das Geld. Ich bin gleich wieder da.«

»Wir kommen mit dir«, entgegnete Dex.

»Nein. Ich muss sichtbar sein, um etwas kaufen zu können, und alle zusammen wären wir viel zu verdächtig.«

»Aber wir sind verkleidet!«, protestierte Biana.

»Ja, aber ihr werdet trotzdem sofort auffallen. Ich meine … schaut euch doch nur mal an. Ihr seht alle aus wie Models.«

»Moment mal, will Foster damit etwa sagen, dass sie uns heiß findet?«, fragte Keefe.

»Ich glaube schon.« Dex grinste übers ganze Gesicht und tiefe Grübchen bohrten sich in seine Wangen.

Sophie hätte es zwar gern abgestritten, aber es entsprach nun mal der Wahrheit, dass Elfen viel besser aussahen als Menschen. Selbst Dex mit seinen zerzausten roten Haaren war zehnmal süßer als jeder menschliche Junge in seinem Alter.

»Ich will damit nur sagen, dass ihr eine Menge Aufmerksamkeit erregen werdet«, erwiderte Sophie. »Vor allem weil ihr kein Italienisch sprecht.«

Sie zeigte auf zwei Porträtzeichner, die im Schatten des Doms saßen und wie wild mit den Händen in der Luft herumfuchtelten, während sie sich unterhielten. Sophie war Polyglottin und wusste, dass die beiden über ihre Lieblingsfußballmannschaften diskutierten. Ihre Freunde beherrschten hingegen nur die Erleuchtete Sprache der Elfen. Fitz konnte aus der Zeit, als er nach Sophie gesucht hatte, zwar ein bisschen Englisch, aber in Italien würde ihm das nicht allzu viel nutzen.

»Sophie hat recht. Je weniger man uns alle sieht, desto besser. Aber ich gehe mit ihr.« Fitz reichte Keefe den Verdunkler und riss Dex noch ein paar Scheine aus der Hand. »Niemand geht allein irgendwohin.«

»Na schön.« Sophie war zwar immer noch wütend auf ihn, aber sie musste sich auch dringend mit ihm unterhalten.

»Ich kann nicht fassen, dass wir damit wirklich Zeit verschwenden«, sagte sie, als Fitz ihr durch das Meer aus Touristen folgte. Es war richtig seltsam, wieder graue Haare und Falten, Brillen und Gehstöcke zu sehen, nachdem sie so lange Zeit von alterslosen Elfen umgeben gewesen war.

»Ich weiß, dass wir in Gefahr sind«, erwiderte Fitz. »Aber genau deshalb finde ich ja, dass es eine gute Idee ist.« Er schob sich näher zu ihr und senkte die Stimme, als sie an einer Gruppe Mädchen vorbeieilten, die ihn fassungslos angafften. »Ich meine … machst du dir denn keine Sorgen darüber, ob die anderen das hier wirklich durchhalten? Biana wirkt furchtbar nervös, hab ich recht? Keefe kann sich auch kaum noch zusammenreißen. Und ich wette, Dex ist ebenfalls schon kurz vorm Durchdrehen. Also wenn Eiscreme sie glücklich macht, findest du dann nicht, dass es die Sache wert ist?«

»Ich schätze, daran hab ich gar nicht gedacht«, gestand Sophie. »Aber trotzdem hätten wir mehr Zeit für solche Sachen wie Eis, wenn du mir von Black Swans Anweisungen erzählt hättest, bevor wir aufgebrochen sind. Dann hätte ich versuchen können, das Rätsel zu lösen.«

»Ich weiß. Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht nerven oder so. Ich hatte nur Angst, dass du ohne uns abhaust, wenn ich es dir erzähle.«

Sie hatte mit diesem Gedanken gespielt, mehrmals sogar …

»Ich will nur, dass alle in Sicherheit sind«, murmelte Sophie.

»Ich weiß. Das will ich auch. Und trotzdem machen wir beide alles nur schlimmer. Also warum hören wir nicht endlich auf, alles allein schaffen zu wollen, und verhalten uns wie ein Team?«

Er streckte ihr seine Hand hin und Sophie schüttelte sie widerwillig, empfand jedoch eine gewisse Schadenfreude, als die gaffenden Mädchen geschlossen nach Luft schnappten.

Ihr Lächeln verblasste allerdings, als ihr wieder einfiel, worüber sie noch mit Fitz sprechen musste. »Also, ähm … wenn wir wirklich ein Team sein wollen, findest du dann nicht, dass du mir sagen solltest, was du in meinem Kopf gesehen hast?«

»Ich habe nicht so viel gesehen, wie du wahrscheinlich glaubst«, antwortete Fitz vorsichtig. »Und ich hab es sowieso nicht verstanden.«

»Was soll das denn nun wieder heißen?«

»Es ist schwer zu erklären. Ich bin an diesem verrückten Ort gelandet, den MrForkle als dein emotionales Zentrum bezeichnet hat. Und jetzt verstehe ich auch, warum Keefe immer sagt, dass deine Gefühle so intensiv sind. Es war total überwältigend.«

»Und dort warst du, als MrForkle gesagt hat: ›Erinnere dich an diesen Ort. Du wirst ihn vielleicht noch brauchen.‹?«

Fitz nickte. »Er hat allerdings nicht gesagt, warum.«

»Natürlich nicht.« So funktionierte MrForkle nicht. Er war das einzige Mitglied von Black Swan, das Sophie jemals persönlich getroffen hatte, aber sie wusste trotzdem nichts über ihn. Selbst sein Name war Teil der falschen Identität als ihr früherer menschlicher Nachbar, die er sich einst zugelegt hatte.

Sie wollte Fitz noch mehr fragen, aber dann entdeckte sie eine kleine Eisdiele am Ende einer Gasse.

»Denkst du, wir sollten die Eisverkäuferin fragen, ob sie schon mal irgendwas vom Pfad der Privilegierten gehört hat?«, fragte Fitz, als sie durchs Fenster in den Laden schauten.

»Ich bezweifle zwar, dass sie irgendetwas darüber weiß«, antwortete Sophie, »aber einen Versuch ist es wert.«

Sophie lief das Wasser im Mund zusammen, als sie die Eisdiele betraten und die glänzenden Behälter betrachteten, in denen sich bunte, kunstvoll geformte Berge aus Eiscreme auftürmten. Jede einzelne Sorte sah einfach köstlich aus, deshalb folgte Sophie dem Rat der Verkäuferin und bestellte fünf Portionen Melone.

»Okay, ich habe keine Ahnung, was da drin ist«, sagte Fitz, nachdem er sich einen Löffelvoll in den Mund gesteckt hatte, »aber das ist vielleicht sogar noch besser als Schmelzmallows.«

Sophie bezweifelte, dass tatsächlich irgendetwas existierte, das den herrlich klebrigen, keksartigen Kuchen übertreffen konnte, den es bei den Elfen gab, aber dieses Eis war zumindest sehr nahe dran.

»Kennen Sie vielleicht irgendeinen Ort, der ›Pfad der Privilegierten‹ genannt wird?«, fragte Fitz die Verkäuferin, und bei den englischen Worten klang sein Akzent noch klarer.

Als die Frau ihm nicht antwortete, wiederholte Sophie die Frage auf Italienisch und fügte hinzu: »Es ist für eine Schulaufgabe. Unsere Lehrerin hat uns auf eine Schatzsuche geschickt und das ist einer der Hinweise, die sie uns gegeben hat.«

»Ich wette, eure Lehrerin will, dass ihr das selbst herausfindet und nicht Erwachsene die ganze Arbeit für euch machen lasst«, erwiderte die Verkäuferin und wackelte mit ihrem erhobenen Zeigefinger. »Aber da du mich immerhin auf Italienisch gefragt hast, verrate ich dir, dass eure Lehrerin wahrscheinlich den Vasarikorridor meint.«

Sobald die Frau den Namen ausgesprochen hatte, erwachte ein Dutzend Fakten in Sophies Gedächtnis. Der Vasarikorridor war ein historischer überdachter Gang, den die Medici zwischen ihren Palästen erbaut hatten, damit sie durch die Stadt gehen konnten, ohne sich durch die Mengen an gewöhnlichen Bewohnern drängen zu müssen.

»Können Sie uns sagen, wie wir dort hinkommen?«, bat Sophie und bezahlte das Eis, während Fitz die Becher für Keefe, Dex und Biana nahm.

»Einer der Eingänge befindet sich auf der anderen Seite des Arno, in der Nähe der Grotten am Palazzo Pitti«, erklärte die Besitzerin. »Der andere ist an der Galerie der Uffizien. Aber es hat keinen Sinn, dorthin zu gehen. Alle Attraktionen sind heute wegen des Feuers geschlossen.«

Das süße Meloneneis schmeckte auf einmal ganz bitter auf Sophies Zunge. »Welches Feuer?«

»Es hat ganz spät gestern Nacht gebrannt, im Palazzo Vecchio. Es bricht mir das Herz. All diese wundervollen historischen Objekte für immer verloren – und das nur wegen eines selbstsüchtigen Brandstifters.«

4

Das muss Brant gewesen sein«, flüsterte Sophie, während sie die Feuerwehrleute beobachtete, die über die Piazza della Signora eilten.

Sie hatten die Warnungen der Eisverkäuferin ignoriert und ihren Verdunkler genutzt, um sich an den Polizeiabsperrungen vorbeizuschleichen. In dem Feuer war niemand ums Leben gekommen und es war gelöscht worden, bevor es auf andere Gebäude übergesprungen war. Trotzdem waren die Steinmauern des berühmten Palazzo Vecchio schwarz verfärbt und bröckelten überall ab und der Uhrenturm stand noch schiefer da als der Turm von Pisa. Viele Menschen in der Menge hinter ihnen weinten und Sophie konnte ihre Trauer gut verstehen. Sie hatte sich genauso gefühlt, als sie mit angesehen hatte, wie die Elfenhauptstadt Eternalia von den Everblazeflammen verschlungen worden war.

»Das war doch nicht das Gebäude, zu dem wir wollten, oder?«, fragte Fitz, als sie zur Seite sprangen, um zwei Feuerwehrleuten Platz zu machen. »Ich dachte, der Eingang zu diesem Korridor befände sich an irgendeinem anderen Ort mit komischem Namen?«

»Bei den Uffizien«, sagte Sophie und deutete auf ein Gebäude mit mächtigem Torbogen neben dem zerstörten Palast. »Aber die Polizei hat sämtliche Touristenattraktionen geschlossen und auch ein Verdunkler kann Bewegungsmelder und Alarmanlagen nicht überlisten.«

»Na, ich glaube trotzdem nicht, dass wir hierbleiben sollten«, fand Fitz. »Die Neverseen könnten alles beobachten.«

»Woher wollt ihr wissen, dass sie es waren?«, fragte Dex. »Gibt’s bei den Menschen nicht ständig Feuer?«

»Riechst du das denn nicht?«, fragte Sophie zurück.

Keefe schnupperte in die Luft. »Riecht nach verbranntem Zucker.«

»Ganz genau. Ich hätte es schon vorhin erkennen müssen. So haben die Feuer in San Diego auch gerochen. Und die hatte Brant gelegt.« Sophie blickte über ihre Schulter und erwartete beinahe, eine Gestalt in einem schwarzen Kapuzenumhang zu entdecken.

»Aber wie soll er das denn geschafft haben?«, beharrte Dex. »Er war total fertig, als er zu den Ogern geflohen ist. Er hatte eine Hand verloren und, na ja, den Großteil seines Gesichts.«

Sophie erschauderte und versuchte, sich Brants blutüberströmte, von Blasen bedeckte Haut nicht vorzustellen. Er war nicht mehr in der Lage gewesen, selbstständig zu gehen – er hatte noch nicht mal selbst nach seinem Wegfinder greifen können. Stattdessen hatte er sie gezwungen, ihn ihm in die Hand zu drücken, weil er ihr sonst nicht verraten hätte, wie sie ihre Freunde retten konnte.

»Er hat auch Jolies Feuer überlebt«, sagte sie und erinnerte sich wieder an Brants alte Narben.

Sie hoffte, dass noch immer einige von ihnen übrig waren. Er hatte es verdient, an das Leben erinnert zu werden, das er ausgelöscht hatte.

»Oder vielleicht hat Black Swan das Feuer ja auch selbst gelegt«, überlegte Dex. »Um sich vor dem Hohen Rat zu verstecken oder so.«

»Haben sie denn Pyrokinetiker in ihren Reihen?«, wollte Biana wissen.

»Ich hoffe nicht«, antwortete Sophie. »Aber selbst wenn, warum sollten sie gerade den Ort niederbrennen, zu dem sie uns geschickt haben?«

»Weil dieser Ort kein Teil ihrer Anweisungen war«, erinnerte Fitz sie. »Das hier ist das Gebäude daneben.«

»Aber es macht es uns trotzdem noch zehnmal schwerer, dort reinzukommen«, erwiderte Sophie.

»Äh, ihr ignoriert hier alle die viel wichtigere Frage«, unterbrach Keefe sie. Er zeigte quer über den Platz auf eine verwitterte Marmorstatue. »Bin ich der Einzige, dem aufgefallen ist, dass der Typ da nackt ist?«

Sophie rollte mit den Augen. »Das ist David.«

»Mir ist egal, wie er heißt«, sagte Keefe. »Ich will sein Ding trotzdem nicht sehen.«

»Da kann ich Keefe nur zustimmen«, sprang Dex ihm bei.

»Ich auch«, fügte Biana hinzu und lief knallpink an.

»Ja, warum trägt er keine Klamotten?«, wollte Fitz wissen und schaute überallhin, nur nicht zu der Statue.

»Weil es Kunst ist!«, antwortete Sophie. »Die meisten alten Maler und Bildhauer haben Nackte abgebildet. Sie wollten den menschlichen Körper studieren oder so, ich weiß auch nicht so genau – aber warum sprechen wir überhaupt darüber?«

»Du hast recht«, sagte Fitz. »Wir brauchen einen Plan. Ich persönlich denke, dass wir Black Swans Hinweisen weiter folgen sollten. Wenn wir erst mal in diesem Korridor sind, dann wette ich, dass der Rest ihrer Anweisungen wie von selbst Sinn ergibt. Wir müssen nur noch herausfinden, wie wir an den Sicherheitsvorkehrungen vorbeikommen und –«

»Bin schon dabei«, unterbrach Dex ihn und steuerte auf die Uffizien zu.

Fitz packte ihn am Arm. »Wir müssen alle zusammen gehen, damit wir in Reichweite des Verdunklers bleiben.«

Dex murmelte irgendetwas von wegen »Angeber« und »Bestimmer«, während Fitz die Führung übernahm. Sie schlängelten sich vorsichtig zwischen den Feuerwehrleuten und Reportern hindurch und erreichten den Eingang des Museums, ohne mit irgendjemandem zusammenzustoßen.

Dex drückte beide Handflächen auf die Steinfassade. »Du hattest recht, was die verrückten Sicherheitsmaßnahmen angeht, Sophie.«

»Kannst du sie deaktivieren?«, fragte Biana.

»Nur vorübergehend. Wie kommen wir noch mal in diesen Korridor?«

»Im obersten Stock, durch eine schlichte, unbeschriftete Tür.« Sophie konnte sie genau vor sich sehen, was sich seltsam anfühlte, schließlich war sie noch nie dort gewesen.

»Okay, ich kann uns ein bisschen mehr Zeit verschaffen«, sagte Dex, »aber dafür muss ich den Verdunkler kaputtmachen.«

»Ist das die einzige Möglichkeit?«, fragte Fitz.

»Nein, ich dachte nur, es wäre lustig, wenn das Ganze für uns extraschwer und gefährlich wird!«

»Hey!«, rief Sophie und stellte sich zwischen die beiden. »Wir haben keine Zeit, uns zu streiten.«

Dex funkelte Fitz wütend an, während er sich an die Arbeit machte, den Verdunkler auseinandernahm und an seinem Innenleben herumbastelte. Er entfernte mehrere Zahnräder und Federn und steckte sie in seine Hosentasche, bevor er das Gerät wieder zusammenbaute. »Hier, Wunderknabe. Fang!«

Fitz fing es mit seinem Geist auf.

Telekinese.

Sie gehörte zu den Elfenfertigkeiten, die Sophie nur sehr selten einsetzte – seit einem legendären Klecksduell, bei dem sie Fitz aus Versehen gegen eine Wand geschleudert hatte. Fitz teilte ihre Zurückhaltung jedoch ganz offensichtlich nicht. Er ließ den Verdunkler ein paarmal herumwirbeln, wahrscheinlich um Dex zu nerven, bevor er das Gerät in seine Hand fallen ließ.

»Sobald ich die Tür öffne«, erklärte Dex ihm, »rollst du das Ding hinein. Dann rennen wir los. Sind alle bereit?«

Dex machte sich nicht die Mühe, die Antwort der anderen abzuwarten, sondern tippte sofort mit den Fingerspitzen auf das Schloss und die Tür entriegelte mit einem Klicken. »Jetzt!«

Fitz warf den Verdunkler in das Museum und er kullerte über den Boden, gab dabei ein dröhnend lautes, knisterndes Rauschen von sich und blendete sie alle mit einem grellen Blitz.

»Wie sollen wir denn sehen, wo wir hinlaufen?«, fragte Sophie, als Dex sie ins Museum zog.

»Gar nicht«, antwortete Dex. »Aber uns kann auch niemand sehen.«

»Au, ich hab mir gerade die Schulter gestoßen«, jammerte Biana.

»Wahrscheinlich an irgendeiner anderen nackten Statue«, vermutete Keefe.

»IIIGIIIITTT, WAS, WENN DAS STIMMT?!«

»Würdet ihr bitte leise sein?«, rief Fitz. »Folgt alle meiner Stimme. Ich hab die Treppe gefunden.«

Sie gingen in den ersten Stock hinauf, wo das Licht sie etwas weniger blendete.

»Wohin?«, wollte Fitz wissen.

»Ich glaube, wir müssen nach Westen«, antwortete Sophie. »Haltet alle nach einem grünen Raum und einer schlichten Holztür Ausschau.«

Beinahe wären sie daran vorbeigegangen, aber Biana entdeckte sie auf den zweiten Blick doch noch und rief die anderen zu sich.

Fitz rüttelte an der verschlossenen Tür, bis Dex ihn zur Seite schubste. »Überlass das den Experten.«

Mehrere quälende Sekunden verstrichen.

»Lass dir ruhig Zeit«, sagte Fitz.

»Tut mir leid, aber dieses Schloss ergibt überhaupt keinen Sinn. Wartet – ich hab’s!«

Sie huschten in den Korridor und Dex knipste das Licht an, bevor er sich umdrehte, um die Tür wieder hinter sich zu verriegeln.

»Wow, ist das riesig«, raunte Sophie, als sie die große Treppe hinaufstiegen. Sie hatte einen dunklen, engen Flur erwartet, aber dies hier war wirklich der Pfad der Privilegierten. Die Decke am Eingang war vergoldet und mit Fresken verziert, die Wände mit unbezahlbaren Gemälden bedeckt.

»Wir sollten uns besser beeilen«, sagte Dex und schloss zu den anderen auf. »Meine kleine Tüftelei am Schloss wird nicht lange anhalten. Außerdem kann ich Kameras spüren und es würde zu lange dauern, wenn ich versuchen würde, mich auch noch um die zu kümmern. Es könnte zwar sein, dass der Verdunklerblitz einen Kurzschluss bei ihnen ausgelöst hat, aber es ist besser, wenn wir trotzdem den Kopf unten halten. Und wir sollten uns dringend um den nächsten Hinweis kümmern.«

»War das nicht der mit dem Blut?«, fragte Biana. »Glaubt ihr, es könnte vielleicht irgendetwas damit zu tun haben?«

Sie blieben vor einer Ansammlung von Gemälden stehen, die aussahen, als seien sie verbrannt und wieder zusammengesetzt worden.